Transkriptionsmethoden


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

42 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Transkriptionssysteme und Analyseziele

2. Text- vs. Partiturnotation
2.1 Textnotation
2.1.1 Nutzen der Textnotation für die eingangs gestellten Analyseziele
2.2 Partiturverfahren
2.2.1 Nutzen der Partiturnotation für die eingangs gestellten Analyseziele

3. Zeilenblockverfahren
3.1. Zeilenblockverfahren in einfacher Notation
3.1.1 Nutzen des Zeilenblockverfahren als einfache Notation für die eingangs gestellten Analyse
3.2 Zeilenblockverfahren als Partiturnotation
3.2.1 Nutzen des Zeilenblockverfahrens in Partiturnotation für die eingangs gestellten Analyseziele

4. Welcher Feinheitsgrad ist notwendig?
4.1 Die Vielzahl von verschiedenen Systemen und Varianten

5. Der Versuch einer Vereinheitlichung nach GAT
5.1. Nutzen von GAT für die eingangs erwähnten Analyseziele

6. Der phonetisch/phonologische Analyseaspekt
6.1. Nutzen einer phonetisch/phonologischen Analyse

7. Der Transkriptionskopf

Fazit

Feintranskript nach GAT

Das Gespräch nach HIAT 1

Einleitung

Für die Gesprächsanalyse ist das Transkript ein wichtiges Werkzeug. Diesem Werkzeug widmet sich die vorliegende Arbeit und geht dabei insbesondere folgenden Fragen nach:

- Welches Transkriptionssystem sollte wann gewählt werden?
- Existiert ein einheitliches Transkriptionssystem, das sowohl einer Mehr-heit der Gesprächsanalysen gerecht wird als auch praktikabel ist?
- Ist ein Transkript überhaupt ein hinreichendes Analysewerkzeug? Denn die Beobachtungen des Transkribenten sind stets subjektiv.

Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf Transkriptionssystemen, die den dis-kursanalytischen Aspekt von Rede zum Schwerpunkt haben[1]. Sie wendet sich vor allem an deutschsprachige Studenten, dies ich für Dolmetschtechniken und deren Auswirkungen interessieren. Als Grundlage dient ein spontan gedol-metschtes Gespräch zwischen einem englisch- und einem deutschsprachigen Studenten. Die Situation war eine gestellte zwischen drei deutschen Mutter-sprachlern in einem Dolmetschseminar. Das gesamte Gespräch befindet sich vollständig transkribiert am Ende dieser Arbeit.

1. Transkriptionssysteme und Analyseziele

Durch die Verschriftlichung eines Gesprächs werden Informationen sowohl reduziert als auch modifiziert. Da das Transkript später als Analysewerkzeug des Gesprächs dient, ist es sehr wichtig in welcher Form diese Informationen reduziert und modifiziert werden – d.h. welches Transkriptionssystem ausge-wählt wird.

Die Wahl des Transkriptionssystems richtet sich nach Zweck und Ziel der Analyse. Sind die phonetischen und phonologischen Aspekte des Gesprächs interessant oder ist der Diskursverlauf an sich entscheidender? Sollen nur verbale oder auch paraverbale und nonverbale Kommunikationsbeiträge fest-gehalten werden? Wie genau soll die Wiedergabe erfolgen? Inwieweit wird Subjektivität des Transkribenten hingenommen, um zu vereinfachen und zu verkürzen?

Ein mögliches Analyseziel für die nachfolgenden Transkripte könnte beispiels-weise sein, die eingesetzten Dolmetschtechniken von Sprecherin S2 zu unter-suchen und zu analysieren, welche Auswirkungen die von ihr angewandten Techniken auf den Gesprächsverlauf haben. Da die Ausarbeitung für ein Semi-nar zu Dolmetschtechniken erstellt wurde, ist in diesem Zusammenhang die phonetisch/phonologisch orientierte Transkription zweitrangig und wird nur kurz angerissen.

