Bildungs- und Berufsbiographien im Migrationskontext


Examensarbeit, 2009

133 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Kapitel I: Einleitung
1. Umriss des Themenfeldes – Was sind Bildungs- und Berufsbiographien und warum ist es von Bedeutung, sie im Migrationskontext zu betrachten?
2. Einführung ins Thema
2.1. Problemaufriss, Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit
2.1.1. Junge Migrantinnen in Deutschland – warum ist gerade diese Zielgruppe von besonderem Interesse?
2.1.2. Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung – eine Gleichung mit vielen Unbekannten
2.2. Aufbau der Arbeit und Skizze des geplanten Vorgehens

Kapitel II: Forschungsstand und Quellenlage: Studien zu Bildungs- und Berufseinstellungen von jungen Migrantinnen
1. Forschungsstand und Ansätze in der Migrantinnenforschung
2. Formale Bildungserfolge, schulische Fertigkeiten und berufliche Einbindung von jungen Migrantinnen
2.1 Formale Bildungserfolge und schulische Voraussetzungen
2.2 Ausbildungsbeteiligung junger Migrantinnen
3. Übersicht ausgewählter Studien über Bildungs- und Berufseinstellungen von jungen Migrantinnen
4. Zusammenfassung der Ergebnisse der dargestellten Untersuchungen

Kapitel III: Exkurs zur Praxistätigkeit – drei Expertengespräche zum Thema Wie können die Probleme junger Migrantinnen beim Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung erklärt werden?
1. Zur Wahl der Experten und zur Methode des offenen, leitfadenorientierten Expertengesprächs
2. Erfahrungen aus der begleitenden Förderung junger Migrantinnen bis zum Abschluss der Schule – ein Gespräch mit Frau A.(Dipl. Päd. interkulturelle Pädagogik und Erziehung), Leiterin des Arnau-Projekts, ein Nachhilfeprojekt für SchülerInnen mit Migrationshintergrund des VPAK e.V. Osnabrück
2.1. Ergebnisse des Expertengesprächs
2.2. Inhaltsanalyse des Expertengesprächs
3. Erfahrungen aus dem Übergangsbereich zwischen Schule und Ausbildung – ein Expertengespräch mit Frau B. (Dipl. Sozialpädagogin), Zentrum für Jugendberufshilfe Dammstraße (Berufliche Orientierungshilfe für junge Erwachsene – BOjE) in Osnabrück
3.1. Ergebnisse des Expertengesprächs
3.2. Inhaltsanalyse des Expertengesprächs
4. Aus der Sicht der Betriebe – ein Gespräch mit Herr A., stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Osnabrück/Emsland
4.1. Ergebnisse des Expertengesprächs
4.2. Analyse des Expertengesprächs Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick

Literaturliste

Anhang
Transkription des Gesprächs mit Frau A.(Dipl. Päd. interkulturelle Pädagogik und Erziehung)
Transkription des Expertengesprächs mit Frau B. (Dipl. Sozialpädagogin)
Transkription des Expertengesprächs mit Herr A., stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Osnabrück/Emsland

Kapitel I: Einleitung

1. Umriss des Themenfeldes – Was sind Bildungs- und Berufsbiographien und warum ist es von Bedeutung, sie im Migrationskontext zu betrachten?

Wenn man den Begriff Biographie im alltäglichen Sprachgebrauch benutzt, meint man damit die Beschreibung des Lebensverlaufs eines Menschen. Damit verbindet man oft die Idee des Individuellen, des Einmaligen. Wir betrachten unseren Lebensverlauf als einen Prozess, der in seinem Ablauf einmalig ist, genau so wie wir uns als individuell und einzigartig auffassen. Dennoch läuft der Prozess unserer Selbst- und Welterfahrung unter dem stetigen Einfluss der Gesellschaft, in der wir leben. Soziale, kulturelle, politische, institutionelle und wirtschaftliche Gegebenheiten und Entwicklungen in der Gesellschaft wirken sich permanent auf die individuelle Entwicklung eines Menschen aus. So entsteht die Biographie eines jeden in einem Spannungsfeld zwischen den individuellen Vorstellungen, Plänen und Entscheidungen einerseits und den gesellschaftlichen Bedingungen andererseits.

Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff Bildung – zum Begriffsverständnis der Bildung schreibt Alfred Langewand: „Die Einmaligkeit und Eigentümlichkeit des je einzelnen soll demgemäß möglichst harmonisch mit den abstrakten Formen vernünftiger, philosophischer, wissenschaftlicher oder ästhetischer Selbst- und Weltdeutung vereint sein“ (Langewand 2004, S. 69). Der Bildungsprozess ist demnach ähnlich wie die Biographie eines Menschen ein individueller Prozess, im Laufe dessen das Individuum sich mit seiner Umwelt aktiv auseinandersetzt.

Dennoch geschehen Bildungsverläufe ebenfalls unter einer sehr starken gesellschaftlich-institutionellen Bedingtheit: Familie, Kindergarten, Schule und Institutionen der Erwachsenenbildung geben den Rahmen für die individuellen Bildungswege vor und ermöglichen somit jedem Einzelnen seine Bildungs- und Berufsbiographie zu gestalten. Grunert (2005) weist jedoch im Zusammenhang mit der zunehmenden „Individualisierung und Pluralisierung von Lebenslagen und Lebensstilen in modernen Gesellschaften“ auf die wachsende Eigenverantwortung beim Gestalten der individuellen Bildungsbiographie hin und nähert sich dem Problem an, um das es sich in meiner Arbeit handeln wird: „Der Einzelne […] bleibt jedoch gleichzeitig in gesellschaftliche und soziale Bedingungen eingebunden, die Bildungsprozesse ermöglichen, aber auch beschränken können.“[1]

Das Thema Bildungs- und Berufsbiographien im Migrationskontext zu behandeln eröffnet ein weites Feld, bietet dennoch die Gelegenheit, das Spannungsfeld zwischen Individuum und Gesellschaft, in dem diese Wege gestaltet werden, aus einer fokussierten Perspektive zu beleuchten. Es erscheint in diesem Zusammenhang interessant zu untersuchen, wie Menschen, die in der öffentlichen Wahrnehmung primär als „anders“ oder „fremd“ gelten, ihre Bildungs- und Berufswege in der Aufnahmegesellschaft bestreiten.

Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Laut des Statistischen Bundesamtes leben in Deutschland rund 6,75 Millionen Menschen ausländischer Herkunft (Gesamtzahl im Ausländerzentralregister, Stand 31.12.2006). Migration hat vielfältige Gesichter, daher ist es wichtig zu betonen, dass es die Migranten an sich nicht gibt. Die Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund differenzierter zu fassen ist deshalb schwer, weil sie sich nach vielen Gesichtspunkten sehr unterscheiden. Sie stammen aus unterschiedlichen Ländern, die Dauer ihres Aufenthaltes in Deutschland variiert ebenfalls, genau so wie die Gründe, aus denen sie migriert sind. Die am zahlreichsten vertretene Gruppe mit Migrationshintergrund stammt aus der Türkei (25,8 %), gefolgt von Staatsangehörigen Italiens, des ehemaligen Jugoslawiens, Polens und Griechenlands (vgl. BMI 2008, S. 27). Der Anstieg der Anzahl ausländischer Staatsangehöriger in Deutschland begann Mitte der 1950-er Jahre im Zuge des so genannten „Wirtschaftswunders“. Es bestand ein großer Bedarf an Arbeitskräften, so dass Deutschland gezielt Arbeitnehmer aus dem Ausland anwarb und Arbeitsverträge zur befristeten Arbeitsaufnahme abschloss. Die Gastarbeiter kamen größtenteils ohne ihre Familien, da kein dauerhafter Aufenthalt geplant war. Ende 1973 stoppte der Staat die

Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer. Etwa 11 Millionen der ca. 14 Millionen Gastarbeiter kehrten nach dem Anwerbestopp in ihre Heimatländer zurück, der Rest ließ sich dauerhaft in Deutschland nieder. Die Zahl ausländischer Bürger stieg in den nächsten Jahrzehnten dauerhaft an, unter anderem bedingt durch den Nachzug der Familien der einstigen Gastarbeiter. Bis Mitte der Neunziger Jahre wurden allein ca. 1 Million Kinder ausländischer Bürger in Deutschland geboren (ebd. S. 16), die der zweiten Generation in Deutschland lebender Menschen mit Migrationshintergrund angehören[2].

Nicht nur Arbeitsmigration ist einer der Faktoren, der zu der hohen Anzahl von ausländischen BürgerInnen und Menschen mit Migrationshintergrund, die heutzutage in Deutschland leben, geführt hat. Das vielfältige Bild der Zugewanderten setzt sich aus Menschen zusammen, die aus unterschiedlichen Gründen und unter verschiedenen Umständen migriert sind: z.B. Asylsuchende und Kriegsflüchtlinge aus unterschiedlichen Krisenregionen der Welt, ethnisch Verfolgte, aus religiösen Gründen Verfolgte, EU-Binnenmigranten und so genannte Bildungsausländer (ausländische Studierende).

Zudem zählen zu der Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund nicht nur Personen ausländischer Staatsangehörigkeit, sondern auch deutsche Staatsangehörige. Dazu gehören die Eingebürgerten, die Aussiedler, die Deutsche sind, aber infolge des Zweiten Weltkrieges in der ehemaligen UdSSR oder in Polen lebten und später nach Deutschland als sogenannte „Spätaussiedler“ zurückkehren durften und zuletzt die Gruppe derjenigen Personen, die selbst keine Migrantionserfahrungen gemacht haben, die aber Kinder von Zugewanderten sind und somit zu der zweiten bzw. der dritten Generation gehören.

Wenn man also statistisch nicht nur nach der Staatsangehörigkeit fragt, sondern auch nach dem Migrationshintergrund, ergeben sich ganz andere

Zahlen – es kann davon ausgegangen werden, dass fast jede fünfte Person, die in Deutschland lebt, einen Migrationshintergrund hat (ebd., S. 19).

Aus dieser kurzen Darstellung der Zusammensetzung der in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationshintergrund wird ersichtlich, dass es sich hierbei um eine höchst heterogene Personengruppe handelt. Aus diesem Grund bedarf es einer weiteren Differenzierung, wenn man fundiert die Bildungs- und Berufswege im Migrationskontext untersuchen will. Diese Differenzierung soll im Folgenden nach Geschlecht und Alter erfolgen, was mir wiederum ermöglichen wird, einen bestimmten Ausschnitt aus den Bildungs- und Berufsbiographien der ausgewählten Zielgruppe zu analysieren.

2. Einführung ins Thema

2.1. Problemaufriss, Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit

Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf die Gruppe der weiblichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Alter von 15 bis 21 Jahren, die in der Bundesrepublik leben, und geht der Frage nach, wie sie ihre Bildungs- und Berufsbiographien in der Aufnahmegesellschaft gestalten, indem ein besonderer Ausschnitt aus ihrem Bildungsweg betrachtet wird: der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung. Im Folgenden werde ich begründen: 1. Warum ich eine Differenzierung nach Geschlecht vornehme und die Bildungs- und Berufswege von jungen Migrantinnen analysiere und 2. Warum die Übergangsphase von der Schule in die berufliche Ausbildung von besonderer Bedeutung ist.

2.1.1. Junge Migrantinnen in Deutschland – warum ist gerade diese Zielgruppe von besonderem Interesse?

Seit Mitte[3] der 1970-er Jahre werden Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in den unterschiedlichen Forschungsfeldern der Sozialwissenschaften untersucht. Themen der Migrationsforschung in den 1980-ern sind die Sozialisation und Integration von diesen Jugendlichen, auch Prozesse ihrer Identitätsbildung werden untersucht. Der Ansatz der Untersuchungen ist anfangs defizitorientiert: Es wird von den Defiziten und Mängeln ausgegangen, die Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Deutschen aufweisen.

Die geschlechtsspezifische Migrationsforschung entsteht erst später. Die Untersuchungen, die zu Beginn durchgeführt werden, sind thematisch eng gestaltet (zum Beispiel Fragen der Identitätsentwicklung und der Veränderung der Geschlechterrollen werden erforscht) und meistens auf eine Ethnie ausgerichtet (vorwiegend junge Frauen türkischer Herkunft). Anfangs gehen diese Studien ebenfalls von dem defizitorientierten Ansatz aus und betrachten die Migrantin als Opfer ihrer Lebensumstände. Erst später wird ein neuer Ansatz entwickelt, der jungen Migrantinnen eine eigene Handlungskompetenz zuschreibt, die sie durch das Leben in der Migrationssituation erwerben[4]. Die erste einschlägige wissenschaftliche Untersuchung[5], die sich mit der Bedeutung von Bildung, Ausbildung und Erwerbstätigkeit für das Leben von Migrantinnen in Deutschland befasst, veröffentlichten Mona Granato und Vera Meissner 1994 unter dem provokativen Titel „Hochmotiviert und abgebremst“. Gegenstand ihrer Untersuchung waren MigrantInnen der 2. Generation im Alter von 15 bis 29 Jahren aus den sechs Hauptanwerbeländern: Portugal, Spanien, Italien, ehemaliges Jugoslawien, Griechenland und der Türkei. Die Forscherinnen gingen von der Beobachtung aus, dass im Zehn-Jahres-Vergleich Migrantinnen höhere und bessere Bildungsabschlüsse erzielen, aber nicht entsprechend proportional an der beruflichen Bildung partizipieren.

Eine der wichtigsten und grundlegenden Erkenntnisse der Untersuchung besteht darin, dass junge Migrantinnen sehr bildungsorientiert sind. Insgesamt beteiligen sie sich öfter an schulischen Ausbildungsgängen, erreichen häufiger den Abschluss einer allgemeinbildenden Schule und erwerben mehr weiterführende Abschlüsse im Vergleich zu den männlichen Migranten (vgl. Granato/Meissner 1994, S. 35-36). Sie sind zudem sehr an einer beruflichen Ausbildung interessiert, entwickeln eigenständige berufliche Pläne, informieren sich umfangreich über Ausbildungswege und Möglichkeiten und weisen somit eine sehr hohe Handlungskompetenz auf, die sich vor allem in ihrem engagierten und selbstständigen Bewerbungsverhalten und der Ausbildungsplatzsuche äußert (ebd., S. 50ff). Allerdings stellen die Forscherinnen fest, dass im Vergleich zu den männlichen Migranten „die besseren schulischen Voraussetzungen und der gleiche Einsatz bei der Ausbildungsplatzsuche nicht ausreichen, ihnen (Anm. der Verf.: den Migrantinnen) einen größeren Zugang zu Ausbildungsplätzen zu verschaffen.“ Zudem stehen junge Migrantinnen bei der Suche nach einer Lehrstelle in starker Konkurrenz zu den „schulisch noch besser vorgebildeten deutschen Frauen“, was wiederum ihre Zugangschancen zu einer beruflichen Erstausbildung noch mehr vermindert (ebd., S.125).

Granato/Meissner (1994) stellen zusammenfassend fest: „Obwohl sich die jungen Ausländerinnen mit ihren beruflichen Vorstellungen weitgehend an den Werten der Aufnahmegesellschaft orientieren, reichen ihre Anstrengungen im Bereich von Bildung und Ausbildung immer noch nicht aus, beim Berufsstart vergleichbare Chancen, wie junge deutsche Frauen sie vorfinden, zu erhalten.“ (ebd., S. 126f).

Auch jüngere Untersuchungen, die im späteren Verlauf der Arbeit nach Schwerpunkten aufgelistet und deren Ergebnisse präsentiert werden sollen, bestätigen diesen Trend. Allerdings geht es längst nicht nur um die ungleichen Voraussetzungen, die die Migrantinnen bei ihrer schulischen und beruflichen Realisierung mitbringen. Zusätzlich gewinnt in den neueren Untersuchungen eine weitere besonders wichtige Frage an Bedeutung: Es geht „auch um die Frage ungleicher Anerkennung gleicher Bildungsabschlüsse, d.h. ungleicher Realisierungschancen bei gleichen Abschlüssen.“ (Granato 2004, S. 17).

Aus dieser ungebrochen aktuellen Problemlage ergibt sich die Notwendigkeit das Thema Bildungs- und Berufsbiographien im Migrationskontext weiter zu erforschen. Gerade am Beispiel von jungen Frauen mit Migrationshintergrund ist zu untersuchen, unter welchen gesellschaftlichen Umständen und unter Einflussnahme welcher wichtiger Faktoren sie an schulischer und beruflicher Bildung partizipieren, wie erfolgreich sie dabei sind und welche Schwierigkeiten, Hürden und Probleme sich für sie aus welchem Grund ergeben.

2.1.2. Der Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung – eine Gleichung mit vielen Unbekannten

Um das umfangreiche Thema der Bildungs- und Berufswege junger Migrantinnen in Deutschland präziser anzugehen, bedarf es der Eingrenzung des Gegenstands um eine zusätzliche Komponente. Da Bildungs- und Berufsabläufe in der Biographie eines Menschen sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken (können), erscheint eine Fokussierung auf einen bestimmten Ausschnitt dieses Prozesses als sinnvoll.

Noch vor Beendigung der Regelschulzeit stellen sich für Jugendliche viele Fragen: Wie geht es weiter? Welchen Beruf will ich erlernen? Habe ich Chancen einen Ausbildungsplatz in dem von mir angestrebten Berufsfeld zu bekommen? Oder soll ich lieber weiter zur Schule gehen und durch eine bessere Qualifikation meine Chancen erhöhen? Mit diesen Fragen sind auch viele Unsicherheiten verbunden, vor allem auch angesichts der Tatsache, dass in der öffentlichen Diskussion oft davon die Rede ist, dass begehrte Lehrstellen nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stehen, dass dadurch die Anforderungen an die Bewerber unter hohem Konkurrenzdruck in z.T. standardisierten Auswahlverfahren stets steigen und dass ein hoher Anteil der BewerberInnen unversorgt bleibt.[6]

Wie jede Veränderung, die Ängste und Unsicherheiten in einem Individuum auslösen kann und es vor neue Anforderungen stellt, ist auch der Übergang von der Schule in den Beruf ein zentrales und für die zukünftige (bildungs)biographische Entwicklung Weichen stellendes Thema. Zudem ergibt sich diese Problematik für die Betroffenen zu einem Zeitpunkt ihrer Biographie, an dem sie den Prozess des Erwachsenwerdens noch nicht abgeschlossen haben und z. T. noch mit Folgen der Adoleszenz konfrontiert sind, die, als wäre das nicht schon genug, an sich die erste tief greifende Phase des physischen und psychischen Wandels, aber auch die erste Krisenerfahrung im Leben eines Jugendlichen darstellt.

In der Tradition des deutschen Ausbildungssystems führt der Königsweg für die AbsolventInnen der Haupt- oder Realschule über eine berufliche Ausbildung ins Berufsleben. Dass diese Tradition längst der Vergangenheit angehört und dass die Übergänge in den Beruf heutzutage steinig, umständlich und – über Umwege und Warteschleifen führend – oft mit einem unklaren Ausgang sind, zeigt zum Beispiel die vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) in den Jahren 2004 – 2006 durchgeführte Längsschnittstudie „Schule – und dann? Schwierige Übergänge von der Schule in die Berufsausbildung“.[7] Der Anteil junger Erwachsener, die bis zu ihrem 25. Lebensjahr keine anerkannte berufliche Ausbildung absolviert haben, beläuft sich seit Jahren auf ca. 15% (vgl. Reißig u. a. 2006, S. 4). Bezogen auf die Situation dieser jungen Menschen, „die an der Schwelle des Übergangs von der Schule ins Erwerbsleben ins gesellschaftliche Abseits zu rutschen drohen“, wird der Begriff der „Risikobiographie“ angewendet (Spies/Tredop 2006, S. 9).

Die Gruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist von der Problematik des Übergangs von der Schule in die berufliche Ausbildung in besonderer Weise betroffen. Ihre Bildungs- und Berufsbiographien scheinen häufiger davon bedroht zu sein, sich zu einer „Risikobiographie“ zu entwickeln. Sie erzielen im Bildungssystem schlechtere Qualifikationen als gleichaltrige Deutsche und sind auf Haupt- und Realschulen überrepräsentiert, hingegen in Gymnasien unterrepräsentiert[8]. Daraus ergeben sich für sie später die Konsequenzen der schlechteren Ausbildungschancen und der nachteiligen Positionierung auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Kristen/Granato 2003, S. 123).

Obwohl die einschlägigen Untersuchungen zu Bildungs- und Berufseinstellungen von jungen Frauen mit Migrationshintergrund nachweisen, dass gerade Migrantinnen sehr bildungsorientiert sind und viel flexibler und engagierter auf die gesellschaftlichen Anforderungen reagieren, kann festgehalten werden:

- Migrantinnen haben immer noch geringe Chancen auf eine Ausbildung trotz verbesserter Schulabschlüsse;
- Wenn sie keine Lehrstelle finden, weichen sie auf Berufsvorbereitungsmaßnahmen aus, die zu keinem anerkannten Berufsabschluss führen;
- Dies führt zur Verzögerung und vermindert zusätzlich ihre Chancen, da mit steigendem Alter die Chancen für Bewerber mit Migrationshintergrund noch geringer werden (laut der BA/BIBB-Untersuchung 2004 und 2006 zu Lehrstellenbewerbern);
- Migrantinnen konzentrieren sich in erhöhtem Maße auf nur wenige Berufe. Dies sind meistens Berufe mit weniger Aufstiegschancen oder solche, an denen ihre deutschen Mitstreiterinnen weniger Interesse zeigen

(vgl. Granato 2004, S. 10 – 15).

Auf der Grundlage des bereits Dargestellten erscheint es notwendig, detailiert der Frage nachzugehen, wie die Probleme weiblicher Jugendlicher mit Migrationshintergrund beim Übergang von der allgemeinbildenden Schule in die berufliche Ausbildung in der Forschung erklärt werden.

Ziel dieser Arbeit ist es somit,

- Wissen über die verschiedenen Faktoren zusammenzutragen, die den Übergang weiblicher Jugendlicher mit Migrationshintergrund von der allgemeinbildenden Schule in die berufliche Ausbildung beeinflussen,
- verschiedene Erklärungen dieser Übergangsproblematik zu systematisieren und zu vergleichen und
- auf dieser Basis den Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund, Geschlecht und den Verlauf von Bildungs- und Berufsbiographien an der Schwelle zum Arbeitsleben zu untersuchen.

2.2. Aufbau der Arbeit und Skizze des geplanten Vorgehens

Im Folgenden soll beschrieben werden, wie ich zur Beantwortung der zentralen Fragestellung und zum Erreichen der Zielsetzung der Arbeit gelangen will und es wird begründet, warum dieser Zugang zum Gegenstand gewählt wird.

Der Hauptteil der Arbeit umfasst die Kapitel II und III. Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels steht die Analyse des aktuellen Forschungsstands zum Thema Bildungs- und Berufseinstellungen von jungen Migrantinnen. Eingangs wird vor dem Hintergrund der Ergebnisse aktueller statistischer Erhebungen über die Verteilung der ausgewählten Zielgruppe weiblicher Jugendlicher mit Migrationshintergrund im Alter von 15 bis 21 Jahren auf die verschiedenen Schulformen referiert. Danach soll die Frage nach ihrem formalen Bildungserfolg (erzielte Bildungsabschlüsse) und ihren schulischen Fertigkeiten beleuchtet werden[9]. Im Anschluss wird ein Blick auf ihre derzeitige Positionierung auf dem Ausbildungsmarkt geworfen und es werden Angaben über die Berufsfelder gemacht, in denen die Zielgruppe am häufigsten eine Ausbildung aufnimmt. Auf diese Weise soll mit Hilfe der aktuellen Zahlen ein differenziertes Bild über die derzeitige bildungs- und berufsbiographische Lage der ausgewählten Zielgruppe gezeichnet werden.

Im zweiten Teil des zweiten Kapitels werden sowohl quantitative als auch qualitativ angelegte Studien zu Bildungs- und Berufseinstellungen von jungen Migrantinnen und zum Übergang Schule – Beruf nach ihren unterschiedlichen Schwerpunkten aufgelistet. Darauf folgt eine systematisierte Darstellung der wichtigsten Befunde dieser Studien nach folgenden Gesichtspunkten:

- Einstellung der Zielgruppe zu Bildung und beruflicher Realisation;
- Entwicklung eigener Berufsperspektiven und Pläne;
- Berufswahlprozesse und Faktoren, die einen Einfluss auf die Berufswahl nehmen;
- Bewerbungsverhalten, Strategien bei der Suche nach einer Lehrstelle, Inanspruchnahme von Hilfen und Unterstützungsangeboten;
- Alternativen, die die jungen Migrantinnen ergreifen, wenn sie keinen Ausbildungsplatz in dem von ihnen angestrebten Berufsfeld finden.

Die zusammengefassten Befunde der einschlägigen Untersuchungen zum Thema werden in einem nächsten Schritt auf die Fragestellung meiner Arbeit bezogen um auf diese Weise in dem darauffolgenden Kapiteln III Antworten auf die zentrale Fragestellung zu finden.

Im dritten Kapitel werden die Ergebnisse von drei Expertengesprächen vorgestellt, die ich mit Experten aus den Bereichen der außerschulischen Bildung, der institutionellen beruflichen Orientierungshilfe und der Handwerkskammer durchführe. Die Experten werden darüber befragt, wie sie sich aus ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung heraus die Übergangsproblematik junger Migrantinnen von der Schule in die Ausbildung erklären. Die Expertengespräche werden aufgenommen, transkribiert und einer inhaltlichen Analyse unterzogen. In der inhaltlichen Analyse werden die Ergebnisse der Expertengespräche mit Erklärungsansätzen aus der Forschung verglichen und um weitere Aspekte angereichert um ein möglichst vollständiges Bild über die verschiedenen Faktoren zusammenzutragen, die den Übergang weiblicher Jugendlicher mit Migrationshintergrund beeinflussen. Dieser Ansatz wird deshalb gewählt, weil er eine integrative Herangehensweise an das Problem ermöglicht und potentielle Transferlücken zwischen Forschung und Praxis aufdeckt.

Abschließend werden im letzen Teil die gewonnenen Erkenntnisse über die Erklärungen der Übergangsproblematik junger Migrantinnen von der Schule in die berufliche Ausbildung zusammenfassend dargestellt und bewertet sowie weitere Aspekte genannt, die einer weiterführenden wissenschaftlichen Klärung bedürfen.

Kapitel II: Forschungsstand und Quellenlage: Studien zu Bildungs- und Berufseinstellungen von jungen Migrantinnen

1. Forschungsstand und Ansätze in der Migrantinnenforschung

Im Eingangskapitel einer der einschlägigen Studien zum Thema „Lebenssituation von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund“ schreiben die Forscherinnen Ursula Boos-Nünning und Yasemin Karakaşoǧlu: „Es lassen sich […] drei Tendenzen in der Literatur hinsichtlich der uns interessierenden Gruppe von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund ausmachen: In der Jugendforschung werden Jugendliche mit Migrationshintergrund kaum berücksichtigt, die Frauenforschung ignoriert bislang die Migrantinnen weitgehend und die Migrationsforschung vernachlässigt die Differenzierung nach dem Gender-Aspekt“ (Boos-Nünning/ Karakaşoǧlu 2005, S. 15). Tatsächlich galt Migration lange Zeit als „geschlechtslos“ (vgl. Westphal 2004). Das Bild über Migranten in der Öffentlichkeit war durch die Vorstellung des männlichen Gastarbeiters geprägt, ausländische Frauen hingegen galten meistens als Anhängsel und wurden „aus der Perspektive der durch das männliche Familienoberhaupt begrenzten, in der Isolation der Häuser verbannten und von Identitätskrisen bedrohten Frau betrachtet“ (Boos-Nünning/ Karakaşoǧlu 2005, S.13). Was in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wurde, war die Tatsache, dass sich ausländische Frauen in einem viel höheren Maße am Erwerbsleben beteiligt haben – so wiesen sie bereits in den Siebzigern eine Erwerbsbeteiligungsquote von ca. 70 % auf (bei deutschen Frauen lag die Erwerbsquote zum genannten Zeitpunkt bei 47%) (vgl. Granato 2004, S. 2).

Erst später rücken mit der Lebenssituation der ausländischen Frauen verbundene Fragen in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Anfangs konzentrieren sich die Ansätze in der Wissenschaft auf Fragen ihrer Identitätsfindung. Sie versuchen die Sozialisationsprozesse von Migrantinnen vor dem Hintergrund ihres Andersseins zu erklären. Die vorherrschenden Sichtweisen gingen von einer Bipolarität aus und versuchten Erklärungen für „die Entwicklung eines ethnischen Selbstbildes im Spannungsfeld zwischen Mehrheit und Minderheit“ zu finden (vgl. Granato/Schittenhelm 2003a, S.110). Das bedeutet, dass ihre Herkunft an sich als etwas Nachteiliges und Problematisches betrachtet wurde. Auch die Forschungsarbeiten zur Berufsfindung und -orientierung von jungen Migrantinnen richteten sich in den Neunzigern nach diesem Ansatz und führten zur Förderung von stereotypisierten Vorstellungen über sie (ebd.).

Als eine entgegengesetzte Position zum defizitorientierten Ansatz, der von der These eines Kulturkonflikts ausgeht, in dem junge Migrantinnen aufwachsen und der negative Einflüsse auf ihre Bildungs- und Berufswege ausübt, wurde in der Forschung der kompetenzorientierte Ansatz entwickelt. Dieser Ansatz stellt die Kompetenzen und die Ressourcen, über die junge Migrantinnen verfügen, in den Vordergrund. Er geht davon aus, dass Migrantinnen im Laufe ihrer Sozialisation in der Aufnahmegesellschaft interkulturelle Handlungskompetenzen entwickeln. Auf die jungen Frauen mit Migrationshintergrund bezogen, die in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen sind, äußere sich dies zum Beispiel darin, dass sie eine Vermittlerrolle zwischen ihrer Familie und der Aufnahmegesellschaft einnehmen. Dadurch, dass sie hier aufgewachsen sind, kennen sie die Funktionsmechanismen der Gesellschaft und der Institutionen besser und können somit eventuell vorhandene Informationsdefizite ihrer Familien kompensieren. Dieser Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass er mit der Integration der jungen Frauen in die Aufnahmegesellschaft verbundene Probleme nicht als Ergebnis ihrer Identitätsfindung zwischen zwei verschiedenen Kulturen betrachtet. Die Erklärungen für ihre Integrationsprobleme werden vielmehr in den Bedingungen der Aufnahmegesellschaft gesucht und es werden damit verbundene Ausgrenzungsprozesse erforscht. Dennoch geht dieser Ansatz ebenfalls von dem „Anderssein“ der Migrantinnen im Vergleich zu den Einheimischen aus, wobei das Anderssein am Merkmal der Ethnizität festgemacht wird.

In jüngster Zeit wird jedoch in der Forschung vermehrt danach gefragt, ob Ethnizität tatsächlich ein Merkmal ist, das Menschen haben oder geht es nicht vielmehr darum, dass dieses Merkmal ihnen im Kampf um Statuspositionen in der Gesellschaft fremdzugeschrieben wird (ebd.). Vor diesem Hintergrund wurde in der Forschung die Notwendigkeit erkannt, integrative Ansätze zu entwickeln, mit deren Hilfe Erklärungen für die bildungs- und berufsbiographischen Entwicklungen von Migrantinnen gesucht werden. Dabei werden unter anderem auch Ansätze aus der Geschlechterforschung über die berufliche Positionierung von jungen Frauen herangezogen unter Berücksichtigung der Tendenz der „Vergeschlechtlichung“ bestimmter Berufe und der „Geschlechterhierarchisierung“ (Granato/Schittenhelm 2003a, S. 110f). Es wird danach gefragt, ob es generell Unterschiede zwischen Männern und Frauen im sozialen und kulturellen Kontext gibt oder ob diese vielmehr in der Gesellschaft künstlich konstruiert werden und inwiefern sich dies auf die berufliche Positionierung von Frauen im Erwerbsleben auswirkt.

Nach der kurzen Skizze der Entwicklungen in der Migrantinnenforschung sollen nun im nächsten Schritt zwei Themenbereiche angesprochen werden – die schulischen Fertigkeiten von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Tendenzen in ihrer beruflichen Einbindung. Diese zwei Bereiche werden zum Ausgangspunkt einer Schilderung der bildungs- und berufsbiographischen Lage junger Migrantinnen genommen, auf deren Basis dann im nächsten Schritt differenziert Studien zu Bildungs- und Berufswegen der von mir ausgewählten Zielgruppe präsentiert werden.

2. Formale Bildungserfolge, schulische Fertigkeiten und berufliche Einbindung von jungen Migrantinnen

Ein differenziertes Bild über die derzeitige schulische und berufliche Einbindung der ausgewählten Zielgruppe mit Hilfe aktueller statistischer Erhebungen zu zeichnen ist deshalb sehr problematisch, da die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes nicht den Migrationshintergrund, sondern lediglich die Staatsangehörigkeit erfassen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass alle Personen, die zwar einen Migrationshintergrund haben, aber die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, in diesen Daten nicht enthalten sind.

In einem ersten Schritt werde ich versuchen mich an die Zielgruppe weiblicher Jugendlicher mit Migrationshintergrund im Alter von 15 – 21 Jahren statistisch anzunähern, indem ich einige Zahlen aus der offiziellen Statistik benenne, die sich zunächst nur auf ausländische Jugendliche beziehen[10]. Im Anschluss wird ein Blick auf die derzeitigen Tendenzen bei der Positionierung der Zielgruppe auf dem Ausbildungsmarkt geworfen und es werden Angaben über die Berufsfelder gemacht, in denen die Zielgruppe am häufigsten eine Ausbildung aufnimmt.

2.1 Formale Bildungserfolge und schulische Voraussetzungen

Insgesamt 852 663 SchülerInnen nichtdeutscher Staatsangehörigkeit besuchten im Schuljahr 2007/2008 die allgemeinbildenden Schulen in Deutschland, das sind 9,3% der Gesamtschülerschaft[11]. Weitere 189 339 ausländische SchülerInnen befanden sich im genannten Zeitraum auf einer beruflichen Schule (6,8 % aller BerufsschülerInnen)[12].

Eine Antwort auf die Frage nach dem formalen Bildungserfolg (erzielte Bildungsabschlüsse) liegt für das Abgangsjahr 2007 nicht nur nach Staatsangehörigkeit, sondern auch nach Geschlecht vor: Von den 42 338 ausländischen Schulabgängerinnen haben 13% die Schule ohne einen Abschluss verlassen, 40,1% haben den Hauptschulabschluss, 33,9 % den Realschulabschluss, 1,7 % erreichten die Fachhochschulreife und 11,4% die allgemeine Hochschulreife. Ein Vergleich mit den männlichen ausländischen Schulabgängern zeigt, dass weibliche ausländische Jugendliche seltener die Schule ohne jeglichen Abschluss verlassen und häufiger die allgemeine Hochschulreife erwerben. Wenn man hingegen einen Blick auf die durch die weiblichen Deutschen erreichten Abschlüsse wirft, wird Folgendes ersichtlich: nur 4,8 % haben keinen Abschluss erreicht, 18,6 % erwarben den Hauptschulabschluss, 42,3 % absolvierten die Realschule und 32,6 % erlangten die allgemeine Hochschulreife. Daraus wird klar, dass im Abschlussjahr 2007 die jungen Ausländerinnen zwar bessere Abschlüsse im Vergleich zu den männlichen Ausländern, aber deutlich schlechtere im Vergleich zu den weiblichen Deutschen erreichten.

Wenn man sich die Bildungsstatistiken im Zeitverlauf anschaut, stellt man fest, dass diese Ergebnisse sich über die Jahre wiederfinden und relativ konstant geblieben sind. Dass Jugendliche aus Zuwandererfamilien im deutschen Bildungssystem schlechtere Bildungsqualifikationen im Vergleich zu Deutschen erzielen, wurde bereits in einer Reihe vorliegender quantitativer Studien und Auswertungen belegt[13]. Aussagen über die schulischen Fertigkeiten von Jugendlichen mit Migrationshintergrund liefert zum Beispiel die PISA-Studie (Deutsches PISA-Konsortium 2003). Ein großer Vorteil ist, dass die PISA-Studie die 15-jährigen SchülerInnen nicht nach Staatsangehörigkeit differenziert, sondern nach Migrationshintergrund, den die Forscher über den Geburtsort der Jugendlichen und ihrer Eltern definieren. Zwar kann die Frage nach den schulischen Kompetenzen von jungen Migrantinnen auf der Grundlage der Ergebnisse der PISA-Studie nicht vollständig beantwortet werden, da die Jugendlichen mit Migrationshintergrund in dieser Studie nicht nach Geschlecht differenziert wurden (vgl. Deutsches PISA-Konsortium 2003, S. 211ff). Dennoch liefert die Studie wichtige Erkenntnisse über die schulischen Fertigkeiten von Jugendlichen mit Migrationshintergrund generell und über ihre Positionierung im Schulsystem, die unter anderem mit aus den Massenmedien bekannt gewordenem Schlagwort „PISA-Schock“ für heftige Diskussionen in der bildungspolitischen Landschaft gesorgt und abermals die Frage nach offensichtlich vorhandenen ethnisch bedingten Disparitäten im Schulsystem aufgeworfen haben: Der Vergleich der Leistungen von SchülerInnen mit und ohne Migrationshintergrund zeigt, dass SchülerInnen mit Migrationshintergrund schulisch schlechter abschneiden. Bei der Analyse der Unterschiede in der Bildungsbeteiligung stellen die PISA-Forscher fest, dass „Zuwanderergruppen in den mittleren und oberen Bildungsgängen deutlich unterrepräsentiert sind“ (PISA-E 2000, S. 195). Zudem weisen die Forscher nach, dass ein Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status der Eltern und dem Bildungserfolg ihrer Kinder besteht.

Dass qualifizierte Abschlüsse den Zugang zu begehrten Lehrstellen eröffnen und somit die Chancen auf die Aufnahme einer Ausbildung steigen, ist unumstritten. Dennoch wird auf der Grundlage des bereits Dargestellten zusammen mit Granato (2003) gefragt, ob die Chancen und Perspektiven junger Migrantinnen beim Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung tatsächlich ausschließlich als Ergebnis ihrer schulischen (Miss)erfolge zu betrachten sind. Im Folgenden wird ein Blick auf die Ausbildungsbeteiligung junger MigrantInnen geworfen und es werden Tendenzen in ihrer Positionierung auf dem Ausbildungsmarkt aufgezeigt.

2.2 Ausbildungsbeteiligung junger Migrantinnen

Wenn man einen Blick auf die Tendenzen und Entwicklungen des Ausbildungsmarktes wirft, wird folgendes ersichtlich: Trotz steigender Zahlen an Abgängern aus allgemeinbildenden Schulen bieten Betriebe und Verwaltungen wenig Ausbildungsplätze an, so dass die steigende Nachfrage nicht kompensiert werden kann (vgl. Ulrich 2005, S. 3). Dementsprechend ist auch die Ausbildungsbeteiligung junger Menschen mit Migrationshintergrund im Zehn-Jahres-Vergleich niedriger geworden. Wenn im Jahre 1994 der Anteil ausländischer Auszubildender bei 34% lag, so liegt er 2004 bei 25% (vgl. Granato 2006, S. 3f). Zudem sei angemerkt, dass die Berufsbildungsstatistik ebenfalls nur diejenigen Auszubildenden erfasst, die eine andere als die deutsche Staatsbürgerschaft haben und nicht nach dem Migrationshintergrund unterscheidet. Ein differenzierter Blick über die Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund wird allerdings auf der Grundlage der Zahlen einer repräsentativen Erhebung zu Lehrstellenbewerbern des Bundesinsituts für berufliche Bildung (BIBB-Bewerberbefragung) aus dem Jahre 2006 ermöglicht: 20% aller BewerberInnen haben einen Migrationshintergrund, von ihnen münden nur 29% in eine betriebliche Ausbildung im dualen System (im Vergleich dazu bekommen 40 % der BewerberInnen ohne Migrationshintergrund eine Lehrstelle). So nimmt jeder vierte Bewerber mit Migrationshintergrund an einer Maßnahme teil, die zu keinem anerkannten Berufsabschluss führt (z. B. Berufsvorbereitungsjahr, Berufsgrundbildungsjahr, berufsvorbereitende Arbeitsagentur-Lehrgänge etc.) und – was noch schwerwiegender ist – bleibt fast ein Viertel der BewerberInnen mit Migrationshintergrund komplett unversorgt (diese Jugendliche gelten dann als arbeitslos oder jobben) (vgl. Berufsbildungsbericht 2008, Übersicht 37, S. 321).

Im Folgenden soll nun ein differenzierter Blick auf die Tendenzen bei der beruflichen Positionierung junger Frauen mit Migrationshintergrund geworfen werden. Die eingangs erwähnte Studie „Hochmotiviert und abgebremst“ (Granato/Meissner 1994) zeigt folgende Tendenz für den Anfang der neunziger Jahre auf: Migrantinnen nehmen Ausbildungen in bestimmten Berufsfeldern auf, wie zum Beispiel in Berufen aus dem Dienstleistungssektor (Friseurin, Arzthelferin, Krankenschwester, Verkäuferin, Bürofachkraft). Wenige Migrantinnen bewerben sich für einen Beruf im Sektor der gewerblich-technischen Berufe[14]. Die Forscherinnen erklären diese Tendenz unter anderem damit, dass Migrantinnen die größten Chancen in den Berufen haben, in denen sie nicht in Konkurrenz zu ihren deutschen Mitstreiterinnen stehen (z.B. beim Ausbildungsberuf der Friseurin). In Berufen aus dem kaufmännischen Bereich konkurrieren sie hingegen mit den deutschen Schulabgängerinnen und haben entsprechend weniger Chancen (vgl. Granato/Meissner 1994, S. 60 – 70).

Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass

- eine ungleiche Positionierung junger Frauen auf dem Ausbildungsmarkt zu beobachten ist;
- junge Migrantinnen zusätzlich in ein noch schmaleres Spektrum von Ausbildungsberufen einmünden.

Nachdem nun dargestellt wurde, wie die schulische Erfolgsbilanz der Zielgruppe ausfällt und welche Tendenzen sich bei der Positionierung junger Migrantinnen auf dem Lehrstellenmarkt abzeichnen, sollen ausgewählte Studien präsentiert werden, die sich mit der Lebenssituation junger Migrantinnen unter besonderer Berücksichtigung des Aspekts ihrer Bildungs- und Berufseinstellungen befassen. Liegt die nachteilige Positionierung auf den unteren Rängen des Beschäftigungssektors an ihren schulischen Voraussetzungen? Oder treffen sie vielmehr die falsche Berufswahl, tendieren dazu die sogenannten „Frauenberufe“ vorzuziehen und engagieren sich nicht genug für eine berufliche Realisation? Auf der Basis der Ergebnisse der nachfolgend vorgestellten Untersuchungen soll der Weg zur Beantwortung der zentralen Fragestellung der Arbeit, wie ihre Probleme beim Übergang von der Schule in die berufliche Ausbildung erklärt werden, eröffnet werden.

3. Übersicht ausgewählter Studien über Bildungs- und Berufseinstellungen von jungen Migrantinnen

Im Hinblick auf die Übergänge zwischen Schule und Beruf, auf die berufliche Entwicklung und die Platzierung von Frauen mit Migrationshintergrund im Beschäftigungssystem der Aufnahmegesellschaft bestand bis zur Mitte der 90er Jahre in der Wissenschaft eine Forschungslücke (vgl. Granato/Schittenhelm 2003a, S.110). Lange Zeit kursierten in Wissenschaft und Öffentlichkeit unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie sich die schlechten Zugangschancen von jungen Frauen mit Migrationshintergrund zu beruflicher Ausbildung erklären lassen. Weit verbreitete Meinungen waren unter anderem, dass junge Frauen mit Migrationshintergrund insgesamt eher familienorientiert sind, über wenig Information über Wege und Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung verfügen, dass ihre Eltern sie wenig dahingehend unterstützen und dass sie von vorne herein eine berufliche Ausbildung ihrer Töchter ablehnen würden (dies bedingt einerseits durch die angenommenen traditionell orientierten Erziehungsstrukturen in Migrantenfamilien und andererseits angesichts einer unklaren Perspektive im Hinblick auf eine eventuelle Rückkehr in die Heimat). Darüber hinaus wurde ebenfalls angenommen, dass die schlechten Zugangschancen zu einer Ausbildung mit einer unrealistischen Berufsvorstellung der jungen Migrantinnen zusammenhängen würden. Ihnen wurde zudem nachgesagt, aus der unzureichenden Informiertheit heraus eben die falsche Berufswahl getroffen zu haben.

Fehlende Kompetenzen, mangelnde schulische Voraussetzungen und wenig Engagement sollten also als Erklärung für die Übergangsprobleme in die Ausbildung und für den späteren Verbleib auf den unteren Rängen des Beschäftigungssektors dienen (vgl. Granato 2004, S. 15f). Diese Annahmen über Ursachen und Faktoren für die schlechten Zugangschancen und die problematischen Übergänge junger Migrantinnen in die berufliche Ausbildung wurden inzwischen in einer Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen widerlegt.

Im Folgenden werden einige dieser Untersuchungen präsentiert, die darüber hinaus viele weitere wichtige Erkenntnisse zu zahlreichen Bereichen aus der Lebenssituation junger Migrantinnen geliefert haben. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden systematisch dargestellt, im Anschluss zusammengefasst und auf die zentrale Fragestellung der Arbeit bezogen. Auf diese Weise soll der Weg für die Suche nach Erklärungen für die Übergangsproblematik junger Migrantinnen von der Schule in die berufliche Ausbildung eröffnet werden.

„Hochmotiviert und abgebremst“ – eine Studie von Mona Granato und Vera Meissner (1994)

Wie bereits in der Einleitung der Arbeit kurz angerissen wurde, ist dies die erste bedeutsame Studie, die sich speziell mit Fragen der Bildungs- und Berufseinstellungen von jungen Migrantinnen befasst. Ziel der Untersuchung ist es, die Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungssituation von Migrantinnen zu analysieren sowie ihre Lebenslagen, Zukunftsperspektiven und Handlungsstrategien zu untersuchen. Der Ansatz der Studie ist kompetenzorientiert – dies bedeutet, dass die Forscherinnen von einer eigenen Handlungskompetenz der jungen Migrantinnen ausgingen, die am Beispiel ihres Bildungsverhaltens analysiert werden sollte.

Der Erhebungszeitraum der Untersuchung erstreckte sich von 1988 bis 1989 und die Zielgruppe waren Migrantinnen und Migranten der 2. Generation im Alter von 15 bis 29 Jahren. Von den 3407 Befragten waren 44% Frauen, 53,4 % davon im Alter von 15 bis 21 Jahren (vgl. Granato/Meissner 1994, S. 20). Die Berücksichtigung beider Geschlechter sollte einen Vergleich ihrer Bildungs- und Beschäftigungssituation ermöglichen. Im Zusammenhang mit der Kategorie „Geschlecht“ untersuchten die Autorinnen, welche Einstellungen die jungen Migrantinnen zu schulischer Bildung und beruflicher Verwirklichung haben und wie sie über die Vereinbarung von Familie, Kindern und Beruf denken. Darüber hinaus sollten auch die Einstellungen der Eltern im Bezug auf die Bildungskarrieren ihrer Töchter untersucht werden.

Die Untersuchung „Hochmotiviert und abgebremst“ widerlegt zum größten Teil die eingangs aufgeführten Annahmen über mögliche Gründe der nachteiligen Positionierung junger Migrantinnen auf dem Bildungs- und Ausbildungsmarkt. Die Studie liefert Erkenntnisse zu folgenden wichtigen Bereichen, die die Bildungs- und Berufseinstellungen der jungen Migrantinnen betreffen – Partizipation an schulischer Bildung, Entwicklung eigener beruflicher Perspektiven und Pläne, Berufswahlprozesse, Strategien bei der Suche nach einer Lehrstelle/Bewerbungsverhalten und Art der Berufe, in denen sich Migrantinnen ausbilden lassen. Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung werden im Folgenden präsentiert.

Partizipation an schulischer Bildung, Entwicklung eigener Berufsperspektiven und Pläne

Die Forscherinnen stellen fest, dass Migrantinnen im Vergleich zu Migranten sich insgesamt häufiger an schulischen Ausbildungsgängen beteiligen. Sie erreichen häufiger den Abschluss einer allgemeinbildenden Schule, erbringen mehr weiterführende Abschlüsse undhaben im Zehn-Jahres-Vergleich ihren Schulerfolg mehr gesteigert (vgl. Granato/Meissner 1994, S. 35f). Insgesamt kommen die Forscherinnen zu dem Schluss, dass Migrantinnen sehr bildungsorientiert sind. Beide Geschlechter wollen genauso häufig eine berufliche oder schulische Ausbildung aufnehmen, Migrantinnen sind aber stärker an einer schulischen oder universitären Ausbildung interessiert (ebd., S. 50ff).

Kriterien der Berufswahl, Faktoren, die auf die Berufswahl einen Einfluss nehmen

Als Traum- bzw. Wunschberuf benennen junge Migrantinnen häufig akademische Berufe, die durch ein hohes Ansehen gekennzeichnet sind. Im späteren Verlauf relativieren sich diese Wünsche allerdings, so dass Wege eingeschlagen werden, die die Migrantinnen als realisierbar einschätzen. Gefragt danach, welche wichtigen Kriterien bei ihrer Berufswahl eine Rolle spielen, geben MigrantInnen an, dass ihnen der Beruf an erster Stelle Spaß machen und ihren Fähigkeiten entsprechen soll. Darüber hinaus gilt für beide Geschlechter, dass der Beruf Sicherheit und Aufstiegschancen bieten soll. Geschlechtsspezifische Unterschiede gibt es bei der Frage nach dem Verdienst. Ein hoher Verdienst ist für Migranten wichtiger als für Migrantinnen. Darüber hinaus gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede bei dem Aspekt des sozialen Engagements. Frauen tendieren häufiger dazu den Faktor „anderen Menschen helfen“ zu benennen (ebd., S. 54-56). Bei der Frage nach den Faktoren, die einen Einfluss auf die Berufswahl der Migrantinnen ausüben, wird der hohe Einfluss der Familie und der Lehrer ersichtlich. Darüber hinaus spielen die Berater des Arbeitsamtes, Freunde und bereits absolvierte Praktika eine Rolle (vgl. ebd. S. 57f).

Insbesondere im Bezug auf den hohen Einfluss der Eltern auf die Berufswahl gewinnt folgende Frage an Bedeutung: Welche Berufsvorstellungen haben die Eltern der jungen MigrantInnen für ihre Kinder und wie gut sind sie über Wege und Möglichkeiten des Bildungs- und Ausbildungssystems informiert? Die Untersuchung liefert interessante Erkenntnisse zu diesem Thema: Die Eltern „verfügen über eine sehr hohe Bildungsmotivation hinsichtlich ihrer Söhne und Töchter“ (ebd. S. 54). Für ihre Kinder wünschen sich Migranteneltern, dass sie hoch angesehene akademische Berufe erlernen. Zudem sollten die von den Kindern erlernten Berufe bei einer eventuellen Rückkehr in die Heimat verwendbar sein und oder die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ermöglichen (die jungen MigrantInnen bewerten diesen Einfluss allerdings selber nicht so hoch wie ihre Eltern). Hinsichtlich ihrer Informiertheit über Wege und Möglichkeiten der Ausbildung gibt allerdings mehr als die Hälfte der befragten Eltern zu, wenig oder unzureichend über diese informiert zu sein. Dabei üben sie einen viel stärkeren Einfluss auf die Berufsfindung ihrer Kinder aus.

Strategien bei der Suche nach einer Lehrstelle/Bewerbungsverhalten

Insgesamt weist die Studie nach, dass junge Migrantinnen sich bemüht und engagiert um eine Lehrstelle bewerben. Bei der Frage, ob und wie sie sich über Wege und Möglichkeiten der Aufnahme einer Ausbildung informieren, stellen Granato/Meissner (1994, S 60ff) fest, dass ein Zusammenhang zwischen dem Einreisealter und der Inanspruchnahme einer Beratungsstelle wie etwa das Berufsinformationszentrum (BIZ), besteht:Je länger Migranten in Deutschland sind, je früher sie eingereist sind, desto häufiger nehmen sie die Berufsberatung in Anspruch. Zudem stellen die Forscherinnen bei der Analyse nach Herkunft fest, dass insbesondere junge Migrantinnen türkischer Herkunft deutlich häufiger Angebote der Berufsberatung in Anspruch nehmen, sie bewerben sich darüber hinaus besonders häufig um einen Ausbildungsplatz im Vergleich zu Migrantinnen anderer ethnischer Gruppen[15].

„Viele Welten leben“ – eine Studie von Ursula Boos-Nünning und Yasemin Karakaşoǧlu (2005)

Die Untersuchung „Viele Welten leben“ versucht eine bis dahin in der Wissenschaft bestehende Forschungslücke zu schließen, indem sie einen nach Geschlechtern differenzierten Vergleich zwischen den jungen Migrantinnen aus unterschiedlichen Herkunftsgruppen ermöglicht (vgl. Boos-Nünning/Karakaşoǧlu 2005, S. 24). Zielgruppe dieser Untersuchung sind junge Migrantinnen im Alter von 15 bis 21 Jahren, deren Elternteile beide im Ausland geboren sind. Die Studie wurde mit 950 Migrantinnen aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei, Griechenland, Italien sowie jungen Aussiedlerinnen durchgeführt. Die Teilnehmerinnen wurden mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens im Rahmen einer Mehrthemenbefragung interviewt. Ziel der Studie war es, „[…] den in Wissenschaft […] und Praxis […] tätigen Interessierten über das bisher Bekannte hinausgehende, differenzierte Kenntnisse über Lebenssituationen, Lebensorientierungen sowie die persönlichen, familiären und institutionellen Ressourcen und Hindernisse in der Lebensgestaltung von Mädchen aus Aussiedlerfamilien sowie mit griechischem, italienischem, ehemals jugoslawischem und türkischem Migrationshintergrund zu vermitteln“ (Boos-Nünning/Karakaşoǧlu 2005, S. 25). Die Untersuchung liefert differenzierte Erkenntnisse zu zahlreichen Bereichen aus dem Leben der Zielgruppe, so zum Beispiel zu ihren Migrationsbiographien, zu ihrem Sozialstatus und räumlichem Umfeld, zu der Rolle und der Bedeutung der Familie, der Freundschaften und der Freizeitgestaltung. Darüber hinaus werden Fragen ihrer Mehrsprachigkeit, der Religiosität, der psychischen Stabilität, des Körperbewusstseins und der Geschlechterrollen untersucht (vgl. Boos-Nünning/ Karakaşoǧlu 2005, S. 26 – 28).

Ein zentraler Aspekt der Untersuchung sind Fragen verbunden mit der Bildung- und Ausbildungssituation der jungen Migrantinnen. Diese betreffen ihr Bildungsniveau, die sozialen Bedingungen des Bildungsniveaus, die Verläufe ihrer Bildungsbiographien unter der besonderen Berücksichtigung des Einflusses von Kindergartenbesuch und Klassenwiederholungen, die fördernde Unterstützung im außerschulischen Bereich und die Orientierung, Übergangsverläufe und Positionierungen nach Beendigung der Schule. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse aus dem Bereich Bildungs- und Ausbildungssituation dargestellt.

Bildungsniveau der Zielgruppe, Soziale Bedingungen des Bildungsniveaus

Auch diese Studie bestätigt die hohe Bildungsmotivation, das gehobene Bildungsniveau und die hohen Potenziale der jungen Migrantinnen. 47% der jungen Frauen aus der Stichprobe besuchen mittlere oder gehobene Schulformen, 25% befinden sich in einer beruflichen Ausbildung oder studieren bereits, hingegen nur 5% sind in niedrigen Schulformen anzutreffen. Eine Übersicht der erreichten Abschlüsse derjenigen, die nicht mehr zur Schule gehen (insg. 45% aller Befragten), zeigt, dass 36% nur einen einfachen Haupt- oder Realschulabschluss erreicht, hingegen 50% der jungen Migrantinnen den erweiterten Realschulabschluss, die Fachhochschulreife oder den Gymnasialabschluss erworben haben (vgl. Boos-Nünning/Karakaşoǧlu 2005, S. 171ff).

Ein wichtiger Aspekt dieser Untersuchung im Bezug auf den Bildungs- und Berufserfolg junger Migrantinnen ist es festzustellen, welche sozialen Bedingungen auf die Gestaltung ihrer Bildungswege Einfluss ausüben. Auch diese Studie bestätigt, dass die guten oder sehr guten Deutschkenntnisse mit einem hohen Bildungsniveau der Stichprobe korrelieren[16]. Darüber hinaus liefert sie interessante Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Zuzugsalter der Befragten. Es herrscht die Vorstellung, dass je früher Jugendliche mit Migrationshintergrund in das deutsche Schulsystem einsteigen, desto mehr Chancen haben sie, erfolgreiche Bildungskarrieren zu bestreiten. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass die PISA-Studie diese Vorstellung eindrucksvoll relativiert hat: 70% der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die im Rahmen von PISA getestet wurden, haben das deutsche Schulsystem vom Kindergarten bis zum Ende der Pflichtschulzeit durchlaufen und trotzdem schneiden sie schulisch im Vergleich zu deutschen Jugendlichen schlechter ab. Boos-Nünning/Karakaşoǧlu (2005) liefern eine wichtige Erkenntnis in diesem Zusammenhang, die noch einmal eindrücklich die hohe Bildungsmotivation und die Potenziale der Zielgruppe bestätigt: 41% der Befragten, die zwischen ihrem siebten und zwölften Lebensjahr nach Deutschland eingereist sind, haben ein hohes Bildungsniveau erreicht (vgl. Boos-Nünning/Karakaşoǧlu 2005, S. 176). Als noch eindrucksvoller erweisen sich die Ergebnisse der Studie im Bezug auf einen weiteren Faktor mit Einfluss auf den Bildungserfolg, nämlich die soziale Schichtzugehörigkeit der Familien[17]. Zwar bestätigt auch diese Studie, dass ein Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau der Zielgruppe und der sozialen Schichtzugehörigkeit der Eltern besteht. Dennoch zeigt die Untersuchung, „dass ein erheblicher Teil der Töchter aus Familien mit sehr niedrigem sozialen Status ein hohes Bildungsniveau erreicht.“ (ebd. S. 177).

Orientierung und Übergangsverläufe nach Beendigung der Schule

Auch die Untersuchung „Viele Welten leben“ weist nach, dass bei der Orientierung nach Beendigung der Schule das familiäre Umfeld für die jungen Migrantinnen die wichtigste Rolle spielt (vgl. Boos-Nünning/Karakaşoǧlu 2005, S. 203). Die jungen Frauen ziehen am häufigsten ihre Mütter, Geschwister, Verwandte und Väter zurate, wenn es darum geht Hilfe bei der Berufsfindung zu erlangen. Auch die Lehrer und Angebote der Berufsberatung werden als Orientierungshilfe genannt, allerdings eher seltener. In diesem Zusammenhang wird wiederholt deutlich, welch hohes Maß an Selbständigkeit bei der Berufsfindung die jungen Migrantinnen beweisen: Dass die Eltern der jungen Migrantinnen sich für ihre Töchter eine gute Schul- und Berufsausbildung wünschen, wurde bereits angesprochen[18], dennoch wurde ebenfalls erörtert, dass viele Eltern eher schlecht über die Ausbildungsmöglichkeiten hier zulande informiert sind. Daher ist zu fragen, wie die Unterstützung im familiären Kontext konkret aussieht. Diese Studie bestätigt, dass es sich dabei eher um eine emotionale Unterstützung handelt, „womit u.a. die Befürwortung des Bildungsaufstiegs der Töchter und eventuell eine moralische Unterstützung ihrer Bemühungen bezeichnet wird“ (Boos-Nünning/Karakaşoǧlu 2005, S. 199). Daraus schlussfolgern die Forscherinnen, dass gerade in der besonders wichtigen Situation der Berufsfindung die jungen Migrantinnen in einem hohen Maße „auf sich selbst angewiesen sind“ (ebd.). Steht der Berufswunsch erst einmal fest, gelingt es dennoch häufig nicht ihn zu realisieren – fast die Hälfte der Befragten gibt an, „nach Verlassen der Schule Schwierigkeiten dabei gehabt zu haben, eine Tätigkeit nach Wunsch zu finden“ (Boos-Nünning/Karakaşoǧlu 2005, S. 203). Zu den am häufigsten genannten Schwierigkeiten zählen das eingeschränkte Lehrstellenangebot und die damit verbundenen langen Wartezeiten. Zudem benennen die Befragten zwei weitere Hindernisse, die ihnen Probleme beim Zugang zum Ausbildungsmarkt bereitet haben und ihre Eltern betreffen – die fehlenden Kontakte zu den Betrieben und unzureichende Kenntnis des Ausbildungssystems.

Dass die Übergangsverläufe der Zielgruppe keineswegs reibungslos verlaufen, zeigt auch eine weitere Studie, die im Folgenden dargestellt werden soll. Sie verdeutlicht die breite Palette belastender Umstände, unter denen Berufswünsche gefasst und mehrmals revidiert werden (müssen).

„Schule – und dann?“ – eine Längsschnittstudie des DJI (2004 – 2006)

Die Ergebnisse der Längsschnittstudie „Schule – und dann? Schwierige Übergänge von der Schule in die berufliche Ausbildung“ ist aus mehreren Gründen für die Gewinnung der von mir in meiner Arbeit angestrebten Erkenntnisse von Bedeutung. Erstens erlauben die gewonnenen Daten einen Vergleich der Pläne, der Strategien und der tatsächlich realisierten Wege der Befragten nach Herkunft[19] und Geschlecht. Zweitens weist die Studie eindrucksvoll auf Strategien und Alternativen hin, die insbesondere weibliche Jugendliche mit Migrationshintergrund nach dem Absolvieren der Hauptschule einsetzen. Darüber hinaus verdeutlicht die Studie, welche hohe Flexibilität junge HauptschulabsolventInnen angesichts der Tatsache beweisen, dass sie innerhalb von einigen wenigen Monaten mehrmals ihre Pläne revidieren müssen.

Im Rahmen dieser Studie untersuchten Forscherinnen des Deutschen Jugendinstituts die Übergänge von HauptschülerInnen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, die 2003/2004 das letzte Schuljahr besucht haben. Ziel der Untersuchung war es, Erkenntnisse zu folgenden Fragen zu gewinnen: Wie orientieren sich die HauptschulabsolventInnen in der besonderen Situation kurz vor Beendigung der Schule? Welche Pläne haben sie für die Zeit nach der Schule? Schaffen sie es, ihre Pläne zu realisieren, oder müssen sie Alternativen ergreifen? Finden sie einen Ausbildungsplatz und schaffen sie es, die Ausbildung abzuschließen? Insgesamt wurden im Rahmen dieser Studie fünf Befragungen durchgeführt: im März, Juni und November 2004, im November 2005 und November 2006. In der ersten Befragung im März 2004 wurden 3922 Jugendliche aus 126 Schulen - davon 53 % mit Migrationshintergrund – in Klassenzimmerbefragungen mittels eines Fragebogens nach ihrer Herkunft und nach den Zielen und Plänen für die Zeit nach der Schule befragt. In der Folgebefragung im Juni 2004 wurden dieselben SchülerInnen darüber befragt, ob sich ihre Pläne innerhalb von wenigen Monaten geändert haben. Im November 2004 wurde ein Vergleich zwischen den Plänen, die die Jugendlichen im März 2004 hatten und der tatsächlich realisierten Positionierung angestellt. Ein Jahr später – im November 2005 – wurden die Jugendlichen erneut zu ihren Bildungs- und Ausbildungsverläufen innerhalb eines Jahres befragt[20]. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchung präsentiert.

Pläne für die Zeit nach der Schule

Schon bei der Frage nach den Plänen für die Zeit nach der Schule wird die Schere zwischen deutschen Jugendlichen und den Jugendlichen mit Migrationshintergrund deutlich: Während 52 % der Deutschen eine Ausbildung anstreben, sind es bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund nur 38 %. Diese wollen häufiger weiter zur Schule gehen (30 %) (vgl. Reißig u.a. 2006, S. 8). Bereits drei Monate später bei der zweiten Befragung haben die Hauptschulabsolventen ihre Pläne revidiert: Insgesamt sinkt die Zahl derjenigen, die eine Berufsausbildung aufnehmen wollen um 9%, dafür steigt die Anzahl derjenigen, die weiter zur Schule gehen wollen um 13%. Insbesondere Mädchen (sowohl deutscher Herkunft als auch mit Migrationshintergrund) haben von ihren ursprünglichen Ausbildungsplänen abgelassen, aber vor allem die Mädchen mit Migrationshintergrund haben ihre Pläne geändert und beschlossen weiter zur Schule zu gehen (plus 14%) (vgl. ebd. S. 9f).

Vergleich zwischen Plan und Realität

Die dritte Befragung im November 2004 zeigt, dass nur die Hälfte der Befragten, die eine Ausbildung aufzunehmen planten, dies realisieren konnten. Dabei fanden deutlich mehr Jugendliche ohne Migrationshintergrund einen Ausbildungsplatz. Die Jugendlichen mit Migrationshintergrund hingegen gehen im Vergleich zu Deutschen weitaus häufiger weiter zur Schule. Anzumerken ist, dass die Analyse nach Herkunft und Geschlecht zeigt, dass 40 % aller Mädchen mit Migrationshintergrund weiter zur Schule gehen und somit die größte Gruppe darstellen, die die Alternative des weiteren Schulbesuchs wählt (vgl. ebd. S.10ff).

Auch die anfangs nicht besonders präferierte Alternative der Aufnahme einer Berufsvorbereitungsmaßnahme wird verstärkt in Anspruch genommen. Die Anzahl der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die nach der Schule die Teilnahme an eine berufsvorbereitende Maßnahme planen, erhöht sich innerhalb dieser Zeit um 11%. Im Juni 2004 planen 17 % aller Hauptschulabsolventen diesen Schritt, im November 2004 sind es tatsächlich 26 %, die an einer berufsvorbereitenden Maßnahme teilnehmen. Das bedeutet, dass für die Zielgruppe der Übergang in die Ausbildung und die Berufsvorbereitung quantitativ gleich bedeutsam sind. Die Berufsvorbereitungsmaßnahmen sind in der Regel auf ein Jahr begrenzt. Daher ist zu erwarten, dass es denjenigen Jugendlichen, die im November 2004 an einer solchen Maßnahme teilnehmen gelingt, ein Jahr später eine Ausbildung aufzunehmen. Bei der Folgebefragung im November 2005, also ein Jahr nach der Aufnahme der Berufsvorbereitungsmaßnahme wird folgende Bilanz gezogen: Nur 35% aller Jugendlichen, die vor einem Jahr eine Berufsvorbereitungsmaßnahme angefangen haben, befanden sich tatsächlich ein Jahr später in einer Ausbildung. Fast 30 % haben wiederum ein weiteres BVJ aufgenommen, was bedeutet, dass die BVJ ihren Zweck eines Zwischenschrittes auf dem Weg zu einer Ausbildung nicht erfüllt hat. Noch erschreckender ist die Tatsache, dass 15% aller Jugendlichen, die ein BVJ absolviert hatten sich ein Jahr später weder in einer weiteren BVJ-Maßnahme noch in einer Ausbildung befanden (ebd. S. 12).

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Längsschnittstudie „Schule – und dann?“ lässt sich feststellen, dass 1. der sofortige Anschluss von der Schule in eine Ausbildung nur einem kleinen Teil der Jugendlichen gelungen ist und dass 2. der weitere Schulbesuch eine Alternative für die Jugendlichen ist. Allerdings streben ihn insbesondere Jugendliche mit Migrationshintergrund von vornherein an. Sie weichen auch verstärkt auf berufsvorbereitende Maßnahmen aus. Im Zusammenhang mit diesem Ergebnis stellen die Forscherinnen des DJI die berechtigte Frage, ob es sich dabei um eine Strategie der „Chancenoptimierung“ durch das Erlangen von besseren und qualifizierten Abschlüssen handelt oder dabei die Tatsache zu Grunde liegt, dass insbesondere Jugendliche mit Migrationshintergrund von vorn herein davon ausgehen, schlechte Startchancen zu haben und es ihnen vielleicht darum geht überhaupt erst einmal „versorgt“ zu sein.

Auch eine weitere Untersuchung, die an die Ergebnisse der Untersuchung „Schule – und dann?“ anknüpft, wirft die Frage dieser Optionslogik auf. Diese soll im Folgenden präsentiert werden.

“Hauptsache eine Ausbildung“ – eine Fallstudie von Petra Purschke (2007)

Die Studie „Hauptsache eine Ausbildung“ ist eine qualitative Fallstudie, die 2005/2006 von Petra Purschke im Auftrag des DJI auf der Grundlage von Leitfadeninterviews durchgeführt wurde. Diese Studie richtet sich in ihrer Ausführung nach der oben präsentierten DJI-Längsschnittuntersuchung zum Übergang der HauptschulabsolventInnen von der Schule in die berufliche Ausbildung. Sie konzentriert sich allerdings ausschließlich auf die Gruppe der Jugendlichen mit Migrationshintergrund (4 türkische Jugendliche und 4 jugendliche Spätaussiedler mit Hauptschulabschluss, jeweils 2 Jungen und 2 Mädchen) und liefert vertiefende Erkenntnisse über ihre Bildungsorientierung, ihre beruflichen Vorstellungen und Hilfewahrnehmung. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse dieser qualitativen Studie präsentiert.

Bildungsorientierung und berufliche Vorstellungen der Befragten

Auch diese Studie bestätigt die vorhandene Bildungsorientierung – alle acht Befragten streben eine berufliche Ausbildung an und nehmen zum Teil Wartezeiten in Anspruch. Dennoch sind sie sich darüber im Klaren, dass diese Verzögerung nicht zu ihrem Gunsten ausfällt[21] (vgl. Purschke 2007, S. 113). Die Forscherin stellt fest, dass die vorhandene Bildungsorientierung bei den Jugendlichen im Wesentlichen von drei Faktoren beeinflusst wird – die schulischen Voraussetzungen, die sie mitbringen, den Berufswunsch, den sie verfolgen, und den elterlichen Hintergrund[22].

Die Mehrheit der befragten Jugendlichen hat die oben angesprochene Strategie des Chancenoptimierens eingesetzt, um die ungünstigen schulischen Voraussetzungen, die sie mitbringen zu verbessern – sie haben entweder einen einjährigen Kurs an einem Oberstufenzentrum oder aber ein einjähriges Berufsvorbereitungsjahr absolviert. Dennoch – so stellt die Forscherin fest – ist bei allen Befragten „die Tendenz einer mit Risiken behafteten Übergangsphase“ zu beobachten (Purschke 2007, S. 112) – alle acht Jugendlichen haben zum Zeitpunkt der Befragung immer noch keine Lehrstelle bekommen. Dabei spielen für sie die gleichen Kriterien beim Berufswunsch eine Rolle, die im Zusammenhang mit den Ergebnissen von Granato/Meissner (1994) erörtert wurden: Neben Spaß an der Arbeit und persönlichem Interesse für die Tätigkeit ist den Jugendlichen auch wichtig, dass der Beruf ihren eigenen Fähigkeiten entspricht und ihnen eine Existenzsicherung ermöglicht. Im Zusammengang mit den Faktoren, die einen direkten Einfluss auf die Berufsfindung nehmen, wird wiederholt die Rolle der Familie ersichtlich[23]. So konnten die jugendlichen Spätaussiedler in einem höheren Maße auf das Wissen und die Erfahrungen zurückgreifen, die ihre Eltern im beruflichen Kontext in Deutschland hatten. Die türkischstämmigen Befragten hingegen waren bei ihrer Berufsfindung verstärkt auf sich selbst angewiesen (vgl. Purschke 2007, S. 115f).

[...]


[1] Grunert, Cathleen. (2005). Zum Themenschwerpunkt “Bildungsbiographien und Bildungsverläufe“ (bildungsforschung, Jahrgang 2, Ausgabe 2): [online]. Available: http://www.bildungsforschung.org/Archiv/2005-02/zumthema/ [03.04.2009]

[2] Auf eine weitere Verwendung des Generationsbegriffs wird im Verlauf der Arbeit verzichtet, da er sehr unscharf und variabel ist (vgl. dazu z.B. Geißler, Rainer: Lebenslagen der Familien der zweiten Generation. In: IMIS-Beiträge 34/2008, S. 13-15). Stattdessen wird der Fokus auf eine bestimmte Altersgruppe gesetzt.

[3] Mit der Bezeichnung „junge Migrantinnen“ wird im weiteren Verlauf der Arbeit die von mir ausgewählte Zielgruppe der weiblichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Alter von 15 bis 21 Jahren gemeint.

[4] Mehr zu den unterschiedlichen Ansätzen in der geschlechtsspezifischen Migrantionsforschung – siehe Kapitel II: Forschungsstand und Quellenlage.

[5] Eine detaillierte Übersicht der Studien zum Bildungs- und Berufsverhalten von weiblichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund wird im Kapitel II: Forschungsstand und Quellenlage gegeben.

[6] Im Jahr 2007 blieben 20.546 LehrstellenbewerberInnen unversorgt (vgl. Berufsbildungsbericht 2008, S. 288)

[7] Eine detailierte Darstellung der Ergebnisse der Studie „Schule – und dann?“ des DJI wird im Kapitel II gegeben.

[8] Vgl. Bildungsbericht 2008, S. 11

[9] Dies soll unter Berücksichtigung der offiziellen Statistik und der einschlägigen Ergebnisse der PISA-Studie erfolgen.

[10] Aufschlussreiche Erkenntnisse zum Bildungsniveau von jungen Migrantinnen liefert die 2005 durchgeführte Studie „Viele Welten leben“ von Ursula Boos-Nünning und Yasemin Karakaşoǧlu, die ich unter Punkt 3 in diesem Kapitel präsentieren werde.

[11] Statistisches Bundesamt: [online]. Available: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/BildungForschungKultur/Schulen/Tabellen/Content75/AllgemeinbildendeSchulenSchulartAuslaendischeSchueler,templateId=renderPrint.psml [09.04.2009]

[12] Statistisches Bundesamt: [online]. Available: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/BildungForschungKultur/Schulen/Tabellen/Content75/BeruflicheSchulenAuslaendischeSchuelerSchularten,templateId=renderPrint.psml [09.04.2009]

[13] Z.B. Alba, R.; Handl, J.; Müller, W.: Ethnische Ungleichheiten im Deutschen Bildungssystem. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 46. 1994, H. 2, S. 209-237; Deutsches PISA-Konsortium: PISA 2000 – Ein differenzierter Blick auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland. Opladen 2003; Hunger, U.; Thrähnhardt, D.: Migration und Bildungserfolg: Wo stehen wir? In: IMIS-Beiträge 23. 2004, S.179 – 197.

[14] Die guten Leistungen derjenigen Migrantinnen, die in diesen Berufen eine Ausbildung absolvieren, zeigen allerdings, dass es nicht an ihren mangelnden Fähigkeiten oder an ihrer Eignung liegt (vgl. Granato/Meissner 1994).

[15] Interessant ist allerdings, dass sie im Vergleich zu Migrantinnen mit anderem ethnischen Hintergrund deutlich seltener eine Zusage bekommen haben.

[16] Dieser Zusammenhang wurde bei der PISA-Studie nachgewiesen.

[17] Die PISA-Studie weist zum Beispiel nach, dass in den meisten deutschen Ländern im Vergleich zu anderen OECD-Staaten die soziale Lage der Herkunftsfamilie einen ungewöhnlich starken Effekt auf die im Alter von 15 Jahren erreichte Lesekompetenz hat (vgl. Baumert u.a. 2006, S. 62f).

[18] Vgl. die oben präsentierten Ergebnisse der Studie von Granato/Meissner (1994) über die hohen Bildungsaspirationen der Eltern für ihre Töchter.

[19] Mehr als die Hälfte der befragten SchülerInnen hat einen Migrationshintergrund (vgl. Graupp u. a. 2004, S. 6).

[20] Von den 3922 Jugendlichen haben 1722 an allen fünf Befragungen teilgenommen.

[21] Die Tatsache, dass mit steigendem Alter der Bewerber die Chancen auf die Aufnahme einer Ausbildung noch mehr sinken, wird z.B. bei Troltsch/Ulrich (2003) erörtert.

[22] Purschke bestätigt in ihrer Studie den Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau der Eltern und die Bildungsorientierung der Jugendlichen. So haben z.B. die Eltern der türkischstämmigen Jugendlichen einen niedrigen Bildungshintergrund, was sich wiederum auf die eher ambivalente Bildungsorientierung ihrer Kinder auswirkt (vgl. Purschke 2007, S. 114).

[23] Der Einfluss der Familie auf die Bildungsorientierung und der Berufsfindung wurde bereits im Zusammenhang mit den Ergebnissen von Granato/Meissner (1994) und Boos-Nünning/Karakasoglu (2005) aufgeführt.

Ende der Leseprobe aus 133 Seiten

Details

Titel
Bildungs- und Berufsbiographien im Migrationskontext
Hochschule
Universität Osnabrück
Autor
Jahr
2009
Seiten
133
Katalognummer
V184425
ISBN (eBook)
9783668671836
Dateigröße
1024 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Migration, Gender, Frauenforschung, Übergang Schule Beruf
Arbeit zitieren
Raya Grudeva (Autor:in), 2009, Bildungs- und Berufsbiographien im Migrationskontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/184425

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