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  • Lernmanagement-Plattformen revisited: Strategien für die organisatorische Verankerung von Evaluations- und Re-Evaluationsprozessen an der Universität Trier
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Einleitung

Voraussetzung für die breite Nutzung und Akzeptanz einer Lernmanagement-Plattform in einer Bildungseinrichtung ist eine nachhaltige Verankerung unter Berücksichtigung der vielfältigen Interessen und Bedürfnisse aller beteiligten Gruppen. An einer Universität reichen diese von den Lehrenden und Studierenden bis zu den zentralen Einrichtungen und der Hochschulleitung. Die Entscheidung für eine Plattform oder eine Kombination von Plattformen wurde an vielen Universitäten bereits in der ersten Phase der E-Learning-Entwicklung, die von der Inhaltsproduktion dominiert war, getroffen. Die Einrichtungen, die ihre Entscheidung in der jetzigen, organisatorisch ausgerichteten Phase der E-Learning-Entwicklung treffen, haben die Chance, die (neuen oder bereits etablierten) Organisationsstrukturen und E-Learning-Zuständigkeiten an der Hochschule im Evaluationsprozess zu nutzen.

Ist die Entscheidung erst einmal gefallen, ist außerdem die Versuchung groß, das Thema als „erledigt“ zu betrachten. Allerdings beginnt dann erst der mühsame Prozess, die Aktivitäten von den zuvor genutzten Plattformen soweit sinnvoll zusammenzuführen und den verschiedenen Bedürfnissen im Lehr-Lernalltag auch mit den zentral angebotenen Instrumenten gerecht zu werden. Zudem ändern sich Produkte, Bedürfnisse und Rahmenbedingungen recht schnell. Daher muss unter Einbeziehung aller Interessensgruppen an der Hochschule regelmäßig überprüft werden, ob die Instrumente sich im Einsatz bewähren. Die Anforderungen, die an eine Lernplattform bzw. Lernplattformen gestellt werden, müssen systematisch weiterentwickelt werden.

Auch besteht die Tendenz, dass sich nach einer zentralen Entscheidung die Entwicklungen und Diskurse aufspalten: auf technischer Seite wird über Betrieb, Erweiterung und Einbindung der Plattform in die IT-Infrastruktur diskutiert mit weniger Rückkopplung an didaktische Anwendungskontexte; auf didaktischer Seite geht es um Lehr-Lernszenarien wobei die technischen Komponenten, die zunächst überbetont wurden, zunehmend aus dem Aufmerksamkeitsfokus verschwinden können. Wichtig ist daher, dass die Hochschulen Wege finden, die Akteure und Diskurse dauerhaft institutionalisiert zusammenzubringen. Das Thema Lernplattformen sollte insgesamt auch in dieser Phase nicht aus den Augen verloren werden und es ist u.a. zu fragen, wie man die Entscheidungsfindung und vor allem auch die Weiterentwicklung der Anforderungen nachhaltig organisatorisch verankern kann.

Wie andere Hochschulen auch hat die Universität Trier einen ersten Evaluationsprozess zur Einführung einer Lernplattform bereits durchlaufen (Oktober 2005 bis Februar 2006). Er war Teil des Projektes „Digitale Lernumgebung Hochschule – E-Learning-Integration an der Universität Trier“, das in der zur Zeit laufenden Förderlinie „eLearning-Dienste in der Wissenschaft“, initiiert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), unterstützt wird (zum Gesamtprojekt vgl. Duckwitz/ Leuenhagen 2005 (7); im Rahmen der Förderalismusreform wurden die Projekte inzwischen an die Bundesländer übergeben). Darauf aufbauend wurde ein Konzept zur Re-Evaluation, d.h. zur kontinuierlichen Fortschreibung der Anforderungen unter Einbindung aller relevanten Einrichtungen entwickelt. Das Konzept wird zur Zeit bzw. zukünftig umgesetzt werden. Um Aufgaben und Rollen der Akteure im Evaluationsprozess zu definieren, wurde ein Organisationsmodell genutzt, das an der Universität Trier im Rahmen der E-Learning-Integration entwickelt und etabliert wurde. Es legt Zuständigkeiten bestehender und neuer Einrichtungen für E-Learning-Support und –Entwicklungsaufgaben fest.

Da die Rahmenbedingungen, Zuständigkeiten und existierenden Einrichtungen an jeder Hochschule unterschiedlich sind, lässt sich das an der Universität Trier etablierte Modell vermutlich nicht in identischer Form auf andere Hochschulen übertragen. Dennoch existieren an vielen Hochschulen zentrale Einrichtungen mit ähnlichem Aufgabenspektrum, so dass sich Anregungen für die Gestaltung von (Re-)Evaluationsprozessen auch für andere Hochschulen ableiten lassen. Baumgartner/Häfele/Maier-Häfele (2002)(1) haben bereits in ihrer frühen Evaluationsstudie von Plattformen betont, dass vermutlich weniger die schnell veraltenden Ergebnisse als vielmehr die Verfahren Anregungen für weitere Evaluationsprozesse geben können. Gleiches gilt hier für die Organisationsstrukturen als Handlungs- bzw. Planungsmodelle (vgl. Bloh 2005: 11)(3). In diesem Sinne beschreibt der Artikel, welche Grundlagen für die organisatorische Verankerung (Organisationsmodell) von E-Learning an der Universität Trier geschaffen wurden (1), wie die organisatorischen Strukturen bei der ersten Evaluation genutzt wurden, d.h. in welche Phasen sich der Evaluationsprozess gliederte, welche Akteure jeweils verantwortlich waren und einbezogen wurden. (2). Es wird außerdem dargestellt, welche Maßnahmen zur Re-Evaluation aufbauend auf den Erfahrungen eingeführt wurden, die wiederum von allen Interessensgruppen zu tragen sind (3).

1 Ausgangssituation: E-Learning-Organisationsstrukturen an der Universität Trier

Grundlage für die E-Learning-Integration an der Universität Trier ist ein Organisations-modell, das Ende 2005 formal etabliert und damit zum realen „Organigramm“ wurde. Es ist in drei Ebenen aufgebaut:

Koordinationsstelle E-Learning: sie ist verantwortlich für die didaktischen und technischen Qualifizierungs- und Supportaufgaben und für die Koordination des E-Learning-Entwicklungsprozesses. Lehrenden steht die Koordinationsstelle als zentrale Anlaufstelle in allen E-Learning-Fragen offen, je nach Anliegen fordert sie Leistungen aus den Netzwerkeinrichtungen an. Die Koordinationsstelle ist komplementär ausgerichtet und mit einer didaktisch-organisatorischen und einer edv-technischen Stelle besetzt. Sie untersteht der Hochschulleitung bzw. dem Vizepräsidenten, der zugleich den Vorsitz im Lenkungsgremium des Medienzentrums übernimmt. Diesem Lenkungsgremium gehören die LeiterInnen von Bibliothek, Rechenzentrum und Medientechnik sowie Universitätsvideoanlage und Sprachzentrum an. Die Koordinationsstelle E-Learning ist außerdem Mitglied in der EDV-Kommission des Senats der Universität Trier. Als Entscheidungsgremium für die IuK-Entwicklung ist die Kommission auch für E-Learning zuständig.

