Das Verbalsuffix -ieren, Lehnwörter und Scheinentlehnungen


Seminararbeit, 2004

22 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Das Verbalsuffix –ieren
1. Der romanische Einfluss auf das Deutsche – geschichtlicher Hintergrund
2. Stammt das Verbalsuffix –ieren aus dem Französischen?
2.1 Abstammung aus dem Burgundischen
2.2 Abstammung aus dem Altfranzösischen
2.3 Die Herkunft der –ieren Verben
3. Das Verbalsuffix –ieren von deutschen Wortstämmen?
3.1 Das Verbalsuffix –ieren in deutschen Mundarten
4. Resümee

2. Lehnwörter
1. Definition
2. Wortbeispiele aus verschiedenen Sprachen
2.1 Lateinische Lehnwörter
2.2 Griechische Lehnwörter
2.3 Arabische Lehnwörter
2.4 Hebräische Lehnwörter
2.5 Italienische Lehnwörter
2.6 Französische Lehnwörter
2.7 Englische Lehnwörter
2.8 Deutsche Lehnwörter
3. Die unterschiedlichen Entlehnungsformen
3.1 Lehnwort
3.2 Lehnbedeutung
3.3 Lehnbildung
3.3.1 Lehnübersetzung
3.3.2 Lehnübertragung
3.3.3 Lehnschöpfung
3.4 Scheinentlehnung
3.5 Xenismen

3. Scheinentlehnungen
1. Definition
2. Beispiele aus verschiedenen Sprachen
3. Entstehung von Scheinentlehnungen
4. Probleme durch Scheinentlehnungen
5. Pseudo-Anglizismen / Denglisch
6. Gesammelte Quellen und Literaturverzeichnis

Das Verbalsuffix –ieren von Astrid Schmieder

1 Der romanische Einfluss auf das Deutsche - geschichtlicher Hintergrund

Das deutsche Sprachgebiet ist mit dem französischen seit dem Bestehen des Frankenreichs eng verbunden. Das Französische hatte auf das Mittelhochdeutsche einen großen Einfluss. Durch die politische Neuordnungen blieben die beiden Gebiete auch später aufs engste miteinander verknüpft. Die politischen Areale z.B. stimmten nicht immer mit der Sprachgrenze überein. Heute belegt dies noch Belgien mit einem flämisch sprechendem Flandern und eine französisch sprechendem Teil. Wichtige Verkehrsadern wie z.B. der Rhein und auch Handelsstraßen wie die von Paris über Reims, Verdun, Metz nach Mainz verbanden die beiden Sprachgebiete. In der Wissenschaft, insbesondere der Theologie, und Kunst (Gotik) prägte das französische Beispiel die Deutschen.

Das französische Rittertum war Vorbild für Deutschland. So ist auch die französische mittelalterliche Literatur ein Vorbild für die deutsche höfische Epik.

2 Stammt das Verbalsuffix -ieren aus dem Französischen?

2.1 Abstammung aus dem Burgundischen

Das Verbalsuffix -ieren läßt sich unterteilen in die deutsche Infinitivendung -en und das französische Bindeglied -ier-. Häufig wird behauptet die auf -ieren endenden Verben hätten ihren Ursprung im französischen Sprachraum, genauer im Burgundischen. Gegen diese Auffassung spricht jedoch, dass das Burgundische mit dem Ursprung von französischen Wörtern im Mittelhochdeutschen in keinem Zusammenhang steht. Die Hypothese hat sich wahrscheinlich deswegen so hartnäckig und so lange gehalten, weil sie von bedeutenden Forschern[1] vertreten wurde und andere diese Ansicht übernommen haben. Die einfache Theorie, das Verbalsuffix -ieren von den französischen Verben abzuleiten, muss differenziert betrachtet werden.

