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Bücherverbrennungen in Mainz

von Wolfgang Stumme

28./29 November 1520

Martin Luthers Thesen stießen auch in Mainz auf Zustimmung. 1520 reagierte der Papst und schickte seinen Nuntius Hieronymos Aleander zu seinem mächtigsten Erzbischof nördlich der Alpen, Kardinal Albrecht von Brandenburg. Mainz war bewusst gewählt worden, denn im Vatikan kannte man die wankelmütige Haltung des Kardinals gegenüber Luthers Schriften. Aleander sollte in Ausführung der Bannandrohungsbulle gegen Luther ein Exempel statuieren und dessen Schriften öffentlich verbrennen.
Nuntius Aleander war irritiert, als er an seiner Unterkunft in Mainz Spottbilder wahrnahm, die ihn mit Eselsohren oder als Rhinozeros zeigten. Dennoch hielt er an seinem Plan fest. Er blieb auch noch bei seinem Vorhaben, als der Gottesdienst, der der Bücherverbrennung vorausging, massiv gestört und Aleander verhöhnt wurde.
Zum Eklat kam es dann, als der Henker sich weigerte, den Scheiterhaufen mit den Schriften Luthers anzuzünden. Die Menge jubelte, als der Henker verkündete, dass Luther noch nicht rechtmäßig verurteilt worden sei. Nachdem der Nuntius mit dem päpstlichen Bannstrahl gedroht hatte, konnte er nur mit Mühe der aufgebrachten Menge entkommen.
Luthers Schriften wurden am nächsten Tag in aller Stille verbrannt. Kurfürst Albrecht von Brandenburg, der anfangs durchaus mit einigen Ansichten Luthers sympathisierte, entschuldigte sich bei Aleander damit, dass die Mainzer schon immer schalkhaft gewesen seien („Moguntia ab antiqo nequam“).
Als gut 400 Jahre später in Mainz wieder Bücher brannten, gab es einen so offen vorgetragenen Protest nicht. [Anm. 1]

23. Juni 1933 [Anm. 2]

Der Kampfausschuss "Wider den undeutschen Geist” der Deutschen Studentenschaft bildete in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1933 den Auftakt. Auf dem Berliner Opernplatz wurden "undeutsche Bücher” öffentlich verbrannt. Dabei gingen die Werke bedeutender deutscher Literaten, wie Heinrich Heine, Bertold Brecht, Lion Feuchtwanger, Anna Seghers, Kurt Tucholsky und Carl Zuckmayer in Flammen auf.
Am 23. Juni 1933 war es auch in Mainz so weit. In der Mainzer Tageszeitung konnte man folgende Anzeige lesen:

„Bücherverbrennung der Mainzer Studentenschaft.
Wider den undeutschen Geist.
Die nationalsozialistische Studentenschaft von Mainz veranstaltet heute Freitag, 23. Juni, abends 9 Uhr, eine öffentliche Bücherverbrennung, bei der alle Schmutz- und Schundliteratur, undeutsche Bücher, kommunistisches Propagandamaterial verbrannt werden, das bis jetzt gesammelt wurde.
Um 8.30 Uhr tritt die Studentenschaft am Pädagogischen Institut, Holzstraße, an, marschiert dann über Rheinstraße, Ludwigstraße, Schillerstraße, Große Bleiche, Rheinstraße zum A d o l f – H i t l e r – P l a t z [Anm. 3], wo die Verbrennung erfolgt. Beigeordneter Pg. Saurmann wird dabei eine Ansprache halten.
Volksgenossen! Beteiligt Euch an dieser Kundgebung wider den undeutschen und zersetzenden Geist, mit der die Mainzer Studentenschaft erneut sich zu dem Kampf für den Wiederaufstieg des Deutschen Volkes bekennt.“

Vom Institut für Pädagogik [Anm. 4] zogen ca. 1.000 Fackelträger [Anm. 5] durch die Stadt und hörten auf dem Adolf-Hitler-Platz den Städtischen Beigeordneten Saurmann: „Angesichts der lodernden Flammen lasst uns versprechen, dass wir nicht eher rasten und ruhen wollen, bis alles Undeutsche in unserem deutschen Vaterlande verzehrt und vernichtet ist wie von der Glut des lodernden Johannisfeuers.“ Werke von liberalen, sozialdemokratischen, kommunistischen und jüdischen Autoren, aber auch von Heinrich und Thomas Mann sowie von Alfred Döblin wurden verbrannt.
Am folgenden Tag – der Termin für die Bücherverbrennung war zynischer Weise auf den Vorabend gelegt – wurde das nach dem Erfinder der Buchdruckkunst benannte Gutenberg-Museum wieder eröffnet. [Anm. 6]
Seit 2006 erinnert eine Gedenkstele am Rand des ehemaligen Adolf-Hitler-Platzes (heute Jockel-Fuchs-Platz) an dieses beschämende Ereignis.

Verfasser: Wolfgang Stumme

Redaktionelle Bearbeitung: Sarah Traub

Verwendete Literatur:

  • Dobras, Wolfgang: Die Kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges (1462 – 1648). In: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.): Mainz. Die Geschichte der Stadt. Mainz, 2. Aufl. 1999, S. 227 – 267.
  • Schütz, Friedrich: Die Bücherverbrennung in Mainz 1933. In: Gutenberg-Jahrbuch 2008. S. 242 – 253.

Aktualisiert am: 21.07.2016

Anmerkungen:

  1. Vgl. Dobras, Wolfgang: Die Kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges (1462 – 1648). In: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.): Mainz. Die Geschichte der Stadt. Mainz, 2. Aufl. 1999, S. 227 – 267 (241). Zurück
  2. Vgl. Schütz, Friedrich: Die Bücherverbrennung in Mainz 1933. In: Gutenberg-Jahrbuch 2008, S. 242 – 253. Zurück
  3. Bei diesem Platz handelt es sich um den vormaligen Halleplatz. Zurück
  4. Das Institut für Pädagogik war eine Außenstelle der Technischen Universität Darmstadt. Die 1477 gegründete Mainzer Universität war von den Franzosen 1798 geschlossen worden. Die Johannes-Gutenberg-Universität nahm auf Anordnung der Franzosen erst 1946 ihren Betrieb auf. Zurück
  5. Einige Schätzungen gingen auch von ‚einigen tausend‘ Personen aus. Zurück
  6. Ebenfalls am 24. Juni 1933 fand eine weitere Bücherverbrennung auf dem Großen Sand in Gonsenheim statt. Anlässlich der von der NSDAP veranstalteten  Sonnwendfeier wurden ‚volksverhetzende und marxistische Bücher‘ aus der Gemeinde- und Schulbibliothek in die Flammen geworfen (vgl. Schütz, Friedrich, a.a.O., S. 246.). – Gonsenheim ist erst 1938 in die Stadt Mainz eingemeindet worden Zurück