<1>

In dem Forschungsfeld, das sich mit dem Bild bzw. dem Wahrnehmen von Bildern beschäftigt, stellt die Frage, inwiefern es ein Sehen bzw. Wahrnehmen von Sinn vor jeder sprachlichen oder gedanklichen Fassung gibt, eine große Herausforderung dar. Denn Bilder, so legen es die jüngsten Überlegungen und Erfahrungen nahe, scheinen sich uns in einer Weise mitzuteilen, die zumindest nicht sprachlich und begrifflich funktioniert. Wie dann? Dass sie auf uns einen Einfluss haben und insbesondere unsere Kauf-, und wohl auch andere Entscheidungen beeinflussen, scheint jedem klar. Gerade die Bilderflut, die uns nicht nur über Bücher und Zeitungen, sondern inzwischen vielfach potenziert via Fernsehen und Internet überschwemmt, fordert die Forschung verstärkt heraus, nicht nur die Bilder, sondern auch unser Wahrnehmen von Bildern näher zu untersuchen. Innerhalb der Kunstgeschichte hat sich entsprechend im Lauf der letzten zehn Jahre eine eigene Disziplin herausgebildet: die Bildwissenschaft.  [1] Mit dem Fokus auf die Wahrnehmung als solche widmet sich diesem Phänomen zudem in jüngerer Zeit die Wahrnehmungsphilosophie.  [2]

<2>

Neben der Evidenz, die die Bilder glaubhaft zu vermitteln scheinen, wird den Bildern immer wieder unterstellt, wenn nicht gar vorgeworfen, sie würden uns affizieren. Die Tagung, mit der das Forschungszentrum eikones in Basel Ende 2006 eröffnet wurde, machte nicht umsonst dieses Doppelte zum Thema: »Movens Bild. Zwischen Affekt und Evidenz«.  [3] Für die hier verfolgte Fragestellung wurde gerade die Annahme, dass Bilder Affekte auslösen können, leitend.

<3>

Innerhalb des Forschungsspektrums, das sich mit dem Bild und dessen Wahrnehmung beschäftigt, wurden daher zur Einführung ins Thema insbesondere diejenigen Beiträge herangezogen, die sich diesem Fragezusammenhang widmen. Die grundständigen Überlegungen des Philosophen Ernst Cassirer in der Philosophie der symbolischen Formen  [4] können, wie die anschließende Auseinandersetzung damit zeigen soll, für diese Diskussion einen fruchtbaren Beitrag leisten. Die Einführung der ›Ausdruckswahrnehmung‹ als Ursprungswahrnehmungsform bietet dafür die Grundlage. Nach Cassirer ist sie diejenige Wahrnehmungsform, die vor jeder mythischen, sprachlichen, bildnerischen oder begrifflichen Bewusstseinsleistung, mit der die Welt als eine sinnvolle erschlossen werden kann, wirkt. Bemerkenswerterweise wird mit ihr nicht nur ein erster Sinn erschlossen, die mythische Welt, sondern zugleich der Weg für alle weiteren Bewusstseinsleistungen geebnet. Doch weniger dasjenige, was durch diese erste, elementare symbolische Bewusstseinsleistung erschlossen und schließlich insbesondere in der Sprache, dem Bild (Kunst) und in der Theorie festgehalten wird, als vielmehr die Art und Weise, wie die Ausdruckswahrnehmung die Welt erschließt, wirkt schließlich sowohl im anschaulichen (sprachlichen) als auch im erkennenden (begrifflichen) Bewusstseinsmodus fort.

<4>

Cassirer verweist hier konkret auf einen Prozess, in dem die »allerersten« Wahrnehmungsmomente, die Bewegungsgestalten und Raumformen, affektiv ausgelegt werden. Das Wie schlägt zugleich in ein Was um: Bewegunggestalten und Raumformen in »Seeleneigenschaften«. Hastiges, Schnelles, Ruhiges verbindet sich mit Wiedererkennbarem bzw. zuvor Gewusstem und beeinflusst so letzteres entscheidend in seiner Auslegung. Für die Frage nach dem Bild kann sich dieser Ansatz als äußerst ergiebig erweisen, bestätigt er doch, dass, wenn die formale Anlage von Bildern als Impulse gebend verstanden wird, deren affektive Auslegung Entscheidungsprozesse und den Bildsinn maßgeblich prägt.  [5] Insofern sind es nicht nur die sprachlich und begrifflich fassbaren, wiedererkennbaren Elemente, über die sich Sinn erschließt, sondern auch die »emotionalen«. Mehr noch, sie können mit Cassirer als die entscheidenden Impulsgeber für die Sinnstiftung angesehen werden. Diesen Zusammenhang, den Cassirer insbesondere im ersten Teil des dritten Bandes eröffnet, dann jedoch nicht weiter verfolgt, gilt es hier konkret herauszuarbeiten.

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Cassirers Schwerpunkt innerhalb der drei Bände liegt allerdings mehr darin, die unterschiedlichen Bewusstseinsmodi, mit denen der Mensch die Welt erschließt, zu untersuchen und vorzustellen (die Sprache, das mythische Denken und das Erkenntnisvermögen). Eindeutig wird diese Gewichtung schließlich in der Spätschrift An Essay on Man, die 1944 im amerikanischen Exil erschienen ist.  [6] Darin stellt er die Grundideen der Philosophie der symbolischen Formen nochmals in englischer Sprache einem breiten Publikum vor. Die Ausdruckswahrnehmung, die er zuvor als Ursprungswahrnehmungsform eingeführt hat, findet darin weder im einleitenden ersten Teil noch in der Besprechung des Aufbaus der mythischen Welt noch in seinem Beitrag zur Kunst Berücksichtigung, obwohl sie unausgesprochen in zahlreichen Analysen mitschwingt.  [7] Wie in der Philosophie der symbolischen Formen geht es ihm auch in dieser Abhandlung vor allem darum, gerade die Fähigkeit des Menschen zu konkreten, bewusstseinsbildenden Symbolisierungen herauszuarbeiten: »Der Mensch hat gleichsam eine neue Methode entdeckt, sich an seine Umgebung anzupassen. Zwischen dem Merknetz und dem Wirknetz, die uns bei allen Tierarten begegnen, finden wir beim Menschen ein drittes Verbindungsglied, das wir als ›Symbolnetz‹ oder ›Symbolsystem‹ bezeichnen können.«  [8]

<6>

Auf dieser Grundlage definiert Cassirer den Menschen als »animal symbolicum«.  [9] Dabei verliert er die ursprüngliche Erfahrungsform nicht aus dem Blick, im Gegenteil, doch der Schwerpunkt liegt in der Abgrenzung der Fähigkeiten des Menschen von denen des Tieres: »Die erste und fundamentale Schicht ist natürlich [Hervorhebung M.S.] die Sprache der Emotionen. […] Es trifft zu, daß auch in einer hochentwickelten, theoretischen Sprache die Verbindung zu dem ersten Element nicht vollständig abgebrochen ist. Es gibt wohl keinen Satz – abgesehen vielleicht von den rein formalen Sätzen der Mathematik –, der nicht eine gewisse affektive oder emotionale Färbung aufwiese.« Dennoch, so Cassirer weiter, finden wir in der Tierwelt im Gegensatz zur menschlichen Ausdruckfähigkeit »keine Zeichen, die eine objektive Referenz oder eine objektive Bedeutung haben«.  [10]

<7>

Vor diesem Hintergrund gilt es zu klären, auf welche Weise Cassirer die ›allerersten‹ Wahrnehmungsmomente, d.h. die Wahrnehmung von Bewegungs- und Raumformen ebenfalls als symbolisch strukturierte auslegen kann, zumal er diese nicht als sprachlich und begrifflich, sondern als affektiv wirksame Formen (Charaktere/Seeleneigenschaften) beschreibt und darüber hinaus als konstitutiv für mythische, bildliche, sprachliche und begriffliche Sinnbildungsprozesse herausstellt. Bestand haben kann dieser Ansatz nur, wenn die Wahrnehmung von ›Seeleneigenschaften‹ in den Bewegungs- und Raumgestalten als eine Art anthropologische Konstante eingeführt wird, als ein ›seelisch-geistiger Grundbestand‹, wie Cassirer es formuliert. Ein Schritt, den, wie sich zeigt, Cassirer zwar eröffnet, aber nicht weiter verfolgt hat.

Forschungsstand  [11]

<8>

Innerhalb der noch jungen Bildwissenschaft lassen sich zwei Forschungsschwerpunkte ausmachen, die sich dem Problemdruck durch das vermehrte Aufkommen von Bildern im Verlauf des 20. Jahrhunderts stellen. Der eine rückt das Bild in die Nähe von sprachlichen Zeichen und untersucht diejenigen Verweiszusammenhänge, die sprachlich-begrifflich erfasst werden können. Innerhalb des zweiten, der für diesen Fragezusammenhang relevant erscheint, wird dem Bild eine Eigenständigkeit gegenüber dem Sprachlich-Begrifflichen zuerkannt, so dass in der Diskussion die Rolle der Wahrnehmung in den Fokus rückt.  [12]

<9>

Als Protagonisten der Bildwissenschaft können der Sozialkritiker und Kunsthistoriker William Tom Mitchell aus Chicago und der Kunstwissenschaftler und Philosoph Gottfried Boehm aus Basel angesehen werden. Mitchell stellte mit seinem Verweis auf einen »pictorial turn« 1992 eher grundlegend die anthropologische Bedingtheit von Bildern heraus, indem er sie als zweite Natur des Menschen bezeichnet, »a second nature composed of images«, in der die Bilder als Projektionen der Gesellschaft ihr »eigenes Wollen«, »a mind of their own«, artikulieren.  [13] Boehm dagegen beschreibt mit dem »iconic turn« 1994 eher die besondere Verfasstheit der Moderne, die innerhalb einer von ihm so gekennzeichneten Geschichte des Sehens eine spezifische Stellung einnimmt. Demnach vermittle das Bild in jedem Jahrhundert auf andere Weise etwas vom Grund, dem »Ur-Bild, der Grenze oder Spur« (Gadamer).  [14]

<10>

Für diesen Fragezusammenhang entscheidend ist jedoch zunächst weniger, was die Bilder repräsentieren, sondern wie über die Bilder bzw. über das Wahrnehmen der Bilder die angenommenen Inhalte erfasst werden. In der Forschung zu dieser Frage spielt daher die Untersuchung des Verhältnisses der Bildstruktur (des Wahrzunehmenden) zum Betrachter (als Wahrnehmenden) eine große Rolle. Insbesondere Boehm widmet sich dieser Frage und verweist dabei grundlegend auf die »Potentialität«, ein offenes Gefüge von Beziehungen und Kontrasten, das dem bildnerischen Werk zu Grunde liege und das »simultan«, im Vollzug der Anschauung wahrgenommen werden könne.  [15] Dieser Vorgang wird von Boehm in einer späteren Schrift in einen erweiterten Zusammenhang gestellt und vergleichbar dem Begriffspaar Max Imdahls (›wiedererkennendes und sehendes Sehen‹) als ein Prozess beschrieben, in dem faktische bzw. sukzessive erfolgende (wiedererkennendes Sehen) und dynamische bzw. simultane Wahrnehmungsleistungen (sehendes Sehen) aufeinander treffen.  [16] Aus der »ikonischen Differenz« dieser Wahrnehmungsprozesse erschließt sich dem Betrachter das »ikonisch Dichte«, der Grund des Bildes, niemals ganz (ikonischer Rest), und zwar in der Weise, dass »sich im gleichen Maße Sinn präsentiert, wie sie ihn zurückhält, verstummen lässt«.  [17]

<11>

In seiner jüngsten Schrift verweist Boehm erneut auf den Grund des Bildes und dessen Unbestimmtheit. Diese »zeige« bzw. »ereigne sich« in der ikonischen Differenz und könne insofern als ein spezifischer Sinn generierender Akt angesehen werden, als ein ikonischer Grundakt, in dem sich – aus der materiellen Faktizität (Farbe, Mörtel, Leinwand etc.) heraus durch visuelle, auf die Wahrnehmung des Betrachters orientierte Relata (Farbe, Form, Licht, Geste etc.) – Sinn erschließt. Insofern liege im ikonischen Grundakt ein Zeigen (Deixis).  [18] Gerade die Moderne zeichne sich schließlich durch ein »Verstummen« aus und damit durch einen Bildsinn, der sich sprachlich-begrifflich nicht mehr fassen lasse, sondern nur noch eine übertragene Bedeutung annehmen könne; ein Bildsinn, in dem sich in den dynamischen Prozessen, wie sie beispielsweise im Werk von Cézanne und Monet wirksam sind, die Kräfte des Werdens und Vergehens der Natur äußern.  [19]

<12>

Inwiefern die als dynamisch erfahrbaren Beziehungen und Kontraste der jeweiligen Bildstruktur nicht nur Auskunft über ›die Welt‹ geben können, sondern darüber hinaus als Erfahrungsform des Betrachters selbst Bedeutung gewinnen, zeigt Michael Bockemühl auf. Nach Bockemühl können die Farben und Formen eines Bildes als eine »sinnliche Anleitung« verstanden werden, die es nachzuvollziehen gelte.  [20] »In einem einheitlichen Prozess wirken zusammen: das Erfassen rein anschaulicher Bildstrukturen, das Ergreifen der Gestalt, das Gewahren ihrer Wirkung, das Erfassen von Bedeutungen bis hin zur umfassenden Idee, in der oder durch die das Bild als Bild begriffen ist.«  [21] In diesem Sinne erweise sich die Bildrezeption, wie auch der Titel seiner Untersuchung postuliert, als Bildproduktion. Gerade die Beobachtung, dass abstrakte Bildwerke etwa von Rothko und Newman jedes »Konstat« – damit ist ein sprachlich-begriffliches Ergreifen gemeint – verweigern, erzwingt, so Bockemühl, »das Eingehen auf die reine Vorgänglichkeit des Anschauens«. Auf diesem Weg zeige sich, »daß das Bild gerade die Bedingung sein kann für das bewußte Erleben dessen, was ›Erleben‹ ist – Erleben, wie es im ›gemeinen Bewußtsein‹ (Fichte) die feste Regel, der konstatierte Begriff immer schon bewältigt hat, wenn es bewußt wird –, das deswegen, meist unbewußt oder zumindest unerkannt, nur ›emotionale passio‹, Erleben und Erleiden ist«.  [22]

<13>

Auch Werner Busch beschreibt in seiner jüngsten Veröffentlichung über Caspar David Friedrich die »ästhetische Ordnung« als ausschlaggebend für die Bildwirkung.  [23] Mit Hilfe von ästhetischen Mitteln gelinge es Friedrich aus einer Erfindung eine Empfindung zu vermitteln. Insofern kann, so lässt sich schließen, die Bildanlage als eine Empfindungsordnung gewertet werden, die nachvollzogen werden kann.  [24] In ihr zeige sich der Versuch, »der Idee Gottes, wie sie sich in der Natur offenbart, näherzukommen. Für den Künstler scheint diese Idee im Prozeß des Malvorgangs auf, für den Betrachter im Prozeß des Nachvollzugs des Malprozesses.«  [25]

<14>

Meine Untersuchungen zu Cézanne, van Gogh und Monet führten mich schließlich selbst an den Punkt herauszustellen, dass die Erfahrung mit den jeweiligen Bildstrukturen, ihr Nachvollzug, den Bildern einen Mitteilungscharakter verleiht, der sowohl den Bildinhalt als auch den Betrachter betrifft.  [26] So vermitteln sich über die taches bei Cézanne, die virgules bei van Gogh und die Farbschlieren bei Monet jeweils sehr unterschiedliche Landschaftserfahrungen, die vom Betrachtenden im Prozess der Wahrnehmung ›realisiert‹ und schließlich als bedeutsam für den Bildzusammenhang reflektiert werden können. Es sind, wie Cassirer es formulieren würde, »die Bewegungs- und Raumgestalten« bzw. die spezifischen Ausdrucksbewegungen und Ausdrucksgestalten, die dem Betrachter im Zusammenspiel der bildnerischen Mittel und unter Einbeziehung der motivischen Hinweise einen Sinn bzw. einen charakteristischen Stimmungs- und Ausdruckswert eröffnen. »Auf diese Weise kann nicht nur ein Stück Natur, ein Berg bzw. die Montagne Ste. Victoire von Cézanne, ein bewirtschaftetes Land, die Ebene bei Auvers von van Gogh, und eine ruhig bewegte Wasserfläche, die Seerosen von Monet, als ein einheitliches Ganzes erfahrbar werden, sondern dieses erscheint zugleich in besonderer Weise charakterisiert und bewertet.«  [27]

<15>

Die Analyse von Bildstrukturen in der bildwissenschaftlichen Forschung legt nahe, dass bereits mit der Wahrnehmung, noch vor jeder sprachlichen und gedanklichen Fassung, ein Sinn bildender Prozess angestoßen werden kann. Die Struktur eines Bildes vermag den Betrachter zu affizieren. Ob es berechtigt ist, im Affiziertsein selbst bereits einen Sinnhorizont zu erkennen, da dieses als rein subjektive Erfahrung, wie Kant herausstellte, keine Allgemeingültigkeit beanspruchen könne, dieser Frage gilt es in der Untersuchung des Ansatzes Cassirers, und zunächst auch innerhalb der Wahrnehmungsphilosophie nachzugehen.

<16>

Kants Überlegungen in der Kritik der Urteilskraft (1790) können, wie bereits angedeutet, auf diesem Gebiet der Forschung bis heute als maßgeblich angesehen werden. Sein Ansatz beruht darauf, dass, wenn der Betrachter Empfindungen in Form von Lust oder Unlust auf sich selbst bezieht, diese nur als subjektiv bewertet werden und somit keine Allgemeingültigkeit haben können. Das schließe eine objektive Erkenntnis über das ursprünglich Empfundene aus.  [28] Auf die Frage, inwiefern es bereits vor der persönlichen Bewertung des Empfundenen, der Kant selbst eine (ästhetische) Zweckmäßigkeit zuschreibt, Erfahrungen gibt, die zu dieser Beurteilung veranlassen, verweist Kant auf die Formen, die ohne Absicht von einem von ihnen zu erwerbenden Begriff in solcher Weise reflektiert werden: »Denn da der Grund der Lust bloß in der Form des Gegenstandes [Hervorhebung M.S.], mithin in keiner Empfindung des Gegenstandes, und auch ohne Beziehung auf einen Begriff, der irgendeine Absicht enthielte, gesetzt wird: [...]; und, da diese Zusammenstimmung des Gegenstandes mit dem Vermögen des Subjekts zufällig ist, so bewirkt sie die Vorstellung einer Zweckmäßigkeit desselben in Ansehung der Erkenntnisvermögen des Subjekts.«  [29]

<17>

Dass die Wahrnehmung von Formen bereits einen Beitrag zur Erkenntnis leisten könne und ihr Erfassen sich nicht in ästhetischen Urteilen und »unabsichtlichen« Begriffen verlieren müsse, darauf wies erstmals in Abgrenzung zu Kant Konrad Fiedler (1876 und 1887) hin.  [30] Demnach sei es gerade dem Künstler möglich, von der Anschauung abzusehen, die von Urteilen und Begriffen geprägt sei, und in einer ursprünglicheren Weise, in einer »Ausdrucksbeziehung zur Natur«, diese zu erfassen und in ein Werk umzusetzen.  [31] Das produktive Anschauungsvermögen des Betrachters ermögliche es diesem schließlich, die ins Werk gesetzte Tätigkeit des Künstlers zumindest ansatzweise zu »reproduzieren«.  [32]

<18>

Noch radikaler wendet sich Martin Heidegger (1927) von dem Ansatz Kants ab und meidet geradezu jedes »Gerede« von Anschauung und Empfindungen und sucht stattdessen in kreisenden Bewegungen die sehr viel ursprünglicheren Momente, in denen ein Verstehen von Welt erfolgt.  [33] Wie viel ursprünglicher er diese einschätzt, zeigt sich in der näheren Bestimmung der Befindlichkeit, in der sich der Mensch als »Da seiend« begreife. »Das Begegnenlassen [eine Weise der Befindlichkeit, M.S.] ist primär umsichtiges, nicht lediglich noch ein Empfinden und Anstarren«, so Heidegger. [34] Anregend zur weiteren Betrachtung ist in dieser Formulierung die Beurteilung des Begegnenlassens als »umsichtiges«, in dem ein Sehen – und eben nicht Anstarren – als eine ursprünglichere Tätigkeit mit eingeschlossen ist, die nicht auf der Basis von Reflexion erfolgt: »Die Befindlichkeit [das »Umsichtig-sein«, M.S.] ist so wenig reflektiert, daß sie das Dasein gerade im reflexionslosen Hin- und Ausgegebensein an die besorgte ›Welt‹ überfällt.« Sie wird von Heidegger als »bloße Stimmung« näher charakterisiert, über die sich das Da ursprünglich erschließe, »sie verschließt es jedoch auch hartnäckiger als jedes Nicht-wahrnehmen«.  [35] Erstaunlich und für die Grundannahme erhellend stellt Heidegger hier einen ursprünglichen Zusammenhang von Stimmung und Affektion als ›Sinn haben für‹ her: »Dergleichen wie Affektion käme beim stärksten Druck und Widerstand nicht zustande, Widerstand bliebe wesenhaft unentdeckt, wenn nicht befindliches In-der-Welt-sein sich schon angewiesen hätte auf eine durch Stimmungen vorgezeichnete Angänglichkeit durch das innerweltlich Seiende.«  [36]

<19>

Im Anschluss an Heidegger erörtert insbesondere einer seiner Schüler, Ernesto Grassi (1968), die »pathetische Macht« des Bildes. Aufbauend zunächst auf Aristoteles und Platon zeigt Grassi auf, wie es der Kunst möglich sei, gerade durch ihre ganz andersartige Verfasstheit »›mögliche‹ Deutungen sichtbar und hörbar zu machen«. Die Basis dafür sei jedoch nicht Wissen, sondern Phantasie.  [37] So äußere sich in der Kunst ursprünglich das »Hinweisende« und erst in einem zweiten Schritt das »Deutende«. Jedes »Deuten« (hermeneuein) könne als ein rationales Prinzip angesehen werden. Es beruhe auf dem Logos, sei beweisend und begründend und lasse sich derart als ein zeitlich-geschichtliches und insofern gemeinschafts- und weltstiftendes Moment kennzeichnen. Das »Hinweisen« (semaninein, semantisch, symbolisch) jedoch, das die Kunst auszeichne, könne als ein »Axiom« betrachtet werden, ein, wie es auch Kant definierte, unbeweisbares Prinzip, notwendig und allgemein, a priori. Es zeichne sich durch Stille und Schweigen aus, was dieses Moment als ein Außergeschichtliches ausweise. Im Gegensatz zum Logos beruhe es auf dem Mythos. Insofern könne es als eine vorphilosophische Sprache verstanden werden, die bildhaft (metaphorisch) wirke und Raum und Zeit sprenge.  [38] Wobei in diesem »Hinweisen« selbst bereits eine Aufgabe liege, die als ein »Deuten« dessen, was man schon weiß, zu verstehen sei.  [39] Es bilde den sinnstiftenden Grund (symbolon): »Das gemeinsame den Menschen Angehende, das Ursprüngliche [»Hinweisende«, M.S.] verleiht nicht nur den Lauten, die die Worte bilden, einen eigenen Sinn, sondern auch Gefühlen, Handlungen und Haltungen […]: Sie erhalten eine symbolische Bedeutung.«  [40] Das Erleben (Mythos) geht somit dem Deuten (Logos) voraus, es bildet die Grundlage des Lebens. Als solches verleiht es allem Tun, Erleiden und Denken Sinn bzw. symbolische Bedeutung. Allerdings müsse der Mensch die spezifische, über das animalische Leben hinausgehende symbolische Bedeutung der Phänomene selbst suchen. Sie lasse sich im Ursprünglichen, in dem den Menschen Angehenden, jenem Weisenden, das in der Erfahrung liege, finden.  [41]

<20>

Ernst Cassirer beschäftigte sich, zeitgleich mit Heidegger und in Abgrenzung zu Kant, in seinem dreibändigen Hauptwerk, der Philosophie der symbolischen Formen  [42] , ebenfalls mit den Fragen nach den Bedingungen und Möglichkeiten eines ursprünglichen Verstehens von Welt. Der Gelehrte vertritt darin, so meine Grundannahme, wie später Grassi, den Ansatz, wonach Sinn nicht nur im Sprachlichen und Begrifflichen auszumachen, sondern grundlegend im bildlichen Verstehen von Welt anzusetzen sei.

<21>

Gerade Cassirers Überlegungen zum Wie das möglich sein kann, können, wie eingangs als These formuliert, einen fruchtbaren Beitrag zum tieferen Verständnis von Sehen bzw. Wahrnehmung von Sinn vor jeder gedanklichen und sprachlichen Fassung leisten.  [43] Verdeckt wird dieser aber, wie bereits angemerkt, dadurch, dass Cassirers Schwerpunkt in der Philosophie der symbolischen Formen darauf liegt, die Fähigkeit des Menschen zu konkreten, bewusstseinsbildenden Symbolisierungen – in der Sprache, dem mythischen Denken und dem Erkenntnisvermögen – herauszuarbeiten. Entsprechend steht auch innerhalb der Forschung zum Kunstbegriff Cassirers die Frage nach der »welterschließenden Funktion« der Kunst, wie es Brigitte Scheer mit Bezug auf Andreas Graesers Studie zu Ernst Cassirer herausstellt, im Vordergrund.  [44]

<22>

Bei der Frage wie sich diese Welt über die Kunst erschließe, verweist Scheer ebenso wie Birgit Recki  [45] auf die »lebendigen Formen«, die Cassirer insbesondere in seiner Spätschrift An Essay on Man anführt. Es ist allen voran Susanne K. Langer, die in Bezug auf diese Schrift herausarbeitete, dass dieses Wie in dem emotionalen Weltverständnis liege, das für Cassirer am Anfang jeder Weltzugewandtheit des Menschen steht und so gesehen auch für die Kunstproduktion ausschlaggebend wird: »Alle unsere Anzeichen und Symbole sind jedoch sinnlicher und emotionaler Erfahrung entnommen und tragen den Stempel ihres Ursprungs.«  [46] Weniger für den Prozess (Ausdruckswahrnehmung) als für die Form (»Prägnanz«), in der sich nach Cassirer die vortheoretische Welterschlossenheit zeige, interessiert sich hingegen Martin Scherer.  [47]

<23>

In den hier vorzustellenden Überlegungen geht es jedoch weder darum, den Kunstbegriff Ernst Cassirers zu differenzieren, was einer späteren Untersuchung vorbehalten sein soll, noch darum, die »symbolische Prägnanz«, mit der sich das Weltverstehen zu erkennen gibt, nachzuvollziehen. Vielmehr soll herausgearbeitet werden, wie die Ausdruckswahrnehmung sowohl vor der künstlerischen als auch den anderen symbolischen Formgebungsprozessen wirksam und zugleich Voraussetzung für diese sein kann. Mit der sorgfältigen Sichtung der Schriften soll dieser ursprünglich von Cassirer hergestellte Zusammenhang aufgezeigt und verfolgt werden. Desweiteren soll gefragt werden, inwiefern dieses Verständnis von der Ausdruckswahrnehmung einen fruchtbaren Beitrag für die Bildwissenschaft leisten kann. Dies soll in vier Schritten erfolgen: zunächst grundlegend mit Blick auf das dreibändige Hauptwerk, dann unter besonderer Berücksichtigung des mythischen Denkens, ferner unter Einbeziehung der Phänomenologie der Ausdruckserlebnisse und schließlich mit Blick auf die Ausdruckswahrnehmung selbst.

Grundlagen

<24>

Das philosophische Denken Ernst Cassirers geht von der Frage aus, wie für den Menschen überhaupt ein Verstehen von Welt möglich sein kann. Seine Überlegungen zielen dahin, diese Fähigkeit des Verstehens »in seiner Vielgestaltigkeit, in der Gesamtheit und in der inneren Unterschiedenheit seiner Äußerungen zu erfassen«.  [48] Die grundlegende Ausarbeitung dazu legte Cassirer mit seinem dreibändigen Werk Philosophie der symbolischen Formen vor. Im ersten Band zum Thema, der 1923 erschien, widmet sich Cassirer der vordergründig am leichtesten zugänglichen und zugleich selbstverständlichsten Bewusstseinsform, mit der die Welt uns als eine sinnvolle erscheint, der Sprache. Obwohl die Erkenntnisse der Sprache nach Cassirer weitreichend sind, da sie uns die Welt in Form von Benennungen festhält und damit zugänglich macht, vermag sie uns dennoch nicht, wie Cassirer herausstellt, die »Urschichten der Empfindungen«, das, worauf die Namen zurückgehen, aufzuschließen: »Wir finden niemals die ›nackte‹ Empfindung, als materia nuda, zu der dann irgendeine Formgebung hinzutritt« (III, 18). Alles was uns die Sprache vermittelt, so Cassirer, ist bereits von deren Formgebungskraft durchdrungen. Einen Schritt zurück, zu einer tiefer liegenden Erfahrungsform von Welt und damit zu einem ursprünglicheren Verständnis von dieser, suchte Cassirer – so lässt sich vor allem vom dritten Band rückblickend erschließen – in der Analyse der »primitiveren Denkform«, der mythischen.

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Nach einem Jahr legte Cassirer die Ergebnisse seiner diesbezüglichen Untersuchungen vor. In diesem zweiten Band zur Philosophie der symbolischen Formen zeigt Cassirer auf, dass auch das mythische Denken wie die Sprache eine eigene Weise sei, die Welt zu verstehen und zu interpretieren: »Die objektive Welt, die sich auch hier aufbaut, die als ein Beständiges und Gleichbleibendes hinter der unendlichen Vielgestalt der Phänomene der äußeren und inneren Wahrnehmung erblickt wird, ist eine Welt dämonischer und göttlicher Kräfte, ein Pantheon belebter und handelnder Wesen« (III, 18). Doch auch diese Denkform vermag es nicht, die gesuchten »Urschichten der Empfindungen«, die die Grundlage jeglicher symbolischen und damit bedeutsamen Auffassung von Welt ausmachten, aufzuzeigen. So ist nach Cassirer auch auf dieser Ebene keine Unterscheidung zwischen dem Stoff (den Empfindungen) und der Form (ihrer Interpretation bzw. symbolischen Ausdeutung) möglich (III, 18). Im dritten Band, der vier Jahre später, 1929, erschien, wird diese Frage schließlich zur Aufgabe: »Besteht irgendeine Möglichkeit [...], die Schicht des bloß Symbolischen und Signifikativen zu durchstoßen, um hinter ihr die ›unmittelbare‹, die entschleierte Wirklichkeit zu erfassen [...]?« Grundlegend stellt er an dieser Stelle heraus, dass die Antwort darauf nicht »draußen« zu finden sei, sondern nur »in unserem Bewußtsein« (III, 27).

<26>

Cassirer verfolgt damit eine Fragestellung, die sich mit der eingangs aufgeworfenen in bemerkenswerter Weise trifft: Welche Wahrnehmungs- bzw. Bewusstseinsform liegt vor einer möglichen Konkretisierung, wie sie uns etwa die Sprache, der Mythos, aber auch die Bildwelt (Kunst) vermitteln können? Für Cassirers weitere Untersuchung ist wesentlich, dass auch das begriffliche Verstehen als »höchste Denkform«, die uns den Weg zur Erkenntnis ebnet und die es in diesem dritten Band zu untersuchen gilt, auf eine Wahrnehmungsform zurückgehen müsse, die vor der symbolischen liege. Diese zu durchdringen, macht sich Cassirer zur Aufgabe. In Abgrenzung zu Kant zielt Cassirer, ebenso wie Heidegger, hinter die von dem Königsberger Philosophen aufgestellten Kategorien der Urteilskraft und der praktischen und reinen Vernunft, da diese seiner Ansicht nach bereits auf einer mit einem symbolischen Bewusstsein durchdrungenen Wahrnehmung von Welt aufbauten. Cassirer hält dazu fest: »Es ist demnach ein und dieselbe rein intellektuelle Synthesis, die nach Kant den Gegenstand der empirischen Anschauung, wie das Objekt der mathematischen Naturwissenschaft bedingt und ermöglicht [...]« (III, 14). Demgegenüber gelte es zu versuchen, »die ›transzendentale Frage‹ selbst in einem umfassenderen Sinne zu stellen« (III, 16; 7-16). Dass er diesem Anliegen ›untreu‹ wird, da er den Schwerpunkt letztlich auf die Untersuchung der Bewusstseinsmodi des Mythos, der Sprache und der Erkenntnis legt, soll hier nicht von der Untersuchung der von ihm für diese als grundlegend betrachteten Ausdruckswahrnehmung ablenken und im Gegenteil dazu beitragen, diese in neuer, grundlegender Weise zu betrachten und für die weitere Forschung fruchtbar zu machen.

<27>

Für diese Aufgabe ist insbesondere der erste Teil des dritten Bandes zur Phänomenologie der Erkenntnis, Kapitel I-III (III, 53-121), wesentlich. Das erste Kapitel steht ganz im Zeichen der von Cassirer ursprünglich verfolgten Fragestellung bezüglich der Ausdruckswahrnehmung, während im zweiten Kapitel der Bezug zur objektivierten und damit sprachlich erfassten Außenwelt (die anschauliche) und im dritten Kapitel der zur rein begrifflich verstandenen Erkenntniswelt (die wissenschaftliche) untersucht wird. Nach Cassirer lässt sich die Ausdruckswahrnehmung bzw. die Ausdrucksfunktion in Abgrenzung zu den von ihm untersuchten Bewusstseinsmodi weniger als eine ästhetische Zugangsweise zur Welt verstehen, die die anschauliche (sprachliche) Bewusstseinsform auszeichne (III, 103), denn als eine, die sowohl dieser als auch der mythischen und logischen (wissenschaftlichen) vorausgehe: »Ihre Sicherheit und ihre Wahrheit ist sozusagen eine noch vor-mythische, vor-logische und vor-ästhetische; bildet sie doch den gemeinsamen Boden, dem alle jene Gestaltungen in irgendeiner Weise entsprossen sind und dem sie verhaftet bleiben« (III, 95). Für ein tieferes Verständnis der Ausdruckswahrnehmung erscheint es vielversprechend, insbesondere das »mythische Denken« (Band II) in den Blick zu nehmen, da in diesem, wie Cassirer in Band III ausführt, in unmittelbarerer Weise die »ursprünglichen Empfindungen«, d.h. das, was in der Ausdruckswahrnehmung lebt, zum Ausdruck kommen.

Das mythische Denken

<28>

Werden das mythische Denken und die Ausdruckswahrnehmung, wie es Cassirer im dritten Band nahelegt, in einer gewissen Analogie gesehen, so lassen sich – quasi rückblickend – die Aussagen zum mythischen Denken im zweiten Band nicht anders, aber unter einem anderen Gesichtspunkt neu betrachten. Diese Blickrichtung erlaubt es, mit gewissen Einschränkungen, die Beschreibungen und Analysen zum mythischen Bewusstsein zugleich als Beschreibungen und Analysen der Ausdruckswahrnehmung selbst zu lesen. Die Differenz liegt in der Auslegung der über die Ausdruckswahrnehmung gewonnenen Ausdruckserlebnisse als mythische Gestalten: Denn »ohne die Tatsache, daß sich in bestimmten Wahrnehmungserlebnissen ein Ausdrucks-Sinn offenbart, bliebe das Dasein für uns stumm. Wirklichkeit könnte niemals aus der Wahrnehmung als bloßer Sach-Wahrnehmung gefolgert werden, wenn sie nicht in ihr, Kraft der Ausdrucks-Wahrnehmung, schon in irgendeiner Weise beschlossen läge und sich hier in einer durchaus eigentümlichen Weise [im Mythos, M.S.] manifestiere« (III, 86).

<29>

Das mythische Denken, wie es Cassirer im zweiten Band untersucht, kann so gesehen als eine eigene phantastische Welt angesehen werden. Diese erweise sich im Kern jedoch nicht als eine erfundene (II, 7), sondern als eine schicksalhafte, als eine ursprünglich erlebte und erfahrene (II, 9). Dem Ansatz Edmund Husserls folgend gelte es, diese Welt phänomenologisch, wesensmäßig zu erfassen und nicht psychologisch, geschichtlich, sozial oder ethnologisch zu untersuchen (II, 16). Im mythischen Bewusstsein, wie es Cassirer herausarbeitet, werden die Dinge nicht als gegeben wahrgenommen, was eine Distanz zu diesen impliziere, sondern das Wahrgenommene wird als »Für-Wahr-Genommen« (II, 46). Es bestehe eine völlige Hingabe an den Eindruck, an die Präsenz, die in voller Intensität ergriffen werde. Das mythische Bewusstsein verhalte sich demnach weder kritisierend noch berichtigend noch messend. Eine Grenzziehung zwischen Raum und Zeit, Traum und Wirklichkeit, Leben und Tod erfolge entsprechend nicht (II, 47). Der unmittelbare Eindruck ist die »Wirklichkeit«. Derart habe das Erfahrene einen direkten Einfluss auf das Vorstellungs-, Affekt- und Willensleben (II, 49). Seinsmäßiges (Sache) sei zugleich Bedeutungsmäßiges (Bild). Seinen ursprünglichen Ausdruck finde diese Haltung daher weniger im Denken (Mythos) als im Tun (Ritus), das entwicklungsgeschichtlich entsprechend als das Frühere zu bestimmen sei: »Wir müssen das, was am Mythos der theoretischen Vorstellungswelt angehört, was an ihm bloßer Bericht oder geglaubte Erzählung ist, als eine mittelbare Deutung desjenigen verstehen, was unmittelbar im Tun des Menschen und in seinem Affekt und Willen lebendig ist« (II, 51).

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In diesem Hinweis auf das Tun und das Affekt- und Willensleben des Menschen wird zugleich ein direkter Bezug zu dem erkennbar, was Cassirer an späterer Stelle als Ausdruckswahrnehmung beschreibt, in der sich dem Betrachtenden Ausdruckserlebnisse vermitteln, die schließlich vom mythischen Bewusstsein in spezifischer Weise ausgedeutet werden. Der Wort- und Bildzauber der mythischen Welt, d.h. konkret der Götter und Dämonen, der aus einem in solcher Weise lebendig erfahrenen Affekt- und Willensleben hervorgegangen ist, könne, so Cassirer, als magisch angesehen werden. Er besitze eine »Kraftsphäre«. Im Namen wirke und lebe diese ebenso wie im Bild (II, 54-55). Grund und Folge, d.h. die Kausalität des Mythos, liegen daher »in sich«. Die Welt werde entsprechend nicht als eine zufällig, sondern als eine durch bewusste Absicht entstandene begriffen. Alle Kräfte der Natur werden als ein »zweckhaftes Wirken« angesehen, als eine Willensäußerung des Gottes/Dämons (II, 63). Statt auf eine höhere Instanz verweist Cassirer bei der späteren Betrachtung des Affekt- und Willenslebens und der Frage nach dem Woher auf einen, wie eingangs bereits erwähnt, »seelisch-geistigen Grundbestand«. Auch für dessen Charakterisierung würde dann die nachfolgende Beschreibung zutreffen, dass das Ganze und seine Teile sowie Raum und Zeit im Wirknetz der Ausdruckswahrnehmung nicht voneinander geschieden seien (pars pro toto-Struktur). Vergleichbar eröffne sich auch mit der Ausdruckswahrnehmung eine Welt, die gänzlich belebt, beseelt und stofflich erscheine (Emanismus) (II, 65-76). Das mythische Denken jedoch, so Cassirer, das nicht als ein passives bezeichnet werden kann, könne als ein Akt der Stellungnahme angesehen werden, der von einem Akt des Affekts und des Willens ausgehe. Die Bedeutung der Welt erschließe sich entsprechend aus einer Dynamik des Lebensgefühls: »Nur wo dieses Lebensgefühl von innen her erregt ist, wo es sich in Liebe und Haß, in Furcht und Hoffnung, in Freude und Trauer äußert, kommt es zu jener Erregung der mythischen Phantasie, die aus ihr eine bestimmte Vorstellungswelt erwachsen läßt« (II, 90). Bezogen auf die Ausdruckswahrnehmung erweist sich diese als eine von Leidenschaften geprägte. Cassirer hält dazu im dritten Band fest: »Ausdruck ist zunächst nichts anderes als ein Erleiden; ist weit mehr ein Ergriffenwerden als ein Ergreifen« (III, 88).

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Wie sich schließlich das mythische Bewusstsein zu einem entwickelt, das zu einer Beherrschung des Willens und des Triebes führt (vom Schrecken zum Staunen; II, 99) und neue Ordnungsformen von Raum, Zeit und Zahl ermöglicht, zeigt Cassirer nachfolgend auf (II, 104-182). Der Weg zum Wissen und Wollen sei, so Cassirer, ein langer. Er führe über mehrere »Krisen« (II, 212): von der (1.) »gefühlsmäßigen Reaktion« (II, 240) auf die als durchgeistert erfahrene Welt zur (2.) »schicksalsmäßigen Bindung« (II, 241) an die Natur im Tun und Benennen (Kult und Name), und weiter hin zu einem (3.) »Akt des Schaffens« (II, 247). Dieser letzte Schritt werde möglich durch die Vorstellung eines »Schöpfergottes« statt vieler, so dass zugleich erstmals eine gewisse Macht über die Natur errungen werde. Wesentlich erweise sich auf diesem Weg Folgendes: Genauso wie der Mensch »werkzeugbildend und werkbildend wird, das Gefüge seines Leibes und seiner Gliedmaßen verstehen lernt, so entnimmt er seinen geistigen Bildungen, der Sprache, dem Mythos und der Kunst die objektiven Maße, an denen er sich mißt und durch die er sich als einen selbständigen Kosmos mit eigentümlichen Strukturgesetzen begreift« (II, 260-261). Parallel zur Sprach- und Schriftbildung sieht Cassirer so auch in der Entwicklung des mythischen Bewusstseins hin zum religiösen und schließlich schöpferischen eine vergleichbare Entwicklung, die vom mimetischen (Identität von Form und Inhalt; Immanenz) über den analogischen (Verweisen mit Hilfe der Form auf den Inhalt; Transzendenz) zum schöpferischen Ausdruck (Trennung von Form und Inhalt; Ästhetik) führe (II, 280-311).

Phänomenologie der Ausdruckserlebnisse

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Weiterführend in der hier verfolgten Fragestellung erscheint das, was Cassirer im zweiten Band zum mythischen Bewusstsein erarbeitet, dann, wenn er den Blick nicht auf die Ergebnisse, d.h. die symbolischen Formen selbst richtet, sondern vertiefend den Prozess ihres Werdens betrachtet. Dies geschieht im dritten Band, in dem er weitreichende Schlussfolgerungen zieht, die die Wahrnehmung als solche betreffen. Cassirer nimmt an, dass das, was in Form von mythischen Gestalten im mythischen Bewusstsein lebt, als das Ergebnis eines spezifischen Auslegungsprozesses von Ausdruckserlebnissen anzusehen sei, wie sie zuvor in der Wahrnehmung, die er als Ausdruckswahrnehmung näher charakterisiert, »erlebt« werden. So beschreibt Cassirer daran anschließend das »Entstehen« nicht nur von mythischen Formen, sondern auch anderen symbolischen Formen als einen »Entäußerungsprozess«, der im Medium des Bildes und in dem der Sprache und des Begriffs je in ganz anderer Weise erfolge.

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So zeichne sich das, was sich im mythischen Bewusstsein zeige, durch eine »eigentümliche Flüssigkeit« aus: »Alle Seinsgestalten [...] unterscheiden sich, ohne sich darum voneinander zu scheiden. Eine jede von ihnen ist gewissermaßen in jedem Augenblick bereit, sich in eine andere, scheinbar völlig entgegengesetzte zu wandeln.« Dieses Phänomen lasse darauf schließen, dass die unmittelbare Wahrnehmung keine Scheidung der Dinge nach Klassen vornehme (III, 71). Das mythische Bewusstsein »hat« die Welt, so Cassirer, als reines Ausdrucksphänomen. Hier wird die Welt nicht in Form von Objekten, sondern in der »Art des Daseins lebendiger Subjekte« erfahren, die sich als eine Welt des »Du«, d.h. des Anderen, herausstelle. Cassirer schlussfolgert daraus: »Je weiter wir die Wahrnehmung zurückverfolgen, um so mehr gewinnt in ihr die Form des ›Du‹ den Vorrang, vor der Form des ›Es‹; um so deutlicher überwiegt ihr reiner Ausdruckscharakter den Sach- und Dingcharakter. Das ›Verstehen von Ausdruck‹ ist wesentlich früher als das ›Wissen von Dingen‹« (III, 73). In der tierischen und frühkindlichen Entwicklung spiegle sich diese Annahme, so Cassirer, wider (III, 74-76).  [49] Die Phänomenologie der reinen Ausdruckserlebnisse sei dadurch gekennzeichnet, dass die »konkrete Wahrnehmung [...] niemals in einem Komplex sinnlicher Qualitäten – wie hell oder dunkel, kalt oder warm – [aufgeht], [...] sie ist niemals ausschließlich auf das ›Was‹ des Gegenstandes gerichtet, sondern erfaßt die Art seiner Gesamterscheinung – den Charakter des Lockenden oder Drohenden, des Vertrauten oder Unheimlichen, des Besänftigenden oder Furchterregenden, der in dieser Erscheinung, rein als solcher und unabhängig von ihrer gegenwärtigen Deutung, liegt« (III, 78). Nicht stellvertretende Repräsentation, sondern echte Präsenz charakterisiere diese (III, 79).

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Was derart vom Gegenstand rein ausdrucksmäßig erfahren wird, zeige sich schließlich im Bild davon in potenzierter Form, falls, so Cassirer, zwischen beiden überhaupt unterschieden werden könne: »Denn was im Gegenstand rein ausdrucksmäßig ›ist‹, das ist im Bilde nicht aufgehoben und vernichtet, sondern es tritt in ihm vielmehr in gesteigertem, in potenziertem Maße hervor. Das Bild befreit dieses Sein des Ausdrucks von allen bloß zufälligen und akzidentellen Bestimmungen und faßt es gleichsam in einem Brennpunkt zusammen.« Dem Bild komme derart – wie heute der Analyse und der Abstraktion als Vorbedingung allen kausalen Begreifens – die Aufgabe zu, die »wahre Wesenheit« aufzuschließen und kenntlich zu machen (III, 81). Weiterführend hält Cassirer mit Bezug auf das ästhetische Erleben eines Bildes im Anschluss an Aristoteles in seiner Spätschrift An Essay on Man fest: »Wir durchleben unsere Leidenschaften, empfinden sie in ihrer ganzen Wucht und ihrer höchsten Spannung, aber hinter uns lassen wir, wenn wir die Schwelle der Kunst überschreiten, den lastenden Druck, das Zwanghafte unserer inneren Regungen. Der tragische Dichter ist nicht Sklave, sondern Herr seiner Gefühle; und er ist in der Lage, diese Beherrschung auf die Zuschauer zu übertragen.«  [50]

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Ein »Absehen« von der ursprünglichen Zugangsweise zur Welt sei, nach Cassirer, nicht möglich: »[...] keine noch soweit getriebene Abstraktion vermag diese Schicht als solche zu beseitigen und auszulöschen [...].« Derart ist der Ausdruckscharakter, wie er in der Ausdruckswahrnehmung lebt, schon immer ein wesentlicher Bestandteil der Wahrnehmung und kein nachträgliches »subjektives Anhängsel« des »objektiv« in der Empfindung Gegebenen (III, 86). Im Gegenteil, die Fähigkeit »ursprüngliche Empfindungen« ausdrucksmäßig zu erfassen und schließlich als Du, einem gegenüber, zu greifen, ermögliche, wie Cassirer im zweiten Band ausführt, erst den Aufbau der Dingwelt. So hält er zusammenfassend fest: »Wirklichkeit könne niemals aus der Wahrnehmung als bloßer Sachwahrnehmung gefolgert werden, wenn sie nicht in ihr, kraft der Ausdruckswahrnehmung, schon in irgendeiner Weise beschlossen läge [...]« (III, 86). Die Entwicklungsrichtung dieser ursprünglichen Erfahrungsform des Erlebens und Erleidens (III, 88) lässt sich, so Cassirer, als ein »Entäußerungsprozess« beschreiben, der von der Welt des Ausdrucks über die Welt der Darstellung (Sprache) zu der der reinen »Bedeutung« (Begriffe) führe (III, 99). Die Vorstellung vom eigenen Ich, vom »Selbst« des Menschen, so Cassirer in Anlehnung an Max Scheler, stelle sich erst am Ende dieses Prozesses ein. Sie ist nicht sein Ausgangspunkt (III, 104-107). Doch ist dieses Selbst, das Ich, erst einmal entdeckt und mit ihm die Scheidung von Subjekt und Objekt vollzogen, finde unweigerlich ein Bruch mit der ursprünglichen Ausdruckswelt statt. Der neu gewonnene Ding- und Kausalbegriff lasse sich damit nicht vereinbaren (III, 99-100).

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In seiner Spätschrift An Essay on Man greift Cassirer diesen Zusammenhang auf. Demnach verblasse zwar die mythische Wahrnehmung der Welt, aber nur insofern sie ihren objektiven Wert als Kosmologie einbüße, jedoch nicht ihren anthropologischen. Über die physiognomischen, subjektiven Qualitäten bzw. Gefühlsqualitäten werde nach wie vor ›Welt‹ erschlossen. Entwicklungsgeschichtlich gehe diese Form der Welterschließung sogar derjenigen der Sinneswahrnehmungen und der wissenschaftlichen Weltsicht voraus. Zusammenfassend hält Cassirer dort fest: »Keine von ihnen ist bloße Täuschung; jede markiert auf ihre Weise einen Schritt auf unserem Weg zur Wirklichkeit.«  [51]

Ausdruckswahrnehmung: Akt der Innen-Wendung und Inne-Werdung

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Seinen Ansatz verdichtend beschreibt Cassirer am Ende des zweiten Kapitels des dritten Bandes nochmals zusammenfassend den Weg vom Erleben zum Werten zum Deuten, der hier einleitend zur näheren Bestimmung der Ausdruckswahrnehmung aufgegriffen werden soll. Ausgangspunkt des mythischen Bewusstseins seien, so hält Cassirer dort fest, die mannigfaltigen Eindrücke von außen, »deren jede einen bestimmten magisch-mythischen Charakter trägt«. Der sie erfahrende Mensch werde von ihnen hin- und hergerissen und bekomme von ihnen ihre je eigene »Farbe und Stimmung« aufgeprägt. In einem Akt der Hinnahme sei der Mensch diesen Eindrücken ganz ausgesetzt und könne diesen nichts entgegensetzen. Der Mensch werde so zum »Spielball zwischen all den Ausdrucksmomenten«: »Unvermittelt kann der Eindruck des Heimischen, des Vertrauten, des Schirmenden und Schützenden in sein Gegenteil, in das Unzugängliche, das Ängstigende, dumpf-Grausige übergehen« (III, 106). Eine Gliederung und Ordnung erfahre diese Welt erst, wenn die Eindrücke sich zu »Gestalten« verdichteten und die »Einheit eines Charakters« erkennbar werde. Der Ausdruck werde nicht mehr nur erlebt, sondern gewertet: »Es sind bestimmte relativ gleichbleibende physiognomische Züge, an denen der Dämon oder Gott erkannt und von anderen unterschieden wird« (III, 107). Eine Eigenwertigkeit bzw. Individualität gewinnen die so im Mythos gefassten Gestalten jedoch erst, so Cassirer, im Götternamen (Sprache) und Götterbild (Kunst). Diese Entwicklung lässt sich rückblickend als ein Schaffensprozess beschreiben; ihre Leistungen (die symbolischen Formen) wertet Cassirer abschließend als »Schöpfungen des Kulturbewußtseins«: »Denn der Mensch reift zum Bewußtsein seines Ich erst in seinen geistigen Taten heran; er besitzt sein Selbst erst, indem er, statt in der fließend immer gleichen Reihe der Erlebnisse zu verharren, diese Reihe abteilt und sie gestaltet« (III, 106).

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Was Cassirer in dieser Zusammenfassung jedoch nicht, zumindest nicht ausdrücklich aufgreift, sind die Beschreibungen, die er an früherer Stelle in Bezug auf die Ausdruckserlebnisse gibt. Das erstaunt, verweisen sie doch – mit Blick auf seine eigene Philosophie – auf etwas sehr Grundlegendes und für die Ausgangsfrage Wesentliches. Da die Textstelle sowohl für das Verständnis Cassirers als auch für die Konsequenzen, die aus ihnen gezogen werden können, zentral ist, sollen die wesentlichen Aspekte hier in voller Länge wiedergegeben werden (III, 94):

<39>

»In Wahrheit bedeutet innerhalb dieses Horizontes, die Ausdrucks-Wahrnehmung gegenüber der Ding-Wahrnehmung nicht nur das psychologisch-Frühere […]. Sie hat ihre spezifische Form, ihre eigene ›Wesenheit‹, die sich nicht durch Kategorien, die für die Bestimmung ganz anderer Seins- und Sinnregionen gelten, beschreiben, geschweige durch sie ersetzen lässt. […] Im Spiegel der Sprache […] lässt sich zumeist noch unmittelbar erkennen, wie alle Wahrnehmung eines ›Objektiven‹ ursprünglich von der Erfassung und Unterscheidung gewisser ›physiognomischer‹ Charaktere ausgeht, und wie sie mit diesen gleichsam gesättigt bleibt. Die sprachliche Bezeichnung einer bestimmten Bewegung etwa birgt fast durchweg dieses Moment in sich: Statt die Form der Bewegung als solche, als Form eines objektiven raum-zeitlichen Geschehens, zu beschreiben, wird vielmehr der Zustand genannt und sprachlich fixiert, von dem die betreffende Bewegung der Ausdruck ist. ›Raschheit‹, ›Langsamkeit‹ und zur Not noch ›Eckigkeit‹ […] mögen rein mathematisch verstanden werden; dagegen ›Wucht‹, ›Hast‹, ›Gehemmtheit‹, ›Umständlichkeit‹, ›Übertriebenheit‹ sind ebenso sehr Namen für Lebenszustände wie für Bewegungsweisen und beschreiben in Wahrheit diese durch Angabe ihrer Charaktere. Wer Bewegungsgestalten und Raumformen kennzeichnen will, findet sich unversehens in eine Kennzeichnung von Seeleneigenschaften verstrickt, weil Formen und Bewegungen als Seelenerscheinungen erlebt worden sind, ehe sie aus dem Gesichtspunkt der Gegenständlichkeit vom Verstande beurteilt werden, und weil die sprachliche Verlautbarung der Sachbegriffe nur durch Vermittlung von Eindruckserlebnissen stattfindet.«

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Wesentlich für das Verständnis der Ausdruckserlebnisse, wie sie Cassirer hier beschreibt, erscheint, dass diese als das Ergebnis eines Auslegungsprozesses zu verstehen sind. Eines Prozesses, in dem die Bewegungsgestalten und Raumformen als ein charakteristisches, in Raum und Zeit erfolgendes Geschehen verstanden werden. Sie werden, so Cassirer, als »Eindruckserlebnisse«, »Seelenerscheinungen« bzw. »Seeleneigenschaften« erlebt, bevor sie vom Verstand mit Bezug auf eine Gegenständlichkeit hin ausgedeutet werden. Demnach wird das Wahrgenommene nicht als eine neutrale Bewegung erfahren, sondern sogleich vom Wahrnehmenden in bestimmter Weise charakterisiert, dann gewertet und schließlich benannt und gestaltet sowie am Ende in Begriffen durchdacht. So schreitet der Weg der Bewusstseinsprozesse vom Erleben (Ausdruck) zum Werten (Mythos), zum Namen (Sprache), zum Bild (Kunst), zum Begriff (Theorie).

<41>

Von Anfang an haben wir es demnach ganz im Sinne Cassirers mit einem Prozess der Symbolisierung zu tun, der bereits die ersten wahrgenommenen Bewegungen und Formen im Raum deutet. Es ist bemerkenswert, dass sich dieser Prozess jedoch nicht sogleich in der Weise vollzieht, dass das Erlebte und Erlittene konkret im Mythos, in der Sprache, in der Kunst oder in Begriffen gefasst wird, sondern zunächst in der Ausdruckswahrnehmung als Ausdruckserlebnis wirkt. So gesehen erfolgt diese Wahrnehmung, wie eingangs als These formuliert, vor jeder sprachlichen oder gedanklichen Fassung. Der Mensch (ebenso wie das Tier), so Cassirer, reagiert zunächst nur darauf. Je nachdem ob dieses Erlebnis als bedrohlich und gefährlich oder als harmlos und ungefährlich eingestuft wird, veranlasst es ihn, weg zu laufen oder stehen zu bleiben. Die Ausdruckswahrnehmung ruht demnach auf einer »starken und triebhaften Unterschicht« (III, 78) bzw. auf einem »seelisch-geistigen Grundbestand« (III, 94), die beide, wie eingangs bereits geäußert, als anthropologische Konstanten verstanden werden können; sie grenzt sich damit deutlich von darauf aufbauenden symbolischen Auslegungen des Erfahrenen ab.

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Die Fähigkeit zu symbolischen Auslegungen unterscheidet den Menschen schließlich vom Tier, das wie Cassirer in seinem Spätwerk An Essay on Man aufzeigt, nur zu »reactions« (unmittelbare Antworten auf äußere Reize) auf die Welt fähig sei, statt zu »responses« (durch komplexe Denkvorgänge verzögerte Antworten).  [52]

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Abschließend lässt sich mit Blick auf die Ausgangsfrage herausstellen: In der Ausdruckswahrnehmung, wie sie Cassirer in seinem dreibändigen Hauptwerk beschreibt, liegt uns eine Wahrnehmung von Sinn vor, die vor und zugleich als Grundlage jeder sprachlichen und gedanklichen Fassung angesehen werden kann. Von Cassirer wird dieser Zusammenhang unterstrichen, indem er mit Bezug auf die Ausdruckswahrnehmung von »jener Potenz des Geistes« spricht, die durchgängig in allen Bewusstseinsformen wirksam sei und »deren erste konkrete Äußerung der Mythos war« (III, 92). Sie geht dem Vermögen des Menschen, Formen und Bewegungen konkret zu deuten, voraus und behauptet sich zugleich »in neuer Gestalt, in einer Art von Metamorphose innerhalb der neuen ›Dimension‹ des theoretischen Selbstbewußtseins« (III, 93). Derart kann sie für die Fähigkeit des Menschen zur Symbolisierung als grundlegend angesehen werden. Auf ihr aufbauend geht, auf unterschiedlichen Ebenen – mythischer, sprachlicher und begrifflicher –, Sinn hervor.

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Unser modernes Weltverständnis, das zwischen Subjekt und Objekt zu unterscheiden weiß, beruht letztlich auf einer ursprünglich emotionalen Weltauslegung. Das sei, so wie Scherer Cassirer auslegt, die Kehrseite, die es in Kauf zu nehmen gelte, insbesondere da diese »emotionalen Lesarten der Welt (in jedem Moment) das rationale Kalkül ablösen und selbst zum Ordnungsmuster werden [können]«.  [53] Wird diese »Emotionalität« anerkannt, wie es Cassirer und jüngst auch Scherer fordern, erlaubt dieses Zugeständnis, gerade die uns alltäglich umgebenden Bilder und deren Wirksamkeit in einem neuen Licht zu betrachten. Denn »von allen zufälligen und akzidentellen Bestimmungen« befreit, so Cassirer (s.o. III, 81), offenbaren sich gerade in den Bildern die ursprünglichen Ausdruckserlebnisse in reiner, potenzierter Form. Entsprechend der Natur ihres Wesens können die Bilder folglich zunächst weniger als Informationsträger, denn als Ausdrucksträger von spezifischen Erlebnissen angesehen werden. Sie stehen, vergleichbar dem Mythos, in unmittelbarer Weise mit unserer Fähigkeit in Verbindung, auf Erlebnisse (Bewegungs- und Raumformen) von außen zu reagieren und diese schließlich zu charakterisieren und zu werten. Bereits Scheer machte mit Bezug auf folgende Formulierung Cassirers darauf aufmerksam: »So hoch sich Mythos und Kunst in ihren Gestaltungen auch erheben mögen, so bleiben sie doch dauernd im Erdreich der primären, der ganz ›primitiven‹ Ausdruckserlebnisse verwurzelt« (III, 526).  [54] Die Bilder spiegeln uns also in ursprünglicher Weise die Welt als beseelt und belebt. So kann darin das »Heimische, Vertraute und Schirmende« in gleicher Weise zum Ausdruck kommen wie das »Unzugängliche, das Ängstigende oder das dumpf-Grausige«. Es ist das ursprüngliche Wirkungspotential eines Ausdruckserlebnisses, welches, wie es Cassirer deutlich macht, im Bilde gebannt werden kann.

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Dieser Auffassung schließt sich Langer an, wenn sie herausstellt, dass »der Gefühlsinhalt des Werkes […] vorrational, wesentlicher und lebendiger, von der Art des Lebensrhythmus [ist], den wir mit allen wachsenden, hungernden, sich regenden und furchtempfindenden Geschöpfen teilen: er betrifft letzte Wirklichkeiten, die zentralen Fakten unseres kurzen, bewußten Daseins.« Diese zu verstehen, setze eine Vertrautheit mit dieser »impliziten« (und nicht diskursiven oder präsentativen) Bedeutung der Werke voraus, die entsprechend eigener, »nichtdiskursiver« Formen des Begreifens bedürfe.  [55] Form (die ursprünglichen, sinnlichen und emotionalen Erfahrungen) und Inhalt (der symbolisch hervortretende Sinn) bilden derart, wie es bereits Cassirer herausstellte, im Bild eine Einheit.  [56] Ob diese Immanenz, die darin zum Ausdruck kommt, für einen heutigen Betrachter noch erfahrbar ist, steht in Frage. Für Cassirer ist die Antwort darauf ebenso eindeutig wie später bei Langer, denn gerade nach Cassirer können wir die Fähigkeit dazu nicht verlieren, da sie den Ausgangspunkt für alle weiteren Sinn bildenden Bewusstseinsformen darstellt. Denn, so Cassirer, »alle Wirklichkeit, die wir erfahren, ist in ihrer ursprünglichen Form nicht sowohl die einer bestimmten Dingwelt, die uns gegenüber- und entgegensteht, als vielmehr die Gewißheit einer lebendigen Wirksamkeit, die wir erfahren. Dieser Zugang zur Wirklichkeit aber ist uns nicht in der Empfindung, als sinnliches Datum, sondern allein in dem Urphänomen des Ausdrucks und des ausdrucksmäßigen ›Verstehens‹ gegeben« (III, 86). Dies gilt, so lässt sich schlussfolgern, auch für die Wahrnehmung der »Wirklichkeit des Bildes« (ihres Ausdruck-Sinns), die uns ansonsten verschlossen bliebe. Derart vermögen wir die Bilder zu verstehen, ohne darüber zunächst sprechen oder nachdenken zu können. Die Form dieses Verstehens ist die der Hingabe und nicht der Distanz, wie es vergleichbar in den besprochenen bildwissenschaftlichen und philosophischen Ansätzen von Boehm, Bockemühl, Busch und von mir selbst sowie von Fiedler, Heidegger und später von Langer und Grassi deutlich wird.

<46>

Diese Auffassung deckt sich auch mit der des Kulturwissenschaftlers Hartmut Böhme, die dieser 2006 in seinem Buch Fetischismus und Kultur vorstellte.  [57] Demnach geben uns Bilder, wie er es im Anschluss an Aby Warburg, dem auch Cassirer sehr nahe stand, formuliert, »als Denkräume des Symbolischen« nicht nur über aussagbare Inhalte Aufschluss, sondern über unsere eigenen Ängste, Sorgen und Bedürfnisse.  [58] Gewahr werden wir dieser jedoch nur, so Böhme, wenn wir eine gewisse Distanz zu dem im Mitvollzug Erfahrenen gewinnen. Auch Böhme verweist damit auf die ursprüngliche Form des Erlebens und Erleidens, den Mitvollzug, in dem die von ihm als wesentlich bezeichneten Inhalte erfahren und, erst in einem zweiten Schritt, der eine gewisse Distanzierung voraussetzt, reflektiert werden.  [59] Kritisch anzumerken ist hierzu, dass Böhme sich bei seinen Überlegungen ›nur‹ auf vom Menschen mit Bedeutung aufgeladene Dinge bezieht, die Fetische, zu denen auch die Bilder zählen. Cassirer setzt hier viel früher an, indem er herausstellt, dass dieses Aufladen mit Bedeutung (Ausdruckserlebnisse) in jedem Moment passiert, in dem der Mensch der Welt zugewandt ist (Ausdruckswahrnehmung).

<47>

Diese Einsicht in die ursprüngliche, emotionale Auffassung von Welt, die sich in den Ausdruckserlebnissen widerspiegelt und auf die der Mensch zunächst entsprechend ›emotional‹ (und nicht sprachlich und weiterführend begrifflich) reagiert, und das Wiederfinden derselben Strukturen in den Bildern, wie es nicht nur Cassirer, sondern auch in unterschiedlicher Weise die Überlegungen von Langer und Grassi sowie von Bockemühl, Busch und meine eigenen nahelegen, stimmt nachdenklich. Das ›Einstürmen‹ der Bilderflut auf uns ermöglicht uns demnach mit Cassirer eine Fülle neuer, »aufregender« Erfahrungen (Ausdruckserlebnisse), auf die wir zunächst ›nur‹ reagieren (mit Vertrauen oder Angst) und die es zu verarbeiten gilt. Das mythische Denken, die Sprache und die Theorie können uns dabei helfen. Doch statt im Leben werden hier die Erfahrungen (Ausdruckserlebnisse) in einer Art Parallelwelt, der Bildwelt, gemacht. Sie spiegelt, so lässt sich schlussfolgern, einen ursprünglichen Zustand bzw. eine Seinsweise voll eben dieser »aufregenden« Erfahrungen wider, die nun entsprechend ohne reale Folgen bleiben, uns jedoch, wenn diese ausgewertet, benannt und in einen Zusammenhang gestellt werden, zu Entscheidungen motivieren können wie etwa den eingangs beispielhaft genannten Kauf einer Ware.  [60]

<48>

Vor diesem Hintergrund gewinnen die bereits oben aufgegriffenen Äußerungen Cassirers in seiner Spätschrift An Essay on Man an tieferer Bedeutung, denn für den Künstler, so Cassirer, sei die Macht der Leidenschaft »zu einer bildenden, formgebenden Kraft geworden«. Unsere Gefühle, so Cassirer, erfahren angesichts der künstlerischen Werke einen Gestaltwandel, wobei den Leidenschaften ihre dingliche Bürde genommen werde. Die Kunst verwandle sie in Handlungen, Motion statt Emotion, einen dynamischen Prozess inneren Lebens, der uns bewege.  [61] Dasjenige, was sich dem Betrachter vermittle, sei schließlich nicht nur Ausdruck, es sei ebenso Darstellung und Deutung: »Kunst ist Intensivierung von Wirklichkeit«, in der diese neu entdeckt werde.  [62] Mit Blick auf mögliche Zwecke, die diese Fähigkeit zur »Intensivierung der Wirklichkeit« erfüllen kann – beispielhaft sei hier an Propaganda und Werbung gedacht – gewinnt dieser Ansatz an Brisanz.

<49>

Wesentlich für die weitere Forschung scheint es daher aus meiner Sicht, festzuhalten, dass es mit Cassirer die Bewegungs- und Raumformen sind, die vom Menschen nicht neutral gesehen, sondern als spezifische Ausdruckscharaktere gedeutet werden. Diese Einsicht kann für die Bildwissenschaft ein fruchtbarer Ansatzpunkt sein, die Bilder – seien es gemalte, gezeichnete, in Holz oder Stein gestaltete und gebaute, solche in Form von Environments und Installationen oder Fotos und Filme – entsprechend ihren je eigenen, spezifischen Bewegungs- und Raumformen nicht nur ästhetisch und begrifflich, sondern hinsichtlich ihres affektiven Ausdrucksvermögens neu zu betrachten.



[1] Vgl. hierzu grundlegend die Einführung zum Stichwort Bildwissenschaft von Horst Bredekamp, in: Metzler Lexikon Kunstwissenschaft, Stuttgart 2003.

[2] Vgl. hierzu eine erste Zusammenfassung von Texten zum Thema von Lambert Wiesing (Hg.): Philosophie der Wahrnehmung. Modelle und Reflexionen, Frankfurt a. M. 2002.

[3] Vgl. hierzu den von mir verfassten Tagungsbericht in ArtHist (13.11.2006): »Movens Bild. Zwischen Evidenz und Affekt«, 1. Jahrestagung des nationalen Forschungsschwerpunktes »Bildkritik. Macht und Bedeutung der Bilder«, 26.10.-28.10.2006, Basel, in:
http://www.arthist.net/download/conf/2006/061114Sauer.pdf .

[4] Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, Bd. I, Die Sprache, 1923, Bd. II, Das mythische Denken, 1924/25, Bd. III, Phänomenologie der Erkenntnis, 1929, mit Index, Bd. IV, bearbeitet von Hermann Noack, zitiert nach der Ausgabe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt 1964.

[5] Angeregt wurde diese Annahme bereits durch meine Untersuchung zum Thema: Faszination und Schrecken. Wahrnehmungsvorgang und Entscheidungsprozess im Werk Anselm Kiefers, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 51, 2006, 2, S. 183-210. Methodische und theoretische Überlegungen zum Bildbegriff habe ich auch in meiner Doktorarbeit angestellt, die ohne Kenntnis von Cassirers »Ausdruckswahrnehmung« auf vergleichbaren Begrifflichkeiten aufbaut: Cézanne – van Gogh – Monet. Genese der Abstraktion, Diss. Basel, Bühl 1999/2000.

[6] Ernst Cassirer: An Essay on Man, Yale University, New Haven/London 1944; deutsche Übersetzung: Ernst Cassirer: Versuch über den Menschen. Einführung in eine Philosophie der Kultur, aus dem Engl. v. Reinhard Kaiser, Hamburg, 2. Auflage 2007.

[7] Cassirer 2007 (wie Anm. 6), S. 55.

[8] Cassirer 2007 (wie Anm. 6), S. 49.

[9] Cassirer 2007 (wie Anm. 6), S. 51.

[10] Cassirer 2007 (wie Anm. 6), S. 55.

[11] Wertvolle Diskussionen und Anregungen verdanke ich Prof. em. Dr. Brigitte Scheer (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M.) und Prof. Dr. Dirk Rustemeyer (Universität Witten/Herdecke).

[12] Vgl. hierzu einführend Klaus Sachs-Hombach/Eva Schürmann: Philosophie, in: Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden, hg. v. Klaus Sachs-Hombach, Frankfurt a. M. 2005, S. 109-123, hier S. 113; und Lambert Wiesing: Artifizielle Präsenz, Studien zur Philosophie des Bildes, Frankfurt a. M. 2005, S. 17; sowie Martin Seel: Ästhetik des Erscheinens, Frankfurt a. M. 2003.

[13] William Tom Mitchell: What do pictures want? The lives and loves of images, Chicago 2005, S. 105. Vgl. hierzu auch die Rezensionen von Eva Schürmann: Was will die Bildwissenschaft?, in:
http://www.bildwissenschaft.org/journal/content.php?function=fnBookreview&showBookreview=9 > , und von Christiane Kruse in: http://www.arthist.net/DocBookD.html (31.07.2007).

[14] Vgl. dazu Gottfried Boehm: Zu einer Hermeneutik des Bildes, in: Seminar: Die Hermeneutik und die Wissenschaften, hg. v. Hans-Georg Gadamer/Gottfried Boehm, Frankfurt a. M., 2. Auflage 1985, S. 444-471; ders.: Sehen. Hermeneutische Reflexionen, in: Internationale Zeitschrift für Philosophie 1, 1992, S. 50-67; ferner die von Boehm herausgegebene Anthologie: Was ist ein Bild?, München 1994. Zu der Geschichte des Sehens, wie sie Boehm entwickelte, vgl. zusammenfassend Sauer 1999/2000 (wie Anm. 5), S. 62-76.

[15] Böhm 1985 (wie Anm. 14), S. 465-466.

[16] Gottfried Boehm: Bildsinn und Sinnesorgane, in: Neue Hefte für Philosophie, Heft 18/19: Anschauung als ästhetische Kategorie, Göttingen 1980, S. 118-132, hier S. 122-125. Zu dem von Max Imdahl eingeführten Begriffspaar vgl. ders.: Cézanne, Braque, Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 36, 1974, S. 325-365, hier S. 325, und zusammenfassend Sauer 1999/2000 (wie Anm. 5), S. 54-62.

[17] Boehm 1980 (wie Anm. 16), S. 130.

[18] Gottfried Boehm: Unbestimmtheit. Zur Logik des Bildes, in: ders.: Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens, Berlin 2007, S. 199-212, hier S. 211.

[19] Mit Bezug auf Cézanne vgl. Gottfried Boehm: Paul Cézanne, Montagne Sainte-Victoire, Frankfurt a. M. 1988, S. 96-102, und mit Bezug auf Monet ders.: Werk und Serie, Probleme des modernen Bildbegriffs seit Monet, in: Kreativität und Werkerfahrung, Festschrift für Ilse Krahl zum 65. Geburtstag, hg. v. Daniel Hess/Gundolf Winter, Duisburg 1988, S. 17-24, hier S. 21-23.

[20] Michael Bockemühl: Die Wirklichkeit des Bildes. Bildrezeption als Bildproduktion. Rothko, Newman, Rembrandt, Raphael, Stuttgart 1982, S. 178. Vgl. zusammenfassend zur Bildtheorie Bockemühls Sauer 1999/2000 (wie Anm. 5), S. 76-85.

[21] Bockemühl 1982 (wie Anm. 20), S. 89.

[22] Bockemühl 1982 (wie Anm. 20), S. 96.

[23] Werner Busch: Caspar David Friedrich – Ästhetik und Religion, München 2003, S. 26. Vgl. zum weiteren Verständnis (wenn auch kritisch zu hinterfragen) die Rezension dazu von Josef Imorde, in: http://www.arthist.net/download/book/2004/040115Imorde.pdf (01.08.2007).

[24] Busch 2003 (wie Anm. 23), S. 94.

[25] Busch 2003 (wie Anm. 23), S. 169.

[26] Sauer 1999/2000 (wie Anm. 5), S. 9-14.

[27] Sauer 1999/2000 (wie Anm. 5), S. 147-156, Zitat S. 147.

[28] Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft [Berlin 1790], Stuttgart 1991, S. 48.

[29] Kant 1991 (wie Anm. 28), S. 51.

[30] Konrad Fiedler: Über die Beurteilung von Werken der bildenden Kunst [1876], in: Konrad Fiedler: Schriften zur Kunst, Bd. I und II, hg. v. Gottfried Boehm, München 1991, S. 2-48, hier S. 23. Vgl. zusammenfassend zur Kunsttheorie Fiedlers Sauer 1999/2000 (wie Anm. 5), S. 41-54.

[31] Fiedler 1991 (wie Anm. 30), S. 4-18, und weiterführend ders.: Über den Ursprung der künstlerischen Tätigkeit [1887], in: Konrad Fiedler: Schriften zur Kunst, Bd. I und II, hg. v. Gottfried Boehm, München 1991, S. 112-220, hier S. 173.

[32] Fiedler 1991 (wie Anm. 30), S. 42.

[33] Martin Heidegger: Sein und Zeit [1927], 15. Auflage, Tübingen 1984, S. 130-180.

[34] Heidegger 1984 (wie Anm. 33), S. 137.

[35] Heidegger 1984 (wie Anm. 33), S. 136.

[36] Heidegger 1984 (wie Anm. 33), S. 137.

[37] Ernesto Grassi: Macht des Bildes: Ohnmacht der rationalen Sprache. Zur Rettung des Rhetorischen, Köln 1970, S. 37. Für diesen Hinweis danke ich Brigitte Scheer.

[38] Grassi 1970 (wie Anm. 37), S. 64-70. Vgl. ergänzend zum a priori bei Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft [Berlin 1787], Stuttgart 1989, S. 52.

[39] Grassi 1970 (wie Anm. 37), S. 102.

[40] Grassi 1970 (wie Anm. 37), S. 69.

[41] Grassi 1970 (wie Anm. 37), S. 70.

[42] Cassirer [1923, 1924/25, 1929] 1964 (wie Anm. 4). Die Bandangabe erfolgt im Weiteren in römischen Ziffern, die Seitenangabe in arabischen. Vgl. ferner die grundlegende Arbeit der 1997 an der Universität Hamburg eingerichteten Ernst Cassirer-Arbeitsstelle unter der Leitung von Birgit Recki, die mit der Herausgabe der Gesammelten Werke betraut ist; näheres dazu unter http://www.warburg-haus.de/eca/index.html .

[43] Vgl. Anm. 5.

[44] Vgl. Brigitte Scheer: Kunst als symbolische Form. Zur Aktualität der Konzeptionen von Ernst Cassirer und Susanne K. Langer, in: Mythen – Symbole – Metamorphosen in der Kunst seit 1800. Festschrift für Christa Lichtenstern zum 60. Geburtstag, hg. v. Helga Schmoll gen. Eisenwerth/J. Adolf Schmoll gen. Eisenwerth/Regina Maria Hillert, Berlin 2004, S. 243-253, und vertiefend dies.: Bildende Kunst und Welterschließung, in: Kunst und Philosophie, hg. v. Karen Gloy, Wien 2003, S. 27-41. Vgl. ferner: Andreas Graeser: Ernst Cassirer, München 1994.

[45] Vgl. Birgit Recki: ›Lebendigkeit‹ als ästhetische Kategorie. Die Kunst als Ort des Lebens bei Cassirer, Goethe und Kant, in: Cassirer und Goethe, hg. v. Barbara Naumann/Birgit Recki, Berlin 2002, S. 197-219.

[46] Vgl. Susanne K. Langer: Philosophy in a New Key, Cambridge (Mass.) 1942; deutsche Übersetzung: Philosophie auf neuem Wege. Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst, Berlin 1965, S. 278.

[47] Martin Scherer: Vom Apriori der Prägnanz. Vortheoretische Sinnerschlossenheit als zentrales Motiv der Kulturphilosophie Ernst Cassirers, Diss. München 1996, Darmstadt 1996.

[48] Cassirer [1929] 1964 (wie Anm. 4), S. 16.

[49] Cassirer [1929] 1964 (wie Anm. 4), S. 76, schreibt hierzu: »Erst von dieser Grundauffassung aus, von der Anerkennung des nicht mittelbaren, sondern ursprünglichen Charakters der reinen Ausdruckserlebnisse, läßt sich, wenn überhaupt, eine Brücke zu den Phänomenen des tierischen Bewußtseins schlagen. Denn auch dieses scheint, insbesondere auf den höheren Stufen, eine große Fülle und eine erstaunlich feine Nuancierung solcher Erlebnisse in sich zu schließen.«

[50] Vgl. Cassirer [1944] 2007 (wie Anm. 6), S. 228.

[51] Vgl. Cassirer [1944] 2007 (wie Anm. 6), S. 122-126, Zitat S. 125.

[52] Vgl. hierzu Cassirer [1944] 2007 (wie Anm. 6), S. 49. Grundlegend wird diese Unterscheidung Cassirers für die amerikanische Philosophin Langer 1965 (wie Anm. 46). Sie stellt heraus, dass der Mensch im Gegensatz zum Tier »beständig in einem Prozeß der symbolischen Transformation von Erfahrungsdaten begriffen ist«. Ein zeichenhaftes Verhalten wie beim Tier, in Form von »Anzeichen« (unmittelbare, »praktische« Reaktionen) oder »Gefühlszeichen«, machte hingegen nur einen kleinen – wenn auch sehr wichtigen – Teil unseres Verhaltens aus (S. 51). In der Moderne zeige sich jedoch, so Langer in ihrem Schlusskapitel, dass gerade die praktischen, nützlichen Reaktionen (Anzeichen) an Bedeutung gewännen, so dass das empfindliche Gleichgewicht gestört und ein Sinnverlust drohen würde (S. 283).

[53] Scherer 1996 (wie Anm. 47) S. 92-100, hier S. 93.

[54] Vgl. ergänzend Scheer 2004 (wie Anm. 44) S. 37.

[55] Vgl. Langer 1965 (wie Anm. 46), S. 241-260, hier S. 254.

[56] Langer 1965 (wie Anm. 46), S. 254: »Vielleicht ist es unvermeidlich, daß diese Emotion, die beim Hervorbringen oder Betrachten einer künstlerischen Komposition erlebt wird, sich mit dem Inhalt des Werkes vermischt, da dieser Inhalt selbst emotiv ist.«

[57] Hartmut Böhme: Fetischismus und Kultur. Eine andere Theorie der Moderne, Hamburg 2006. Vgl. dazu ferner die von mir verfasste Rezension in: Kunstchronik 59, 2006, S. 282-285, bzw. digital unter URL: http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2009/948/.

[58] Sauer 2006 (wie Anm. 57), S. 285.

[59] Böhme 2006 (wie Anm. 57) S. 480-483.

[60] Vgl. hierzu vertiefend und weiterführend Sauer 2006 (wie Anm. 5).

[61] Vgl. Cassirer [1944] 2007 (wie Anm. 6), S. 212-234, bes. S. 229 f.

[62] Vgl. Cassirer [1944] 2007 (wie Anm. 6), S. 119-221, Zitat S. 221.

Lizenz

Jedermann darf dieses Werk unter den Bedingungen der Digital Peer Publishing Lizenz elektronisch über­mitteln und zum Download bereit­stellen. Der Lizenztext ist im Internet abrufbar unter der Adresse http://www.dipp.nrw.de/lizenzen/dppl/dppl/DPPL_v2_de_06-2004.html

Empfohlene Zitierweise

Sauer M.: Wahrnehmen von Sinn vor jeder sprachlichen oder gedanklichen Fassung? Frage an Ernst Cassirer. In: Kunstgeschichte. Open Peer Reviewed Journal, 2009-5 (urn:nbn:de:0009-23-23387).  

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