2.2 Abstammung aus dem Altfranzösischen

Die deutsche Infinitivendung -ieren läßt sich nicht bedenkenlos auf die altfranzösische Infinitivendung -ier zurückführen. Dagegn spricht, dass die Gruppe der Verben auf -ier in ihrem Umfang nicht der der mittelhochdeutschen Verben auf -ieren entspricht. Letztere ist erheblich umfangreicher. Vielmehr ist im altfranzösischen die Verbgruppe auf -er bedeutender, so dass im Mittelhochdeutschen die Endung -eren zu erwarten gewesen wäre. Gerade das ist aber nicht der Fall. Die mittelhochdeutschen Verben auf -ieren, die aus dem Französischen stammen, gehen zumeist auf -er-Verben des Altfranzösischen zurück.

2.3 Die Herkunft der -ieren Verben

Im Mittelhochdeutschen finden wir überwiegend -ieren und nicht -eren. Der Grund dafür liegt in der "Tatsache, dass das -ie in der Endung der französischen nomina agentis auf
-ier, die wegen ihrer Form und Bedeutung und ihres verbalen Charakters leicht mit dem entsprechende Verb auch von dem im Französischen etwas bewanderten Deutschen assoziiert wurden, eine starke Stütze der Lautung -ie und -er in der mittelhochdeutschen Verbalendung war."[2] Nomina agentis nennt man abgeleitete Substantive, die sich auf den Träger der von ihnen bezeichneten Handlung beziehen, z.B. Lehrer von lehren, Redner von reden.[3] Die französischen Nomina auf -ier haben zumeist einen lateinischen Ursprung: -arius. Nicht also von den französischen Verben, sondern von Substantiven ist die Infinitvendung -ieren zu erklären. Im 12. Jh. entwickelten sich im Mittelhochdeutschen aus diesen französischen nomina agentis die Verben auf -ieren. Belegt ist dies bei Hartmann von Aue: soldier < altfrz. soldeier. Aber bei H. v. Aue ist auch die andere Form: soldener zu finden, so dass dies noch nicht als eindeutiges Indiz gelten kann.

Im 13. Jh häufen sich die französischen nomina agentis auf -ier im Mittelhochdeutschen. Abgeleitet von dieser Formbildung setzte sich die Infinitivbildung weiterer Verben auf -ieren im Mittelhochdeutschen durch, die nicht aus dem französischen kommen. Man kann feststellen, dass sich die Verbildung auf -ieren verselbständigt hat. Neue Infinitive werden gebildet, die weder von französischen Verben abgeleitet wurden, noch auf ein nomina agentis zurückzuführen sind.

Im Mittelniederdeutschen und Mittelniederländischen sind diese Infinitivendungen auf -eren und -ieren anzutreffen. Das Suffix -ieren wird nicht mehr allein französischen nomina agentis angehängt, sondern auch lateinischen und zunehmend auch deutschen Stämmen.

3 Das Verbalsuffix -ieren von deutschen Wortstämmen?

Schon Jacob Grimm hatte frühzeitig darauf aufmerksam gemacht, dass von deutschen Stämmen -ieren-Ableitungen gebildet wurden. Dies wurde jedoch wenig bis überhaupt nicht beachtet, auch wenn sie keine Seltenheit darstellten. Neben der Schriftsprache für die Beispiel wie verdünnisieren oder englisieren gelten können, soll im Weiteren deutsche Mundarten untersucht werden. Damit lassen sich Rückschlüsse ziehen, welche Tragweite die Infinitivbildung auf -ieren hatte.

3.1 Das Verbalsuffix -ieren in deutschen Mundarten

Bei der Untersuchung des Verbalsuffix -ieren in deutschen Mundarten sind entsprechende Wörterbücher heranzuziehen. Diese haben jedoch unterschiedliche lange Traditionen. Auch ihre Zielsetzungen sind nicht unbedingt die gleichen, so dass ein unterschiedlich umfangreicher Wortschatz erfaßt wurde. Die Genauigkeit also auch das Milieu, aus welcher die Worte erfaßt wurden, differenzieren erheblich. Diese Problematik ist zu berücksichtigen.

