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EDITION  PHILOLOGUS . NETZWERK                      © 2010 CH BASEL

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Architekturtheorie 

Architektur und Musik

 

 

 

1 Disput François Blondel und Claude Perrault

 

Herausgegeben von Alfred Werner Maurer

 

 

 

Der Streit zwischen FranVois Blondel und Claude 

Perrault über den natürlichen Ursprung der                                         

architektonischen Proportionen und die Krise       

der Architekturtheorie

 

Von Vanessa Alexia Maurer-Schwindt                                              

 

 

© 2010 Hg. Alfred Werner Maurer  Edition Philologus . Netzwerk

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Inhaltsverzeichnis:

 

 

   Erklärung des Begriffes Architekturtheorie

 

   Die Akademie in Frankreich im 17. Jahrhundert

 

3.1. FranVois Blondel

3.2. FranVois Blondels Architekturtheorie

 

4.1. Claude Perrault 

4.2. Claude Perraults Architekturtheorie

 

5.    Der Streit zwischen Blondel und Perrault

5.1. Die Lehre von „changement de proportion“

5.2. Der natürliche Ursprung architektonischer Proportionen

 

  1. Die Krise der Architekturtheorie

 

7.    Literaturverzeichnis

 

 

 

 

 

1. Erklärung des Begriffes Architekturtheorie

 

Julius von Schlosser bezeichnete in seinem gleichnamigen Handbuch von 1924 als Kunstliteratur diejenigen Quellenschriften zur Kunst mit einem theoretischen Gehalt, die also ethische und ästhetische Kunstgebote und Kunsturteile begründen und in einen Zusammenhang stellen. Die Kunstliteratur umfasst ebenfalls die Anfänge der Kunstgeschichtsschreibung.

Damit ist die Kunstliteratur also die Hauptquelle der Architekturtheorie.

 

Nach Hanno-Walter Kruft[1] ist die Architekturtheorie das schriftlich fixierte   System der Architektur, das auf   ästhetischen Kategorien basiert. Es bestehen darüber hinaus auch enge Verbindungen zu anderen historischen Gebieten, wie zur Archäologie, Baugeschichte und Kunstgeschichte. Die Archäologie ist ein wichtiger Bestandteil der Architekturtheorie seit der Renaissance.

Für die Architektur ist es wichtig zu wissen, wie sie fundiert ist und wie es zu dieser Fundierung kam. Die architekturtheoretischen Systeme stehen immer in einem historischen Kontext, denn neue Systeme wachsen aus der Diskussion von früheren Systemen. Die Erfindung von einem völlig neuen System kommt in der ganzen Geschichte der Architekturtheorie nicht vor. Man kann daher nicht bestreiten, dass die Architektur von der Renaissance bis zum Klassizismus sich erstens auf die Lehre von Vitruv bezieht und zweitens wohl ohne die Kenntnis von Vitruvs Lehren anders ausgesehen hätte.

  

 

[1] Hanno-Walter Kruft, Geschichte der Architekturtheorie, München, 1985

 

 

 

 

  1. Die Akademie in Frankreich im 17.Jahrhundert

 

Im 17.Jahrhundert verläuft die Entwicklung der französischen Architekturtheorie parallel mit dem Absolutismus und erreicht unter Ludwig XIV. ihren Höhepunkt.

 

Nun kam es auch zu einer Veränderung der Denkstruktur. Man mußte in der Architekturtheorie die Herausforderung einer neuen philosophischen und naturwissenschaftlichen Denkweise annehmen. Bisher hatte sich die Architekturtheorie nur auf Autoritäten, wie z.B. Vitruv, Alberti usw. gestützt. Nun sollte die Rolle der Nicht-Architekten für die 2. Hälfte des 17.Jahrhunderts eine zunehmende Bedeutung annehmen.

Mit der Konsolidierung des Absolutismus in Frankreich fing im Bereich der Natur- und Geisteswissenschaften und der bildenden Künste die Gründungen von Akademien an, in denen festgelegte Programme im Auftrag des Königs Ludwig XIV erarbeitet werden sollten. Die Akademien wurden durch die Verordnung der Staatsmacht gegründet, welche sowohl die Satzungen lieferte, als auch ihre Mitglieder berief. Im 16. Jahrhundert in Italien waren Akademien Zusammenschlüsse von Künstlern, die ihre Satzungen selbst festlegten und auch ihre Mitglieder selbst wählten.

Die Académie Royale d`Architecture wurde 1671 von Colbert[2] gegründet. Ihre Protokolle wurden von Henry Lemonnier veröffentlicht. Sie hatte zunächst den Auftrag eine allgemeingültige Doktrin aufzustellen. Ferner sollte sie den Unterricht von Architekturstudenten fördern, die zu Staatsdienern herangezogen werden sollten. Jedoch erhielt die Akademie immer mehr Aufträge für künstlerische und statische Gutachten, so daß sie nach Jahren zu einer Art oberste Baubehörde wurde. Nur ihre Mitglieder durften den Titel „Architecte du Roi“ tragen. FranVois Blondel wurde 1671 Direktor der neu gegründeten Académie d´Architecture.

 

[2] Colbert: am 1. Januar 1664 wurde er „Surindendant des Bâtiments“ – er starb 1683



3.1. FranVois Blondel   

 

FranVois Blondel wurde 1617 in Ribemont (Somme) geboren. Er stammte aus einer Familie des gehobenen Bürgertums, die  durch ihre Verdienste zum Adelstitel gelangten. Blondel schlug die militärische Laufbahn ein, er erwarb sich Auszeichnungen und wurde schließlich als hoher Offizier im Jahre 1656 Lehrer für Mathematik am Collège de France. Er bereiste als Begleiter von Ministersöhnen und in diplomatischen Missionen Nordeuropa bis hinauf nach Lappland und von den mittelmeerischen Ländern Italien, Griechenland, die Türkei und Ägypten. Von 1664 an wirkte er als Hafen- und Festungsingenieur am Atlantik und auf den Antillen. Blondel gehörte zu den Gründungsmitgliedern der 1666 gegründeten Académie des sciences und wurde Ende 1671 Direktor der neu gegründeten Académie d`Architecture. Sein einziges architektonische Werk ist die 1672  (1670 Brönner, 1672 Kruft) errichtete Porte Saint-Denis. Es handelte sich hierbei um einen Triumphbogen, der den Erfolg von Ludwig XIV im Rheinfeldzug würdigen sollte. Von nun an wurde der König auch „Ludovicus Magnus“ genannt. FranVois Blondel verfasste philologische und historische Arbeiten, sowie ein mathematisches Lehrbuch ( Cours de mathematique, Paris 1683). Seine an der Architekturakademie gehaltenen Vorlesungen wurden in 5 Teilen veröffentlicht: Cours d´architecture zwischen 1675 und 1683. Dieses Traktat widmete er dem König.

Blondel kam von der Mathematik zur Architektur. Hier kann man an Fréart de Chambray[3]  errinnern, der erklärte, dass die wichtigsten Architekturtheoretiker des französischen Absolutismus Naturwissenschaftler waren.

1686 starb  FranVois Blondel in Paris.

 

[3] Roland Fréart de Chambray (1606-1676); Kunsttheoretiker, der seine Ausbildung in Mathematik, Geometrie und Perspektive erhielt, Verfechter einer klassizistischen und gegen den Hochbarock gerichteten Kunsttheorie, veröffentlicht 1650 eine französiche Palladio-Übersetzung

 

3.2. FranVois Blondels Architekturtheorie

 

Blondels Haltung gegenüber der Kunst bekennt er in der letzten Randbemerkung seines „Cours d´architecture“ : „Le génie seul ne suffit pas, il faut qu´il soit aidé de la connaissance de règles et de la science de les discernes“

 („Ein Genie allein genügt nicht, es muß gestützt werden durch die Kenntnis der Regeln und ihrer umsichtigen Anwendung“.) 

