Editorial

von Katharina Thielen

Liebe Leserinnen und Leser,

Skriptum – Studentische Onlinezeitschrift für Geschichte und Geschichtsdidaktik kann seit dem erstmaligen Erscheinen im Mai 2011 auf nun fast vier Jahre erfolgreiches Publizieren, auf Entwicklungsprozesse inhaltlicher wie technischer Art und auch – zugegebenermaßen – auf gewisse Schwierigkeiten im redaktionellen Zeitplan zurückblicken. Die Herausgeber sind mit ihrer Tätigkeit an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (ADW) vollends im Berufsleben angekommen, haben für das kommende Jahr bereits neue spannende Projekte ins Auge gefasst und zeigen nicht nur mit Skriptum ehrenamtliches Engagement. Neues erlebt auch Chefredakteurin Katharina Thielen, die im Oktober ihren Master im Fach Historisch orientierte Kulturwissenschaften an der Universität des Saarlandes begonnen hat und Skriptum bald mit kulturwissenschaftlichen Beiträgen von Studierenden aus Saarbrücken bereichern wird. Aus diesen Gründen präsentiert sich Skriptum 4 (2014), Heft 2 etwas später als gewöhnlich, stellt dem geneigten Leser jedoch pünktlich zur Adventszeit interessante Lektüre bereit – Weihnachtszeit ist schließlich Lesezeit.

Die Weihnachtsausgabe beginnt mit einem Einblick in das weite Feld des Geschichtsmarketings. Das Geschichtsbüro Reder, Roeseling & Prüfer in Köln versteht sich als Dienstleister für Angewandte Geschichte und befindet sich damit an der Schnittstelle zwischen alteingesessenen geschichtswissenschaftlichen Standards und modernen Kommunikationsverfahren. Im Blick in die Historikerwerkstatt berichtet die Projektleiterin Dr. Thekla Keuck von den weitreichenden Tätigkeiten des Geschichtsbüros im Auftrag verschiedener Wirtschaftsunternehmen oder als Berater für Archivkonzeptionen. Vor dem Hintergrund einer möglichst objektiven Darstellung, liegt die Herausforderung vor allem in der Anpassungsfähigkeit an die Wünsche der jeweiligen Auftraggeber, für welche das Produkt stets auch eine Selbstreflexion durch Geschichte darstellt. Mit anderen Worten: Die Rezeption der eigenen Vergangenheit dient der Identitätsbildung eines Unternehmens in der Gegenwart und hat Auswirkungen auf seine zukünftige Entwicklung. In diesem Sinne machen Geschichtsbüros Geschichte nicht nur nutzbar, sondern tragen zu einer eigenständigen Form praktischer Geschichtskultur bei, welche heutzutage mehr und mehr an Bedeutung gewinnt und die Arbeit von Geschichtsbüros in Zukunft bestärken wird.

Ebenfalls anwendungsorientiert ist der darauffolgende Beitrag von Annika Jücker. Mit Paneuropa – eine utopische Europaidee? liefert sie einen Unterrichtsentwurf, dessen praktischer Einsatz im Leistungskurs Geschichte eine Sensibilisierung für die Europaideen des 20. Jahrhundert verspricht. Als Exempel wird das in den Paneuropa-Konzept von Richard N. Coudenhove-Kalergi vorgestellt, wobei die quellengestützte Auseinandersetzung für die Lehrer eine spannende Möglichkeit der Unterrichtsgestaltung darstellt und darüber hinaus auf Seiten der Schüler ein kritischer Umgang mit der heute selbstverständlich erscheinenden EU evoziert werden kann.

Ob Homosexualität in der heutigen Gesellschaft als Selbstverständlichkeit betrachtet wird, kann noch immer nicht mit Sicherheit bejaht werden. In den 70er Jahren jedenfalls wird sie als Keine Krankheit im üblichen Sinne betrachtet – wie Tobias Jakobi in seinem gleichnamigen Beitrag eindrucksvoll zeigt. Die quellenkritische Auseinandersetzung mit Drucksachen und Plenarprotokollen erhellt die Perspektive des Bundestages in der Diskussion um Pornographie und die Krankhaftigkeit von Homosexualität und gibt einen Einblick in den Umgang der Bundeswehr mit Homosexualität sowie Anhaltspunkte zur Geschichte der Verfolgung Homosexueller während des sogenannten Dritten Reiches. Dem Autor zufolge kam es seit den 1970er Jahren zwar zu einer allmählichen Entkriminalisierung bzw. Entpathologisierung von Homosexualität, eine ‚Normalisierung‘ fand jedoch nicht statt.

Auch die zweite Seminararbeit ist im Bereich der gender history angesiedelt. Der Beitrag Die Selbstverortung des Essener Damenkapitels im Rahmen der landständischen Verfassung im Landesgrundvergleich des Essener Stiftes vom 1. September 1794 deckt anhand des Essener Landesgrundvergleichs, der einen Rechtsstreit zwischen den Landständen und der sog. Fürstin-Äbtissin Maria Kunigunde von Sachsen beilegen sollte, das Selbstverständnis des Damenkapitels am Ende des Alten Reichs auf. Yannick Weber stellt heraus, wie es es den Chordamen mit der Aushandlung des verfassungsähnlichen Vertrages gelang, ihre Selbstsicht als erster Landstand, Repräsentant des Stiftes und alleiniger Wahlkorpus gegenüber den anderen Ständen, dem männlichen Kanoniker-Kapitel und der Fürstin-Äbtissin zu behaupten und damit ein beeindruckendes Beispiel weiblicher Emanzipation in der Frühen Neuzeit zu statuieren.

Anlässlich des laufenden Gedenkjahres zum Ersten Weltkrieg bildet das Essay Mobilisierung des amerikanischen Volks zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg mithilfe von Bildpropaganda von Simone Stiehl den Abschluss der achten Ausgabe von Skriptum. Die Autorin befasst sich mit der brisanten Frage, wie es der US-Regierung unter Präsident Woodrow Wilson 1917 gelingen konnte, eine multikulturelle Bevölkerung von der Notwendigkeit eines amerikanischen Eintritts in den Ersten Weltkrieg zu überzeugen. Anhand einer ikonographischen Analyse dreier Propagandaplakate dekonstruiert sie die gängigen Bildmotivik und stellt die Bedeutung staatlicher Propagandamaßnahmen für die Beantwortung der eingangs gestellten Frage heraus.

Wir wünschen Ihnen besinnliche Festtage 2014 und einen guten Start ins neue Jahr,

Katharina Thielen,

Saarbrücken, den 21. Dezember 2014

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Katharina Thielen: Vorwort, in: Skriptum 4 (2014), Nr. 2, URN: urn:nbn:de:0289-2014122003, Abs. XY [Datum des Zugriffes].