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„Erteilen mit Vergnügen das schuldige Zeugnis“ Das Kreuznacher Kriegsgeschehen Ende 1795

von Jörg Julius Reisek

Im Jahre 1792 erklärte Frankreich den Österreichern und ihren Aliierten den Krieg. Dadurch wurden die linksrheinischen Gebiete das Ziel militärischer Aktionen. Die Nähe der Festung Mainz wirkte sich negativ auf die Kreuznach aus. Ständig wechselten die Kriegsparteien; es wurde einquartiert, Kontributionen erhoben und geplündert.

Nach einem Rückzug der Franzosen bezogen am 31. Oktober 1795 Reichstruppen Quartier in Kreuznach. Sie konnten sich am 11. November behaupten, ehe die Stadt am 1. Dezember von den Franzosen erneut eingenommen wurde. Über die militärische und zivile Lage gibt das Hand- und Hausbuch von Petrus Gebhard einen anschaulichen Überblick (s. Bad Kreuznacher Heimatblätter 1932, 14 -16).

Bei Tagesanbruch begann der französische Angriff. Trotz des Eintreffens neuer preußischer Truppen unter dem Befehl von General-Major Rheingraf Carl von Salm-Grumbach, schaffte es der „Feind“ in die Neustadt einzudringen und die Nahebrücke zu besetzen. Von da aus wurde die Altstadt hart bedrängt, bis nachmittags die Franzosen durch einen Sturmangriff abwehrt wurden. Gebhard schreibt hierzu: ,,Die Division der braven Hauptleute von Weidenbrück und von Hundhausen drängte den Feind von dem Binger Thor hinweg und endigte dadurch dieses hartnäckige Gefecht, welches bis abends halb sechs Uhr dauerte . . . An diesem Tag sind die Churköllnischen am meisten zu loben, denn sie fochten wie wahre Soldaten und erwarben sich allgemeines Lob und Danksagung, welches auch die hiesige Stadt in einem Dankschreiben abstattete."

Dieses Dankschreiben ist mit weiteren dazugehörigen Papieren im Bad Kreuznacher Stadtarchiv erhalten geblieben. Auf welchem Wege die Dokumente ins Archiv gelangten ist heute nicht mehr zu klären. Vielleicht blieben sie fluchtbedingt im Quartier zurück.

„Wir Bürgermeister und Rath der Kurpfälzischen Stadt Kreutznach erteilen dem Kurfürstlich Köllnischen Herrn Hauptmann Baron von Wydenbruck, und dem Herrn Hauptmann von Hundhausen, mit Vergnügen das schuldige Zeugnis, daß dieselben den 11. dieses bey der Wieder Einnahme unserer Stadt unter dem Commando seiner Excellenz des Herrn General Majors Grafen von Salm Grumbach, an dem vorgestrichen Schrecken vollen Tage, sich besonders mit Ihren durch einen forzirten Marsch von Kirchheim Bollanden ermüdeten Truppen hervorgethan und ausgezeichnet haben.

Unsern Erretter, das Corps braver Reichstruppen, kommandirt von dem Tapferen Herrn Reichsgrafen, erschien in dem Augenblicke vor unseren Thoren als die zwey Anhöhen, welche Kreuznach dominiren, nebst der Stadt schon durch den, mit Übermacht Vordringende Feind verlohren waren, die Franzosen hatten sich schon in Masse unter dem Schutze ihrer Kanonen, und Haubitzen, womit die Stadt, und Gegend unaufhörlich bestrichen worden, durch das Binger Thor, und unsre Strassen gedrängt, die Noh Brücke, welche die Stadt mit einander verbindet genommen, und besetzt, als Teutscher Wiederstand, und Tapferkeit ihrem Sieg hier Grenzen setzten.

Vorwärts Ihr Brüder' riefen die zur Hülfe herbei eilende Muthige Teutschen, und Truz dem hartnäkigsten Wiederstande, waren sie wieder Meister der Brücke. Mit verdoppelten Schritten eilten an der Spitze Ihrer Tapferen Krieger die beyden, oben bemeldete Herrn Haupleuthe herbey, lösten schon mit Verlust im Feuer gewesene übrige braven Reichs-Truppen vom Gefechte ab, attaquirten anfangs der Hohen Strasse muthig den Feind, Verjagten ihn aus der Stadt, trieben ihn biß auf den Martinsberg und behaupteten nacher mit dem Rest Ihrer braven und Muthigen Truppen den gefährlichsten Posten, das Binger Thor, welches der Feind nochmals zu forzieren suchte.

