Auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt?

Die Rolle der Russischen Föderation im internationalen Nichtverbreitungsregime seit dem Jahr 2000


Masterarbeit, 2017

118 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1.Einleitung

1.1 Hinführung zum Thema

1.2 Fragestellung

1.3 Hypothese

1.4 Aufbau der Arbeit

1.5 Methodisches Vorgehen

1.6 Forschungsgegenstand und Relevanz des Themas

2 Das Phänomen der nuklearen Weiterverbreitung in den Theorien der Internationalen Beziehungen im Rahmen des Neorealismus und Neo-Institutionalismus

2.1 Neorealismus als Ausgangpunkt

2.2 Der neoliberale Institutionalismus

3 Die historische Entwicklung des internationalen Nichtverbreitungsregimes

3.1 Der Beginn der nuklearen Epoche (1938 – 1945)

3.2 Die ersten Verhandlungsversuche (1946 – 1968)

3.3 Der Nichtverbreitungsvertrag als Herzstück des internationalen Nichtverbreitungsregimes (1968 – 1987)

3.4 Neue Herausforderungen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion

4 Die Struktur des internationalen Nichtverbreitungsregimes: nukleare Nichtverbreitung vs. Abrüstungsverpflichtung

4.1 Institutionelle Grundlagen

4.1.1 Zentrale Verhandlungsgremien

4.1.2 Zentrale Verträge und Institutionen

4.1.2.1 Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT)

4.1.2.2 Der Vertrag über das Umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT)

4.1.2.3 Der Vertrag über ein Produktionsverbot von Spaltmaterial für Waffenzwecke (FMCT)

4.1.2.4 Die kernwaffenfreien Zonen (KWFZ)

4.1.2.5 Die Internationale Atomenergie Organisation (IAEO)

4.2 Die Struktur des nuklearen Nichtverbreitungsregimes nach Harald Müller

4.2.1 Prinzipien

4.2.2 Normen

4.2.3 Regeln

4.2.4 Verfahren

5 Nukleare Abrüstung: Mögliche Auswege aus dem nuklearen Dilemma

5.1 Die Initiativen aus der Zivilgesellschaft zur Stärkung des NV-Regimes

5.2 Zum aktuellen Stand der atomaren Bestände weltweit

5.3 Zum aktuellen Stand der Militärausgaben weltweit

5.4 Zum Zusammenhang zwischen der nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung

6 Die Grundsätze der russischen Sicherheits- und Nuklearpolitik: Die Entwicklung von der Wahrnehmung von Prioritäten und Hauptbesorgnissen

6.1 Die Entwicklung der Grundlagen der neuen staatlichen Politik nach dem Zusammenbruch der UdSSR

6.2 Die Grundsätze der russischen Sicherheits- und Nuklearpolitik von 2000 bis 2008

6.2.1 Das Konzept der Nationalen Sicherheit von 2000

6.2.2 Die Militärdoktrin 2000

6.2.3 Die Konzeption der Außenpolitik von 2000

6.3 Die veränderte Wahrnehmung der Sicherheitsrisiken ab dem Jahr 2008

6.3.1 Die Konzeption der Außenpolitik von 2008 und die nationale Sicherheitsstrategie bis zum Jahr 2020 von 2009

6.3.2 Die neuen Militärdoktrinen von 2010 und 2014

7 Von START zum Finish? Ein Ausblick auf die Zukunft der Multilateralisierung des Abrüstungsprozesses

8 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Fachliteratur

Internetquellen

Offizielle Doktrinen und Konzeptionen der Russischen Föderation

Multilaterale Verträge und Abkommen

Anhang

Begriffliche Erläuterung


1.Einleitung

 

1.1 Hinführung zum Thema

 

Grundsätzlich sind Kernwaffen[1] kein „neues Weltproblem“. Sie werden seit ihrer Erfindung als Waffenkategorie mit besonderen Gefahren betrachtet (vgl. Maier 2011: 1). Bereits wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem bisher einzigen Einsatz von Atomwaffen gab es Aufrufe und Initiativen, diese Waffenkategorie abzuschaffen. Scheiterte 1955 der damalige US-Präsident Eisenhower mit seinem Vorschlag an die Sowjetunion, die Kernwaffen beider Staaten zu beseitigen, so führte die Kuba-Krise und der Aufstieg Chinas in den Club der Nuklearmächte in den frühen 1960-er Jahren zu einem mehr pragmatischen Ansatz. Der wichtigste Schritt gelang schließlich mit dem Nichtverbreitungsvertrag (NPT) von 1968, in dem sich die damaligen fünf Atomwaffenstaaten[2]: die Sowjetunion, die USA, Großbritannien, Frankreich und die Volksrepublik China vertraglich dazu verpflichteten, keine Atomwaffen bzw. Material zu deren Bau weiterzugeben (vgl. ebd.). Die Nichtatomwaffenstaaten ihrerseits bestätigten, nach Nuklearwaffen nicht zu streben. Darüber hinaus verpflichteten sich alle Vertragsstaaten in Artikel VI des NPT-Vertrags, Schritte zur Abrüstung[3] einzuleiten:

 

„ […] Each of the Parties to the Treaty undertakes to pursue negotiations in good faith on effective measures relating to cessation of the nuclear arms race at an early date and to nuclear disarmament, and on a treaty on general and complete disarmament under strict and effective international control […].” (NPT 1968).

 

Im Zuge der geopolitischen Ereignisse durch den Zusammenbruch der Sowjetunion haben sich wesentliche Veränderungen für die globale Sicherheitsstruktur sowie die nukleare Ordnung ergeben (vgl. Wisotzki 2004: 2). Jedoch ist jene Euphorie, die Manche gar von einer Zeitenwende der nuklearen Abrüstung sprechen ließ, Anfang des 21. Jahrhunderts verflogen (vgl. ebd.). Zwar ist die Gefahr eines Atomkrieges nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation tatsächlich sehr unwahrscheinlich geworden (vgl. Glatzel 2009), rückte aber die Problematik nuklearer Weiterverbreitung[4] von Massenvernichtungswaffen[5] (MVW) in den Blickpunkt nationaler Entscheidungsträger, internationaler Gremien und sicherheitspolitischer Eliten (vgl. Meier 2015 a; vgl. Neuneck/Mutz 2000). Der langen Zeit als Erfolg angesehene NPT-Vertrag verhinderte nicht die Etablierung weiterer Atommächte wie Pakistan, Indien und Israel (vgl. Maier 2011: 2f.). Nordkorea ist 2003 vom Vertragswerk ausgetreten und hat im September 2016 seinen fünften und bislang den stärksten Atomtest durchgeführt (vgl. CTBTO 2016).

 

Dabei sind neue Schritte in Richtung der vollkommenen Abrüstung auch nicht in Sicht (vgl. Wisotzki 2004: 3). Stattdessen mehren sich die Anzeichen, dass die Kernwaffenstaaten nicht nur immer größeren Wert auf die Kernwaffen legen, sondern auch ihre nuklearen Kapazitäten modernisieren bzw. über den Erwerb einer neuen Generation nachdenken. Auf dieser Grundlage wächst die Spannung, die zwischen internationalen Regimeverpflichtungen zur nuklearen Abrüstung und den eigenen Bemühungen besteht. Dies lässt die internationale Nuklearwaffenpolitik umso mehr ambivalent werden. Die Rolle der Kernwaffen wird als Garant der globalen Sicherheit hervorgehoben (vgl. Kamp 2005).

 

Die Nuklearwaffenstaaten sind die ersten Adressanten, wenn es um die Verhinderung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen geht (vgl. Gärtner 2007: 12). Heutzutage besitzen Russland und die USA gemeinsam etwa 90 % aller Atomwaffen der Welt (vgl. SIPRI 2015: 22f.). In seiner Kapazität des ständigen Mitglieds des VN-Sicherheitsrates muss Russland daher als weltpolitischer Akteur erster Ordnung in der globalen nuklearen Politik betrachtet werden (vgl. Eitelhuber 2015: 202). Somit ist die Frage danach, welche Position Russland in den internationalen Verhandlungen über die nukleare Nichtverbreitung einnimmt, von enormer Bedeutung für die Zukunft des globalen Nichtverbreitungsregimes (vgl. ebd.).

 

Das Jahr 2000 wurde für Russland durch mehrere große Ereignisse in der Sicherheits- und Nuklearpolitik[6] gekennzeichnet. Moskau und Washington gelang den Verhandlungsprozess über den START II-Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen durch die Ratifikation des Vertragswerkes in der russischen Duma am 14. April 2000 zu Ende zu bringen. Außerdem hatte Russland auch den Vertrag über das Umfassende Verbot von Kernwaffenversuchen (CTBT) ratifiziert (vgl. CTBTO 2017). Darüber hinaus erneuerte im Jahr 2000 der neu gewählte Präsident Putin komplett die sicherheitspolitische Hierarchie des Landes: die strategischen Dokumente, die Hauptbedrohungen und Gefahren sowie die Nationalprioritäten in der Sicherheits- und Nuklearpolitik des russischen Staates formulieren, und zwar das außenpolitische Konzept, die Strategie der nationalen Sicherheit sowie die Militärdoktrin der Russischen Föderation (vgl. de Haas 2009; vgl. Schröder 2009).

 

Den gedanklichen Anstoß, die Master-Arbeit in ihrer jetzigen inhaltlichen Form zu verfassen, lieferten politische sowie akademische Debatten über die Bemühungen Russlands nicht ausreichend seinen Abrüstungsverpflichtungen innerhalb des Nichtverbreitungsregimes nachzukommen (vgl. Müller 2015, 2009). Die Kritik spiegelt sich in zahlreichen Studien und Beiträgen in Hinsicht auf den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag von 1968 wider (vgl. Kamp 2005; vgl. Krause 2006): der Wille der Russischen Föderation, bis zu einer Welt ohne Kernwaffen voranzuschreiten, trotz ihrer Bekenntnisse sei sehr zweifelhaft. Die russische Abrüstungspolitik[7] gelte weitgehend als bedeutungsloses Verschleierungsmanöver. Niemand macht sich in Russland heutzutage ernsthafte Gedanken über die Chancen vollständiger nuklearer Abrüstung (vgl. Müller 2010 a: 117). Demnach ist eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Russland als offiziellem Nuklearwaffenbesitzer essentiell für die Zukunft des NV-Regimes. Dabei stellt eine Analyse der russischen Kernwaffenpolitik eine interessante Möglichkeit dar, den Zusammenhang zwischen der bestehenden Krise des NV-Regimes und den Grundsätzen der Nuklearpolitik Russlands sowohl auf theoretischer als auch auf empirischer Ebene anschaulich herzustellen und diesen dann zu erläutern.

 

1.2 Fragestellung

 

So wird in der Arbeit der Versuch unternommen, die theoretischen Ansätze der Theorien der Internationalen Beziehungen auf die russische Sicherheits- und Abrüstungspolitik zu übertragen und dadurch ein Verständnis dafür zu schaffen, inwieweit Russland das NV-Regime beeinflusst. Dazu wird die folgende Forschungsfrage aufgestellt: wie lässt sich die Rolle der Russischen Föderation innerhalb des internationalen Nichtverbreitungsregimes seit 2000 erklären? Zur weiteren Eingrenzung der Arbeit sind auch die folgenden Unterfragen zu berücksichtigen:

 

 Worin bestehen die Hauptbesorgnisse der Russischen Föderation in Hinsicht auf die nukleare Proliferationsproblematik?

 

 Welchen Stellenwert haben die Kernwaffen in der russischen Sicherheitspolitik?

 

 Wie lässt sich die Wende in der Sicherheits- und Abrüstungspolitik Russlands ab 2000 erklären?

