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Selbsteinschätzung ärztlicher Haltung von Medizinstudierenden vor und nach einem simulierten ersten Arbeitstag als Ärztin/Arzt
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Published: | September 20, 2019 |
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Einleitung: Eine der sieben ärztlichen Rollen im Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog (NKLM) ist die der oder des professionell Handelnden. Zur Übernahme dieser Rolle gehört auch die ärztliche Haltung, die häufig implizit erworben wird und schwierig zu erfassen ist. Zur Erfassung können Fragebögen eingesetzt werden. Ziel dieser Studie war der Vergleich der Vorstellung von Medizinstudierenden zur ärztlichen Haltung mit der Selbsteinschätzung der erlebten eigenen ärztlichen Haltung nach der Teilnahme an einem simulierten ersten Arbeitstag als Ärztin/Arzt.
Material und Methoden: Grundlage der Untersuchung war ein Fragebogen zur Erhebung von ärztlicher Professionalität mit 22 normativ formulierten Items [1] zu den drei Faktoren Empathie und Humanismus, professionelle Beziehung und Entwicklung und Verantwortung. Von diesen Items wurden 16 für die Erfassung einer grundsätzlichen Haltung sprachlich in eine „Ich-Form“ überführt. Zur Selbsteinschätzung der eigenen situationsbezogenen ärztlichen Haltung wurden 11 der 16 Items nochmals entsprechend angepasst. 145 Medizinstudierende der Universitäten Hamburg und Oldenburg sowie der TU München, die in der ärztlichen Rolle an einem simulierten ersten Arbeitstag im Krankenhaus teilgenommen haben, füllten die entsprechenden Fragebögen vor und nach dem Assessment aus. Zur Überprüfung, ob sich die Selbsteinschätzungen der 11 Items vor und nach dem Assessment unterscheiden, wurde eine Varianzanalyse mit Messwiederholung durchgeführt und die Effektstärke Eta² berechnet.
Ergebnisse: Von 145 relevanten Datensätzen lagen 141 (63,8% von weiblichen, 36,2% von männlichen Teilnehmenden) vollständig vor und wurden in die Analyse einbezogen. In 8 der 11 Items zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen der generellen und der erlebten ärztlichen Haltung. Die Studierenden schätzten sich beispielsweise nach dem Assessment in Bezug auf die respektvolle Behandlung von Patientinnen und Patienten und den respektvollen Umgang mit Kolleginnen und Kollegen signifikant besser ein. Ebenso gaben sie nach dem Assessment an, signifikant häufiger ihr Bestes gegeben zu haben und konnten kleinere Fehler besser akzeptieren. Darüber hinaus wurden sie signifikant geringer von ihrer Stimmung beeinflusst, hatten weniger nach dem äußeren Erscheinungsbild geurteilt und weniger nicht-medizinische Probleme berücksichtigt als in der allgemeinen Einschätzung.
Schlussfolgerung: Bei Medizinstudierenden scheint es Unterschiede zwischen den grundsätzlichen eigenen Vorstellungen zur ärztlichen Haltung und der Selbsteinschätzung der tatsächlich erlebten Haltung im simulierten ärztlichen Umgang zu geben. Gründe für diese Unterschiede könnten Selbstunterschätzung oder -überschätzung oder fehlende Vorstellungskraft der tatsächlichen Situation sein. Die Untersuchungsergebnisse legen nahe, einen Fokus auf die Erfassung ärztlicher Haltung nach einer direkten praktischen Anwendung zu legen.