Im Folgenden werden einzelne Transkriptionssysteme kurz erläutert. Weiterhin werden ihre Vor- sowie Nachteile dargestellt. Abschließend wird diskutiert, ob sie dem oben gestellten Analyseziel dienlich wären. Bei allen Transkripten ist die Sprecherverteilung wie folgt:

- S1: Englisch sprechender Student (deutscher Muttersprachler)
- S2: dolmetschender Student (deutscher Muttersprachler)
- S3: Deutsch sprechender Student (deutscher Muttersprachler)

2. Text- vs. Partiturnotation

Hinsichtlich des Layouts unterscheiden Brinker und Sager[2] generell zwei unterschiedliche Verfahren der Transkription – die Text- und die Partiturno-tation. Diese beiden Verfahren können als einfaches oder Zeilenblocksystem ausgeführt werden. Das einfache System beinhaltet pro Sprecher eine Zeile und jegliche Anmerkungen müssen in der Zeile für verbale Äußerungen mitnotiert werden.

2.1 Textnotation

Beispiel (1a):

Ausschnitt als Textnotation im einfachen Verfahren - Gesprächsmitte[3]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beispiel (1b)

Ausschnitt als Textnotation – Gesprächsende

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei diesem Verfahren werden die Sprecherbeiträge in Textblöcken notiert und parallele Äußerungen werden durch gekennzeichnet.

Dadurch eignet sich dieses Verfahren für Gesprächstypen bei denen jeweils ein Redner lange Textpassagen hat. Für eine Verfolgung der Interaktion eignet sich eher die in Beispiel (2) angeführte Partiturnotation.

Die Anmerkung p in Zeile 044 seht für eine leise Sprechweise, das h in Zeile 094 für eine hohe Sprechweise, die Unterstreichungen kennzeichnen Emphasen und Pausen werden durch + wiedergegeben.

2.1.1 Nutzen der Textnotation für die eingangs gestellten Analyseziele

Da jedem Sprecher nur eine Zeile zur Verfügung steht, können mit diesem Verfahren para- und nonverbale Äußerungen nur beschränkt wiedergegeben werden. Würde dieses Transkriptionssystem für die eingangs gestellten Analysezwecke (vgl. 1. Transkriptionssysteme und Analyseziele) angewendet, ließen sich zwar einige Dolmetschtechniken beobachten und man könnte verfolgen wie sie sich auswirken, aber dennoch gingen relevante Informationen verloren.

Folgende Dolmetschtechniken hat der Sprecher S2 in diesem Ausschnitt angewandt:

1. In den Zeilen 043 und 048 wartet S2 mit einer Pause auf eine Bestätigung von S1, ob dieser der Beschreibung folgen kann, erst als dessen Bestätigung kommt, fährt er fort.
2. In Zeile 045 unterbricht S2 sich selbst um eine unausgesprochene, aber mögliche Frage von S1 vorweg zu nehmen, um sicherzugehen, dass dieser das benötigte Stück Hintergrundwissen tatsächlich hat[4].

Verloren gehen folgende Informationen bei dieser Transkriptionsweise:

1. Die Bestätigung von Sprecher S1 in Zeile 44 kommt nur sehr zaghaft. Doch bei diesem einzeiligen System ist kein Platz vorgesehen, um dieses explizit in einer weiteren Zeile mit einer Bemerkung hervorzuheben. Das zaghafte Bestätigungssignal lässt nämlich den Verdacht aufkommen, dass Sprecher S1 gar nicht wirklich folgen konnte und Sprecher S2 eventuell darauf hätte eingehen sollen. Am Schluss des Gesprächs wird auch klar, dass S1 die Wegbeschreibung offenbar nicht verstanden hat.
2. Die Antwort von Sprecher S1 in Zeile 094 klingt nicht überzeugend, da seine Aussage, den Weg zu finden in Zeile 094 mit einem gepressten und hohen Lachen abschließt. Dies wird ohne zusätzliche Anmerkungen seitens des Transkribenten meiner Meinung nach bei diesem System nicht genug hervorgehoben und ist somit nur aus dem Kontext ersichtlich. Nämlich an der Stelle, als der Dolmetscher übersetzt, dass sie glaubt, es zu finden.

Möchte der Transkribent expliziter wiedergeben können, wie die Techniken des Dolmetschers sich auf Gesprächsverlauf- und fluss auswirken, kann er eine interaktionsfreundlichere Transkriptionsweise – das Partitursystem - wählen.

2.2 Partiturverfahren

Beispiel (2a)

als Partiturnotation nach HIAT

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Beispiel (2b)

als Partiturnotation nach HIAT

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Beispiele (2a) und (2b) zeigen das HIAT (Halbinterpretative Arbeitstranskription) nach Ehlich/Rehbein[5] - ein Partiturverfahren im einfachen System – d.h. pro Sprecher steht auch hier nur eine Zeile zur Verfügung und je nachdem wie die Sprecherbeiträge eines Blocks versetzt untereinander angeordnet sind, treten sie auch zeitlich auf.

2.2.1 Nutzen der Partiturnotation für die eingangs gestellten Analyseziele

Der Auszug erscheint aus zwei Gesichtspunkten heraus besser geeignet für das eingangs gestellte Analyseziel (vgl. 1. Transkriptionssysteme und Analyseziele):

1. Die Interaktion des Gesprächs lässt sich durch die Partiturschreibweise besser nachvollziehen. So ist die Pause, die Sprecher S2 macht, um auf die Bestätigungsform von S1 zu warten im Gesprächsfluss viel leichter und schneller zu erkennen.

2. Paraverbale Aspekte werden am linken Rand notiert und fallen leichter ins Auge – so zum Beispiel das gepresste Lachen von S1, als er antwortet, den Weg zu finden.

Dieses Verfahren weist zwar noch keine zusätzliche Transkriptionszeile pro Block auf, um Information hinzuzufügen, ist aber dem Analyseziel dieser Arbeit dienlicher, da es einfach übersichtlicher ist und wichtige Informationen so schneller erfasst werden können.

3. Zeilenblockverfahren

Nachdem die Beispiele (1) und (2) das einfache System gezeigt haben, wird im Folgenden ein anderer Ausschnitt aus dem gleichen Gespräch im Zeilenblockverfahren[6] wiedergegeben.

Das Zeilenblockverfahren kann wiederum als einfache oder Partiturnotation angewendet werden. Es beinhaltet für jeden Sprecher mehrere Zeilen, wobei jeder Zeile eine bestimmte Funktion zukommt. Beispielsweise Anmerkungen zu Blickkontakten, Mimik etc., wobei diese Anordnung streng eingehalten werden muss, um die Übersichtlichkeit zu wahren.

Das folgende Beispiel verdeutlicht den Vorteil dieses Verfahrens, nämlich dass paraverbale und nonverbale Aspekte in übersichtlicher Weise durch zusätzliche Zeilen ins Transkript eingebracht werden können und somit noch expliziter die

Art und Weise wie Dolmetschtechniken angewandt werden und wie sie sich im Gespräch auswirken, nachvollzogen werden können.

3.1. Zeilenblockverfahren in einfacher Notation

Im Folgenden wird das Zeilenblocksystem vorgestellt, wie es von N. Schaeffer entwickelt wurde:[7]

Es wird in einfacher Notation wiedergegeben und besteht aus vier Trans-kriptionszeilen, wobei die vierte jeweils als Leerzeile dient.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der ersten Transkriptionszeile befinden sich im Wesentlichen der Wortlaut der Äußerungen, Pausen – markiert durch ein „+“ und steigende oder fallende Kadenzen – angezeigt durch „ “ „ " .

In der zweiten Zeile finden sich Bemerkungen paraverbaler Art wie zum Beispiel Bestätigungsformen BF, Hörersignale, Veränderung der Lautstärke oder Sprechgeschwindigkeit und Anmerkungen, wie im Gesprächsverlauf die

Pausen empfunden werden. Pausen, die oberhalb der empfundenen Störungs-schwelle liegen werden mit „D“ gekennzeichnet und Pausen unterhalb dieser Schwelle mit einem „T“.

In der dritten Zeile werden nonverbales Verhalten und der expressive Gehalt von Äußerungen festgehalten sowie Hörersignale qualifiziert.

Diese Anordnung hat folgende Vorteile:

1. Durch die Aufteilung in mehrere Zeilen und die Trennung von verbalen Aspekten und deren Qualifizierung bzw. Interpretation ist dieses System leichter lesbar als einzeilige Systeme
2. Durch das stufenweise Hinzufügen und Interpretieren von Information bleibt die Transkription auch intersubjektiv weitestgehend nachvoll-ziehbar.
3. Das System ist sehr variabel für verschiedene Analysezwecke gesprochener Sprache einsetzbar, da in Transkriptionszeile zwei die Äußerungen aus Zeile eins durchaus auch unter einem anderen Aspekt als dem kommunikativ funktionalem qualifiziert werden können.

Weiterhin können Ereignisse, die nicht von vorneherein bei der Analyse berücksichtigt werden sollten auch noch nachträglich bequem und übersichtlich in die zweite Transkriptionszeile eingefügt werden – bei-spielsweise die illokutive Funktion von Äußerungen aus der ersten Zeile.

3.1.1 Nutzen des Zeilenblockverfahren als einfache Notation für die eingangs gestellten Analyse

Bezogen auf die für diese Arbeit relevanten Analyseziele (vgl. 1. Transkriptions-systeme und Analyseziele) werden an folgenden Beispielen, diese Vorteile demonstriert:

1. Durch die konkrete Unterscheidung der Pausentypen „D“ und „T“ in der zweiten Transkriptionszeile wird noch einmal deutlicher, wann der Sprecher S1 diese benötigt, um seine Gedanken zu formulieren und wann

er mit ihnen direkt den Gesprächsverlauf unterbricht, um eine Bestätigungsform als Antwort zu erhalten. Somit wird durch diese Strategie der Sprecher S1 praktisch gezwungen zu antworten, da die Pausen bereits als oberhalb der Störungsschwelle empfunden werden. Durch diese Taktik verhindert S2, dass S1 zwar eine umfassende lange Wegbeschreibung erhält, aber eigentlich schon nicht mehr aktiv an dem

Gespräch teilnimmt – d.h. innerlich „abgeschaltet“ hat, weil er dem Gesprächsverlauf aufgrund mangelnden Hintergrundwissens nicht mehr folgen konnte.

2. Durch den expliziten Vermerk von Bestätigungsformen BF, lassen sich Rezeptionssignale von unwilligen nicht morphemisierten Lautpro-duktionen schneller und besser unterscheiden , was den gesamten Ge-sprächsfluss leichter erkennbar macht.

3. Der expressive Gehalt von Lautäußerungen ist bei dieser Methode schnell und klar abzugrenzen von anderen paraverbalen Vermerken, da dieser in einer gesonderten Zeile immer durch ( ) gekennzeichnet ist. Dieses beugt Verwechselungen vor und erleichtert später bei der Analyse eine saubere Trennung von interpretierenden Vermerken des Transkribenten und einfach nur schriftlich festgehaltenen akustischen Phänomenen.

Beispiel (3)

[...]


[1] Im Gegensatz zum phonetisch/phonologischem Aspekt. In Kapitel ? werde ich darauf näher eingehen.

[2] vgl. Klaus Brinker/Sven F. Sager 1996, S.39ff

[3] vgl. Klaus Brinker/Sven F. Sager 1996, S.41 ff.

[4] antizipatorische Fragetechnik

[5] siehe Ehlich/ Rehbein (1976)

[6] entwickelt von N. Schaeffer vgl. Brinker/Sager 1996, S.43

[7] siehe dazu Schaeffer 1979, S189 ff.

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Transkriptionsmethoden
Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung)
Veranstaltung
Gesprächsdolmetschen und mehrsprachige Rede
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
42
Katalognummer
V50718
ISBN (eBook)
9783638468855
ISBN (Buch)
9783638734929
Dateigröße
574 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Transkriptionsmethoden, Gesprächsdolmetschen, Rede
Arbeit zitieren
Simone Kotarra (Autor:in), 2004, Transkriptionsmethoden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50718

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