Medienzentrum: Das Medienzentrum ist das Koordinationsgremium der wichtigsten medienbezogen arbeitenden Einrichtungen, die E-Learning-Supportleistungen für Lehrende erbringen. Dies sind neben der Koordinationsstelle E-Learning die bereits erwähnten Einrichtungen Bibliothek, Rechenzentrum, Universitätsvideoanlage, Sprachzentrum sowie Medientechnik. Das e-learning-bezogene Leistungsspektrum umfasst u.a. die Bereitstellung der zentralen Lernmanagement-Plattform sowie den entsprechenden Support (Koordinationsstelle), die Beratung und Unterstützung bei der Produktion, Verwaltung und Archivierung von digitalen Lehrmaterialien (digitale Textdokumente, Audio, Video, Animationen durch Bibliothek, Universitätsvideoanlage und Sprachzentrum), die Betreuung und Aufzeichnung von Teleteaching- und Videokonferenz-Veranstaltungen (Medientechnik, Rechenzentrum) sowie Basisdienstleistungen wie das Hosting oder das Gewährleisten von Datensicherheit für die E-Learning-Anwendungen der Universität (Rechenzentrum). Die Einbindung der Fächer in den E-Learning-Integrationsprozess wird über die IuK-Beauftragten als Mitglieder des Medienzentrums sichergestellt; diese übernehmen zunächst auch die Funktion von E-Learning-Beauftragten für die Fächer.

Netzwerk „Digitale Lernumgebung Hochschule“: Das Netzwerk umfasst alle Einrichtungen, die für Lehrende Unterstützungsleistungen bei der Umsetzung von E-Learning erbringen. Die zentralen Akteure des Netzwerks sind in der Abbildung 1 aufgeführt. Zusätzlich zum Medienzentrum sind hier auch Einrichtungen einbezogen, die bedarfsorientiert weitergehende Dienstleistungen wie Beratung zu den Themen Recht, Geschäftsmodelle, Weiterbildung oder Gender Mainstreaming anbieten. Das Netzwerk dient neben der Koordination der E-Learning-Dienstleistungen auch der Koordination von (IT-technischen) E-Learning-Entwicklungsvorhaben.


Abbildung 1 - Organisationsmodell des „Netzwerks Digitale Lernumgebung Hochschule“ zur Umsetzung der E-Learning-Integration an der Universität Trier; Quelle: Eigene Erstellung

Bei der Entwicklung dieses Modells wurden auch Erfahrungen und Erkenntnisse anderer Hochschulen sowie Referenzmodelle berücksichtigt (vgl. u.a. Kleimann/ Wannemacher, 2004; Kubicek, H. et al., 2004; Schönwald/Euler/Seufert, 2004)(10)(11)(13). Im Rahmen von Reorganisationsprozessen können demnach neue Einrichtungen aufgebaut oder bestehende neu ausgerichtet und z.B. im Rahmen eines virtuellen Verbundes zusammengeführt werden. An der Universität Trier wurde versucht, die Vorteile beider Möglichkeiten zu nutzen. Wo immer möglich wurde im Sinne der Nachhaltigkeit auf bestehende Einrichtungen zurückgegriffen. Nur in den Bereichen, in denen bisher keine Zuständigkeiten bestanden, wurden neue Einrichtungen geschaffen (Koordinationsstelle E-Learning). Um sicherzustellen, dass die bestehenden Einrichtungen Leistungen in den virtuellen Verbund einbringen, wurden im Statut des Medienzentrums für jede Einrichtung die zu erbringenden Arbeitsleistungen in Umfang und personeller Zuordnung festgeschrieben. Auf diese Weise werden auch entsprechende finanzielle Mittel aus den Einrichtungen in den E-Learning-Entwicklungsprozess eingebracht. Die Koordinationsstelle E-Learning wird zur Zeit aus Projektmitteln finanziert, soll aber verstetigt werden. Die Organisationsstrukturen werden im Laufe des Projekts evaluiert, um diese zur Verstetigung ggf. noch anpassen zu können.

Dieses Organisationsmodell gibt auch für die Evaluation von Lernmanagement-Plattformen einen Rahmen vor: Es zeigt nicht nur auf, welche Einrichtungen zu berücksichtigen sind, sondern gewährleistet auch, dass diese auf der Basis der vereinbarten Zusammenarbeit kooperativ an der Entscheidungsfindung mitwirken. Der Plattform-Evaluationsprozess war der erste Anwendungsfall, bei dem sich die neu geschaffenen Strukturen umfassend bewähren mussten. Da von der Einführung einer Lernmanagement-Plattform an einer Universität prinzipiell alle aufgeführten Einrichtungen und Gruppen von der Hochschulleitung über das Medienzentrum und das Netzwerk bis zu den Lehrenden und Studierenden betroffen sind, bestand die Herausforderung darin, alle Akteure angemessen in den Evaluationsprozess zu integrieren, die Vielfalt der Anforderungen zu erheben und in der Kriterienwahl entsprechend zu berücksichtigen sowie die Erfahrungen, die bei den Akteuren bereits bestehen, für den Evaluationsprozess nutzbar zu machen. Dies kann als Voraussetzung dafür angesehen werden, dass eine Lernmanagement-Plattform als (zentraler) Baustein einer digitalen Lernumgebungen von allen Akteuren gleichermaßen akzeptiert und genutzt wird und damit eine nachhaltige Etablierung von E-Learning in der Lehre erreicht wird.

2 Evaluation von Lernmanagement-Plattformen

Zur Evaluation von Lernplattformen liegt inzwischen eine Vielzahl an Publikationen vor. Dabei haben die frühen, groß angelegten Studien, z.B. die von Baumgartner/Häfele/Maier-Häfele (2002)(1), von Schulmeister (2003)(14) oder Edutech im Schweizer Raum (2005, 2005a)(8)(9), Maßstäbe für die Konzeption von Evaluationsprozessen gesetzt, u.a. im Hinblick auf die Kriterienwahl und das Bewertungsverfahren. Auch neuere Beiträge, wie z.B. Brugger (2005)(5) in seinem Artikel zu Auswahl und Betrieb von Lernplattformen, konzentrieren sich vielfach auf die Beschäftigung mit Plattformtypen und Kriterien im Bewertungsprozess. In diesen Beiträgen, die nicht aus der Perspektive einer Institution geschrieben sind, aber auch in den vielen von einzelnen Institutionen verfassten Kriterienlisten und Berichten über eigene Evaluationsprozesse, werden die Kriterien meist nicht explizit auf die entsprechenden Zuständigkeiten und Rollen innerhalb einer Einrichtung bezogen.

