Seminararbeit: „lauter Erfahrungs-Sachen“ – Gerhard Tersteegens Lied „Gott ist gegenwärtig“ – Bedeutung und Rezeption

von Ruth Nientiedt



Zusammenfassung

Hymnologie und Gesangbuchforschung arbeiten interdisziplinär: Historische, literatur- und sprachwissenschaftliche sowie theologische, insbesondere liturgische Perspektiven werden zusammengebracht und können so einen wichtigen Beitrag zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte leisten. Dieses Potential wird leider selten gesehen und genutzt. Die folgende Arbeit über Tersteegens Lied Gott ist gegenwärtig möchte exemplarisch die Möglichkeiten der Hymnologie und Gesangbuchforschung aufzeigen und gleichzeitig Tersteegens überkonfessionelle Bedeutung als Mystiker herausarbeiten. Dazu werden zunächst Begrifflichkeiten wie ‚Pietismus‘ und ‚Mystik‘ in ihrer Bedeutung umrissen und eingeordnet, wie sich Pietismus, Aufklärung und Gesangbuchgeschichte zueinander verhalten. Sodann ist zu fragen, inwiefern sich Tersteegen in diese Kategorien, ‚Pietist‘, ‚Mystiker‘, einordnen lässt und welche Bedeutung er persönlich dem Gesang beimaß. Zuletzt werden mögliche Interpretationen seines Liedes Gott ist gegenwärtig ins Gespräch gebracht und seine Rezeption in anderen Gesangbüchern nachgezeichnet. Der Rezeptionsgeschichte wird auf Grundlage der Bestände des Gesangbucharchivs des IAK Gesangbuchforschung nachgegangen.

Abstract

Hymnology and hymnal studies are working interdisciplinary: History, linguistics, literary science and theology, especially the liturgical perspective, are being brought together and can provide valuable insight to social history and the history of mentality. Unfortunately this potential is rarely seen or acted upon. This paper on Tersteegens song Gott ist gegenwärtig gives an example of the possibilities of hymnology and hymnal studies. It also evinces Tersteegens interdenominational importance as a mystic. In the course of this enquiry terms like ‘pietism’ and ‘mysticism’ are outlined and set into the context of the Enlightment and the history of hymnals. Following this line of thought, it is to be ascertained how suitable the categories ‘pietist’ and ‘mystic’ are to describe Tersteegen and how important singing was to him personally. In the final analysis possible interpretations of Tersteegens song Gott ist gegenwärtig are brought to attention and the reception of his work in several hymn books is illustrated. The history of reception draws from the stock of the hymnal archive of the IAK Gesangbuchforschung.

Résumée

Les sciences des hymnes et des livres de cantiques travaillent de manière interdisciplinaire. Les perspectives de l’histoire, de la littérature et de la théologie (en particulier de la liturgie) sont rassemblées et peuvent donc contribuer à l’Histoire sociale et la Nouvelle Histoire en général. Malheureusement ce potentiel n’est pas souvent remarqué et rarement utilisé. L’article suivant sur la chanson de Tersteegen «Gott ist gegenwärtig» essaye de montrer les possibilités des sciences des hymnes et des livre de cantiques. En même temps l’auteur voudrait faire ressortir le valeur surconfessionnel de Tersteegen en tant que mystique. Pour y arriver il semble nécessaire d’expliquer d’abord les termes «mysticisme» et «piétisme» et d’interpréter ces termes en fonction du contexte. Puis, il faut examiner la relation du siècle des Lumières avec le piétisme et la science des livres de cantiques. Les question sont les suivantes: dans quelle mesure Tersteegen peut-il être classer dans les catégories tels que d’un piétiste et d’un mystique et combien d’importance a-t-il attaché personnellement au chant? Enfin un nombre des interprétations possibles de la chanson «Gott ist gegenwärtig» et sa réception dans l’autres livres de cantiques sont présentées. L’histoire de la réception est vérifiée par les livres aux archives de IAK.

Einleitung

‹1› „[D]er Welt Bedeutungen geben, wenn sie keine hat, Zusammenhänge bilden, in die das Ich sich einbringen kann“, das ist für Kurzke eine Stärke des Kirchenlieds. Und, so Kurzke weiter, „[e]ine kommende Hymnologie wird zeigen müssen, daß dieses [kulturelle] Potential in die ‚Seelengeschichte der Moderne‘ gehört“.1) Vielleicht kann gerade Gerhard Tersteegens Lied Gott ist gegenwärtig (EG 165) einen Beitrag dazu leisten. Ein pietistisches Lied aus der Zeit der Aufklärung, dass jedoch einen eigenen Akzent setzt, das Ausdruck der Auseinandersetzung um das Verhältnis individueller Frömmigkeit und kirchlicher Autoritäten ist, das konfessionelle Mauern überwindet und nach mystischen Höhenflügen wieder im Alltag ankommt.2)

‹2› Der evangelischen Praktischen Theologie attestierte Krieg bereits Mitte der 90er Jahre ein zunehmendes Interesse an der Biographie: „Es ist die Frage nach dem ‚Anknüpfungspunkt‘, die sich neu stellt: zwischen […] Lebens-Wirklichkeit und aus Transzendenz-Erfahrung erwachsener Lebens-Deutung“.3) Heute, im Jahr 2013 stellt sich diese Frage wohl noch dringender – und gerade auch in der katholischen Kirche. Nach einer Klärung der Begriffe Pietismus und Mystik und einer Einordnung des Gesangs und der Gesangbücher im Pietismus sowie der Aufklärung und ihrer Auswirkungen auf Gesangbücher, geht es daher um die Biographie Gerhard Tersteegens als Grundlage seines Verständnisses von Mystik sowie um seine Auffassung von Mystik und Gesang. In einem zweiten Schritt sollen Interpretation und Rezeption des Liedes Gott ist gegenwärtig beleuchtet werden.4)

‹3› Gott ist gegenwärtig veröffentlichte Tersteegen erstmals 1729 in seinem Geistliche[n] Blumen=Gärtlein Inniger Seelen; Oder kurze Schluß=Reimen und Betrachtungen Ueber allerhand Warheiten des Innwendigen Christenthums; Zur Erweckung, Stärkung, und Erquickung in dem Verborgenen Leben mit Christo in GOtt; Nebst einigen Geistlichen Liedern, das bis 1891 in über 20 Auflagen erschien. Eine kritische Edition liegt leider noch nicht vor.5) Der Interpretation liegen vorwiegend die Aufsätze von Gerhard Kaiser und Jürgen Henkys zugrunde, beide 2001 erschienen. Mit der allgemeinen Rezeption von Tersteegen-Liedern beschäftigt sich ein Aufsatz von Christian Bunners, erschienen im Zuge des 300. Geburtstages Tersteegens 1997, der Anstoß zu zahlreichen Publikationen gab. Der Rezeption von Gott ist gegenwärtig soll anhand einer Auswahl von Gesangbüchern aus dem Gesangbucharchiv des interdisziplinären Arbeitskreises Gesangbuchforschung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) nachgegangen werden.

Begriffe

Pietismus

‹4› Der Begriff ‚Pietismus‘ wird in der Forschung heftig diskutiert.6) In jedem Fall handelte es sich um eine „geistl[iche] Erneuerungsbewegung innerh[alb] des Protestantismus“, der es um einen gelebten, existentiellen Gottesbezug ging. Erreicht werden sollte dies beispielsweise durch ein persönliches, intensives Bibelstudium.7) Die theoretische Grundlage hierfür lieferten Johann Arndt (1555–1621) mit seinen Vier Bücher[n] vom wahren Christentum und konkreter Philipp Jakob Spener (1635–1705) durch zahlreiche Schriften, Briefe und sein 1670 in Frankfurt a. M. gegründetes Collegium pietatis, das sich rasch zu einer Bibelgesprächsrunde mit über hundert Gästen entwickelte. Ein Leipziger Professor fasste den Ansatz des Pietismus prägnant zusammen: „Es ist jetzt stadtbekannt der Nam der Pietisten./ Was ist ein Pietist?/ Der Gottes Wort studiert/ und nach demselben auch ein heilig Leben führt“.8)

‹5› Die „Pietistery“9) ist also eine zeitgenössische – z. T. polemische – Beschreibung, die bereits im Umfeld Speners in den 1670er Jahren aufkam. Die Bewegung war von Anfang an sehr heterogen und orientierte sich an Persönlichkeiten, die innerhalb ihrer Gruppen eigene Akzente setzten. Spener selbst verstand wie Arndt unter ‚seinem‘ Pietismus eine Vollendung der Reformation: Nachdem Luther die Reformation der Lehre erreicht hatte, fehle nun noch die Reformation des Lebens, da „es mit dem wissen in dem Christenthum durchaus nicht genug seye / sondern es vielmehr in der praxi bestehe“ – wie er in den Pia Desideria, der Programmschrift des Pietismus, schreibt.10) Doch die Pietisten fanden nicht nur unter den Lutheranern Anhänger, auch Reformierte schlossen sich pietistischen Gruppen an. So auch Tersteegen, der im Sinne Speners über das „Nam-Christentum“ klagte. Doch bezieht sich seine Kritik nicht nur auf eine Konfession: „Ich glaube, dass eigentlich in den Augen Gottes nur zwo Parteien auf Erden seien, nämlich die Kinder der Welt, in welchen die Weltliebe herrschet, und dann die Kinder Gottes, in welche die Liebe Gottes ausgegossen ist durch den Heiligen Geist“.11)

‹6› ‚Pietismus‘ ist inzwischen zu einem kirchengeschichtlichen Epochenbegriff avanciert, der sich nur auf das 17. und 18. Jahrhundert bezieht – wobei die Anhänger pietistischer Gruppen, zumeist aus dem Bürgertum sowie dem Amts- und Landadel, nur etwa 20 Prozent der protestantischen Bevölkerung ausmachten. Was noch aussteht ist eine Verhältnisbestimmung zu verwandten zeitgleichen Bewegungen wie dem englischen Puritanismus, dem französischen Jansenismus, dem Methodismus, dem Quietismus oder dem Chassidismus; desgleichen zu Erweckungsbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts, von Baptisten über Freikirchen und Adventisten bis hin zur Pfingstbewegung und fundamentalistischen Bewegungen. Entsprechende Forschungen könnten auch nach ganz neuen Begriffen verlangen.12)

Wallmann unterscheidet innerhalb des Pietismus noch zwischen „kirchlichem“ und „radikale[m]“ Pietismus; ersterem ging es nach Wallmann um eine Reform des Protestantismus, bei letzteren – „Einzelgestalten“ mit einer kleinen Anhängerschar – vermischten sich christliche Anliegen oft mit anderen Themen. Tersteegen wird von der Forschung sowohl der einen als auch der anderen Gruppe zugeordnet.13)

Mystik

‹7› Mystik als eine Haltung, die man in allen Epochen und Konfessionen sowie über das Christentum hinaus antrifft, ist ein Kunstbegriff, der sich ab dem 17. Jahrhundert etablierte; zuvor fand eher das Adjektiv „mystisch“ Anwendung. Etymologisch geht der Begriff ‚Mystik‘ wohl auf das griechische myein (schließen) zurück, das sich auf das „Schließen von Augen und Mund“ bezieht.14) Im Christentum orientiert sich die Frage, was Mystik ausmacht, weniger an Kriterien – eine Definition gibt es nicht – sondern vielmehr an einem Kanon von als Mystik anerkannter Literatur. Unter den Autoren dieser Werke finden sich Pseudo-Dionysius, Bernhard von Clairvaux, Mechthild von Magdeburg und Meister Eckhart. Was die Schriften dieser Mystiker gemein haben, „ist eine religiöse Haltung, die eine Transzendenz Gottes gegenüber dem glaubenden Menschen als gemeinsame Erfahrungstatsache voraussetzt und diese Transzendenz schon im Diesseits punktuell zu überwinden trachtet“, beispielsweise in der unio mystica – vermittelt durch Jesus Christus.15)

‹8› Dabei ist zu beachten, dass es sich bei Mystik niemals um reine Erfahrungsberichte handeln kann, sondern immer eine Deutung des Erlebten mit im Text enthalten ist. Zudem darf von dieser intensiven Hinwendung zu Gott nicht auf eine Weltfremdheit der Mystiker geschlossen werden, ganz im Gegenteil: „Weltverantwortung aus Nächstenliebe übernehmen und tragen ist geradezu ein Lebensgesetz all jener, die Gottes Liebe am tiefsten erfahren haben“ – die Biographien der Mystiker sprechen zudem für sich.16)

‹9› In der Kirchengeschichte wurde Mystik ambivalent gesehen, relativiert doch der Anspruch einer unmittelbaren Gottesbegegnung institutionalisierte Vermittlungsinstanzen, sodass sich viele Mystiker Häresievorwürfen ausgesetzt sahen. Daneben bleibt die Frage, ob Mystik ein „Sonderkonzept“ Auserwählter war und ist – beispielsweise ausgehend von der Tatsache, dass viele Mystiker Ordensleute waren –, oder eher eine „Grundkonstante“ der christlichen Frömmigkeit, die grundsätzlich von jedem gelebt werden kann.17) In diese Richtung geht auch Rahner in seinem mahnenden Diktum „Der Fromme von morgen wird ein ‚Mystiker‘ sein, einer, der etwas ‚erfahren‘ hat, oder er wird nicht mehr sein“.18)

‹10› Tersteegens Mystik findet sich in seinen Briefen, Schriften und Predigten und in Liedern wie Gott ist gegenwärtig. Obwohl er sich selbst nie als Mystiker bezeichnet hat, deuten der Kurze[n] Bericht von der Mystik, den er kurz vor seinem Lebensende schrieb und von dem in Kapitel 4.2 zu sprechen sein wird, auf vorhandene Reflektionsprozesse und ein eigenes Verständnis von Mystik hin. Dabei war Tersteegen nicht der einzige protestantische Mystiker. In seinem Bericht verweist er beispielsweise auf Peter Poiret (1646–1719) und Gottfried Arnold (1666–1714), die er aber als „vor der Welt verhaßte, vor Gott und allen Kennern aber […] teure Zeugen Gottes“ beschreibt.19)

Einordnung

Gesang und Gesangbücher im Pietismus

‹11› Im Pietismus entstand eine Vielzahl neuer Sozialformen: Häusliche Versammlungen ersetzten orthodoxe20) Gottesdienste, man veranstaltete kleinere Zusammenkünfte gemeinsamer Andacht, sog. Konventikeln oder schloss sich Brüdergemeinden an. Es bildete sich eine Parallelstruktur zu den lutherischen und reformierten Gemeinden. Überall wurde gesungen, in Fortsetzung der von Martin Luther, dem „Schöpfer des deutschen Gemeindeliedes“, angestoßenen Aufwertung des Gemeindegesangs.21) Der Pietismus entwickelte jedoch eine Vorliebe für neue Lieder, deren Einführung in lutherischen Gemeinden stark vom Engagement einzelner abhing; in reformierten Gemeinden waren hingegen nur die Psalmen gesungen worden. Gesangbücher als „kleinere oder größere gedruckte Liedersammlungen […] – mit Texten und Noten oder nur mit Texten –, bestimmt für den gemeindlichen Gebrauch im öffentlichen Gottesdienst und/oder Gruppenversammlungen und/oder Privatandachten“ hatten daher immense Bedeutung und wurden laufend überarbeitet und neu aufgelegt.22)

‹12› Zunächst gab es pietistische Gesangbücher, die von „Persönlichkeiten oder Erscheinungen des Pietismus genetisch, inhaltlich, poetisch-musikalisch [oder] funktional“ geprägt waren.23) Im Vergleich zu den orthodoxen Gesangbüchern identifiziert Bunners mehrere Tendenzen: Pietistische Gesangbücher betonten die innere Aneignung des Gesungenen, ihre Doppelfunktion sowohl für öffentliche Gottesdienste als auch für private Andachten, die Rubriken richteten sich vermehrt nach Kasualien oder persönlichen Anliegen, während kirchenjahreszeitliche und heilsgeschichtliche Rubriken an Bedeutung verloren. Auch wurden verstärkt Lieder aus der mystischen Tradition abgedruckt und z. T. sogar in den Titeln hervorgehoben. Diese Tendenzen der Verifizierung, Privatisierung, Individualisierung und Aktualisierung von Gesangbüchern fanden sich aber auch in anderen Strömungen wie der Andachtsbewegung.24)

‹13› Neben den pietistischen Gesangbüchern fanden pietistische Lieder auch Eingang in orthodoxe Gesangbücher. So trugen Herausgeber wie Johann Porst (ab 1709) dazu bei, dass pietistische Frömmigkeitselemente einem weitaus größeren Kreis zugängig wurden und schlussendlich eine „bedeutende Rolle [...] im Kontext der geistigen, politischen, kulturellen, ethischen und sozialen Transformationen seit dem 17. Jahrhundert und damit […] bei der Entstehung der Welt von heute“ spielten.25)

‹14› Tersteegen betätigte sich ebenfalls als Gesangbuchherausgeber. Neben dem bereits erwähnten Blumen=Gärtlein, in dem er eigene Texte und Lieder veröffentlichte, gab er von 1736 bis 1768 den Große[n] Neander heraus, eine erweiterte Version der Bundes=Lieder Joachim Neanders von 1680, den Tersteegen kontinuierlich – nicht zuletzt durch seine eigenen Lieder – ergänzte. Die Bundes=Lieder waren die Brücke gewesen, über die sich der Pietismus reformierter Provenienz freier Dichtung geöffnet hatte. Neander und Tersteegen waren sich zudem in ihren Zielen sehr ähnlich, auch wenn sie eine ganz andere Sprache benutzen.26) So schreibt Neander in seinem Vorwort zu den Bundes=Liedern:

‹15›Alte Gewohnheiten, fest gewurzelt; böse Exempel, hoch gehalten; kluge Schein-Reden, bald geglaubt sind drei Haupt-Säulen, darauf des Teufels Reich zu jeder Zeit sonderlich sich gestützet [...]. Wer aus Gott geboren ist, lässt sich von diesen Stricken nicht fangen; und stellet sich der Welt nicht gleich, sondern rudert mit aller macht stromauf; ermuntert sich selbst und seinen Nächsten [...]. Es muss ja alles billig mit Verstand geschehen, weil Gott im Geist und in der Wahrheit durch vernünftigen Gottesdienst will gedienet sein. Habe also mich schuldig befunden, meinem Nächsten auch hierin wohlgemeinte Aufmunterung mitzuteilen.27)

‹16› Tersteegen setzte im Große[n] Neander einen eigenen und ganz neuen Akzent, indem er zwischen den Morgen- und Abendliedern eine Rubrik „Berufs- und Arbeitslieder“ einfügte; bereits im Blumen=Gärtlein fand sich ein Abschnitt „Herzensgedanken bei der äußern Arbeit“.28)

Ein „Jahrhundert der Aufklärung“?29)

‹17› ‚Aufklärung‘ ist bereits ein zeitgenössischer Begriff und nach der berühmt gewordenen Definition Kants „der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“, unter der Voraussetzung „sich seines Verstandes ohne Leitung anderer zu bedienen“.30) Damit einher gingen neue Formen der Kommunikation, der Vermittlung und des sozialen Miteinanders vor allem in Form von Netzwerken durch Akademien und Gesellschaften, einen anwachsenden Bücher- und Zeitschriftenmarkt sowie persönliche Kontakte und Korrespondenzen. Alle Lebensbereiche sollten planmäßig gestaltet und durchstrukturiert werden und es vollzog sich ein Mentalitäts- und Stilwandel: eine gemeinhin als ‚Verbürgerlichung‘ bezeichnete Abkehr vom höfischen Pomp hin zu einer schlichteren, nüchterneren, manchmal gefühlsbetonteren Lebensweise.31)

‹18› Von ihren geistigen Begründern wurde die Aufklärung als Beginn eines offenen Prozesses wahrgenommen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde sie zum Epochenbegriff für das 18. Jahrhundert, beginnend irgendwann zwischen dem Westfälischen Frieden 1648, der Glorious Revolution von 1688/89 in England und dem Edikt von Fontainebleau 1685 in Frankreich, und endend 1789 mit der Französischen Revolution. Dabei ist die Aufklärung nicht viel mehr als die bedeutendste „Eigentümlichkeit“ des 18. Jahrhunderts: So gab es gegensätzliche Entwicklungen, wie die Übersteigerung des Barock im Rokoko und die damit einhergehende überbordende Hofkultur, das Aufkommen der Geheimbünde wie der Freimaurer und ein steigendes Interesse am Okkultismus – sowie neue Frömmigkeitsbewegungen wie den Pietismus.32)

‹19› Ermöglicht wurde diese neue religiöse Freiheit – die meist jedoch nicht mehr als eine Duldung war – dadurch, dass der Anspruch der Obrigkeiten aus dem vorangegangenen ‚konfessionellen Zeitalter‘, den Glauben ihrer Untertanen festlegen zu können, sich als nicht durchsetzbar erwiesen hatte. In Mülheim, das seit 1614 zum katholischen Fürstentum Pfalz-Neuburg gehörte, übernahm 1672 mit dem Religionsvergleich von Cölln an der Spree Brandenburg-Preußen die Aufsicht über die protestantischen Untertanen und setzte sich für ein friedliches Nebeneinander ein. Tersteegen kamen zudem persönliche Freundschaften zugute, sodass er, bis auf die Zeit zwischen 1740 und 1750, unbehelligt seine erwecklichen Versammlungen abhalten konnte.33)

‹20› Benrath spricht von einer „Gegnerschaft“ zwischen Pietismus und Aufklärung.34) Das stimmt insofern, als dass der Pietismus den christlichen Glauben nicht auf wenige vernünftige Ansätze reduziert sehen wollte und an der christlichen Erlösungsbedürftigkeit festhielt. Auch wehrte er sich gegen Säkularisierungstendenzen. Was den Pietismus jedoch mit der Aufklärung verband, waren die Forderung nach religiöser Toleranz, eine (teilweise) Annäherung der Konfessionen sowie eine Betonung der individuellen Glaubensüberzeugung und ein Engagement für soziale Reformen. Die mögliche Nähe von Pietismus – bzw. sogar Mystik – und Aufklärung zeigt sich beispielsweise in Tersteegens Bericht, wenn es dort heißt: „[I]n allem Übrigen [neben den erforderlichen Grundwahrheiten] ist ein jeder im Gewissen verpflichtet, so zu glauben und so zu handeln, wie er’s vor Gott und nach der Schrift am richtigsten zu tun urteilet“.35)

‹21› Was die Entwicklung der Gesangbücher anbelangt, stellt die Aufklärung einen scharfen Einschnitt dar – allerdings zeitverzögert: gesangbuchgeschichtlich reichte die Aufklärung etwa von 1780 bis 1850. Kirchenlieder sind ohnehin textlich besonders instabil, gerade im Vergleich zu sonstiger Literatur; die Aufklärung griff jedoch besonders stark in Lieder ein. Kurzke nennt sieben aufklärerische Interessen: Entmythisierung, Entpoetisierung, sprachliche Modernisierung, Historisierung, Pädagogisierung, erotischer Purismus und Verstaatlichung. Dies äußerte sich darin, dass z. B. Tod und Hölle vermieden wurden, Metaphern durch Konventionelles ersetzt, Latinismen, Graecismen und Hebraismen ebenso wie barocke Sinnlichkeit oder gar ganze Lieder gestrichen wurden, jedes Lied konkret anwendbar sein sollte oder man in Liedern für den Erhalt der Obrigkeit bat. Erst mit der Romantik setzte ein Interesse an der Wiederherstellung der alten Texte ein; den Anfang machte die Liedsammlung Des Knaben Wunderhorn von 1806.36)

Tersteegen: Biographisches

„Protestantisches Mönchtum“37)

‹22› Gerhard Tersteegen wurde am 25. November 1697 in Moers am Niederrhein geboren. Er besuchte ein Gymnasium, wo er in der Bibel, dem Heidelberger Katechismus sowie in Latein, Griechisch und Hebräisch unterrichtet wurde, sodass er die Bibel in ihren Originalsprachen lesen konnte; vermutlich lernte er dort auch Französisch. Er war in der reformierten Gemeinde in Moers getauft worden und wurde dort auch 1715 zum Abendmahl zugelassen, nachdem er sein Glaubensbekenntnis abgelegt hatte. Im selben Jahr sollte er wie sein Vater, der bereits verstorben war, eine kaufmännische Ausbildung beginnen und zog dafür nach Mülheim an der Ruhr, wo er bei seinem Schwager in die Lehre ging. Im Anschluss daran betrieb er bis 1719 ohne großen Erfolg ein eigenes Geschäft. In diese Zeit fällt seine Bekanntschaft mit dem Theologen Wilhelm Hoffmann (ca. 1676–1746), der in Mülheim erweckliche, nebenkirchliche Versammlungen abhielt. Hier begegnete Tersteegen erstmals pietistisches Gedankengut; später erbte er von Hoffmann dessen Bibliothek und trat auch dessen Nachfolge als Leiter der gottesdienstlichen Versammlungen und als Herausgeber des Große[n] Neanders an.38)

‹23› In dieser Zeit hatte Tersteegen ein Erlebnis, das er in der Rückschau als „erste Bekehrung“39) bezeichnete. Auf dem Weg nach Duisburg bekam er heftige Kolikschmerzen und bat Gott inständig, die Schmerzen von ihm zu nehmen und ihm Zeit zu geben, sich auf den Tod und damit die Ewigkeit vorzubereiten. Augenblicklich hätten die Schmerzen aufgehört. Später erlebte er eine zweite Bekehrung. Sein erster Biograph schildert das Ereignis folgendermaßen: „[D]ie versöhnende Gnade Jesu Christi ward ihm so gründlich und überzeugend bloßgelegt, dass sein Herz völlig beruhigt ward“.40) Tersteegen änderte sein Leben radikal. Er begab sich in die „Nachfolge des armen Lebens Jesu“.41) Fortan übte er sich in Anlehnung an den Karmeliten Bruder Lorenz in der „Gegenwart Gottes“ und entdeckte das Herzensgebet der Wüstenväter für sich; den Beruf als Kaufmann gab er 1719 auf und wurde erst Leinweber, dann Seidenbandweber, damit er zuhause arbeiten konnte. Er lebte asketisch und zurückgezogen.42)

