Bachelorarbeit: Eine kritische Stimme zur Hexenverfolgung: Johannes Matthäus Meyfarts Christliche Erinnerung von 1635

von Markus Schmid



„Wenn Richter trachten nach dem Gut /
Die Hencker dürstet nach dem Blut /
Die Zeugen suchen ihre Rach /
Mus Unschuld schreyen /
Weh vnd Ach!“

Johannes Matthäus Meyfart.
In: Christliche Erinnerung. Schleusingen 1636, S. 153.

Zusammenfassung

Markus Schmid führt uns mit seiner Bachelorarbeit Eine kritische Stimme zur Hexenverfolgung: Johannes Matthäus Meyfarts Christliche Erinnerung von 1635 zurück ins frühneuzeitliche Europa und die Zeit der Hexenverfolgung (16. bis 18. Jh.). Mit Johannes Matthäus Meyfart und seiner Christlichen Erinnerung präsentiert er eine Gegenstimme zur Verfolgung und Folter von Frauen und Männern, die des Verbrechens der Hexerei beschuldigt wurden. Schmid gelingt es in diesem Beitrag zu zeigen, wie die persönlichen Hintergründe Meyfarts zu einer andersartigen Kritik an der Hexenverfolgung führten, der Kritik an der Rolle der Obrigkeit und der Art und Weise der Prozessführung. Abschließend verweist Schmid auf die Bedeutung der Christlichen Erinnerung für die Aufarbeitung der Hexenverfolgung.

Abstract

Markus Schmids bachelor thesis Eine kritische Stimme zur Hexenverfolgung: Johannes Matthäus Meyfarts Christliche Erinnerung von 1635 (A critical view on the persecution of witches: Johannes Matthäus Meyfarts Christian Commemoration of 1635) takes us back to early modern Europe and the age of witchtrials. With Johannes Matthäus Meyfarts Christliche Erinnerung Schmid presents a view opposed to the persecution of men and women, who have been accused of witchcraft. Schmid succeeds in demonstrating how Meyfarts personal experience led him to a different approach of criticizing this persecution: The criticism of the authorities and the methods used to prosecute those accused of witchcraft. Schmids conclusion reflects the importance of Meyfarts Christliche Erinnerung for the reappraisal of these dark times.

Einleitung

‹1› Die Hexenverfolgungen im frühneuzeitlichen Europa des 16. bis 18. Jahrhunderts hatten nach der Judenverfolgung die größte nicht kriegsbedingte Tötung von Menschen zur Folge und markieren daher in ihrer umfangreichen Ausbreitung und rigorosen Durchführung eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte. Legitimiert und ideologisch unterfüttert von christlichen Theologen aller Konfessionen und von streng positivistischen Juristen wurde die Verfolgung und Bestrafung der Hexerei zu einer Aufgabe, mit der sich geistliche und weltliche Fürsten in ihren Herrschaftsgebieten auseinander zu setzen hatten. Ihren Höhepunkt auf deutschem Boden erreichten die Verfolgungen ungefähr in den Jahren 1590 bis 1630, wobei gerade für diesen Zeitraum verheerende, kaum zu kontrollierende Kettenprozesse mit hoher Opferzahl symptomatisch waren.

‹2› Die ausführende Justiz bekam von Inquisitoren, Dämonologen und Juristen1) in einer Vielzahl von hexentheoretischen Schriften Orientierungshilfen und Maßstäbe geboten, wie das Verbrechen der Hexerei am besten zu handhaben war. Doch sowohl die Hexenlehre jener führenden Hexentheoretiker im Allgemeinen als auch die von deren Traktaten beeinflusste Verfahrenspraxis der Gerichte im Speziellen wurde mit der wachsenden Zahl grassierender Hexenprozesse immer wieder Ziel zeitgenössischer Kritik. Unter anderem wurde der Vorwurf der ungenügenden Beweisführung, der richterlichen Willkür und des unverhältnismäßigen, rechtswidrigen Einsatzes der Folter erhoben, ebenso wie auch der geradezu radikale Gedanke angedeutet wurde, es gäbe überhaupt keine Hexen; danach wären alle justifizierten Personen Unschuldige gewesen. In den Reihen der profilierten Verfolgungsgegner2) fanden sich, ähnlich wie auch bei den Verfolgungsbefürwortern, Katholiken neben Lutheranern und Reformierten sowie Theologen neben Juristen, die alle gleichsam im Kampf gegen die Hexenprozesse ihre Aufgabe sahen.

‹3› Inmitten des Dreißigjährigen Krieges meldete sich der lutherische Theologieprofessor Johannes Matthäus Meyfart (1590–1642) in der zeitgenössischen Debatte zu Wort. Mit seiner Christlichen Erinnerung von 1635 legte er ein Werk gegen die Hexenverfolgung vor, in dessen Mittelpunkt die umfangreiche Kritik an der für ihn unhaltbaren, unmenschlichen, unchristlichen Prozesspraxis stand. Das Hexereidelikt als solches wurde bei Meyfart zwar nicht direkt in Frage gestellt, aber er prangerte die prozessuale Durchführung der Strafverfolgung an. Als Ansatzpunkt diente ihm dabei seine radikale Folterkritik, um von den prinzipiellen Missständen der Hexenprozesse ausgehend auf die konkreten Versäumnisse der Obrigkeiten zu verweisen. Er setzte mit seiner Kritik sozusagen in den Folterkellern der ‚Hexenmeister‘3) an, um sie am Ende hinauf in die Residenzen der Fürsten zu heben. Es wird daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu klären sein, wie Meyfart die Rolle der Obrigkeiten bei den Hexenprozessen im Lichte dieser ‚Zwei-Ebenen-Kritik‘ beurteilte und welche Konsequenzen er daraus zog.

‹4› Die quellenkritische Arbeit stützt sich im Hinblick auf die genannte Fragestellung ausschließlich auf Meyfarts Christliche Erinnerung.4) Für eine akkurate Analyse dieses Werks sind die einschlägigen biographischen Studien5) über den Autor und Menschen Johannes Matthäus Meyfart allerdings unerlässlich. Auf der Grundlage von Halliers Dissertation zeichnet Trunz ein klares und umfassendes Bild von Meyfart, das auch dieser Arbeit überwiegend als Ausgangsbasis dient. Die Ergebnisse der Hexenforschung liefern darüber hinaus noch weitere Ansätze zum Thema. Da sich die Hexenforschung aufgrund der hohen Komplexität des Forschungsgegenstands meist in lokale Einzelfallstudien aufgliedert, sind vollständige Gesamtdarstellungen angesichts des nötigen Abstraktionsniveaus nicht die Regel. Die umfangreichen Überblickswerke von Behringer, Rummel und Schormann6) sollen hier dennoch als guter Einstieg gelten, um die einzelnen Muster und Ereignisse besser in die großen historischen Kontexte einordnen zu können. Für eine Verortung Meyfarts im Spektrum der zur Hexenfrage kritisch eingestellten Autoren können die Beiträge im Sammelband von Lehmann und Ulbricht7) herangezogen werden. Aufschluss über die rechtshistorische Perspektive zu den Hexenprozessen geben Oestmann und Trusen.8) Zur oft untersuchten Reziprozität zwischen den Hexenprozessen und der Ausprägung frühmoderner Staatlichkeit finden sich im Sammelband von Dillinger9) einige ergiebige Aufsätze, anhand derer sich der Aspekt des staatlichen Strukturwandels mit dem Phänomen ‚Hexenprozess‘ verknüpfen lässt.

‹5› Im sich anschließenden zweiten Kapitel wird mit den genannten Grundlagen im ersten Abschnitt ein biographischer Überblick über Meyfart gegeben, um sich unter anderem ein genaueres Bild davon machen zu können, welche persönliche Einstellung er zu den Hexenverfolgungen hatte. Damit eine bessere Einordnung seiner verfolgungskritischen Schrift möglich ist, wird im zweiten Abschnitt sein gesamtes Werk in knappen Auszügen vorgestellt. Im dritten Kapitel steht Meyfarts Christliche Erinnerung im Mittelpunkt. Nach der Darstellung der Entstehungsgeschichte und des Veröffentlichungshintergrundes im ersten Abschnitt folgt im zweiten Abschnitt die inhaltliche Analyse des Werks, die sich hauptsächlich auf Meyfarts Prozesskritik beschränkt. Besondere Aufmerksamkeit wird hier seiner umfangreichen Kritik der Folter und der dabei entstehenden Geständnisse gewidmet, wobei er ausführlich die in Umsetzung und Nutzen fragwürdigen Praktiken schildert. Im dritten Abschnitt wird gezeigt, wie Meyfart seine Kritikpunkte dazu nutzt, die Obrigkeiten in die Pflicht zu nehmen, die angeprangerten Zustände zu ändern. An einigen Stellen dieses dritten Kapitels werden auch die Standpunkte von Friedrich Spee kontrastierend herangezogen. Abschließend liefert das vierte Kapitel eine Zusammenfassung und eine Beurteilung von Meyfarts verfolgungskritischem Beitrag.

Johannes Matthäus Meyfart – Leben und Werk

Biographischer Überblick

‹6› Als Sohn eines lutherischen Theologen wurde Meyfart am 9. November 1590 in Jena geboren. Die Familie folgte dem Vater stets zu dessen Pfarrstellen: zuerst 1592 nach Wahlwinkel, einem Dorf nahe Waltershausen, und 1599 nach Haina an der Nesse. Vom Vater wurden dem Kind im häuslichen Unterricht die ersten schulischen Grundkenntnisse vermittelt. Der junge Meyfart verbrachte seine Kindheit also zwischen Gotha und Eisenach, in den Landen des Herzogs Johann Casimir von Sachsen-Coburg (1564–1633).10)

‹7› Um die Jahrhundertwende ging er im Alter von 9 Jahren, nach Gotha auf das Gymnasium, wo er bei dem verwandten Pfarrer Caspar Julius wohnte. Der dortige Lehrplan kannte zuerst nur das umfassende Erlernen der lateinischen Sprache und die Katechismus-Lehre. Erst in den höheren Klassen, also ab dem 15. Lebensjahr, sobald die Schüler Lateinisch fließend sprechen konnten, erweiterte sich der Lehrplan: Lektüre lateinischer, auch antiker Schriftsteller, Studium fundamentaltheologischer Werke im Religionsunterricht, Geschichtsunterricht nach dem Klassiker Sleidanus und sonntags zwei Gottesdienste mit Besprechung der Predigt. Von seinen Gothaer Lehrern bekam Meyfart nach der obersten Klasse schließlich eine Empfehlung für die heimatliche Thüringer Universität. Damit ging er mit 18 Jahren nach Jena, wo er im Herbst 1608 immatrikuliert wurde.11)

‹8› An der Universität Jena studierte Meyfart zunächst an der Artistenfakultät, wo er nach normaler Studiendauer 1609 seinen Baccalaureus und 1611 seinen magister artium erwarb. Unterstützt von einem Coburgischen Stipendium konnte er sich in diesen Jahren ganz auf das Studium konzentrieren, das sich dem Studiengang entsprechend erst auf die philosophische und literarische Ausbildung stützte. Er lernte antike und moderne Autoren unterschiedlicher Fachrichtungen kennen und übte sich sowohl im Disputieren als auch im Verfassen von Gedichten und Reden zu öffentlichen Ereignissen aller Art.12) Von den insgesamt 18 Professoren in Jena sei einerseits der Philosoph Wolfgang Heider (1558–1626) erwähnt, der einen in der damaligen Zeit seltenen Lehrstuhl für Politikwissenschaft innehatte. Bekannt war Heider durch seine soziologischen und politologischen Werke über die Systematik menschlicher Gemeinschaft in jeder Form, wie auch für seine eloquenten Reden. Meyfart dürfte, wie Trunz vermutet, 1610 solch eine ‚politische‘ Rede von Heider gehört haben, die sich mit den Schwierigkeiten des Amts des Herrschers unabhängig von der Staatsform befasste. Der Regent sollte für den Staat da sein, nicht der Staat für ihn, und mit einer „philosophia politica“ sollten Probleme regelnd und mäßigend durchdacht werden.13) Andererseits sei noch der Theologieprofessor Albert Grawerus (1575–1617) genannt, bei dem Meyfart im Sinne der Kontroverstheologie, auf der Basis von Bibel und grundsätzlicher Logik, die Vorgehensweise erlernte, wie die Argumentation eines Gegners am Besten auszuhebeln ist: man geht Satz für Satz vor, bedient sich entsprechender Bibelstellen und zerpflückt so den Gegner.14) In Jena machte Meyfart also seine ersten politischen und arbeitstechnischen Erfahrungen. Sein Hauptstudium der Theologie setzte er jedoch an anderer, bedeutenderer Stelle fort.

‹9› Im Sommer 1614 immatrikulierte er sich an der Universität Wittenberg, nachdem er zuvor aus finanziellen Gründen eine Stelle als Hauslehrer bei einer fränkischen Adelsfamilie angenommen hatte. Denn ohne ein Stipendium ließ es sich in Wittenberg nur mühsam leben, da es dort dreimal so viele Studenten wie in Jena gab: Wegen der großen Zahl (ca. 1.500) war es auf dem Arbeitsmarkt schwieriger, eine einträgliche Nebentätigkeit zu finden. Dazu kamen mit der ‚Kipperei‘, einer Münzverschlechterung, ohnehin erschwerte Lebensverhältnisse. Meyfarts akademische Entwicklung machte unter dem bekannten Theologen Leonard Hutter (1563–1616) jedoch weitere Fortschritte. Die Polemik, die er schon unter Grawerus in Jena kennen gelernt hatte, entsprach der Arbeitsweise sämtlicher Theologen in Wittenberg, deren Methoden er nun vertiefen konnte. Meyfarts Gesundheitszustand verschlechterte sich jedoch so sehr, dass er 1615 zurück nach Jena ging. Zu dieser Zeit bekam er dort an der philosophischen Fakultät auch die relativ neue, aber schlecht bezahlte Stelle eines ‚Adjunctus‘, dessen Lehrtätigkeit sich nach dem aktuellen Bedarf der Fakultät richtete.15) Zum Sommersemester 1616 kam der aufsteigende Theologe und Dogmatiker Johann Gerhard (1582–1637) an die Universität nach Jena, den Meyfart nicht nur persönlich als Arbeitskollegen kennenlernte, sondern mit dem er sich auch nachweislich in akademischen Disputationen auseinandersetzte. Als Herzog Johann Casimir für sein Akademisches Gymnasium in Coburg, das Casimirianum, einen neuen Professor suchte, kam unter anderen auch Meyfarts Name ins Gespräch. Es dauerte nicht lange, bis er angenommen und vereidigt wurde, sodass er im Winter 1616/17 nach Coburg aufbrechen konnte. Damit waren nach einem umfassenden Studium der philosophischen Fächer und der Theologie seine Ausbildungsjahre abgeschlossen.16)

‹10› 1623 wurde Meyfart, nach langjähriger Lehrtätigkeit an den verschiedenen Fakultäten des Casimirianums, von seinen Kollegen als Direktor für das Gymnasium vorgeschlagen. Der Herzog stimmte diesem Vorschlag zu und gab damit Meyfarts Leben neuen Schwung.17) Zum einen verlangte Johann Casimir im Zuge der Ernennung, dass Meyfart den damals seltenen Doktortitel erwerben solle, den sogar viele Universitätsprofessoren nicht trugen. Die finanzielle Unterstützung dafür gewährte ihm der Herzog, sodass Meyfart im Sommer 1624 in Jena seine Doktorwürde erlangen konnte.18) Zum anderen bezog er als Direktor nun die Dienstwohnung und die Studierstube im Gebäude des Casimirianums, was es ihm ermöglichte eine Coburger Bürgerin zu heiraten und eine Familie zu gründen.19) Die Schule blühte im Jahrzehnt seiner Leitung von 1623 bis 1633 auf. Meyfart hielt mit seinen Schülern viele Disputationen nach Wittenbergischem Vorbild, förderte die ‚Sing-Comödie‘ als eine besondere Form des Theaters, gab selbst viele Unterrichtsstunden, übernahm als Direktor auch die Verwaltungsaufgaben und hielt oftmals die wöchentlichen Schulgottesdienste.20) Die pausenlose Arbeit21) hatte eine chronische Kränklichkeit Meyfarts zur Folge, die wohl in den ärmlichen Zuständen während seines Studiums in Wittenberg ihren Ursprung hatte und sich in Coburg fortsetzte.22)

‹11› Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges waren in Coburg zu diesen Zeiten immer deutlicher zu spüren: Lebensmittelknappheit und Truppendurchmärsche waren die Regel.23) Allerdings fallen in diese aufwühlenden Jahre auch besonders prägende, persönliche Erfahrungen für Meyfart. Zuerst geriet er im Jahre 1628 mit dem General-Superintendenten Caspar Finck (1578–1631) aneinander, als dieser eine allgemein geäußerte Kritik Meyfarts an der Besetzung der Pfarrstellen persönlich nahm und Herzog Johann Casimir daraufhin eine Beschwerdeschrift gegen Meyfart zukommen ließ.24) Zudem kam es in den Jahren 1628 bis 1630 zum ‚Coburger Hexenstreit‘, in dessen Zusammenhang Fincks Nachfolger, der lutherische Hofprediger Nikolas Hugo, dem Coburger Schöffengericht mit starkem Bezug auf den Jesuiten Delrio vorwarf, die Hexen nicht gründlich genug zu verfolgen und in der Praxis zu nachlässig zu sein.25) In das Jahr 1629 fällt auch der Erlass einer Hexengerichtsordnung Johann Casimirs, die in wesentlichen Punkten, also auch in ihrer Strenge, den Ordnungen anderer Territorien ähnelte.26) Meyfart schlug sich auf die Seite der Verfolgungsgegner, wie er in seiner erst später veröffentlichten Schrift gegen die Hexenprozesse mehr als deutlich ausformulierte. Während seines Aufenthalts in Coburg war er mehrmals mit der Hexenverfolgung in Kontakt gekommen: 1619 wurden 4 Hexen hingerichtet, 1628 waren es 11.27) Pelizaeus verweist hier auf einen familiären Fall, in dem Meyfart persönlich befragt wurde und ein schriftliches Gutachten abgeben musste.28) Wie eng Meyfart wirklich mit den Prozessen in Berührung kam, lassen auch seine direkten Stellungnahmen in der Christlichen Erinnerung erahnen: Er „habe das trawrige Spectackel gesehen“ und würde, wenn ihm die Wahl bliebe, eher auf „viel tausent Thaler“ verzichten, als die Erinnerung daran „aus meinem Verstande vnd Gedächtnis (wo es müglich) zu verbannen“. Er möchte also mahnend an seinen „thörichten Eyfer“ erinnert werden, „in welchen ich genugsam gesündiget“.29) Meyfart berichtete nämlich von sich selbst, dass es ihn vor etlichen Jahren, „als der Hexenprocess in deutschen Landen hin vnd wieder angienge“, verdross, „wenn es nicht bald von statten gehen wolte / sondern in etwas sich verweilete“. Bis Gott „den blinden Eyfer von mir genommen / vnnd das Licht der Warheit meinen dunckeln Verstand“ hat erhellen lassen, zählte er sich im Nachhinein zu den Verfolgungsbefürwortern.30) Dieser Meinung aber saß er fortan nicht mehr auf. Die hochgehenden Wogen in Coburg werden sich nach dieser Zeit nicht mehr richtig geglättet haben, insbesondere nicht zwischen Meyfart und Nikolas Hugo. Letzterer trat 1633 als Gegenspieler auch wieder klar hervor, als Meyfart den Großteil der Coburger Geistlichkeit gegen sich aufbrachte, die sich von zwei seiner kritischen Disputationen persönlich angegriffen fühlte. Ihm wurde schließlich gar Majestätsbeleidigung vorgeworfen, woraufhin er dem an ihn ergangenen Ruf an die Universität Erfurt ohne langes Zögern gefolgt sein dürfte.31)

‹12› In Erfurt, das erst 1631 im Verlauf des Krieges vom Mainzer Erzbischof an die Schweden gefallen war, wurde Meyfart an der Universität freudig empfangen. Er führte nicht nur die seltene Doktorwürde, sondern war aufgrund seiner Tätigkeiten und Veröffentlichungen aus Coburger Zeiten der angesehenste Professor der theologischen Fakultät und bekam als ‚Professor primarius‘ auch das höchste Gehalt. Man überließ ihm gleich zu Beginn das Dekanat und wählte ihn 1634, ein Jahr später, zum Rektor der Universität.32) Meyfart wirkte dort auf prägende Weise, bis die Schweden im September 1635 wieder abzogen und Erfurt erneut kurmainzisch wurde.33) Die unter dem Schweden Gustav II. Adolf (1594–1632) neu eingerichtete lutherisch-theologische Fakultät wurde vom Mainzer Erzbischof nicht mehr unterstützt. Die lutherischen Theologen durften zwar bleiben, doch Meyfart wird die ihm zu dieser Zeit angebotene Pfarrstelle an der angesehenen Predigerkirche in Erfurt gerne zusätzlich angenommen haben. Kurz danach war Meyfart von den Pfarrern zum Senior des ‚Evangelischen Ministeriums‘ gewählt worden, der obersten geistlichen Behörde in Erfurt.34) Sein Aufgabenbereich wurde in dieser Zeit vom Krieg bestimmt: Beerdigungen, Predigten, Flüchtlingshilfe, Armen- und Waisenbetreuung und außerdem noch Verpflichtungen an der Universität, da er die Lehre nicht ruhen ließ. Seit 1635 wurde Erfurt zudem von der Pest heimgesucht. Nach Trunz starben in den Jahren bis 1638 ungefähr 2.000 Menschen jährlich, dann im Zeitraum bis 1641 immer noch ungefähr 700 im Jahr. Meyfarts Frau, seine Söhne und sein Bruder starben an der Pest, einzig eine junge Tochter blieb ihm.35) Zwischenzeitlich rückten die Schweden 1636 wieder in Erfurt ein, sodass Meyfart seine Professorenstelle zurückbekam und 1637 nach dem Trauerjahr in zweiter Ehe die Tochter einer Akademikerfamilie aus Sömmerda heiraten konnte.36) In den letzten Jahren seines Lebens litt Meyfart wie andere Bürger Erfurts an der Gegenwart des Krieges, auch wenn die Stadt bis zu seinem Tode von Kämpfen verschont blieb. Auch sein Gesundheitszustand, der sich nach Verlassen Coburgs vorübergehend gebessert hatte, plagte ihn wieder. Zeit für ein Studium abseits der täglichen Berufsarbeit war ihm nicht mehr möglich. Erschöpft von den letzten Jahren starb Meyfart am 26. Januar 1642 im Alter von 52 Jahren.37)

Das Gesamtwerk zur besseren Einordnung

‹13› Meyfarts Leben war stets von einem starken Arbeitseifer geprägt, der sich bei Weitem nicht nur auf die Aufgaben seines Beruflebens beschränkte. Als Theologe und Pädagoge standen seine ersten Veröffentlichungen ganz im Lichte dieses Lebensweges. In Coburg schrieb Meyfart in den Jahren 1621 bis 1633 nahezu alle seine bedeutenden Werke mit insgesamt mehreren tausend Seiten.38) Die wichtigsten seien hier in einem Überblick erwähnt: Auf Lateinisch brachte er zuerst einige kontroverstheologische Bücher heraus, die noch ganz in der erlernten Tradition aus Jena und Wittenberg standen: 1622 Grawerus continuatus, eine Fortsetzung der Streittheologie seines Jenaer Lehrers Albert Grawerus, 1625 Nodus gordius Sophistarum, eine Schrift gegen die Sophisten, und 1627 Anti-Becanus, gerichtet gegen den Jesuiten und kaiserlichen Beichtvater Martin Becanus (1563–1624).

‹14› Abseits der Kontroverstheologie erschienen weitere lateinische Bücher, die mit dem Lehrauftrag am Casimirianum zusammenhingen: 1623 Meletemata theologica, die Thesen zu insgesamt neun Disputationen seiner Schüler, 1625 Ephemerides gymnasticae, ein Ratgeber mit Gebeten für viele Situationen des Studentenlebens, und 1628/29 ein Compendium geographicum systematicum, ein Schulbuch für Geographie.

‹15› Auf Deutsch indes erschienen Werke, die Meyfart mit theologischem Auftrag an die normalen Menschen richtete. 1625 und 1626 veröffentlichte er zwei Predigt-Zyklen, die er in den Mittwochgottesdiensten am Casimirianum gehalten hatte: Die Tuba poenitentiae prophetica befasst sich mit dem jüdischen Prediger Jona in der heidnischen Stadt Ninive und die Tuba novissima mit dem Jüngsten Gericht. Sein deutsches Hauptwerk ist eine eschatologische Trilogie, eine Erbauungsschrift, mit insgesamt mehr als 2.500 Seiten in kleinem Druckformat: 1627 Das himmlische Jerusalem, 1629 Das höllische Sodoma und 1632 Das Jüngste Gericht. Meyfart veröffentlichte zudem auch rhetorische Werke: 1628/33 das Mellificium oratorium, ein rhetorisches Sammel- und Nachschlagewerk, und 1634 die Teutsche Rhetorica, ein deutscher und damit seltener Überblick über die Rhetorik. Darüber hinaus existieren noch etliche Gedichte und Kirchenlieder, Jerusalem, du hochgebaute Stadt ist das bekannteste, welche Meyfart oft in seinen Werken miteinfließen ließ. Aus Erfurter Zeit gibt es noch einige Gelegenheitsschriften und eine durch Pest und Krieg bedingte, große Zahl von Leichenpredigten. Bedeutende Veröffentlichungen dagegen gab es in Erfurt nicht mehr.

‹16› Zuletzt sei noch auf Meyfarts kulturkritische Schriften verwiesen, die er ebenfalls auf Deutsch schrieb. Zum einen wäre hier sein Buch gegen die Verwilderung der Universitäten zu nennen, das 1636 erschienen ist, im Manuskript aber schon am Ende der Coburger Zeit vorgelegen haben muss.39) Ziel seiner scharfen Kritik war vor allem der Pennalismus unter den Studenten, ein fragwürdiger Initiationsritus der Zeit, demzufolge neue Studenten den älteren eine bestimmte Zeit lang mitunter erniedrigende Dienste zu leisten hatten. Meyfart ging dabei über den verdorbenen Universitätsalltag hinaus und suchte in den Reihen der Professoren, Rektoren und Fürsten nach den Verantwortlichen, was ihn wiederum starken Anfeindungen aus ebendiesen Kreisen aussetzte. In Kursachsen wurde das Buch letztlich sogar verboten. Zum anderen ist hier auch sein Buch gegen die Hexenverfolgung zu verorten. Dabei sollte man die Stellung dieses Buchs angesichts der Themenvielfalt von Meyfarts viele tausend Seiten umfassendem Gesamtwerk nicht überbewerten, aber ebenso wenig sollte es als spezieller Beitrag zur Diskussion um die Hexenverfolgung unterbewertet werden. Im nun folgenden Kapitel wird diese Schrift einer genaueren Untersuchung unterzogen.

Die Christliche Erinnerung / an Gewaltige Regenten / vnd Gewissenhaffte Praedicanten… von 1635

Entstehungsgeschichte und Veröffentlichung

‹17› Als Meyfart 1635 seine Schrift gegen die Hexenprozesse im Druck veröffentlichte, stellte er sich damit in vielerlei Hinsicht gegen den Geist der Zeit. Die Traditionskette der in Deutschland erschienen hexentheoretischen Werke, beginnend mit dem Hexenhammer von 1489, ist lang und war zu Meyfarts Lebenszeit überaus präsent. Trunz verweist zu Recht auf die publizistische Welt vor und nach der Veröffentlichung von Meyfarts Christlicher Erinnerung: Die großen Hexentheoretiker des 16. Jahrhunderts, beispielsweise Kramer, Bodin und Binsfeld, wurden bis weit ins 17. Jahrhundert hinein immer wieder neu aufgelegt.40) Vor allem die mit Blick auf Meyfarts Wirken zeitgenössischen Bücher des Jesuiten Delrio (Disquisitionum magicarum libri VI., 1599) und des Juristen Carpzow (Practica nova rerum criminalium Imperialis Saxonica, 1635) aktualisierten die älteren Standardwerke, wurden so selbst zu anerkannten Autoritäten und verankerten damit überwiegend die verfolgungsbefürwortende Lehre im 17. Jahrhundert.41) Die Rezeption der verfolgungskritischen Werke des 16. Jahrhunderts dagegen nahm zu dieser Zeit im gleichen Maße ab. Die Werke von Weyer, Witekind und Godelmann erschienen 1586, 1597 und 1606 jeweils zum letzten Mal, genau in der Zeit, in der die Zahl der Hexenprozesse deutlich stieg.42)

‹18› Parallel dazu tat sich auf Seiten der Kritiker des 17. Jahrhunderts vergleichsweise wenig. Insgesamt sind neben dem Buche Meyfarts noch drei weitere von größerer Bedeutung zu nennen: Das des Calvinisten Praetorius (Gründlicher Bericht von Zauberey vnd Zauberern, 1602), ein anonymes (Malleus judicum – Das ist: Gesetzhammer der vnbarmherzigen Hexenrichter, ca. 1628–1630) und schließlich das des Jesuiten Spee (Cautio criminalis, 1631).43) Die allgemeine Anerkennung der herrschenden Hexenlehre dieser Zeit, gegen die sich Meyfart und seine Geistesbrüder richteten, kann man auf beeindruckende Weise verdeutlichen, wenn man die Auflagenzahlen der Literatur für und wider die Hexenprozesse des 17. Jahrhunderts miteinander vergleicht: Nimmt man alle Auflagen der vier oben genannten Schriften gegen die Hexenprozesse zusammen, sind es insgesamt 11 Bücher. Zählt man alle Veröffentlichungen der Verfolgungsbefürworter zusammen, geht die Zahl weit über hundert hinaus. Das Werk Delrios allein wurde in Deutschland mehr als vierzehn mal neu aufgelegt, und Carpzows Buch wurde mehr als neunmal neu veröffentlicht.44) Der Geist der Zeit war also ein völlig anderer als der, der Meyfarts Christliche Erinnerung kennzeichnete.

