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Zur Reform des Personenstandsgesetzes

von Joesf Heinzelmann

Jahrzehntelang haben sich Genealogen gegen die strikten, überholten Regelungen des Personenstandsgesetzes gewandt, insbesondere gegen die Sperrfristen, die praktisch für alle Beurkundungen seit 1876 galten, der Einführung des Personenstandswesens im Deutschen Reich. Im Code civil waren die Zivilstandsregister öffentlich, d. h. für jedermann einsehbar. In der Reichs- bzw. Bundesgesetzgebung ist eine deutlich zunehmende Restriktion festzustellen. Musste nach dem Personenstandsgesetz 1875 noch jedermann gegen Zahlung der Gebühren ohne weitere Voraussetzung Personenstandsunterlagen zur Einsicht vorlegen, so differenzierte das Personenstandsgesetz 1937 einerseits zwischen dem Einsichtsrecht von Behörden und den Personen, auf die sich der Eintrag bezieht, deren Ehegatten, Vorfahren und Abkömmlinge – also Verwandte in gerader aufsteigender und absteigender Linie – und andererseits den Personen, die ein „berechtigtes Interesse“ an der Einsicht in die Personenstandsbücher, auf Durchsicht dieser Bücher oder auf Erteilung von Personenstandsurkunden haben. Dass diese Regelung der NS-Gesetzgebung für rassenideologische Zwecke missbraucht werden konnte, dürfte mit ein Grund dafür gewesen sein, bei einer Novellierung am 8. 8. 1957 die Möglichkeiten der Einsicht oder Durchsicht an noch strengere gesetzliche Voraussetzungen zu binden. Statt eines berechtigten Interesses wurde nun normiert, dass ein „rechtliches Interesse“ vorliegen müsse, ohne dass im Personenstandsgesetz oder anderen Gesetzen geregelt wäre, was unter diesem Begriff zu verstehen sei.

Am 12 August 2005 brachte endlich die Bundesregierung ein Gesetz zur Reform des Personenstandsrechts (Personenstandsrechtsreformgesetz - PStRG) in den Bundestag und den Bundesrat ein, das nun nach weniger als zwei Jahren das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen hat. Es wurde von der Bundesregierung am 19. Februar 2007 verkündet und veröffentlicht im Bundesgesetzblatt Teil I 2007 Nr.5 23.02.2007 S. 122. Einzelne Artikel traten schon 2007 Februar 24 in Kraft, die übrigen werden am 1.Januar 2009 wirksam, wobei es dann noch eine Übergangsfrist von fünf Jahren gibt.

Ich versuche, die für Genealogen wesentlichen Neuerungen gegenüber der früheren bundesrepublikanischen Rechtslage darzustellen. Die DDR hatte im Personenstandswesen eigene Wege beschritten, weshalb im Einigungsvertrag umfangreiche Regelungen für die Anwendung des neuen Rechts vorgegeben waren, worauf ich hier nicht eingehen kann. Insgesamt bringt das PStRG die Änderung von 22 Gesetzen und 55 Rechtsverordnungen, vor allem die Ablösung des geltenden Personenstandsgesetzes durch ein neues: Einführung elektronischer Personenstandsregister, Begrenzung der Fortführung der Personenstandsregister durch das Standesamt sowie Abgabe der Register an die Archive, Ersetzung des Familienbuchs durch Beurkundungen in den Personenstandsregistern, Reduzierung der Beurkundungsdaten auf ein erforderliches Maß, Neuordnung der Benutzung der Personenstandsbücher, sowie die Schaffung der rechtlichen Grundlage für eine Testamentsdatei.

Wesentlicher Gegenstand und Anlass ist die Umstellung von Papier auf Elektronik: die Personenstandsbücher werden durch Personenstandsregister ersetzt, d. h. Geburtenbücher durch Geburtenregister etc. Allein schon diese sachliche und sprachliche Änderung bedingt Neuformulierungen in anderen Gesetzen und Verordnungen, etwa die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Podologinnen und Podologen (PodAPrV).

Uns sollen hier nicht die rechtstechnischen Folgen interessieren, und auch nicht die verwaltungstechnischen. Wie die elektronische Personenstandsdatenverarbeitung funktionieren soll, mögen andere beschreiben, die etwas davon verstehen. Heutige Genealogen werden mit ihr als Bürger zu tun haben.