 

FranVois Blondel beruft sich ausdrücklich auf den antiken Symmetriebegriff von Vitruv und den verwandten Concinnitas – Begriff von Leon Battista Alberti, demzufolge die Schönheit eine gewisse Übereinstimmung und ein Zusammenhang der Teile gemäß einer bestimmten Zahl, Proportionalität und Ordnung ist, so wie es die Concinnitas, das absolute und oberste Naturgesetz fordert. Er hält an der Grundthese der vorangegangenen Proportionslehren fest, daß die Schönheit der Proportion überzeugt, weil sie jedem gefällt und daß die Proportionen notwendig sind, weil alle Schönheit verloren gehen würde, wenn man die wesentlichen Proportionen verändert. Diese nach Blondel wesentlichen Proportionen unterliegen einem festen, in Zahlenwerten genau objektivierbaren Kanon: „Die Mehrzahl der Proportionen, die in den Teilen eines Gebäudes wohlgefällig wirken, ist unter den Proportionen der sechs oder acht oder höchstens zehn ersten Zahlen enthalten.“ [4]   Blondel verurteilt alle Maßverhältnisse, die von der Norm abweichen. So erkannte Blondel in Berninis Kolonnade von St. Peter in Rom nichts anderes als einen „unförmigen Haufen von Säulen ohne Arrangement“[5] und die Werke von Borrominis und Guarinis verdammt er vollkommen. „Vor allem würde ich nicht wie Borromini in Rom die Säulenbasen auf den Kopf stellen, die Voluten verkehren und tausend andere Unsinnigkeiten einführen, die die Schönheit der von ihm entworfenen Bauten zerstören, wenn gleich die Mehrzahl dieser Bauten im übrigen von bewunderungswürdiger Erfindung und Disposition ist.“ [6]

„Um einen Überblick über Blondels Geschmack zu bekommen, will ich kurz barocke Neuerungen und Bauten durchgehen, die Blondel ablehnte:

  • Er warnt vor der Verkröpfungswelt [7]
  • Er hält für unnatürlich gebauchte und kannelierte Säulen [8]
  • Er verurteilt Michelangelos ionisches Kapitell, der „unter denjenigen, die für gute Architektur Geschmack zu besitzen glauben, wenig Autorität hat.“ [9]
  • Er rät von den „Neuerungen, welche die Modernen eingeführt haben, nachzuahmen“ ab.
  • Er bedauert, dass der Dreiecksgiebel, der einst den Tempeln vorbehalten war, durch die Schmeichelei der Architekten nun auf jede Gattung übertragen wurde, und verlangt, dass sie wenigstens der Dachneigung entsprechen sollten.[10]
  • Er ist gegen die Kartusche, den Sprenggiebel und den verkröpften Giebel.“[11]

 

[4] FranVois Blondel Zitat in: Walter Kambartel, Symmetrie und Schönheit, S.21

[5] FranVois Blondel Zitat in: Walter Kambartel, Symmetrie und Schönheit, S.21

[6] FranVois Blondel Ziat in: Walter Kambartel, Symmetrie und Schönheit, S.21

[7] FranVois Blondel, Cours d`Architecture Teil II, 1683, S. 14 und 72

[8] Blondel, Cours d`Architecture, Teil II S. 18

[9] Blondel, Cours d`Architecture, Teil II S. 38

[10] Blondel, Cours d`Architectur, Teil II S. 138 f.

[11] Zitat in: Georg Germann,Einführung in die Geschichte der Architekturtheorie, Darmstadt 1980, S.179

 

Blondel will die Säulenordnungen nicht nach Vitruv,  dessen Regeln sich, nach seiner Ansicht, von dem Geschmack abhöben, den wir in den schönsten Überresten der Antike beobachten, unterrichten, sondern nach Vignola[12], Palladio[13] und Scamozzi[14], deren Vorschriften die allgemeine Zustimmung gefunden hätten.

Blondel erklärt  die großen Unterschiede zwischen Vitruvs Vorschriften und den römischen Denkmälern damit, dass Vitruv wohl die Regeln der griechischen, weniger entwickelten Architektur überliefert hatte.

 

[12] Vignola: Jacopo Barozzi ( 1507 – 1573), wurde 1541 zum Architekten von San Peronio in Bologna gewählt-

dieses Amt übte er von 1543 – 1550 aus, 1573 starb er in Rom und wurde im Pantheon begraben. Er hatte zwei Traktate geschrieben und illustriert: „Regola delli cinque ordini di architettura“1562 und „Le due regole della prospettiva prattica“1583 herausgegeben von dem Mathematiker Egnatio Danti.

[13] Andrea Palladio ( 1508 – 80), wurde 1508 in Padua geboren, machte sich um 1537 – 1538 als Architekt selbst-

ständig. Sein Architekturtraktat „I quattro libri dell`architettura“ erschien 1570 in Vorabdrucken und wurde im  gleichen Jahr zu einem Band zusammengefaßt,  dieses erschien im Fragment. Palladio vergleicht das Bauwerk

mit dem vollendeten Körper. Schönheit ist für ihn am Bauwerk konkret erfaßbar und untrennbar verbunden mit dessen Zweckmäßigkeit und Dauerhaftigkeit. Daher trennt er auch die Ästhetik nicht von der praktischen Architekturlehre.

 

[14] Vincenzo Scamozzi ( 1552 – 1616 ), wurde in Vicenza als Sohn eines Baumeisters geboren. Sein Traktat: „L`idea dell`Architettura universale“ erschien 1615 in Venedig, aufgespalten in zwei Teile, die jeweils aus fünf Büchern bestehen sollten, jedoch nach dreien abbrechen. Er war Schüler von Palladio und auch er faßt die Säulenordnungen ähnlich den platonischen Ideen als ewige Formen auf, durch die man zur Vollkommenheit des klassischen Geschmacks gelangt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.1.Claude Perrault 

 

Claude Perrault lebte von 1613 bis 1688. Er war als Physiologe Vertreter eines erkenntnistheoretischen Empirismus, wie er vor allem von John Locke ( 1632-1704) gelehrt wurde, der das Angeborensein von Ideen bestritt und den anfänglichen Zustand der Seele mit einer „tabula rasa“ verglich, die durch äußere und innere Erfahrung beschrieben wird. John Locke hielt sich 1675 – 79 in Frankreich auf, wo Perrault ihm möglicherweise begegnete.

Claude Perrault lehrte seit 1651/52 Physiologie und später auch Pathologie an der Pariser Universität. Im Jahre 1666 wurde er in die neugegründete „Académie des Sciences“ berufen, der auch seit 1669 FranVois Blondel angehörte. In der Akademie leitete Perrault anatomische Vorführungen, deren Ergebnisse er auch  veröffentlichte. Colbert wies Perrault an Bücher zur Medizin, zum Maschinenbau und zur Tiergeschichte zu schreiben. Eine Beschäftigung mit der Architektur ist bei Perrault erst in den 1660-er Jahren zu beobachten. Im Jahre 1664 wurde Perrault dann von Colbert mit einer neuen Vitruvübersetzung beauftragt, denn es existierte bis dahin nur eine französische Übersetzung von Jean Martin aus dem Jahre 1547, die inhaltlich sehr unverständlich und auch unkommentiert war. Perraults Übersetzung erschien 1673 mit einem umfassenden Kommentar.[15] In dem Jahr 1664 entstand auch sein erster Entwurf für die Louvre-Kolonnade. Der Bau wurde dann auch zu seinem architektonischen Hauptwerk. 

Claude Perrault stellte dann im Jahr 1683 seine eigene Architekturlehre im Gewand einer konventional gegliederten Säulenlehre vor.[16]  Entweder das Manuskript oder die Druckfahnen scheinen Blondel zur Verfügung gestanden zu haben, denn als er 1683 ebenfalls sein „Cours d`Achitecture“ veröffentlichte, setzte er sich mit Perrault auseinander.