‹19› Dass Spee seine Cautio criminalis in dieser Zeit auf Lateinisch und anonym veröffentlichte, dürfte nicht überraschen. Interessant ist im Vergleich dazu die Tatsache, dass Meyfart ein Buch dieses Themas und dieser Art unter vollem Namen und vor allem auf Deutsch herausgab. Das war zu diesem Zeitpunkt einzigartig. Im Vorwort kommentierte er selbst: „Ohne zweiffel wird etlichen sehr befrembden / daß ich mich zu solcher Materien gewinnen / vnd auch zu einer fast scharffen Feder anbringen lassen.“45) In Erfurt kannte man ihn zwar als eloquenten Professor und Prediger, aber man hatte ihm eine solch kritische, mahnende Schrift anscheinend nicht zugetraut. Meyfarts Anliegen, die Verderbtheit der aktuellen Zustände im Angesicht des nahenden Weltendes verbessern zu wollen, indem er den Menschen ins Gewissen redete, fand sich jedoch schon früher in seinem Werk, vor allem in seinen Erbauungsschriften und seinem Predigt-Zyklus über das Jüngste Gericht.46) Er war, wie Trunz es formuliert, „ein alttestamentlicher Prophet, der seine Berufung hat.“47) So schrieb Meyfart auch im letzten Kapitel: „Mir ist nicht anders zu Sinnen / als wenn Gott zu mir armen Diener saget: Errette die / so man tödten wil / vnd entzeuch dich nicht von denen / die man würgen wil.“48) Dass er selbst die Brisanz seines Werkes herausstrich, dürfte daran liegen, dass er darin nicht nur als Mahner auftrat, der sich um das Seelenheil der Menschen bemühte, sondern dass er dabei auch den angesprochenen Regenten und Gewaltigen eine bittere Nachricht überbringen musste: Der Umgang mit dem Hexenwesen ist in der praktizierten Form nicht hinnehmbar, er muss geändert werden. Meyfart hatte zwar das Weltende und das Seelenheil im Blick, wenn er prophetisch argumentierte, dennoch äußerte er sich dabei unweigerlich auch zu politischen Themen und wagte sich damit sehr nahe an die fürstlichen Obrigkeiten heran.49) Daher fiel die Veröffentlichung des Buches auch erst in das Jahr 1635. Das Manuskript wurde 1631/32 in Coburg bereits fertiggestellt. Meyfart war damals mit mehreren Vertretern der Geistlichkeit aneinander geraten und hatte darüber hinaus auch gesundheitlich gelitten. Ein „tief sitzender Groll“50) wird seine Feder geschärft haben, sodass auch die Komplikationen mit der Zensur abzusehen waren. Insgesamt vier Jahre lang lag „das Werck auff Truckereyen wegen vieler Verhinderung zur seiten“,51) in Erfurt jedoch konnte er es endlich drucken lassen. In den Wirren des Krieges sorgten sich die regierenden Schweden nicht um den Buchdruck, ebenso war man von Kurmainz oder Kursachsen unabhängig. Für die Zensur vor Ort waren also vor allem die Universität und die Geistlichkeit zuständig. Meyfart war erst Rektor der Universität, später Senior und somit sein eigener Zensor.52)

‹20› Das Buch erschien 1635 unter dem vollen Titel: Christliche Erinnerung / An Gewaltige Regenten / vnd Gewissenhaffte Praedicanten / wie das abschewliche Laster der Hexerey mit Ernst außzurotten / aber in Verfolgung desselbigen auff Cantzeln vnd in Gerichtsheusern sehr bescheidentlich zu handeln sey. Erscheinungsort war nicht Erfurt, sondern Schleusingen.53) 1636 folgte eine weitere, unveränderte Titelauflage, die auch dieser Arbeit zugrunde liegt. In insgesamt 36 Kapiteln (268 Seiten) behandelt Meyfart seine Punkte, wobei sich in den Kapiteln 8 und 24 sowie in den Kapiteln 26 bis 28 (ca. 30 Seiten) überwiegend die allgemein gehaltene Kritik der Prozesse findet. Die Kapitel 17 bis 22 sowie 29 bis 32 (ca. 70 Seiten) sind der Kritik der Folter und der dabei entstehenden Geständnisse gewidmet, die Kapitel 9 bis 11 und 16 (ca. 40 Seiten) behandeln die Missstände bei den Obrigkeiten und in Kapitel 35 (ca. 20 Seiten) werden von Meyfart Lösungsvorschläge formuliert.54)

‹21› Hinsichtlich seiner Grundlagenliteratur stützte sich Meyfart auf bekannte Autoritäten wie Godelmann, Thummius, Tanner und Spee, die er an mehreren Stellen explizit zitierte. Das Buch von Praetorius und auch den anonymen Malleus judicum schien Meyfart hingegen nicht gekannt zu haben. Trunz erklärt diese Tatsache mit den begrenzten bibliothekarischen Möglichkeiten des Casimirianums im kleinen Coburg.55) Wie es die Gelehrtenschreibweise der damaligen Zeit verlangte, folgte er in seinem „gantzen Tractat anderer gelehrter Männer vnd Scribenten Meynung“56) und entwickelte dabei auf dieser Basis seine kritische Argumentation, die im Folgenden mit Blick auf die eingangs genannte Fragestellung analysiert wird.

Meyfarts Hauptkritikpunkte

a) Die allgemeine Kritik an den Prozessen

‹22› Wenn Meyfart den „heutigen Weltlauff in seiner Ordnung“ betrachtete, dann erstellte er dabei das schonungslose Psychogramm einer Gesellschaft, in der einen die Verfolgung der Hexen nicht überraschen sollte:

‹23› Das gemein Pöbel vnd Böffelvolck […] in Teutschland / ist denn abergleubischen / mißgünstigen / Schandlästerungen / Affterredungen / vnnd heimlichen Murmelungen gar ergeben / kein Obrigkeit straffet mit Wercken / kein Prediger straffet mit Worten: dadurch nimmet Herr Omnes gelegenheiten / von der Zauberey zu argwohnen. Geschehen vnzeitige Kälte / Linde / Frost vnd Hitze / Schnee vnd Regen: ergehen vnterschiedliche Winde / vnd Donner / Dürre vnd Wasser / Hagel vnd Schlossen: […] Der Bürger vnd Bawersmann gibt die Ursach den Hexen.57)

‹24› Das allgemeine Verdachtsmoment der Hexerei war uneingeschränkt in den Köpfen der Menschen verankert, sodass sie allerorten „vber die Hexen zu der Obrigkeit“ schrien und die Fürsten dazu drängten, „die Hexen außzutilgen“. Beeinflusst durch ihre „Ohrenbläser“ willigten diese letztlich ein und ermöglichten die Verfolgungen.58) So ist es für Meyfart im Generellen das „Verleumbden / aus welchen der Hexen Proceß seinen Ursprung nimmet.“59) Das gegenseitige Verdächtigen und Mutmaßen über die Hexerei wurde zudem noch von den Priestern begünstigt, die von den Kanzeln herab die Hexenlehre propagierten und sowohl Volk als auch Fürsten anstachelten, mit den Verfolgungen fortzufahren.60)

‹25› An dieser Stelle sei in aller Kürze auf die grundsätzlichen Kernpunkte der erwähnten Hexenlehre verwiesen, die nach langer Tradition seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts einen kumulativen Hexenbegriff entwickelt hat, unter dem bis dahin gängige Vorstellungen von Ketzerei und Zauberei erstmalig subsumiert wurden. Die Hexerei wurde damit zu einem Superverbrechen, das aus folgenden Teilen zusammen gesetzt wurde: Teufelspakt (Apostasie), Teufelsbuhlschaft, Möglichkeit des Fluges durch die Luft, Teilnahme am Hexensabbat und Schadenszauber.61) Dementsprechend ist es möglich, zwischen reinen Schadenszauberprozessen und Hexenprozessen zu unterscheiden.62) Gerade die Vorstellung vom Hexensabbat, einer geheimen Versammlung der Hexen, war für den neuen Hexereibegriff und für die Verfolgung des Hexereidelikts von entscheidender Bedeutung. Da es nun eine ‚Hexensekte‘ gab, konnten Hexen sich gegenseitig identifizieren und belasten. Der Ansatzpunkt für die massenhaften Kettenprozesse war somit erst gegeben.63)

‹26› Bei Meyfart finden sich ohne Weiteres die gängigen Vorstellungen, die er so auch in seinem Werk wiedergibt. Er vertrat als Theologe auch dann den christlichen Glaubenskanon, wenn er ein Buch gegen die Hexenverfolgung schrieb. Er glaubte daher auch selbst an die Hexerei als solche, wenn er sie beschrieb als eine

aus der massen grewliche / aus der massen abschewliche Sünde / daß es mit Sinnen nicht genugsam zu fassen / mit Worten nicht genugsam zu verfluchen / vnd mit Straffen nicht genugsam zu verfolgen. Doselbst kommen zusammen die schändlichsten Laster von Ketzerey / Kirchen Reuberey / Büberey / Unfläterey / Verrätherey / Mörderey / Sodomiterey wider die Natur mit den vnreinen Geistern: Daselbst lassen sich spüren die Verleugnung / Entehrung / Schmehung / Verbitterung wider den Namen / die Gütigkeit / die Heiligkeit / die Macht / die Weißheit Gottes / vnd der beständige Haß / Zorn vnd Feindschafft wider alle Creaturen / im Himmel / in der Lufft / auff Erden / vnd in dem Wasser.64)

‹27› Das Verbrechen der Hexerei, das crimen magiae, war zu ahnden und aufgrund seiner ungewöhnlichen Lasterhaftigkeit wurde es in der gängigen Praxis als crimen exceptum behandelt. Das heißt, dass seine Handhabung aufgrund der Schwere außerhalb des gewöhnlichen Prozesses (processus ordinarius) stattfand und dass sich die Richter dabei nicht an die Vorgaben halten mussten, die „man sonsten in peinlichen und bürgerlichen Sachen pfleget“.65) Aber bei der „Außforschung / Verfolgung vnd Fortschaffung der Hexerey“ war die Verfahrenspraxis „heutiges Tages“ Meyfarts Meinung nach mangelhaft und demnach zu kritisieren.66) Die verantwortlichen Richter pochten im Hexenprozess auf den crimen exceptum-Gedanken, wonach sie nach „Belieben vnd Gefallen“67) verfahren konnten. Den menschlichen Gesetzen standen aber die Gesetze der Völker, der Natur und der Vernunft gegenüber, die niemand einfach so für sich vereinnahmen kann. Darüber hinaus berief sich Meyfart auf die Rechtswissenschaften, die bei crimina excepta eben nicht alle Gesetze außer Kraft gesetzt sahen. Die Hexerei war zwar ein Ausnahmeverbrechen, aber unter der Bedingung, dass sie einer Person durch „ehrliche Zeugen / vernünfftige Mittel / klare Anzeigungen / bescheidene Richter“ nachgewiesen wurde. Doch die Richter waren es, die „ärger als die Teuffel in der Tortur wider die Gefangene verfahren“.68) Des Weiteren gab es weder eine Unschuldsvermutung, noch wurden Advokaten, also Verteidiger, zugelassen. Wenn bereits ein abgepresstes Geständnis vorlag, wurde die Verteidigung zwar schwierig, aber wenn ein Fall noch am Anfang war und viele Unklarheiten bestanden, auf welcher Grundlage wurden Anwälte dann untersagt?69) Es lag wohl auch daran, dass die ‚Hexenmeister‘ „ein gefangenen Raub […] ungern aus den Trutenhäüsern“ ließen, damit nicht „vornehme / gewissenhaffte Theologen, Juristen, Medici vnd Philosophi“ mit gelehrtem Auge Ungereimtheiten aufdecken und das Verfahren somit eventuell behindern konnten.70) Es war „schändliche Gewohnheit“, immer einen möglichst schnellen Prozess zu machen.71) Ziel war es, über die Folter ein zügiges Bekenntnis zu bekommen, auch wenn das „den Käysern vnd Bürgerlichen Rechten als vngültig“ galt. Was dann aber genau in der Folter verzeichnet wurde, das war „gemeiniglich nicht würdig“, von rechtschaffenen Außenstehenden gesehen zu werden, eine Akteneinsicht gab es nicht.72) Genauso gut wurden mutwillig Aussagen unterschlagen, die einen Angeklagten entlasten konnten.73)

‹28› Als Theologe und Prediger schreckte Meyfart im Rahmen seiner allgemeinen Kritik auch nicht davor zurück, seine Standeskollegen anzuklagen. Die Prediger waren zwar keine erfahrenen, berühmten Juristen, aber sie wussten angeblich doch ganz genau, wie sie über die Hexen ihre „Sentenz leichtlich von der Cantzel geben“ konnten.74) In seinen Augen war die „Tortur der Geistlichen … weit schärffer als der Hencker“, da sie von den Gefangenen ein Schuldeingeständnis erwarteten.75) Wenn die Priester in die Gefängnisse zu den Angeklagten gehen, fahren sie diese an, setzen ihnen zu und „quelen die Seele / bis dieselbige zum Uberflus bekennen / was sie niemals gethan vnd verwircket haben.“ Die Geistlichen verschlossen sich zudem vor einer möglichen Unschuld der Angeklagten: Sie wollten davon nichts wissen, sie prüften keine Vorgänge und so schwiegen sie still „zu der Sonnenklaren Unbilligkeit der Richter.“76) Wenn sie sich aber an den Prozessen beteiligten, dann dadurch, dass sie im Nachhinein das gefällte Urteil „nachschwatzen vnd beklagen“, es somit noch unterstützten, dabei war die Aufgabe der Priester nach Meyfart an dieser Stelle klar: „Ihr Priester seyd nicht beruffen / Zeugen abzuhören / Urtheil zu fellen / das Fewer vnd Schwert zu erkennen.“ Vielmehr sollten sie mit Bescheidenheit dafür sorgen, dass kein unschuldiges Blut vergossen wird.77) Meyfart scheute sich schließlich ebenso wenig, ein theologisches Herzstück der Hexenlehre anzugreifen, wenn er die oft zitierte Bibelstelle Exodus 22, 18 – maleficos non patieris vivere – auf „eigenen Hirnwahn / vnd stützigen Trotz“ der Prediger zurückführte.78)

‹29› Aber neben den grundsätzlichen Verfehlungen der Menschen bei ihren gegenseitigen Verdächtigungen, der Richter bei ihrer fragwürdigen Verfahrenspraxis und der Geistlichen bei ihrer parteiischen Anteilnahme verlieh erst die Folter mit ihren erzwungen Geständnissen der Sache um die Hexenprozesse die größte und deutlichste Gefahr für den unschuldigen Menschen.

b) Die Folter als Motor des Hexenwesens

‹30› Die umfangreichste Kritik in der Christlichen Erinnerung widmete Meyfart der Folter.

‹31› Die Grausamkeit und die Willkür, wenn nicht gar die Nichtigkeit der Hexenprozesse konnte er anhand dieser Praxis besonders deutlich herausstreichen, und auch ein Zeitgenosse, „der Christliche vnd ehrenliebende Leser“,79) musste wohl nach der Lektüre für sich selbst begreifen können, wie sehr das Treiben um die Hexenverfolgung und erst recht deren Durchführung zu verurteilen waren.

‹32› Die Folter hatte im Strafprozess der damaligen Zeit ihren festen Platz. Angewandt wurde sie bei allen schweren Verbrechen, den Kapitaldelikten, die mit dem Tode zu bestrafen waren.80) Die Hexerei zählte man als crimen exceptum dementsprechend dazu.81) Besondere Bedeutung kam der Folter bei den Hexenprozessen deswegen zu, weil diese einerseits als ein Inquisitionsprozess von Amts wegen82) geführt wurden und andererseits das Delikt der Hexerei zum Gegenstand hatten, das der Auffassung nach ein heimliches, verborgenes Verbrechen war und mit normaler Beweismittelführung nicht aufgedeckt werden konnte: Neben der Besagung durch zwei unabhängige Zeugen galt das eigene Geständnis der angeklagten Hexe als solide Basis für die Urteilsfindung, wobei es entweder freiwillig gemacht oder mit Hilfe der Folter erzwungen wurde.83)

‹33› Für Meyfart gehörte die Hexerei zu den heimlichsten und verborgensten Sünden, daher musste man bei der Nachforschung und Beurteilung derselben besonders vorsichtig sein.84) Die herrschende Folterpraxis hingegen war in seinen Augen zügellos und von großer Gefahr für unschuldige Personen, die entweder schon in einen Hexenprozess geraten waren oder noch hineingezogen wurden. Denn ihnen allen wurde es von der Gnadenlosigkeit der ‚Hexenmeister‘ nahezu unmöglich gemacht, unbehelligt davon zu kommen.

‹34› Meyfart wusste ganz genau, worüber er bei der Folter schrieb: „Ich bin […] in der Jugend / bey unterschiedlichen peinlichen Fragen gewesen / habe das trawrige Spectackel gesehen.“85) So konnte er, wenn auch in rhetorisch ausformulierter Form, die brutalen Einzelheiten der Misshandlungen bildhaft beschreiben.86) Die Sicht der ‚Hexenmeister‘, die Folter beginne erst mit der rein physischen Drangsal, teilte Meyfart nicht. Für ihn begann sie bereits mit den Haftbedingungen, die mit Schlafentzug und dem Reichen versalzener Speisen erschwert wurden.87) Er will hier jedoch nicht näher ins Detail gehen, denn „einen auffrichtigen Theologen vnd Juristen gebüret nicht / von den Vortheil vnd Handgriffen der Hencker … nachzufragen.“88) Für Meyfart stand vielmehr die Frage im Vordergrund, „ob durch solche Marter neben der schüldigen auch vnschüldiger Personen Namen können außgezwungen / vnd darauff dieselbigen zu der Bekentnis gebracht werden.“ An derselben Stelle beantwortete er diese Frage bereits selbst mit einem dreifachen Ja und lieferte seine Gründe direkt nach: Die übliche Folter sei in ihrem Grad „zu herbe / vnnd menschlichen Cörpern in die beharrliche Läng vnvberwindlichen“.89) Nehme man nun einen Angeklagten heraus aus den „stinckenden vnnd garstigen“ Kerkern, dann seien die Umstände der Befragung im Folterkeller nicht besser. Sie seien von Angst und psychischem Druck geprägt, wenn etwa die grausamen Instrumente gezeigt und in ihrer Wirkung beschrieben würden. Da erkenne jeder, dass es besser wäre zu gestehen, bevor sein „gerader Leib zu einem Krippel gemacht“ würde.90) Nach Meyfart ließ sich an den von Natur aus schwachen Frauen klar zeigen, wie man „aus Angst der Folterey wider sich mit Unwarheit bekennen“ konnte. Jungfrauen, Mägde und Kinder gaben nämlich an, mit dem Teufel Unzucht getrieben zu haben, doch eine kundige Hebamme fände „nicht die geringste Anzeigung“ davon.91) Vor allem die Fragemethoden der Henker und Richter ließen keinen Zweifel am praktizierten Unrecht und daran, dass unschuldige Personen in die Prozesse hineingezogen wurden. Sie stellten den Gefolterten nicht nur ein baldiges Ende der Qual, ja gar mildernde Umstände beim Urteil in Aussicht, wenn sie endlich das gestanden, was sie hören wollten, sondern sie gaben auch mit direkten Namensrückfragen die Bezichtigungen vor, die sie so auch ganz leicht bestätigt bekamen.92) Dazu kamen noch seltsame, fast okkult anmutende Mittelchen der Folterknechte, wie sie Bekenntnisse hervorlocken konnten, etwa mit einem Wasser, das einen nur die Wahrheit sprechen lassen sollte.93) Wenn nun ein Bekenntnis abgepresst worden war, in dem auch Unschuldige als Hexen benannt wurden, wurde es zwar oftmals im Nachhinein widerrufen, aber unter Androhung weiterer Folter sorgte ein Widerruf nur für erneutes Leid, das ein jeder vermeiden wollte.94) Auf dem Weg zum Scheiterhaufen schließlich wollten viele ‚geständige‘ Hexen ihr Gewissen entlasten und vertrauten dem Beichtvater an, unter der Folter die Namen von Unschuldigen genannt zu haben, nur damit die Qual endete. Einem Beichtvater mit „einer geschickten Erfahrung“ müsse es möglich sein, das Unrecht hier zu erkennen, wie Meyfart findet.95)

‹35› Die Beurteilung der Folter fiel bei Meyfart angesichts der angeprangerten Umstände entsprechend vernichtend aus. Er beruft sich auf Rechtsgelehrte, wenn er sie als „ein gebrechlich vnnd gefährlich Ding“ bezeichnet, „welches die Warheit betreugt.“96) Für Meyfart war der menschliche Körper von Gott geschaffen und in seiner Unversehrtheit wunderschön. Die Folter aber entstelle diesen Körper auf grausame Weise und deswegen habe „der Teuffel die vnfletigste Ordnung gestifftet in der Tortur“, um das „herrlichste Geschöpff zu verstören.“97) Damit verkehrte er die bekannten Fronten, wenn er den Teufel nicht bei den vermeintlichen Hexen zu finden meinte, sondern bei den Richtern und Henkern.98) Er widerlegte konsequent die gängigen Einwände, die für die Folter sprechen konnten,99) und bezog letztlich auch klare Stellung zu den Fragen, „ob sie [die Folter] ein nützliches Mittel sey die verborgene Warheit zu erforschen? Ob sie zubehalten in Christlichen Regimenten / oder abzuschaffen sey.“100) Meyfart schickte aber noch eine Bekräftigung vorweg, dass niemand „der hohen Obrigkeit die Hände binden“ wolle, „damit sie nicht hinter die Warheit komme.“ Wenn nämlich jemand tatsächlich verhindern wolle, dass „das Hexenlaster vngerochen außgehe / thut eine solche Sünde / mit welcher keine leichtlich zuvergleichen.“101) Einerseits deutete diese Stellungnahme an, dass Meyfart die Hexerei als Verbrechen durchaus ernst zu nehmen schien, aber andererseits ebnete er damit seiner kritischen Argumentation den Weg.

‹36› Ob die Folter zur Wahrheitsfindung diene, beantwortete er grundlegend mit dem Verweis auf seine vorherige Erörterung, dass „die Tortur von dem Teuffel erdacht vnd erhöhet“ wurde. Bekanntermaßen sei dieser „ein Ertzfeind der Warheit / ein Vater der Lügen / vnd die Warheit ist nicht bey ihm.“ Da der Teufel für Meyfart die Folter stifte, solle für einen jeden Christen offensichtlich sein, dass man sie nicht als „dienliches / nützliches / gewisses vnd vnfehlbares Mittel“ betrachten kann.102)

‹37› Ob die Folter nun beibehalten oder abgeschafft werden sollte, leitete Meyfart mit Hilfe des biblischen Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen her, das man bei Spee schon findet: Ein Mensch pflanzt mit gutem Samen Weizen auf seinen Acker. In der Nacht, wenn alle schlafen, sät sein Feind aber Unkraut dazwischen. Als die Ernte bevorsteht, sieht man auch das Unkraut blühen und so stellt sich die Frage, ob man es ausreißen sollte, weil es ja der Feind gesät haben muss. Die Antwort jedoch lautet nein, damit man nicht auch den Weizen mit ausreißt, wenn man das Unkraut jätet.103) Meyfart benutzte, nach dem Vorbild Spees in der Cautio criminalis, dieses Gleichnis für seine Argumentation und wendete es auf die Folter an: Christus wolle nicht, dass mit dem Unkraut auch der Weizen getilgt werde. Genauso wolle Christus aber auch nicht, dass man alles andere abschaffe, das mit dem Unkraut auch den Weizen tilgen könne. Als Bedingung folge demnach, dass zwar alles abgeschafft werden solle, was mit dem Unkraut auch den Weizen ausreißen könne, aber eben nur bei den Angelegenheiten, bei denen es das auch tatsächlich tue. Die Folter reiße bekanntermaßen auch den Weizen mit aus. Also solle man sie in den Sachen abschaffen, in denen sie das tatsächlich tue, nämlich in den Hexenprozessen, denen auch Unschuldige zum Opfer fallen. Denn so „bleibt der rechte Gebrauch der Tortur / vnd wird nur auffgehaben der Mißbrauch.“104) Meyfart mochte nämlich im deutlichen Gegensatz zu Spee nicht,105) dass die Folter aus der gesamten Gerichtspraxis verschwindet, sondern nur bei den Hexenprozessen, weil hier Unrecht damit geschieht. Er betonte das ausdrücklich, damit ihn niemand „beschüldige […] die Tortur aus dem Römischen Reich zu verbannen. Es gebühret keinem Theologo“ sich „solche Gewalt zuzumessen.“ Wenn bei „Leibes vnd Lebens Gefahr“ in anderen Verbrechen die Beweise sonnenklar sind und der Verdacht begründet ist, „hat es ein andere Beschaffenheit.“106)

‹38› Die Folter war in Meyfarts Augen eine Erfindung des Teufels und sorgte bei den Hexenprozessen dafür, dass nicht nur unschuldige Personen zu Hexen gemacht wurden, sondern dass auch weitere unschuldige Personen über haltlose Bezichtigungen hinein gerieten.107) Er prangerte sowohl die Grundlage an, auf der die Folter stattfand, als auch ihren Verlauf, bei dem reger Missbrauch getrieben wurde. Die gesamte Praxis stellte er insbesondere damit bloß, dass er auf die absurden Geständnisse verwies, die unter der Folter entstanden.

c) Der fragwürdige Wert der Folterbekenntnisse

‹39› Die Qualität der Bekenntnisse konnte keinen Zweifel daran lassen, dass sie überwiegend erzwungen wurden. Denn sowohl die Art und Weise, wie sie zustande kamen, als auch den äußerst fragwürdigen Inhalt nahm Meyfart zum Anlass, dem Unwesen bei den Hexenprozessen entgegen zu treten.

‹40› Die Richter sagen gerne, eine Hexe habe „freywillig ohn Tortur bekennet“, was so viel heiße, dass ihr ‚nur‘ die Folterinstrumente angelegt, diese aber nicht benutzt wurden.108) Wieder berief Meyfart sich auf Juristen, die an dieser Stelle sagten, die Angst vor der Folter wäre der Folter im Grunde gleich.109) Betrachte man sich nun einmal die Bekenntnisse, dann springe einem die Absurdität direkt ins Auge. Die Hexen belasteten sich damit, in einem Augenblick in England, Spanien, Italien oder andernorts gewesen zu sein. Sie hätten in den Palästen der Könige und Kaiser gegessen, obwohl sie abgemagert im Gefängnis lagen. Sie seien durch winzige Öffnungen geschlüpft, um in Häuser einzubrechen, sie hätten sich in Tiere aller Art verwandelt oder sie hätten das Getreide eines Nachbarn auf ihr eigenes Feld gezaubert.110) Alles in allem seien das „vnerfündliche Stücke / welche […] zuerzehlen ein Kind vnd Hoffnarr sich schemete.“ Und so fragte er: „Wo ist Verstand / wo ist Vernunfft?“111) Für Meyfart war es nicht die Verblendung des Teufels, der seinen Anhängern all diese Dinge vorgaukelte, sondern es war der grausame Marterzwang, der den Gequälten die Sinne zerrüttete.112) Seiner Meinung nach sollten Ärzte den Regenten erklären, wie die Folter auf den menschlichen Körper wirkt. Damit würden diese die Anwendung kaum mehr gestatten und sie würden auch verstehen, dass es Personen gibt, die an psychischen Krankheiten leiden. Dieses „schwartze Melancholische Geblüt“113) verstärkte sich ohnehin durch die aussichtslose Situation, in der die Gefangenen sich befanden und der man nur durch den Tod entrinnen konnte.114) In diesen Verhältnissen kam es sogar vor, dass die Angeklagten in ihrem geistigen Zustand so sehr verstört wurden, dass sie „mit den Thoren in jhren Hertzen zu sprechen“ begannen und sagten: „Es ist kein Gott / es ist kein Gott.“115) Meyfart setzte sich auch mit dem Phänomen auseinander, dass der menschliche Körper in der Folter streikte und Ohnmacht eintrat: Wenn es möglich ist, „daß die eusserliche Sinne / das Gehör vnd Gesicht / die Empfindligkeit“ in starker Folter erliegen, dann ist es erst recht möglich, „daß die jnnerliche Sinne / Gedancken / Vorbildung“ erst recht erliegen können. Und so schwatze die Person wirr daher „wie ein Trunckener Bolt“,116) und man würde von ihr bekommen können, was man haben wollte.

‹41› Alle Punkte dieser willkürlichen und ungerechten Praxis zusammenfassend kam Meyfart zu dem Schluss, dass es nur zwei Arten von Geständnissen bei den Hexenprozessen geben konnte: Zum einen die von „wahrhafftigen vnd schüldigen Hexenpersonen“ und zum anderen die von „fälschlich angegebenen vnd vnschüldigen / jedoch bedrohten vnd gepeinigten Personen.“117) Die Folge war, dass man den Geständnissen der ‚echten‘ Hexen nicht trauen konnte, denn die seien ja vom Teufel eingegeben, dem Vater der Lüge. Ebenso wenig konnte man den Geständnissen der Unschuldigen trauen, denn da sie unschuldig waren, konnten sie nichts über Hexentänze und dergleichen wissen.118) Zumal die Unschuldigen ja durch die Folter zu ihren Geständnissen gebracht worden sind. Auf die Frage, was „nun auff die blosse Außsagung der Hexen zu halten“ ist, antwortete er: „Weniger als nichts.“119) Doch auch aufgrund der anderen abgepressten Geständnisse mit all ihren Unstimmigkeiten „kan kein Christliche Obrigkeit […] gegen bißhero vnbeschreyete […] Personen / Gerichtlich mit einfahen / vnd Peinlich mit dem martern verfahren.“120) Meyfart fragte ausdrücklich: „Woher hat die Obrigkeit Gewalt / solchen vngereimpten […] mit grossen Buchstaben zu schreiben […] ABGEPRESSTEN Bekentnussen zu folgen?“121) Damit stand er nun mit seiner Anklage direkt vor den Obrigkeiten, den Fürsten und Regenten, die angesichts der von ihm umfangreich geschilderten Missstände in Zugzwang gerieten.

‹42› Die Verantwortung für die Hexenprozesse suchte Meyfart bei den Geistlichen, bei den Juristen und Richtern und vor allem bei den Fürsten, in deren Herrschaftsbereich die Prozesse stattfanden und die ihre Untergebenen auf grausame Art gewähren ließen. Er klagte zwar die Fürsten aufs Schärfste an, aber dennoch machte er klare, umsetzbare Lösungsvorschläge, wie das unzumutbare Treiben der Hexenprozesse seiner Ansicht nach zu bessern, wenn nicht gar zu beseitigen war.

Meyfarts kritische Beurteilung der Rolle der Obrigkeiten bei den Hexenprozessen und seine Lösungsvorschläge

‹43› Die Verantwortung für die Hexenprozesse suchte Meyfart sowohl bei den Geistlichen als auch bei den Juristen und Richtern. Stets machte er diesen im selben Zuge umfangreiche Besserungsvorschläge, auf die an dieser Stelle aber nur am Rande verwiesen wird.122) Denn wenn Meyfart nach den Ursachen forschte, weswegen es bei der Verfolgung der Hexerei auf der unteren Ebene der Folterkeller so unmenschlich und unrechtmäßig zuging, dann schaute er hinauf auf die Ebene der Residenzen der regierenden Fürsten, unter deren Herrschaft sich das Unwesen erst ausbreiten konnte.

‹44› Das Laster der Hexerei werde von vielen Regenten „jetzunder“ verfolgt, weil sie es „vnter die Ehrenthaten“ rechneten.123) Allerdings machten sie es sich bei dieser Aufgabe selbst zu leicht. Bei der Delegation der Hexenverfolgung von den Fürsten zu den Henkern und Richtern lag nach Meyfarts Ansicht Einiges im Argen. Es war bekannt, dass die ‚Hexenmeister‘, sobald sie vereidigt waren, damit prahlten, wie frei sie verfügen konnten, und dass sie sich damit rühmten, ohne das Wissen höherer Stellen handeln zu können „wie ein klein Reichs Städlein.“ Die „Besoldung auff die Häupter der Gefangenen“ war genauso eine eklatante Schwäche, weil Geld den Hexenrichtern bei diesen Prozessen eine vollkommen falsche und verheerende Motivation sein musste.124) So musste man sich auch nicht über die fehlende „vernünfftige Bescheidenheit“ oder über die „vnbedachtsame Eylfertigkeit“ in der Gerichtspraxis wundern.125) Die Fürsten sagten, sie hätten den „Dienern die Sache auffgetragen / wo Unrecht verfahren würde / müsten solche es verantworten“, sie selbst „wolten ihr Gewissen darüber nicht betrüben.“126) Doch diese Entschuldigung gestattete Meyfart ihnen nicht.

‹45› Meyfart listete den Regenten schonungslos ihre Versäumnisse auf und nahm sie explizit in die Pflicht, die Missstände zu korrigieren. Sie seien nämlich nicht „allzeit vnfehlbar versichert von der Weisheit / Erfahrenheit […] vnd Redlichkeit jhrer Diener.“ Oft seien diese nicht richtig gebildet, „haben wenig studiret“, seien dafür aber opportunistisch. Sobald sie merken, ein Fürst wäre „eyfrig wider das Laster der Zauberey / wollen sie jhm lieblächlen“, um das Beste für sich herauszuholen.127) Es passiere zudem, dass die Diener „mit der Freyheit zunehmen in der Boßheit“.128) Deswegen preist Meyfart auch die Fürsten als löblichste an, „welche die Augen auffthun / vnd besehen die Praedicanten vnnd Officialen […] wie solche beschaffen / von was Geist sie getrieben.“129) Umso schärfer fällt aber seine Beurteilung der aktuellen Zustände aus: Die Regenten sorgen sich lieber darum, „daß die Pferde / Maul Esel / Ochsen […] vnd dergleichen Geschmeis fleissig gewartet werden“, aber „was Gut vnd Blut / Leib vnd Leben / Ehre vnd Namen der armen Unterthanen antriffet“, das haben sie sich „aus dem Sinn geschlagen / vnd andern zu verrichten befohlen.“130) Ohne Zweifel schwebt Meyfart das Bild eines partizipierenden Fürsten vor, der die Geschicke zumindest aufmerksam überwacht oder diese sogar eigenhändig führt. Er soll stets anwesend sein bei der Zeugenbefragung, beim Verlesen der Bezichtigungen, bei der Folter und bei der Urteilsfindung.131) Er soll die von Meyfart angeprangerten Zustände der Prozessführung, der Folter und der Abnahme der Bekenntnisse genau im Auge behalten.132) Insbesondere soll er die Akten- und Protokollführung kontrollieren, denn die Glaubwürdigkeit der erpressten Geständnisse ist bekanntermaßen mit Vorsicht zu genießen. Auch wenn „die Außsagen im ersten Anblick zusammen scheinen“, so „kan eine grosse Widerwertigkeit darunter verborgen ligen.“133) Mit anderen Worten: „O jhr Regenten […] erforschet doch bißweilen vnd schawet selbst an in der nähe / das Elend […] vnd tretet besser hinzu“!134) Sie sollen nicht mehr „mit der Officialen […] Augen“ in die Gefängnisse blicken wie „durch angestriechene Brillen Gläser“, sondern sich auf ihr eigenes Urteil verlassen und dementsprechend handeln. Für Meyfart steht nämlich unumstößlich fest, „nachdem die hohen Regenten in Deutschland angefangen die Cantzleyen vnnd andere Gerichtshäuser zuverlassen / ist es von Tag zu Tag erger worden.“135) Der Grund für die unzumutbaren Zustände der Hexenprozesse war also bei den Fürsten zu suchen.

‹46› Seine explizit formulierten Gegenmaßnahmen waren simpel. Einerseits sollte das heimliche und vor allem öffentliche Verleumden unter Strafe gestellt werden, um den umgreifenden Verdächtigungen Herr zu werden.136) Andererseits sollte es den Predigern verboten werden, wider besseres Wissen von der Kanzel herab zu hetzen.137) Den Regenten schlug er eine Umstrukturierung der Strafgerichte in Hexensachen vor, die grundlegend darin bestand, den Prozessablauf dreizuteilen und in jedem Abschnitt einen anderen Richter zu berufen. Meyfart konstruierte ein gerichtliches System, das sich gegenseitig kontrolliert, Willkür reduziert und somit Sicherheit garantiert.138) Wenn die Regenten seinem Rat folgen und „alle Gebrechlichkeiten von jhrem Theil abschaffen“, da war er sich sicher, „werden keine unschüldige Personen in Leibes vnd Lebens Gefahr von jhrem Theil gerathen.“139) Meyfart teilte nicht direkt die Meinung Spees, „ohne der Obrigkeit Willen weren die Unschüldigen bißhero nicht abgewürget worden“, aber er akzeptierte sie.140) Er verblieb zudem dabei, dass die Obrigkeiten sich bemühen sollten, ein Mittel zu finden, wie man die Schuldigen belangen konnte, ohne dabei die Unschuldigen in Mitleidenschaft zu ziehen. Wenn sie das aber nicht können, und das liege ja auf der Hand, dann sei klar, „daß jhnen gebüre jnnen zu halten wider die Schüldigen / bis der heilige Geist jhnen offenbaret eine Weise / die Unschüldigen allein zu verhüten“.141) Das wäre das vorläufige Ende der Hexenprozesse.

‹47› Meyfart zügelte sich nicht in seiner Kritik und ging mit den Obrigkeiten hart ins Gericht, was zur damaligen Zeit gewagt war.142) Trunz stellt sich die Frage, ob das als ‚mutig‘ beschrieben werden könne. Seiner Ansicht nach überwiege bei Meyfart der religiöse Auftrag, die Menschen und die Zustände, in denen sie leben, angesichts des Jüngsten Gerichts zu bessern. Ein Abwägen über das weltliche Für und Wider sei bei Meyfart „unwesentlich“ gewesen. ‚Mut‘ passe zu einem Helden, nicht zu einem Propheten.143) Meyfart war Lutheraner, er hatte wesentlich mehr Freiheiten als ein Katholik, ein Werk gegen die Hexenverfolgung zu schreiben, da er sich beispielsweise nicht mit der verbindlichen, von den Päpsten legitimierten Dogmatik auseinander setzen musste.144) Aber er wusste, welchen Anfeindungen Tanner ausgesetzt war, und er betonte die Gefahr, in die man sich begab, wenn man sich den Fürsten entgegenstellte.145) Als ein religiöser Mahner trat er unverkennbar dann auf, wenn er beispielsweise den Seelen der schuldigen Henker, Richter und Fürsten am Ende seines Buches eine Höllenfahrt prophezeite, die in der Hexenliteratur der damaligen Zeit einzigartig war.146)

‹48› Mit seiner weltlichen Kritik der Prozesspraxis und der daran anschließenden Kritik der Obrigkeiten zielte er in eine erfolgsversprechende Richtung zur Beendigung der Hexenprozesse. Trusen hat betont, dass das Ende der Hexenprozesse „nicht zuletzt auch das Ende einer Verfahrenspraxis“ war. Es war sinnvoll, dass Spee und auch Meyfart sich gerade der Folter widmeten. Denn erst eine umfassende prozessuale, juristisch angeregte Revision ermöglichte eine veränderte Einstellung gegenüber der Folter und schließlich mit ihrem Ende auch das der Hexenprozesse überhaupt.147) Ebenso war es sinnvoll, sich mit der Kritik den Fürsten oder generell der Staatlichkeit zu widmen. Die Hexenprozesse halfen dabei, den Anstaltsstaat zu etablieren, indem sie der Bevölkerung vor Ort die staatliche Justiz demonstrierten. Der Staat gab den Bürgern so ein Mittel gegen die ‚Hexennot‘ und wurde dadurch zunehmend akzeptiert.148) Schmidt hat in diesem Zusammenhang festgehalten, dass sich größere Territorialstaaten mit einer sicheren zentralisierten Landesherrschaft und entsprechender Kontrolle über die Hochgerichtsbarkeit tendenziell verfolgungshemmend zeigten.149) Begründet war das zum einen darin, dass die Hexereianklagen von einer Zentraljustiz aus dem lokalen Prozessmilieu herausgelöst und von einem elitären Personal bearbeitet wurden, das nicht mehr in die lokalen Konflikte involviert war. Zum anderen wollte die zentralisierte Staatlichkeit die Würde des eigenen Justizapparates bewahren, indem sie große Prozesswellen ablehnte, die nur aufgrund verringerter juristischer Anforderungen (crimen exceptum) möglich waren.150) Je mehr sich die Justiz also auf einen „entpersonalisierten, bürokratischen Apparat“ außerhalb des lokalen Milieus stützte und je mehr sich die „staatliche Detektions- und Sanktionsverwaltung“ ausdifferenzierte, desto weniger schlüssig wurde Zauberei und desto weniger akzeptierte man Hexereiverdächtigungen.151) Meyfart prangerte zuerst die Folterpraxis an und dann auf nächst höherer Ebene die Ordnung der Obrigkeiten. Während sich im Verlauf der Zeit die kritisierten Probleme auf diesen zwei Ebenen allmählich lösten, kamen auch die Hexenprozesse schließlich zum Erliegen.

Schlussbetrachtung

‹49› Meyfart schrieb seine Christliche Erinnerung als praktizierender Prediger, der die Menschen zu Buße und Verinnerlichung mahnte und der die Hexenprozesse als ein Werk des Teufels betrachtete, bei dem man sich aufs Schwerste versündigen konnte. Er schrieb sein Buch als anklagender Theologe, der die Hexenprozesse nicht mit dem christlichen Glauben vereinbaren konnte und seinen Protest aus Nächstenliebe und christlichem Gewissen heraus formulierte.152) Im Rahmen seiner ‚Zwei-Ebenen-Kritik‘ entwickelte Meyfart seine argumentative Originalität nicht auf der unteren Ebene der Verfahrenskritik, sondern erst auf der höheren Ebene der Fürstenkritik, die zudem von einer ungewöhnlichen sprachlichen Schärfe geprägt war.

‹50› Mit dem was er schrieb, war er nicht allein. Vor allem Friedrich Spee diente ihm als Vorbild, sodass er bei den Hexenprozessen sachlich die gleiche Kritik äußerte, die sich vor allem der Folter oder allgemeinen Rechtsfragen widmete. Auch für Meyfart war es dabei typisch, dass er selbst bei schärfster Rüge der juristischen Zustände noch von einem dämonologischen Konservatismus geprägt war.153) Er verwarf nicht den grundsätzlichen Glauben an die Hexerei, das Verbrechen als solches existierte für ihn weiterhin. Die Kritik an der Hexenlehre jedoch rückte so im Vergleich zur Kritik an der Prozesspraxis bei Meyfart in den Hintergrund, wobei er auf dem Gebiet der Dämonologie ohnehin schon wesentlich zurückhaltender argumentierte als Spee. Meyfarts Forderungen nach Veränderungen auf dem Gebiet des Rechtswesens hingegen waren umfangreicher als die von Spee.154) Durch Meyfarts berufliche und in Coburg sogar familiäre Erfahrungen mit den Hexenprozessen155) ist sein Buch spürbar nah am Geschehen und rüttelt auf. Wie sehr sich die Werke Spees und Meyfarts in ihrem Inhalt und ihrer Argumentation glichen, lässt sich daran verdeutlichen, dass sie 1704 in der Veröffentlichung von Thomasius noch einmal nebeneinander abgedruckt wurden.156)

‹51› Auch wenn Rezeption und Wirkung der verfolgungskritischen Literatur schwer zu ermitteln sind,157) so ist ihr Beitrag zur Überwindung der Hexenprozesse im Allgemeinen jedoch immer hervorzuheben. Meyfart verfasste mit seiner Christlichen Erinnerung eine nachhaltige Mahnung, deren Geist auch heute noch präsent ist. Im Laufe des Jahres 2011 gab es ein erstmalig vermehrtes Bestreben mehrerer westdeutscher Städte, die lokalen Prozessopfer zu rehabilitieren.158) Dieser Trend zur endgültigen Aufarbeitung der Hexenprozesse könnte tatsächlich eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte beschließen.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quelle

  • Meyfart, Johannes Matthäus: Christliche Erinnerung / An Gewaltige Regenten / vnd Gewissenhaffte Praedicanten / wie das abschewliche Laster der Hexerey mit Ernst außzurotten / aber in Verfolgung desselbigen auff Cantzeln vnd in Gerichtsheusern sehr bescheidentlich zu handeln sey. Schleusingen 1636.

Literatur

  • Behringer, Wolfgang: Hexen – Glaube, Verfolgung, Vermarktung. München 1998.
  • Behringer, Wolfgang: Hexenverfolgung in Bayern. Volksmagie, Glaubenseifer und Staatsräson in der Frühen Neuzeit. München 1988.
  • Behringer, Wolfgang: „Vom Unkraut unter dem Weizen“ – Die Stellung der Kirchen zum Hexenproblem. In: Dülmen, Richard van (Hrsg.): Hexenwelten – Magie und Imagination vom 16. – 20. Jahrhundert. Frankfurt/Main 1993, S. 15–47.
  • Clark, Stuart: Glaube und Skepsis in der deutschen Hexenliteratur von Johann Weyer bis Friedrich von Spee. In: Lehmann, Hartmut/Ulbricht, Otto: (Hrsg.): Vom Unfug des Hexen-Processes. Wolfenbüttel 1992 (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 55), S. 15–33.
  • Dillinger, Johannes: Hexerei und entstehende Staatlichkeit – Ein Überblick und Anregungen. In: Dillinger, Johannes et al. (Hrsg.): Hexenprozess und Staatsbildung. Bielefeld 2008, S. 1–14.
  • Dörries, Bernd: ‚Hexen hexen gar nicht‘. In: Süddeutsche Zeitung, vom 02.12.2011.
  • Hallier, Christian: Johann Matthäus Meyfart – Ein Schriftsteller, Pädagoge und Theologe des 17. Jahrhunderts. Frankfurt/Main 1926. Neudr. Neumünster 1982.
  • Haustein, Jörg: Bibelauslegung und Bibelkritik – Ansätze zur Überwindung der Hexenverfolgung. In: Lorenz, Sönke/Bauer, Dieter (Hrsg.): Das Ende der Hexenverfolgung. Stuttgart 1995, S. 249–267.
  • Hegeler, Hartmut: Arbeitskreis Hexenprozesse. In: anton-praetorius.de, URL: http://www.anton-praetorius.de/ar-beitskreis/arbeitskreis.htm (Aufruf am 03.12.2011).
  • Lehmann, Hartmut: Johann Matthäus Meyfart warnt hexenverfolgende Obrigkeiten vor dem Jüngsten Gericht. In: Lehmann, Hartmut/Ulbricht, Otto: (Hrsg.): Vom Unfug des Hexen-Processes. Wolfenbüttel 1992 (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 55), S. 223–229.
  • Lehmann, Hartmut/Ulbricht, Otto: Motive und Argumente von Gegnern der Hexenverfolgung von Weyer bis Spee. In: Lehmann, Hartmut/Ulbricht, Otto: (Hrsg.): Vom Unfug des Hexen-Processes. Wolfenbüttel 1992 (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 55), S. 1–14.
  • Merzbacher, Friedrich: Die Hexenprozesse in Franken. München 1970.
  • Oestmann, Peter: Hexenprozesse am Reichskammergericht. Köln 1997 (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 31).
  • Pelizaeus, Ludolf: Gegner und Befürworter der Hexenverfolgung. In: hexenprozesse-kurmainz.de, URL: http://www.hexenprozesse-kurmainz.de/epoche/hexenprozesse/befuerworter-und-gegner-der-hexenverfolgung.html (Aufruf am 22.09.2012).
  • Pelizaeus, Ludolf: Hintergründe der Entstehung von Meyfarts Kritik an den Hexenprozessen und seine Beeinflussung durch Spee. In: Spee-Jahrbuch 8 (2001), S. 33–62.
  • Rummel, Walter: Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit. Darmstadt 2008.
  • Schmidt, Jürgen Michael: Die Hexenverfolgung im weltlichen Territorialstaat des Alten Reichs. In: Dillinger, Johannes et al. (Hrsg.): Hexenprozess und Staatsbildung. Bielefeld 2008, S. 149–180.
  • Schormann, Gerhard: Hexenprozesse in Deutschland. Göttingen 1986.
  • Trunz Erich: Johann Matthäus Meyfart – Theologe und Schriftsteller in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. München 1987.
  • Trusen, Winfried: Rechtliche Grundlagen der Hexenprozesse und ihrer Beendigung. In: Lorenz, Sönke/Bauer, Dieter (Hrsg.): Das Ende der Hexenverfolgung. Stuttgart 1995, S. 203–226.

Fußnoten

  1. Zu nennen wären hier vor allem: Heinrich Kramer (1430–1505), Bartolomeo della Spina (1475–1546), Jean Bodin (1530–1596), Nicolas Rémy (1530–1612), Peter Binsfeld (1545–1598), Martin Delrio (1551–1608), Benedikt Carpzow (1595–1666). Für eine detailreiche tabellarische Übersicht der Autoren siehe: Pelizaeus, Ludolf: Gegner und Befürworter der Hexenverfolgung. In: hexenprozesse-kurmainz.de, URL: http://www.hexenprozesse-kurmainz.de/epoche/hexenprozesse/befuerworter-und-gegner-der-hexenverfolgung.html (Aufruf am 22.09.2012). »
  2. An dieser Stelle seien genannt: Johann Weyer (1515–1588), Hermann Witekind (1522–1603), Johann Georg Godelmann (1559–1611), Anton Praetorius (1560–1613), Adam Tanner (1572–1632), Johann Matthäus Meyfart (1590–1642), Friedrich Spee (1591–1635), Balthasar Bekker (1634–1698), Christian Thomasius (1655–1728). »
  3. Meyfart benutzt ‚Hexenmeister‘ oft als Titulierung für die Verfolgungsbefürworter, womit er diese selbst ins Zwielicht rückt. Es erweckt stets den Eindruck, als würden die Folterknechte, Richter und Antreiber mit ihrem Handeln selbst die Hexen machen, als wären sie selbst die ‚Meister über die Hexen‘. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Titulierung Meyfarts diesem Sinne folgend wiedergegeben. »
  4. Meyfart, Johannes Matthäus : Christliche Erinnerung / An Gewaltige Regenten / vnd Gewissenhaffte Praedicanten / wie das abschewliche Laster der Hexerey mit Ernst außzurotten / aber in Verfolgung desselbigen auff Cantzeln vnd in Gerichtsheusern sehr bescheidentlich zu handeln sey. Schleusingen 1636; Darüber hinaus liefert ein Aufsatz von Pelizaeus interessante Aspekte zum Vergleich zu Friedrich Spee: Ludolf Pelizaeus: Hintergründe der Entstehung von Meyfarts Kritik an den Hexenprozessen und seine Beeinflussung durch Spee. In: Spee-Jahrbuch 8 (2001), S. 33–62. »
  5. Hallier, Christian : Johann Matthäus Meyfart – Ein Schriftsteller, Pädagoge und Theologe des 17. Jahrhunderts. Frankfurt/Main 1926. Neudr. Neumünster 1982; Trunz, Erich: Johann Matthäus Meyfart – Theologe und Schriftsteller in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. München 1987. »
  6. Behringer, Wolfgang: Hexenverfolgung in Bayern. Volksmagie, Glaubenseifer und Staatsräson in der Frühen Neuzeit. München 1988; Behringer, Wolfgang: Hexen – Glaube, Verfolgung, Vermarktung. München 1998; Rummel, Walter: Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit. Darmstadt 2008; Gerhard Schormann: Hexenprozesse in Deutschland. Göttingen 1986. »
  7. Lehmann, Hartmut/Ulbricht, Otto (Hrsg.): Vom Unfug des Hexen-Processes. Wolfenbüttel 1992 (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 55); für das geistliche Spektrum im Speziellen: Behringer, Wolfgang: „Vom Unkraut unter dem Weizen“ – Die Stellung der Kirchen zum Hexenproblem. In: Dülmen, Richard van (Hrsg.): Hexenwelten – Magie und Imagination vom 16.–20. Jahrhundert. Frankfurt/Main 1993. »
  8. Oestmann, Peter: Hexenprozesse am Reichskammergericht. Köln 1997 (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich, Bd. 31); Trusen, Winfried: Rechtliche Grundlagen der Hexenprozesse und ihrer Beendigung. In: Lorenz, Sönke/Bauer, Dieter (Hrsg.): Das Ende der Hexenverfolgung. Stuttgart 1995, S. 203–226. »
  9. Dillinger, Johannes et al. (Hrsg.): Hexenprozess und Staatsbildung. Bielefeld 2008. »
  10. Vgl. Trunz, S. 11. Zur Person Johann Casimirs siehe: Trunz, S. 26–29. »
  11. Vgl. Trunz, S. 11–14. »
  12. Vgl. Trunz, S. 14f. »
  13. Vgl. Trunz S. 18. Zu Heider und seinem Werk siehe: Trunz, S. 16f. »
  14. Vgl. Trunz, S. 19. »
  15. Vgl. Trunz, S. 20–23. »
  16. Vgl. Trunz, S. 23f. Ein ‚Akademisches Gymnasium‘ war eine verhältnismäßig neue Institution im Schulsystem, die ähnlich einer Universität vier Fakultäten besaß. Allerdings konnte man nur bis zum Baccalaureus studieren, sozusagen nur das Grundstudium. Die Professoren wurden nicht jährlich gewählt, sondern waren fest angestellt. Gymnasien dieser Art waren aufgrund ihrer geringen Größe bei den Eltern sehr beliebt und wurden in der akademischen Welt ebenso geschätzt. Vgl. dazu Trunz, S. 29. Zur näheren Geschichte des Casimirianums und zum Lehrkörper siehe Trunz, S. 30–32. »
  17. Vgl. Trunz, S. 32. »
  18. Vgl. Trunz, S. 39. »
  19. Die Kindersterblichkeitsrate der Zeit nahm ihm insgesamt sechs Kinder, zwei Söhne überlebten. In seinem Haushalt lebte nicht nur sein jüngerer Bruder, sondern meistens wurden seiner Obhut gegen ein gewisses Entgelt auch die Schulkinder engagierter Eltern überlassen, vgl. Trunz, S. 40f. »
  20. Vgl. Trunz, S. 33f.; S. 36f. »
  21. Vgl. Trunz S. 47; von den schriftstellerischen Arbeiten im Allgemeinen wird noch im folgenden Kapitelabschnitt zu sprechen sein. »
  22. Vgl. Trunz, S. 42; S. 345. »
  23. Zur politischen Haltung Johann Casimirs und der damit verbundenen Konsequenzen für Sachsen-Coburg siehe Trunz S. 44; S. 45f. »
  24. Vgl. Trunz S. 43. »
  25. Vgl. Rummel, S. 70; Behringer, Hexenverfolgung, S. 416f. (v. a. Anm. 39); Behringer, Unkraut, S. 34f. »
  26. Vgl. Trunz, S. 214f. Die geographische Nähe zu den verfolgungsstarken Bistümern Würzburg und Bamberg sollte in ihrer Wirkung auf das benachbarte Coburg nicht unerwähnt bleiben. Die allgemeinen Bestimmungen des Reichrechts zur Hexerei werden später noch angesprochen. »
  27. Vgl. Trunz, S. 234. Es gab in Coburg aber auch weitere Hinrichtungen im Rahmen anderer Strafverfahren, die Meyfarts persönliche Wahrnehmung der Prozesswillkür zudem beeinflusst haben könnte. »
  28. Der Stiefgroßmutter von Meyfarts Ehefrau wurde im Rahmen einer Beleidigungsklage auch Hexerei vorgeworfen, sodass das Gericht das weitere Vorgehen von Meyfarts Gutachten abhängig machte. Er listete darin die Verdächtigungen gegen die Angeklagte auf, sah die Anklage aber nicht begründet. Nach einer erneuten Befragung des Ehepaars Meyfart wurde die Frau dennoch verhaftet, gefoltert, verurteilt und 1628 hingerichtet. Anhand ihrer Besagungen kam es in Coburg danach zu weiteren Prozessen, vgl. Pelizaeus, Hintergründe, S. 42f. »
  29. Meyfart, S. 136. »
  30. Meyfart, S. 108. »
  31. Die genauen Umstände der Vorwürfe gegen Meyfart liegen im Dunkeln. Trunz, S. 49, vermutet eine äußerst negative Resonanz auf Meyfarts generell scharfe Kritikerzunge. Aus einer anderen Perspektive heraus kann man Meyfart auch grundlegende Schwierigkeiten mit Vorgesetzten unterstellen, vgl. Pelizaeus, Hintergründe, S. 36f. »
  32. In Erfurt fand Meyfart des Weiteren völlig andere Verhältnisse vor als in Coburg: Er hatte einerseits keinen direkten weltlichen Fürsten über sich, da Erfurt sich durch geschicktes, politisches Handeln im Laufe des Spätmittelalters von Kurmainz lösen konnte, und andererseits hatte er keinen geistlichen Intendanten über sich, vgl. Trunz, S. 54f. »
  33. Zur Geschichte der Erfurter Universität siehe Trunz, S. 52–54; zur Mitwirkung Meyfarts siehe Trunz, S. 58f. »
  34. Vgl. Trunz, S. 61f. »
  35. Vgl. Trunz, S. 64f. »
  36. Vgl. Trunz, S. 63; S. 67f. »
  37. Vgl. Trunz, S. 71; S. 73. »
  38. Trunz stellt das Gesamtwerk Meyfarts ausführlich dar: für eine Liste der Hauptwerke siehe Trunz, S. 439; für die Coburger lateinischen Schriften siehe Trunz, S. 74–92; für die Coburger deutschen Schriften siehe Trunz, S. 93–112; für die Erfurter Schriften siehe Trunz, S. 256–272; für die rhetorischen Schriften siehe Trunz, S. 163–210; für die eschatologische Trilogie im Speziellen siehe Trunz, S. 113–162; für die Gedichte und Lieder siehe Trunz, S. 273–298. »
  39. Zur Schrift gegen die Verwilderung der Universitäten im Speziellen siehe Trunz, S. 245–255. »
  40. Vgl. Trunz, S. 217f. »
  41. Vgl. Trunz, S. 221–224. Benedikt Carpzow kann man allerdings auch als ein Opfer einer „Gewissheitskrise“ betrachten: Als Jurist war er an die rigorose Landesgesetzgebung gebunden und musste daher das vertreten, was er persönlich eigentlich nicht vertreten würde. Siehe dazu: Trusen, S. 217–219. »
  42. Vgl. Trunz, S. 227f. »
  43. Geht man mit Trunz, dann hatten die Werke des Lutheraners Theodor Thummius (1586–1630) von 1622 und des Jesuiten Adam Tanner von 1627 eher nebensächlichen Charakter, gemessen an der zeitgenössischen Resonanz und vor allem im Vergleich zu den vier, explizit auf die Hexenverfolgung abzielenden Werken, vgl. Trunz, S. 228. »
  44. Vgl. Trunz, S. 233; vgl. hierzu auch die tabellarische Übersicht der deutschen Hexenliteratur bei: Pelizaeus, Hintergründe, S. 56–62. »
  45. Meyfart, Vorrede. »
  46. Das Ende der Welt vermutete Meyfart vermutlich um das Jahr 1670 herum. Die allgemein katastrophalen Zustände der Welt mit Krieg und Seuchen, mit gesellschaftlicher Verdorbenheit wurden als Vorboten des Jüngsten Gerichts gedeutet, vgl. Trunz, S. 44; S. 340f. Hallier konstatiert hier einen Unterschied zu den Erbauungsbüchern: In der Hexenschrift gelte Meyfarts Mahnung um das Seelenheil nicht mehr der Besserung des einzelnen Menschen, sondern der Besserung ganz bestimmter irdischer Zustände, nämlich die der Hexenprozesse, vgl. Hallier, S. 69f. »
  47. Trunz, S. 343; zur „Radikalität des Denkens“ auch: Trunz, S. 49. »
  48. Meyfart, S. 264, führte hier weiter aus: „Was sollen auffrichtige vnd ehrliche Theologen vnd Juristen thun? Die Hexenmeister wollen tödten / die Martermeister wollen würgen? Sie sollen erretten diejenigen / welche die Hexenmeister unschüldiger Weise tödten wollen: vnd sich nicht entziehen von denjenigen / welche die Martermeister unschüldiger Weise würgen wollen.“ »
  49. Nach Trunz, S. 342, habe Meyfart zwar gegen Fürsten polemisiert, sei aber kein politischer, sondern ein durchaus religiöser Mensch gewesen. Meyfart schrieb im Vorwort noch dazu: „Solte ich gentzlich schweigen / vnd die Ursachen vbergehn / würde mein Gewissen betrübet werden.“ Es wird noch zu zeigen sein, inwieweit sich das alleinige Motiv des religiösen Mahners im Rahmen der Christlichen Erinnerung vertreten lässt. »
  50. Trunz., S. 54. »
  51. Meyfart, Vorrede. »
  52. Darüber hinaus nahm es sein Drucker Peter Schmidt mit Vorschriften nicht so genau, vgl. Trunz, S. 69. Sein Verleger Johann Birckner war Mitglied des Erfurter Rates und dürfte, wie Pelizaeus vermutet, aufgrund seiner „aktiven Rolle als evangelischer Christ“ das Buch betreut haben, vgl. Pelizaeus, S. 45f., Zitat S. 46. »
  53. Schleusingen war im Vergleich zu Erfurt stark von Hexenverfolgungen gezeichnet: Insgesamt 107 Hexen wurden dort zwischen 1597 und 1676 hingerichtet. Die Veröffentlichung sollte eine „unmittelbare Wirkung und Umsetzung“ erfahren und zwar dort, wo auch ein „Handlungsbedarf“ bestand, Pelizaeus, S. 44. »
  54. Eine klare inhaltliche Strukturierung fällt bei Meyfarts Buch recht schwer, da er an vielen Stellen Argumente wiederholt beziehungsweise sie in neue Kontexte einbettet. Oftmals schiebt er ergänzend zu seiner eigenen Darstellung auch Kapitel dazwischen, in denen er die Argumente der Verfolgungsbefürworter dezidiert widerlegt. Ebenso bringt er auch an mancher Stelle Geschichten, mal aus der Bibel, mal aus seiner eigenen Feder, die zwar die Aussagen lebensnah unterstreichen, dafür aber auch die Struktur aufbrechen. »
  55. Vgl. Trunz, S. 233. Auch wenn er Spee nicht als Verfasser der Cautio criminalis nennt, so ist hier im Gegensatz zu Trunz dennoch anzunehmen, dass Meyfart eine sehr genaue Vorstellung über die Autorenschaft dieses Werks gehabt haben dürfte, vgl. dazu Pelizaeus, S. 44. »
  56. Meyfart, S. 246. »
  57. Meyfart, S. 186; vgl. dazu auch: Meyfart, S. 56. »
  58. Meyfart, S. 187. Meyfart schilderte hier eine bestimmte Ausprägung von Staatlichkeit, die tendenziell zu starken Verfolgungen führen konnte. Nach Dillinger könne man nämlich nicht von der Existenz bestimmter administrativer Formen auf die Haltung der Staatsführung zur Hexenverfolgung schließen. Von besonderer Bedeutung sei vielmehr, welcher und wessen politischer Wille umgesetzt würde. Demnach unterscheidet Dillinger zwei Typen: intensive Hexenverfolgungen ‚von oben‘ und intensive Hexenverfolgungen ‚von unten‘. Kennzeichnend bei letzteren seien eine Zurückweisung zentralisierter, professionalisierter, hierarchisierter Behörden und eine Installation von älteren, lokalen Ordnungsstrukturen, vgl. Johannes Dillinger: Hexerei und entstehende Staatlichkeit – Ein Überblick und Anregungen. In: Johannes Dillinger et al. (Hrsg.): Hexenprozess und Staatsbildung. Bielefeld 2008, S. 1–14, hier: S. 10–12. Die spezielle Form der Hexenprozesse ‚von unten‘ wird Meyfart prägenderweise in Sachsen-Coburg miterlebt haben, vgl. Rummel, S. 118. »
  59. Meyfart, S. 209. Meyfart verwies an anderer Stelle, S. 49, auf die Gefährlichkeit des Verleumdens: Es folge „die Mordthat / wenn nemlich vngerechte Eyferer manches Christlichen Mensches ehrlichen Nahmen vnnd Ruhm mit jhren spitzigen Zungen vmbringen vnd erwürgen.“ So sei seiner Ansicht nach ein Dieb nicht so schlimm wie ein Lügner, vgl. Meyfart, S. 50. Die entscheidenden Indizien, ob jemand überhaupt erst einmal in einen Hexenprozess geriet, waren auch nach Schormann, S. 48, das „durch Zeugenaussagen belegte Gerücht und die Besagung durch geständige Hexen.“ »
  60. Vgl. Meyfart, S. 57f. Hier drängt sich die Erinnerung an den Coburger Hofprediger Nikolas Hugo auf. »