 

1.3 Hypothese

 

Die Hauptargumente bestehen darin, dass Russland seinen Abrüstungsverpflichtungen innerhalb des Nichtverbreitungsregimes nicht ausreichend nachkommt und in seinen Kernwaffen den Garanten eigener Sicherheit sieht (siehe Kapitel 1.2). Daher kann die Hypothese abgeleitet werden, dass Russland keine umfassenden Abrüstungsschritte in naher Zukunft beabsichtigt. Als zu erklärende Variable wird die russische Sicherheits- und Abrüstungspolitik verstanden. Als diese Politik erklärende Variable kommen grundsätzlich in Betracht Gefahren und Bedrohungen[8], die aus russischer Sicht die nationale Sicherheit gefährden. Das Anliegen der vorliegenden Arbeit besteht darin, die Hypothese auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

 

1.4 Aufbau der Arbeit

 

Unter der Berücksichtigung der oben genannten Fragestellungen und der zu überprüfenden Hypothese gliedert sich die vorliegende Masterarbeit in acht Textteile. Im ersten Teil wird in die Problematik der Master-Arbeit eingeführt. Es werden die Forschungsfragen gestellt. Im Anschluss an die Fragestellungen wird die Hypothese formuliert. Demnach erfolgen die Darstellung der methodischen Vorgehensweise sowie der Überblick über den Forschungsgegenstand. Im zweiten Teil werden die theoretischen Erklärungsansätze erläutert, um den empirischen Nachweis der kritischen Einschätzung der russischen Sicherheits- und Abrüstungspolitik plausibel zu machen. Dazu werden die Grundannahmen und Schlüsselbegriffe der zwei klassischen Denkschulen der Theorie der Internationalen Beziehungen herangezogen, und zwar der Neorealismus und der Neo- Institutionalismus. Der dritte Textteil gibt einen historischen Überblick über die Etablierung des Nichtverbreitungsregimes seit dem Jahr 1938. Im Mittelpunkt des vierten Teils stehen die zentralen Elemente bzw. Verträge und Institutionen des internationalen Nichtverbreitungsregimes, die die wechselseitigen Pflichten und Rechte für die Russische Föderation festlegen und die dafür wichtigen Kooperationskanäle innerhalb des NV-Regimes schaffen. Im zweiten Schritt erläutert dieser Teil die Struktur des nuklearen Nichtverbreitungsregimes nach Harald Müller. Der fünfte Teil thematisiert die Abrüstungs- und Rüstungskontrollproblematik im Rahmen der gegenwärtigen Debatten über die globale Sicherheitspolitik weiter. Der sechste Teil beschäftigt sich mit der russischen Sicherheits- und Abrüstungspolitik. Es werden die strategischen Grunddokumente Russlands in sicherheitspolitischen Bereichen analysiert und die Entwicklung ihrer Kernelemente erklärt. Im siebten Teil wird der Ausblick auf die Zukunft der Multilateralisierung des Abrüstungsprozesses diskutiert. Der achte Textteil fasst die Ergebnisse der einzelnen Abschnitte der Arbeit zusammen und interpretiert diese anhand der dargestellten theoretischen Ansätze.

 

Wie es sich im Folgenden gezeigt wird, ist das Nichtverbreitungsregime ein sehr komplexes Gefüge, das eine breite Reihe von Verträgen und Organisationen umfasst. Aufgrund dieser Komplexität soll die vorliegende Arbeit eingegrenzt und konkretisiert werden. Da die zu untersuchende Forschungsfrage dynamische und aktuelle politische Ereignisse darstellt sowie durch zunehmende Kooperation zwischen den Akteuren des NV-Regimes gekennzeichnet ist, werden in der Arbeit die Geschehnisse bis 2016 aufgeführt, um der Arbeit einen Zeitrahmen zu setzen. Außerdem erhebt diese Arbeit in Bezug auf die Darstellung der bi- und multilateralen Verträge bzw. Institutionen des NV-Regimes sowie auf die gesellschaftlichen Programme zur nuklearen Abrüstung weltweit keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

 

1.5 Methodisches Vorgehen

 

Je nach der Art des Forschungsgegenstandes, der aufgeworfenen Fragestellung sowie der Datenverfügbarkeit bietet die Sozialforschung verschiedene methodische Verfahren an.[9] Sie ermöglichen es, eine sinnvolle Verbindung zwischen Theorie und Empirie herzurstellen und gleichzeitig einen möglichst größeren Mehrwert für die Beantwortung der Forschungsfrage zu erzielen (vgl. Lamnek 2010: 16f.). Demnach basiert die vorliegende Master-Arbeit auf der qualitativen Inhaltsanalyse nach den Interpretationsrahmen von Phillip Mayring. Die qualitative Inhaltsanalyse wird als ein Auswertungsverfahren qualitativer Sozialforschung verstanden (vgl. Mayring 2002: 114). Dieses Verfahren intendiert schriftlich fixierte Kommunikation theoriegeleitet zu analysieren, was sowohl bei der Beantwortung der Forschungsfrage, als auch in der Operationalisierung des Untersuchungsgegenstandes bedeutende Hilfestellung leisten kann (vgl. ebd.). Diese Methode beruht auf einem Kommunikationsmodell, nach dem ein Kommunikator einem Rezipienten im Rahmen einer sozialen Situation Kommunikationsinhalte übermittelt. Durch eine Analyse der Kommunikationsinhalte können Schlussfolgerungen auf den Kommunikator, den Rezipienten bzw. die zu untersuchende Situation gezogen werden. Konkret richtet sich die vorliegende Untersuchung auf die Auswertung von bereits erhobenen Informationen aus, die aus verschiedenen Quellen sowie jeglicher Art von Kommunikation zwischen dem Kommunikator und seiner sozialen Umgebung stammen können (vgl. Mayring, 1997: 11).

 

Die systematische Bearbeitung sowie die Auswertung der Textmaterialien erfolgt nach dem Ablaufmodell von Mayring[10], wobei dafür die Anwendung der inhaltlichen Strukturierung angewendet wurde. Diese hat zum Ziel „ [...] bestimmte Themen, Inhalte, Aspekte aus dem Material herauszufiltern und zusammenzufassen. Welche Inhalte aus dem Material extrahiert werden sollen, wird durch theoriegeleitet entwickelte Kategorien und Unterkategorien bezeichnet.“ (Mayring 1997: 83).

 

Innerhalb der Master-Arbeit wurden mehrere qualitative Inhaltsanalysen, denen jeweils unterschiedliche Unterfragen zu Grunde liegen, durchgeführt. Entsprechende Kategorien wurden dazu im Voraus ausgearbeitet und dann an das vorhandene Material herangetragen.

 

Als Kommunikator wurden für die Arbeit die schriftlich fixierten Texte verschiedener Art herangezogen.[11] Die empirischen Grundlagen umfassen sowohl notwendige Primärquellen als auch Sekundärliteratur in der Deutschen, Englischen und Russischen Sprachen. Die Primärquellen stellen neben den offiziellen sicherheitspolitischen Doktrinen der Russischen Föderation auch verschiedene Berichte der russischen Staatsorgane, Erklärungen der Repräsentanten Russlands in diversen internationalen Foren dar. Eine weitere Gruppe bildet sich aus zentralen bi- und multilateralen Verträgen und Abkommen des internationalen Nichtverbreitungsregimes. Die Publikationen der Organisation der Vereinten Nationen sowie anderer Organisationen wurden in dieser Gruppe für die Analyse mit einbezogen. Ferner wurde mit den Arbeits- und Abschlussdokumenten bzw. Resolutionen der nationalen und internationalen Konferenzen zu der zu untersuchenden Thematik gearbeitet.

 

Die Sekundärliteratur umfasst die Datensammlungen verschiedener westlicher und russischer Einrichtungen bzw. Think Tanks, die sich entweder schwerpunktmäßig oder ausschließlich mit der Abrüstungs-, Rüstungskontroll- und Nichtverbreitungsproblematik befassen. Auf der deutschen Seite sind hier in erster Linie die Beiträge der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin und des Instituts für die Friedensforschung und die Sicherheitspolitik (IFSH) in Hamburg zu nennen; auf der russischen Seite – die Publikationen des PIR-Zentrums für politische Studien[12]. Als weitere ergiebige und hilfreiche Quellen der sekundären Literatur erwiesen sich die Berichte und Newsletters des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI). Weiterhin wurde mit den Zeitungsartikeln und Redebeiträgen der russischen und westlichen Politiker und Militärexperten gearbeitet.

 

1.6 Forschungsgegenstand und Relevanz des Themas

 

Die Relevanz des Themakomplexes der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen ist auf die fast 50 Jahre dauernde Ost-West-Konfrontation zurückzuführen, als die beiden Supermächte – die Sowjetunion und die USA – um die globale Herrschaft kämpften und eigene Militärbestände als Symbol der Macht betrachteten. Dabei wird in den westlichen Literaturquellen die Rolle Russlands in diesem Kontext meistens mit der Geschichte der Sowjetunion zusammen verstanden (vgl. Krüger 2003). Zu den aufschlussreichen Werken zur sowjetischen sowie auch russischen Abrüstungsgeschichte gehört die Promotionsarbeit[13] von Randolph Krüger. Neben der juristischen Untersuchung der bestehenden bi- und multilateralen Abkommen zwischen den beiden Atomstaaten gibt der Autor einen Überblick über die Evolution des sowjetischen Denkens aus historischer Perspektive. Der Versuch, die wichtigen Merkmale der Außen- und Sicherheitspolitik des modernen russischen Staats zusammenzufassen, wird in der Arbeit von Norbert Eitelhuber unternommen.[14] Die Teilaspekte der russischen Sicherheitspolitik werden unter anderem im Kontext der Beziehungen mit den USA (vgl. Paul/Thränert 2009)[15] oder mit der NATO, deren Osterweiterung aus russischer Sicht seit Längerem eine Gefahr für den Staat vorstellt, behandelt (vgl. Wenger/Perovic 1997)[16].

 

Ferner bestimmt die Krise des NVV die Aktualität der Debatte über die generelle nukleare Abrüstung (vgl. Paul/Thränert 2009: 10f.; vgl. Meier-Walser 2010: 5; vgl. Hiemann/Thränert 2008: 2). Die nukleare Proliferationsproblematik als eine der Hauptgefahren der friedlichen Existenz (vgl. Arbatow 2015; Müller 2015; Krause 2006) beschäftigt Autoren sowohl im Westen, als auch im Osten, so dass heutzutage eine umfassende Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten in diesem Bereich besteht.

 

Der konzeptionelle Rahmen der Arbeit beruht sich im Wesentlichen auf den Werken von Harald Müller. So definiert der Autor in seinem Buch[17] nicht nur den Begriff des Regimes, sondern widmet auch seine Arbeit der Analyse des Nichtverbreitungsregimes, indem er seinen Aufbau, die Wirkungsweise und die bestehende Krise untersucht. Mit dem Themakomplex nuklearer Nichtverbreitung und Abrüstung beschäftigt sich Müller in seinen weiteren Arbeiten, in denen die einzelnen Aspekte des nuklearen Nichtverbreitungsregimes, wie etwa die Debatten von Ursachen für Rüstungsdynamik, Chancen und Grenzen vom Rüstungskontrollprozess[18] als auch die Geschichte und Evolution der nuklearen Ordnung dargestellt werden[19]. Außerdem finden in seinen Werken viel Berücksichtigung die Legitimität und Wirksamkeit des Regimes[20]. Die wissenschaftlichen Beiträge im Sammelband[21] von Michael Staack behandeln die Entwicklung der nuklearen Ordnung und die daraus entstehenden Herausforderungen, die dieses multilaterale Regime bedrohen.