Als Naturwissenschaftler, der ständig auf der Suche nach Gesetzen war, versuchte er zu klären, warum die Autoritäten, die sich mit den Lehren Vitruvs beschäftigten, in Fragen der Proportionierung uneinig sind. Er gelangte schließlich zu dem Schluss. „Die Proportionen sind durch eine Übereinstimmung der Architekten festgelegt worden, wie Vitruv selbst bezeugt, die gegenseitigen Werke nachahmten und den Proportionen folgten, welche die ersten gewählt hatten, und zwar nicht, weil sie eine positive Schönheit besaßen – eine zwingende und überzeugende Schönheit, welche die anderer Proportionen übertroffen hätte, wie die Schönheit eines Diamanten ,die Schönheit eines Kiesels - ,sondern nur deshalb, weil sie diese Proportionen in Bauwerken vorfanden, die außerdem positive und überzeugende Schönheiten aufwiesen, wie die Schönheit des Materials und die der trefflichen Ausführung und die Kraft eben dieser Schönheiten zur Billigung und Hochschätzung der Schönheit zugehöriger Proportionen führten, obwohl diese Schönheit nichts positives hat.“[17] 


[15] Claude Perrault, Les dix Livres d`Architecture de Vitruve corrigez et traduits nouvellement en FranVois avec les notes et des Figures, Paris, 1673 ( Taschenformat: Architecture generale de Vitruve, Amsterdam, 1681 )

[16] Claude Perrault, Ordonnance des cinq espèces de colonnes selon la methode des anciens, Paris, 1683

[17] Vitruve 1684, S.105 Anmerkung 7 In: Georg German: Einführung in die Geschichte der Architekturtheorie, Darmstadt 1980, S.180

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Symmetrie

Bevor ich mich mit Perrault beschäftige, möchte ich noch nach Charles Blanc das Wort Symmetrie definieren. „ Das Wort Symmetrie bedeutet bei den Griechen keineswegs das, was es heute in unserer Sprache bedeutet, nämlich eine Übereinstimmung zwischen den Teilen auf der linken und der rechten Seite. Vielmehr bezeichnet es die Struktur eines Körpers, dessen Glieder alle ein gemeinsames Maß haben.“[18]

Das bedeutet also, dass die Griechen Symmetrie nannten, was wir heute Proportion nennen, d.h. den konstanten Bezug der Glieder untereinander und jedes einzelnen Gliedes zum ganzen Körper und zwar derart, dass man aus dem Maß eines einzigen Teils die Maße der anderen Teile und des Ganzen auf einmal ableiten kann. ( Ausgabe Paris 1880 P.35f. )

Dies bedeutet ein völlig verschiedenes antikes und modernes Schönheitsideal.

 

[18] Charles Blancs, Grammaire des arts du dessin, 1867

 

4.2.Claude Perraults Architekturtheorie

 

Nun zu Perraults Theorie. Perrault unterscheidet zwei Arten architektonischer Schönheit, erstens solche, die auf überzeugende Gründe gestützt sind und zweitens solche, die von Vorgefassten Meinungen abhängen.

Zu den rational erklärbaren und daher überzeitlich gültigen Schönheiten zählt Perrault die Symmetrie im modernen, d.h. die spiegelbildliche Entsprechung des Wortes. „Ich nenne auf überzeugende Gründe gestützte Schönheiten solche, die der ganzen Welt gefallen, weil es leicht ist, ihren Wert zu erkennen. Von dieser Art sind der Reichtum des Materials, die Größe und Pracht des Gebäudes, die Richtigkeit und Sauberkeit der Ausführung sowie die Symmetrie, unter der im Französischen diejenige Art von Proportion verstanden wird, die eine evidente Schönheit bewirkt.“[19] 

Hierzu muss man wissen, dass es für Perrault zwei Arten von Proportionen gibt. Die erste Proportion besteht in rationalen Bezug proportionierter Teile, etwa denjenigen Bezug, den die Größen der Teile untereinander oder jeweils zum Ganzen haben, indem sie der 7,15 oder 20-ste Teil des Ganzen sind. Dies ist dann für Perrault gleichzeitig die arbiträre Schönheit. 

„Schönheiten, die ich arbiträr nenne, weil sie von dem Willen abhängen, der uns veranlaßt, den Dingen eine bestimmte Proportion, Form und Figur zu geben, die jedoch auch eine andere Gestalt haben könnten, ohne dadurch unförmig zu erscheinen“[20] 

Die zweite Proportion, die im Französischen dann Symmetrie genannt wird, besteht in dem Bezug, durch Teile auf Grund der Gleichheit ihrer Zahl, Lage und Ordnung zusammenzuhängen. Dies ist dann für Perrault die positive Schönheit.

 

Das bedeutet, dass Perrault den beiden Symmetriebegriffen verschiedene Schönheitsbegriffe zuordnet. Den antiken Symmetriebegriff ordnet er zur arbiträren Schönheit, den modernen Symmetriebegriff zur positiven Schönheit. Durch diese Zuordnung wendet Claude Perrault sich gegen die bisherige Auffassung der normativen Proportionslehre, der zufolge die unter den antiken Symmetriebegriff fallenden Proportionen positive Schönheiten im Sinne eines absolut unveränderlichen Kanons sind, den bereits die antiken Bauten in vollkommener, kaum zu übertreffender Reinheit verkörpern.

 

[19] Walter Kambartel, Symmetrie und Schönheit, S.19

[20] Walter Kambartel, S.20

 

 

 

 

  1. Der Streit zwischen Blondel und Perrault

 

5.1 Die Lehre von „Changement de proportion“

 

Als „changement de propotion“ wurde im Grunde jedes Abweichen von den anerkannten Proportionen bezeichnet.

 

Blondel hat die Ansicht, der Mensch unterliegt beim Betrachten von Bauwerken optischen Täuschungen in der Form von perspektivischen Verzerrungen, welche die Wirkungen der Proportionen beeinträchtigen. Diese perspektivischen Verzerrungen können nur durch entsprechende Maßkorrekturen am Bau ausgeglichen werden. Dabei stützt sich Blondel auf die Autorität Vitruvs. 

Zum anderen beruft er sich auf Serlios Perspektive, der für einen Bau von mehreren Stockwerken die Veränderung der Proportionen empfiehlt.

 Blondel geht in seiner Lehre davon aus, dass das wahrgenommene Bild in unserem Inneren dem Netzhautbild in unserem Auge und dieses wiederum dem Schnitt durch die Sehpyramide entspricht. Damit knüpft er an die Fiktion eines mathematischen - rationalen Sehraumes der Renaissance an. Der Schnitt durch die Sehpyramide ermöglicht, das alle Formen des Raumbildes auf eine Fläche gebannt sind und dann das Abstrakte durch seine Einzelproportionen und seine Proportioniertheit  als Ganzes wirkende Flächengebilde, in dem Menschen das „Plaisir de l`ame“  hervorruft. Somit werden die Formen und Proportionen nicht räumlich erlebt, sondern wie sie sich auf der Schnittfläche der Sehpyramide bzw. auf der Netzhaut abzeichnen. 

Perrault ist  dagegen der Meinung, daß die einzige Voraussetzung, unter der er die Ansicht von Blondel für sinnvoll halten könnte, wäre, dass das Sehen einzig und allein vom Auge abhinge. Die optische Wahrnehmung ist abhängig vom Netzhautbild im Auge. In diesem Punkt sind sich Blondel und Perrault einig. Auch Perrault teilt den Vorgang des Sehens in den Teil der rein sinnlichen Wahrnehmung des optischen Bildes auf der Netzhaut und die Beurteilung dieser Wahrnehmung durch den Verstand ein. Dieses Netzhautbild ist aber bereits vom „jugement“ umgestaltet, ehe es in unser Bewusstsein gelangt. Dieser Punkt wird von Perrault differenziert, einerseits beurteilt er das „jugement“ als Güte, Schönheit und Nützlichkeit einer Sache, also als Qualitäten. Andererseits als Entfernung, Größe, Farbe usw. einer Sache , also als deren Erscheinung.