  61. Vgl. Behringer, Hexenverfolgung, S. 15. Der Pakt mit dem Teufel wird als ein Verschwören gegen Gott und damit gegen die christliche Weltordnung verstanden. Die ‚Hexe‘ huldigt fortan dem Teufel nach einem bestimmten Zeremoniell. Die Teufelsbuhlschaft, also der Geschlechtsakt mit dem Teufel, kann als Teil dieser Huldigung verstanden werden. Über den Bund mit dem Teufel erwirkt die ‚Hexe‘ für sich Fähigkeiten zum Hexenflug oder auch zum Schadenszauber. Schormann, S. 23, zählt den möglichen Hexenflug nicht zu den Bestandteilen. Die Möglichkeit des Fluges wurde bereits in der zeitgenössischen Debatte angezweifelt, ebenso bestand keine Klarheit über die realen Auswirkungen von Schadenszauber. Zur Entwicklung des Hexenbegriffs siehe: Rummel, S. 22–28; Oestmann, S. 26–30. »
  62. Schormann, S. 22f., nennt als ‚Hexenprozess‘ beispielsweise nur einen Prozess, in dem alle genannten Teilbestände als Anklagepunkte behandelt wurden. ‚Zaubereiprozesse‘ bezögen sich meistens nur auf Schadenszauber. Merzbacher ermittelt hingegen vier Tatbestände, die gänzlich aus der Hexenlehre heraus gelöst und nur aus rechtspositivistischer Perspektive behandelt werden: Gotteslästerung, Sodomie (Teufelsbuhlschaft), Zauberei und Ehebruch (für verheiratete Hexen), vgl. Friedrich Merzbacher: Die Hexenprozesse in Franken. München 1970, S. 70f. Für einen genaueren Überblick der Forschungsdiskussion über die essentialia eines Hexenprozesses siehe: Oestmann, S. 30–32. »
  63. Trusen, S. 209, bringt es auf eine Formel: „Ohne Annahme einer Hexensekte kein Nachspüren nach weiteren Mitgliedern, ohne Folter keine Besagung, ohne Besagung keine Massenverfolgung.“ Vgl. auch Schormann, S. 23; Rummel, S. 43f. »
  64. Meyfart, S. 55. »
  65. Meyfart, S. 55. Zu den „Gemeinen / vnd an allen Orten vblichen Lastern“ zählte er beispielsweise Diebstahl, Ehebruch und Todschlag. Die Hexerei übertraf das aber, sie zählte zu den „grundschädlichen Sünden“. »
  66. Meyfart, S. 56. »
  67. Meyfart, S. 199. Vor allem bei der Zulassung von sonst nicht gestatteten Zeugen (bereits Verurteilte, also auch bereits ‚geständige‘ Hexen, Ehrlose etc.), bei der Anerkennung von ‚verdächtigem‘ Verhalten und Gerüchten als Realindizien sowie bei der schnellen Verordnung der Folter wich man oft von der Norm ab, vgl. Rummel, S. 40f. »
  68. Meyfart, S. 200. »
  69. Meyfart, S. 200f. Die Richter versuchten auf allen Wegen zu verhindern, dass die Unschuld eines Angeklagten bewiesen werden konnte. Sie erschreckten sogar vor der Tatsache, dass etwas gegen die Anklage stehen konnte. Sie verboten Anwälte, weil diese vielleicht ihre ‚Kunstgriffe‘ aushebeln konnten, vgl. Meyfart, S. 202f. »
  70. Meyfart, S. 224. »
  71. Meyfart, S. 202. Das hatte die Folge, dass den Angeklagten, kaum im Gefängnis, die Anklage rasch verlesen wurde und sie weder Bedenkzeit noch Gelegenheit bekamen, dazu Stellung zu beziehen. Aus Angst und Überforderung machten sie dann meist unüberlegte Aussagen, vgl. Meyfart, S. 203. Die Angeklagten konnten auch nicht einmal den Rechtsweg gegen das Urteil beschreiten, das ihnen die Folter verordnete, weil der Prozessablauf zu schnell war, vgl. Meyfart, S. 204. So fehlte den Angeklagten meist die Zeit, beispielsweise Klage gegen ihren Prozess vor dem Reichskammergericht einzureichen, das in vielen Fällen Mandate ausstellte, um eine strikte Einhaltung der geltenden Prozessgrundsätze zugunsten der Angeklagten anzumahnen oder um überhaupt die Jurisdiktionsgewalt der untergerichtlichen Instanzen über die Angeklagten zu klären, vgl. dazu Oestmann, S. 159–161; S. 164f. »
  72. Meyfart, S. 204. Es herrschte also eine gewisse Exklusivität, von der die ‚Hexenmeister‘ als vermeintliche ‚Fachkundige‘ profitierten. »
  73. Vgl. Meyfart, S. 205. »
  74. Meyfart, S. 60. »
  75. Meyfart, S. 198. »
  76. Meyfart, S. 199; zur fehlenden Sanftmut der Priester und ihrem Drängen zum Bekenntnis vgl. auch Meyfart, S. 244. »
  77. Meyfart, S. 205. »
  78. Meyfart, S. 61. Die entsprechende Bibelstelle sei in ihrer begrifflichen Dimension nämlich schwer zu erfassen. Meyfart behauptete hier, die Verfechter verstünden selbst nicht, von welchen Missetaten im Text überhaupt die Rede sei. Das lateinische maleficos lässt sich nicht eindeutig mit ‚Zauberinnen‘ übersetzen, erst recht nicht, wenn man von den hebräischen Bibeltexten ausgeht. Ferner führt Haustein, Jörg: Bibelauslegung und Bibelkritik – Ansätze zur Überwindung der Hexenverfolgung. In: Lorenz, Sönke/Bauer, Dieter (Hrsg.): Das Ende der Hexenverfolgung. Stuttgart 1995, S. 249–267., hier: S. 250f., neben der mosaischen auch noch weitere, bei den Verfechtern der Hexenlehre gängige Bibelstellen an. Interessant ist vor allem sein Verweis auf die frühe Exegese von Exodus 22,18 im Mittelalter. Demnach sei man da bei maleficium noch von dem ‚Übel‘ als ein Irrtum ausgegangen, das man aus der Gemeinschaft der Gläubigen fortschaffen sollte. ‚Zauberer‘ seien keine Gefahr, sondern unmündige Kinder. Eine Todesstrafe für Zauberer und Zauberinnen sei das nicht gewesen. Erst das „kumulative Hexenbild hat sich an der traditionellen Exegese ‚vorbeientwickelt‘. In einem hermeneutischen Zirkel wurden dann nachträglich die alttestamentlichen Termini mit dem kumulativen Hexenbegriff verbunden“, vgl. Haustein, S. 254–256, Zitat: S. 256; siehe auch: Behringer, Unkraut, S. 19f. »
  79. Meyfart, Vorrede. »
  80. Vgl. Trusen, S. 221f.; Rummel, S. 48. »
  81. Die Prozesse fußten auf der peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. von 1532, der so genannten Carolina. Die Adaption des römischen Rechts, das beispielsweise auch die Folter kannte, wurde in diesem Strafgesetzbuch abgeschlossen. Die Hexerei wurde hierin als ein mit dem Tode zu bestrafendes Verbrechen geführt, sofern ein Schaden nachweisbar war, der mittels Zauberei zustande kam. Bei Hexerei ohne Schadensverursachung genügte eine arbiträre Strafe. Die Hürden für eine Folter waren relativ hoch, nur aufgrund schwerer Indizien durfte sie verordnet werden, simple Anzeigen genügten nicht. Aufgrund einer salvatorischen Klausel war die Carolina aber nicht für alle Territorien verbindlich. Sie war von einer konzeptionellen Offenheit geprägt und war moderat im Ton. Einerseits konnten Betroffene in den Hexenprozessen das zu ihrem Vorteil nutzen, wenn sie gegen Verstöße gegen die Carolina in ihrem Verfahren klagten. Andererseits gab es den einzelnen Territorien die Möglichkeit, eigenständige Strafgesetzordnungen aufzustellen, wie etwa 1572 die Kursächsischen Konstitutionen, die meist präziser und auch strenger ausfielen, vgl. Trusen, S. 207f.; Rummel, S. 54f.; Oestmann, S. 34f. Vor allem die so genannte ‚Spiritualisierung‘ des Hexereidelikts, wie sie in den Kursächsischen Konstitutionen nachweisbar ist, hatte schwere Folgen für die Prozesse: Die Hauptanklage, und damit die größte Last des Verbrechens, verlagerte sich von den bekannten Teilbeständen des Hexereidelikts auf den Teufelspakt. Die Frage des Schadensrealismus der Carolina, also ob überhaupt ein Schaden durch Hexerei verursacht wurde, wurde damit nebensächlich. Der Teufelspakt als Abfall von Gott wurde, wie beim Ketzereidelikt, so oder so mit dem Tode bestraft, vgl. Behringer, Hexenverfolgung, S. 124f.; Rummel, S. 44; Oestmann, S. 36. »
  82. Die Carolina verband das alte Akkusationsverfahren mit dem Inquisitionsverfahren. Ersteres sollte als Regelfall gelten, letzteres als Ausnahmeform des Strafverfahrens. Es gab keine direkte Anklage (accusatio) mehr, die von einem Kläger vorgetragen wurde und für deren Folgen dieser haftbar gemacht werden konnte, sondern es wurde von Amts wegen ermittelt. Das Gericht musste inquirieren, um die nötigen Beweise zu erbringen. Der Kläger war also identisch mit dem Richter, das Verfahren war nicht öffentlich, es wurde alles im Inquisitionsprotokoll schriftlich für die Urteilsfindung festgehalten und die inquisitorischen Maßnahmen schlossen die Folter im Falle der Hexerei als Ausnahmeverbrechen mit ein, vgl. Rummel, S. 36–40; Oestmann, S. 154f.; Schormann, S. 42f.; Merzbacher, S. 30. »
  83. Es gab bei den Hexenprozessen kaum freiwillige Zeugen, die eine ‚Hexe‘ belasten würden, da man so selbst leicht in Verdacht geriet. Hexerei galt als heimlich, nur Hexen konnten also davon wissen. Darüber hinaus war es ausgeschlossen ein corpus delicti zu finden, vgl. Rummel, S. 48f.; Oestmann, S. 170f. »
  84. Vgl. Meyfart, S. 58. »
  85. Meyfart, S. 136. Meyfart betonte in diesem Zusammenhang deutlich, dass er nicht aus persönlichem Eifer mit Folter und Hexenprozessen zu tun hatte, sondern dass er „in meinen Diensten bey Torturen vnd Zusehern gewesen.“ Alles, was er darüber schrieb, hatte er „aus christlicher Leut Erzehlung“, Meyfart, S. 266. »
  86. Vgl. Meyfart, S. 137. »
  87. Vgl. Meyfart, S. 135f. »
  88. Meyfart, S. 138f. »
  89. Meyfart, S. 139. Er schrieb, S. 140, dass sogar „baumstarcke junge Cerlazen“ nach der Folter zehnmal lieber sterben wollen würden, als noch einmal diese Qualen erleiden zu müssen. »
  90. Meyfart, S. 146. Die Angeklagten gaben oft schon alles zu, um den Schmerzen zu entgehen, noch bevor die Folter überhaupt anfing, vgl. auch Meyfart, S. 140; S. 142. »
  91. Meyfart, S. 148. An späterer Stelle, S. 226, griff er es noch einmal auf, wobei er da den Geschlechtsakt mit dem Teufel auf grundsätzliche Art in Frage stellte. Der Akt wäre ein Blendwerk des Teufels und nicht real, die Hexen glaubten also nur, es wäre geschehen. »
  92. Gerade hier zeigte Meyfart deutlich, wie willkürlich die Vorstellung von Hexerei als Verbrechersekte in der Praxis umgesetzt wurde. Man wollte die Namen weiterer Hexen, brachte sie also entweder eigenhändig in die Verhöre ein, weil auch die Henker die allgemeinen, lokalen Gerüchte um bestimmte Personen kannten, oder man konnte die Aussagen in den Bekenntnissen gezielt aufeinander abstimmen. Auch die Schriftlichkeit des Inquisitionsverfahrens spielte hier eine verheerende Rolle, da man mit den Protokollen einen detaillierten ‚Bezichtigungskatalog‘ schaffen konnte, vgl. Meyfart, S. 149–152; S. 178f. Meyfart zeigte auch, woher die erzwungenen Namen der Mithexen meistens stammten: aus Personenkreisen von Familien und Berufen, die bereits mit Hexerei in Verbindung gebracht worden waren. Ganze Häuser und Zünfte wurden so ausgerottet, vgl. Meyfart, S. 154f; S. 175–177. »
  93. Vgl. Meyfart, S. 144f. »
  94. Vgl. Meyfart, S. 141f. Bei einem Widerruf wurde eben immer wieder gefoltert, bis die Richter das nötige Geständnis hatten, um zur Hinrichtung zu schreiten, vgl. Meyfart, S. 155f. Die Carolina verordnete die Freilassung nach der dritten ergebnislosen Folter, also folterte man zuvor oft exzessiv, vgl. Rummel, S. 55f. »
  95. Meyfart, S. 147. »
  96. Meyfart, S. 142. »
  97. Vgl. Meyfart, S. 137f., Zitat: S. 138. »
  98. Vgl. dazu auch Trunz, S. 238. Es passt dazu, dass Meyfart über die Folterknechte auch einen Schleier des Okkulten und Teuflischen warf, wenn er von geheimen Wässerchen und Wahrheitselixieren sprach. Er ging, S. 163, sogar noch einen Schritt weiter: „Ich glaube / die Hencker haben die mancherley Qualen dem Teuffel abgelernet / vnd in dessen Schul die Regulen gemercket / sonsten were fast vnmüglich die Tortur so hoch zu vbernehmen. Die Tortur der Hencker vnd Peinigung der Teuffel sehen sich ein ander ähnlich / als ob sie Geschwistern weren.“ »
  99. Beispielsweise legte Meyfart, S. 138, dar, dass die Folter „nicht von jrgend einem Apostolischen vnd Christlichen Lehrer der Kirchen gut geheissen worden.“ Mit Verweis auf den Kirchenvater Augustinus betonte er, dass die Folter sämtlichen Artikeln der christlichen Religion zuwider lief, vgl. Meyfart, S. 169. Darüber hinaus zeigte er, wie lange die Folter schon entgegen der herrschenden Lehrmeinung von Tyrannen gegen die Untertanen gebraucht wurde, vgl. Meyfart, S. 172f., oder wie auch päpstliche Kanonisten aus ihren Aufzeichnungen wissen mussten, dass Unschuldige sich in der Folter selbst belasteten, vgl. Meyfart, S. 173f. »
  100. Meyfart, S. 165. »
  101. Meyfart, S. 165f. »
  102. Meyfart, S. 166. Des Weiteren stellte er pauschal die Frage danach, wie nun ein Richter den Unterschied erkennen wollte, ob ein Schuldiger in der Folter alles gestehe, was er wirklich getan hat, oder ob ein Unschuldiger in der Folter alles gestehe, was er in Wahrheit nicht getan hat, vgl. Meyfart, S. 167. In diesem Zusammenhang setzte er sich auch mit dem Argument der Befürworter auseinander, Gott würde die Unschuldigen stärken, sodass sie die Folter überstehen könnten. Dem sei aber nicht so, vgl. Meyfart, S. 167. Meyfart berief sich, S. 104, sogar grundsätzlich auf die „zeitliche Züchtigung vber die Frommen“, die Gott sich vorbehalte und für die er sich sämtlicher Mittel, beispielsweise Folterknechte, bedienen könne. Vgl. zum „Leiden der Gerechten“ auch Hallier, S. 70. »
  103. Das Gleichnis (Matthäus 13, 24–30) beschrieb Meyfart erstmals auf S. 128. »
  104. Vgl. Meyfart, S. 170f., Zitat: S. 171. »
  105. Meyfart, S. 170, schien sich an folgender Formulierung des ‚gelehrten päptischen Scribenten‘ zu stoßen: „Darumb ist die Tortur / welche man sol gäntzlich abschaffen.“ Deswegen kam er bei seinem Schluss zu einer dezidierteren Meinung. Zu Spees Forderung vgl. auch Schormann, S. 38. »
