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Oberschulrat Zeller: Der Kreuznacher Urpatient

von Jörg Julius Reisek

Im Bad Kreuznacher Stadtarchiv wird eine unscheinbare Zeitungsseite aus dem Jahre 1826 aufbewahrt, die sich beim genaueren Betrachten als frühes Zeugnis des Kreuznacher Kur- und Badewesens entpuppt. Verfasser war Oberschulrat Karl August Zeller (1774-1840), der in den Jahren 1824 bis 1830 „in der Nähe“ von Kreuznach lebte. Der schwäbische Pädagoge führte als Anhänger Pestalozzis neue Lernmethoden im preußischen Volksschulwesen ein. Er war ein eifriger Agitator des Badewesens. Dies kann in Bad Kreuznacher Badeakten nachgewiesen werden. Im Jahre 1826 fand er im Flussbett der ausgetrockneten Nahe unterhalb des Recumtempels (der heutige Teetempel) eine Salzquelle, deren Fassung später gelang. Im Zuge der Erschließung der Elisabethenquelle in den 1830er Jahren wurde die neuentdeckte Quelle durch „fortgesetzte Röhrenfahrten“ unter dem Nahebett verlegt und an die Kurhausleitung angeschlossen.

Durch „wiederholte Aufforderung“ von Freunden wurde Zeller bewegt, anlässlich der „Zweiten Entdeckung“ der Soolquellen-Heilkraft (wissenschaftlicher Nachweis durch den Arzt J. E. P. Prieger), auch seine „Erste“ Entdeckung mittels Selbstversuch zu publizieren. Im Jahre 1868 erschienen „Vorläufige Beiträge“, die eine kurzgefasste Geschichte der Entwicklung des Kreuznacher Kurbades enthalten. Darin findet sich folgende Notiz:

„ Nachdem schon seit 1825 auf Anregung Priegers, Herrn von Recums und Schulraths Zeller die städtischen Behörden Quellen bei Kreuznach gesucht, gefunden, theilweise gefasst – aber wieder liegen gelassen hatten, gelang es a. 1832, besonders durch Herrn Zeller aufmerksam gemacht, dem Herrn Andr. Wilhelmi die jetzige Elisabethenquelle einigermaßen zu fassen und in Gebrauch zu ziehen.“

Im Laufe der späteren Zeit gerieten die Verdienste Karl August Zellers in Vergessenheit. An diese soll hiermit erinnert werden.

Die Salzbäder bei Kreuznach und das Wiederauffinden ihrer Nutzbarkeit

Wenn es wahr ist, dass das liebliche Schönheitswasser des Schlangenbades von einem kranken Rinde entdeckt worden, das vor 200 Jahren darin Genesung suchte und fand, und dass Karlsbad seine Kurgäste einem Jagdhunde verdankt, der in den Strudel gefallen war und von Kaiser Karl IV. herausgezogen wurde; so muß man zugestehen dass die hiesige Trink- und Badeanstalt in spe mit mehr Anstand und zeitgemäßer in ruf gekommen, durch den Buchstaben nämlich, der diesmal nicht getödtet, sondern gesund gemacht hat.

Es war eine Broschüre des Hrn. Medizinalraths D. Graff über die Saline zu Salzhausen [s. u.] von Hrn. Landrath Hout hieselbst mir gefällig mitgetheilt und darin jenem Wasser Vorzüge nachgerühmt worden, von denen zu vermuthen stand, dass sie dem Wasser der, nur ¼ St. entfernten Karlshalle gleichfalls nicht abgehen würden.

Eine Vermuthung, die sehr leicht Ueberzeugung werden konnte, wenn man hinging und einen Versuch damit machte. Auch ließ dieser Versuch ein um so günstigeres Resultat hoffen, da überall, wo das emporgehobene Wasser im Thurme niederfiel, der gelbe Niederschlag einen starken Eisengehalt darlegte, der – laut obiger Schrift – der Salzhäuser Quelle völlig abgeht.

Die Wirkung des Wassers, das ich einige Tage nach Vorschrift jener Schrift getrunken, entsprach auch völlig der Erwartung, die sie erregt hatte, und ich trug keine Bedenken, meine Frau und fünf Kinder einzuladen, täglich früh um sieben Uhr mit mir hinaus nach diesem Orte zu wallen und Beschwerden los zu werden, die das Winterleben auch dem gesunden, namentlich Kindern, bereitet, indem zur Winterszeit die verminderte Bewegung und Ausdünstung das Verhältnis stört, das zwischen der Quantität der Nahrungsmittel und ihren Verdauungskräften bestehen soll, und dadurch so mancherlei gastrische Uebel, Verschleimung, Ausschläge ec. herbeiführt.

Unsere Beharrlichkeit, womit wir vier Wochen lang unsern Versuch fortsetzten, erregte die Neugier der Gradierknechte und der Arbeiter auf dem Stadtfelde, an denen wir vorüber mussten. Was wollen die? Warum? wozu? fragte das leichterregbare, neugierige Völkchen, und hörte nun von jenen, dass wir täglich eine gute Portion Soole zu und nähmen, nach jedem Becher einen Gang auf dem 600 Schritte langen Gradierhause machten und täglich frischer und froher heimkehrten. Sehr bald fanden sich auch nun Andere, die hingingen und ein Gleiches thaten, und schwerlich möchte jetzt hier in Kreuznach Jemand zu finden sein, der dieses Heilwasser nicht wenigstens gekostet hätte.

Sehr viele haben es kurmäßig zum Trinken und Baden benutzt, nachdem es chemisch untersucht und von den hiesigen Aerzten mit dem besten Erfolge ihren Kranken verordnet worden.

Die Beschreibung der Heilversuche, die Letztere gemacht, und der Anstalten, die getroffen werden sollen, um diese Quelle auch für Auswärtige zugänglich zu machen, ist meines Amtes nicht.

Ohne allen Anspruch auf die Ehre der Entdeckung, die ich mit Eingangs genannten Urpatienten im Schlangenbad- und Karlsbad zu Theilen hatte, und uneigennützig, da ich meinen Lohn nun zum zweitenmal habe, konnte ich nur durch wiederholte Aufforderung bewogen werden, diese geschichtliche Notiz mit dem herzlichen Wunsche zu geben, dass der Erfolg, den ich an mir und den Meinigen rühmen muß, an recht vielen Hülfsbedürftigen sich bewähren möge!

Kreuznach

Der Ober. Schul-Rath Zeller.

* Bei Kupferberg in Mainz ist ein Werkchen „Uber die Salzquellen und das Nahetal“ von Geheimrath von R – m [= Frhr. Andreas van Recum] herausgekommen, in welchem geschichtlich dargethan wird, dass schon vor dreihundert Jahren die Bäder verpachtet gewesen.

(aus: Aachener Zeitung „Rheinische Flora. Blätter für Kunst, Leben, Wissen und Verkehr“, 25. Juni 1826. 1)

Nachweise

Verfasser: Jörg Julius Reisek

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

  • Zeitungsbeleg StaKr. M.S. Badewesen
  • Prieger, Johann Erhard Peter: Kreuznach und seine brom- und jode-haltigen Heilquellen in ihren wichtigsten Beziehungen / nach vieljährigen Erfahrungen für Aerzte und Curgäste mitgetheilt von J. E. P. Prieger. Kreuznach: Kehr 1837. (Digitalisat: www.dilibri.de)
  • Prieger, Oskar: Vorläufige Beiträge: 1. zur Geschichte der Gründung des Bades Kreuznach... Kreuznach: Selbstverlag, 1868. (Digitalisat: www.dilibri.de)
  • Recum, Andreas Frhr. van: Einige Notizen über das Salinenthal und die dortigen Salzbäder: Als Auszug aus einem größern, noch ungedruckten Werke: Der ehemalige Nahegau u. s. w. Mainz: Kupferberg 1826. (HWZB)

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Erstellt: 08.03.2010