Für Perrault erfolgt die Korrektur des Netzhautbildes durch das Urteilsvermögen. Das Auge sieht mit Hilfe des Urteilsvermögen die Dinge grundsätzlich wie sie sind. Über das, sagt Perrault, was wir sehen, entscheidet also nicht das Netzhautbild, sondern das „jugement“, das Urteilsvermögen, dessen unbewusster Teil aufgrund von Erfahrung und Gewohnheit den Sinneseindruck zu einer zuverlässigen Vorstellung von der Wirklichkeit umgestaltet.

Blondel:

Als Beispiel für die Anwendung des „ changement de proportion“ in der antiken Baukunst verweist Blondel fälschlicherweise auf das Kolosseum - auf die Vergrößerung der obersten Etagen. Denn entsprechend seiner These müssen hoch gelegene Bauglieder vergrößert werden, um den optischen Verlust, den sie durch ihre Höhe erlitten haben auszugleichen. Außerdem müssen hochgelegene Gesimse verstärkt werden und Statuen und Fassaden leicht nach vorne geneigt werden. 

 

Perrault wehrt sich gegen diese Ansichten Blondels und behauptet, das „changement de proportion“ sei für den Betrachter nicht nur ohne Wirkung sondern hätte auch noch einen „mauvais effet. Er behauptet außerdem es gäbe kein „changement de proportion“ in der Antike. Im Kolosseum hätten alle vier Ordnungen die gleiche Höhe. Auch auf Blondels Regel, in der die Fassaden nach vorne geneigt sein sollen, findet Perrault keine Anhaltspunkte in der Antike. Eher sähe man eine Neigung nach hinten. In wenigen Fällen  gesteht er ein, seien die Proportionen nach den Gesetzen der Optik verändert worden. 

Als Beispiel hierfür nennt er die Reliefs in der Attika des Louvre-Hofes, deren Figuren größer sind als diejenigen  in den Nischen der darunter liegenden Etagen.

Eine Veränderung nach den Gesetzen der Optik findet er außerdem im Pantheon in Rom. Dort sind die pyramidenförmigen Kassetten in der Kuppel nicht auf das Gewölbezentrum ausgerichtet, sondern auf die Augenhöhe des Betrachters. 

Diese wenigen Beispiele haben für ihn jedoch einen „trés mauvais effet“. Diese Abweichungen sind nach seiner Meinung jedoch nicht durch die Anwendung des „changement de proportion“ entstanden, sondern durch Zufall und ungenaue Arbeitsweise der Handwerker. 

Blondel versuchte Perrault mit einem Hinweis auf Perraults Kolossalstatue Ludwigs XIV. zu treffen, die  Perrault für seinen Thriumphbogen in Fauxbourg St. Antoine plante.  Perrault wollte diese auf seinem Thriumphbogen in mehr als dreizig Metern Höhe aufstellen. Dieser (Perrault), der sich heftig gegen das „changement de proportion“ wehrte, so sagt Blondel, bediene sich nun dieses Mittels. Die Kolossalität der Statue sei aufgrund der enormen Höhe des Aufstellungsortes notwendig. Dagegen wendet Perrault jedoch ein, dass seine Statue gerade kolossal wirken solle und er nicht die Absicht gehabt hätte, den durch die enorme Höhe entstandenen optischen Verlust auszugleichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Zusammenfassung:

 

Für Blondel hängt die Wirkung der Proportionen eines Bauwerkes von der Abzeichnung auf der Netzhaut des Betrachters ab. Er geht davon aus, daß das durch den Schnitt durch die Sehpyramide erhaltene Flächenbild, dem Bild, das in unserem Inneren entsteht, entspricht. Er hält sich ganz an die Theorie der Renaissance. Seiner Meinung nach ist die ästhetische Wirkung eines Bauwerkes nicht von dem Erkenntnisprozess, sondern von dem Ansichtigwerden des Netzhautbildes abhängig.

Dagegen bestreitet Perrault, daß wir das Netzhautbild, so wie es ist, überhaupt wahrnehmen können. Für ihn ist das Netzhautbild nur ein Auslöser, der Erfahrungsbilder in uns weckt. Diese würden uns dann nicht ein auf der Fläche geordnetes Abbild von räumlichen Erscheinungen geben, sondern eine Vorstellung von den Gegenständen im Raum.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5.2 Der natürliche Ursprung architektonischer Proportionen

 

Perrault leitet die Diskussion um die Entstehung der Proportionen in der Natur mit einer umfangreichen Kritik am bestehenden System ein. Ein Blick auf den bisherigen Stand der Architekturtheorie lösten bei ihm Zweifel an der Richtigkeit des Systems aus. Noch nicht einmal zwei Architekturlehrbücher empfahlen dieselben Proportionen und es gab keine festen Maße über die sich die Architekten einig waren.

Erste Zweifel an der Entdeckung der natürlichen Proportionen durch die Griechen entstanden bei Perrault durch die Uneinheitlichkeit der antiken Bauten untereinander. Denn so sagt Perrault , wenn es eine wahre Proportion gäbe, dann müssten alle außer dieser einen häßlich sein. 

Claude Perrault  zeigt in den Fußnoten seiner Vitruv-Übersetzung, dass er über eine umfangreiche Kenntnis der wissenschaftlichen Literatur verfügt. Jedoch beschränkt sich die Kenntnis aus eigener Anschauung von architektonischen Objekten außerhalb Paris nur auf eine Reise im September 1662 nach Bordeaux. Er stellt ein römisches Bauwerk auf französischem Boden vor, und zwar die „Piliers de la Tutile“ in der Nähe von Bordeaux, die vier Jahre später, nachdem sie Perrault gezeichnet hatte, zerstört wurde. 

Obwohl Claude Perrault höchstens drei antike Bauten im Orginal gesehen hat, wusste er genau, was in der Antike üblich war und er erkannte auch sofort die Ausnahmeerscheinungen. Jedoch besteht sein Wissen nur aus rein theoretischer Überlieferung. 

Blondel  dagegen legte auf die Genauigkeit sehr viel Wert. Dabei erreichte er  in seinen eigenen Arbeiten,  die Genauigkeit, die er von den anderen Theoretikern fordert,   jedoch selber nicht. Man liest dort Formulierungen wie „un peu plus de deux quarez“, „à peu près de la même grandeur“ usw.

Für ihn sind die Ungenauigkeiten, die ja immer nur „quelques pources“ betragen, lediglich Mängel in der Ausführung der Bauten und so unbedeutend, dass sie der Schönheit der Proportionen des Ganzen nicht schaden.

Das bedeutet also, dass die unterschiedlichen Maße im Detail für ihn nur Produkte des Zufalls sind. Dies versucht   Blondel durch einen Vergleich mit der Musik zu erklären.  Auge und Ohr sind für ihn gleichscharfe bzw. gleich unscharfe Sinnesorgane, und daher gäbe es, wie an den Gebäuden auch in den Zusammenklängen der Konzerte Mängel. Diese würden ebenso wenig die Schönheit des Werkes beeinträchtigen. Trotz Fehler klängen die Musikinstrumente  angenehm, wenn sie gut gespielt würden. 

Man könne also aus der Unterschiedlichkeit der Maße nicht schließen, dass die Schöpfer dieser Bauwerke   von solcher „justesse de symmetrie“  keine Kenntnis oder Idee in ihrem Geist gehabt hätten. Hier verweist Blondel auf Vitruv, Alberti, Palladio und Scamozzi, denn diese Architekten, die ja selber Architekturtheorie betrieben hätten und Schöpfer große und allgemein angeerkannte Bauten sind, sind Kronzeugen seiner Behauptung.

