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Sprendlinger Töpfer und ihr irdenes Geschirr

von Wolfgang Genther

Zu allen Zeiten wurden irdene Ware, Töpfe, Schüsseln und Krüge in Rheinhessen hergestellt. Besonders in Sprendlingen war die die Zahl der Töpfer ("Häfner") aufgrund der Möglichkeit, Lehm ( auch "Letten", "Lahme" oder "Kaut" genannt) abzubauen, verhältnismäßig hoch. Durch neue Geräte und Materialien - wie zum Beispiel die Milchzentrifuge oder das Aluminium - wurden die irdenen oder tönernen Geschirre in der Neuzeit verdrängt. Die Töpfer mussten sich nach einem anderen Erwerb umsehen.
Im Jahre 1810 gab es in Sprendlingen und Sankt Johann ausweislich einer Rechnung für den Abbau des Lettens im Sprendlinger Gemeindewald noch 11 Häfner (Sammlung Genther). Im Jahre 1900 waren es in Sprendlingen nur noch 5 Töpfer, in St. Johann war keiner mehr tätig.
Der letzte Ofen mit irdenem Geschirr wurde 1925 bei Weller in Sprendlingen gebrannt. Er war mit Tannenholz vom Hunsrück befeuert. Häfner Hess ließ beim Zumauern seines Ofens einige Steine hervorstehen, die dann gegen Ende des Brandes herausgezogen wurden, um mit einem Holzstäbchen, welches sofort nach dem Hineinhalten brennen musste, festzustellen, ob die nötige Temperatur erreicht war. Die Brenndauer eines Ofens betrug einen Tag. Erst wenn die Flammen die zum Backen aufgestellten Erzeugnisse durchglüht hatten und zum Kamin hinausschlugen, war der Brennvorgang beendet.

In der mündlichen Überlieferung sind für Sprendlingen folgende Töpfer bekannt:

  • Jakob Hitzel aus der Gau-Bickelheimer Straße töpferte bis ca. 1910 im selben Haus, in dem schon sein Vater Jak. Hitzel seine Häfnerwerkstatt gehabt hatte.
  • Jakob Leidinger hatte seine Werkstatt in der Wassergasse, Philipp Hess arbeitete in der Weyergasse, Johannes Schnell (gest. 1911) in der Käfergasse, Daniel Weller in der Gau-Bickelheimer Strasse, Heinrich Weller in der Schimmertstrasse, und Lorenz Weller in der Gertrudenstrasse. Die Ware wurde überwiegend im Hause verkauft. Bei Wellers kaufte eine fliegende Händlerin, das "Goldertchen" genannt, Geschirr auf, um es in den umliegenden Orten zu verkaufen.
  • Häfner Hess lieferte über den Händler Albert, durch Fuhrmann Eder aus der Feldgasse, irdene Ware nach Wiesbaden auf den Andreasmarkt. Auch Gärtnereien wurden von ihm beliefert. In der Gertrudenstrasse, im Gemischtwarengeschäft von Frau Bruser, wurde nur seine Ware verkauft.
  • Der Töpfer Heinrich Weller fuhr mit Fuhrmann Eder in bestimmte Orte zur "Kerb", wo er schon erwartet wurde, um dort seine irdene Ware zu verkaufen.
  • Der Händler Heinrich Ilsen, er stammte aus Westfalen, kaufte Irdenware und Steingut, um es das ganze Jahr hindurch mit Pferd und Wagen bis kurz nach 1900 in die umliegenden Orte zu verkaufen. Sein Verdienst betrug laut erhaltenen Aufzeichnungen nur Pfennige.
  • Der Töpfer Jakob Hitzel war wohl der einzige, der neben seiner Werkstatt noch ein Ladengeschäft mit Schaufenster führte. Das Anwesen befindet sich heute noch in der Familie, wurde umgebaut, aber man kann noch sehen, wie es wohl früher dort war. In dem Lädchen standen auf Regalen alle Erzeugnisse von Hitzel Vater und Sohn. Der Sohn Jakob töpferte bis ca. 1910. Seine Frau trug auf dem Kopf, in einem großen Korb unter dem das "Kitzel" lag, viel Irdenware in die umliegenden Orte, wo sie sehr viele Bauersfrauen persönlich kannte. In der Latwerg-(Pflaumenmus-)Zeit wurden ganze Pferdefuhrwerke, die mit Stroh ausgelegt waren, mit Töpfen geholt. Diese waren innen und außen glasiert.

Allgemein wurde nur niedrig gebrannte, bleiglasierte Irdenware hergestellt. Unter die Glasur wurde "Erz" gemischt, welches in kleinen Säcken geliefert wurde. Der Staub rief Gesundheitsschäden hervor, wie zum Beispiel Zahnausfall bei Häfner Hess.
Für normales Geschirr wurde der Ton von der Gemarkung "Rich" oder "Hölle" verwendet, nur für feuerfestes Geschirr wurde die Erde aus dem Gemeindewald abgebaut.
Die Gefäße weisen als Gebrauchsgegenstände einfache und schlichte Formen auf. Die Mehrzahl der Töpfe und Milchkrüge sind nur innen glasiert und zeigen keinen Schmuck. Lediglich die großen Rührschüsseln und besonders die beim "Stechen" (Schweineschlachten) gebrauchten Blutschüsseln, die zum Blutauffangen zwecks Herstellung von Blutwurst oder Stichpfeffer dienten, waren oft sehr reichlich mit Schlickermalerei, das ist verdünnter, mit Farbe vermischter und etwas dicker mit dem Malhorn aufgetragener Ton, versehen. Auch Spruchschüsseln wurden hergestellt. Immer wiederkehrende, sehr alte Motive sind Sonnenrad, Spirale, Blüten und Zackenband. Durch dieses Band kann man wahrscheinlich bestimmen, aus welcher Werkstatt in Sprendlingen das jeweilige Stück kam. Außer Milchkrügen, Kochtöpfen, Rühr- und Blutschlüsseln wurden noch Bundkuchenformen, Käseseiher und Masse, Seiher für Salat und Kartoffeln, Bräter für Gänse und Hasen sowie Kaffeekannen, Tassen, Öllampen, Blumenvasen und Ampeln, bis hin zu Brenngefäßen für Branntwein hergestellt.
Auch für die Kinder wurden irdene Sachen gemacht. Puppenküchengeschirr, Sparbüchsen, Spielzeug und nicht zu vergessen die tönernen, bunten "Klicker" (Murmeln).
Dieses Geschirr wurde tagtäglich im Haushalt benötigt und daher auch verschlissen. War ein Stück beschädigt, wurde es weggeworfen - mann kaufte dann einfach ein neues bei "seinem" Häfner, denn irdenes "Gescherr" war für jeden jederzeit erschwinglich. Bei Häfner Hess kostete ein 3-Schoppen-Milchtopf 18 Pfennige.
Eine genaue Datierung der Stücke ist meist nicht möglich, da die Formen und Glasuren in der Regel innerhalb der Töpferfamilie weitergegeben wurden. Im Sprendlinger Museum ist eine Töpferwerkstatt mit einer großen Sammlung Irdenware zu besichtigen. Mit diesen Zeilen soll ein Denkanstoß gegeben werden, denn fast ist es schon zu spät, die "Bauerntöpferei" unserer Gegend zu erfassen, sei es durch Aufzeichnen von Gehörtem oder durch Überlassung alter irdener Ware an das Sprendlinger Museum. Hinweise und Berichtigungen möge man mir bitte mitteilen.