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Johann Jacobi von Wallhausen (* 1581 in Wallhausen/Nahe - gest. 20.10.1627 in Danzig)

von Jörg Julius Reisek

(Digitalisat: SLUB Dresden)

ARTE ET MARTE  
Sunt duo qui faciunt vt REX in honore sit ARS MARS
Gloria ab ARTE venit gloria MARTE venit.  

Zwei sind es, die einen König zu Ehren bringen: Wissenschaft und Kriegskunst.
Ruhm kommt von der Wissenschaft wie von der Kriegskunst.


Getreu seinem Wahlspruch "Arte & Marte" erntete Johann Jacobi schon zu Lebzeiten Ruhm und gilt bis heute als bedeutender deutscher Militärschriftsteller des 17. Jahrhunderts. Er entstammt der hessischen Pfarrerfamilie Jacobi, die sich nach dem Herkunftsort Dautphe, heute Ortsteil der Großgemeinde Dautphetal südlich von Biedenkopf, benannte. In latinisierter Form bezeichnete sie sich in verschiedenen Schreibweisen als Tautphoeus. Hinsichtlich seiner Biographie gab es in der Vergangenheit vielfach Fehldeutungen und zahlreiche Verwechslungen, die bis in jüngste Publikationen tradiert werden. Dies gilt besonders für seine Herkunft und die Jugendzeit. Erst Winfried von Borell konnte anhand aufgefundener Archivalien Klarheit schaffen und die Bedeutung der Familie Tautphoeus und deren Förderung durch die Dalberger Herrschaft würdigen. Daraus ergibt sich der folgende Forschungsstand:

Der Großvater Johannes Jacobi Tautphoeus heiratete die Pfarrerstochter Margarethe Walther, aus deren Ehe fünf Söhne und vier Töchter entsprangen. Die Söhne begannen ihre theologische Laufbahn im linksrheinischen Gebiet, Justus um 1580 in Wallhausen, Johannes 1587 in Friesenheim a. d. Selz, Volpert 1590 in Schornsheim, Alexander vor 1595 in Ober-Saulheim und Sebastian 1600 in Harxheim. Die Schwiegersöhne wirkten als Pfarrer in Dörrebach (Dörnbach), Windesheim und Wörrstadt.

Vom Vater ist wenig bekannt. Justus Jacobi Tautpheous trat 1573 ins Marburger Pädagogium ein und war von etwa 1580 bis zu seinem Tode am 11.5.1617 evangelischer Pfarrer in Wallhausen. Nachfolger im Amt wurde sein Sohn Wilhelm, der hier bis 1624 tätig war.