 

Perrault behauptet nun, dass die antiken Proportionen lediglich arbiträre Schönheiten sind. Bei den arbiträren Schönheiten handelt es sich um alles, was die klassische Architekturtheorie mit der Symmetrie bezeichnete, d.h. die Proportionierung der einzelnen Bauteile und ihre harmonische Gesamtwirkung. Über die Bedeutung der Proportionen für die Schönheit eines Bauwerkes sind sich Perrault und Blondel einig. So sagt Blondel, dass man ein Bauwerk allein wegen seiner Proportionen lieben kann, selbst wenn Mängel im Material und in der Ausführung zu finden sind. 

Perrault stellt sich nun die Frage: Warum galten die arbiträren Schönheiten nun aber so lange unbestritten in der normativen Geltung positiver Schönheiten? Perrault führt dies auf zwei Ursachen zurück. „Die erste ist die Macht der Gewohnheit. Die zweite ist die Beziehung, die der menschliche Geist zwischen vollkommen verschiedenen Dingen herzustellen trachtet, wobei er die Achtung, die er einer Sache entgegenbringt, automatisch auf andere, dieser ersten Sache nur akzentiell verbundener Dinge überträgt. „Denn durch diese Beziehung geschieht es, daß die Achtung, die der menschliche Geist einer Sache entgegenbringt, deren Wert er kennt, auf andere übertragen wird, dessen Wert ihm unbekannt ist, und daß der menschliche Geist unmerklich veranlaßt wird, dieses andere in gleicher Weise zu achten. Dieses Prinzip ist die natürliche Grundlage des Glaubens, der nur durch das Resultat von vorgefaßten Meinungen  ist, durch die  die Kenntnis und gute Meinung , die wir von einer Sache haben, uns veranlaßt, an einer anderen, durch jene erste nobilitierten Sache, deren Wahrheitwert jedoch nicht kennen, gar nicht erst zu zweifeln. So sind es auch vorgefaßte Meinungen, die uns Dinge der Mode und die Redemanieren schätzen lassen, die am Hofe üblich sind. Denn die Achtung, die man dem Verdienst und der Gunst der Personen vom Hofe entgegenbringt, läßt auch die Kleider und Redemanieren dieser Personen liebenswert erscheinen, obwohl diese Dinge von sich aus nichts besitzen, was positiv liebenswert ist, da man nach einiger Zeit von ihnen schockiert ist, ohne daß sie sich selbst irgendwie verändert haben.“[21] 


[21] aus Walter Kambartel, S.26-27



In dieser Hinsicht mit der Mode verwandt,  werden auch die antiken Proportionen, so meint Perrault, für positiv schön gehalten. „So ist es gekommen“, so sagt Perrault: „ daß die ersten Bauwerke, in denen der Reichtum des Materials, die Größe, die Pracht und die Feinheit der Ausführung, die Symmetrie, d.h. die Gleichheit und die richtige Entsprechung der Teile untereinander dadurch, daß diese dieselbe Ordnung und dieselbe Lage einhalten, der gesunde Menschenverstand in den Dingen, die rationalisierbar sind, und die anderen evidenten Ursachen der Schönheit vereinigt sind, so schön aussehen und sich so sehr zum Gegenstand der Bewunderung und Achtung gemacht haben, daß man geglaubt hat, sie müßten als Regel für alle zukünftigen Bauten dienen.“[22] 

Blondel nimmt unter der Überschrift: „Prüfung der Gründe, die man gegen die Notwendigkeit von Proportionen in der Architektur zusammengetragen und in der These zusammengefaßt hat, daß das Wohlgefallen an den Proportionen auf Gewohnheit beruhe“ im fünften Buch seines „Cours d`Architecture“ direkten Bezug auf die Äußerungen Perraults, die in den Kommentaren der 1673 erschienenen Vitruv-Übersetzung zu finden sind. Perrault sagte zu den antiken Proportionen: „ Was mich anbetrifft, ich habe gemäß meiner Vorstellung übersetzt, daß diese Proportionen durch eine Übereinkunft der Architekten eingesetzt worden sind, die – wie Vitruv selbst es bezeugt – ihre Werke gegenseitig nachgeahmt haben und so die Proportionen beibehalten haben, die von den ersten Baumeistern ausgewählt worden waren, und zwar nicht deshalb, weil diese Proportionen eine positive, notwendige und überzeugende Schönheit besessen hätten, die die Schönheit der anderen Proportionen übertroffen hätte wie die Schönheit eines Diamanten die Schönheit eines Kieselsteines, sondern einzig und allein deshalb, weil sich diese Proportionen an Bauwerken befanden, die außerdem andere, tatsächlich positive und überzeugende Schönheiten aufwiesen wie die Schönheit des Materials und der exakten Ausführung und dadurch die Schönheit der Proportionen schätzungswert erscheinen ließen, obwohl diese nichts positives beinhaltet. Diese Art, die Dinge auf Grund von Verbindungen und Gewohnheiten zu schätzen, begegnet fast bei allen Objekten des Wohlgefallens, obwohl man es nicht wahr haben will, weil man nicht darüber nachgedacht hat.“[23] Blondel fasst dies fälschlicherweise so auf, als meine Perrault, dass alle Schönheit der Proportionen lediglich auf der Gewöhnung beruhe. 


[22] aus Walter Kambartel, S.27

[23] Vitruv-Übersetzung 1673, Paris in: Walter Kambartel, Symmetrie und Schönheit, S.28



Er sagt hierzu: „ Wenn die Schönheit eine Folge der Gewohnheit sei, so müßte, da es auf der Welt mehr häßliche als schöne Dinge gebe, das Häßliche für schön und das Schöne für häßlich gehalten werden.“[24] Perrault sieht in der Gewohnheit jedoch nur einen möglichen Grund für die allgemeine Kommunikabilität der Schönheit der Proportionen, nicht aber den Ursprung dieser arbiträren Schönheiten, wie Blondel es aufgefasst hat.

Der Streitpunkt zwischen Blondel und Perrault führt zu ausgedehnten Diskussionen, ob die architektonischen Proportionen nun positive oder aber nur arbiträre Schönheiten sind. In der „Akademie Royale d`Architecture“ in Paris war dies bereits 1672 Gegenstand ausgedehnter Diskussionen.

Am 31.12.1671 wurde die Akademie von Colbert eröffnet. In einem Bericht über die vierte Versammlung der Akademie vom 21.1.1672 hieß es schon: „Aber über das, was man zur Diskussion gestellt hat: worin diese Proportion bestehe, ob es eine positive Regel gebe oder ob sie arbiträr sei und nur durch den Gebrauch eingeführt worden sei sowie durch eine Gewohnheit, mit der sie von den Leuten in den Werken der Antike festgestellt wird, über all dies war man verschiedener Meinung und hat beschlossen, diesen Gegenstand in der nächsten Versammlung zu prüfen.“ [25] In der nächsten Versammlung vom 28.1.1672 kam es auch zu keiner Einigung: „ Nach erneuter Prüfung der in der letzten Versammlung aufgeworfenen Frage war die Mehrzahl der Stimmen überzeugt, daß es eine positive Schönheit in der Architektur gebe. Da indessen auch die entgegengesetzte Meinung aufrecht erhalten wurde, hat man angesichts der großen Bedeutung, die der Entscheidung in dieser Frage zukommt, beschlossen, die vorgebrachten verschiedenen Argumente zu prüfen und endgültig darüber zu beschließen, wenn es Herrn Colbert gefalle, die Akademie mit seiner Anwesenheit zu beehren.“[26]

 

 [24] Blondel, Cours d`Architecture,     in: Walter Kambartel, S.29

[25] In: Walter Kambartel, S.79

[26] In: Walter Kambartel, S.79

 

 

Dann kam es erneut am 18.August 1681 wieder zu dieser Streitfrage in Anwesenheit von Colbert: „In großer Zahl bei Anwesenheit des Herrn Oberintendanten versammelt, hat die Akademie eine Frage geprüft, die schon mehrfach diskutiert worden ist, ohne endgültig entschieden werden zu können. Es handelt sich um die Frage, ob das, was in der Architektur gefällt und der gute Geschmack (bon goût) genannt werden kann, eine reale und positive Grundlage in der Natur hat oder nur infolge der Gewohnheit und der vorgefaßten Meinung gefällt, sowie dank einer Verbindung mit anderen Dingen, denen tatsächlich eine natürliche Schönheit innewohnt. In dieser Frage hat sich die Akademie, nachdem die verschiedensten Argumente sowohl von der einen als auch von der anderen Seite vorgebracht worden waren, für die folgende Resolution entschieden: Obwohl es in der Architektur zahlreiche Dinge gibt, die bloß arbiträr sind und deshalb gefallen, weil sie von geachteten Leuten eingeführt worden sind, erscheint es in der Akademie nichtsdestoweniger sehr wahrscheinlich, daß es in der Baukunst eine bestimmte Anordnung, Zahl, Disposition, Größe und Proportion der Teile gibt, die jene harmonische Einheit hervorbringt, die man Schönheit nennt, und die uns gefällt und nicht weniger natürlich ist als die Zahl, die Disposition, die Anordnung und die Proportion der Töne, die jene harmonische Einheit hervorbringt, die uns in der Musik gefällt. Und daraus, daß wir keineswegs verpflichtet sind, diese musikalischen Proportionen zu kennen, um daran Geschmack zu finden, weil sie für unsere Wahrnehmung auch dann existieren, wenn wir sie nicht kennen, kann man vernünftigerweise nicht ableiten, daß wir in dem Maße, wie wir von den Proportionen in der Architektur keine volle Kenntnis haben, sie auch gar nicht schön finden können. Vielmehr ist die Akademie der Meinung, daß selbst die Dinge, die in der Baukunst nur arbiträr sind, bloß in dem Maße gefallen, in welchem sie eine bestimmte Anordnung, eine bestimmte Figur, Zahl und Proportion einhalten.“[27] Für die Mehrzahl der Akademiemitglieder beruht der „bon goût“ jedoch nicht auf Gewohnheiten oder auf vorgefaßte Meinungen, sondern ist eine natürliche Schönheit. In der Architektur verkörpert der „bon goût“ eine ebenso evidente Harmonie wie in der Musik. Damit bestätigt die Akademie die konservativ-klassizistischen Anschauungen ihres Direktors FranVois Blondels.

Für Perrault bilden die arbiträren Schönheiten, d.h. die Proportionen den „bon goût“= den „ guten Geschmack“. Sie sind für den „bon goût“ bestimmend. Die Proportionen haben keine Grundlagen in der Natur, sondern beruhen einzig und allein auf der Sehgewohnheit. Blondel erklärte in seinem „Cours d`Architecture“, dass den Proportionen in der Architektur eine ebenso natürlich–positive und durch dieselben Zahlenverhältnisse determinierbare Harmonie zugrunde liegt wie den Proportionen in der Musik. „Die Proportionen, die die Konsonanzen hervorbringen, aus denen man so schöne Akkorde bildet, sind dieselben, die in den Teilen der Architektur die Symmetrie hervorbringen, dank derer man Gebäude von so schönem Anblick errichtet.“[28] 


[27] In: Walter Kambartel, S.79-80

[28] Blondel, Cours d`Architecture in: Walter Kambartel, S.81



Man habe in der Musik bemerkt, dass bestimmte Töne, indem man sie gleichzeitig hört, Wohlgefallen verursachen, während andere Töne unangenehm wirken, wenn man sie gleichzeitig hört. Und ebenso, sagt Blondel, bemerke man in der Architektur, durch eine Inspektion mehrerer alter und moderner Bauten, dass es welche gibt, die man mit Wohlgefallen betrachtet, während andere uns schockieren. Und wie man durch eine lange Folge von Erfahrungen erkannt hat, dass die Töne der gleich dicken und gleich gespannten Saiten nur angenehme Konsonanzen hervorbringen, wenn die Längen der Saiten sich untereinander verhalten wie die Zahlen 1:1, 3:2, 4:3, 5:4, 6:5, 8:5 und andere aus diesen Zahlen sich ergebenen Kombinationen. Und ebenso durch eine lange Folge von Beobachtungen gelangt man zu dem Ergebnis, dass etwas einem in den Maßen der schönen Gebäude immer, jedoch niemals in den hässlichen Bauten begegnet. Für Blondel sind nun diese Proportionen, die allen schönen Bauten gemeinsam sind, überwiegend durch dieselben Zahlenwerte darstellbar, wie die Konsonanzen in der Musik. Denn sagt er:  „die Mehrzahl der Proportionen, die in den Teilen eines Gebäudes eine gute Wirkung tun ist in den ersten sechs oder acht, höchstens aber unter der ersten zehn Zahlen enthalten.“[29]

                                                                                                                      Perrault empfindet diese Parallelisierung von architektonischen und musikalischen Proportionen als grundsätzlich falsch.

Er hält zwar auch die musikalischen Proportionen für absolut unveränderlich im Sinne von positiven Schönheiten, jedoch lässt er Ähnliches für die architektonischen Proportionen nicht gelten. „Hier wird klar, welche Grundlage die Meinung derjenigen haben kann, die glauben, dass die Proportionen, die in der Architektur beachtet werden müssen, genau so bestimmt und unveränderlich sind wie die Proportionen, die die Schönheit und Harmonie der Akkorde  in der Musik ausmachen. Die letzteren hängen tatsächlich nicht von uns, sondern von der Natur ab, durch die sie mit so genauen Bestimmungen ausgestattet sind, daß sie nicht verändert werden können, ohne auch die unsensibelsten Ohren zu schockieren. Denn wenn es so wäre, wie jene meinen, dann müßten die Bauwerke, die nicht diese wahren und natürlichen Proportionen haben, von denen man behauptet, dass sie unverzichtbar seien, von allen Leuten übereinstimmend verurteilt werden, zumindest aber von denen, die durch eine profunde Sachkenntnis zu solchem Urteil am meisten befähigt sind.“ [30] 


[29] In: Walter Kambartel, S.82

[30] Claude Perrault, Vorwort zur Ordonnance in: Walter Kambartel, S.83



Dies trifft nach Perraults Ansicht jedoch nicht zu, denn die architektonischen Proportionen sind im Gegensatz zu den musikalischen variabel.

„Um den Vergleich zwischen Musik und Architektur richtig zu stellen, darf man nicht einfach die Akkorde sebst in Betracht ziehen, sondern die Art und Weise, wie man Akkorde anwendet. Diese Anwendung ist bei verschiedenen Musikern und in diversen Nationen verschieden, ebenso wie die architektonischen Proportionen es bei verschiedenen Autoren und in verschiedenen Bauwerken sind; denn so wenig es eine Anwendung der Akkorde gibt, die notwendig und unfehlbar besser ist als eine andere, noch Gründe, die beweisen könnten, daß die französische Musik besser sei als die italienische, ebenso wenig gibt es Gründe, die beweisen könnten, daß ein Kapitell, das höher oder niedriger ist, notwendig und natürlich schöner sei als ein anderes. Hier verhält es sich anders als bei einer einfachen Konsonanz, wo man beweisen kann, daß eine Saite, die ein wenig mehr oder weniger mißt als die Hälfte der Länge einer anderen, mit dieser anderen eine unerträgliche Dissonanz erzeugt, weil die Proportion diesen Effekt bei den genannten Tönen natürlich und notwendig hat.“[31]


[31] Claude Perrault in: Walter Kambartel, S.83

 

So betrachtet sind die architektonischen Proportionen also nicht nur variabel in Bezug auf ihre Anwendung sondern schon auf ihre Erfindung. Perrault ist also der Meinung, dass es zwischen den architektonischen Proportionen und den musikalischen Akkorden keine vergleichbare Schönheit gibt. Dies wird von Perrault mit der Unfähigkeit des Auges erklärt, das die Schönheit der Proportionen nicht mit der gleichen Unmittelbarkeit wahrnehmen kann, wie das Ohr die Schönheit der Akkorde empfinden kann.