Am wichtigsten ist in dieser Hinsicht die sofortige Änderung von § 77 Abs. 1 Personenstandsgesetz – „Familienbücher“[Anm. 1]. Nicht mehr der Standesbeamte am Wohnsitz der Ehegatten, sondern der Standesbeamte, der den Heiratseintrag führt, ist zuständig. Ist die Ehe nicht in einem deutschen Heiratsbuch beurkundet, so ist der Standesbeamte zuständig, der bei Inkrafttreten das Familienbuch führte. Das Familienbuch ist diesem Standesbeamten spätestens bei einem Anlass zur Fortführung oder der Beantragung der Benutzung des Familienbuchs zu übersenden, sonst vor dem Ablauf der Übergangsfrist. Damit soll das aufwändige – u. U. mehrfache – Versenden des Familienbuchs an den jeweiligen Wohnsitz-Standesbeamten der Ehegatten entfallen. Für den Bürger hat dieses Verfahren in der Übergangszeit zur Folge, dass ihm der aktuelle Aufenthaltsort seines Familienbuches nicht mehr bekannt ist. Beglaubigte Abschriften aus dem Familienbuch sind dann nur noch am Standesamt seiner Heirat, und nicht mehr am Standesamt seiner Wohnsitzgemeinde erhältlich.

Was ändert sich für die Forschung?

Ob die Personenstandsregister 2009 schon eingeführt sind oder dies erst in der Übergangszeit geschieht, hängt von den einzelnen Bundesländern ab. Juristisch gelten für sie dann Vorschriften für die Archivierung und Sperrfristen für die Benutzung (wir sagen vereinfacht: Einsicht), die sich fundamental von den Vorschriften des derzeit noch geltenden Personenstandsgesetzes von 1937 unterscheiden, und diese Änderungen werden dann auch für die bisherigen Personenstandsbücher und sogar für die in einzelnen Gebieten davor bestehenden Zivilstandsbücher gelten.

Die Sperrfristen: § 61 (1) des bisherigen Personenstandsgesetzes lautete:

Einsicht in die Personenstandsbücher, Durchsicht dieser Bücher und Erteilung von Personenstandsurkunden kann nur von den Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit und von Personen verlangt werden, auf die sich der Eintrag bezieht, sowie von deren Ehegatten, Vorfahren und Abkömmlingen. … Andere Personen haben nur dann ein Recht auf Einsicht in die Personenstandsbücher, auf Durchsicht dieser Bücher und auf Erteilung von Personenstandsurkunden, wenn sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen.

Dies bezog sich auf alle Eintragungen seit deren Beginn 1876, also auch auf Sterbefälle vor mehr als 130 Jahren! Im neuen PStG gilt ab 2009:

§ 62 Urkundenerteilung, Auskunft, Einsicht

(1) Personenstandsurkunden sind auf Antrag den Personen zu erteilen, auf die sich der Registereintrag bezieht, sowie deren Ehegatten, Lebenspartnern, Vorfahren und Abkömmlingen. Andere Personen haben ein Recht auf Erteilung von Personenstandsurkunden, wenn sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen; beim Geburtenregister oder Sterberegister reicht die Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses aus, wenn der Antrag von einem Geschwister des Kindes oder des Verstorbenen gestellt wird. Antragsbefugt sind über 16 Jahre alte Personen.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Auskunft aus einem und Einsicht in einen Registereintrag sowie Auskunft aus den und Einsicht in die Sammelakten.

(3) Vor Ablauf der für die Führung der Personenstandsregister festgelegten Fristen ist die Benutzung nach den Absätzen 1 und 2 bereits bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses zuzulassen, wenn seit dem Tod des zuletzt verstorbenen Beteiligten 30 Jahre vergangen sind; Beteiligte sind beim Geburtenregister die Eltern und das Kind, beim Eheregister die Ehegatten und beim Lebenspartnerschaftsregister die Lebenspartner.

Schon das bringt in einzelnen Fällen eine Erleichterung. Entscheidend sind jedoch die Fristen, während derer die Eintragungen derart beschränkt benutzbar sind. Sie sind identisch mit denen für die „Fortführung“ der Eintragungen.

§ 5 Fortführung der Personenstandsregister

(1) Die Registereinträge sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes durch Folgebeurkundungen und Hinweise zu ergänzen und zu berichtigen (Fortführung).

(2) Folgebeurkundungen sind Einträge, die den Beurkundungsinhalt verändern.

(3) Hinweise stellen den Zusammenhang zwischen verschiedenen Beurkundungen her, die dieselbe Person, deren Ehegatten, Lebenspartner, Eltern oder Kinder betreffen.

(4) Die Fortführung obliegt dem für die Führung des Personenstandsregisters (§ 3 Abs. 1) zuständigen Standesamt. Öffentliche Stellen haben diesem Standesamt Anlässe, die zu einer Folgebeurkundung oder zu einem Hinweis führen, mitzuteilen.