Um 1581 wurde Johann als ältestes Kind des Wallhäuser Pfarrers geboren. Taufpate war der kurmainzische Rat und Amtmann zu Lahnstein Johann Kämmerer von Worms, gen. von Dalberg (+ 29.7.1607), dessen Namen der Täufling erhielt. In der Vorrede zum KriegßManual von 1616 erinnert Jacobi an "diejenige gutthaten so mir von jugendt auff bishero ...[durch]... Herrn Johann Kemmerern von Wormbs / genandt von Dalbergk... meinem lieben Tauffpaten / wiederfahren vnd genossen...".
1596 trat er als "Johannes Tautpheus Walhusanus" in das Marburger Pädagogium ein. Bald nach dem Übergang an die dortige Universität nahm sein Leben eine drastische Wendung. Bei einem Stehgreifduell erstach er 1599 den Königsberger Studenten Andreas Fahrenheit mit dem Degen. Nach seiner Flucht wurde die Universität im März 1600 darüber informiert, dass der unglückliche Duellant Militärdienste angenommen habe. Er befand sich in den Niederlanden und war unter Prinz Moritz von Oranien (1567-1625) in den Kriegsdienst eingetreten. Neben organisatorischen Aufgaben gehörte auch das Drillen von Rekruten zu seinem Aufgabengebiet. Ein Exerzierreglement soll auf ihn zurückgehen. In jener Zeit wird Johann Jacobi den Beinamen von (aus) Wallhausen angenommen haben, um sich von gleichen Namensträgern zu unterscheiden. Ein Adelstitel sollte nicht vorgetäuscht werden. Seine Lehrjahre beschrieb Jacobi in folgender Weise:
"Ob nun wol ich mich darvor nicht außgebe / daß ich der Edelen Kriegskunst / darinn ich andere zu Vnderweisen vnd zu Vben willens bin / ein vollkommener Doctor oder Meister seye / vnangesehen ich nicht allein in den Niederlanden (als in welchen / so wol an Seiten der Spannischen als Stadischen die rechte schola practica deß Kriegswesens heutiges Tages zu finden ist) meine tyrocinia [militärische Ausbildung] in dieser Edelen Kunst vnder dem Vortrefflichen / Hochberühmbten KriegsHelden Printz Moritzen gelegt / meine Lehrjahr außgestanden / vnd  in die zehen Jar beharrlich daselbsten dem Kriegswesen an meinem geringen Orth beygewohnet / auch gegen den Feind (ohne vngebührenden Ruhm zumelden) nach dem es die Noth / vnd Gelegenheit erfordert / vor meine wenige Person / vnd in Ostenden / biß zu endlicher Eroberung / bey der allerdenckwürdigsten Belägerung mich auch mit finden vnnd gebrauchen lassen. Sondern auch hernachmals meine hohe Befelch in Zügen / als in Hungern [Ungarn] / vnnd die Moßcaw [Russland] nach dem es sich rühmlichen gebühret / verhoffendlich bedienet / auch neben dem Obristen Wachtmeisterampt vnnd Capitainschafft bey den weitberühmten Stätten Dantzig / Thorn vnd Elbing / in abwesen deß Obristen vber dero vnnd anderer mit Interessirendter Stätten Ritterschafft / gantzes Kriegszeug vnd Mannschafft absolute als Obrister / commandiret / also Sechszehen gantzer Jahr lang continuirlich in praxi der Kriegssachen / auch darbeneben in theoria mit Lesen / Meditiren vnd Discurtiren / mich / so viel möglich gewesen / geübt / unnd allezeit obgemelden scopum [Ziel] mir vorgesteckt gehabt habe.“
(Programma scholae militaris...Gießen 1616)

Auf seine Teilnahme bei der Verteidigung von Ostende war Jacobi besonders stolz. Handelte es sich doch um eine der spektakulärsten Belagerungen jener Zeit. Die zur Festung ausgebaute Stadt wurde vom 5. Juli 1601 bis zum 20. September 1604 im Rahmen des Niederländischen Unabhängigkeitskrieges von den Spaniern berannt. Die modernste Belagerungs- und Verteidigungstechnik kam dabei zum Einsatz. Kanonenbestückte Strandsegelwagen wurden konstruiert, Berge aufgeschüttet und Landstriche unter Wasser gesetzt. Fast 100 000 Menschen sollen dabei ihr Leben gelassen haben, etwa die Hälfte davon auf Seiten der Belagerer. Erst als 1603 der spanische General Ambrosio Spinola (1569-1630) das Kommando übernahm, veränderte sich langsam die Situation. Zusätzlich begünstigten Stürme und Fluten das Ende. Nach der Kapitulation erhielt die verbliebene Garnison Erlaubnis mit vier Kanonen ehrenvoll abzuziehen. Unter den letzten 3000 Soldaten befand sich auch Jacobi. Der Auszug geschah unter der Blicken von General Spinola. Dieser besetzte 1620 mit 23 000 Mann kurpfälzische Gebiete und auch Wallhausen.