„Daher kann man nicht sagen, daß die Proportionen der Architektur dem Auge auf Grund einer unbekannten Rationalität gefallen und daß sie ihre Wirkung allein aus sich heraus tun, ebenso wie die Akkorde der Musik auf das Ohr wirken, ungeachtet der Unkenntnis, die man in Bezug auf die Rationalität der Konsonanzen hat. Die Kenntnis, die wir mittels des Ohrs von dem haben, das aus der Proportion zweier Saiten resultiert, in der die Harmonie besteht, ist vollkommen verschieden von der Kenntnis, die wir mittels des Auges von dem haben, das aus der Proportion der Teile resultiert, aus denen eine Säule besteht: Denn wenn der Geist durch die Vermittlung des Ohrs von dem berührt ist, das aus der Proportion zweier Saiten resultiert, ohne daß er diese Proportionen kennt, dann ist es deshalb, weil das Ohr nicht fähig ist, ihm die Kenntnis dieser Proportion zu geben. Dagegen ist das Auge zwar fähig, die Proportion erkennen zu lassen, die wohlgefällig wirkt, ohne den Geist jedoch irgendeine Wirkung dieser Proportion hinausgeht. Die Konsequenz hieraus ist, daß das, was dem Auge angenehm ist, es nicht wegen seiner Proportion ist, wenn das Auge sie nicht kennt, wie es meistens der Fall ist.“ [32]

 

[32] Claude Perrault in: Walter Kambartel, S.84-85



Kurz zusammengefasst kann man also sagen:

 

Für Perrault sind die arbiträren Schönheiten der „bon gout“ also eine zeitlich begrenzte Norm, d.h. absolut veränderliche und in eben diesem Sinne arbiträre Schönheiten  

Blondel dagegen bezeichnet die arbiträren Schönheiten als „mauvais gout“ denn der „bon gout“ bedeutet für ihn eine  absolut unveränderliche Norm.

 

Perraults Lehre unterscheidet sich im wesentlichen von der klassischen Architekturlehre dadurch, dass er die Schönheit eines Bauwerkes nicht ausschließlich von den Proportionen herleitet. Für ihn ist sie die psychologische Vorrausetzung, die ein Architekt berücksichtigen und nutzen sollte, und deren Einordnung in das Gesamtkonzept die „grace de la forme“ zur Folge hat. Perrault wollte also darlegen, dass die ästhetischen Werte eines Kunstwerkes allein als ein psychologischer Prozess, der auf Erfahrung und Gewohnheit begründet ist, zu begreifen sind. Das entscheidende an seiner Lehre ist es Ergebnisse der Psychologie auf die Kunsttheorie zu übertragen. Dabei erkennt er aus seiner Beschäftigung mit der Psychologie, dass aus dem Zusammenwirken von Erfahrung und Gewohnheit auf die Zuverlässigkeit der Sinneswahrnehmung zu schließen sei. Dabei wird als Tatsache hingenommen, dass die Gewohnheit auf unsere Schönheitsvorstellungen Einfluss nimmt und diese dadurch wandelbar und von der jeweiligen Umgebung oder Tradition abhängig sind. Dadurch wird der Wert dieser arbiträren Schönheiten jedoch nicht gemindert. 

 

Blondel geht davon aus, dass die Gewohnheit  für die Wirkung von Kunstwerken von Bedeutung sei. Er meint, wenn die Wirkung der Gewohnheiten wirklich so groß wäre, wie Perrault behauptet, dann müssten wir von einer Menge uns schön erscheinender Gegenstände umgeben sein. Denn an diesen Anblick hätten wir uns dann ja gewöhnt.

Blondel zieht aus dem Schluss, dass uns mehr hässliche als schöne Dinge umgeben, dass die Gewohnheit keine Schönheit erzeugen könne.

Durch die Gewohnheit könnten Proportionen, die außerhalb der Regeln liegen zwar nicht schön werden, aber im Zusammenhang mit z.B. schönen  Ornamenten erträglich werden. 

Im Gegensatz zu Perraults sind für Blondel die positiven Schönheiten, wie Material, Ausführung, Symmetrie,  nur zweitrangige Zutaten. Den Hauptanteil an der Wirkung des Bauwerks hätten die in der Natur begründeten Proportionen. Diese Wirkungen der Proportionen bestreitet Perrault zwar nicht, dessen Maße sind für ihn aber dem schwankenden Gewohnheitsbild der Menschen und dem Willen der Architekten unterworfen.

 

 

Blondel und Perrault verkörperten sowohl in der Architekturtheorie als auch im Stil ihrer Bauten die beiden wesentlichen und (obwohl beide zur französisschen Klassik gehören) völlig divergierenden Richtungen der französischen Baukunst des 17. Jahrhunderts. Blondel als Vertreter der akademischen Richtung lebte in der aus der Renaissance überkommenen platonischen Gedankenwelt, als deren Fortsetzer er sich fühlte.

 

Perraults Baukunst stellte dagegen die barocke Variante der französischen Klassik dar. Aufgrund seiner psychologischen Ausdeutung des künstlerischen gestaltete er seine Bauwerke nach dem Gesichtspunkt der „magnificence“. Die theoretische Grundlage für die plastische Gestalt seiner Bauten bildete Perraults Wahrnehmungslehre, die unsere Vorstellung von einem Gegenstand als eine Summe von Erfahrungen erklärt.

 

 

6. Die Krise der Architekturtheorie:

 

Es vollzieht sich nun erstmal eine Trennung der Wissenschaften und der Künste voneinander. Diese beiden Systeme überlagern das ältere der freien Künste, deren Rang zu erreichen ein Ziel der Renaissancearchitekten war. 

Durch Blondel und Perrault rückte die Architektur von der Mathematik und von den Naturwissenschaften weg und näherte sich nun sowohl der Dichtung und Redekunst, als auch den bildenden Künsten. 

Perrault sah mit Recht einen Zusammenhang zwischen dem Fortschritt der Naturwissenschaften und ihrer Befreiung von dem Autoritätsdenken. Vitruv wurde zwar im 18.Jahrhundert noch viel gelesen, aber das im 15.Jahrhundert aufgebaute, im 16.Jahrhundert verfeinerte und über ganz Europa verbreitete und im 17.Jahrhundert zur Bändigung der Innovationslust benutzte System des Vitruvianismus verblasste nun langsam. Im 18.Jahrhundert kam es zu einem Gesinnungswandel. Zu den Begriffen: Vitruv, antike Denkmäler und Natur, kommen nun Begriffe wie Tradition, „bon goût“ und „bon sens“ hinzu. Außerdem wurde nun auch außer der Architekturtheorie eine Architekturkritik betrieben.

 

 

 

 

 Charles-Etienne Briseux (1660 – 1754)

Der Umschwung des architektonischen Denkens zeigt sich vor allem bei Briseux, einem praktizierenden Architekten.

1728 veröffentlichte er ein zweibändiges Werk zum Wohnhausbau.

In Entwürfen will er zeigen, wie man Bequemlichkeit, ästhetische Wirkung und Vorgaben durch Grundstücke und Bauordnungen in Übereinstimmung bringen kann. Es handelte sich um ein fünfteiliges Traktat, indem er zunächst Fragen der Baukonstruktionen und der Materiallehre behandelte. Den Kern bildeten 59 „distributions“ mit 142 Tafeln und Texterläuterungen. Er bietet Lösungen für Wohnhäuser von Bewohnern aller sozialen Schichten, ferner die Kombination von Geschäfts- und Wohnhäusern an. In den späteren Abschnitten gibt Briseux dann eine Übersicht über Geometrie und Baumaße und vor allem über die in Paris geltenden Bauordnungen.

Dies gehörte zu einer wichtigen Quelle für den Pariser Wohnhausbau des 18.Jahrhunderts.

1743 folgte dann ein Musterbuch für eine der modischen Bauaufgaben in der 1.Hälfte des 18.Jahrhundert, und zwar für Landhäuser.

Seine letzte Schrift von 1752, die er als 92-jähriger veröffentlichte, zeigt eine Rückwendung zum normativen Klassizismus. Titel : „Traité du Beau Essentiel“.

Briseux greift hier den Streit zwischen Perrault und Blondel wieder auf. Er widerlegt Perraults Ansichten mit ähnlichen Mitteln, wie es schon Blondel getan hatte. Für Briseux beruht die Schönheit vor allem auf den Proportionen. Er weiß, dass man bisher noch keine verbindlichen Proportionsregeln gefunden hat, doch der Gedanke, es gebe feste Proportionsregeln, wird für ihn zum Postulat.

Perrault wird die Schuld am Niedergang der Architektur in Frankreich gegeben. Auch die Akademie habe nach Blondels Tod aufgehört, d`enseigner les principes fondamentaux de l`architecture.

Für Briseux sind die Regeln des Schönen aus der Natur abzuleiten, die die gemeinsamen harmonischen Proportionen für Musik und Architektur vorschreibt. Die Wirkung der Proportionen sind für Briseux auf jeden Menschen gleich. Für einen individuellen Geschmack – die Proportion als arbiträre Schönheit – bleibt kein Raum. Briseux argumentiert mit dem Instrumentarium der Physiologie und der Erkenntnistheorie. Als „physiologische Ästhetik“ hat man daher seine Theorie bezeichnet. Dabei geht er in seiner aufklärerischen Ästhetik so weit, daß er über eine sinnlich rezeptive Aufnahme von Architektur hinaus außerdem verlangt, daß die ihr zugrundeliegenden Regeln nachvollzogen werden. Weiterhin belustigt er sich über die Ignoranz der Pariser Gesellschaft „ d´un gout isolé de tous principes“ ( von einen Geschmack isoliert von allen Prinzipien).

Der Betrachter ist durch das Wissen fähig die Ursache der Schönheit zu benennen und die ihr zugrunde liegenden Prinzipien zu erkennen – zu überprüfen.

Bei Briseux wird die Architekturlehre zu einem Instrument der Bewusstmachung und Erziehung eines laienhaften Publikums.     

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. Literaturverzeichnis:

 

Kruft, Hanno-Walter: Geschichte der Architekturtheorie München 1986

 

Perrault, Claude: Les dix livres d`Architecture de Vitruve corrigez et traduits nouvellement en FranVois avec les Notes et des Figures

Paris 1673

( Taschenformat: Architecture generale de Vitruve, Amsterdam 1681 )

 

Blondel, FranVois: Cours d`Architecture enseigné dans l`Académie Royal d`Architecture

Teil I, Paris 1675

Teil II-V, Paris 1683

2.Auflage Hildesheim/New York 1698

 

Kask, Toni: Symmetrie und Regelmäßigkeit- französische Architektur im Grand Siècle

Basel und Stuttgart 1971

 

Kambartel, Walter: Symmetrie und Schönheit. Über mögliche Voraussetzungen des neueren Kunstbewußtseins in der Architekturtheorie Claude Perraults

München 1972

 

Brönner, Wolfgang Dieter: Blondel-Perrault zur Architekturtheorie des 17.Jahrhunderts in Frankreich

Diss. Bonn 1972

 

Perrault, Claude: Ordonnance des cinq espèces de Colonnes selon la methode des anciens

Paris 1683

 

Germann, Georg: Einführung in die Geschichte der Architekturtheorie

Darmstadt 1980

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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1. Veröffentlichung  /  14.08.2010

 

 

 

 


[1] Hanno-Walter Kruft, Geschichte der Architekturtheorie, München, 1985

[2] Colbert: am 1. Januar 1664 wurde er „Surindendant des Bâtiments“ – er starb 1683

[3] Roland Fréart de Chambray (1606-1676); Kunsttheoretiker, der seine Ausbildung in Mathematik, Geometrie und Perspektive erhielt, Verfechter einer klassizistischen und gegen den Hochbarock gerichteten Kunsttheorie, veröffentlicht 1650 eine französiche Palladio-Übersetzung

[4] FranVois Blondel Zitat in: Walter Kambartel, Symmetrie und Schönheit, S.21

[5] FranVois Blondel Zitat in: Walter Kambartel, Symmetrie und Schönheit, S.21

[6] FranVois Blondel Ziat in: Walter Kambartel, Symmetrie und Schönheit, S.21

[7] FranVois Blondel, Cours d`Architecture Teil II, 1683, S. 14 und 72

[8] Blondel, Cours d`Architecture, Teil II S. 18

[9] Blondel, Cours d`Architecture, Teil II S. 38

[10] Blondel, Cours d`Architectur, Teil II S. 138 f.

[11] Zitat in: Georg Germann,Einführung in die Geschichte der Architekturtheorie, Darmstadt 1980, S.179

[12] Vignola: Jacopo Barozzi ( 1507 – 1573), wurde 1541 zum Architekten von San Peronio in Bologna gewählt-

dieses Amt übte er von 1543 – 1550 aus, 1573 starb er in Rom und wurde im Pantheon begraben. Er hatte zwei Traktate geschrieben und illustriert: „Regola delli cinque ordini di architettura“1562 und „Le due regole della prospettiva prattica“1583 herausgegeben von dem Mathematiker Egnatio Danti.

[13] Andrea Palladio ( 1508 – 80), wurde 1508 in Padua geboren, machte sich um 1537 – 1538 als Architekt selbst-

ständig. Sein Architekturtraktat „I quattro libri dell`architettura“ erschien 1570 in Vorabdrucken und wurde im  gleichen Jahr zu einem Band zusammengefaßt,  dieses erschien im Fragment. Palladio vergleicht das Bauwerk

mit dem vollendeten Körper. Schönheit ist für ihn am Bauwerk konkret erfaßbar und untrennbar verbunden mit dessen Zweckmäßigkeit und Dauerhaftigkeit. Daher trennt er auch die Ästhetik nicht von der praktischen Architekturlehre.

 

[14] Vincenzo Scamozzi ( 1552 – 1616 ), wurde in Vicenza als Sohn eines Baumeisters geboren. Sein Traktat: „L`idea dell`Architettura universale“ erschien 1615 in Venedig, aufgespalten in zwei Teile, die jeweils aus fünf Büchern bestehen sollten, jedoch nach dreien abbrechen. Er war Schüler von Palladio und auch er faßt die Säulenordnungen ähnlich den platonischen Ideen als ewige Formen auf, durch die man zur Vollkommenheit des klassischen Geschmacks gelangt.

[15] Claude Perrault, Les dix Livres d`Architecture de Vitruve corrigez et traduits nouvellement en FranVois avec les notes et des Figures, Paris, 1673 ( Taschenformat: Architecture generale de Vitruve, Amsterdam, 1681 )

[16] Claude Perrault, Ordonnance des cinq espèces de colonnes selon la methode des anciens, Paris, 1683

[17] Vitruve 1684, S.105 Anmerkung 7 In: Georg German: Einführung in die Geschichte der Architekturtheorie, Darmstadt 1980, S.180

 

[18] Charles Blancs, Grammaire des arts du dessin, 1867

[19] Walter Kambartel, Symmetrie und Schönheit, S.19

[20] Walter Kambartel, S.20

[21] aus Walter Kambartel, S.26-27

[22] aus Walter Kambartel, S.27

[23] Vitruv-Übersetzung 1673, Paris in: Walter Kambartel, Symmetrie und Schönheit, S.28

[24] Blondel, Cours d`Architecture,     in: Walter Kambartel, S.29

[25] In: Walter Kambartel, S.79

[26] In: Walter Kambartel, S.79

 

[27] In: Walter Kambartel, S.79-80

[28] Blondel, Cours d`Architecture in: Walter Kambartel, S.81

[29] In: Walter Kambartel, S.82

[30] Claude Perrault, Vorwort zur Ordonnance in: Walter Kambartel, S.83

[31] Claude Perrault in: Walter Kambartel, S.83

[32] Claude Perrault in: Walter Kambartel, S.84-85


 


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