  106. Meyfart, S. 171. »
  107. Grundsätzlich bewertete auch Spee die Folter auf ähnliche Weise, vgl. Pelizaeus, Hintergründe, S. 48–50. »
  108. Meyfart, S. 159. »
  109. Bereits die alleinige Androhung der Folter musste man gut begründen können, vgl. Meyfart, S. 160. »
  110. Meyfart zählte hier eine ganze Reihe solcher ‚Verrücktheiten‘ auf, vgl. Meyfart, S. 160f.; S. 162. An späterer Stelle, S. 213–217, erörterte Meyfart noch weitere Ungereimtheiten: das Verspeisen von Kröten und ähnlichem Getier, das Verspeisen von toten Körpern, das Verwandeln in Tiergestalt und das Reisen von einem Ort zum nächsten innerhalb eines Augenblickes. Für alles kannte Meyfart eine passende Erklärung, die sich an dieser Stelle meist mit den Möglichkeiten des Teufels in der Welt befasste. Vor allem aber setzte er sich, S. 218–220; S. 225, mit der Vorstellung des Hexensabbats kritisch auseinander. Insgesamt acht Bedenken formulierte er gegen die gängigen Vorstellungen, wenngleich er dieses Konstrukt der Hexenlehre nicht per se anzweifelte. Er berief sich auf Tanner, wonach die Zusammenkünfte meistens vom Teufel gegebene Einbildungen der Hexen waren, hin und wieder aber auch real stattfanden. »
  111. Meyfart, S. 161. »
  112. Man muss den Gepeinigten nur einmal dabei ins Gesicht sehen, „die Bewegung der Augen / die Gebehrden der Hände“ betrachten, da findet man sofort die „klare Andeutung derer Bethörten vnnd Verruckten Sinnen“, Meyfart, S. 162. »
  113. Meyfart, S. 162. Solche ‚melancholischen‘ Menschen belasteten sich absichtlich selbst mit schweren Untaten. »
  114. Er konnte es sich kaum ausmalen, was in den Köpfen der Angeklagten vorgehen mochte, wenn sie sich selbst schwer belasteten: „Was für seltzam Bilder treten in die Phantasey / was für falsche Beschwerungen fallen in die Gedancken / was für nichtige Anklagen kommen auff die Zungen“, Meyfart, S. 163; vgl. auch S. 242. »
  115. Meyfart, S. 241. Als Theologe und Prediger musste dieser Punkt für Meyfart besonders schwerwiegend gewesen sein. »
  116. Meyfart, S. 164. Die Meinung der ‚Hexenmeister‘, dieser ‚Hexenschlaf‘ sei eine Hilfe des Teufels, widerlegte Meyfart, S. 195–197, konsequent: Aus heidnischen Historien gehe hervor, dass es Naturkräfte gegeben hat, die den Gepeinigten geholfen haben und aus christlichen Historien gehe hervor, dass Gottes Kräfte den Märtyrern geholfen haben. Beides solle nun auf einmal Zauberei gegen die Folter sein? Wenn eine Hexe in der Folter nicht richtig blutet, sei es keine Zauberei. Wenn sie stirbt, habe sie auch nicht der Teufel erwürgt. Alles sei Blendwerk der ‚Hexenmeister‘. »
  117. Meyfart, S. 227. »
  118. Vgl. Meyfart, S. 228. »
  119. Meyfart, S. 231. »
  120. Meyfart, S. 209. Meyfart kam auch an anderer Stelle zu genau diesem Schluss, vgl. S. 98. »
  121. Meyfart, S. 210. »
  122. Den Geistlichen gab Meyfart, S. 212, eine klare Mitschuld an der Ausbreitung der Hexenprozesse, wenn sie das Volk von der Kanzel herab aufstachelten und auch die Fürsten damit in Zugzwang brachten, weil der normale Bürger unbedingt die Hexen ausgetilgt haben wollte. So legte Meyfart, S. 250f., seinen Standeskollegen grundsätzlich nahe, sich nur dann an etwas zu beteiligen, wenn sie das nötige Wissen, die Erfahrung und Übung darin haben. Sie sollten nicht grundlos hetzen, sie sollten reflektierte Meinungen von sich geben, nicht das Gerede des Volkes blind in die eigenen Predigten aufnehmen und sie sollten sich erst recht nicht den Obrigkeiten andienen. Vor allem nahm er sich, S. 259–262, die Beichtväter und Seelsorger der ‚Hexen‘ vor, denen er nachdrücklich ins Gewissen redete: Sie stünden zwischen Gott und den Verdammten, nicht zwischen der Obrigkeit und den Verdammten, das heiße, sie sollen ihnen nicht zürnen, sondern mitfühlend und barmherzig sein. Sie sollen die unter Hexereiverdacht Stehenden nicht voreilig als Hexen betrachten, ganz gleich, ob schon ein Geständnis vorliege oder nicht. Erst recht sollen sie nicht auf die Gefangenen einwirken, um unbedingt ein Schuldbekenntnis zu bekommen. Denn es sei unwahrscheinlich, dass sie in der Beichte etwas bejahen, weil sie zuvor schon Vieles bejahen mussten, was sie unter Umständen gar nicht getan hätten. Vielmehr sollen sich die Beichtväter in die Gemüter hineinversetzen, um die Wahrheit zu finden. Ebenso sollen sie die Protokolle im Auge behalten, um bei Unstimmigkeiten die ‚Hexenmeister‘ auch gegen deren Willen darauf hinzuweisen und eine Überprüfung zu fordern. Aber auch den Juristen gab Meyfart, S. 138; S. 157f., eine Mitschuld, die aus ihren Studierstuben heraus und nur aufgrund der Akten die Folter über Angeklagte verhängten. Dabei wüssten sie vom Elend, das sie damit stiften, nur genauso viel wie der Blinde von den Farben. Er sagte auch den Richtern, S. 256–258, sie sollen Sanftmut, Mäßigung, Sittsamkeit und Weisheit walten lassen. Sie sollen nüchtern und unvoreingenommen ihre Urteile fällen, damit sie nicht von Folter zu Folter eilen. Zudem sollen sie ihre Zeugen gründlich befragen, keine ‚ehrlosen‘ zulassen und sich auch über die Motivation der Zeugen im Klaren sein. Meyfart fasste es, S. 158, zusammen: Wenn alle Juristen und Prediger „nur eine viertheil Stund in dem Ort der Qual hangen / sie würden jhre Bücher verspeyen / vnd jhre Predigten vermaledeyen“. »
  123. Meyfart, S. 72. Bei Meyfart schwang die Aussage mit, die Verfolgung der Hexerei sei eine Erscheinung der Zeit, der nun alle nacheiferten. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Hinweis von Behringer, Hexen, S. 89f., dass auch andere Verbrechen (Homosexualität bei Männern, Kindsmord, Bigamie, Inzest, Blasphemie) ähnliche Konjunkturen aufwiesen wie die Hexerei. Behringer spricht hier von „generellen Trends in der europäischen Strafrechtsentwicklung“ unter dem Eindruck von verstärkter moralischer und religiöser Kontrolle. »
  124. Vgl. Meyfart, S. 75; zum Hochmut der ‚Hexensucher‘, über Leben und Tod entscheiden zu können, vgl. Meyfart, S. 187; zur fraglichen Besoldung und der Auswirkung auf die Prozesse vgl. auch Meyfart, S. 148. »
  125. Meyfart, S. 79. »
  126. Meyfart, S. 80. Meyfart beschrieb zudem, S. 92, wie bei der Lösung dieser Gewissensfrage ein schändlicher Zirkelschluss entstand: Die Fürsten beruhigten ihr Gewissen damit, dass sie die Aufgabe delegierten. Die Untergebenen aber beruhigten ihr Gewissen damit, dass sie nur ausführten, was die Fürsten ihnen aufgegeben hatten, und schoben dementsprechend das schlechte Gewissen wiederum zurück. »
  127. Meyfart, S. 81; vgl. dazu auch S. 77. »
  128. Meyfart, S. 89. »
  129. Nur durch Umsichtigkeit und Kontrolle der Untergebenen werden die Fürsten „besser vnterrichtet / vnd weniger betrogen“, Meyfart, S. 134. »
  130. Meyfart, S. 82. An dieser Stelle liegt es nahe, dass Meyfart auch die ausschweifenden Lustjagden von Herzog Johann Casimir in Coburg vor Augen hatte, die dieser selbst noch in den misslichen Jahren des Krieges, auch um 1630, veranstaltete, vgl. Trunz, S. 27f. »
  131. Vgl. Meyfart, S. 82. »
  132. Meyfart schilderte bis ins letzte Detail, welche Kontrollen die Fürsten in der Praxis zu übernehmen hätten. Die Aufgabenliste war von einem deutlichen Misstrauen gegenüber den ‚Hexenmeistern‘ geprägt, da der Fürst sich insbesondere über deren Absichten klar werden sollte. Er sollte ohnehin jede von ihnen getroffene Entscheidung gegenprüfen, vgl. Meyfart, S. 90. »
  133. Meyfart, S. 91. Er meinte hier beispielsweise „Wörtlein vnd Syllaben“, die von den ‚Hexenmeistern‘ oder Henkern verfälschend dazu gedichtet oder den Gefolterten eingeredet wurden. Ähnlich verhielt es sich mit dem undurchsichtigen Amtsdeutsch der ‚Hexenmeister‘, wie Meyfart, S. 93–95, kritisierte. Zum einen verschleierten sie damit ihr praktiziertes Unrecht, zum anderen führten sie damit auch das Volk in die Irre, wenn sie die geschönten Urteile und Geständnisse öffentlich vorlasen. Schormann, S. 33, verweist da zu Recht auf die Möglichkeit, über den ‚endlichen Rechtstag‘, der öffentlichen Verkündigung des Gerichtsurteils, einschlägige Vorstellungen unter das Volk zu bringen, vgl. dazu auch Rummel, S. 52f. »
  134. Meyfart, S. 84. »
  135. Meyfart, S. 87. »
  136. Vgl. Meyfart, S. 252. »
  137. Vgl. Meyfart, S. 253. »
  138. Vgl. Meyfart, S. 253–255. In diesem Zusammenhang forderte Meyfart auch eine Änderung des richterlichen Abstimmungsmodus hin zum Mehrheitsprinzip und eine Beteiligung von externen Experten (Geistliche, Mediziner und Philosophen), die jeweils bei Bedarf Gutachten erstellen sollten. Insofern ist die Ansicht Halliers, S. 69, zu hinterfragen, ob Meyfart sich grundsätzlich gegen die Anfänge des sich entwickelnden Beamtentums stemmte. Unweigerlich erkannte er zwar die Folgen, ja gar die Gefahr, welche das Delegieren der Aufgaben in den Hexenprozessen hatte, aber er verwarf dieses Ordnungsprinzip nicht per se, wenn er sich Gedanken über dessen Umstrukturierung machte. »
  139. Meyfart, S. 256. »
  140. Meyfart, S. 124. »
  141. Meyfart, S. 125. »
  142. Spee hat sich beispielsweise bei der Rolle der Obrigkeiten in der Cautio criminalis an entsprechender Stelle deutlich zurückgehalten, vgl. dazu Pelizaeus, S. 50f. »
  143. Vgl. Trunz, S. 342f., Zitat: S. 343. »
  144. Für die protestantische Seite war es charakteristisch, dass ein großes Meinungsspektrum vorherrschte, da eine verbindliche Autorität fehlte. Platz für Dissidenten war demnach durchaus gegeben, vgl. zu den Lutheranern im Speziellen Behringer, Unkraut, S. 32–36. »
  145. Zu Tanner vgl. Meyfart, S. 144; zur persönlichen Gefahr vgl. Meyfart, S. 187. »
  146. Meyfarts letzte Zeilen, S. 268, lauteten: „Endlich rauschet die elende Seele dahin / außgeheischet von Teuffeln / gezerret von Teuffeln / geschleppet von Teuffeln / verspottet von Teuffeln / verspeyet von Teuffeln / zerschlagen von Teuffeln / beschryen von Teuffeln / vermaledeyet von Teuffeln.“ Die gefährliche Nähe der ‚Hexenmeister‘ zur Verdammnis, die Meyfart über die ‚teuflische‘ Folter besonders artikulierte, ist Beleg dafür, dass er die Perspektive umkehrte. Ihm ging es mehr um die Verfolger als um die Hexen. Darin unterschied er sich von anderen Kritikern seiner Zeit, vgl. auch Lehmann, Hartmut: Johann Matthäus Meyfart warnt hexenverfolgende Obrigkeiten vor dem Jüngsten Gericht. In: Lehmann, Hartmut/Ulbricht, Otto (Hrsg.): Vom Unfug des Hexen-Processes. Wolfenbüttel 1992 (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 55), S. 223–229, hier: S. 229. »
  147. Vgl. Trusen, S. 224f., Zitat: S. 203; zu Spees Fokus auf die Folter siehe: S. 210f.; Zum Ende der Hexenprozesse als Folge einer Entwicklung des Rechts siehe auch: Behringer, Hexen, S. 91. »
  148. Vgl. Dillinger, S. 9. »
  149. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die nicht so stark zentralisierte Herrschaftsausübung und Gerichtsbarkeit in den kleineren Territorien sich verfolgungsfördernd auswirken konnte, vgl. Schmidt, Jürgen Michael: Die Hexenverfolgung im weltlichen Territorialstaat des Alten Reichs. In: Dillinger, Johannes et al. (Hrsg.): Hexenprozess und Staatsbildung. Bielefeld 2008, S. 149–180, hier: S. 150; S. 153f.; Zur staatlichen Zersplitterung und der Anfälligkeit für Verfolgungen siehe auch: Schormann, S. 65. »
  150. Vgl. Schmidt, S. 157f. »
  151. Dillinger, S. 13. »
  152. Vgl. Lehmann, Hartmut/Ulbricht, Otto: Motive und Argumente von Gegnern der Hexenverfolgung von Weyer bis Spee. In: Lehmann, Hartmut/Ulbricht, Otto (Hrsg.): Vom Unfug des Hexen-Processes. Wolfenbüttel 1992 (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 55), S. 1–14, hier: S. 13. »
  153. Vgl. zu diesem ‚Konservatismus‘ Clark, Stuart: Glaube und Skepsis in der deutschen Hexenliteratur von Johann Weyer bis Friedrich von Spee. In: Lehmann, Hartmut/Ulbricht, Otto (Hrsg.): Vom Unfug des Hexen-Processes. Wolfenbüttel 1992 (= Wolfenbütteler Forschungen, Bd. 55), S. 15–33, hier: S. 17f. »
  154. Vgl. Clark, S. 19. »
  155. Auch Spee hatte Erfahrungen mit den Hexenprozessen, es ist aber nicht eindeutig, wo er diese machte: Trunz, S. 234, legt sich nicht fest, Merzbacher, S. 35, vermutet Würzburg und Clark, S. 20, gibt das Rheinland an; zu Meyfart vgl. Anm. 27. »
  156. Vgl. Trunz, S. 332. »
  157. Vgl. Lehmann/Ulbricht, S. 10; zu Meyfarts Nachwirken siehe: Trunz, S. 243. »
  158. Der jüngste Rehabilitationsantrag wurde in Köln gestellt, vgl. Dörries, Bernd: ‚Hexen hexen gar nicht‘, in: Süddeutsche Zeitung, vom 02.12.2011. Für die einzelnen Rehabilitierungsanträge findet sich eine gute Übersicht mit Quellenmaterial bei Hegeler, Hartmut: Arbeitskreis Hexenprozesse. In: anton-praetorius.de, URL: http://www.anton-praetorius.de/arbeitskreis/arbeitskreis.htm (Aufruf am 3.12.2011). »
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Markus Schmid ist Student der Geschichte im Studiengang Master of Arts an der Universität Konstanz. Mit dieser Arbeit erlangte er den Akademischen Grad eines Bachelors of Arts an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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Markus Schmid: Eine kritische Stimme zur Hexenverfolgung: Johannes Matthäus Meyfarts Christliche Erinnerung von 1635, in: Skriptum 2 (2012), Nr. 2, URN: urn:nbn:de:0289-2012110259, Abs. XY [Datum des Zugriffes].