Dagegen widmen sich die Beiträge im Sammelband „Lernplattformen in der Praxis“ (Bett/Wedekind 2003)(2) bereits intensiver dem Aspekt der organisationalen Einbindung, in Fallbeispielen (z.B. der Universität Basel, vgl. Dittler/Bachmann 2003)(6) oder generalisierenden Beiträgen („Lernplattformen im institutionellen Rahmen“, vgl. Meister/Wedekind 2003)(12). Dittler und Bachmann thematisieren dabei Entscheidungsprozesse und beteiligte Akteure vor allem aus der Projektperspektive. Zwar hat das LearnTechNet der Universität Basel bereits sehr früh eine zentrale Plattform bereitgestellt und die Kriterien für die Auswahl werden ausführlich beschrieben. Auf Akteure wird jedoch vor allem Bezug genommen, wenn es darum geht, wie das Ressort Lehre und das Rechenzentrum der Universität Projektbeteiligte (Lehrende) bei der Entscheidung für ein Instrument zur Umsetzung ihrer E-Learning-Vorhaben unterstützen können. Meister und Wedekind stellen dagegen zu Beginn ihres Beitrags fest, dass eine Plattformentscheidung nur noch auf Hochschulebene in institutionellem Rahmen zu treffen ist und sich aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse die Frage stellt, wer an diesem Prozess zu beteiligen ist. Auf allgemeiner Ebene kann die Frage allerdings nur schwer beantwortet werden, da die Ausgangssituationen an Hochschulen jeweils spezifisch sind.

Das Thema Nachhaltigkeit wurde im Rahmen der genannten Studien von Beginn an insofern berücksichtigt, als durch eine entsprechende Kriterienwahl langfristig Akzeptanz, technisches Funktionieren und bedarfsgerechte Nutzungsmöglichkeiten gesichert werden sollten (vgl. z.B. Meister/Wedekind 2003)(12). Die Frage, wie nach dem ersten Evaluationsprozess und einer ersten hochschulweiten Entscheidung weiter vorgegangen werden kann bzw. wie eine Überprüfung der Entscheidung und Weiterentwicklung der Anforderungen vorgenommen werden kann, wurde bisher nicht explizit aufgegriffen.

Um ein Konzept für die Nutzung des Organisationsmodells bei der Entscheidungsfindung zu entwickeln, wurden zunächst Rollen, Zuständigkeiten bzw. Aufgaben sowie Anforderungen der unterschiedlichen Gruppen im Evaluationsprozess festgelegt (vgl. Tabelle 1). Das Evaluationsverfahren selbst gliederte sich in drei Phasen: In einem ersten Schritt war es Aufgabe der Hochschulleitung sowie der Koordinationsstelle E-Learning die relevanten strategischen Zielsetzungen festzulegen, die Rahmenbedingungen zu analysieren, insbesondere die Nutzungssituation und die Marktsituation (2.1). Auf dieser Basis war eine erste Eingrenzung relevanter Plattformen möglich. In einem zweiten Schritt wurden die unterschiedlichen Anforderungen präzisiert, als Evaluationskriterien formuliert und zu einem handhabbaren Kriterienkatalog für die Evaluation zusammengefasst. Hier waren alle relevanten Einrichtungen des Netzwerks einzubeziehen (2.2). Schließlich übernahm die Koordinationsstelle E-Learning die Überprüfung der Plattformen auf die Erfüllung der Kriterien. Dabei wurden ebenfalls die relevanten Einrichtungen und Gruppen oder auch externe Experten für bestimmte Plattformen einbezogen. Die Ergebnisse mündeten in eine Empfehlung, über die in der EDV-Kommission des Senats der Universität Trier abgestimmt wurde (zum Überblick über das Gesamtverfahren vgl. Abbildung 2).

Hochschulleitung:

Rolle:

Festlegung der grundsätzlichen Ziele des Evaluationsprozesses

Anforderungen:

Unterstützung der strategischen Entwicklungsziele der Hochschule z.B. im Hinblick auf die Förderung aktiver, selbstgesteuerter Lehre, die Effizienz der Organisation, Förderung der Interdisziplinarität und Vernetzung der Fächer, ökonomische Tragbarkeit (Lizenzen, Supportaufwand), hohe Zukunftssicherheit und weite Verbreitung etc.

Koordinationsstelle:

Rolle:

Konzeptentwicklung, Koordination und Durchführung des Evaluationsprozesses; später: Administration und Betreuung der zentralen Plattform

Anforderungen:

Unterstützung zu fördernder didaktischer Szenarien; gute Administrierbarkeit, geringer Supportaufwand; den Strukturen der Koordinationsstelle angemessenes Betreibermodell; Weiterentwicklung der Plattform etc.

Rechenzentrum:

Rolle:

Hosting und Datensicherheit

Anforderungen:

Stabilität, hohe Sicherheitsstandards, geringer Hosting-Aufwand, geringer Supportaufwand, gute Skalierbarkeit, Vorhandensein bzw. Beschaffbarkeit notwendiger Hard- und Software etc.

Videoanlage/Sprachzentrum:

Rolle:

Definition von Kriterien zur Anbindung der eigenen Dienstleistungen an die Plattform

Anforderungen:

mögliche bzw. effiziente Einbindung und/oder Produktion digitaler Audio- und Videodokumente auf der Plattform etc.

Bibliothek:

Rolle:

Definition von Kriterien zur Anbindung der eigenen Dienstleistungen an die Plattform

Anforderungen:

möglicher Import von Literaturdaten des Bibliothekskatalogs; Realisierung digitaler Semesterapparate in Anbindung an die Plattform; Anbindung von Repositories für Lernobjekte an die Plattform etc.

Verwaltungsdatenverarbeitung/Studienorientierte Dienstleistungen:

Rolle:

Definition von Kriterien für die Integration/ Anbindung von Verwaltungssoftware

Anforderungen:

Schnittstellenfähigkeit der Plattform etc.

Qualitätssicherung/Bologna-Koordination:

Rolle:

Definition von Kriterien für die Integration von Lehrevaluationsinstrumenten sowie Abbildung der BA/MA-Studiengänge

Anforderungen:

Evaluationsfunktionalitäten; Abbildung von Modulen, Bewertung durch ETCS etc.

Competence Center E-Business/Transferstelle/Wissenschaftliche Weiterbildung:

Rolle:

Definition von Kriterien zur Umsetzung von E-Learning-Geschäftsmodellen sowie für die Anwendung von E-Learning in der Weiterbildung;

Anforderungen:

Payment-Funktionen, geschlossene Nutzergruppen und Zugangsregelungen, möglicher hoher Grad an Virtualisierung bis hin zu Fernstudium im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen über die Plattform etc.