 

Die Publikation[22] von Heinz Gärtner widmet sich detailliert den einzelnen Verträgen und Konventionen des NV-Regimes und analysiert die Rüstungskontrollebereiche aus unterschiedlichen Sichtweisen. Ferner geben die Reporte[23] der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) einen Überblick über den Stand der aktuellen Forschungen sowie die öffentlichen Debatten zu verschiedenen Aspekten der nuklearen Problematik. Als eine weitere ergiebige Quelle der analytischen Arbeiten zur nuklearen Thematik[24] und der Rolle Russlands im internationalen VN-Regime gelten die Studien und Berichte[25] der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP). Eine Informationsquelle über die Rüstungskontrolle und Rüstungstechnologien, Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Raketenabwehr und Raketenproliferation ist in Deutschland durch das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg vertreten. Hier sind die wissenschaftlichen Beiträge von Götz Neuneck[26] als ein ergiebiges Beispiel zu nennen.

 

Was die Auseinandersetzung mit dem Nichtverbreitungsvertrag von 1968 (NPT) im Speziellen anbelangt, wurde diese Frage insbesondere in der Studie von Wolfgang Fischer[27] erläutert. In seiner Studie analysiert der Autor nicht nur die inhaltlichen Aspekte des Vertragswerkes, sondern befasst sich auch mit dessen Entstehungsgeschichte.

 

Das Recherchieren zu der Abrüstungs-, Rüstungskontroll- und Nichtverbreitungspolitik im russischsprachigen Raum stellte keine einfache Aufgabe dar. Zum einen lag dies am begrenzten Zugang zu der russischen Literatur, denn während des Schreibens befand sich die Verfasserin in Deutschland. Aus diesem Grund wurde auf die Quellen im Internet zurückgegriffen. Dies ist eine Erklärung davon, dass die meisten hier zitierten Werke aus den früheren 2000-er Jahren stammen. Zum anderen ist es auch zu berücksichtigen, dass die nukleare Problematik für die Sowjetunion bzw. Russland von überragender Bedeutung war und ist, so dass die Quellen dazu nur begrenzt veröffentlicht werden können.[28] Dennoch leisteten einen großen Beitrag dazu vor allem die Werke der Experten an der unabhängigen russischen Einrichtung zur Untersuchung der Außen- und Militärpolitik „das Zentrum für politische Studien“, das sogenannte PIR-Zentrum[29] sowie an dem Moskauer Carnegie-Zentrum[30]. Um einen breiteren Überblick über das nukleare Nichtverbreitungsregime aus russischer Perspektive zu bekommen, wurde das vorliegende Forschungsmaterial zusätzlich noch durch relevante Aufsätze, Forschungsberichte, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel aus den russischen Internetquellen ergänzt.

 

Abschließend sind noch Hinweise in Bezug auf das gesamte Literaturmaterial zu geben. Zu manchen Quellen der sekundären Literatur ist anzumerken, dass sie eine klare politische Position enthielten. Die Gefahr der Einseitigkeit der vorgestellten Standpunkte wurde dadurch aufgehoben, dass für die Arbeit eine Vielzahl von Literaturressourcen mit jeweils unterschiedlicher politischer Orientierung herangezogen wurde. Ein anderer Aspekt bezieht sich auf das ähnliche Problem der unterschiedlichen Darlegung von statistischen Daten, wie etwa zum aktuellen Waffenbestand oder Militärausgaben der Russischen Föderation, aber auch der anderen Staaten. Einerseits kann man dies auf unterschiedliche Methoden der Datenerhebung und die Auswertung der statistischen Institutionen zurückführen, anderseits soll davon ausgegangen werden, dass die vorliegende Arbeit die sicherheitspolitischen Aspekte Russlands behandeln will, die in direkter Verbindung mit den staatlichen Nationalinteressen stehen und damit gesichert bleiben müssen.

 

Praktische Hinweise zur Transliteration russischer Begriffe und Personennamen

 

Alle Begriffe und Namen aus der kyrillischen Schrift werden in der Master-Arbeit in lateinischer Umschrift angegeben. Im Literaturverzeichnis wird die wissenschaftliche Transliteration nach der Norm DIN 1460 verwendet.

 

 

 

Tabelle 1: Transliterationstabelle

 

Quelle: Eigene Darstellung nach Angaben der International Organization for Standardization[31]

2 Das Phänomen der nuklearen Weiterverbreitung in den Theorien der Internationalen Beziehungen im Rahmen des Neorealismus und Neo-Institutionalismus

 

Der zweite Teil beschäftigt sich mit den theoretischen Erklärungsansätzen, mit denen die Rolle Russlands im Nichtverbreitungsregime erklärt werden kann. Dazu werden die Grundannahmen und Schlüsselbegriffe der zwei Denkschulen der Theorie der Internationalen Beziehungen herangezogen: der Neorealismus und der Neo-Institutionalismus. Die Relevanz sowie die Schwächen der jeweiligen Theorien werden in den Teilkapiteln thematisiert.

 

Viel komplexer als die Frage nach der Leitungskraft von wissenschaftlichen Theorien[32] ist die Frage nach der Theorie, welche das nukleare Nichtverbreitungsregime erklären kann (vgl. Ogilvie-White 1996: 43f.). Das Ende des Ost-West-Konfliktes traf die Theorien der Internationalen Beziehungen nicht weniger überraschend als die Politik, „[…] denn keiner der zahlreichen Theorieansätze hatte die Keime der sich anbahnenden historischen Umwälzungen im Osten erkannt oder epochalen Veränderungsprozesse in der Weltpolitik vorhersagen können.“ (Kötter 1995: 114ff.). Da dabei das Feld der atomaren Weiterverbreitung die zentrale Fragestellung über die Sicherheit, die Verteilung von Macht sowie die Ordnungsprinzipien in den internationalen Beziehungen bündelt, bedarf es eines multilateralen theoretischen Ansatzes (vgl. ebd.) Vor dem Hintergrund werden in der Arbeit die neorealistischen einerseits sowie die neoinstitutionalistischen Ansätze anderseits herangezogen.

 

2.1 Neorealismus als Ausgangpunkt

 

Das realistische Paradigma ist bis heute nicht nur als die weitest verbreitete Denkschule in den theoretischen Debatten, sondern auch diejenige, auf der sich alle anderen großen Theorien der Internationalen Beziehungen beruhen (vgl. Krell 2004: 62). Als zentraler und wichtigster Begründer des zeitgenössischen Realismus ist Hans Morgenthau zu nennen. Nach Morgenthau geht der Realismus von drei zentralen Kategorien aus: Macht, Nationalstaat und Anarchie (vgl. Krell 2004: 38ff: zit. nach Morgenthau 1948). In Bezug auf die Wechselwirkungen dieser drei Kategorien lauten die realistischen Grundannahmen, dass 1) das internationale System auf Nationalstaaten als Hauptakteure basiert; 2) internationale Politik wesenhaft konfliktträchtig ist; 3) Nationalstaaten rationale Akteure sind und stets im nationalen Interesse handeln; 4) Innen- und Außenpolitik innerhalb der Staaten deutlich voneinander getrennt sind; 5) Ein im Sinne von Macht verstandener Begriff des Interesses (vgl. Hartmann 2001: 23f.).

 

Die Grundannahmen des Denkens von Morgenthau lassen sich als negative Anthropologie beschreiben. So ist der Mensch nicht nur von einem Selbsterhaltungs-, sondern insbesondere von einem Machtwillen beseelt. Da in seiner menschlichen Natur der Ursprung der staatlichen Politik liegt, ist das Streben nach der Macht für die Nationalstaaten die zentrale Antriebskraft. Dabei muss der Staat alleine auf seine Macht bedacht sein, um sein Überleben zu garantieren, denn es gibt im internationalen System keine Weltregierung. Der stärkste Akteur in diesem System zu sein ist ausschlaggebend für das staatliche Interesse. Diese Auseinandersetzung wird als „Nullsummen-Spiel“ beschrieben: ein Staat kann nur auf den Kosten eines anderen an Macht gewinnen, um sich durchsetzen zu können. Dementsprechend stellt die Kooperation zwischen allen beteiligten Akteuren eher ein seltsames Verhalten dar (vgl. Gu 2000: 47-54; vgl. Meyers 1997: 379f.).

 

Die Fortentwicklung des klassischen Realismus verbindet man mit dem Namen Kenneth Waltz (vgl. Grams 2006: 41; vgl. Wisotzki 2002: 41). Die wichtige Kontinuität besteht darin, dass die Staaten die zentralen Akteure der internationalen Beziehungen sind. Sie handeln rational und verfolgen ihre eigenen Interessen. Das anarchische System bleibt dabei vorausgesetzt. Demnach ist im Neorealismus das innerstaatliche System nicht von Bedeutung: es spielt keine Rolle, ob das politische System eine Demokratie, Monarchie oder eine Diktatur ist (vgl. Schörnig 2003: 66ff.).

 

Jedoch wurden einige Annahmen des klassischen Realismus von den Neorealisten modifiziert (vgl. Gu 2000: 47-54). Zu den zentralen Prämissen des Neorealismus gehören folgende:

 

 Wenn es im klassischen Realismus die Begründung zwischenstaatlicher Konflikte durch den anthropologischen Ansatz erfolgt, sehen die Neorealisten die Ursachen eben in der anarchischen Struktur der internationalen Beziehungen (vgl. Auth 2015: 57). Solche Ausgangslage zwingt jeden Staat zur Selbsthilfe. Vor diesem Hintergrund erhöhen die Staaten ihre Militärkapazitäten, um den Schutz eigener Bevölkerung und des Staatsgebiets vor externen Einflüssen zu sichern. Daher liegt für die Neorealisten der Vorrang des Interesses von Staaten nicht mehr in der Macht, sondern in der Sicherheit. Demnach ist Macht kein Selbstzweck mehr. Sie wird nur Mittel zum Zweck;

 

 Akteure haben existentielle Furcht (vgl. Auth 2015: 57). In einer anarchischen Welt kann kein Staat sicher sein, dass andere Staaten ihre militärischen Kapazitäten nicht zum Einsatz bringen. So entsteht das Sicherheitsdilemma, nach dem die Staaten nicht zwangsläufig kriegerische Absichten haben. Zur Verteidigung des Staatsgebiets sowie für den Fall eines Krieges streben die Mächte danach, ihre militärischen Potenziale zu erhöhen (vgl. Grams 2006: 41f.);

 

 Staaten besitzen unterschiedlich große Fähigkeiten, sich zu verteidigen. Die Fähigkeit eines Staates, sein Überleben zu sichern, wird im Nuklearzeitalter vorrangig durch die Verfügung über Nuklearwaffen bestimmt (vgl. Auth 2015: 57). Diese Fähigkeit ist das Ergebnis bisheriger Anstrengungen, das zwischen den Staaten unterschiedlich verteilt ist. Demnach sind sie zwangsverpflichtet, sich primär auf eine Maximierung eigener Fähigkeiten zu konzentrieren.

 

Die zwischenstaatliche Kooperation bewerten die Vertreter des Neorealismus idealistisch und lehnen sie alle Erfolgsaussichten ab, denn wo sich die Staaten mit größeren Potenzialen und unvereinbarten Interessen aufeinandertreffen, entsteht dort notwendigerweise ein Konkurrenzverhältnis (vgl. Wisotzki 2002: 45f.). „Die zwischenstaatliche Kooperation und gemeinsame Regelvereinbarungen bergen das Risiko, dass der kooperierende Staat durch die Zusammenarbeit seine Machtposition den Partnern gegenüber ausbaut, indem er beispielsweise sie betrügt. Dazu noch überwiegen die Gefahren der Unsicherheit und der unvollständigen Information, die sich aus institutionalisierter Kooperation ergeben können.“ (ebd.). Internationale Politik ist demnach ein Kampf um die beste Position, gemessen einzig und allein daran, wer wem gegenüber mehr Fähigkeit besitzt (vgl. Waltz 1979: 105; vgl. Grieco 1998: 488).