Jacobi war stets in Geldnöten und deshalb gezwungen, verschiedene  Dienste anzunehmen. Die vorwiegend im Selbstverlag erschienen Werke verursachten enorme Druckkosten. Auch hatte er für seine Familie zu sorgen, über die nur wenig bekannt ist. Er soll schon in niederländischen Zeiten verheiratet gewesen sein und hatte wahrscheinlich 5 Kinder. Von 1613-1627 war Johann Jacobi von Wallhausen "der löblichen Statt Dantzig bestellten Obristen Wachtmeister vnd Hauptmann", 1616 Direktor der neuen Kriegsschule in Siegen und ab 1617 längere Zeit in den Diensten des Mainzer Kurfürsten Johann Schweickard von Cronberg. Wolf Dietrich von Dalberg hatte ihm diese Stellung vermittelt. Johann starb 1627 in Danzig. Ob er zu dem Zeitpunkt dort lebte oder nur zu Besuch war, ist nicht bekannt. Die Stadt bereitete ihrem berühmten Hauptmann ein Staatsbegräbnis mit einer angetretenen Ehrenkompanie. Seine Ehefrau Maria starb am 2.Juni1630 in Altheim im Amte Amorbach, wo ihre Tochter Anna verheiratet lebte.

Johann Jacobi von Wallhausen war gebildet, hatte ein zielgerichtetes Durchsetzungsvermögen, seine gewinnende Erscheinung beeindruckte. Bisweilen stieg ihm das hitzige Temperament zu Kopfe, wie die folgende Schimpfkanonade beweist: "An den günstigen Leser... Den Momis vnd Zoilis [schmähsüchtigen Kritikern] ist dieses nicht geschrieben / dann den schälen verächtischen vnd vnverständigen Bestien gehöret etwas anders / Hew oder Stroh / etc. (hette baldt etwas anders erwischet/) für die Nasen." (KriegßManual 1616)

Bis zum Zweiten Weltkrieg befanden sich sechs Folianten mit der handschriftlichen Hinterlassenschaft im Staatsarchiv Danzig. Der Biograph Wendland bemerkte dazu, dass diese Dokumente ein "höchst beredtes Zeugnis von der erstaunlichen Fülle seines Könnens und Schaffens" ablegen. Die "Kriegskunst zu Fuß" und die "Kriegskunst zu Pferd" gelten als die bedeutendsten militärwissenschaftlichen Werke jener Zeit. Durch die Visualisierung von Bewegungsabläufen wurden sie zu Ikonen der oranischen Heeresreform, die durch Prinz Moritz von Oranien ab 1580 durchgeführt wurde. Durch taktische und organisatorische Neuerungen sollte die militärische Überlegenheit gegen das mächtige Spanien erreicht werden. Es war der Beginn einer Industrialisierung des Krieges durch Gleichförmigkeit der Handlungen, Uniformierung und kollektive Disziplin.

Werke in Erstauflagen:

  • Feuerwerk, darinnen unterschiedene Kunststücke und Secreta gelehret werden, 1614.
  • ABC der Soldaten, 1615
  • Kriegskunst zu Fuß, 1615
  • Programma Scholae Militaris, 1616
  • Manuale militare, oder KriegßManual, 1616
  • Romanische Kriegskunst, 1616
  • Kriegskunst zu Pferdt, 1616
  • Ritterkunst, 1616
  • Archiley Kriegskunst, 1617
  • Künstliche Picquen-Handlung, 1617
  • Corpus militare, 1617
  • Militaris politicus, 1617
  • Camera militaris oder Kriegskunst Schatzkammer, 1621
  • Defensio patriae oder Landrettung, 1621

Nachweise

Verfasser: Jörg Julius Reisek

Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Grathoff

Literatur:

  • Borel, Winfried von: Die Familie Tautphoeus im Dienst des Mainzer Kurstaates. (Mainzer Zeitschrift, 1978/79, Jg. 73/74), S.157-190
  • Bewegtes Leben. Körpertechniken in der Frühen Neuzeit. Wiesbaden: Harrassowitz, 2008. (Ausstellungskataloge der Herzog-August-Bibliothek, 89)
  • Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Stuttgart; Weimar: Metzler, 1996. (Sp. 1739 Herrschertugenden: Durch Wissenschaft und Kriegskunst)

Erstellt: 17.02.2010