(5) Für die Fortführung der Personenstandsregister und der Sicherungsregister gelten folgende Fristen:

  1. Eheregister und Lebenspartnerschaftsregister 80 Jahre;
  2. Geburtenregister 110 Jahre;
  3. Sterberegister 30 Jahre.

Solche Folgebeurkundungen gab es bereits bisher, in den Geburtenregistern etwa bei Anerkennung der Vaterschaft oder Mutterschaft, bei jeder sonstigen Änderung des Personenstandes des Kindes, bei einer Annahme als Kind, schließlich bei der Änderung der Namensführung der Eltern oder eines Elternteils, wenn auch das Kind den geänderten Namen führt. Hinweise soll es geben: auf die Ehe oder die Lebenspartnerschaft des Kindes und deren Auflösung, auf die Geburt eines Kindes, auf den Tod des Kindes, auf eine in das Testamentsverzeichnis aufgenommene Mitteilung. Entsprechendes gibt es bei den Ehe- und Sterberegistern. Man sieht, wie wertvoll diese Register für künftige Forscher sein werden. Bisher wurden diese Folgebeurkundungen nicht immer und erst recht nicht die Hinweise in ausgestellte Urkunden aufgenommen, da gab es ein Mehrklassenrecht: Mit der Reform werden die selten benutzten, aber vollständigeren Abstammungsurkunden abgeschafft, nur die Geburtsurkunde bleibt erhalten, bei der sogar die Namen der Eltern auf Wunsch weggelassen werden können, entsprechend dem auch wegfallenden Geburtsschein. Genealogisch ertragreich werden am ehesten beglaubigte Registerausdrucke sein, die den Berechtigten aus allen Personenstandsregistern ausgestellt werden dürften.

Entscheidend ist, dass diese Sperrfristen auch für die bisher geführten Personenstandsbücher gelten. 2009 werden also die Ehebücher bis 1928 einsehbar, mithin 52 Jahrgänge seit 1876, die Geburtenbücher bis 1898 (22 Jahrgänge), die Sterbebücher bis 1978! Und mit jedem neuen Jahr wird ein weiterer Jahrgang frei.

Und die Archivierung…

Nach Ablauf der Sperrfrist greift eine weitere Regelung, die uns Genealogen nicht gleichgültig lassen kann. Wir dürfen Einsicht nehmen, aber wo finden wir die Bücher? Dazu gibt es eine Bestimmung, die vieles offen lässt:

§ 7 Aufbewahrung

(3) Nach Ablauf der in § 5 Abs. 5 genannten Fristen sind die Personenstandsregister, die Sicherungsregister und die Sammelakten den zuständigen öffentlichen Archiven zur Übernahme anzubieten.

Nun, das wird frühestens 2039 akut, nämlich für die ersten Sterberegister. Alle diese Regelungen gelten aber auch für die bisherigen Bücher:

§ 76 Fortführung, Benutzung und Aufbewahrung der Heirats-, Geburten- und Sterbebücher

(1) Für die Fortführung und die Beweiskraft der bis zum 31. Dezember 2008 angelegten Heirats-, Lebenspartnerschafts-, Geburten- und Sterbebücher gelten die §§ 5, 16, 17, 27, 32 und 54 entsprechend; die Folgebeurkundungen sind von dem Standesbeamten zu unterschreiben.

(2) Für die Auskunft aus einem und die Einsicht in einen Eintrag eines Personenstandsbuchs sowie für die Ausstellung von Personenstandsurkunden gelten die §§ 61 bis 66 entsprechend.

…

(4) Für die Aufbewahrung und die Anbietung der Personenstandsbücher, der Zweitbücher und der Sammelakten sowie der vor dem 1. Januar 1876 geführten Zivilstandsregister (Standesbücher) und der von diesem Zeitpunkt an geführten Standesregister und standesamtlichen Nebenregister gegenüber den zuständigen öffentlichen Archiven gilt § 7 Abs. 1 und 3 entsprechend.

Auf den ersten Blick führt diese Regelung in ein Chaos. Die Bücher (und später die Register) müssen den zuständigen Archiven angeboten werden. Aber welche sind denn zuständig? Welche werden das gewiss folgekostenträchtige Angebot annehmen? Und was geschieht, wenn das Angebot ausgeschlagen wird?

Auf diese Fragen finden wir nur mit den harmlosen Worten „nach den jeweiligen archivrechtlichen Vorschriften“ den Weg zu einer Antwort: Es sind die Länder, die die Gesetzgebungskompetenz für das Archivwesen haben. Dort sollte jetzt die Diskussion beginnen, was mit diesen ab 2009 anfallenden Personenstandsbüchern geschehen soll und wer die dadurch entstehenden Kosten für sichere Aufbewahrung und Ermöglichung der Benutzung trägt. Diesen Mehrkosten in Archiven entsprechen natürlich Minderkosten bei den Standesämtern.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sowohl nach bisherigem wie neuem Recht Erst- und Zweitbücher, künftig Erst- und Zweitregister, räumlich getrennt aufzubewahren sind, um möglichem Verlust von Information vorzubeugen.

Zur Bestimmung der öffentlichen Archive durch die Länder ist zunächst festzustellen: Die Standesämter sind kommunale Einrichtungen. Nach jahrzehntelanger durchgehender Rechtsansicht der für das Archivwesen zuständigen Ministerien sind dementsprechend Personenstandsunterlagen kommunales Schriftgut. Erstunterlagen werden bei den Standesämtern, Zweitunterlagen bei den Kreisverwaltungen (die auch als „kommunal“ gelten) verwahrt. Es wäre von den kommunalen Haushalten (auf welcher Ebene auch immer – Gemeinde, Verbandsgemeinde, Kreis oder kreisfreie Stadt) gewiss zu viel verlangt, gleich zwei Archive einzurichten. In Rheinland-Pfalz gibt es überhaupt kein flächendeckendes Kommunalarchivwesen; selbst so geschichtsträchtige Städte wie Andernach und Bingen sind ohne Stadt- oder Kreisarchiv. Dabei ist festzuhalten: Zur durch Art 28 GG geschützten kommunalen Selbstverwaltung gehört auch die Pflichtaufgabe kommunales Archivwesen. Was der Verzicht darauf für regionale Forschung sowie für städtische oder örtliche Identität bewirkt, beklagen die Heimatforscher und örtlichen Vereine.

Vor allem die kleineren Gemeinden haben gar keine eigenen Archive, die Verbandsgemeinden, bei denen die Standesämter angesiedelt sind schon gar nicht; sie würden also das Angebot ablehnen und die Bücher im Standesamt belassen, wo sie zur Kosten- und Arbeitsersparnis in irgendein verschlossenes Magazin wandern. Dem Benutzer wird dann unter Umständen die Auskunft nicht wie bisher mit dem Hinweis auf die gesetzliche Sperre verwehrt, sondern mit ganz simplen praktischen, organisatorischen Argumenten.

Es bleibt also Sache des Landes, sein Archivgesetz so zu ändern, dass die Übernahme und Aufbewahrung der Personenstandsbücher bestimmten Archiven zur Pflicht gemacht wird und diese entsprechend ausgestattet werden. Wahrscheinlich wäre es am sinnvollsten, die Archivpflicht – auch für ihre Gemeinden – bei den Kreisen zu lassen.

Meiner Meinung wäre für die zweite Serie die günstigste, das heißt synergetisch sinnvollste und der historischen, soziologischen, genealogischen Forschung angemessenste Form die Einrichtung eines Personenstandsarchiv nach dem Vorbild des Rheinlands in Brühl. Da in Rheinland-Pfalz auch die Kirchenbücher und alten Zivilstandsregister im öffentlichen Besitz (kommunal oder staatlich) sind, trifft dies auf alle Fälle zu.

Nordrhein-Westfalen und das Saarland haben die archivarische Zuständigkeit der vor dem 1.1.1876 entstandenen Zweitunterlagen geregelt – zuständig sind das Personenstandsarchiv Brühl und das Landesarchiv Saarbrücken. Vergleichbares gibt es in Rheinland-Pfalz nicht, das dritte der Bundesländer mit personenstandsrechtlichen Wurzeln aus der französischen Zeit.

Alle regionalen geschichts- und heimatkundlichen und genealogischen Vereinigungen – und auch das Institut für Geschichtliche Landeskunde – sollten sich in die Diskussion darüber einschalten, sie sind schließlich die Lobby für die von ihnen vertretenen Forscher und erst recht für die Forscher der Zukunft.

Nachweise

Verfasser: Josef Heinzelmann

redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Erstellt: 18.11.2011 (als PDF am 31.10.2007 veröffentlicht)

Anmerkungen:

  1. Sie werden oft mit dem Stammbuch der Familie verwechselt; einige der Funktionen des Familienbuchs erfüllen künftig das Ehe-, Lebenspartnerschafts- und das Geburtenregister. Zurück