 

Nach Waltz besteht das Kernproblem der Internationalen Beziehungen darin, dass kriegerische Konflikte zu jeder Zeit ausbrechen können und der Frieden auf Dauer nicht garantiert werden kann (vgl. Waltz 1995: 5ff.). Militärische Macht und Sicherheit stehen im Vordergrund des Staatsinteresses und weisen eine Kontinuität nach. Die Kernwaffen haben dabei eine wichtige Funktion als ultimative Sicherheitsgarantie (vgl. Wisotzki 2002: 40). Die nuklearen Kapazitäten der Staaten schrecken vor einer kriegerischen Auseinandersetzung ab, bei der es zur Anwendung von Kernwaffen kommen kann. In diesem Zusammenhang verleihen die Kernwaffen dem internationalen System eine gewisse Form der Stabilität und – so die Neorealisten – hatten deswegen auch nicht an Bedeutung verloren (vgl. ebd.).

 

Demnach hebt Waltz sieben Gründe hervor, die das Streben der Staaten nach Atomwaffen erklären:

 

 Weltmächte reagieren auf den Waffenbestand von anderen Weltmächten, indem sie gleichwertige Waffen produzieren oder bekommen;

 

 Staaten streben nach Kernwaffen, insofern sie den atomaren Schutz von einer verbündeten Großmacht im Falle eines Angriffs bezweifeln;

 

 Staaten ohne nukleare Verbündete wollen umso mehr Nuklearwaffen haben, insofern ihre Gegner die Selbigen besitzen;

 

 Staaten wollen über Nuklearwaffen verfügen, da sie gegenwärtige oder künftige Potenziale bzw. Vorteile ihrer Rivalen in Bezug auf deren konventionelles Arsenal fürchten;

 

 Staaten streben nach Nuklearwaffen, wenn sie in ihrem Besitz sichere und kostengünstigere alternative Wege gegen Wettrüsten mit herkömmlichen Waffenarsenalen sehen, vor allem, weil Atomwaffen Sicherheit kostengünstig versprechen;

 

 Staaten wollen Nuklearwaffen für offensive Zwecke, d.h. Angriffe, besitzen;

 

 Staaten erhoffen sich durch den Besitz von Atomwaffen eine bessere Position im internationalen System gegen die Anderen zu bekommen (vgl. Klimas 2009: 59).

 

Allerdings wird der neorealistische Ansatz kritisiert (vgl. Hymans 2006: 456f.). Die meiste Kritik wird auf seine Unfähigkeit des freiwilligen Verzichtes auf die Kernwaffen nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes geübt (vgl. Ogilvie-White 1996: 44ff.; vgl. Wisotzki 2002: 41).

 

„Entsprechend dem vorrangig auf die Selbsthilfe gerichteten Akteursverhaltens müsste der Erwerb einer solchen „ultimativen Waffe“ sowie die Umsetzung in politische Macht und den Einfluss in der Weltpolitik ein erstrebenswertes Ziel einzelstaatlicher Politik sein. Auf eine Möglichkeit der Machtmaximierung freiwillig zu verzichten, widerspricht der inneren Logik der auf Macht fokussierten realistischen Denkschule.“ (Kötter 1995: 115).

 

„Rüsten Staaten im anarchischen internationalen System nicht oder suchen andere Formen der Sicherheitsvorsorge – z.B. Rüstungskontrollabkommen - so handeln sie aus der Sicht des Neorealismus irrational.“ (Müller/Schörnig 2006: 222). Daher kann der Neorealismus insofern helfen, dass er lediglich die Rüstungsdynamik zu verstehen hilft. Zur Erklärung des fundamentalen Wandels seien die neorealistischen Ansätze jedoch nur von sekundärer Bedeutung (vgl. ebd.).

 

2.2 Der neoliberale Institutionalismus

 

Auf Grund der Suche nach relevanten Erklärungen rückte der „neue Institutionalismus“ als Sammelbegriff für verschiedene strukturanalytische und regimetheoretische Ansätze in den Mittelpunkt der Debatte um die nukleare Weiterverbreitung (vgl. Kötter 1995: 113). Dieser hat sich einerseits aus liberalen Prämissen und andererseits aus der Auseinandersetzung mit der Theorieperspektive des Realismus bzw. Neorealismus entwickelt (vgl. Auth 2015: 95). In der Abgrenzung zur klassischen Argumentationsweise des Institutionalismus, der auf der Bedeutung von Normen und Werten basiert, messen die Vertreter des neoliberalen Institutionalismus, zu denen in erster Linie Robert O. Keohane und Joseph Nye gehören (vgl. Hartmann 2001: 50) – ähnlich wie die neorealistische Schule dem Staat eine zentrale Rolle im internationalen System –bei, der in der Regel nach einem Kosten-Nutzen-Prinzip agiert. Dadurch verlieren für den die Sicherheits- und die Machtfragen zunehmend an Bedeutung, während ökonomische, soziale und ökologische Elemente des internationalen Systems essentiell für die globale Friedensicherung und Stabilität werden (vgl. Müller 1993: 20-23).

 

Laut dem Neo-Institutionalismus ist jedoch das eigene Überleben im anarchischen System nicht durch Selbsthilfe und Steigerung der eigenen Militärkapazitäten zu garantieren, sondern lediglich im Rahmen der Kooperation. Die Etablierung und Entwicklung von multilateralen Institutionen und Abkommen lässt das Sicherheitsdilemma überwinden und damit eine vertrauensvolle Umgebung im internationalen System schaffen, die für alle Akteure Vorteile hat (Wisotzki 2002: 51).[33]

 

So sollen beispielsweise die im Zuge von Rüstungswettläufen anfallenden Kosten begrenzt und für wohlfahrtstaatliche Aufgaben bereitgestellt werden (vgl. Müller 1993: 20-23). In den Vordergrund rücken somit die absoluten Gewinne aller Akteure des internationalen Systems und nicht die von den Vertretern der neorealistischen Denkschule hervorgehobenen relativen Gewinne. In diesem Kontext bieten die langfristig angelegten Institutionen einen hohen Grad an Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit. Innerhalb des neoliberalen Institutionalismus entsteht der Rüstungswettlauf aufgrund fehlender Regelfunktionen unter den Akteuren des internationalen Systems. Somit bestätigen die Grundannahmen der neorealistischen Argumentationsweise die während des Kalten Krieges einsetzende Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik der Sowjetunion und der USA. Damals zeigte sich die stabile Entwicklung des internationalen Nichtverbreitungsregimes in der limitierten bzw. kontrollierten Anzahl von Kernwaffenstaaten.

 

Eine weitere Erklärung für Kooperation findet sich in der Regimetheorie (vgl. Wisotzki 2002: 51). Dem neoliberalen Institutionalismus zugeordnet, stellt sie ein Konzept dar, das mehr oder weniger von allen klassischen Denkschulen der IB-Theorie beeinflusst und akzeptiert wird. Dabei betonen die neoliberalen Institutionalisten, dass die Regimetheorie sich bisher ausschließlich in der nuklearen Nichtverbreitung bewähren könnte. Sie erlaubt nämlich eine Antwort auf die Frage über eine tatsächlich mögliche zwischenstaatliche Kooperation in einer Welt von widersprüchlichen sicherheitspolitischen Interessen (vgl. Müller 1993: 12f.).[34]

 

Nach Einschätzung der Neoliberalen hat die zwischenstaatliche Zusammenarbeit in der Gestalt internationaler Regime versagt. Der nationalstaatliche Rahmen ist für die Politik zu eng geworden. Um herausfinden zu können, wo sich die Anknüpfungspunkte für eine Zusammenarbeit mit anderen Staaten befinden, ist der Blick ins Innere der Staaten gefordert (vgl. Keohane 1989: 3ff.). Für die Neorealisten sind es allein nationale Interessen, die die Staaten dazu einhalten, sich auf die Regime einzulassen. Generell aber gilt, dass internationale Regime einem internationalen Gesellschaftszustand gleichen, in dem eine internationale Staatlichkeit jedoch noch weiter hinter dem Horizont liegt (vgl. Hartmann 2001: 51). So sind Regime dazu bestimmt, die Zusammenarbeit auf einem bestimmten Politikfeld zu regeln, wobei auf dem Gebiet der internationalen Sicherheit dies insbesondere schwerfällt (vgl. Jervis 1983: 173-194).[35]

 

Nach Stephen Krasner besitzen Regime als spezifische Problemfelder folgende strukturelle Merkmale:

 

 Prinzipien, unter denen man allgemeine Leitsätze über die Wirklichkeit im Arbeitsfeld eines Regimes und die kausalen Beziehungen zwischen den Ursachen und Auswirkungen der zu bearbeitenden Probleme sowie über die von den Regimeteilnehmern geteilten Bewertungskriterien versteht. Damit bestimmen Prinzipien die Ziele der Kooperation wie auch ermöglichen sie die dazu passenden Zweck-Mittel-Beziehungen. In der Regimetheorie haben Prinzipien die Funktion, das Funktionieren eines Regimes unter der Vielfalt von wechselnden Bedingungen zu unterhalten. Das Problem besteht in dem Fall, wenn sich Prinzipien nicht im Konsens finden lassen, weil beispielsweise Problemsichten und Lösungsbereitschaft der Regimeteilnehmer nicht zusammenpassen;

 

 Normen gelten als verpflichtende Richtlinien für das angemessene Verhalten der potenziellen Regimeteilnehmer. Sie definieren Rollen und weisen diese den Teilnehmern zu, legen Pflichten und räumen Rechte ein. Normen bilden das Referenzsystem für Regeln in einem Regime, aber auch für diejenigen unbekannten und unbedachten Teilbereiche einer Kooperation, in denen noch keine ausgeführten Bestimmungen bzw. Regeln vorhanden sind.

 

 Regeln stellen präzise, meist rechtsverbindliche Regeln oder auch technische Vorschriften dar, welche die Prinzipien und generellen Regeln möglichst unmissverständlich operationalisieren. Die für das Funktionieren eines Regimes entscheidende Leistung der Regeln besteht darin, dass es durch ihre aktive Einhaltung gezeigt werden kann, ob die Akteure tatsächlich bereit sind, sich auf Kooperation einzulassen.

 

 Verfahren, die zur Entscheidungsfindung das Vorgehen verpflichtend festlegen, wenn die Entscheidungen im Regime kollektiv umgesetzt werden müssen. Es ist also eine eingespielte Prozedur, die die Flexibilität bei der Anpassung der an sich veränderten Situationen ermöglicht, ohne dass sogleich Normen oder Regeln geändert werden müssten (vgl. Krasner 1983: 185-189).

 

Dennoch – ähnlich wie die neorealistischen Ansätze – wird auch die Logik der Neo-Institutionalisten kontrovers diskutiert (vgl. Tarasow 2015: 132). Die neoinstitutionalistischen sowie die regimetheoritischen Schulen können keine Erklärung geben, weshalb sich einige Staaten an internationalen Regimen anschließen, die anderen jedoch nicht (vgl. Paul 2000: 10). Die Kritiker fragen nach den Gründen, warum die Staaten die rechtlichen Verpflichtungen übernehmen, danach aber im Geheimen Kernwaffen ausbauen. Wird die Entscheidung über den Verzicht auf die Kernwaffen noch vor dem Beitritt des NV-Regimes getroffen oder erst später? Es werden auch die unklaren Formulierungen der Neo-Institutionalisten bezüglich der Weiterverbreitung von Kernwaffen diskutiert (vgl. ebd.).

3 Die historische Entwicklung des internationalen Nichtverbreitungsregimes

 

Um eine Grundlage für die Analyse der Rolle Russlands im NV-Regime zu schaffen, erscheint zunächst sinnvoll, einen Blick auf die Geschichte des Regimes zu werfen. Die historischen Erfahrungen geben Aufschluss über gegenwärtige Handlungsmuster der Hauptakteure des NV-Regimes sowie ermöglichen es, das Phänomen der nuklearen Nichtverbreitung im Allgemeinen zu verstehen. Da dabei eine detaillierte Darstellung aller Ereignisse sowie eine qualitative und quantitative Einschätzung atomarer Kapazitäten der Sowjetunion bzw. Russlands den Rahmen der Master-Arbeit überschreiten würde, wird im Folgenden lediglich auf zentarale und insbesondere für die Arbeit relevante historische Abschnitte eingegangen.

 

3.1 Der Beginn der nuklearen Epoche (1938 – 1945)

 

Die Geschichte des nuklearen Zeitalters begann im Jahr 1938, als es den deutschen Physikern Otto Hahn und Fritz Straßmann gelang, die Kernspaltung durch eine Reihe von experimentellen Versuchen zu ermöglichen. Da man damals befürchtete, dass das nationalsozialistische Deutschland bei der Waffenentwicklung schnell voranschreiten könnte, konzentrierte man sich seit Anfang der 40-Jahre vor allem in den USA auf die Entwicklung einer Kernwaffe (vgl. Fischer 1991: 74). So starteten 1941 im Rahmen eines gemeinsamen militärischen Programmes, des sogenannten Manhattan Projects, zwischen den USA, Kanada und Großbritannien die Erforschungen der praktischen Anwendung der neuen atomaren Technologien. Im Jahr 1943 regelten die Staaten ihre Zusammenarbeit im Abkommen von Quebec, in dem sie sich verpflichteten, keine Ergebnisse der durchgeführten Forschungen an andere Länder zu übermitteln. Das Wissen um die von Kernwaffen ausgehende Bedrohung wurde zum exklusiven Gut. Seit dem Zeitpunkt bekamen die derart nuklearen Technologien einen hohen Stellenwert in der amerikanischen Politik, dass die amerikanischen Experten verweigerten, ihren beiden Partnern weitere Informationen diesbezüglich zu vermitteln. Dennoch waren es 1945 ausgerechnet die Vereinigten Staaten, wer der internationalen Gemeinschaft vor Augen geführt hatten, welch ungeheures Vernichtungspotenzial atomare Kettenreaktionen besitzen. Mit den zwei Atombombenabwürfen auf Japan beendeten die USA zwar den Zweiten Weltkrieg, aber die Erkenntnis über die Anwendungsmöglichkeiten des neuen Waffentyps zeichnete einen fundamentalen Wandel im globalen Politik aus (vgl. Glatzel 2009: 11f.).

 

3.2 Die ersten Verhandlungsversuche (1946 – 1968)

 

Unter dem Eindruck des Wissens über die Zerstörungskraft der Atombombe stand sofort das Thema der nuklearen Abrüstung auf der Tagesordnung der internationalen Politik (vgl. Meyer/Nielebock 1989: 109). Als Ergebnis der ersten Bemühungen gelang es, durch den einstimmigen Beschluss der allerersten VN-Resolution von 1946 eine Atomenergiekommission zur Behandlung des Problems der Nuklearenergie und der Nuklearwaffen zu gründen. Die Aufgabe dieser Kommission bestand darin, einen international kontrollierten Vertrag über die Abrüstung von Kernwaffen auszuarbeiten (vgl. Forndran 1981: 20). So schlug die Kommission den sogenannten Lilienthal-Baruch-Plan vor, der von amerikanischer Seite entwickelt wurde. Der Plan sah die Internationalisierung der Atomenergie, eine Nutzung der militärischen Spaltstoffe in den geplanten zivilen Sektoren der Staaten sowie die Überwachung des Verbots der Herstellung von Kernwaffen und die Kontrolle des nuklearen Sektors durch eine mit weitreichenden Vollmachten ausgestattete internationale Behörde vor. In der Tat aber wollten die USA ihr damaliges Monopol in der Kerntechnik, die mit Kernwaffentechnik praktisch identisch war, gegenüber der Sowjetunion zu sichern (vgl. Fischer 1991: 75). Die sowjetische Seite schlug ihrerseits auch einen Plan einer allgemeinen Regelung und Herabsetzung aller Rüstungen und Streitkräfte vor, der in erster Linie die Verknüpfung an die Abrüstung von Nichtkernwaffen bzw. konventionelle Waffen signalisierte (vgl. Krüger 2003: 109ff.). Die Sowjetunion ging davon aus, dass die amerikanische Führung durch die Verknüpfung der konventionellen Waffen mit der Nuklearabrüstung den sowjetischen Abrüstungsplan nicht akzeptieren werde. Deswegen besaßen die beiden Vorschläge in der Tat nur einen propagandistischschen Charakter, dass jede Seite sicher sein könnte, ihr Entwurf werde abgelehnt (vgl. Forndran 1981: 21). Damit ließen sich die ersten Verhandlungsversuche bis in das Jahr 1953 zunächst einmal zur Makulatur werden. Nicht zuletzt auch wegen der raschen Entwicklung der Sowjetunion sowie Großbritannien zu Atomwaffenmächten: 1949 – knapp vier Jahre nach dem ersten amerikanischen Kernwaffentest – zündete die Sowjetunion in Semipalatinsk ihre erste Atombombe, 1953 folgte der erste Kernwaffenversuch Großbritanniens (vgl. Glatzel 2009: 24).

 

Insbesondere aber nach dem Schock der Kuba-Krise im Jahr 1962 setzte bei den beiden Atommächten ein Umdenken in der Einschätzung der tatsächlichen Gefahren der bestehenden nuklearen Konfrontation ein. Dies zwang beide Seiten zu weiterer Kooperation bezüglich der Nichtverbreitungsfragen[36] (vgl. Müller/Schörnig 2006: 35).

 

Unbeeindruckt von der Kuba-Krise führte 1964 die Volksrepublik China als fünfter Staat eine Nuklearbombe durch. Allerdings rief China nach dem Versuch gleichzeitig zur weltweiten Vernichtung aller Kernwaffen auf und verkündete die No-First-Use Policy, nach der die Volksrepublik niemals Kernwaffen als erster Staat einsetzen werde. Außerdem äußerte es auch als erster Staat unter Kernwaffenstaaten die Zusicherung an die Staatengemeinschaft – sogenannte negative Sicherheitsgarantien[37] (Negative Security Assurance) – Atomwaffen keinesfalls gegen Nichtkernwaffenstaaten anzuwenden (vgl. Kötter 2002: 91). Die Sowjetunion ihrerseits gewährte Sicherheitsgarantien für Nichtkernwaffenstaaten mit der Einschränkung, dass auch keine Atomwaffen auf deren Territorium stationiert sein dürften.[38]

 

Nach den ersten britischen, französischen und chinesischen Nukleartests hatten die beiden Atommächte den Eindruck bekommen, dass die tatsächliche Anzahl der Staaten, die bereits die Kerntechnik beherrschen und eigene Kernwaffen bauen, viel höher sei (vgl. Fischer 1991: 75ff.). Die einhergehende Entwicklung der taktischen Waffen intensivierte das Wettrüsten und gleichzeitig offenbarte, dass auch andere Themen für die Bewältigung des globalen Proliferationsproblems berücksichtigt werden mussten (vgl. ebd.). Insbesondere verbreiteten sich die Befürchtungen, dass die Herstellungsprozesse vom spaltbaren Material bzw. hochangereichertem Uran und Plutonium (fissile Materials), das für die Waffenproduktion sowie für die zivilen bzw. wissenschaftlichen Zwecke eingesetzt wird, kaum noch mehr kontrollierbar war (vgl. Forndran 1981: 22). Vor diesem Hintergrund priorisierten die USA durch Förderung von Kooperation die Nichtverbreitungsproblematik unter der Bedingung strikter Überwachung der ausschließlichen zivilen Nutzung der Atomenergie. Im Jahr 1953 verkündigte der US-Präsident Eisenhower in seiner Rede vor der VN-Vollversammlung sein „Atoms for Peace“ – Programm (vgl. Fischer 1991: 75). Die Idee beinhaltete das Versprechen seitens der Vereinigten Staaten, die Technologien der zivilen Nutzung der Atomenergie weltweit zu teilen, während zuverlässige Kontrollmechanismen gegen einen Missbrauch vorausgesetzt bleiben.[39] In der Folge des „Atoms for Peace“ – Programms wurde 1956 die Internationale Atomenergie Organisation (International Atomic Energy Agency, IAEA) mit dem Hauptsitz in Wien gegründet, die den US-Vorrang im nuklearen Bereich auf internationaler Ebene sichern sollte. Als 1957 ihr Statut in Kraft trat, sind zunächst jedoch die Aufgabenstellungen der IAEO hinter dem ursprünglichen Plan weit zurückgeblieben.[40] (vgl. Müller/Schörnig 2006: 35). Allerdings sollte die IAEO den globalen Nuklearsektor in der Folgezeit zumindest auf dem Gebiet der zivilen Nutzung im Wesentlichen prägen, da sie gerade eine internationale Organisation war und – im Unterschied zu staatlichen Überwachungsorganisationen – Vertrauen seitens der internationalen Gemeinschaft gewann.

 

In derselben Dekade konnte sich auch das Thema über die Stationierung von Massenvernichtungswaffen im Weltraum durchsetzen (vgl. Krüger 2003: 121). Dies wurde insofern möglich, als 1957 die Sowjetunion den ersten künstlichen Satelliten in die Erdumlaufbahn gebracht hatte. Da die Sowjets damit vor allem ihre Fähigkeit, mit Interkontinentalraketen das amerikanische Staatsgebiet erreichen zu können, demonstrieren wollten[41], schlugen im Jahr 1958 die USA der sowjetischen Führung vor, jegliche Versuche von militärisch bestückten Raketen zu verbieten. Diese erklärte sich zu dem amerikanischen Verbot bereit, jedoch unter der Bedingung, dass alle militärischen US-Stützpunkte in Europa gleichzeitig geschlossen würden, da die USA ebenso von ihren Basen aus mit Mittelstreckenraketen der Sowjetunion bedrohen könnten. Die Vereinigten Staaten wollten jedoch nicht ihre militärischen Kapazitäten in diesem Bereich aufgeben und lehnten den sowjetischen Gegenvorschlag ab. Bald danach begannen innerhalb der Organisation der Vereinten Nationen Diskussionen über eine friedliche Nutzung des Weltraums. Im Laufe der Debatte unterbreitete 1967 der damalige sowjetische Außenminister Andrej Gromyko den Vorschlag einer vertraglichen Regelung der nuklearen Rüstung im All. Dieser wurde am darauffolgenden Tag von dem US-Präsidenten Kennedy zustimmend aufgenommen, so dass es schließlich 1967 zum Weltraumvertrag kam.

 

Bis 1967 verfolgten die USA, aber auch die NATO, im militärischen Bereich die Strategie der Massiven Vergeltung (Massive Retaliation), wofür sich im Späteren in den USA der Begriff der gegenseitig gesicherten völligen Vernichtung (Mutual(ly) Assured Destruction, MAD) eingebürgerte (vgl. Stöver 2017). Die Strategie der Massiven Vergeltung bedeutete die „Vergeltungsfähigkeit“ und meinte damit, dass der Angriff der Sowjetunion auf die USA oder ihre Verbündeten, vor allem auf die NATO-Staaten einen nuklearen Gegenschlag nach sich ziehen würde (vgl. Kötter 2002: 88). Diese Strategie beruhte auf die Annahme, dass die Kernwaffen die Sowjets von einem Angriff auf Westeuropa abhalten würden. In den 50-er Jahren waren die NATO-Staaten den Streitkräften des Warschauer-Paktes auf konventioneller Ebene unterlegen, vor allem vor der Wiederbewaffnung Westdeutschlands. Daher wollte man sich in der Allianz bei einem feindlichen Angriff auf die nuklearen Kapazitäten stützen. Die konventionellen Streitkräfte sollten dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen und keineswegs einen etwaigen Angriff alleine zurückschlagen: darauf waren die konventionellen Streitkräfte nicht ausgerichtet (vgl. Glatzel 2009: 29).

 

Im Westen wie auch im Osten hat man sich dabei darüber klargemacht, dass keine Seite nun einen Atomkrieg gewinnen könnte, dass der jeweilige Gegner ausreichend Mittel hätte, um nach einem Atomangriff noch zurückschlagen zu können.[42] (vgl. Stöver 2017). Aus diesen Überlegungen entwickelte sich in der NATO die Strategie der Flexiblen Antwort (Strategie of Flexible Response). Das Konzept sah vor, einen den Bündnispartnern aufgezwungenen Konflikt möglichst früh auf der niedrigstmöglichen Ebene der Gewaltanwendung zu beenden und dabei die Sicherheit des NATO-Gebiets wiederherzustellen.[43] Da der Einsatz von Kernwaffen somit nicht ausgeschlossen war, wäre ein Angreifer ein unkalkulierbares Risiko eingegangen. Somit sollte ein Konflikt ausgeschlossen werden.

 

3.3 Der Nichtverbreitungsvertrag als Herzstück des internationalen Nichtverbreitungsregimes (1968 – 1987)

 

Im Januar 1968 legten die Sowjetunion und die USA schließlich einen revidierten gemeinsamen Entwurf über einen nuklearen Nichtverbreitungsvertrag vor (vgl. Krüger 2003: 124). Als Ausgangspunkt des künftigen Vertrags wird die 1961 einstimmig in der VN-Vollversammlung angenommene sogenannte „Irische Resolution“ gesehen. Nachdem 1965 die beiden Atommächte ihre Vorschläge zu einem nuklearen Nichtverbreitungsvertrag vorlegten, gelang es 1967 in der VN-Vollversammlung mit Berücksichtigung von fünf Grundbedingungen für einen Nichtverbreitungsvertrag abzustimmen.

 

Die Grundbedingungen lauteten:

 

 Der Ausschluss von Umgehungsmöglichkeiten,

 

 Ein annehmbares Gleichgewicht der Verpflichtungen von Atommächten und kernwaffenfreien Staaten,

 

 Der Beitrag des Vertrags zu dem Ziel der allgemeinen und vollständigen Abrüstung und insbesondere der nuklearen Abrüstung,

 

 Die Aufnahme von Verifikation,

 

 Die Unantastbarkeit des Rechtes auf Errichtung kernwaffenfreier Zone (vgl. Krüger 2003: 124).

 

Nach den intensiven Debatten mit den Nichtkernwaffenstaaten über die Inhalte des künftigen Vertrags wurden in erster Linie die Regelungen über die Vertragskontrolle verändert, die auch auf die in der Präambel erwähnten Ziele und Absichten und damit auf die dort genannte atomare und konventionelle Abrüstung erstreckt wurden. Dabei bekam der Artikel VI eine marginale Neufassung, in dem es von redlicher Absicht statt redlicher Verhandlungen sowie nuklearer Abrüstung statt lediglich von Abrüstung gesprochen wurde. Durch den Zusatz in naher Zukunft war auch neu die Prioritätenbetonung der Verhandlungen über die Beendigung des nuklearen Wettrüstens sowie die Verhandlungen über nukleare allgemeine und vollständige Abrüstung (vgl. Krüger 2003: 124).[44]

 

Am 1. Juli 1968 wurde der Vertrag in Moskau, Washington und London zur Unterzeichnung ausgelegt. Zu dem damaligen Zeitpunkt wurde dies als ein Durchbruch in den Verhandlungen über nukleare Nichtverbreitung und Abrüstung angesehen, da der Vertrag die erste, multilaterale Grundlage zur Kontrolle der Weiterverbreitung von militärisch relevanter Nukleartechnologie geschaffen hatte und zielte darauf ab, die Anzahl der Staaten, die die Nuklearwaffen besaßen, einzuschränken (vgl. Neuneck 2012: 757).

 

Nach dem Inkrafttreten des NPT wurde zur Verhinderung der horizontalen Proliferation[45] eine Reihe der internationalen völkerrechtlichen Abkommen, der sogenannten Zonenverträge, beschlossen. Die Verträge erklärten große geografische Gebiete als atomwaffenfreie Zonen, die die Weltgemeinschaft frei von der Stationierung dort Nuklearwaffen halten sollte. Die Kernwaffenstaaten ihrerseits verpflichten sich in den Vertrags-Zusatzprotokollen den nuklearwaffenfreien Status des jeweiligen Territoriums anzuerkennen (vgl. Neuneck 2012: 743).

 

Im Zuge der Entspannungspolitik unter Nixon und Breschnew wurden auch ab 1969 die bilateralen Verhandlungen zwischen den beiden Atommächten aufgegriffen, nicht zuletzt auch angesichts der strategischen Überlegenheit der Sowjetunion hinsichtlich des gewaltigen Potenzials an Interkontinentalraketen, die viele Besorgnisse in den USA ausbreiteten (vgl. Woyke 1997: 638). Nachdem die USA die Sowjetunion davon überzeugen konnten, dass ein Verzicht auf Raketenabwehr nützlich für die politische Entspannung auf der militärischen Ebene sei, hatten 1972 die beiden Atommächte den SALT I-Vertrag (Strategic Arms Limitation Talks, SALT) unterschrieben. Der Vertrag bestand aus zwei Dokumenten:

 

 Dem Anti Ballistic Missile-Vertrag (ABM)

 

 Dem Interim-Abkommen.[46]

 

Da durch die deklarierte Beschränkung der jeweiligen Raketenabwehrkapazitäten der ABM-Vertrag unter anderem auch das amerikanische Konzept der „Vergeltungsfähigkeit“ stützen sollte, bestand nach der amerikanischen Auffassung das Ziel des Vertrags weniger in der zahlenmäßigen Parität der Militärpotenziale als vielmehr in der gesicherten Aufrechterhaltung der Abschreckungsfähigkeit beider Seiten. Damit konnte der ABM-Vertrag eine gewisse Erwartungskontrolle, gerade durch den Verzicht auf Raketenabwehr schaffen (vgl. Müller/Schörnig 2006: 162).

 

Jedoch nach einer relativen Phase der Entspannung kam es Ende der 70-er Jahre zu einem erneuten Aufflammen der Anfeindung zwischen den antagonistischen Supermächten (Glatzel 2009: 31). Wenige Monate später nach der Unterzeichnung des SALT II-Vertrags[47] im Jahr 1979, der weitere Abrüstungsmaßnahmen für die Sowjetunion und die USA vorsah, verkündete die NATO den sogenannten NATO-Doppelbeschluss (Double-Track Decision on Theatre Nuclear Forces), der die Stationierung der atomwaffenfähigen Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper in Westeuropa erlaubte (vgl. NATO Doppelbeschluss 1979). Aber auch die neue amerikanische Administration unter Präsidenten Reagan setzte sich das Ziel, das eigene Militärpotenzial drastisch zu stärken, um dann aus dieser Position der Stärke in Verhandlungen mit der Sowjetunion einzutreten. 1983 initiierte Reagan ein neues Programm der US-Raketenabwehr[48] (Strategic Defense Initiative, SDI). Der US-Präsident glaubte, dass eine effektive Abwehrmöglichkeit der USA gegen feindliche Atomraketen der Sowjetunion diese wirkungslos und somit obsolet machen könnte (vgl. Budde 2009: 46; vgl. Woyke 1997: 640f.). Im Rahmen des NATO-Doppelbeschlusses begannen dann die USA noch in demselben Jahr mit der Stationierung von Raketen zunächst in Großbritannien, Italien und der Bundesrepublik Deutschland.[49] Als Reaktion darauf brach die Sowjetunion die gleichzeitig laufenden Verhandlungen über die Begrenzung der Waffenträgersysteme bzw. Mittelstereckensysteme sowie über die Begrenzung der strategischen Atomwaffen selbst ab (vgl. ebd.).

 

Die neue Eiszeit dauerte bis 1985, als der neue Generalsekretär der Sowjetunion Michael Gorbatschow die nukleare Abrüstung als hochrangiges Ziel erklärte und ein nukleares Test-Moratorium verkündete (vgl. Woyke 1997: 642f.). Im selben Jahr versprachen die beiden Staatsführer bei einem Treffen in Genf, jeweils bis zu 50 % der atomaren Arsenale abzubauen. Außerdem plädierte Gorbatschow für eine vollständige Beseitigung nuklearer Waffen bis zum Jahr 2000, wenn jedoch die USA aus ihrem SDI-Programm aussteigen würden.

 

Im Jahr 1986 wurde in Reykjavik während eines Treffens von Reagan und Gorbatschow ein neuer Impuls in die Verhandlungen gebracht (vgl. Budde 2009: 46). Bei den Gesprächen gelang es, die gegenseitigen Positionen im Wesentlichen anzunähern, indem die bilateralen Verhandlungsthemen in drei Bereiche unterteilt wurden:

 

 Die Waffenträgersysteme bzw. Mittelstreckensysteme (Intermediate Range Nuclear Forces, INF)[50]

 

 Die Interkontinentalwaffen (Strategic Arms Reduction Treaty, START)

 

 Die Weltraumwaffen (vgl. Woyke 1997: 642f.).

 

Da der INF-Vertrag nicht die strategischen Kernwaffen behandelte, mit denen sich beide Seiten jeweils vom eigenen Territorium oder hohen See aus gegenseitig bedrohen konnten, sondern in Europa und Ost-Asien stationierten Mittelstreckenwaffen, galt das INF-Abkommen als ein Novum (vgl. Neuneck 2012: 756). Das Vertragswerk wurde zum Symbol des Wandels in den Ost-West-Beziehungen, da damit die vollständige Beseitigung und Zerstörung sämtlicher Raketen dieses Typs mitsamt der benötigen Infrastruktur gelang.

 

Nach den erfolgreichen INF-Verhandlungen sollte der Abschluss des START I-Vertrags (Strategic Arms Reduction Talks, START) erfolgen. In dem waren derart wesentliche qualitative und quantitative Verminderungen der strategischen Rüstung beabsichtigt, dass man ebenfalls um einen Wandel im Bereich der strategischen Bewaffnung sprach (vgl. Neuneck 2012: 754; vgl. Woyke 1997: 641).[51] Als die Sowjetunion dabei erklärte, dass ihre Vertragszugehörigkeit zu dem neuen START I-Vertrag von der Fortdauer des ABM-Abkommens über die Begrenzung der Abwehrsysteme von 1972 abhing, machte dies dem neu gewählten US-Präsidenten Bush deutlich, sich weiterhin an dem verkündeten Ausbau der US-Raketenabwehrsysteme zu halten.

 

Wie auch bedeutsam der START I-Vertrag sein mochte, wollte die Ironie seiner Verhandlungsgeschichte[52], dass die Vertragsbestimmungen deutlich hinter den grundlegenden politischen Veränderungen gegen Ende der 90-er Jahre zurückgeblieben sind: nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entstand eine andere nukleare Realität (vgl. Kötter 2002: 132).

 

3.4 Neue Herausforderungen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion

 

Nach dem Zerfall der Sowjetunion, dem Moskauer Putsch von 1991 und insbesondere unter dem Eindruck, dass eine zuverlässige Kontrolle über die sowjetischen Nuklearwaffen nicht mehr gegeben sei, bekam die Problematik der Abrüstung und Rüstungskontrolle einen besonders hohen Stellenwert, denn die Welt sah sich plötzlich vier Kernwaffenstaaten gegenüber: Russland, die Ukraine, Weißrussland und Kasachstan (vgl. Müller/Schörnig 2006: 168).

 

Um den START I-Vertrag zu retten, mussten die neuen Republiken – die Ukraine, Weißrussland und Kasachstan durch den Beschluss des Lissaboner Vertrags von 1992 die vertraglichen Verpflichtungen aus dem START I übernehmen und somit die auf ihrem Territorium stationierten Waffensysteme völlig abzubauen. Zudem verpflichteten sie sich dem Nichtverbreitungsvertrag von 1968 als Nichtkernwaffenstaaten beitreten. So blieb Russland als einziger nuklear bewaffneter Erbe der Sowjetunion zurück.[53] Aber auch wenn es dem Westen bis 1994 gelang, die Ukraine, Belarus und Kasachstan zu überreden, die ererbten Nuklearwaffen aufzugeben und auf eine Nuklearwaffenoption zu verzichten, bestanden weiterhin erhebliche Proliferationsgefahren (vgl. Umbach 2005:103).[54] Um die enormen Mengen von überflüssig gewordenen Trägersystemen sowie spaltbarem Material zu beseitigen, startete das US-Verteidigungsministerium ein von den US-Senatoren Sam Nunn und Richard Lugar völlig beispielloses Abrüstungsprogramm. Die initiierte „Cooperative Threat Reduction Program“, bekannt auch als das Nunn-Lugar Programm, sollte die ehemaligen Sowjetstaaten bei der Sicherung, Entschärfung und Zerstörung von Nuklearwaffen finanziell unterstützen (vgl. The Center for Arms Control and Non-Proliferation 2017).[55] Damit gelang es in den folgenden Jahren eine große Menge von Waffen und deren Systeme zu vernichten (vgl. Neuneck 2012: 746). Ebenfalls 1992 traten China und Frankreich dem Nichtverbreitungsvertrag als offizielle Kernwaffenstaaten bei. Für Optimismus jener Dekade sorgte unter anderem auch die Versicherung des russischen Präsidenten Boris Jelzin, der 1992 vor dem amerikanischen Kongress erklärte, dass die Idee einer atomwaffenfreien Welt nur noch eine Frage der Zeit sei. So verkündeten die USA in demselben Jahr, weltweit alle boden- und seegestützten taktischen Kernwaffen abgezogen zu haben (vgl. Atomwaffen A-Z 2017). Im Jahr 1993 unterzeichneten beide Seiten den neuen START II-Vertrag. Das neue Abkommen sollte den START I-Vertrag ergänzen und die bereits vereinbarten Abrüstungsziele weiter modifizieren.

 

Allerdings zeigte sich in den darauffolgenden Jahren, dass die Hoffnungen auf völlige Beseitigung nuklearer Waffen in naher Zukunft übertrieben waren. 1995 gab es immer noch über 40 000 Atomsprengköpfe weltweit (vgl. Müller/Schörnig 2006: 178f.). Trotz weltweiter Proteste führte Frankreich 1995 sechs nukleare Tests. Umso wichtiger wurde die Fortsetzung der Verhandlungen über einen umfassenden Atomteststopp-Vertrag (CTBT), der jegliche Nuklearwaffentests für militärische oder zivile Zwecke verbieten sollte. Dass einen CTBT-Vertragsentwurf möglichst bald ausgearbeitet und für alle Staaten zur Unterzeichnung bereitliegen sollte, war eine der zentralen Forderungen der Nichtkernwaffenstaaten auf der „historischen“ NPT-Überprüfungskonferenz im Jahr 1995. Sie gilt auch historisch, da der Nichtverbreitungsvertrag von 1968 damals unbefristet verlängern wurde (vgl. Müller/Schörnig 2006: 178f.). Außerdem waren die Kernwaffenstaaten, darunter auch die Russische Föderation, zu einigen Zugeständnissen bereit; so erklärten alle Atommächte „unzweideutig“ ihren Willen zur totalen nuklearen Abrüstung und versprachen Einbeziehung der taktischen Waffen in die Abrüstungspraxis, die Transparenz und Unumkehrbarkeit des Abrüstungsprozesses sowie die Überprüfung der Nukleardoktrinen mit dem Ziel eines weiteren Bedeutungsverlusts der Atomwaffen (vgl. ebd.). Am 24. September 1996 wurde der Umfassende Atomteststopp-Vertrag (CTBT) tatsächlich bei den Vereinten Nationen zur Unterzeichnung aufgelegt. Jedoch rückte ein baldiges Inkrafttreten des Vertragswerkes in weite Ferne, als im Jahr 1999 eine Abstimmung über die Ratifizierung des Vertragswerks im amerikanischen Senat scheiterte.

 

Dafür ratifizierte 1997 der US-Senat den START II-Vertrag. Russland wollte das Vertragswerk zunächst mit dem Hinweis auf die Einsätze der USA im Irak und im Kosovo sowie die Osterweiterung der NATO nicht ratifizieren. Die russische Ratifikation erfolgte erst 2000, allerdings unter der Bedingung, dass die USA im ABM-Vertrag verbleiben würden. Hier hatte Russland vor allem große Sorge um den Beginn der amerikanischen Tests für ein nationales Raketenabwehrsystem (National Missile Defense, NMD) im Jahr 1999. Die USA begründeten jedoch, dass ihr System auf Bedrohungssituation aus den Staaten wie dem Iran, Irak und Nordkorea ausgerichtet wurde. Nichtdestotrotzt kritisierten Russland und China dessen Ausbau und betrachteten es als gezielten Versuch zur Erweiterung der atomaren US-Potenziale (vgl. Neuneck/Mutz 2000: 329). Damit war das Ende der Abrüstung vorprogrammiert geworden: der neu gewählte Präsident Bush kündigte im Dezember 2001 den Austritt aus ABM an, weshalb der START II-Vertrag nie in Kraft trat (vgl. Budde 2009: 50; vgl. Kötter 2002: 136).

 

Jedoch führte die Aufkündigung des ABM-Vertrags nicht zu der vielfach befürchteten atomaren Aufrüstung der USA und Russlands (vgl. Krüger 2003: 137; vgl. Umbach 2005: 108). Im Gegenzug erhielt der russische Präsident Putin den innerhalb weniger Monate ausgehandelten SORT-Vertrag (Strategic Offensive Reductions Treaty, SORT)[56] (vgl. Müller/Schörnig 2006: 173). Der kürzeste Abrüstungsvertrag in der Geschichte der bilateralen Bemühungen wurde 2001 unterzeichnet und legte für das Jahr 2012 eine weitere Obergrenze für die strategischen Nuklearstreitkräfte fest. Obgleich die Anzahl der Nuklearsprengköpfe deutlich unter den bisherigen Zahlen lag, stand die Ausgestaltung des SORT-Vertrags weit hinter den bisherigen Verträgen – wie SALT und START – zurück. Es wurden in der Tat in dem SORT-Abkommen keine wesentlichen Abrüstungsschritte vorgesehen.[57]

 

Von den mageren Ergebnissen der Kernwaffenstaaten im Abrüstungsbereich enttäuscht sowie um den ersten Kernwaffenversuch Nordkoreas im Jahr 2006 besorgt, veröffentlichten die US-Spitzenpolitiker Henry Kissinger, George Schultz, William Perry und Sam Nunn 2007 im Wall Street Journal ihren Artikel „A World Free of Nuclear Weapons“ (vgl. Shultz et al. 2007). Ein Jahr später folgte in derselben Zeitschrift ihr weiterer Appell „Toward a Nuclear-Free World“ für eine atomwaffenfreie Welt (vgl. Shultz et al. 2008). In ihren Beiträgen riefen die Politiker zu umfassenden Abrüstungsmaßnahmen auf, mit dem Ziel eine atomwaffenfreie Welt zu erreichen. Die Bedeutung dieser Vision sollte verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit mit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Barack Obama im Jahr 2009 sein. Damals sprach Obama über eine Idee von einer Welt ohne Kernwaffen sowie über die grundlegende Bedeutung der vollständigen Abrüstung für das globale Nichtverbreitungsregime. Ein Jahr nach seiner berühmten Rede[58] in Prag unterzeichneten am 8. April 2010 der russische Präsident Medwedew und der US-Präsident Obama den bis 2018 gültigen New START-Vertrag, der eine weitere Reduzierung strategischer Nuklearwaffen beider Staaten vorsah.

 

An der Stelle endet der Teil über die historische Darstellung des globalen Nichtverbreitungsregimes. Die Bilanz fällt gemischt aus (Neuneck 2012: 746ff.): im Zuge der bi- und multilateralen Abrüstungsmaßnahmen gelang es einerseits unterschiedliche Waffensysteme zu verschrotten, neue Überprüfungsregelungen einzuführen und neue Gegenstandsbereiche für künftige Rüstungskontrolle zu erschließen. Andererseits stellen die neuen regionalen Konflikte, insbesondere im Mittleren Osten sowie die Gefahr, dass die Massenvernichtungswaffen in die Hände von Terroristen gelangen können, das internationale Nichtverbreitungsregime vor neuen Herausforderungen, so dass die Idee über eine Welt ohne Kernwaffen immer noch in weiter Ferne liegt.

 

 

Abbildung 1: Wichtige Ereignisse für den nuklearen Nichtverbreitungsvertrag aus 1968

 

Quelle: Center for Security Studies. ETH Zürich. CSS Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 69. März 2015. Online unter http://www.css.ethz.ch/publikationen/css-analysen-zur-sicherheitspolitik/css-analysen-nach-thema/details.html?id=/n/o/1/6/no_169_entrenched_positions_on_nuclear_n (März 2017).

4 Die Struktur des internationalen Nichtverbreitungsregimes: nukleare Nichtverbreitung vs. Abrüstungsverpflichtung

 

Das Ziel des folgenden Teils besteht darin, in die Struktur des nuklearen Nichtverbreitungsregimes einzuführen. Dazu werden zunächst zentrale Verträge und Institutionen präsentiert. Danach erfolgt die Darstellung des NV-Regimes in Anlehnung an Harald Müller.

 

4.1 Institutionelle Grundlagen

 

4.1.1 Zentrale Verhandlungsgremien

 

In der Charta der Vereinten Nationen ist die Wahrung des Weltfriedens als Hauptaufgabe der Organisation definiert (vgl. Charter of the United Nations 1945: 1). Demnach sind die Abrüstung, die Rüstungskontrolle und die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen zentrales Anliegen der Organisation. Unter dem Dach der Vereinten Nationen wurde eine Reihe von Foren geschaffen, die sich mit den Fragen der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung beschäftigen. Zusammen bilden diese Gremien das Instrumentarium des globalen, multilateralen Abrüstungsdialogs (Abbildung 2).

 

 

Abbildung 2: Zentrale Foren des nuklearen Nichtverbreitungsregimes

 

Quelle: Eigene Darstellung

 

 Der Erste Ausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen (United Nations First Committee on disarmament and international security) behandelt ausschließlich die Fragen der internationalen Sicherheit, Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung.[59]

 

 Die VN-Abrüstungskommission der Vereinten Nationen (United Nations Disarmament Commission, UNDC) ist ein Hilfsorgan der VN-Generalversammlung. Im Auftrag der Generalversammlung in einer jährlichen Sitzung behandelt es ein Thema aus dem konventionellen und dem nuklearen Bereich und erarbeitet Empfehlungen und Richtlinien, die dem VN-Plenum vorgelegt werden.[60]

 

 Die Genfer Abrüstungskonferenz (Conference on Disarmament, CD) ist mit 65 Mitgliedern formell von der Organisation der Vereinten Nationen unabhängig, faktisch jedoch eng mit ihr verbunden. Die Konferenz ist das weltweit einzige ständig tagende Verhandlungsforum zu Fragen der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung. [61]

 

4.1.2 Zentrale Verträge und Institutionen

 

4.1.2.1 Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NPT)

 

Das älteste und weitreichendste Regime beruht auf dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen von 1968[62] (Treaty on the Non-proliferation of Nuclear Weapon, NPT). Der Nichtverbreitungsvertrag trat im Jahr 1970 in Kraft und gilt seither als das Kernstück der Bemühungen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung von Nuklearwaffen (vgl. Neuneck/Mutz 2000: 333). Der NPT ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass er zwischen offiziellen Kernwaffenstaaten (Nuclear Weapon States, NWS) und Nichtkernwaffenstaaten (Non-Nuclear Weapon States, NNWS) unterscheidet und ihnen unterschiedlichen Pflichten und Rechte zuweist (vgl. Müller/Schörnig 2006: 177). Den NPT hatten bisher 191 Statten unterzeichnet. Ratifiziert wurde er von 93 Parteien. Vier Staaten gehören dem Vertragswerk nicht: Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea.[63] Neben den USA und Großbritannien wirkt Russland als Rechtsnachfolger der Sowjetunion als Depositarstaat des Vertrags.[64]

 

Das Vertragswerk besteht neben der Präambel aus elf Artikeln, die Pflichten und Rechte aller beteiligten Vertragsparteien definieren und gemeinsam drei Säulen des NVV bilden (vgl. Meier 2007: 107) (Abbildung 3).

 

 

Abbildung 3: Drei Säule des Vertrags über die Nichtverbreitung der Kernwaffen aus 1968

 

Quelle: Eigene Darstellung

 

Die erste Säule: Nukleare Nichtverbreitung

 

Artikel I und II unterscheiden die beiden Vertragsparteien. Gemäß Artikel I verpflichten sich Kernwaffenstaaten keine nuklearen Atomwaffen und sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber an niemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben. Ferner trifft jeden Kernwaffenstaat die Verpflichtung, einen Nichtkernwaffenstaat weder zu unterstützen noch zu ermutigen noch zu veranlassen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper herzustellen oder sonst wie zu erwerben bzw. die Verfügungsgewalt darüber zu erlangen. Demgegenüber ist jeder Nichtkernwaffenstaat gemäß Artikel II verpflichtet, Kernwaffen und sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen sowie Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper weder herzustellen noch sonst wie zu erwerben und insbesondere keine Unterstützung zur Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörper zu suchen bzw. anzunehmen (vgl. NPT 1968).

 

Die zweite Säule: Vollständige Abrüstung

 

Artikel VI enthält die Verpflichtung, dass jede Vertragspartei Verhandlungen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger wirksamer internationaler Kontrolle zu führen hat (vgl. ebd.).

 

Die dritte Säule: Recht auf zivile Nutzung der Atomenergie

 

Gemäß Artikel IV haben die Vertragsparteien grundsätzlich das Recht auf Kernenergie für friedliche Zwecke zu erforschen, zu erzeugen und zu verwenden, solange sie damit nicht gegen die Bestimmungen aus den Artikeln I und II verstoßen. Dabei sollen verpflichtete und umfassende Inspektionen der Internationalen Atomenergiebehörde (International Atomic Energy Agency, IAEA) auf der Grundlage bilateraler Abkommen (Safequards-Agreement) zwischen der IAEA und den Vertragsparteien die friedliche Nutzung der Atomenergie sicherstellen.

 

Die NPT-Mitgliedstaaten verfügen über keine eigene Organisation. Insofern stellen die im Fünf-Jahres-Zyklus stattfindenden Überprüfungskonferenzen einen äußerst wichtigen Mechanismus zur Überprüfung der Wirksamkeit des NPT (vgl. Kötter 1995: 128) dar. Das Ziel dieser Konferenzen ist die Verabschiedung von Abschluss-Dokumenten, die Aussagen über die zukünftigen Absichten der Vertragsmitglieder enthalten.[65] Dabei steht häufig die Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung im Vordergrund. Obwohl sich das Abrüstungsversprechen gemäß Art. VI des NVV an alle Vertragsparteien richtet, enthält der Artikel seine besondere Bedeutung durch an die Kernwaffenstaaten adressierte Verhandlungsverpflichtung zur Abrüstung (vgl. Deutscher Bundestag 2006: 7). Generell aber soll im Laufe der NV-Konferenzen sichergestellt werden, dass die Vertragsziele bei allen Parteien vertrauenswürdig verwirklicht werden (vgl. Müller/Schörnig 2006: 177f.).

 

4.1.2.2 Der Vertrag über das Umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT)

 

Der Vertrag über das Umfassende Verbot von Nuklearversuchen[66] (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty, CTBT) liegt ab 1996 bei den Vereinten Nationen zur Unterzeichnung bereit. Das Vertragswerk soll die Durchführung aller Nuklearexplosionen an jedem Ort, darunter auch unter der Erde, unter Wasser und in der Atmosphäre verbieten (vgl. Neuneck/Mutz 2000: 332). Bisher haben den CTBT-Vertrag 183 Staaten unterzeichnet und 166 davon ratifiziert. Russland hat den Vertrag 2000 ratifiziert. [67]

 

Allerdings ist das Vertragswerk immer noch nicht in Kraft. Damit der CTBT gelten kann, müssen ihn alle 44 in Annex II des Vertragswerks aufgelisteten Vertragsparteien ratifizieren.[68] Von diesen Staaten haben Indien, Pakistan und Nordkorea den Vertrag sogar noch nicht unterzeichnet (vgl. Neuneck/Mutz 2000: 332).

 

Gemäß dem CTBT-Vertrag müssen alle Unterzeichnerstaaten nukleare Testmoratorien einhalten und der Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen[69] (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization, CTBTO) angehören. Als internationale Organisation anerkannt, arbeitet die CTBTO bis zum Inkrafttreten des Vertrages auf provisorischer Basis. Zu ihrer zentralen Aufgabe gehört die Entwicklung eines globalen Überwachungssystems (International Monitoring System, IMS) zur Kontrolle des Atomtestverbots. Die Russische Föderation beteiligt sich an dem CTBTO-Überwachungssystem.[70]

 

Die politische Bedeutung dieses Vertragswerks reicht weit über seine realen Wirkungen, insbesondere in Hinblick auf die Eindämmung eines weiten qualitativen Rüstungswettlaufs bzw. der vertikalen Proliferation[71] hinaus: ohne Kernwaffenversuche besteht ein Rest von Ungewissheit über die Verlässlichkeit des Waffendesigns, und es ist nahezu unmöglich, fortgeschrittene Kernwaffentypen herzustellen (vgl. Müller et al. 1996: 18). Aber auch die horizontale Weiterverbreitung wird entscheidend gebremst, denn die Staaten, die ein geheimes Nuklearprogramm besitzen, können nun nicht mehr unterirdisch unentdeckt testen, ohne eine wichtige völkerrechtliche Norm zu verletzten (vgl. Neuneck 2012: 762).

 

4.1.2.3 Der Vertrag über ein Produktionsverbot von Spaltmaterial für Waffenzwecke (FMCT)

 

Die Verhandlungen hinsichtlich eines Vertrages über ein Produktionsverbot von Spaltmaterial für Waffenzwecke (Fissile Material Cut-off Treaty, FCMT) ist eines der Kernthemen des Arbeitsprogramms der Genfer Abrüstungskonferenz. Eine effektive Überwachung sowie die Vernichtung von gefährlichem spaltbarem Material wie hochangereichertes bzw. waffenfähiges Uran und Plutonium ist ein wesentlicher Schritt in die Richtung einer Welt ohne Nuklearwaffen. Das Problem besteht darin, dass diese Kernmaterialien auch für den Ausbau einer Atombombe eigesetzt werden können. Unter der Berücksichtigung von möglichem Diebstahl oder Schmuggel von solchen nuklearen Materialien wäre ein funktionierendes Überwachungsregime bedeutend (vgl. Neuneck 2012: 763).

 

2015 betrugen die Bestände von hochangereichtem Uran weltweit ca. 1 377 Tonnen, wobei beinahe 99 % auf den Territorien der Nuklearwaffenstaaten gelagert werden (vgl. Mian, Glaser 2015). Die Kernwaffenstaaten haben die Herstellung von waffenfähigem Material zwar eingestellt[72], verfügen aber über bedeutende Bestände. Mit dem Inkrafttreten eines international verifizierbaren Abkommens über ein Herstellungsverbot von Spaltmaterial für Waffenzwecke würden sich die Unterzeichnerstaaten verpflichten, kein spaltbares Material für Militärzwecke mehr zu produzieren.

 

4.1.2.4 Die kernwaffenfreien Zonen (KWFZ)

 

Auf regionaler Ebene sind kernwaffenfreie Zonen (Nuclear-Weapon-Free Zone) ein wichtiges Instrument der nuklearen Abrüstung (vgl. Müller et al. 1996: 22) und können als präventive Rüstungskontrollvereinbarungen gelten, da sie bestimmte militärische Einsatzoptionen verbieten (vgl. Neuneck/Mutz 2000: 331). Gemäß dem Artikel VII unterstützt der NV-Vertrag „das Recht einer Gruppe von Staaten, regionale Verträge zu schließen, um sicherzustellen, dass ihre Hoheitsgebiete völlig frei von Kernwaffen sind“ (NPT 1968). Die Einrichtung einer KNWZ geht über die Verpflichtung, die der NV-Vertrag für Nichtkernwaffenstaaten festlegt, hinaus[73]: Sie verbietet auch die Stationierung von Kernwaffen und beendet damit die vollständige Denuklearisierung der jeweiligen Region.

 

Neben den Bestimmungen für alle Vertragsmitglieder spielen auch die externen Kernwaffenstaaten eine wichtige Rolle. Gemäß den Zonenverträgen werden diese aufgefordert, Protokolle zu unterzeichnen, in denen sie die Vertragsbestimmungen für die Zonen anerkennen und ausdrücklich auf die Drohung und den Einsatz von Kernwaffen verzichten (vgl. Neuneck 2012: 759).

 

Es gibt zwei Arten von Zonenverträgen: Die erste Gruppe besteht aus den Verträgen, die in ihren Texten Gemeinschafsträume mit nichtstaatlicher Souveränität umfassen (vgl. Thielecke 2010: 175 - 180).

 

 

Tabelle 2: Die Zonenverträge nach Gemeinschaftsräumen

Ende der Leseprobe aus 118 Seiten

Details

Titel
Auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt?
Untertitel
Die Rolle der Russischen Föderation im internationalen Nichtverbreitungsregime seit dem Jahr 2000
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
1,5
Autor
Jahr
2017
Seiten
118
Katalognummer
V374063
ISBN (eBook)
9783668529267
ISBN (Buch)
9783960951193
Dateigröße
2678 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Russland, Russische Föderation, Kernwaffen, Atomwaffen, Nuklearwaffen, Nichtverbreitungsregime, Nonproliferation, Nuklear, Atompolitik, Kernwaffenpolitik, Nuklearwaffenpolitik, Rüstung, Abrüstung, Atomwaffenfreie Welt, Nukleare Weiterverbreitung, Abrüstungsverpflichtung, Nukleare Dilemma, Russische Sicherheitspolitik, Russische Militärpolitik, Russische Sicherheitsstragegie, Russische Militärdoktrin, Russisches Konzept der Nationalen Sicherheit, Russische Außenpolitik, Abrüstungsprozess, START, SALT, Nichtverbreitungsvertrag
Arbeit zitieren
Marina Murashko (Autor:in), 2017, Auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/374063

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