‹24› Nach fünf Jahren, 1724, verfasste er am Gründonnerstagabend ein ungewöhnliches Dokument. Darin heißt es:

‹25›Meinem Jesu!/ Ich verschreibe mich dir, meinem einigen Heylan=/ [de] und bräutigam Christo Jesu, zu deinem völ=/ ligen und ewigen Eigenthum. […] Nicht mein, sondern dein wille/ geschehe [Lk 22,42; Unterstreichung original]! befehle, Herrsche, und regiere in mir!/ ich gebe dir vollmacht über mich! […] Siehe, da hast du mich/ gantz, süsser seelen=freund! in keuscher jung=/ fräulicher liebe dir stets anzuhangen.43)

‹26› Nachdem Tersteegen bereits mitten in Mülheim wie ein Einsiedler gelebt hatte, begründet er mit einem Freund und Schüler eine Bruderschaft des gemeinsamen Lebens, die er bald erweiterte. Die schlussendlich acht Brüder lebten ehelos zusammen, aßen gemeinsam, bestritten ihren Lebensunterhalt mit Handarbeit, verrichteten gemeinsam morgens und abends das Gebet und waren diakonisch tätig. Zudem hatte Tersteegen der Gemeinschaft eine Regel geschrieben, die selbige als „Wohnung Gottes“ beschreibt, in der Christus der „Aufseher und Vorsteher“ war; an erster Stelle stand die „Übung des wahren Gebets“.44) Diese klosterähnliche Gemeinschaft war „auf protestantischem Boden schlechterdings einzigartig“.45)

‹27› Benrath teilt Tersteegens weiteres Leben in drei Abschnitte: Neben der Gründung der Bruderschaft begann Tersteegen vermehrt öffentlich zu wirken, besonders in den Erbauungsversammlungen Hoffmanns; 1727 verfasste er Gott ist gegenwärtig bereits als eines seiner frühesten und gleichzeitig berühmtesten Lieder. 1747 bis 1756 übernahm Tersteegen vollständig die Leitung der Versammlungen. Danach musste er sich wegen eines Leistenbruchs zurückziehen und wirkte daher in seinen letzten Jahren hauptsächlich schriftstellerisch. Nebenher war Tersteegen immer als Seelsorger engagiert gewesen, der auch durch intensive und ausgedehnte Korrespondenz Menschen unterstützte, indem er beispielsweise während des Siebenjährigen Krieges Eingaben machte und auf Probleme in Mülheim hinwies, indem er Medikamente herstellte und verschrieb und indem er in der Nachbarschaft half, wo immer er konnte.46)

Mystik bei Tersteegen

‹28› Die weiter oben bereits angedeutete Feindseligkeit der Zeitgenossen Tersteegens gegenüber der Mystik schlägt sich auch in seinem kurze[n] Bericht von der Mystik47) nieder, insofern als Tersteegen über weite Strecken Missverständnisse aus der Welt schaffen wollte. Demnach seien Mystiker weder Enthusiasten, noch zwangsläufig Separatisten oder Theosophen oder gar Schwätzer. Weswegen auch „Gesichte, Offenbarungen, Einsprachen, Weissagungen und manche andere außerordentliche Dinge […] so gar nicht zum Wesentlichen der Mystik [gehören]“. Was einen Mystiker hingegen ausmache, sei folgendes: „Sie reden wenig, sie tun und sie leiden vieles, sie verleugnen alles, sie beten ohne Unterlaß, der geheime Umgang mit Gott in Christo ist ihr ganzes Geheimnis“.48)

‹29› Tersteegen unterschied ein engeres und ein weiteres Verständnis der Mystik. Letzteres sei „praktische Theologie oder die Ausübung der Gottseligkeit, insofern sie Gnade und Herzensveränderung zum Grunde hat“. Im engeren Sinne bedeute „Erleuchtung“ (vgl. Eph 1,17-18) sowie das „Bleiben in Jesu“ (vgl. Joh 15,4) das „Anhangen an Gott“ um „Ein Geist“ mit ihm zu werden (vgl. 1 Kor 6,17), das „Wandeln in der Gegenwart Gottes“ (vgl. Gen 17,1), das „Anbeten im Geist und in der Wahrheit“ (vgl. Joh 4,23), die Reinigung (vgl. 2 Kor 7,1), die „Ausgießung der Liebe Gottes ins Herz“ (vgl. Röm 5,5), das Ende der Furcht durch die Liebe (vgl. 1 Joh 4,18), das „Beschauen der Herrlichkeit Gottes“ (2 Kor 3,18), die „Inwohnung Gottes in der Seele“ (vgl. Joh 14,21.23; 2 Kor 6,16; Lev 26,11-12; Ez 37,27), den „Friede Gottes“ (Phil 4,7) und das „Vollkommensein in Eins“ (Joh 17,23).49) Schlussendlich verstand Tersteegen unter Mystik also nicht mehr, aber auch nicht weniger, als Kind Gottes zu sein im – wörtlichen50) – Sinne der Bibel und der frühen Kirche.

‹30›Die Patriarchen, die ausleuchtenden Heiligen des Alten Testaments, die ersten brünstigen Christen überhaupt leerten sich ganz aus, kehrten sich völlig Gott zu, übergaben sich unbedingt seiner Führung hin. Diese waren demnach alle wahre Mystiker und haben […] göttliche Gemeinschaft erfahren. Bei dem hernach erfolgten Abfall von dem ersten Ernst und Lauterkeit […] ward demnach das innere Leben oder die Mystik immer rarer und unbekannter, endlich gar verdächtig.51)

‹31› Dabei räumt er ein, dass „keiner gebührend verstehen [kann, was ein Mystiker ist], wo er nicht selbst auf dem Weg ist, ein solcher zu werden“52) und auch könne nicht jeder Fromme das oben Beschriebene erfahren, „sondern nach der Ausleerung, Stärke und Fähigkeit eines Gefäßes gießet Gott das Übernatürliche hinein“. Daher gab es für Tersteegen auch nicht den einen Weg zur Erleuchtung – im Gegensatz zu anderen Mystikern, die konkrete Stufen benennen.53)

‹32› Zentral waren für Tersteegen jedoch die „Verleugnung“ im Sinne der Askese, das „Herzensgebet“, beispielsweise als regelmäßig wiederholter Gebetsruf „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28), und die „Einkehr bloß in dem inwendigen Umgang und Gemeinschaft mit Gott, so wie er uns in Christo unaussprechlich nahe ist“54) – und dies alles auf dem „unbeweglichen Fundament alle[r] Wahrheiten der heiligen Schrift“, was sich auch in seiner Sprache wiederfindet.55) Dabei sind die Mystiker wie die „Kinder Levi […] unter allen Stämmen verstreut“: „Unter den Römisch-Katholischen, unter den Protestanten, in der griechischen Kirche können Mystiker sein“.56)

‹33› Interessant ist, dass Tersteegens eigene Quellen weitgehend bekannt sind. Zum einen veröffentlichte er um 1730 eine Anweisung und Beschreibung einiger geistlichen Bücher, in der er Bücher empfahl, die „aus göttlichem Licht und Erfahrung geschrieben und welche ein suchendes Gemüt gerade zu Gott und zum rechtschaffenen Wesen anweisen und führen kann“.57) Er nennt darin 29 Titel, z. T. in verschiedenen Ausgaben, darunter – nach der Bibel, die an erster Stelle steht – Schriften von Makarios, Tauler, Thomas von Kempen (in einer von ihm selbst angefertigten Übersetzung) und Johannes vom Kreuz, sein eigenes Blumen=Gärtlein ohne Nennung eines Autors und Werke von weniger den Mystikern zugerechneten Ordensleuten und Quietisten des 17. Jahrhunderts. Reformatoren oder evangelische Schriftsteller fehlen. Zum anderen übersetzte Tersteegen wie oben angedeutet zahlreiche mystische Schriften und gab eine Sammlung von 25 Lebensbeschreibungen katholischer Mystiker heraus, darunter z. B. Theresa von Avila.58)

‹34› Dennoch handelte es sich bei Tersteegens Mystik um „lauter Erfahrungs-Sachen“59), die, entgegen dem erhobenen Vorwurf der Selbstgerechtigkeit, auf Widerfahrenem fußte. In einer sich an Jes 65,1 anschließenden Betrachtung aus dem Blumen=Gärtlein heißt es:

‹35›So ist es eben mir / mein Heyland auch ergangen; Ich fragte nicht nach dir / ich nahm nichts Guts zur Hand: Doch kamst du mir zuvor / und gabst mir ein Verlangen / Zu sterben der Natur / zu werden dir bekannt. […] Ich lieff in eigner Kraft / mit Mühe / Furcht und Schmerzen/ Bist du wurd’st offenbar / und sprach’st : Hie bin ich nah.60)

‹36› Diese Zeilen spiegeln Tersteegens eigenen Weg wider: Ein unerwartetes Angesprochen werden, Jahre der Suche und der Entbehrung, 1724 dann wieder unerwartet die Erkenntnis der Nähe Gottes in Christus. Auch Gott ist gegenwärtig entstand in diesem Kontext der erfahrenen Gottesnähe.61)

‹37› Die aus diesen Erfahrungen entstandene Haltung Tersteegens zeigt sich auch in drei von Benrath herausgearbeiteten Begriffen, die sich zwar nicht im Bericht finden, seine übrigen Schriften jedoch prägen: Die „Kindlichkeit“ als Ausdruck der Preisgabe des Willens, des Gehorsams und des Vertrauens, die „Stille“ als Ort der Gottesbegegnung sowie die „Gelassenheit“, die Leid erdulden lässt, sich dem Willen Gottes fügt und auf dessen Wirken wartet. Diese Elemente sind es auch, die Tersteegen aus dem Quietismus, und damit vermutlich bei Poiret, entlehnt hat.62)

‹38› Trotz Tersteegens intensiver Auseinandersetzung mit katholischer Mystik und seinem konfessionsübergreifenden Denken, verstand er sich als „Protestant“.63) Ludewig nennt als speziell evangelische Komponenten seiner Mystik seine Bereitschaft als Prediger aufzutreten, die Rechtfertigung durch die Gnade, die gezielte Verbreitung seiner Lieder, die Unabhängigkeit von institutionalisierter Vermittlung, von Ämtern, Sakramenten und der Tradition sowie seinen engen Bezug zur Bibel, der seine Texte im wörtlichen Sinne „evangelisch“ macht.64)

Zum Gesang bei Tersteegen

‹39› „Das gläubige und andächtige Singen“, schreibt Tersteegen in seinem Vorwort zum Große[n] Neander 1736,65) „besänftigt und stillet die Affekte und unruhigen Gemütsbewegungen, es vertreibet manches Mal die Trägheit, Traurigkeit und Bekümmernis des Herzens, es ermuntert, stärket und erquicket den Geist, es zieht den Sinn unvermerkt ab von den äußeren Vorwürfen, sammelt und erhebet das Gemüt zur Heiterkeit und Andacht und machet uns demnach geschickter zum wahren Dienste Gottes im Geiste“. Für Tersteegen war Singen „heiliges und wichtiges Werk“, das mit „Ehrerbietung, Andacht, Einfalt und herzlicher Begierde“ erfolgen muss. „Wenn du singest, o Seele, so redest mit [...] Gott, eben sowohl, als wenn du betest. Denke, du stehst mit den vielen tausend mal tausend Engeln und seligen Geistern im Geiste vor dem Throne Gottes“. Dabei soll man „mehr acht geben auf Gott [...], als auf die Stellung des Leibes und Gebärden oder auf deine Stimme und Zierlichkeit der Melodie, welches die innere Andacht nur verhindert und in die Sinnlichkeit und unlautere Selbstgefälligkeit herauslocket“. Dabei kritisiert er scharf diejenigen, die nicht mit vollem Ernst singen und aus dem Gesungenen keine Konsequenzen in ihrem Leben ziehen:

‹40›Es wird die Langmut und Geduld des lieben Gottes wohl nirgend mehr auf die Probe gesetzet und verspottet als beim Beten und Singen der heutigen Namchristen. Der Mund spricht von Buße, und das Herz stehet nicht in der Buße und begehret nicht Buße, ja weiß oft nicht, was Buße sei. Man rufet getrost: ‚Aus tiefer Not schrei ich zu dir‘ und hat doch wohl nicht das geringste Gefühl von Sündennot, sondern lebt lustig und fröhlich in den Tag hinein.66)

‹41› Anders steht es, wenn man einzelne Passagen nicht versteht, denn „[e]ine jede Christliche Warheit hat ihre Stuffen und ihr Alter / worin sie erst gebührend verstanden wird“, wie Tersteegen bereits 1729 in seinem „kurze[n] Vorbericht An den GOtt=suchenden und GOtt=liebenden Leser“ seines Blumen=Gärtlein[s] schreibt.67) So gibt er zu:

‹42›So rede ich auch bißweilen in diesen Reimen / von sehr geistlichen und innigen Warheiten ; nicht als wan ich sie schon hätte / sondern weil ich sie / durch die Gnade GOttes / so köstlich und liebenswürdig erkenne / daß ich sie von Herzen umfasse und in mir zu erfahren verlange.68) Weiter heißt es zum Sinn seiner Veröffentlichung: „[I]ch indessen werde mich auch / und zwar von ganzem Herzen erfreuen / wan auch nur eine einige Seele (will nicht sagen bekehret) sondern nur eine kleine Stärkung und Erweckung hierdurch / in ihrem inwendigen Wandel / durch göttliche Mitwürkung / bekommen möchte.69)

Tersteegen: „Gott ist gegenwärtig“70)

Interpretation

‹43› O du meine Seele, singe fröhlich, singe,
singe deine Glaubenslieder;
was den Odem holet, jauchze, preise, klinge!
Wirf dich in den Staub darnieder!
Er ist Gott
Zebaoth,
er ist nur zu loben
hier und ewig droben.