In der rheinische Mundart finden sich ca. 70 -ieren-Ableitungen von einheimischen Stämmen, wie z.B. schusterisieren oder frischieren. Einige wenige von diesen sind der deutschen Hochsprache oder dem Niederländischen entlehnt. Diese sind durch das Rheinische Wörterbuch belegt, wobei zu bedenken ist, dass kein Mundartwörterbuch wirklich alle Worte umfasst. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der -ieren-Verben und der Nähe zum französischen Sprachraum, wie oben schon angedeutet.

Auch die Schweiz grenzt an das französische Sprachgebiet. Deshalb liegt eine Untersuchung dieser Mundart nahe. Im Schweizer Idiotikum finden sich viele solcher Infinitivbildungen, die aus dem Französischen entlehnt oder von anderen fremden Stämmen abgeleitet wurden, z.B. tonieren - schmipfen, tafelieren - tafeln. Viele dieser Worte entspechen der Hochsprache, der Einfluß des französischen Sprachgebietes belegen Worte wie: tondieren < frz. tondre - scheren; tapieren < frz. taper - Haare kämmen.

Andererseits sind auch Verben zu finden, welche in der Hochsprache das Verbalsuffix -ieren aufweisen, aber in der Mundart auf -en enden wie z.B. maroden - hd. marodieren < frz. maroder.

Ähnliche Ergebnisse lassen sich in der elsässischen, der badischen, der hessischen und der preußischen Mundart belegen, auch wenn hier das Untersuchungsmaterial viel dürftiger ist.

4 Resümee

Sowohl in der Schriftsprache als auch in der Umgangssprache und in den Mundarten ist zu erkennen, dass im Mittelhochdeutschen das Suffix -ieren eine Infinitivendung war, welche im 12. und 13 Jahrhundert im höfischen Bereich angewendet wurde. Später übernahmen diese Infinitivbildung einfache Bürger. Dennoch spielt der soziale Ort für die Häufigkeit des Verbalsuffixes weiterhin eine Rolle. Es ist in der Gelehrtensprache stärker beheimatet als in der Alltagssprache des einfachen Volkes.

Verwendet wurde das Verbalsuffix in der Amts- und Fachsprache wie z.B. amtieren, grundieren, aber auch um einen komischen Effekt zu erreichen wie z.B. bratwurstieren, kneipieren.

Die geographische Ausdehnung der Verwendung des Verbalsuffixes umfasst das gesamte deutsche Sprachgebiet, wobei die Häufigkeit je nach Region variiert und von der Nähe zum französischen Sprachgebiet bestimmt ist.

Die Verbreitung des Verbalsuffixes in den verschiedenen Mundarten lassen sich neben der Nähe zum französischen Sprachgebiet auch aufgrund der sozialen Struktur erklären. So finden sich im verstädtertem und industrialisiertem rheinischen eine größere Anzahl dieser Wortbildung als im eher ländlich geprägten schweizerischen Sprachgebiet.

[...]


[1] Öhmann 1970, 337 zitiert z.B. Hermann, Paul, Deutsche Grammatik V, 1920, 124.

[2] Öhmann 1970, 338.

[3] Bußmann 1990, 528.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das Verbalsuffix -ieren, Lehnwörter und Scheinentlehnungen
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für deutsche Sprache und Literatur)
Veranstaltung
Historische Wortbildung
Note
2
Autoren
Jahr
2004
Seiten
22
Katalognummer
V56613
ISBN (eBook)
9783638512527
ISBN (Buch)
9783656800606
Dateigröße
540 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verbalsuffix, Lehnwörter, Scheinentlehnungen, Historische, Wortbildung
Arbeit zitieren
Sandra Schweiker (Autor:in)Astrid Schmieder (Autor:in)Lisa Freydenberger (Autor:in), 2004, Das Verbalsuffix -ieren, Lehnwörter und Scheinentlehnungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56613

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das Verbalsuffix -ieren, Lehnwörter und Scheinentlehnungen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden