Das International Committee for the History of Technology (ICOHTEC). Wissenschaftliche Entwicklung und Politik 1968 bis 1989


Magisterarbeit, 2010

163 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung - Die Entwicklung der Technikgeschichte als Disziplin der modernen Geschichtswissenschaft

2. Die Anfänge von ICOHTEC - Die Entstehung einer wissenschaftlichen Organisation
2.1 Die Ziele Kranzbergs und die Rolle der Gründungsväter von ICOHTEC
2.2 Verfassung und Struktur des Komitees - Im Zeichen der Einflüsse des Kalten Krieges?
2.3 ICOHTEC und die Technikgeschichte im Spektrum politischer und wissenschaftlicher Disharmonien - Tendenzen in der Forschungsarbeit
2.4 Die Festigung der Technikgeschichte als Sub-Disziplin der Geschichtswissenschaft und die Rolle der Politik am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik

3. ICOHTEC-Symposien als Charakteristikum der Annäherung - Schwerpunkte der Konferenzen zwischen 1968 und
3.1 Im Zeichen der Annäherung zwischen Ost und West
3.1.1 Pont-a-Mousson 1970
3.1.2 Tokio 1974 und Kaluga 1976
3.2 Die Konferenzen von ICOHTEC in den späten 1970er Jahren bis 1984 - Die Expansion des Komitees und die Festigung des technikhistorischen Austausches
3.2.1 Freiberg 1978 und Sofia 1979
3.2.2 Lerbach 1984
3.3 Kontroversen, technikwissenschaftlicher Transfer und neue Forschungsbereiche - Die Ergebnisse der Tagungen bis
3.3.1 Berkeley 1985
3.3.2 Dresden 1986 und Madrid 1988

4. Die Festigung von ICOHTEC als wissenschaftliche Organisation
4.1 Die Beziehungen zwischen ICOHTEC und SHOT
4.2 ICOHTEC als Teil der IUHPS/DHST

5. Schlussteil - ICOHTEC von 1968 bis 1989 und im frühen 21. Jahrhundert - Zusammenfassung und Ausblick

6. Literaturverzeichnis

7. Anlage

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Liste der ICOHTEC Symposien bis 2009.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung: Die International Symposia of the ICOHTEC in Paris, Moskau und Tokio sowie in Edinburgh/Stirling, Bukarest, Berkeley und Hamburg/München sowie in Zaragoza, Liege/Luik, Mexico City, Peking und Budapest fanden im Rahmen der International Congresses on the History of Science, Technology and Medicine (ICHST) der International Union for the History and Philosophy of Science/Division of the History of Science (IUHPS/DHS[T], seit 2005 Division of the History of Science and Technology) statt.

Quelle: Weber, W. (Hrsg .): International Committee for the History of Technology 1968-2008. 35 th Symposium in Victoria, British Columbia, Canada 2008. Bochum 2008, S. 5.

Tabelle 2: Die Vorsitzenden von ICOHTEC zwischen 1968 und 2009.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Weber, W. (Hrsg .): International Committee for the History of Technology 1968-2008. 35 th Symposium in Victoria, British Columbia, Canada 2008. Bochum 2008, S. 43. Die Angaben, die die Zusammensetzung der Gremien des ICOHTEC für das Jahr 2009 betreffen, sind der offiziellen Internetseite des Komitees entnommen - www.icohtec.org.

Tabelle 3: Die Typologie des Geschichtsbildes bei Max Weber und Karl Marx als Vorbild für die materialistisch-sozialistische und die liberal-demokratische Geschichtswissenschaft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Nach Giddens, A.: Marx, Weber und die Entwicklung des Kapitalismus. In: Seyfarth;

Sprondel (Hrsg.): Seminar. Religion und gesellschaftliche Entwicklung. Studien zur ProtestantismusKapitalismus-These Max Webers. Frankfurt/Main 1973, S. 65-98.

S. auch Habermas, J.: Max Webers Theorie der Rationalisierung. In: Ders.: Theorie des Kommunikativen Handelns. Handlungsrationalit ä t und gesellschaftliche Rationalisierung. Frankfurt/Main 19874, S. 225-366.

Tabelle 4: Die Teilnehmer an dem 35th International Symposium of the ICOHTEC in Victoria, British Columbia/Kanada 2008.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Nach Myllyntaus, T.: ICOHTEC. Today and Tomorrow. In: Weber, W. (Hrsg.): International Committee for the History of Technology 1968-2008. 35 th Symposium in Victoria, British Columbia, Canada 2008. Bochum 2009 (Second, enlarged edition), S. 75-88, hier S. 76.

Tabelle 5: Die Teilnehmer an der SHOT Conference in Lissabon/Portugal 2008.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung: Tabelle 5 dient als Vergleich der Teilnehmerzahlen während der Tagungen der beiden akademischen Organisationen ICOHTEC und SHOT. Hervorzuheben sind dabei insbesondere die Unterschiede bezüglich der Anzahl der teilnehmenden Nationalitäten und die Zahl der Teilnehmer in Abhängigkeit von den Hauptsitzen der Gesellschaften. In den Kapiteln 2.2: Verfassung und Struktur des Komitees - Im Zeichen der Einfl ü sse des Kalten Krieges? und 4.1: Die Beziehungen zwischen ICOHTEC und SHOT werden die Hintergründe der Tabellen 4 und 5 genauer analysiert.

Quelle: Nach einer Tabelle aus den Unterlagen von Timo Myllyntaus. Vgl. Anlage 6: Antwort von Professor Timo Myllyntaus (Professor of Finnish History, University of Turku, Finland) auf den englischsprachigen Fragenkatalog zur Bearbeitung der wissenschaftlichen Entwicklung und Politik des ICOHTEC zwischen 1968 und 1989. Eigene Dokumente.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Die personelle Struktur des ICOHTEC zwischen 1968 und 1989. Ein Überblick.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung: Seit 1993 verzichtet das ICOHTEC auf die Ämter der Vize-Präsidenten.

Quelle: Verfassung des ICOHTEC, www.icohtec.org/about-us-statutes.htm, Zugriff: Freitag, 08. Mai 2009, 16.50 Uhr.

Abb. 2: Das Titelblatt des Journals der SHOT. Das Technology and Culture.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Fotographie. Abgebildet ist hier das Technology and Culture. The International Quarterly of the Society for the History of Technology. Vol. 31, No. 1 (January 1990). Chicago.

Abb. 3: Das Titelblatt des Journal of the ICOHTEC. Das ICON.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Fotographie. Abgebildet ist hier das ICON. Journal of the International Committee for the History of Technology. Vol. 1 (1995). London/Portland.

Abb. 4: Gruppenfotographie wichtiger Mitglieder des ICOHTEC während des 6th International Symposium of the ICOHTEC in Kaluga 1976.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Weber, W. (Hrsg.): International Committee for the History of Technology 1968-2008. 35 th Symposium in Victoria, British Columbia, Canada 2008. Bochum 2009 (Second, enlarged edition), 91.

Abgebildet sind Abrams (Generalsekretär des ICOHTEC), Buchheim, Kranzberg (Vizepräsident des ICOHTEC), Maccagni, Olszewski, Purš sowie Richter, Shukhardin (Vizepräsident des ICOHTEC), Sonnemann, Striebing und Wächtler. Der im Jahre 1976 im Amt des Präsidenten des ICOHTEC tätigen Bulferetti ist auf der Fotographie nicht abgebildet.

Abb. 5: Der Aufbau der Unterorganisationen der UNESCO.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www.dhstweb.org/organizationchart; Zugriff: Mittwoch, 16. Dezember 2009, 14.35 Uhr.

Abb. 6: Die Struktur der Division of History of Science.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www.dhstweb.org/structureofdhst; Zugriff: Mittwoch, 16. Dezember 2009, 15.45 Uhr.

Abb. 7: Das offizielle Logo des ICOHTEC.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www.icohtec.org/; Zugriff: Montag, 21. Dezember 2009, 17.50 Uhr.

Abb. 8: Gruppenfotographie des Exekutivkomitees des ICOHTEC während des 10th International Symposium of the ICOHTEC in Sofia 1979.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Weber, W. (Hrsg.): International Committee for the History of Technology 1968-2008. 35 th Symposium in Victoria, British Columbia, Canada 2008. Bochum 2009 (Second, enlarged edition), 90.

Zu den abgebildeten Personen gehören Abrams (Generalsekretär des ICOHTEC), Laman, Maccagni, Olszewski, Kobayashi sowie Orlowski und Wächtler. Bulferetti, der Präsident des ICOHTEC zwischen 1974 und 1977 ist auf der Fotographie nicht abgebildet.

“Technology is neither good nor bad; nor is it neutral.”

- Melvin Kranzberg -

1. Einleitung - Die Entwicklung der Technikgeschichte als Disziplin der modernen Geschichtswissenschaft

“ [It] seems to me [Carroll Pursell] that ICOHTEC is more transparent in its operation, more inclusive in its membership, and more innovative in its scholarly activities than ever before. It ’ s an accomplishment which needs continued nourishment, but also one in which we can take justifiable pride. ” 1

Diese Worte richtete Carroll Pursell, der Vizepräsident des International Committee for the History of Technology (ICOHTEC) zwischen 1989 und 1993 und Generalsekretär des Komitees von 1993 bis 19972, während des Conference Trip to British Columbia Forest Discovery Centre im Rahmen des 35 th International Symposium of the ICOHTEC in Victoria, British Columbia/Kanada 20083 an die Mitglieder der technikhistorischen Vereinigung. Doch welcher Art der wissenschaftlichen Gesellschaft ist das ICOHTEC ? Welchen Zweck hat eine solche wissenschaftliche Vereinigung? Was führte dazu, dass das Komitee ausgerechnet in der unsicheren politischen und nicht selten ideologisch unterwanderten Phase des Kalten Krieges im Jahre 1968 gegründet wurde? Welches Erkenntnisinteresse, welche Problemstellungen und welche methodologische Systematik prägen die Forschungsarbeiten von Technikhistorikern?

Die wissenschaftliche Entwicklung und Politik des ICOHTEC von 1968 bis 1989 wirft zahlreiche Fragen auf. Die vorliegende Ausarbeitung versucht daher anhand der Darstellung der Charakteristika der Technikgeschichte als junge Spezialdisziplin der Geschichtswissenschaft und der Wissenschaftsgeschichte zu erörtern, warum Pursells positive Bilanz - das Komitee an sich betreffend - angebracht und von großer Bedeutung für die Festigung des ICOHTEC als wichtiger Bestandteil des Spektrums wissenschaftlicher Vereinigungen ist.

Warum und in welcher Form konnte die Funktionalität und die Arbeitsweise des Komitees transparenter gestaltet werden? Was meint Pursell mit der Definition der Icohtecians 4 als more inclusive - als eingebundener in die Tätigkeitsbereiche der technikhistorischen Vereinigung? Welches Forschungsinteresse und welchen Zweck verfolgt das ICOHTEC per se ?

In der Annäherung an die zentrale Fragestellung der vorliegenden Ausarbeitung standen diese und weitere Erkenntnisse im Fokus der Analyse der wissenschaftlichen Entwicklung des Komitees. Aufgrund des allgegenwärtigen Kalten Krieges in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts muss ebenso die Politik zwischen 1968 und 1989 konsequent interpretiert und präsentiert werden. Erste Ansätze in der Bearbeitung der Thematik konnten via die folgenden Fragen hervorgebracht werden: wer war Melvin Kranzberg, der im Jahre 1958 bereits die Society for the History of Technology (SHOT) gegründet hatte und das über die (akademischen) Grenzen der Technikgeschichte hinaus anerkannte Journal Technology and Culture (TC) publizierte? Wie konnte eine nachhaltige und effektive Zusammenarbeit von Kranzberg (USA), dem Franzosen Maurice Daumas sowie dem Polen Eugeniusz Olszewski und Semyon V. Shukhardin (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken [UdSSR]) gerade in der Phase des Kalten Krieges gestaltet werden? Welche Ziele verfolgte Melvin Kranzberg gemeinsam mit der Gr ü ndergeneration des ICOHTEC ?5 Wie wirkten sich die zum Teil erheblichen ideologischen, geographischen und akademischen (vor allem in Bezug auf die Arbeit mit Quellen) sowie die wissenschaftstheoretischen (historischer Materialismus im Sinne von Karl Marx gegenüber dem Konstruktivismus bzw. dem historischen Rationalismus Max Webers6 ) Vorgaben aus dem kommunistisch-materialistischen Osten und dem liberal-demokratischen Westen aus? Welchen Einfluss nahm der Kalte Krieg und die Orientierung der beiden politischen Hemisphären auf die Arbeitsweise des Komitees im Allgemeinen und den wissenschaftlichen, insbesondere den technikhistorischen Austausch vor, während und nach den Symposien der Organisation zwischen 1968 und 1989? Diese Kernfragen, die im Folgenden weiter spezifiziert und anhand struktureller, kommunikativer und wissenschaftlicher Analysen konkretisiert werden sollen, bestimmen die Ausarbeitung zur wissenschaftlichen Entwicklung und Politik des ICOHTEC von 1968 bis 1989.

Die einleitenden Worte dienen der Darstellung der verwendeten Literatur, Problemen in der Annäherung an die Thematik sowie der Herleitung der eigenen Fragestellung und der Motivation bzw. dem Ziel der vorliegenden Arbeit. Zudem soll in knapper Form die Entwicklung der Technikgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland charakterisiert werden. Ebenso gilt es, die Bedeutung des ICOHTEC im Spektrum nationaler und internationaler technikhistorischer Organisationen zu interpretieren. Diese Ausarbeitung versucht dabei anhand des Komitees zu belegen, dass vor allem in den 1960er und 1970er Jahren eine Neuorientierung in der Rezeption der Technik, der Geschichtswissenschaft und der Methodik der Technikgeschichte Einzug in akademische und technikhistorische Institutionen hielt.7 Diese Feststellung basiert unter anderem auf dem Aufsatz Technology ’ s Theorists von Andrew Jamison, in dem es heißt:

“ The late 1950s and early 1960s marked a time when science and technology came to be seen as major components of socioeconomic development and indeed of modernization more generally. (...) The science policy discourse was ‘ politicized ’ both nationally and internationally. Within nations, the demand for social relevance and social assessment of technology was raised (...). ” 8

In Jamisons Aussage liegt insbesondere die Fragestellung begründet, welche Chancen und Risiken die Politisierung der Wissenschaft - und hier vor allem der Technikgeschichte als junge Teildisziplin der Geschichtswissenschaft - ergaben.

Dass der Entwicklung der Technikgeschichte ebenso für das ICOHTEC eine zentrale Bedeutung zukam, beweist die Erkenntnis von Charlotte Schönbeck. Die Kulturwissenschaftlerin unternimmt in den einleitenden Worten zu dem Band Technik und Wissenschaft den Versuch, die Wissenschaft im Allgemeinen zu charakterisieren:

„ Erst die gemeinsame Betrachtung von Natur- und Geisteswissenschaften wird der umfassenden Bedeutung von ,Wissenschaft ‘ f ü r die Gestalt unseres heutigen Lebens gerecht. ( … ) Die Gesamtheit der Wissenschaft besteht heute nicht mehr aus wenigen Kerngebieten, sondern aus einem komplizierten, sich immer mehr auff ä chernden Netz von Fachdisziplinen, die sich vielfach ü berlappen und deren Grenzen sich ver ä ndern. ( … ) [Probleme] fordern von den Natur- und Geisteswissenschaften eine interdisziplin ä re Zusammenarbeit in Forschung und Lehre ( … ). Dabei muss der Ingenieur und Techniker die Folgen seiner T ä tigkeit absch ä tzen und die sozialen Wirkungen f ü r die Gesellschaft mitbedenken, andererseits m ü ssen die Geisteswissenschaftler und Soziologen motiviert werden, sich m ö glichst sachkundig zu machen, wenn sie in Entscheidungen ü ber weittragende technische Projekte eingebunden sind. “ 9