‹44› Diese Strophe aus Joachim Neanders Wunderbarer König von 1680 (EG 327) stellt bereits den Rahmen für Tersteegens Gott ist gegenwärtig dar, da sich dieser für sein Lied Neanders Melodie auslieh:71) Äußerlich die barocken Pokalstrophen – die im Originaldruck leider nicht zu sehen sind – und inhaltlich der Bezug zu Jesaja:

‹45›Im Todesjahr des Königs Usija sah ich den Herrn. Er saß auf einem hohen und erhabenen Thron. Der Saum seines Gewandes füllte den Tempel aus. Serafim standen über ihm. Jeder hatte sechs Flügel: Mit zwei Flügeln bedeckten sie ihr Gesicht, mit zwei bedeckten sie ihre Füße und mit zwei flogen sie. Sie riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt.72)

‹46› Für Rößler klingt es gleichzeitig wie ein Kommentar Tersteegens zu seinen „Bekehrungen“: Anbetung nach der ersten Bekehrung (Strophe 1), Anspielen der Berufung des Jesaja in Bezug auf die zweite Bekehrung (Strophe 2), Übereignung wie in Tersteegens Verschreibung vom Gründonnerstag 1724 (Strophe 3), dann lobpreisende Dankbarkeit (Strophen 4–8).73)

‹47› Zunächst sollen drei – persönlichere – Deutungen von Gott ist gegenwärtig wiedergeben werden, zwei auf Tersteegen-Tagungen gehaltene Predigten von Kock und Stock und einen „Lesebuch“-Beitrag zu Ehren von Karl-Josef Kuschel von Egerer. Im Anschluss ist auf der Grundlage von Kaiser und Henkys zu fragen, inwiefern diese Deutungen Tersteegen gerecht werden.

‹48› Für Kock begründet sich die Popularität des Liedes in seiner „entschiedene[n] Haltung“,74) die dem Singenden jedoch nicht mehr geben kann, als eine Ahnung von Gottesnähe. Denn das

‹49›Selbstopfer befreit [Tersteegen] zum Dienst und zum Lobpreis [...]. Wie können wir Menschen, denen Gott Familie, Kinder, Gaben für einen Beruf anvertraut hat, solche Entsagungen überhaupt auf uns nehmen? [...] Diese Welt [...] kann nicht Martin Luther King oder Franz von Assisi als Normalerscheinungen vertragen. Und wir ‚normalen‘ Menschen haben diese Heiligen – und auch Gerhard Tersteegen – nicht als Nachahmungsbilder. Aber sie sind Trostbilder.75)

‹50› Ähnlich abgehoben nimmt Stock das Lied wahr. Er versteht das Lied als Sinnbild des Gottesdienstes, wobei die Gegenwart Gottes zunächst im Singen und dadurch in der Gemeinschaft und in der Erhebung über den Alltag erfahrbar wird. Die im Lied angesprochenen Erfahrungen von Luft (5.1), Meer (5.3) und Sonne (6.4) sind für Stock „Formen des Unendlichen“,76) in denen Gott schon immer da ist. Daran anschließend fragt er jedoch, „[o]b wir der Gegenwart dessen, der aller Dinge Grund und Leben ist, tatsächlich inne sind“77) und konstatiert:

‹51›Mit den Problemen unseres sozialen Alltags, unseres politischen Alltags, unseres technischen Alltags jedenfalls lässt uns der Dichter allein. Darüber kann er natürlich kein Wort verlieren, wie sollte er auch.78)

‹52› Ganz anders bei Egerer. Dieser greift zunächst auf die von Tersteegen an anderer Stelle beschriebene dreifache Gegenwart Gottes auf, die allgegenwärtige des Vaters, die Gnadengegenwart des Sohnes und die „inwohnende Gegenwart“79), die in der Beziehung zwischen Gott und Mensch spürbar wird. „GOtt ist in der Mitten“ (1.3) bezieht Egerer auf das Herz, auch im Sinne eines mystischen „vom Verstand ins Herz“.80) „Wir entsagen willig“ (3.1) betont für ihn den Charakter des freien Entschlusses. Die Entsagung führt jedoch nicht zu einem Weniger, sondern zu einem Mehr – einem Mehr an „geistig-geistliche[r] Unabhängigkeit“.81) Diese Freiheit findet er auch im Bild des Adlers (7.9). Die letzte Strophe bringt für Egerer nochmals zum Ausdruck, dass alle Gottesnähe ein Geschenk ist, die aber immer auch und gerade im Alltag spürbar sein soll und zieht für sich den Schluss: „Mein Alltag kann zur ständigen Übung werden [...]. Das mag mich verändern, wie es Tersteegen selbst erfahren hat“.82)

‹53› In seinem Vorbericht zum Blumen=Gärtlein schreibt Tersteegen: „Es sind mir diese Schluß=Reimen und Andachten mehrentheils unvermuthet und zufälliger Weise / innerhalb weniger Zeit / nun und dan eines gegeben worden ; die ich dan auch / ohne viel auf Kunst und Zierlichkeit zu dencken / so wie sie mir in die Gedancken kamen aufs Papir gesetzet“.83) Ob Tersteegen an „Kunst und Zierlichkeit“ gedacht hat, oder nicht, der Text ist voll davon: Die Pokalstrophen, üblich aber kunstfertig, das Reimschema, äußerst selten, der erhebende Nachdruck, im Original durch bewusst gesetzte Ausrufezeichen, die Subtilität seiner Sprache, wie in den Zeilen 1.5 und 1.6, die sich nur durch einen Buchstaben unterscheiden, oder die Wiederholungen, Variationen und Rückgriffe, die den Eindruck eines kreisenden Versinkens in der Gegenwart Gottes erwecken. Auch wusste Tersteegen um die Macht der Poesie.84) So heißt es in der Vorrede zum Große[n] Neander:

‹54›Anbei so hat der anmutige Vortrag eine lieblich-reitzende Kraft bei sich, wodurch sich christliche Wahrheiten dem Gemüte ganz annehmlich vorgebildet und mit Lust eingeflößt werden.85)

‹55› Die Wahrheit, um die es geht, findet sich im Titel – hier in der ursprünglichen Form: Erinnerung der herrlichen und lieblichen Gegenwart Gottes. Das Lied beschreibt einen Dreischritt in der Beziehung zu Gott: gottesdienstliche Anbetung (Strophen 1–4), dann die mystische Verschmelzung „Ich in dir / du in mir“ (5.5–6), die bereits in Strophe 4 durch eine Wendung vom Wir zum Ich vorbereitet wird, und schließlich die Verortung im Alltag (Strophen 6–8): „Wo ich geh/ sitz und steh/ Laß mich dich erblicken/ Und vor dir mich bücken“ (8.6–8) – d. h. hier wird das „Wunder der Gegenwärtigkeit Gottes nicht etwa zum Gewöhnlichen und Üblichen [gemachen], sondern das Gewohnte zum Wunderbaren“.86) Dabei scheint die fünfte Strophe früh kritisiert worden zu sein, sodass spätere Auflagen sie mit drei Fußnoten zu den der Strophe zugrundeliegenden Bibelstellen absicherten.87)

‹56› Gott wird dreimal als „Wesen“ bezeichnet, wobei es immer näher zu rücken scheint: „dieses Wesen“ (2.4), „Majestätisch Wesen“ (4.1), „nahes Wesen“ (8.3). Letzteres ist Gott in Christus, der zwar nicht namentlich genannt wird, aber dadurch vielleicht umso präsenter ist. Auch die Aufklärung benutzte diese Bezeichnung, jedoch in einem distanzierenden, unpersönlichen Sinne. Tersteegen ging es vielmehr um „An-wesenheit“, wie Kaiser es ausdrückt, um Präsenz.88)

‹57› Die Voraussetzung für diese Beziehung sind „Ehrfurcht“ (1.2), „Opfer“ (2.8), „entsagen“ (3.1); später folgt die Bitte „einfältig“, „innig“ und „abgeschieden“ (7.1) zu sein. Dabei deutet der Verweis auf die „zarten Blumen“ (6.3) und die „Sonne“ (6.4) eine Schöpfungsfrömmigkeit an, die sich verstärkt in anderen Liedern Tersteegens findet. Auch betont Tersteegen in Anlehnung an Joh 4,24: „Mach mich reines Herzens/daß ich deine Klarheit Schauen mag im Geist und Warheit“ (7.3–4) – ein Aspekt, der auch Aufklärern wichtig war.89)

‹58› Die Beschreibung der Erfahrung der Gottesnähe bedient sich verschiedenen Paradoxien: das Niederschlagen der Augen (1.7) und das Sehen (4.4) und Erblicken (8.7), das Versinken im Meer (5.4) und das Schweben als Adler (7.7), das Verschwinden des Ich (5.7) und das Einwohnen Gottes (8.1), das eine Person voraussetzt. Diese „Wiedersprüche“, die Althaus dazu veranlassen das pietistische Lied als solches nicht ernst zu nehmen – „[u]nd es sind ja die Stillen im Lande, die singen (welche merkwürdige, den Pietismus insgesamt prägende contradictio in adiecto!)“90) – versteht Kaiser als „Kraft der mittelalterlichen Mystik“, die versucht, der Erfahrung der Allgegenwart Gottes Ausdruck zu verleihen.91) Das ganze Lied läuft, so Henkys, auf die Stille und die Meditation nach dem Lied hinaus: „In Gott ist gegenwärtig thematisiert Gerhard Tersteegen als Lied, was er im Lied als das Ende vom Lied erfährt: Gott ist in der Mitten./ Alles in uns schweige/ und sich innigst vor ihm beuge“.92)

Allgemeine Rezeption der Lieder Tersteegens

‹59› Im 18. Jahrhundert beschränkte sich die Rezeption der Lieder Tersteegens auf pietistische Kreise. Dabei mag eine Rolle gespielt haben, dass er seine Lieder für Gesangbücher wie die erste Auflage des Porstschen Gesangbuches 1708 einfach zu spät veröffentlichte. Zinzendorf war der erste, der Tersteegen-Lieder in einem Gemeindegesangbuch abdrucken ließ, und zwar 1731 im Marchesche[n] Gesangbuch der Herrnhuter Brüdergemeinde. 1734 wurden 33 der bis dahin erschienen 44 Lieder Tersteegens im Hessen=Homburgische[n] Neu=Vollständige[n] GESANG=Buch abgedruckt. Christoph Schütz veröffentlichte zwischen 1738 und 1744 66 Tersteegen-Texte in seinem Würtz, Kräuter= und Blumen=Garten oder Universal=Gesangbuch, zu dem seit 2004 eine gründliche Analyse von Grutschnig-Kieser vorliegt. Bereits seit 1739 lag eine Übersetzung von Gott ist gegenwärtig ins Englische von John Wesley vor. Johannes Schmidlin, ein Schweizer, veröffentlichte 1752 erst drei, dann 1764 Ein Hundert Geistliche Lieder, zur Erweckung und Staerckung des inneren und thaetigen Christenthums – ausschließlich von Tersteegen; dabei versah er die Lieder mit völlig neuen und eher seichten Melodien. Durch das Davidische Psalter=Spiel, dem Gesangbuch der Separatistengemeinde Schaffhausen von 1753, kamen Tersteegens Lieder auch nach Nordamerika. Daneben finden sich einzelne Lieder in Regionalgesangbüchern.93)

‹60› In orthodoxe Gesangbücher schafften Tersteegens Lieder es erst im 19. Jahrhundert. Hierbei spielte die Erweckungsbewegung eine große Rolle, die dem Pietismus auch inhaltlich nahe stand. Beiden ging es um Individualisierung, Verinnerlichung, Christusbeziehung und Ewigkeitsorientierung. So fanden sich 14 Lieder Tersteegens in dem von Johann Arnold Kanne in Erlangen herausgegebenen Gesangbuch Auserlesene christliche Lieder gesammelt von einer Freundin oder Johannes Evangelista Goßners Sammlung auserlesener Lieder von der erlösenden Liebe von 1820. Gerade Goßner hat ein großes Verdienst um die Verbreitung von Tersteegens Liedern: Sein Schatzkästlein von 1825, in dem sich ebenfalls mehrere Texte Tersteegens fanden, wurde in mindestens sieben Sprachen übersetzt. Auch versuchten Herausgeber wie Albert Knapp und Wilhelm Nelle Tersteegen in die Kirche heimzuholen: Letzterer verwarf beispielsweise Tersteegens Rubriken und sortierte dessen Lieder nach den üblichen orthodoxen Rubriken. In manchen Gesangbüchern waren die Lieder Tersteegens ein Ausdruck dessen, das man bemüht war, die Lieder der Aufklärung zu überwinden, so im Fall von Berlin 1829, Württemberg 1842, Minden-Ravensberg 1853 oder Elberfeld 1854. Dafür fand sich im Deutschen Evangelischen Kirchen=Gesangbuch von 1854 kein einziges von Tersteegens Liedern; hier hatte man sich am Liedgut des 16. und 17. Jahrhundert orientiert. Ganz neue Gesangbücher nahmen auch Lieder Tersteegens auf, so das für die Provinz und später das Königreich Sachsen (1882 und 1883), die Provinz Brandenburg (1886), Rheinland-Westfalen (1892) oder Pommern (1897). Im 19. Jahrhundert entstand auch ein gewisser Kanon an Tersteegen-Liedern, der noch das 20. Jahrhundert stark prägte.94)

‹61› Insgesamt sind es weiterhin Freikirchen wie die Methodisten und Baptisten, die die meisten Tersteegen-Lieder in ihre Gesangbücher aufgenommen haben. In den orthodoxen Gesangbüchern wiederum überwiegen diejenigen Lieder, die am besten zur „Normalfrömmigkeit“ passen, vor allem Lieder, die in der ersten Person plural stehen und damit der Kommunikationssituation im gemeinschaftlichen Gottesdienst entsprechen und weniger dem individuellen Gebet. Im EG von 1993 finden sich acht Lieder Tersteegens, darunter auch Gott ist gegenwärtig (EG 165). Katholischerseits wird Tersteegen, kaum beachtet: Im Gotteslob findet sich nur ein Lied von ihm, Jauchzet die Himmel (GL 144). International finden die Lieder Tersteegens vor allem in den Niederlanden Anklang.95)

Rezeption von Gott ist gegenwärtig

‹62› Eine Liste der vom Gesangbucharchiv verzeichneten Gesangbücher, die Gott ist gegenwärtig übernommen haben, findet sich im Anhang unter 7.2.96) Im Rahmen dieser Arbeit ist ein Vergleich all dieser Gesangbücher nicht möglich. Als Kriterium für die getroffene Auswahl dient daher die räumliche Entfernung. Dementsprechend werden im Folgenden verglichen: Alt und neuer Brüder-Gesang, London 1749 (BRÜDE 1749), Ein Hundert geistliche Lieder, Zürich 1764 (ZÜRI 1764), Neu=Vielmehrtes Rigisches Gesang=Buch, Bestehend aus schoenen Geistreichen Liedern und Psalmen, Riga und Leipzig 1761 (RIGA 1846), Evangelisches Gesangbuch für Ost- und Westpreußen, Königsberg 1899 (KÖNIG 1899), Evangelisches Gesangbuch für Elsaß-Lothringen, Straßburg 1899 (STRAS 1899), Gesangbuch der bischöflichen Methodistenkirche in Europa, Bremen 1926 (METHO 1926), Gesangb. der Evangl. Kirche Augsb. Bekenntnisses in der Soz. Republik Rumänien, Sibiu 1974 (SIBIU 1974), Evangelisches Kirchengesangbuch für Österreich, Wien 1980 (WIEN 1980). Daneben wurde noch Geistliche und liebliche Lieder … nebst einigen Gebeten von Johann Porst, Berlin 1892 (PORST 1892) aufgrund seiner Bedeutung und das Evangelische[.] Militär=Gesang= und Gebetbuch, Berlin 1906 (MIL 1906), weil Gott ist gegenwärtig so gar nicht in den Krieg passen will,97) ausgewählt. Den Rahmen bilden die ersten beiden Gesangbücher der Liste, die bereits erwähnten Zinzendorfschen Gesangbücher Sammlung geist- und lieblicher Lieder, Görlitz 1731 (GÖRLI 1731) und Christliches Gesang=Buch der Evangelischen Brueder=Gemeinen von 1735 zum drittenmal aufgelegt und durchaus revidiert, o.O. 1741 (ZINZE 1741), sowie das EG von 1993 auf evangelischer und das jesuitische Gesangbuch Ad majorem Dei gloriam, zweite Auflage 2009, auf katholischer Seite.98)

Rubrizierung

‹63› Gott ist gegenwärtig findet sich entweder unter allgemeinen Kategorien wie „Vom Anbethen GOttes“,99) „Vom Gebet“100) oder „Der christliche Glaube“101) oder in Rubriken den konkreten Gemeindegottesdienst betreffend, wie „Sonntag“,102) „Der Gottesdienst / zum Eingang“;103) an einer Stelle findet eine – falsche – historische Einordnung statt.104) Dabei korreliert die Veränderung zur ersten Person plural in den Strophen 4 bis 8 (ZINZE 1741, BRÜDE 1749, RIGA 1846) nicht damit, ob das Lied dem Gemeindegesang (RIGA 1846) oder dem persönlichen Gebet (ZINZE 1741) zugeordnet wird.

Satz und Melodie

‹64› Bis auf ZÜRI 1764 übernimmt kein Gesangbuch den größeren Abstand zwischen den Zeilen 5 und 6 der Strophen. STRAS 1899 und METHO 1926 setzen die Zeilen ab wie auch Henkys, wodurch erst die Pokalform möglich wird – zumindest theoretisch, da in keinem der ausgewerteten Gesangbücher die Strophen zentriert gesetzt wurden.

‹65› Die in späteren Auflagen in Strophe 5 eingefügten drei Fußnoten werden von keinem der Gesangbücher übernommen.105) Lediglich RIGA 1846 verweist auf eine der drei und zitiert sogar – leicht erweitert – den entsprechenden Bibelvers: „Ap. Gesch. 17,27.28. Er ist nicht fern von einem Jeglichen unter uns, denn in ihm leben, weben und sind wir“. KÖNIG 1899 ersetzt das „schweben“ in Strophe 5 durch „weben“ – womöglich eine indirekte Bezugnahme auf Ap. Gesch. 17,28. Das EG verweist in der zweiten Strophe auf Jes 6,3.

‹66› Was die von Tersteegen vorgegebene Melodie anbelangt, halten sich interessanterweise vor allem die Gesangbücher ab dem 19. Jahrhundert an Neanders Wunderbaren König, ab STRAß 1899 mit Noten.106) Ebenfalls ab dem 19. Jahrhundert taucht der Verweis auf Tersteegen als Autor auf, oftmals mit Lebensdaten;107) nur zum Teil wird auf Neander als Komponist der Melodie verwiesen.108)

Inhalt

‹67› Was sich an Veränderung durch alle Versionen zieht, ist, dass aus der „Erden : Lust und Freuden“ – nach heutiger Orthographie „Erdenlust und -freuden“ – eine „Erdenlust“ auf der einen und eine grundsätzliche „Freude“ auf der anderen Seite werden,109) die Tersteegen nicht gemeint hat, da Freude durch eine Gottesbeziehung ja einer seiner zentralen Punkte war.

‹68› Was sich ebenfalls bis heute gehalten hat, in dieser Auswahl seit RIGA 1846, ist die Verschiebung in Strophe zwei von „Heilig/heilig/singen alle Engel Chören/ Wan sie dieses Wesen ehren“ zum liturgisch geläufigeren – und Jes 6,3 entlehnten – Dreimal Heilig: „Heilig! Heilig! Heilig! Singen ihm zur Ehre Aller Engel hohe Chöre“ – wodurch aber auch die erste Ansprache Gottes als „dieses Wesen“ und damit der oben thematisierte Dreischritt der Annäherung verloren geht.110)

‹69› Das hier seit STRAS 1899 auftretende „sanft und still in deinem Frieden“ statt „Sanffte/ und im stillen Frieden“ (7.2) stellt dagegen eher eine Verdeutlichung dar, ist doch der Geschenkcharakter, hier des Friedens, nochmals betont.111)

‹70› Daneben gibt es eine Reihe kleinerer Eingriffe, die vermutlich auf das persönliche Verständnis des jeweiligen Herausgebers zurückgehen. Bei ZINZE 1741 dienen die Engel „gebeuget“ (2.2), wird die „Erde“ zur „Ehre“ (3.2) und heißt es später „man versinkt in dich hinunter, Gott und wir eins in dir, möchte uns alles schwinden, daß wir dich nur finden. Du durchdringest alles, glanz vom ewgen lichte, dring uns heiter ins gesichte“ (5.4–6.2); in der Londoner Ausgabe BRÜDE 1749 fehlt zusätzlich die vierte Strophe. Schmidlin setzt neben der eigens komponierten Melodie in ZÜRI 1764 ganz eigene Akzente: Gleich zu Beginn möge man sich „erheb[en]“ statt „ergeb[en]“ (1.8), die Engel „ehren“ Gott nicht, sondern „hören“ ihn (2.4) und die Luft „füllet“ nicht alles sondern „fühlet“ (5.1); dabei ist Schmidlin der einzige, der den von Tersteegen gewählten Titel Erinnerung der herrlichen und lieblichen Gegenwart Gottes übernimmt. RIGA 1864 fordert: „Wer ihn kennt, Wer ihn nennt, Sink‘ im Geiste nieder, Geb‘ das Herz ihm wieder“ (1.5–8). Auch hier dienen die Engel „gebeuget“ (2.2) und aus dem „Majestätisch Wesen“ wird das „Ewig herrlich Wesen“ (4.1). PORST 1892 nimmt ebenfalls nur eine kleine Änderung vor, aus „Mach mich reines Herzens/daß ich deine Klarheit Schauen mag im Geist und Warheit“ macht Porst eine kausale Konstruktion: „da ich deine Klarheit schauen mag“ (7.3). KÖNIG 1899 scheint die Luft nicht christlich genug zu sein und ersetzt sie daher in 5.1 durch „Geist“. Die Strophe sechs wird minimal verändert: „Du durchdringest alles, Wollst mit deinem Lichte, Herr, berühren mein Gesichte“ (6.1–2). Auch möchte der Herausgeber statt „einfältig“ „recht kindlich“ (7.1) gemacht werden. In der achten Strophe wird dann wiederum der Geist, diesmal nicht der Heilige Geist, sondern der des Menschen, ersetzt: „Laß mein Herz auf Erden Dir ein Heiligtum noch werden“ (8.1–2).

‹71› Neben der in 5.3.1 angesprochenen Veränderung der Person gerade in den frühen Ausgaben, stellt das Streichen von ganzen Strophen einen ähnlich drastischen Eingriff dar, zumal solche Verkürzungen nicht gekennzeichnet wurden. Wie bereits angesprochen fehlt bei BRÜDE 1749 die vierte Strophe. Nicht zufällig scheint in RIGA 1846 und METHO 1926 die eigentlich mystische und anscheinend nicht zumutbare fünfte Strophe zu fehlen, wobei diese ja innerhalb des Liedes wie für Tersteegen zentral ist und war. Daneben unterschlägt das jesuitische Gesangbuch Ad majorem die Strophen drei und sieben. Anscheinend entsagen Jesuiten keinen „Eitelkeiten“ und sind auch nicht „einfältig, innig, abgeschieden“ – denn ein Platzproblem gab es in diesem Fall definitiv nicht.

Fazit

‹72› Tersteegens Theologie war protestantisch, seine Frömmigkeit pietistisch, sein Lebenswandel monastisch und sein Denken im wörtlichen Sinne katholisch: Ihm bedeutete der Glaube eines Menschen mehr als seine Konfessionszugehörigkeit. Und auch wenn er sich selbst so nie bezeichnet hat, so steht er doch in der Tradition der Mystiker, die Gottesnähe erfuhren und dies verschriftlichten. Sein Lied Gott ist gegenwärtig spiegelt diese Erfahrung der Gottesnähe.

‹73› Dass das Lied bis heute in vielen Gesangbüchern zu finden ist, verdankt es sicher auch der emsigen Verlegertätigkeit seines Verfassers. Daneben unterstützten die hohe Wertschätzung von Kirchenliedern im Luthertum und der Anspruch des Pietismus, möglichst viele neue Lieder zu singen, die Verbreitung – trotz und wegen seines mystischen Inhalts.

‹74› Da das Lied bereits aufklärerisch nüchtern formuliert ist, fiel es nicht der Ordnungswut der Verleger im Zeitalter der Aufklärung zum Opfer. Dennoch gab es, wie bei den meisten Kirchenliedern, zahlreiche Eingriffe in Text und Melodie. Letztere, von Tersteegen bereits vorgegeben und damit auch den theologischen Rahmen des Liedes aufspannend, wurde in der untersuchten Auswahl nur im 18. Jahrhundert verändert. Der Text wurde vielfach und bis in die derzeitige Ausgabe des Evangelischen Gesangbuches vermeintlich geglättet, wobei jedoch wichtige Nuancen verloren gegangen sind. Zudem wurden z. T. schwierige Wörter wie „Wesen“, „Luft“ oder „Geist“ ersetzt, was ebenfalls zu einer Verflachung des Textes führt. Strich man ganze Strophen, so war dies meistens die fünfte Strophe – auch die Fußnoten, die zur theologischen Absicherung und Einordnung in späteren Auflagen des Blumen=Gärtleins angefügt wurden, änderten daran nichts. Ohne die fünfte Strophe ist der Erzählbogen jedoch zerstört: Die Suche und Sehnsucht, die Begegnung und das Zurück in den Alltag, brechen auseinander und die Tragweite der zentralen Aussage Gott ist gegenwärtig wird einer Dimension beraubt.

‹75› Tersteegens bescheidenes Ziel, zufrieden zu sein, „wann auch nur eine einige Seele, will nicht sagen bekehret werde, sondern nur eine kleine Stärkung und Erweckung“112) durch seine Texte erführe, entspricht sicherlich zutiefst seinem demütigen, weil um den Geschenk-Charakter alles Seienden und seiner Arbeit wissenden Charakter. Gott ist gegenwärtig ist dennoch eine Herausforderung. Das Lied nimmt Gott radikal ernst, der sich Mose als der „Ich bin der ‚Ich-bin-da’“ (Ex 3,14) vorstellt, Jesaja anspricht und in Jesus von Nazaret sagt: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Gleichzeitig nimmt Tersteegen den Menschen radikal als Individuum ernst, weil eine Gottesbeziehung und eine Begegnung mit Gott möglich sind. Nicht, dass alle dies gleichermaßen erfahren, aber es ist möglich und der Mensch kann sich konsequent für ein Leben in der Nähe Gottes entscheiden. In seinem Verständnis von Glauben aus persönlicher Überzeugung ist Tersteegen bereits von der Aufklärung geprägt.

‹76› Kocks Verständnis des Liedes als „Trostbild“113) greift zu kurz. Das Lied legt Zeugnis ab von einer Veränderung, die einen persönlich verändern kann, wie Egerer es ausdrückt. Die Erkenntnis, das Begreifen der Bedeutung der schlichten drei Worte Gott ist gegenwärtig schreit nach einer Reaktion: „Lasset uns anbeten“ (1.1). Dem Vorwurf Stocks, das Lied lasse einen mit den Problemen des Alltags allein, wird hier der Boden entzogen. Gott ist eben nicht nur in Kirchen oder Gottesdiensten anwesend oder überhaupt irgendwie verortet. Er ist gegenwärtig. Dieses Wissen kann ein Leben prägen, durch und durch.

‹77› Es ist sicher kein Zufall, dass das einzige katholische Gesangbuch, in dem ich das Lied gefunden habe, ein jesuitisches ist: Tersteegens Überzeugung Gott ist gegenwärtig findet sich bei Ignatius von Loyola als „Gott [...] in allen Dingen finde[n]“.114)

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen
  • Deutschen Provinz der Jesuiten, K.d.ö.R. (Hrsg.): Ad majorem dei gloriam. München, 2. Aufl. 2009.
  • Gerhard Tersteegens kurzer Bericht von der Mystik mit einer Einführung von Emmanuel Jungclaussen. In: Una Sancta 43 (1988), S. 18–23.
  • Tersteegen, Gerhard: Geistliches Blumen=Gärtlein Inniger Seelen; Oder kurze Schluß=Reimen und Betrachtungen Ueber allerhand Warheiten des Innwendigen Christenthums; Zur Erweckung, Stärkung, und Erquickung in dem Verborgenen Leben mit Christo in GOtt; Nebst einigen Geistlichen Liedern. Frankfurt/Leipzig 1729.
  • Tersteegen, Gerhard: Geistliches Blumen=Gärtlein Inniger Seelen; Oder kurze Schluß=Reimen Betrachtungen und Lieder Ueber allerhand Wahrheiten des Innwendigen Christenthums; zur Erweckung, Stärkung und Erquickung in dem Verborgenen Leben mit Christo in Gott nebst der Frommen Lotteri. Germantown, 5. Aufl. 1747.
  • Tersteegen, Gerhard: Geistliches Blumengärtlein inniger Seelen; Oder kurze Schlußreimen, Betrachtungen und Lieder über allerhand Wahrheiten des Innwendigen Christenthums; zur Erweckung, Stärkung und Erquickung in dem Verborgenen Leben mit Christo in GOTT nebst der Frommen Lotterie. Frankfurt/Leipzig, 8. Aufl. worinnen den Liedern zu erst Melodien beigesetzt worden sind. 1778.

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Literatur
  • Alt, Peter-André: Reinigung des Stils oder geistlicher Manierismus. Zur pietistischen Bildsprache. In: Breuer, Dieter (Hrsg.): Religion und Religiosität im Zeitalter des Barock. Bd. 2. Wiesbaden 1995 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, 25), S. 563–577.
  • Althaus, Thomas: Entstehen aus dem Widerspruch. Das pietistische Lied bei Gottfried Arnold, dem Grafen von Zinzendorf und Gerhard Tersteegen. In: Busch, Gudrun [u.a.] (Hrsg.): „Geist=reicher“ Gesang. Halle und das pietistische Lied. Tübingen 1997, S. 241–254.
  • Benrath, Gustav Adolf: Der Mystiker Gerhard Tersteegen als Prediger und Seelsorger. In: MeKG 58 (2009), S. 81–98.
  • Benrath, Gustav Adolf: Tersteegens Begriff der Mystik und der mystischen Theologie. In: Breul, Wolfgang [u.a.] (Hrsg.): Der radikale Pietismus. Perspektiven der Forschung. Göttingen 2010 (= Arbeiten zur Geschichte des Pietismus, 55), S. 303–325.
  • Bunners, Christian: E. Gesangbuch. In: Lehmann, Hartmut (Hrsg.): Glaubenswelt und Lebenswelten, Göttingen 2004 (= Geschichte des Pietismus, Band 4), S. 121–142.
  • Bunners, Christian: Gerhard Tersteegens Lieder im Gesangbuch. Ein rezeptionsgeschichtlicher Beitrag. In: Kock, Manfred (Hrsg.): Gerhard Tersteegen – Evangelische Mystik inmitten der Aufklärung. Köln 1997, S. 77–100.
  • Bunners, Christian: Nachwort. In: Bunners, Christian (Hrsg.): Lieder des Pietismus aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Leipzig 2003, S. 145–156.
  • Egerer, Ernst-Dietrich: Christliche Mystik im Gedicht. Gerhard Tersteegens „Gott ist gegenwärtig“. In: Gellner, Christoph [u.a.] (Hrsg.): Herzstücke. Texte, die das Leben ändern. Ein Lesebuch zu Ehren von Karl-Josef Kuschel zum 60. Geburtstag. Düsseldorf 2008, S. 70–77.
  • Friedrich, Martin: Philipp Jakob Spener. Vater des Pietismus. In: Walter, Peter [u.a.] (Hrsg.): Theologen des 17. und 18. Jahrhunderts. Konfessionelles Zeitalter – Pietismus – Aufklärung. Darmstadt 2003, S. 106–122.
  • Gordan, Paulus: Mystik und Weltverantwortung. In: Gordan, Paulus (Hrsg.): Der Christ der Zukunft – ein Mystiker. Graz 1992 (= Jahrbuch der Salzburger Hochschulwochen, 1991), S. 97–121.
  • Henkys, Jürgen: Gott ist gegenwärtig. In: Becker, Hansjakob [u.a.] (Hrsg.): Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. München 2001, S. 337–344.
  • Holze, Heinrich: „Evangelisches Mönchtum“ im 17. und 18. Jahrhundert bei Gerhard Wolter Molanus und Gerhard Tersteegen. In: Stähli, Hans-Peter (Hrsg.): Wort und Dienst. Jahrbuch der Kirchlichen Hochschule Bethel 23. Wuppertal 1995, S. 167–186.
  • Jaspert, Bernd: Gerhard Tersteegen als ökumenischer Theologe. In: MeKG 39 (1990), S. 207–234.
  • Joest, Christoph: Gerhard Tersteegen (1697–1769) und seine Lehre vom Gebet. In: GuL 75 (2002), S. 439–453.
  • Kaiser, Gerhard: „Gott ist gegenwärtig“ – ein Lied von Gerhard Tersteegen. In: Raffelt, Albert (Hrsg.): Weg und Weite. Festschrift für Karl Lehmann. Freiburg [u.a.] 2001, S. 221–229.
  • Kauhaus, Hanna: Vielfältiges Verstehen. Wege der Bibelauslegung im 18. Jahrhundert. Leipzig 2011 (= Arbeiten zur Kirchen- und Theologiegeschichte, Bd. 35).
  • Kiechle, Stefan: Ignatius von Loyola. Mystiker und Manager. Freiburg [u.a.], 3. Aufl. 2007.
  • Klueting, Harm: Geschichte Westfalens. Das Land zwischen Rhein und Weser vom 8. bis zum 20. Jahrhundert. Paderborn 1998.
  • Kock, Manfred: Predigt des rheinischen Präses im Gottesdienst zur Tagung über Gerhard Tersteegen im ‚Haus der Begegnung‘, Mülheim/Ruhr, am 1.5.1997. In: Kock, Manfred (Hrsg.): Gerhard Tersteegen – Evangelische Mystik inmitten der Aufklärung. Köln 1997, S. 1-6.
  • Krieg, Gustav A.: Die sperrige Biographie Tersteegens. ‚Auserlesene Lebensbeschreibungen heiliger Seelen‘ als Anfrage an die praktische Theologie. In: MeKG 45/46 (1996/1997), S. 191–218.
  • Kurzke, Hermann: Kirchenlied und Kultur. Mainz 2010 (= Mainzer Hymnologische Studien, 24).
  • Lehmann, Hartmut: I. Einführung, in: Lehmann, Hartmut (Hrsg.): Glaubenswelt und Lebenswelten. Göttingen 2004 (= Geschichte des Pietismus, Bd. 4), S. 1–18.
  • Leppin, Volker: Die christliche Mystik. München 2007.
  • Ludewig, Hansgünter: Gerhard Tersteegen als evangelischer Mystiker. In: Meyer, Dietrich [u.a.] (Hrsg.): Zur Rezeption mystischer Traditionen im Protestantismus des 16. bis 19. Jahrhundert. Beiträge eines Symposiums zum Tersteegen-Jubiläum 1997. Köln 2002, S. 241–281.
  • Preul, Reiner: Luthers Musikverständnis, in: Gräb-Schmidt, Elisabeth [u.a.] (Hrsg.): Marburger Jahrbuch Theologie XXII. Ästhetik. Leipzig 2010 (=Marburger theologische Studien, 111), S. 106–118.
  • Rößler, Martin: Liedermacher im Gesangbuch. Liedgeschichte in Lebensbildern. Stuttgart 2001.
  • Rotzetter, Anton: Art. „Pietismus“. In: Rotzetter, Anton: Lexikon christlicher Spiritualität. Darmstadt 2008, S. 476.
  • Schuth, Katharina: Die Tore des Gebetes sind niemals geschlossen. Die Wüstenväter und ihr unablässiges Beten. Münster 2000 (= Theologie der Spiritualität, Band 3).
  • Steiger-Hoffleit, Claudia: Art. „Tersteegen, Gerhard“. In: Herbst, Wolfgang (Hrsg.): Komponisten und Liederdichter des Evangelischen Gesangbuchs. Göttingen 1999 (= Handbuch zum Evangelischen Gesangbuch, Bd. 2), S. 320–322.
  • Stock, Konrad: „Gott ist gegenwärtig“. Predigt über Gerhard Tersteegens Lied (EG 165). In: Gräb-Schmidt, Elisabeth [u.a.] (Hrsg.): Marburger Jahrbuch Theologie XXII. Ästhetik. Leipzig 2010 (= Marburger theologische Studien, 111), S. 100–105.
  • Stollberg-Rilinger, Barbara: Die Aufklärung. Europa im 18. Jahrhundert. Stuttgart, 2. Aufl. 2011.
  • Wallmann, Johannes: Pietismus-Studien. Gesammelte Aufsätze II. Tübingen 2008.

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Anhang

Text: Gott ist gegenwärtig115)

Erinnerung der herrlichen und lieblichen Gegenwart Gottes.

Melod. Wunderbarer König.

1. GOtt ist gegenwärtig ! Lasset uns anbäten/
Und in Erforcht vor Ihm tretten ;
GOtt ist in der Mitten ! alles in uns schweige/
Und sich innigst vor Ihm beuge ;
Wer ihn kennt/ wer Ihn nennt/
Schlagt die Augen nieder/
Kommt/ ergebt euch wieder/

2. GOtt ist gegenwärtig ! dem die Cherubinen
Tag und Nacht gebücket dienen ;
Heilig/heilig/singen alle Engel Chören/
Wan sie dieses Wesen ehren :
HErr/ vernimm uns’re Stimm/
Da auch wir Geringen
Uns’re Opfer bringen.

3. Wir entsagen willig allen Eitelkeiten/
Aller Erden : Lust und Freuden ;
Da liegt unser Wille/ Seele/ Leib/und Leben/
Dir zum Eigenthum ergeben;
Du allein solt es seyn/
Unser GOtt und HErre ;
Dir gebührt die Ehre.

4. Majestätisch Wesen ! möcht ich recht dich preisen/
Und im Geist dir Dienst erweisen !
Möcht ich/wie die Engel/immer vor dir stehen/
Und dich gegenwärtig sehen !
Laß mich dir für und für
Trachten zu gefallen/
Liebster GOtt/ in allen.

5. Lufft/die alles füllet ! drinn wir immer schweben ;
Aller Dingen Grund und Leben !
Meer ohn Grund und Ende ! Wunder aller Wunder !
Ich senck mich in dich hinunter :
Ich in dir / du in mir ;
Laß mich ganz verschwinden/
Dich nur seh’n und finden.

6. Du durchdringest alles/laß dein schönstes Lichte
HErr/ berühren mein Gesichte ;
Wie die zarten Blumen willig sich entfalten/
Und der Sonnen stille halten ;
Laß mich so/ still und froh/
Deine Strahlen fassen/
Und dich wircken lassen.

7. Mache mich einfältig/innig/ abgeschieden/
Sanffte/ und im stillen Frieden ;
Mach mich reines Herzens/daß ich deine Klarheit
Schauen mag im Geist und Warheit ;
Laß mein Herz überwerts
Wie ein Adler schweben/
Und in dir nur leben.

8. HErr/komm in mir wohnen/laß mein Geist auf Erden
Dir ein Heiligthum noch werden ;
Komm/du nahes Wesen ! dich in mir verkläre/
Daß ich dich stets lieb’ und ehre ;
Wo ich geh/ sitz und steh/
Laß mich dich erblicken/
Und vor dir mich bücken.

Auszug aus dem Katalog des Gesangbucharchivs des IAK Gesangbuchforschung an der JGU zu Gott ist gegenwärtig mit einer Auflösung der Abkürzungen:116)

  • GÖRLI 1731: Sammlung geist- und lieblicher Lieder, Görlitz 1731.
  • ZINZE 1741 +: Christliches Gesang=Buch der Evangelischen Brueder=Gemeinen von 1735 zum drittenmal aufgelegt und durchaus revidiert, o.O. 1741.
  • BRÜDE 1749: Alt und neuer Brüder-Gesang, London 1749 (Zinzendorf).
  • ZÜRI 1764: Ein Hundert geistliche Lieder, Zürich 1764.
  • BARBY 1783 +: Gesangbuch, zum Gebrauch der evangelischen Bruedergemeinen, Barby 1783.
  • BERL 1829 +: Gesangbuch zum gottesdienstlichen gebrauch für evangelische Gemeinen, Berlin 1829.
  • DRESD 1833 +: Gesangbuch für die evangelisch-lutherische Landeskirche des Königreichs Sachsen, Leipzig und Dresden 1883.
  • STUTT 1842 +: Gesangbuch für die Evangelische Kirche in Württemberg, Stuttgart 1842.
  • HAMBU 1843 +: Hamburgisches Gesangbuch für den öffentlichen Gottesdienst und die häusliche Andacht, Hamburg 1843.
  • RIGA 1846 +: Neu=Vielmehrtes Rigisches Gesang=Buch, Bestehend aus schoenen Geistreichen Liedern und Psalmen, Riga und Leipzig 1761.
  • MAGDE 1850 +: Gesangbuch zum gottesdienstlichen Gebrauche, Magdeburg 1850
  • BERL 1853: Gesangbuch zum gottesdienstlichen gebrauch für Evangelische Gemeinen, Berlin 1853.
  • BASEL 1854 +: Evangelisches Gesangbuch für Kirche, Schule und Haus in Basel=Stadt und Basel=Land, Basel 1854.
  • NÜRNB 1855: Gesangbuch für die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern, Nürnberg 1855.
  • WIESB 1879: Gesangbuch für die evangelisch-christliche Kirche in Nassau, Wiesbaden 1879.
  • DARM 1881 +: Gesangbuch für die Evangelische Kirche im Großherzogthum Hessen, Darmstadt 1881.
  • BERL 1886 +: Evangelisches Gesangbuch, Berlin 1886.
  • BASEL 1891 +: Gesangbuch für die Evangelisch-reformierte Kirche in der deutschen Schweiz, Basel 1891.
  • PORST 1892 +: Geistliche und liebliche Lieder … nebst einigen Gebeten von Johann Porst, Berlin 1892.
  • KÖNIG 1899: Evangelisches Gesangbuch für Ost- und Westpreußen, Königsberg 1899.
  • STRAS 1899: Evangelisches Gesangbuch für Elsaß-Lothringen, Straßburg 1899.
  • MIL 1906 +: Evangelisches Milität=Gesang= und Gebetbuch, Berlin 1906.
  • FRANK 1907: Frankfurter Evangelisches Gesangbuch, Frankfurt a.M. 1907.
  • STUTT 1912: Gesangbuch für die Evangelische Kirche in Württemberg, Stuttgart 1912.
  • DEG 1915 +: Deutsches Evangelisches Gesangbuch, Berlin 1915.
  • DEG 1926 +: Deutsches Evangelisches Gesangbuch, Berlin 1926.
  • METHO 1926: Gesangbuch der bischöflichen Methodistenkirche in Europa, Bremen 1926.
  • GNAD 1927: Gesangbuch der evangelischen Brüdergemeine. Zweite Auflage, Gnadau 1927.
  • MIL 1930 +: Evangelisches Gesang= und Gebetbuch für das Reichsheer und die Reichsmarine, Berlin 1930.
  • HALLE 1933: Gesangbuch für die Provinz Sachsen und Anhalt, Halle 1933.
  • DARM 1935: Lobe den Herrn! Gesangbuch für die evangelische Landeskirche in Hessen, Darmstadt 1935.
  • KASSE 1935 +: Der helle Ton. Ein Liederbuch für die deutsche evangelische Jugend, Kassel 1953.
  • MIL 1935 +: Evangelisches Milität=Gesang= und Gebetbuch, Berlin 1935.
  • BAYER 1938: Gesangbuch für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, Ansbach 1938.
  • STUTT 1938: Gesangbuch für die Jugend, Stuttgart 1938.
  • DC 1939 +: Gesangbuch der kommenden Kirche, Bremen 1939.
  • MIL 1939 +: Evangelisches Feldgesangbuch, Berlin 1939.
  • DC 1941: Großer Gott wir loben dich, Weimar 1941.
  • EKG 1950 +: Evangelisches Kirchengesangbuch, Kassel 1950.
  • BERL 1954: Evangelisches Kirchengesangbuch 1954.
  • MIL 1957 +: Evangelisches Gesang und Gebetbuch für Soldaten, Kassel 1957.
  • KARLS 1973: Evangelisches Kirchen-Gesangbuch für Baden, Karlsruhe 1973.
  • SIBIU 1974: Gesangb. der Evangl. Kirche Augsb. Bekenntnisses in der Soz. Republik Rumänien, Sibiu 1974.
  • KARLS 1978 +: Evangelisches Kirchen-Gesangbuch für Baden, Karlsruhe 1978.
  • WIEN 1980: Evangelisches Kirchengesangbuch für Österreich, Wien 1980.
  • EG 1993 +: Evangelisches Gesangbuch (Stammausgabe), Stuttgart 1993.
  • EGBAY 1994: Evangelisches Gesangbuch, Antwort finden, Speyer 1994.
  • BASEL 1998 +: Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen in der deutschsprachigen Schweiz, Basel 1998.

Fußnoten

  1. Kurzke, S. 37f.  »
  2. Heute wird scheinbar selbstverständlich vom evangelischen Mystiker Tersteegen gesprochen. Dabei hat die Wissenschaft lange um diese Begriffe gerungen. Für Bunners ist die Kritik Karl Barths an Tersteegen „symptomatisch“ für den Umgang mit ihm im 20. Jahrhundert: Barth würdigte die Kraft der Spiritualität Tersteegens, äußert sich seiner Mystik gegenüber jedoch skeptisch. Vorwürfe beziehen sich vielfach auf einen fehlenden Christusbezug und eine scheinbare Selbsterlösung. Bunners, Rezeption, S. 95. Vgl. Bunners, Rezeption, S. 97; Ludewig, S. 241. Tersteegen selbst, der von seiner „Erb-Religion“ her reformiert war, bezeichnete sich als Protestant. Zit. nach Rößler, S. 608. Näheres siehe in Kapitel 4.2.  »
  3. Krieg, S. 191. »
  4. Im Umgang mit Gesangbüchern als „hochkomplexe[n] Gebilde[n]“ sind sowohl die Beweggründe des Herausgebers, als auch die Rubrizierung, die Liedauswahl, die Sozialformen, in denen sie zur Anwendung kamen, wie auch buchhändlerische Aspekte wichtig. Bunners, Gesangbuch, S. 123. Vgl. Bunners, Gesangbuch, S. 123. Im Rahmen dieser Arbeit muss ich mich darauf beschränken, den Weg des Liedes „Gott ist gegenwärtig“ durch verschiedene Liederbücher zu skizzieren und ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, inwieweit der ursprüngliche Text verändert wurde.  »
  5. Dies bemängelt auch Henkys, S. 339. Vgl. Bunners, Rezeption, S. 86. Auf Titel und Zitate sind im Folgenden orthographisch entsprechend der jeweiligen Edition wiedergeben und können daher eine unterschiedliche Rechtsschreibung aufweisen.  »
  6. Vgl. beispielsweise die Wortgefechte Wallmanns und Lehmanns in PuN 28 (2002) bis 31 (2005). Zur Debatte steht insbesondere die Anwendbarkeit des Begriffs auf spätere Erweckungsbewegungen, diskutiert wird hierfür ein „erweiterter“ Pietismusbegriff, der für dieses Thema keine Rolle spielt. Vgl. Anm. 12.  »
  7. Rotzetter, S. 476. »
  8. Wallmann, S. 211. Vgl. Friedrich, S. 107.  »
  9. So im Titel einer Komödie. Vgl. Wallmann, S. 211.  »
  10. Spener zit. nach Friedrich, S. 111. Vgl. Friedrich, S. 108, 110; Wallmann, S. 213, 216; Lehmann, S. 1, 7. »
  11. Tersteegen zit. nach Rößler, S. 608. Zu Tersteegens Verhältnis zu den Konfessionen vgl. Kapitel 4.2 dieser Arbeit. »
  12. Vgl. Wallmann, S. 218; Lehmann, S. 10f.; Bunners, Lieder, S. 150; Stollberg-Rilinger, S. 111. »
  13. Wallmann, S. 219. Vgl. Wallmann, S. 219. Wallmann ordnet Tersteegen dem – indifferenten – kirchlichen Pietismus zu (vgl. Wallmann, S. 219.), allerdings widmet sich ihm auch ein Aufsatz im von Wolfgang Breul [u.a.] herausgegebenen Sammelband „Der radikale Pietismus. Perspektiven der Forschung“, Göttingen 2010. »
  14. Leppin, S. 8. Vgl. Leppin, S. 7–9; Wallmann, S. 218. »
  15. Leppin, S. 9. Vgl. Leppin, S. 8–10, 64. »
  16. Gordan, S. 111. Vgl. Leppin, S. 10.  »
  17. Leppin, S. 12. Vgl. Leppin, S. 11f. »
  18. Rahner zit. nach Leppin, S. 13.  »
  19. Bericht S. 20. Vgl. Anm. 47; Benrath, Mystik, S. 308, 313. »
  20. ‚Orthodox‘ soll im Folgenden verstanden werden als der lutherischen oder reformierten Amtskirche gemäß.  »
  21. Preul, S. 106. Vgl. Bunners, Lieder, S. 148.  »
  22. Bunners, Gesangbuch, S. 123. Vgl. Bunners, Gesangbuch, S. 124; Bunners, Rezeption, S. 79; Bunners, Lieder, S. 148. »
  23. Bunners, Gesangbuch, S. 124. »
  24. Vgl. Bunners, Gesangbuch, S. 124–128. »
  25. Lehmann, S. 15. Vgl. Bunners, Lieder, S. 149f.; Bunners, Rezeption, S. 77. »
  26. Vgl. Bunners, Gesangbuch, S. 135; Bunners, Rezeption, S. 80. Neander ist auch der Namensgeber des Neandertalers; das Tal hatte seinen Namen erhalten, weil er dort viel Zeit verbracht, Lieder gedichtet und gesungen sowie erweckliche Versammlungen abgehalten hatte. Vgl. Rößler, S. 566. Der Große Neander erschien ab 1760 unter dem Titel Gottgeheiligtes Harfenspiel der Kinder Zion und enthielt zuletzt 100 Lieder von Tersteegen. Vgl. Bunners, Rezeption, S. 81. »
  27. Neander zit. nach Rößler, S. 573f. »
  28. Vgl. Ludewig, S. 259 Anm.88. »
  29. Stollberg-Rilinger, S. 9.  »
  30. Kant zit. nach Stollberg-Rilinger, S. 9. »
  31. Vgl. Stollberg-Rilinger, S. 10f. »
  32. Stollberg-Rilinger, S.14. Vgl. Stollberg-Rilinger, S. 12, 15f. »
  33. Vgl. Stollberg-Rilinger, S. 93–95; Rößler, S. 606; Klueting, S. 143. »
  34. Benrath, Mystik, S. 304. »
  35. Bericht, S. 21. Vgl. Stollberg-Rilinger, S. 112. »
  36. Vgl. Kurzke, S. 152, 155–157, 160. »
  37. Gleichnamiger Artikel von Holzer. »
  38. Vgl. Steiger-Hoffleit, S. 320; Joest, S. 439f; Bunners, Rezeption, S. 80.  »
  39. Zit. nach Joest, S. 440. »
  40. Alte Lebensbeschreibung zit. nach Rößler S. 601. Vgl. Joest, S. 440f. »
  41. Benrath, Prediger, S. 83. »
  42. Joest, S. 440. Vgl. Joest, S. 440f; Benrath, Prediger, S. 83. Beim Herzensgebet handelt es sich um eine Form des immerwährenden Gebets, das nicht klar zu definieren ist. Schuth schlussfolgert: „für sie [die Wüstenväter] gilt, was Abraham J. Heschel auch für die Chassidim feststellt: ‚Für die weisesten unter ihnen war es wichtiger zu erfüllen, was sie sagten, als zu sagen, was sie erfüllten‘“. Schuth, S. 140.  »
  43. Text und Abbildung des Originaldokuments bei Benrath, Prediger, S. 84f. Vgl. Joest, S. 441. Die Brautmystik, die ihre biblischen Wurzeln u. a. im Hohelied hat, entsprach noch der Sinnlichkeit des Barock und wurde im 18. Jahrhundert bereits stark kritisiert. Dieses Dokument war jedoch auch niemals für die Öffentlichkeit bestimmt; Tersteegens Lieder entsprachen weitgehend dem sachlicheren Stil der Aufklärungspoetik. Vgl. Alt II, S. 573f; Benrath, Prediger, S. 86. »
  44. Einige wichtige Verhaltungs-Reglen an eine beysammen wohnende Bruder-Gesellschaft zit. Holze, S. 180. Vgl. Holze, S. 179. »
  45. Ruhbach zit. nach Holze, S. 179. »
  46. Vgl. Rößler, S. 610; Benrath, Prediger, S. 91, 94. Eine Übersicht über Tersteegens literarisches Werk bietet Jaspert, S. 218f. Seine Predigten finden sich auf über 600 Seiten in: Gerhard Tersteegen. Geistliche Reden. Herausgegeben von Albert Löschhorn und Winfried Zeller. Göttingen 1979 (= Texte zur Geschichte des Pietismus Abt. V Gerhard Tersteegen: Werke, Bd. 1); in derselben Reihe wurden zuletzt 2008 Tersteegens Briefe ediert. »
  47. Text bei Jungclaussen, S. 20–23, im Folgenden Bericht. »
  48. Bericht, S. 21. Vgl. Bericht, S. 21. »
  49. Bericht, S. 21f. Vgl. Bericht, S. 21f. »
  50. Kauhaus weist für die lutherische Theologie des 18. Jahrhunderts ebenfalls nach, dass der Bibeltext in erster Linie als „reales Geschehen aufgefasst“ wurde. Kauhaus, S. 309. »
  51. Bericht, S. 22. »
  52. Bericht, S. 20. »
  53. Bericht, S. 22. Bildhaft beispielsweise bereits in der Himmelsleiter des Klimakos aus dem 6. Jahrhundert. Vgl. Leppin, S. 42. »
  54. Bericht, S. 23. »
  55. Bericht, S. 22. »
  56. Bericht, S. 20. Vgl. Ludewig, S. 253, 258, 274. »
  57. Zit. nach Benrath, Mystik, S. 305. »
  58. Vgl. Benrath, Mystik, S. 305–307. »
  59. Brief vom 27.10.1741, zit. nach Benrath, Mystik, S. 313. »
  60. Blumen=Gärtlein, 1729, S. 168. »
  61. Vgl. Benrath, Prediger, S. 88 Anm. 24; Benrath, Mystik, S. 312. »
  62. Benrath, Prediger, S. 93f. Die Art und die Intensität seiner Beeinflussung durch den Quietismus ist noch nicht untersucht worden. Vgl. Benrath, Mystik, S. 318. »
  63. „Ich preise die Heiligkeit dieser Seelen an, nicht ihre Nam-Religion [...]. Ich bin und bleibe Protestant“. Auserlesene Lebensbeschreibungen heiliger Seelen, Bd. 3 (1754), zit. nach Rößler, S. 605. »
  64. Vgl. Ludewig, S. 277–281; Benrath, Prediger, S. 98. Dabei liegt sein Schwerpunkt im Gegensatz zum Heidelberger Katechismus auf der Güte, Gnade und Liebe Gottes. Vgl. Benrath, Prediger, S. 88f. »
  65. Alle Zitate in diesem Absatz nach Rößler, S. 618–620. Auffällig ist, dass Tersteegen vor dem Singen noch das Lesen von Liedern behandelt. Vgl. Henkys, S. 341. »
  66. Zit. nach Rößler, S. 619. »
  67. Blumen=Gärtlein, 1729, S. 5. »
  68. Blumen=Gärtlein, 1729, S. 6f. »
  69. Blumen=Gärtlein, 1729, S. 9. »
  70. Die Nummerierung der Zeilen richtet sich nach dem Satz im Geistliche[n] Wunderhorn, sodass aus den von Tersteegen mit einem größeren Abstand markierten dreisilbigen Zeilen die Zeilen X.5 und X.6 werden. »
  71. Vgl. Blumen=Gärtlein, S. 196. »
  72. Jes 6,1–3. »
  73. Vgl. Kaiser, S. 221, 225; Henkys, S. 340f.; Rößler, S. 601. Im Kontext der Berufung des Jesaja bezieht sich Rößler, der selbst an der Ausarbeitung des EGs beteiligt war, explizit auf das angebliche „Dreimal-Heilig“ in Strophe 2, das im Original ein Zweimal-Heilig ist. Die Version im Evangelischen Gesangbuch wird in Kapitel 5.3 zu erörtern sein. »
  74. Kock, S. 1. »
  75. Kock, S. 3f. »
  76. Stock, S. 103. Vgl. Stock, S. 101. »
  77. Stock, S. 103f. »
  78. Stock, S. 104. »
  79. Tersteegen, Vorrede zur „Kleinen Perlenschnur“, zit. nach Egerer S. 71. »
  80. Egerer, S. 71. Henkys bezieht die „Mitten“ auf folgenden Spruch Tersteegens: „Die Welt ist nur ein Rad, ein immer drehend Rund,/ Gehst du mit Lust hinein, so kommst du mit ans Treiben./ Gott ist der Mittelpunkt; kehr ein in’n Seelengrund!/ Wer da gesammelt ist, kann still und ruhig bleiben“. Henkys, S. 343. »
  81. Egerer, S. 73. »
  82. Egerer, S. 76f. Vgl. Egerer, S. 72, 75f. »
  83. Blumen=Gärtlein, 1729, S. 3. »
  84. Vgl. Henkys, S. 340, 342. Eine Liste der textimmanenten Bezüge bei Henkys, S. 342. »
  85. Tersteegen zit. nach Henkys, S. 341. Zudem könne man sich gereimte Texte besser merken. Vgl. Henkys, S. 341. »
  86. Kaiser, S. 225. Vgl. Kaiser, S. 226. »
  87. So beispielsweise in der erweiterten Ausgabe Germantown 1747 (5. Auflage), S. 262: „Lufft, die (a) alles füllet ! drinn wir immer (b) schweben ; // Aller Dingen Grund und Leben ! // Meer ohn Grund und Ende ! Wunder aller Wunder ! Ich senck mich in dich hinunter : // Ich in dir, du in mir ; // Laß mich (c) ganz verschwinden, // Dich nur seh’n und finden. // […] (a) Jerem. 23,24. (b) Apost. Gesch. 17,28. (c) Galat. 2,20.“ // oder Frankfurt/Leipzig, 8. Aufl. 1778, S. 277. »
  88. Kaiser, S. 228. Vgl. Kaiser, S. 226. »
  89. Vgl. Kaiser, S. 228; Henkys, S. 344. »
  90. Althaus, S. 249. »
  91. Kaiser, S. 227. »
  92. Henkys, S. 342. »
  93. Beispiele aus Bunners, Rezeption, S. 81-85. Zum Würtz, Kräuter= und Blumen=Garten oder Universal=Gesangbuch liegt eine gründliche Analyse vor: Grutschnig-Kieser, Konstanze: Der „Geistliche Würtz=Kräuter= und Blumen=Garten“ des Christoph Schütz. Ein radikalpietistisches „UNIVERSAL-Gesang=Buch. Göttingen 2004. Diese zeigt exemplarisch, was es bei einem Gesangbuch in den Blick zu nehmen gilt. Vgl. Anm. 4. »
  94. Vgl. Bunners, Rezeption, S. 85–92. »
  95. Bunners, Rezeption, S. 93. Vgl. Bunners, Rezeption, S. 93f. »
  96. Bunners nennt darüber hinaus noch speziell für „Gott ist gegenwärtig“ das Gesangbuch der evangelischen Brüdergemeinen von Christian Gregor von 1778, Reval und Minden jeweils 1771, die Stimmen aus Zion, Leipzig 1774 – hier als das erste Lied – sowie ein weiteres Leipziger Gesangbuch von 1796, das das Lied in umgedichteter Form brachte. Vgl. Bunners, Rezeption, S. 83, 85. »
  97. Zu Militärgesangbüchern vgl. Kurzke, Kapitel 6: Der Gott der Schlachten. Aus der Geschichte der Militärgesangbücher, S. 76–84. »
  98. Orthographische Veränderungen werden nur beachtet, wenn sie eine inhaltliche Verschiebung mit sich bringen. »
  99. GÖRLITZ 1731 und ZINZE 1741. Vgl. Ad majorem 2009. »
  100. PORST 1892. Vgl. KÖNIG 1899. »
  101. METHO 1926.  »
  102. MIL 1906. Vgl. RIGA 1846; STRAS 1899.  »
  103. SIBIU 1974 und WIEN 1980. »
  104. BRÜDE 1749 zählt das Lied zum 17. Jahrhundert. »
  105. Vgl. Anm. 87. »
  106. Ab RIGA 1846. Noten bei STRAS 1899, METHO 1926, SIBIU 1974, WIEN 1980, EG 1995, Ad majorem 2009. »
  107. Ab RIGA 1846. »
  108. SIBIU 1974. In Ad majorem 2009 verweis auf „Bremen 1680“. »
  109. Außer ZÜRI 1764: „Erden Lust und Freuden“, und WIEN 1980: „Erdenlust und -freuden“ »
  110. Vgl. KÖNIG 1899, MIL 1906, METHO 1926, SIBIU 1974, WIEN 1980, EG 1993, Ad majorem 2009. »
  111. Vgl. METHO 1926, SIBIU 1974, WIEN 1980, EG 1993, Ad majorem 2009. »
  112. Anm. 69. »
  113. Anm. 75. »
  114. Ignatius von Loyola zit. nach Kiechle, S. 120. Dabei will ich nicht ausschließen, dass das Lied auch in anderen katholischen Gesangbüchern des 21. Jahrhunderts abgedruckt ist, die Bestände des Gesangbucharchivs reichen jedoch nur bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. »
  115. Blumen=Gärtlein, 1729, S. 196–198. »
  116. Die für diese Arbeit untersuchten Gesangbücher sind kursiv und tauchen nicht zusätzlich bei den Quellen auf. »
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Autoreninformation

Ruth Nientiedt ist Studentin der Katholischen Theologie sowie der Mittleren und Neueren Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Studiengang Magister Artium.

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Zitationshinweis:

Ruth Nientiedt: „lauter Erfahrungs-Sachen“ – Gerhard Tersteegens Lied „Gott ist gegenwärtig“ – Bedeutung und Rezeption, in: Skriptum 3 (2013), Nr. 1, URN: urn:nbn:de:0289-2013051797, Abs. XY [Datum des Zugriffes].