Zwey Kanonen hatte derselbe gegen solches aufgeführt, bestrich nicht allein unaufhörlich diesen Platz mit Haubitzen und Kartätschen, sondern schleuderte überdies nach dreymal zurück, säend Todt und Verderben aus kleinen Feuer Röhren auf diesen einen Punkt, allein Teutsche Tapferkeit, Teutsche Standhäfftigkeit, und Heldenmuth, welche die Braven Truppen beseelten, erzielten diesen wichtigen Posten, mit demselben unsre Stadt, und unsere geängstigte Gegend: denn in der einbrechenden Nacht sahe, nach seinem fruchtlos gemachten Versuchen, der Feind sich hierauf genöthigt, nach weiter Eingetroffenen Succurse [Hilfe] alle Anhöhen um unsere Stadt, und mit denselben zugleich seine Vortheilhafte Stellungen zu verlassen, welches wir Ewig mit dem wärmsten und schuldigsten Danke erkennen, und zur Ehre der beyden Herrn Hauptleute von Wydenbruck und v. Hundhausen bezeugen, da Beselbende schönsten Antheil an diesem Entscheidensten, und für uns so wichtige Siege haben.

Urkundlich unserer Eigenhändigen Unterschriften, und Vorgedrückten Größeren Raths-Siegel- Kreuznach d. 13. November 1795.

Kurpfälzischer Stadtrat / Unterschriften / ausgefertigt von Mich. Schneeganz - Stadtschreiberey Verwalter“

Von Hundhausen fertigte einen Situationsplan an. Er enthält den Grundriss der Stadt und Einträge über strategische Punkte, Verwundete und Gefallene.


Der Text auf dem Plan lautet wiefolgt:

oben links:

  • A Schloßthor
  • B Thor auf Ziticus sein Haus
  • C Thor auf dem Schmerz seinem Haus,

    - sie führen in die Gärten und ins Feld

unten rechts:

  • „obiger Theil der Stadt Kreuznach ist jener so am linken Ufer der Nahe Fluß liegt, und zeigt an wo 1795 am 11. November die Affaire zwischen den Franzosen und den deutschen Alliierten war, der Feind war schon den ganzen Tag mit den Kaiserlichen und den Hessen Darmstädter Truppen engagirt und würde gänzlich renihsirt [resignieren = verzagen] haben wenn nicht Lecours [Hilfe] von den Fränkischen und Kurköllnischen Truppen angekommen seye, Eine Division Köllner unter meinem Kommando hatte das Glück den Feind bis auf den Martinsberg zurück zu treiben, jedoch mit einem Verlust von 75 Tothen und Blehsirten, ohnweit dem Kreuz (b) blieb der Oberlieutnant Müller. (d) wurde der Fähnrich Tils verwundet und nachher gefangen. (c) wurde Lieutnant Hartig verwundet. (a) erhielt ich einen Schuss durch den Huth. (f) im Hohlweg wurde Feldwebel Sibbel verwundet. Wir nahmen dem Feind die bereits verloren gewesene Darmstädter Kanonen wieder ab.“

Der oben erwähnte Feldwebel Sippel ist der Verfasser eines ebenfalls erhaltenen Briefes vom 21. November 1795. Darin berichtet er seinem Kommandeur über die Zustände im Mainzer Lazarett:

,, .. . meine Blesur heilet gut, aber ich werde einen Calender behalten, und der linke Arm, da werde ich nichts mehr anfangen können, gestern dachte ich, ich sollte an Kopfweh sterben, und noch das schlimmste ich habe keine Tage, sondern jeder Tag ist für mich ein Jahr, ich habe keine Beschäftigung, alles ist öte, . . . ich habe mich so lange für dem Reconvallescenten Hauß in achtgenommen und nun auf einmal führt mich der Teufel hier her . . . mit unseren anderen Blessierten geht es recht gut, die im Reconvallescenten Hauß sind, aber leiter den Armen leute die im Spital leigen, alle schreien sie vor Hunger... übrigens bitte ich mir zu verzeihen, das mir der Führer Bähr einen Cronthaler gegeben, ich war in der Äußersten noth, ich müßte mir neue Hemd und zwey strümpf anschaffen, welches mir des nachts aus dem Tornister genommen worden ist..."

Sippel plante am 1. Dezember zurückzukehren. Am selben Tag berichtet Gebhard über die Verteidiger der Stadt: ,,Diese, um ihren am Martini-Tag erworbenen Ruhm zu behaupten, fochten wie die Löwen, pflanzten an dem Mainzer Thor in dem Schweickardischen Garten einige Kanonen auf, um die bei der Laimenkauth stehenden französischen zu stören, damit sie ihnen im Vorrücken über die Brücke nicht hinderlich sein sollten. Allein dies half nichts und sie wurden zum Schweigen gebracht . . .".

Nachweise

Verfasser: Jörg Julius Reisek

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Bearbeitete Fassung eines in den Bad Kreuznacher Heimatblättern (1991.5) erschienen Beitrages.

Weiterführende Literatur zum Thema stellt Ihnen die Heimatwissenschaftliche Zentralbibliothek gerne zur Verfügung.

Erstellt: 08.04.2010