Schönbecks Beschreibung stellt ein Entscheidungskriterium dar, die vorliegende Analyse der Entwicklung der Technikgeschichte am Beispiel des ICOHTEC zwischen 1968 und 1989 auszuarbeiten. Das Komitee als technikhistorische, wissenschaftliche Vereinigung lernte ich im Rahmen meiner Tätigkeit als studentische Hilfskraft an der Professur f ü r Neuere Sozial-, Wirtschafts- und Technikgeschichte an der Helmut-Schmidt-Universit ä t/Universit ä t der Bundeswehr (HSU HH) in Hamburg unter der Leitung von Hans-Joachim Braun im Jahre 2007 kennen. Dem damaligen Präsidenten des ICOHTEC 10 verdanke ich mein Interesse an der Entstehungsgeschichte der Technikgeschichte im Allgemeinen sowie die Motivation, eine längere, zusammenhängende wissenschaftliche Arbeit zu den Problemen, Risiken und Chancen der Vereinigung im Zeitalter des Kalten Krieges zu entwickeln. Erste direkte Kontakte mit dem ICOHTEC konnten während des 35 th International Symposium of the ICOHTEC in Victoria, British Columbia/Kanada unter dem Local Organizing Committee (LOC) von David Zimmermann im Sommer 2008 geknüpft werden.11 Dabei steigerten insbesondere die Arbeitsabläufe vor und im Zuge der Organisation der Konferenz (Benennung von Chairmen für die einzelnen Scientific Sessions, Aufstellung einer Struktur zur Einberufung der Generalversammlung sowie die Praxis des wissenschaftlichen Austausches während der Tagung und die Aktualität der Technikgeschichte per se), die unterschiedlichsten Abstracts und die Themenvielfalt der technikhistorischen Forschung und die ständige Kommunikationsbereitschaft nahezu aller Teilnehmer des Symposiums das Erkenntnisinteresse an der Entwicklung des ICOHTEC. Die enge akademische Zusammenarbeit von Historikern unterschiedlichster wissenschaftlicher und traditioneller (d.h. nationaler und politischer) Herkunft begünstigten dabei meine Entscheidung ebenso wie der freundschaftliche Umgang und der hohe Wert des Traditionsbewusstseins - exemplarisch sei hier die sogenannte Annual Jazz Night des ICOHTEC genannt, die meine erste Teilnahme an einem Symposium des Komitees zu einem positiven und überaus gelungenen Erlebnis und einer lehrreichen Zeit werden ließen.

Trotz dieser vorwiegend erfreulichen Erfahrungen ergaben sich im Zuge der eigenen Fragestellung sowie der Konkretisierung des Themas der vorliegenden Ausarbeitung und insbesondere bezüglich der Quellenarbeit einige Probleme, die den Erarbeitungsprozess und den nachhaltigen Erkenntnisgewinn zu hemmen und zu behindern vermochten:

a) mit Ausnahme einiger knapper Ausarbeitungen und Aufsätze12 oder persönlicher Aufzeichnungen der Mitglieder13 - vor allem der Vorstandsvorsitzenden der Gremien des Exekutivkomitees - existiert zur wissenschaftlichen Entwicklung des ICOHTEC zwischen 1968 und 1989 und darüber hinaus keine größere, zusammenhängende wissenschaftliche Publikation; aufgrund dieser Tatsache sind bis dato die Arbeitsweise und die Funktionalität, aber auch die Motivation und die wichtigsten Ziele der Vereinigung einer breiteren Öffentlichkeit verborgen geblieben;

b) infolge dieser unzureichenden Forschungsbasis sieht sich das Komitee erheblichen Nachwuchsproblemen gegenüber; das mangelnde Interesse junger Historiker an der

Technikgeschichte im Allgemeinen hemmt die Veröffentlichung von akademischen Arbeiten, die sich unmittelbar mit dem ICOHTEC auseinandersetzen, zusätzlich;

c) das ICOHTEC nutzt die modernen Plattformen für einen nachhaltigen und - vor allem in Bezug auf die Nachwuchsgewinnung - erfolgsversprechenden Informationsaustausch nicht konsequent genug; zwar werden sowohl der monatliche ICOHTEC-Newsletter wie auch das jährliche Journal ICON regelmäßig publiziert14, jedoch erreichen deren Ausgaben zur Zeit lediglich die Mitglieder des Komitees; zudem erscheint die Darstellung der Vereinigung im Internet ausbaufähig15 ; vor diesem Hintergrund thematisiert auch der Aufsatz ICOHTEC. Today and Tomorrow des Generalsekretärs der Vereinigung Timo Myllyntaus die Zukunftsfähigkeit des ICOHTEC:

“ The history of technology seems to be in transition; research topics, approaches and methods of research are changing. (...) Historical research has often reflected somehow current societal, technological and environmental problems. Therefore the future agenda of the history of technology will probably contain research on the relationship of technology to the environment, energy utilization, food production and processing, and technology related to recycling and waste disposal. (...) In the future, aspects of consumption are to be much more important. ” 16

d) die unter a) bis c) genannten Faktoren münden in einer fehlenden Wertschätzung und Anerkennung der Leistungen der Gr ü ndergeneration des ICOHTEC 17 , aber auch der Tagungsteilnehmer und der Nationalen Delegationen im Zeitalter des Kalten Krieges. Doch genau diese Anerkennung ist wichtig - ja sogar unabdingbar, um die Technikgeschichte und explizit die Funktions- und Arbeitsweise der technikhistorischen Vereinigung charakterisieren und entsprechend würdigen zu können. Dies stellt sich ebenso als konkretes Ziel der vorliegenden Ausarbeitung dar.

Infolge des Mangels an einer umfassenden Publikation, die zumindest im Ansatz die zentrale Problematik um die wissenschaftliche Entwicklung und Politik des ICOHTEC von 1968 bis 1989 thematisiert, erwiesen sich das Bibliographieren und die Quellenarbeit als umfangreichste und zeitintensivste Aspekte in der Zusammenstellung der einzelnen Kapitel. Insofern muss im Folgenden zwischen vier Typen von Publikationen unterschieden werden.

a) Publikationen zur methodologischen Einordnung der Technikgeschichte (d.h. Werke, die Theorien, Aufgabenbereiche und die Systematik des technikhistorischen Forschungsprozesses und Erkenntnisinteresses zentralisieren); hier müssen vor allem folgende Werke berücksichtigt werden: Daumas, M. (Hrsg.): Histoire G é n é rale des Techniques. 5 Bde. Paris 1962-1978. Singer, C.: A History of Technology. 8 Vol. Oxford 1954-1984.

Shukhardin, S. V.; Walter, E. (Hrsg.): Sozialismus, Technik, Fachliteratur. Sammelband zu einigen Problemen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, der Technik und der technischen Fachliteratur in den Arbeiten von Marx, Engels und Lenin. Leipzig 1974. Gille, B.: Histoire des Techniques. Paris 1978.

In den genannten Sammelbänden werden ausführlich die Grundlagen der Technikgeschichte und Ansätze zur Analyse technikhistorischer Forschungsfelder thematisiert. Allerdings bedarf deren Lektüre einer genauen Betrachtung und eingehenden Interpretationen der Hintergründe der Autoren. So verwendet etwa Shukhardin kaum nicht-russische resp. nicht-marxistische Quellen.18 Hierbei schafft jedoch der Aufsatz The history of technology as a science, and as a branch of learning. A Soviet view von Zvorikine Abhilfe.19 Zudem ermöglicht das Sonderheft des Technology and Culture. Vol. 1, No. 4 (October 1960) mit Beiträgen von Melvin Kranzberg und R.S. Woodbury eine konkrete Einordnung der Methodik der Technikgeschichte.20

b) Ertragreiche Literatur, um die verschiedenen Themenbereiche der Technikgeschichte erschließen zu können; hierzu werden folgende Publikationen für eine ausführliche Lektüre empfohlen: Budde, G.; Conrad, S.; Janz, O. (Hrsg.): Transnationale Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien. Göttingen 2006.

Weber, W.; Engelskirchen, L.: Streit um die Technikgeschichte in Deutschland 1945-1975. Münster/New York/München/Berlin 2000 (Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt 15).

Staudenmaier, J. M.: Technology ’ s Storytellers. Reweaving the Human Fabric. Cambridge/London 1985. Raphael, L.: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart. München 2003.

Ropohl, G.: Allgemeine Technologie. Eine Systemtheorie der Technik. München 19992.

Ebenso verdeutlichen Sonderbände oder Festschriften zur Rezeption der Technikgeschichte und deren Bedeutung als Teildisziplin der Geschichtswissenschaft bzw. der Wissenschaftsgeschichte die Verschiedenartigkeit der Themenbereiche der Technikgeschichte. Hierzu zählen unter anderem: Bauer, R.; Williams, J.; Weber, W. (Hrsg.): Technik zwischen Artes und Arts. Festschrift f ü r Hans- Joachim Braun. Münster/New York/München/Berlin 2008 (Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt 31).

Braun, H.-J.: Energie in der Geschichte. Zur Aktualit ä t der Technikgeschichte - 2 Bde. Düsseldorf 1984.

[...]


1 Zit. Pursell, C.: ICOHTEC. Some Recollections and Observations. In: Weber, W. (Hrsg.): International Committee for the History of Technology 1968-2008. 35th Symposium in Victoria, British Columbia, Canada 2008. Bochum 2009 (Second, enlarged edition), S. 44-47, hier S. 47. Im Folgenden zit. als Weber 2009. Zu den Verbindungen von Carroll Pursell zu dem ICOHTEC und weiteren akademischen Organisationen vgl. insb. Anlage 5: Antwort von Professor Carroll Pursell (Adjunct Professor, School of History, Research School of Social Science, Australia National University) auf den Fragenkatalog zur Bearbeitung der wissenschaftlichen Entwicklung und Politik des ICOHTEC zwischen 1968 und 1989. Eigene Dokumente.

2 S. Tab. 2: Die Vorsitzenden von ICOHTEC zwischen 1968 und 2009.

3 S. Tab. 1: Liste der ICOHTEC Symposien bis 2009.

4 Die Bezeichnung der Mitglieder des ICOHTEC als Icohtecians stammt von Timo Myllyntaus, dem seit 2005 im Amt des Generalsekretärs des Komitees verantwortlichen finnischen Technikhistoriker. S. Myllyntaus, T.: ICOHTEC. Today and Tomorrow. In: Weber 2009, S. 74-88, hier S. 77. Zur Kenntnis der Ziele, Ideen und Verantwortungen der Technikgeschichte im Spektrum weiterer akademischer Organisationen vgl. insb. Anlage 6: Antwort von Professor Timo Myllyntaus (Professor of Finnish History, University of Turku, Finland) auf den Fragenkatalog zur Bearbeitung der wissenschaftlichen Entwicklung und Politik des ICOHTEC zwischen 1968 und 1989. Eigene Dokumente.

5 Der Wortlaut entstammt dem Aufsatz von Alexandre Hérlea. S. Hérlea, A.: ICOHTEC and History of Technology in France. In: Weber 2009, S. 20-35, hier S. 33.

6 S. dazu Abb. 3: Die Typologie des Geschichtsbildes bei Max Weber und Karl Marx als Vorbild für die materialistischsozialistische und die liberal-demokratische Geschichtswissenschaft.

7 Vgl. hier ausführlich Weber, W.; Engelskirchen, L.: Streit um die Technikgeschichte in Deutschland 1945-1975. Münster/New York/München/Berlin 2000 (Cottbuser Studien zur Geschichte von Technik, Arbeit und Umwelt 15). Im Folgenden zit. als Weber 2000.

8 Zit. Jamison, A.: Technology’s Theorists. Conceptions of Innovation in Relation to Science and Technology Policy. Vol. 30, No. 3 (July 1989), S. 505-533, hier S. 526-527.

9 Zit. Schönbeck, C.: Einleitung. In: Hermann, A.; Schönbeck, C. (Hrsg.): Technik und Wissenschaft. Düsseldorf 1991 (Technik und Kultur, Bd. III). Düsseldorf 1991, S. XXI-XXIII.

10 Zu den früheren und heutigen Vorstandsvorsitzenden in den Gremien des ICOHTEC s. Tab. 2: Die Vorsitzenden von ICOHTEC zwischen 1968 und 2009. Zur Struktur des ICOHTEC s. zudem Abb. 1: Die personelle Struktur des ICOHTEC zwischen 1968 und 1989. Ein Überblick. Eine genaue Analyse des Aufbaus und der Funktionalität des Komitees erfolgt im Kap. 2.2: Verfassung und Struktur des Komitees - Im Zeichen der Einflüsse des Kalten Krieges?

11 S. Tab. 1: Liste der ICOHTEC Symposien bis 2009.

12 Vgl. insb. die Aufsätze in Weber 2009. Vgl. auch Hérlea, A.: ICOHTEC and the History of Technology in France. 2009 (unveröffentlicht). Im Folgenden zit. als Hérlea 2009.

13 S. die Auflistung Tagungsberichte-Publikationen im Literaturverzeichnis.

14 Für die Publikation des ICOHTEC-Newsletters ist Stefan Poser verantwortlich. Als Herausgeber des regelmäßigen Journals des ICOHTEC ICON zeigt sich seit 2009 Mark Clark verantwortlich.

15 Die offizielle Internetseite des ICOHTEC findet sich unter www.icohtec.org.

16 Zit. Myllyntaus. In: Weber 2009, S. 86.

17 S. Hérlea. In: Weber 2009, S. 33.

18 S. Stummvoll, J.: Technikgeschichte und Schrifttum. Technikgeschichte in Einzeldarstellungen 36. Düsseldorf 1975, S. 21.

19 Vgl. Zvorikine, A.: The history of technology as a science, and as a branch of learning. A Soviet view. Vol. 2, no. 1 (Winter 1961), S. 1-4.

20 S. dazu Kranzberg, M.: Charles Singer and A History of Technology. Vol. 1, No. 4 (October 1960), S. 299-302. Im Folgenden zit. als Kranzberg 1960. S. auch Woodbury, R.S.: The Scholarly Future of the History of Technology. Vol. 1, No. 4 (October 1960), S. 345-348.

Ende der Leseprobe aus 163 Seiten

Details

Titel
Das International Committee for the History of Technology (ICOHTEC). Wissenschaftliche Entwicklung und Politik 1968 bis 1989
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Neuere Sozial- und Wirtschaftsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Technikgeschichte)
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
163
Katalognummer
V265362
ISBN (eBook)
9783668602755
Dateigröße
2658 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ICOHTEC, Organisationsgeschichte, Kranzberg, SHOT, Kalter Krieg, Hans-Joachim Braun, Alexandre Hérlea
Arbeit zitieren
Holger Skorupa (Autor:in), 2010, Das International Committee for the History of Technology (ICOHTEC). Wissenschaftliche Entwicklung und Politik 1968 bis 1989, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265362

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Das International Committee for the History of Technology (ICOHTEC). Wissenschaftliche Entwicklung und Politik 1968 bis 1989



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden