Zusammenfassung
In dem Beitrag wird versucht, Antworten auf Herausforderungen durch ungleiche Lernbedingungen an den Grundschulen in den letzten Jahrzehnten zu beschreiben aber auch bestehende und sich in letzter Zeit verstärkende Ungleichheiten zu charakterisieren. Die Landschulreform und die Abschaffung von öffentlichen Konfessionsschulen in den 1960er Jahren waren Antworten auf die ungleichen Lernbedingungen an den Grundschulen in ländlichen und städtischen Regionen. Durch die Senkung der Klassenfrequenzen sollten ebenfalls verbesserte Bildungschancen erreicht werden. Bis heute ist es aber nicht gelungen, auf die Disparitäten in den Bildungsvoraussetzungen durch Armut und Migrationshintergrund der Schülerinnen und Schüler zielführende Antworten flächendeckend zu finden. Am Beispiel von Nordrhein-Westfalen wird dies illustriert.
Abstract
The contribution presents an attempt to describe challenges posed by unequal learning conditions at primary schools in recent decades, but also to characterize existing inequalities which have recently increased. In the 1960s, school reforms and the abolition of public confessional schools represented responses to unequal learning conditions at primary schools in rural and town areas. Better educational opportunities were also targeted by lowering class frequencies. However, no successful responses have yet been found to address disparities in educational opportunities caused by student poverty and immigrant background across regions, as is demonstrated for the example of North-Rhine Westphalia.
Notes
Nordrhein-Westfalen sieht für die vierjährige Grundschule als Gesamt-Wochenpflichtstunden 94–98 h vor und liegt damit im unteren Mittelfeld der Bundesländer (https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Statistik/Wochenpflichtstunden_der_Schueler_2016.pdf). Hamburg schreibt zum Vergleich 108 Unterrichtsstunden in der Grundschule vor und dort kamen im Schuljahr 2017 184 Unterrichtsstunden auf 100 Grundschülerinnen und -schüler. Im Bundesdurchschnitt sind es 2017 148 h (Sekretariat der KMK 2018, Tab. B.I.4h). Die KMK-Statistik nennt für Nordrhein-Westfalen 139 Unterrichtsstunden.
Als Kinder mit Migrationshintergrund gelten hier Kinder, die selbst oder deren Eltern zugewandert sind und/oder die zuhause primär eine fremde Verkehrssprache sprechen.
Zum Ruhrgebiet zählen die Städte Bottrop, Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen und die Landkreise Ennepe-Ruhr, Recklinghausen, Unna und Wesel.
Die Zahl der Unterrichtsstunden je Schüler verdeutlicht die Lehrkräfteversorgung am besten, weil sie nicht – wie bei den Unterrichtsstunden je Klasse – durch die variierende Schülerzahl je Klasse beeinflusst wird. Doch sind die Unterrichtsstunden je Klasse ein anschaulicheres Maß für die Unterrichtsversorgung, weshalb sie zusätzlich berücksichtigt wird.
Die zeitinvarianten Bezirke sind in den Kommunen hierarchisch eingebunden.
Anstelle des Ausländeranteils an den Grundschulen wurde jetzt der Einfluss von Schulen berücksichtigt, die mehrheitlich Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund aufweisen.
Von den insgesamt 2794 Grundschulen im Schuljahr 2014/2015 in NRW standen für 2747 Grundschulen für mehrere Jahre Daten zu den Übergängen zum Gymnasium zur Verfügung. Weitere Modellrechnungen für frühere Zeiträume und andere Schulformen finden sich in Jeworutzki et al. (2017).
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Schräpler, JP., Weishaupt, H. Grundschule und sozialräumliche Ungleichheit. ZfG 12, 415–437 (2019). https://doi.org/10.1007/s42278-019-00055-6
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DOI: https://doi.org/10.1007/s42278-019-00055-6
Schlüsselwörter
- Lange Zeitreihe der Grundschulentwicklung
- Räumliche Disparitäten
- Soziale Benachteiligung
- Nordrhein-Westfalen
- Gymnasialübergang