Rechtsangelegenheiten:

Rolle:

Definition von Kriterien für Einhaltung rechtlicher Bestimmungen;

Anforderungen:

Datenschutz, urheber- und verwertungsrechtliche Regelungen, Haftungsfragen bei Missbrauch etc.

Frauenbüro:

Rolle:

Definition von Kriterien für die gendergerechte Plattformgestaltung;

Anforderungen:

gendersensible Sprache, Verwendung von Bildern, aber auch Supportstrukturen etc.

Lehrende:

Rolle:

AnwenderInnen der Plattform

Anforderungen:

problemgerechte Funktionalität, die den gewünschten Lehr-Lernszenarien (Organisation und didaktische Unterstützung) entspricht; gute Usability etc.

Studierende:

Rolle:

AnwenderInnen der Plattform

Anforderungen:

problemgerechte Funktionalität, die den geforderten und gewünschten Lernszenarien entspricht; gute Usability etc.

Tabelle 1 - Einrichtungen und Gruppen zur Einbeziehung in den Evaluationsprozess; Quelle: Eigene Erstellung


2.1 Strategische Zielsetzungen, Rahmenbedingungen und Eingrenzung der Plattformen

Grundlage für das Aufstellen von Evaluationskriterien ist, dass die Hochschule über E-Learning-Leitziele verfügt bzw. E-Learning-Szenarien definiert hat, aus denen ein Grobraster notwendiger Funktionalitäten erstellt werden kann, die eine zentrale Plattform aufweisen sollte. E-Learning-Leitziele bzw. Szenarien wurden an der Universität Trier durch die Hochschulleitung bzw. die Koordinationsstelle E-Learning vorgeschlagen und in den relevanten Gremien (Medienzentrum, EDV-Kommission des Senats etc.) weiterentwickelt, diskutiert und abgestimmt. Ziel der E-Learning-Integration an der Universität Trier ist die breite Verankerung alltagstauglicher E-Learning-Instrumente in der Lehre. Dies soll durch die Umsetzung eines Stufenmodells erreicht werden.

Das Modell sieht vor, dass Lehrende in einem ersten Schritt ihre Veranstaltungen über die digitalen Medien verwalten und organisieren können, d.h. sie wickeln das Anmeldeverfahren online ab, teilen Gruppen ein, stellen Materialien zur Verfügung oder testen und evaluieren online. Der Nutzen des Medieneinsatzes ist primär der Effizienzgewinn, der z.B. durch vereinfachte Arbeitsabläufe sowie einen zeit- und ortsunabhängigen Zugang zu den Materialien entsteht. Aufbauend auf diesem Szenario soll es möglich sein, teilvirtualisierte Lehre als digital unterstützte Präsenzlehre durchzuführen. Lehrende wickeln dabei Teile ihrer Lehrveranstaltungen in den Bereichen Inhalte, Tests, Kooperation oder Kommunikation über E-Learning-Instrumente virtuell bzw. webbasiert ab. Vorteil im Rahmen der Begleitung der Präsenzlehre kann beispielsweise die Erhöhung des Anteils selbstorganisierten Lernens oder die Realisierung anderer didaktischer Verbesserungen sein. Die Teilvirtualisierung kann aber auch hochschul- und damit standortübergreifende oder weiterbildende Angebote erst ermöglichen. Dazu müssen in einem ersten Schritt niedrigschwellige Basisinstrumente wie Mail, Foren, Chat zur Verfügung stehen oder die Präsentation bestehender Inhalte innerhalb der Lernplattform möglich sein. In der Folge sollen die Lehrveranstaltungen dann ebenfalls über die Plattform zu Blended-Learning-Veranstaltungen weiterentwickelt werden können. Dazu muss auch der Einsatz komplexerer Instrumente wie virtueller Klassenzimmer oder das Erstellen von Selbstlernmodulen ermöglicht werden. Ähnliche Stufenmodelle sind auch an anderen Hochschulen entwickelt worden (vgl. z.B. für die Universität Basel Dittler/ Bachmann 2003: 180)(6). Zudem sind weitergehende Entwicklungsziele der Universität zu berücksichtigen wie z.B. die Internationalisierung oder die Förderung interdisziplinärer Zusammenarbeit, aus denen sich Kriterien wie die Mehrsprachigkeit der Plattformoberfläche oder aber die Festlegung auf eine hochschulweite Lösung ableiten lassen.

Weiterhin war durch die Hochschulleitung, die Koordinationsstelle E-Learning sowie andere Akteure wie das Rechenzentrum festzulegen, ob Lehrenden und Studierenden mehrere Instrumente angeboten werden sollten, oder ob man sich auf eine einheitliche zentrale Lösung festlegen sollte. Die Universität Trier geht in dieser Hinsicht einen Mittelweg, indem für bestimmte Funktionalitäten, die angeboten werden sollen, jeweils eine Lösung bzw. ein technisches Instrument zentral bereitgestellt wird. Dies kann durch unterschiedliche Tools bzw. Plattformen geschehen, wenn gewährleistet ist, dass diese komplementär und integrativ angeboten werden können, so dass keine Dopplung von Funktionen entsteht. Der Betrieb einer Vielzahl von sich deckenden Instrumenten kann nicht dauerhaft durch die Universität gesichert und unterstützt werden. Auch Support kann umfassend nicht für eine größere Zahl von Lösungen angeboten werden. Es kommt hinzu, dass eine Plattform in die IT-Infrastruktur der Universität eingebunden werden muss. Werden unterschiedliche Plattformen mit gleichen Funktionalitäten eingesetzt, sind Schnittstellen zu allen Systemen zu programmieren, was sowohl technisch als auch im Hinblick auf die begrenzten Ressourcen kaum zu leisten wäre.

Weiterhin entfaltet sich der Nutzen einiger Funktionen von Lernplattformen für Lehrende wie Studierende vor allem im Bereich der Verwaltung und Organisation erst bei einem hochschulweiten Einsatz (z.B. automatisierte Erstellung von Stundenplänen aus den belegten Veranstaltungen). Insbesondere aus Studierendensicht ist eine einheitliche, überschneidungsfreie Lösung wünschenswert, da Arbeitseffizienz und Akzeptanz leiden, wenn sich Studierende in eine Vielzahl an Tools bei unterschiedlichen Dozenten einarbeiten müssen. Da ebenso gilt, dass eine Plattform nie allen Bedürfnissen und Anforderungen gerecht werden wird, wird wo möglich der Einsatz anderer Instrumente, deren Funktionalitäten nicht auf der Lernplattform vorhanden sind, unterstützt und deren Anbindung an die zentralen Lösungen bzw. die Einbindung in die Dienstleistungsinfrastruktur gefördert. Insbesondere für weitere Innovationen ist es wichtig, in diesem Bereich Offenheit zu erhalten und Initiativen zu fördern.


Abbildung 2 - Evaluationsverfahren für Lernmanagement-Plattformen unter Beteiligung der Netzwerkeinrichtungen an der Universität Trier; Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Baumgartner/ Häfele/ Maier-Häfele (2002)

Weiterhin war es Aufgabe der Hochschulleitung bzw. der Koordinationsstelle E-Learning, eine Analyse der Nutzungssituation durchzuführen. Aus den Ergebnissen lassen sich in dreierlei Hinsicht für die Evaluation relevante Aspekte ableiten: Es wird erkennbar, auf welche Instrumente sich ein höherer Nutzungsdruck entwickelt hat und damit wo besonderer Bedarf besteht. Weiterhin lässt sich die Nutzungssituation auch mit den Entwicklungszielen kontrastieren, um festzulegen, wo und wie durch das Angebot entsprechender Instrumente bestimmte E-Learning-Szenarien gefördert werden können. Anhand der Nutzungssituation kann auch abgeschätzt werden, welche Konsequenzen eine Festlegung auf eine bestimmte Plattform für die Universität und auch für einzelne Lehrende haben wird. Dies betrifft Kosten im weiteren Sinne, die z.B. dadurch entstehen, dass Lehrende, die sich auf bestimmten Plattformen eingearbeitet haben, auf die zentrale Plattform umsteigen müssten. Da die Plattformen sich auch in den Funktionalitäten unterscheiden, ist auch abzuschätzen, ob Lehrende, die bisher auf einer bestimmten Plattform gearbeitet haben, durch die Festlegung auf eine andere Plattform eingeschränkt werden.

Die Analyse der Nutzungssituation an der Universität Trier erfolgte im Rahmen der Evaluation durch eine Befragung aller Lehrenden (Plattform, Umfang der momentanen und geplanten Nutzung, welche Inhaltsangebote sind bereits entstanden und im Einsatz), die über die IuK-Beauftragten der Fachbereiche in die Fächer getragen wurde sowie eine Befragung der jeweiligen Plattformbetreiber (in der Regel Verantwortliche in Fächern; gefragt wurde nach Nutzer- bzw. Accountzahlen, Fächerzuordnung sowie Organisationsstrukturen, d.h. wo steht der Server, wer hostet und betreut das Angebot etc.). Das Ergebnis zeigte, dass seit 2000/2001 im Wesentlichen fünf Plattformen (Blackboard, ILIAS, Movii, Stud.IP, WebCT) parallel an der Universität eingesetzt wurden. Die Etablierung dieser Plattformen erfolgte vor allem in der ersten Förderphase des Programms „Neue Medien in der Bildung“, in der die Universität an insgesamt sieben Verbundprojekten beteiligt war. Nur zwei der Plattformen (Stud.IP und ILIAS) wiesen jedoch im Januar 2006 Nutzerzahlen auf, die über den Projektkontext hinausgingen und fachübergreifend waren (Stud.IP etwa 4.500 Nutzer, die Universität Trier hatte zu dieser Zeit etwa 13.000 Studierende). Hier zeigte sich auch die höchste Dynamik im Zuwachs an Nutzern und Aktivität auf der Plattform. Kontrastiert mit den Szenarien stellte sich auch heraus, dass die starke Nutzungs- und Akzeptanzsteigerung von Lernplattformen hauptsächlich niedrigschwellige Angebote betraf, die der digitalen Lehrorganisation und in geringerem Umfang der digitalen Unterstützung der Präsenzlehre dienen. Dies bestätigen auch die Ergebnisse einer früheren Befragung der Informations- und Forschungsstelle E-Learning im August 2005 unter Lehrenden der Universität, der zufolge der Effizienzgewinn (Zeitersparnis, Vereinfachung von Arbeitsabläufen, transparente Organisation) einen hohen Stellenwert hat, als wichtiger Vorteil von E-Learning angesehen wird und der Anlass zum Umstieg auf eine digitale Unterstützung der Lehre sein kann. Die Angebote zur Produktion von Inhalten bzw. Lernmodulen und zur Umsetzung komplexer E-Learning-Szenarien konnten dagegen nicht in jedem Fall nachhaltig etabliert werden, meist weil der Aufwand, entsprechende Plattformen zu betreiben, nicht ohne zusätzliche Ressourcen außerhalb des Projektkontextes erbracht werden konnte. Die Nutzung dieser Instrumente stagniert daher. Für die Universität ergibt sich daraus Handlungsbedarf in zweifacher Hinsicht. Ziel muss es sein, mit den zentralen Angeboten den Service-Aspekt der E-Learning-Integration zu bedienen und damit dem Nutzungsdruck zu entsprechen. Zum anderen müssen aber auch für die Umsetzung komplexer Szenarien die notwendigen Instrumente bereitgestellt werden, damit sich der Prozess der E-Learning-Integration nicht auf diesen Effizienzaspekt beschränkt, sondern auch komplexere und innovative Lehr- und Lernformen ermöglicht werden und die Entwicklung, die in den BMBF-Projekten bereits begonnen wurde, wieder neu belebt werden kann.

Die Frage, welche Plattformen in den Evaluationsprozess einbezogen werden, wurde in den Studien von Baumgartner/ Häfele/ Maier-Häfele (2002)(1) und Schulmeister (2003)(14) mit umfassenden Marktstudien beantwortet. Inzwischen hat sich jedoch (auch wenn immer noch eine ganze Reihe von Anbietern aktiv sind) der Markt bereinigt. Von der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Produkte hat sich nur eine kleine Anzahl für den Einsatz an Hochschulen als tauglich erwiesen. Wird also nicht grundsätzlich in Betracht gezogen, ein ganz neues System auszuprobieren, empfiehlt es sich, auf eine dieser bewährten Plattformen zu setzen. Es kommt hinzu, dass an den meisten Hochschulen wie auch der Universität Trier bereits unterschiedliche Plattformen betrieben werden, dass also nicht nur Kompetenzen bei den Lehrenden, sondern auch bei den Supporteinrichtungen bestehen, auf denen bei Wahl einer entsprechenden Plattform aufgebaut werden kann.

Zur Auswahl der einzubeziehenden Plattformen wurden daher von Hochschulleitung und Koordinationsstelle E-Learning folgende Kriterien festgelegt:

  • Funktionsbereiche
    Es werden entsprechend der strategischen Zielsetzungen und dem Stufenmodell solche Plattformen in die Evaluation einbezogen, die über eine Benutzerverwaltung und eine Veranstaltungsverwaltung verfügen, sowie mindestens zwei der Bereiche Inhalte, Tests, Kommunikation und Kooperation im E-Learning-Bereich abdecken wobei die nicht vorhandenen Elemente durch externe andere Systeme integrativ ergänzbar sein sollten.

