Die Rehabilitation "Schwarz-Afrikas" in der deutschen Literatur nach 1960


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2004

12 Seiten, Note: Keine


Leseprobe


Belletristische Produktionen von deutschen Autoren über Afrika weisen sowohl populäre als auch politische Grundmotive auf. Politische Werke vermitteln aufgewogene Informationen über Afrika und fungieren demnach als Kontrastfolie zur Trivialliteratur, Unterhaltungsliteratur par excellence (und zu den gängigen Medienberichten), die oft tradierten Klischees eines romantisierenden, geheimnisvollen Afrikas verhaftet bleibt (Die weiße Massai, Corinne Hoffman (1999); Die Weiße Hexe, Ilona Maria Hilliges (2000).

Die vorliegende Arbeit will Aufschluss über den sozio-politischen Inhalt der deutschen Afrika-Literatur nach 1960 geben. Aufgrund einer diachronischen sowie synchronischen Analyse soll festgehalten werden, dass die uns interessierenden Werke im Geiste des postkolonialen Diskurses entstanden sind. Dabei wird zu zeigen sein, wie ein solches Bewusstsein zustande kam. Hervorgehoben werden sollen die thematischen Schwerpunkte, die sich aus der ästhetisch-literarischen sowie den politischen Inhalten der zu untersuchenden literarischen Aufzeichnungen herauslesen lassen.

Die von mir ausgewählten Werke sind: Janheinz Jahn: Durch afrikanische Türen (1960); Uwe Timm: Morenga (1978); Peter Weiss: Gesang vom Lusitanischen Popanz (1967); Thomas Ross: Es ist mir leid um dich mein Bruder Jonathan (1979); Hubert Fichtes: Psyche (1990); Hans Christoph Buch: Tropische Früchte. Afroamerikanische Impressionen (1993); Hans Christoph Buch: Kain und Abel in Afrika (2001).

Peter Weiss und Uwe Timm haben jeweils in Morenga (1978)[1] und in Gesang vom Lusitanischen Popanz (1967)[2] eine scharfe kritische Stellungnahme zum kolonialen Vorgang bezogen. Timm setzt sich mit der deutschen Kolonisation in Südwestafrika, dem heutigen Namibia, aus, Weiss mit der portugiesischen in Angola und Mosambik. Am Beispiel der folgenden Beschreibung der strategischen Planungen des Oberst Deimlings macht Timm keinen Hehl daraus, die tabula rasa -Politik der deutschen Kolonialbehörden in Erinnerung zu rufen:

Er wollte nicht einfach die eingeschlossenen Orte freikämpfen, er wollte die Witbois in einer Kesselschlacht vernichten. Aus dem Sprachgebrauch Deimlings, Gefechte und Schlachten betreffend: zerschlagen, zerschmeißen, zerschmissen.Oberst Deimlings Plan: Die Witbois zerschmeißen. Dann in den Süden marschieren und Morenga mit seinen Leuten ebenfalls zerschmeißen. (33)

Demgegenüber ergreift Weiss Partei für die Kolonisierten, auf deren Unterdrücker er mit den Fingern zeigt:

[...] Alle werden ihn erkennen

und beim rechten Namen nennen.(12)

Damit ist die Solidaritätsbekundung Weiss’ mit den Afrikanern angesagt, die er in einer metaphorischen Ausdrucksweise zum Aufruhr aufruft:

Reißt die Erde auf wühlt sie auf werft sie auf

[...]

Reißt die Erde auf wühlt sie auf werft sie auf (22)

Dass die Solidarität mit Befreiungsbewegungen in der «Dritten Welt», die hier in Form eines subversiven Diskurses bekundet wird, wobei den Kolonialherren kein Pardon gewährt wird, das programmatisch-soziale Engagement Weiss’ darstellt, wird an den folgenden Aussagen des Autors selbst deutlich:

Ich identifiziere mich mit den Juden nicht mehr als mit dem Volk von Vietnam oder mit den Schwarzen in Südafrika. Ich identifiziere mich ganz einfach mit den Unterdrückten dieser Welt.[3]

Weiss ist in die Durchsuchung des Kolonialismus so tief eingedrungen, dass er neokoloniale Abhängigkeiten erkennt, vor denen er in indirekter Anrede gnadenlos warnt:

Und auch wenn es jetzt heißt er sei tot [ „er“ steht für den Popanz]

er der uns so lange im eigenen Lande bedroht

so ist sein Gefolge doch immer noch da (71)

Der bildliche Hinweis auf den Neokolonialismus, wie aus vorhergehendem Zitat hervorgeht, findet ihren konkreten Ausdrucksweg in weiteren Quellen:

Die Folgen des in der Kolonialzeit begonnen Kultur- und Zivilisations-Imperialismus sind heute eines der schwerwiegendsten Entwicklungsprobleme und Entwicklungshemmnisse des afrikanischen Kontinents.[4]

[...]


[1] Timm, Uwe: Morenga. 6. Aufl. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1978. Die folgenden Zitate beziehen sich auf diese Ausgabe und werden in runden Klammern gegeben.

[2] Weiss, Peter: Gesang vom Lusitanischen Popanz und andere Stücke. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1967.

[3] Peter Weiss zu Oliver Clausen. Zitiert nach: Cohen, Robert: Peter Weiss in seiner Zeit. Leben und Werk, Verlag J. B. Metzler Stuttgart/Weimar 1992.

[4] W. Michler, 1884-1984. Vom „Wettlauf um Afrika" zur „Afrikanischen Perspektive". Schulfunk SDR, SR, SWF, S. 21. Zitiert nach: Ludszuweit, Christoph: B. Traven. Über das Problem der „inneren Kolonisierung" im Werk von B. Traven, Dissertation, Karin Kramer Verlag, Berlin 1996, S. 112.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Die Rehabilitation "Schwarz-Afrikas" in der deutschen Literatur nach 1960
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Germanistik)
Note
Keine
Autor
Jahr
2004
Seiten
12
Katalognummer
V20685
ISBN (eBook)
9783638245043
Dateigröße
640 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Über die Trivialliteratur hinaus, in der das Afrika-Bild den gängigen Klischees eines romantisierenden, geheimnisvollen und geschichtslosen Kontinents verhaftet bleibt (z. B. Die weiße Massai, Corinne Hoffman, 1999, Die weiße Hexe, Ilona Maria Hilliges, 2000), stellt die deutschsprachige Literarische Landschaft den Nährboden für ein politisches Schaffen über Afrika dar, das als Kontrastfolie zu der Unterhaltungsliteratur fungiert. Die Rehabilitierung Afrikas bildet den Höhepunkt dieser Literatur
Schlagworte
Rehabilitation, Schwarz-Afrikas, Literatur
Arbeit zitieren
Lacina Yeo (Autor:in), 2004, Die Rehabilitation "Schwarz-Afrikas" in der deutschen Literatur nach 1960, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20685

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