  • Einsatz an der Universität Trier
    Es wurden nur Plattformen aufgenommen, die bereits an der Universität Trier im Einsatz sind. Dies war auch deshalb legitim, weil sich hierunter etliche der breit etablierten Plattformen befanden.

  • Einsatz als zentrale Plattform an mindestens einer Hochschule
    Zur weiteren Eingrenzung und Absicherung wurde für die Plattformen, die an der Universität Trier im Einsatz sind, ermittelt, ob diese bereits als zentrale Plattformen an mindestens einer Hochschule erfolgreich im Einsatz sind. Aufgenommen wurden nur Fälle, in denen die Hochschulen die Plattformen als zentrale Plattformen offiziell anbieten. Dies bedingt, dass die Plattform an der Hochschule zentral (durch das Rechenzentrum, Medienzentrum etc.) und nicht durch ein Fach zur Verfügung gestellt wird. Eingeschlossen werden aber auch die Fälle, in denen die Plattform in Kombination mit anderen komplementären Plattformen zur Verfügung gestellt wird.

Nach Anwendung dieser Kriterien wurden in die weitere Untersuchung die Plattformen Blackboard, ILIAS, Stud.IP und WebCT einbezogen.

2.2 Kriterienkatalog, Überprüfung der Plattformen und Empfehlung

Um die vielfältigen Anforderungen der einzubeziehenden Akteure in einen handhabbaren Kriterienkatalog zu überführen war wiederum ein mehrstufiges Vorgehen nötig. Ausgehend von der ersten Kategorisierung der Anforderungen (vgl. Tabelle 1) wurde durch die Koordinationsstelle E-Learning eine Grobgliederung von Kriterienbereichen festgelegt. Bestehende Kriterienkataloge (vgl. Baumgartner/ Häfele/ Maier-Häfele 2002, Schulmeister 2003, Edutech 2005, 2005a)(1)(14)(8)(9) wurden als Ausgangspunkt für eine erste Feingliederung der Kriterien herangezogen. Diese diente dann als Grundlage für Gespräche der Koordinationsstelle E-Learning mit allen Einrichtungen des Netzwerks, bei denen die Kriterienvorschläge diskutiert, korrigiert und erweitert wurden. Um die Anforderungen der Lehrenden zu erfassen wurde einerseits eine bestehende Liste gewünschter Funktionalitäten, die bereits zuvor in einem Fach der Universität durch eine Gruppe von Lehrenden entwickelt wurde, über die IuK-Beauftragten der Fächer universitätsweit verteilt mit der Bitte um Ergänzung oder auch Korrektur. Weiterhin wurden gezielt Lehrende, die bereits Lernmanagement-Plattformen nutzen, gebeten, offene Fragen zu ihren Erfahrungen mit den Plattformen sowie zu erwünschten und vorhandenen Funktionalitäten zu beantworten. Da bei drei der Plattformen die Gruppe der Befragten eher klein war, wurde qualitativ verfahren. Die Befragten wurden auch gebeten, die Plattformen hinsichtlich ihrer Benutzerfreundlichkeit zu beurteilen. Dabei konnte es im Rahmen dieses Bewertungsprozesses nicht darum gehen, im Detail die Usability-Schwächen der Plattformen zu ermitteln. Ziel war es vielmehr zu ermitteln, ob sich aus Sicht der Lehrenden oder auch der Studierenden grundsätzliche Bedenken hinsichtlich des breiten Einsatzes der Plattform ergeben. Insgesamt wurden so sieben Kriterienbereiche identifiziert, die sich wiederum in insgesamt 96 Einzelkriterien untergliederten: Lizenzen, Support, Entwicklung (7 Kriterien), Hard- und Software (3), Sicherheit und Stabilität (8), Zukunftssicherheit und Verbreitung (6), E-Learning-Funktionalitäten (56), IT-Integration (16). Abbildung 2 zeigt im Überblick, welche Einrichtungen an der Entwicklung welcher Kriterienbereiche beteiligt waren.

Kriterienbereiche:

  • Lizenzen, Support, Entwicklung
    Hier geht es im Wesentlichen darum, ob die Universität die „Total Cost of Ownership (TCO)“ für die relevanten Plattformen aufbringen kann und welche Form von Lizenzmodellen unter den gegeben Bedingungen an der Hochschule (Personal- und finanzielle Ressourcen) die günstigeren sind. Hier ist eine genaue Aufstellung der anfallenden Kosten und vorhandene Ressourcen sowie ein Abwägen von Risiken nötig, die durch verschiedenen Arten von Abhängigkeiten entstehen (von Lizenzpreisentwicklungen, von ASP-Betreibern, von Hochschulverbünden und politischen Entscheidungen bei Verbundlösungen etc.).

  • Hard- und Software
    Es ist genau zu prüfen, ob die Plattformen auch mit hohen Nutzerzahlen an der Universität zur Zufriedenheit betrieben werden können; dabei ist im Wesentlichen von den gegebenen Ressourcen der Universität (Rechenzentrum) auszugehen.

  • Stabilität und Sicherheit
    Wird eine Plattform hochschulweit betrieben, gehören technische Kriterien zu Stabilität und Sicherheit zu den Basisanforderungen, die Plattformen mit sehr engen Toleranzgrenzen erfüllen müssen, sollen sie überhaupt für den Einsatz in Betracht kommen.

  • Zukunftssicherheit und Verbreitung
    Planungssicherheit, dass die Plattform auch zukünftig zur Verfügung stehen wird, ist nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus Akzeptanzgründen essentiell. Bei der Befragung der Lehrenden stand der Wunsch nach einer dauerhaft und planbar verfügbaren Plattformlösung an erster Stelle der Bedingungen, die gegeben sein müssen, damit sie E-Learning nutzen.

  • E-Learning-Funktionalitäten
    Hier fließen die vielfältigen Anforderungen von Lehrenden und Studierenden sowie zusätzliche Kriterien ein, die sich aus der strategischen Zielsetzung ergeben. Die Funktionalitäten sind damit die Kernkategorie für die Bewertung der Plattformen.

  • Usability
    Insbesondere wenn eine Plattform in der Breite der Universität und von unterschiedlichen Nutzergruppen (Lehrende, Studierende, Sekretariate) eingesetzt wird, muss sie einen hohen Grad an Nutzerfreundlichkeit aufweisen.

  • IT-Integration
    Lernmanagement-Plattformen erfassen bzw. benötigen zum einen Daten (Benutzerdaten, Veranstaltungsdaten), die in der Regel bereits an anderen Stellen der Universität vorgehalten werden. Sie verfügen darüber hinaus meist über Funktionalitäten vor allem im Bereich der Verwaltung, die ebenfalls bereits an der Universität vorhanden und etabliert sind. Um eine Dopplung von Funktionalitäten oder Datenhaltung zu verhindern, muss die Plattform in die bestehende Infrastruktur eingebunden werden. Außerdem geht es hier auch um die Verknüpfung von digitalen Services anderer Einrichtungen (z.B. Bibliothek, digitale Semesterapparate) mit der Lernplattform.

Die Kriterienbereiche wurden weiterhin in Voraussetzungen (Bedingungen, die an der Universität Trier gegeben sein müssen, damit die Plattformen zum Einsatz kommen können, Phase 2) und Bewertungskriterien im engeren Sinne (Leistungen der Plattformen in verschiedenen Bereichen, Phase 3) unterteilt.

Zusätzlich wurde auch noch erfasst, welche Erfahrungen sich im Hinblick auf die aufgestellten Kriterienbereiche ergeben, wenn die Plattformen tatsächlich hochschulweit betrieben werden. Dazu führte die Koordinationsstelle E-Learning eine offene Befragung bei Universitäten durch, welche die relevanten Lernmanagement-Plattformen seit mehr als einem Jahr zentral betreiben und ähnliche Nutzerzahlen, wie sie die Universität Trier anstrebt, aufweisen. Die zentralen Stellen an den Hochschulen, welche die Plattformen hosten und den Support für Lehrende und Studierende leisten, wurden gebeten, Erfahrungen hinsichtlich notwendiger Funktionalitäten und Usability-Problemen aus Administratoren-, Lehrenden- und Studierendensicht zusammenzufassen. Außerdem wurden Angaben zu den Bereichen Supportaufwand und Betrieb, Stabilität und Integration (Schnittstellen) erfragt. Die zu beantwortenden offenen Fragen dienten in einigen Fällen als Grundlage für ausführlichere telefonische Interviews und ergänzende Nachfragen.

Die Überprüfung der Plattformen auf Erfüllung der Kriterien übernahm die Koordinationsstelle E-Learning, zum Teil in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Einrichtungen (z.B. wurden technische Daten auch mit dem Rechenzentrum abgestimmt). Wo immer möglich wurde die Erfüllung an den Plattformen selbst überprüft. Die Koordinationsstelle hat sich dazu auf allen relevanten Plattformen Testzugänge einrichten lassen. Für Plattformen, mit denen die Koordinationsstelle bisher weniger vertraut war, wurden zudem Präsentationstermine mit Experten vereinbart, bei denen die Plattformen anhand der entwickelten Kriterienkataloge getestet wurden. Allein bei Kriterien, bei denen der Testaufwand als relativ hoch eingeschätzt werden muss (z.B. Accessibility), wurde auf Herstellerangaben zurückgegriffen.

Die Ergebnisse der Plattformüberprüfung und der Erfahrungsabfragen zu den einzelnen Kriterienbereichen wurden schließlich abgewogen und eine Empfehlung ausgesprochen. Empfohlen wurde konkret die Einführung von Stud.IP in Kombination mit der ILIAS-Plattform (Inhalte und Tests) sowie eine ergänzende Nutzung von Funktionalitäten der WebCT-Plattform, die über den Virtuellen Campus Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestellt wird. Als ausschlaggebend für das konkrete Ergebnis wurde u.a. angesehen, dass Stud.IP und ILIAS gemeinsam ein recht großes und den Anforderungen der Lehrenden entsprechendes Funktionsspektrum aufweisen sowie die Akzeptanz und hohe Nutzungsintensität von Stud.IP bereits zu Beginn der Evaluation sowie die bestehende fächerübergreifende Verbreitung von ILIAS. Als zentral wurde auch die Möglichkeit angesehen, Stud.IP über Schnittstellen an die zum Teil eigenprogrammierte, zum Teil HIS-basierte bestehende Software der Universität im Bereich des Veranstaltungsmanagements und der Verwaltung zu koppeln sowie weitere Services an die Plattform anzubinden.

3 Re-Evaluation und Überprüfung

Die Entscheidung für eine Plattform wird immer auf der Basis der zur Zeit des Evaluationsprozesses zugrunde liegenden Informationen und Entwicklungsstände getroffen werden müssen. Die Antizipation zukünftiger Entwicklungen und Trends ist dabei sehr schwer. Zum einen ist der Markt sehr stark in Bewegung, sowohl was die Veränderungen der ökonomischen Rahmenbedingungen u.a. durch Fusionen aber auch was die Entwicklung der Funktionalitäten betrifft. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit neuen Releases sehr grundsätzliche Veränderungen der Systeme verbunden sind wie z.B. bei WebCT CE 6 bzw. Blackboard oder bei ILIAS 3. Zudem kommen neue Open Source-Plattformen hinzu, die sich aufgrund attraktiver Funktionalitäten und Merkmale zunehmend an Hochschulen etablieren und als Alternativen in Re-Evaluationsprozesse mit einbezogen werden müssen. Dies gilt z.B. für die moodle-Plattform oder auch andere Open Source-Instrumente, die inzwischen einen größere Nutzer- und Entwicklungscommunity gewinnen konnten. Zum anderen ändern sich auch die Perspektiven und Bedürfnisse der Lehrenden und Studierenden sowie längerfristig auch der Hochschule insgesamt. Neue Problemfelder und Handlungsschwerpunkte entwickeln sich oder treten mehr in den Vordergrund. Als Beispiel seien hier der Bereich der Portfolios oder auch das „Social E-Learning“ bzw. die Entwicklungen genannt, die zur Zeit unter dem Begriff Web 2.0 subsumiert werden und die erst seit relativ kurzer Zeit auch nachhaltigen Einfluss auf die E-Learning-Entwicklung genommen haben.

Es ist daher notwendig, die Plattformentscheidung in regelmäßigen Abständen und institutionalisiert zu überprüfen (vgl. auch Brugger 2002)(4). Das beschriebene Verfahren kann dabei als Ausgangspunkt dienen. Da die Ziele des Verfahrens im Wesentlichen in der Fortschreibung der Anforderungen und der Überprüfung der erfolgten Wahl liegen, bei der zunächst die gewählte(n) Plattform(en) im Mittelpunkt steht, können Verfahren und Aufwand allerdings in einem abgestuften Prozess angepasst werden. Zentral ist aber auch bei der Re-Evaluation, dass alle Akteure an diesem Prozess beteiligt werden, um die relevanten Veränderungen zu erfassen und adäquat darauf reagieren zu können.


Abbildung 3 - Re-Evaluationsverfahren zu Wahl und Einsatz von Lernmanagement-Plattformen an der Universität Trier; Quelle: Eigene Erstellung

An der Universität Trier sind für die Re-Evaluation folgende Maßnahmen bereits etabliert bzw. vorgesehen:

  • Rückmeldungen insbesondere aus der Lehrenden- und Studierendengruppe zu Problemen, Wünschen etc. sind kontinuierlich über die E-Learning-Website der Universität möglich; die Hinweise werden von der Koordinationsstelle E-Learning aufgenommen und ausgewertet;

  • Treffen des Medienzentrums; außerdem arbeiten die Einrichtungen gemeinsam an Entwicklungsvorhaben im Bereich E-Learning mit Rückkopplung zu den Lehrenden; bei besonderen Rückmeldungen finden auch gesonderte Treffen einzelner relevanter Medienzentrumseinrichtungen statt;

  • Jährlich werden Lehrende und Studierende zum Einsatz von E-Learning befragt; es wird u.a. die Zufriedenheit mit den Funktionalitäten und der Usability der Plattform erfasst;

  • Treffen des Netzwerks; dabei werden auch die Anforderungen, neuen Entwicklungen und Veränderungen in Bezug auf die Lernplattform diskutiert und gesammelt.

Auch wenn mit steigenden Nutzungszahlen und Gewöhnung der Nutzer an die Plattform(en) sowie mit steigenden Investitionen in die technische Integration der Plattform die Kosten eines Wechsels so weit steigen, dass Alternativ-Plattformen diese Kosten nur noch durch extrem bessere Funktionalitäten aufwiegen können, kann es trotzdem Fälle geben, in denen ein Wechsel Sinn macht. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich die Erfüllung von Kriterien im Bereich der Voraussetzungen verändern, also der Betrieb der Plattform(en) durch eine Hochschule in Frage steht oder zwischen angebotenen Funktionalitäten und Bedürfnissen der Nutzer größer werdende Unterschiede bestehen. Bei Veränderungen in diesem Bereich der „weicheren“ Bewertungskriterien ergeben sich allerdings noch andere Handlungs-möglichkeiten, insbesondere die Weiterentwicklung von Plattformen und Instrumenten: bei Open Source Systemen kann direkt eine entsprechende Erweiterung bzw. Weiterentwicklung der Software in Richtung der gewünschten Veränderung vorgenommen werden. Bei kommerziellen Systemen haben sich Rückmeldemechanismen von Entwicklungswünschen an die Hersteller etabliert.

4 Fazit

Die Entscheidung über die Einführung einer Lernplattform bzw. entsprechender Instrumente an der Universität Trier wurde durch die EDV-Kommission des Senats der Universität Trier gefällt. Die Tatsache, dass die Kommission die Entscheidung einstimmig getroffen hat, zeigt, dass es mit dem beschriebenen Verfahren im Wesentlichen gelungen ist, alle relevanten Akteure systematisch in den Entscheidungsprozess einzubeziehen und ihre Interessen entsprechend zu berücksichtigen. Zukünftig wird das Organisationsmodell auch durch die Re-Evaluationsprozesse auf die Probe gestellt werden. Es wird sich zeigen, ob es sich dort in gleicher Weise bewährt. Die Erfahrungen werden in die Diskussion über die Weiterentwicklung des Organisationsmodells einfließen, die zum Ende des Projektes in 2008 zu führen ist. In diesem Diskussionsprozess wird über die Form der Zusammenarbeit im Netzwerk und im Medienzentrum zur Umsetzung und Fortentwicklung von E-Learning an der Universität Trier entschieden werden.

Literatur

(1) Baumgartner, Peter; Häfele, Hartmut; Maier-Häfele, Kornelia: E-Learning Praxishandbuch - Auswahl von Lernplattformen. Marktübersicht – Funktionen – Fachbegriffe. Studienverlag, Innsbruck, 2002

(2) Bett, Katja; Wedekind, Joachim: Lernplattformen in der Praxis. Waxmann, Münster, 2003

(3) Bloh, Egon: Referenzmodelle und Szenarien technologie-basierten distribuierten Lehrens und Lernens. In: Lehmann, Burkhard; Bloh, Egon (Hg.): Online-Pädagogik. Referenzmodelle und Praxisbeispiele.Bd. 3, Baltmannsweiler, Hohengehren, 2005, pp. 7-76

(4) Brugger, Rolf: Bewertung von Lernplattformen – Swiss Virtual Campus. Handbuch E-Learning, 1. Erg.-Lfg. August 2002, ( http://diuf.unifr.ch/people/brugger/papers/02_lernpf/BewertungLPF.pdf ) (last check: 2008-02-22)

(5) Brugger, Rolf: Auswahl und Betrieb von Lernplattformen. In: Euler, Dieter; Seufert, Sabine (Hg.): E-Learning in Hochschulen und Bildungszentren. Oldenbourg, München, 2005, pp. 423-438

(6) Dittler, Martina; Bachmann, Gudrun: Entscheidungsprozesse und Begleitmaßnahmen bei der Auswahl und Einführung von Lernplattformen – Ein Praxisbericht aus dem LearnTecNet der Universität Basel. In: Bett, Katja; Wedekind, Joachim (Hg.): Lernplatt-formen in der Praxis, (Medien in der Wissenschaft, 20). Waxmann , Münster u.a., 2003, pp. 175-192

(7) Duckwitz, Amelie; Leuenhagen, Monika: Top-Down- und Bottom-Up-Strategien für eine erfolgreiche E-Learning-Integration an der Hochschule. In: Tavangarian, Djamshid, Nölting, Kristin (Hg.): Auf zu neuen Ufern! E-Learning heute und morgen. Waxmann, Münster, 2005, pp. 117-126

(8) Edutech: Evaluation of Learning Management Systems - 2003, 2005 ( http://www.edutech.ch/lms/ev2.php ) (last check: 2008-02-22)

(9) Edutech: Evaluation of Open Source Learning Management Systems – 2005. ( http://www.edutech.ch/lms/ev3/index.php ) (last check: 2008-02-22)

(10) Kleimann, B.; Wannemacher, K.: E-Learning an deutschen Hochschulen. Von der Projektentwicklung zur nachhaltigen Implementierung. HIS, Hannover, 2004

(11) Kubicek, H. et al.: Organisatorische Einbettung von E-Learning an deutschen Hochschulen. ifib, Bremen, 2004

(12) Meister, Dorothee M.; Wedekind, Joachim: Lernplatttformen im institutionellen Rahmen. In: Bett, Katja; Wedekind, Joachim: Lernplattformen in der Praxis. Waxmann, Münster, 2003, pp. 210-222

(13) Schönwald, Ingrid; Euler, Dieter; Seufert, Sabine: Supportstrukturen zur Förderung einer innovativen eLearning-Organisation an Hochschulen. SCIL-Arbeitsbericht 3, SCIL, St. Gallen, 2004

(14) Schulmeister, Rolf: Lernplattformen für das virtuelle Lernen. Evaluation und Didaktik. Oldenbourg, München, Wien, 2003

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