Die Kommunalaufsicht als Teil der institutionalisierten finanziellen Kontrolle von Kommunen

Die Aufsichtsregime in Bayern und Nordrhein-Westfalen


Masterarbeit, 2017

80 Seiten, Note: 1,6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungs Verzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Stand der Literatur und Zielsetzung der Arbeit
1.2 Fallauswahl und Vorgehen

2 Zur kommunalen Verschuldung
2.1 Interdependente Ursachenbündel kommunaler Haushaltsdefizite
2.1.1 Exogene Ursachen kommunaler Haushaltsdefizite
2.1.2 Endogene Ursachen kommunaler Haushaltsdefizite
2.2 Opferthese versus Verschwendungsthese

3 Unentbehrlichkeit eines Regimes der finanziellen Kontrolle
3.1 Grundsätzliche Bedeutung der Kontrolle
3.2 Unzulänglichkeiten der marktlichen Kontrolle
3.2.1 Nicht-existenter Eigenkapitalmarkt
3.2.2 Wenig disziplinierender Fremdkapitalmarkt
3.2.3 Wenig disziplinierender Absatzmarkt
3.3 Unzulänglichkeiten der Kontrolle durch die wähler
3.3.1 Ambivalente Interessen des Wählers
3.3.2 Wahlparadoxon (paradox of voting)
3.4 Implikationen des Konnexitätsprinzips

4 Akteure der finanziellen Kontrolle von Kommunen
4.1 Örtliche Prüfung
4.2 Überörtliche Prüfung
4.3 Kommunalaufsicht
4.3.1 Staatliche Aufsicht in Abhängigkeit der wahrgenommenen Aufgaben
4.3.2 Organisatorische Ansiedlung
4.3.3 Wesen der Kommunalaufsicht
4.3.4.1 Repressive Aufsichtsmittel
4.3.4.2 Präventive Aufsichtsmittel

5 Kommunalaufsicht im Vergleich der Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen
5.1 Zum Begriff der Effektivität
5.2 Organisatorische Ansiedlung und Aufgabenspektrum
5.2.1 Organisatorische Ansiedlung der Kommunalaufsicht
5.2.2 Aufgabenspektrum
5.3 Aufsichtsrechtliche Mittel in Bayern und Nordrhein-Westfalen
5.3.1 Informations-/Unterrichtungsrecht
5.3.2 Beanstandungs- und Aufhebungsrecht
5.3.3 Anordnungsrecht
5.3.4 Recht der Ersatzvomahme
5.3.5 Bestellung eines Beauftragten und der beratende Sparkommissar
5.3.5.1 ? estelimig eines ? eauftragten
5.3.5.2 Der beratende Sparkommissar
5.3.6 Auflösung der Vertretungskörperschaft
5.3.7 Vorzeitige Beendigung der Amtszeit des Bürgermeisters
5.3.8 Beratung
5.3.9 Anzeige- und Vorlagepflichten
5.3.9.1 Haushaltssatzung
5.3.9.2 Kreditähnliche Rechtsgeschäfte
5.3.10 Genehmigungsvorbehalte und Zulassung von Ausnahmen
5.3.10.1 Kreditähnliche Rechtsgeschäfte
5.3.10.2 Gesamtgenehmigung des Gesamtbetrags der vorgesehenen Kreditaufnahmen für
Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen
5.3.10.3 Einzelgenehmigung bei Kreditbeschränkungen nach dem StWG
5.3.10.4 Genehmigungsvorbehalte bezüglich der Kassenkredite
5.3.10.5 Gesamtgenehmigung des Gesamtbetrags der Verpflichtungsermächtigungen
5.3.10.6 Genehmigung eines Haushaltssicherungskonzeptes
5.4 Tatsächliche Anwendung der Aufsichtsmittel
5.4.1 Wenig restriktiver Mitteleinsatz
5.4.2 Divergierende Aufsichtspraxis
5.5 Zusammenfassung
5.6 Bewertung
5.6.1 Bewertungskriterien
5.6.2 Unklare Verantwortlichkeiten
5.6.3 Geeignetheit der präventiven Aufsichtsinstrumente
5.6.4 Durchsetzbares Sanktionspotenzial

6 Erarbeitung von Lösungsansätzen
6.1 Zur Notwendigkeit neuer Lösungsansätze
6.2 Zugrundeliegende Kriterien
6.3 Lösungsansätze
6.3.1 Trennung von Wächter- und Schutzfunktion
6.3.2 Rotation des Aufsichtspersonals
6.3.3 Punktuelle Erweiterung der Genehmigungsvorbehalte sowie des
Haushaltssicherungskonzeptes
6.3.3.1 Erweiterungen in Bayern
6.3.3.2 Erweiterungen in Nordrhein-Westfalen
6.3.4 Normierung eines Publikationsrechtes

7 Zusammenfassung

Anlagenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 : Die Kontrolle im Kontext des Managementzyklus

Abbildung 2: Organisatorische Ansiedlung der überörtlichen Prüfung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 : Ausgewählte Ursachen kommunaler Verschuldung

Tabelle 2: Die staatliche Aufsicht im Überblick

Tabelle 3: Die Kommunalaufsichtsbehörden in den Vergleichsländem

Tabelle 4: Die Aufsichtsmittel in den Vergleichsländem

1 Einleitung

Die in den jeweiligen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland installierte Kommu­nalaufsicht ist bislang vergleichsweise wenig erforscht und auch im internationalen Vergleich mangelt es zuweilen an vergleichbaren Institutionen. Dies führt dazu, dass sich um das Han­dein der Kommunalaufsicht in der Praxis teilweise Mythen und Legenden ranken. Fakt ist jedoch, dass ihr im Rahmen der finanziellen Kontrolle von Kommunen eine immanent wich­tige Aufgabe zuteilwird: Die Verhinderung von gemeindlichen Haushaltsdefiziten (vgl. Geiß- ler/Ebinger 2015, s. 14). Nachfolgend soll zunächst der Stand der Literatur zur Thematik re­kapituliert werden, ehe darauf aufbauend die Zielsetzung der Arbeit erläutert wird. Schluss­endlich soll außerdem das der Masterarbeit zugrundeliegende Vorgehen beschrieben werden.

1.1 Stand der Literatur und Zielsetzung der Arbeit

Da Sinn und Zweck der vorliegenden Masterarbeit nicht sein kann, lediglich bereits bekannte Literatur wiederzugeben und auf das Setzen eigener Akzente zu verzichten, ist eine grundle­gende Auseinandersetzung insbesondere mit der neueren Literatur rund um die Thematik von Nöten. Durch diese Auseinandersetzung sollen Forschungslücken identifiziert und anschlie­ßend zielgerichtet bearbeitet werden.

Der jüngste Forschungsstrang rund um das Thema Kommunalaufsicht widmet sich dem tat­sächlichen Wirken der Kommunalaufsichtsbehörden in der Praxis. Grundlegende Fragestel­lungen sind dabei beispielsweise nach welchen Kriterien das Aufsichtspersonal tatsächlich entscheidet oder welche unterschiedlichen Aufsichtsphilosophien in den Aufsichtsbehörden tatsächlich existieren (vgl. Geißler/Ebinger 2015). Dieser Strang ist in ein umfangreiches For­schungsprojekt der Bertelsmann-Stiftung eingebettet, die den Anspruch erhebt das Thema systematisch abarbeiten zu wollen. Aufgrund der Doppelungsgefahr kann hierin keine For­schungslücke identifiziert werden, in welche die Masterarbeit vorstoßen könnte.

Einen weiteren wichtigen Strang stellen Vergleiche des kommunalaufsichtlichen Rechtsrah­mens dar, wobei Zabler et al. (2016) sowie Holler (2013) die wohl prominentesten aktuellen Beispiele darstellen. Dem ersteren Vergleich mangelt es meines Erachtens an einer gewissen Detailtiefe, was wohl hauptsächlich dem Umstand geschuldet ist, dass sich der Vergleich auf alle statt auf lediglich ausgewählte Bundesländer bezieht. Beispielhaft sei hier angeführt, dass die zusammenfassende vergleichende Tabelle aussagt, dass in allen Bundesländern grundsätz- lieh kommunalaufsichtliche Anzeige- und Vorlagepflichten existieren (vgl. Zabler et al. 2016, s. 8). Dies mag wohl stimmen, entscheidend ist jedoch meines Erachtens eine ganz andere Frage: Welchen Inhalt haben jene Anzeigepflichten und welche gemeindlichen Maßnahmen sind der Kommunalaufsicht denn eigentlich vorzulegen? Dass in solchen Detailfragen teils gravierende Unterschiede zwischen den Ländern bestehen können, übersieht der Vergleich schlichtweg. Holler vermengt in seinem Vergleich hingegen rein kommunalaufsichtliche In­strumente mit allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen, sodass sich der von ihm ent­wickelte Index bezüglich des haushaltsrechtlichen Ordnungsrahmens nicht ausschließlich auf die Kommunalaufsicht bezieht.

Alle bislang genannten Beiträge eint ein weiterer Punkt. Sie verzichten auf die Ausarbeitung neuer Lösungsvorschläge, inwiefern das kommunalaufsichtliche Handeln künftig effektiver gestaltet werden könnte. In dieser Hinsicht ist in der Literatur ein gewisser Stillstand zu kon­statieren. Konkrete Verbesserungsvorschläge liefern stattdessen lediglich Glöck- ? er/Müh l en kamp (2009), wobei sich deren Lösungsvorschläge vielmehr auf das komplette institutionalisierte System der finanziellen Kontrolle von Kommunen beziehen anstatt aus­schließlich auf die Kommunalaufsicht.

Meines Erachtens klafft folglich eine Forschungslücke insbesondere dahingehend, dass kein detaillierter Vergleich der Aufsichtsregime in ausgewählten Bundesländern existiert, welcher zudem - aufbauend auf dem Vergleich und der Identifizierung von Schwächen - explizite Verbesserungsvorschläge zur Steigerung der Effektivität der Kommunalaufsicht beschreibt. Ziel der Arbeit ist es demnach mit dem Füllen dieser Lücke zu beginnen. Gegenstand der Ar­beit ist hingegen nicht die Beantwortung der Frage, welcher Grad der Verschuldung denn noch angemessen für eine Gemeinde ist. Ebenfalls kann und soll die Arbeit nicht die Frage beantworten, welchen exakten Anteil die Rolle der Kommunalaufsicht bei der Verhinderung von Haushaltsnotlagen einnimmt, sprich dass die Rolle der Kommunalaufsicht beispielsweise für 35 oder 45 Prozent der Gemeindeschulden in Nordrhein-Westfalen verantwortlich ist, während beispielsweise der Strukturwandel für 65 oder 55 Prozent verantwortlich ist.

1.2 Fallauswahl und Vorgehen

Zur Erreichung des skizzierten Ziels der Arbeit (und aufgrund der seitenmäßigen Limitierung) eignet sich insbesondere ein qualitatives Vorgehen in Form eines Rechtsvergleichs betreffend die Aufsichtsregime in den Vergleichsländem. Als Vergleichsländer sollen nachfolgend Bay- em und Nordrhein-Westfalen ausgewählt werden, da jene Länder teils unterschiedliche Vo­raussetzungen aufweisen und deswegen grob als zwei Pole charakterisiert werden können.

Zunächst ist festzustellen, dass die Verschuldungssituationen der bayerischen und nordrhein- westialischen Kommunen erheblich voneinander abweichen. Im Vergleich der Gesamtschul­den (Schulden beim öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereich inklusive der Auslagemngen) zwischen den Flächenländem zum 31.12.2016 rangieren die bayerischen Kommunen mit ei­ner Pro-Kopf-Verschuldung von 2.767 Euro auf dem ersten Platz. Dagegen tragen die Ein­wohner nordrhein-westialischer Kommunen eine Pro-Kopf-Verschuldung von 5.677 Euro und landen damit auf dem drittletzten Rang. Ähnlich gelagert ist die Situation bei den Kassenkre­diten. Auch hier sind die bayerischen Kommunen mit einer Pro-Kopf­Kassenkreditverschuldung von 20 Euro auf Platz 1 wiederzufinden, während die NRW-

Kommunen abermals auf dem drittletzten Rang landen mit einer Pro-Kopf-Last von 1.507 Euro je Bürger1 (vgl. Haushaltssteuerung.de 2017). Auch politisch ist eine gewisse Differenz zwischen den Vergleichsländem zu sehen, steht doch NRW (mit Ausnahme der Legislature- riode Rüttgers und der neu gewählten schwarz-gelben Regierung) seit Ende der 1960er Jahre nahezu durchgängig unter SPD-Führung, während Bayern beinahe schon traditionell unter CSU-Führung steht. Diese grundlegende Varianz zwischen den Ländern ermöglicht einen sinnvollen Vergleich. Zudem sind die Länder die beiden bevölkerungsmäßig größten Bundes­länder, sodass die getroffenen Aussagen von Relevanz für mehr als ein Drittel der Bundesbe­völkerung sind.

Da der exakte Anteil des aufsichtsrechtlichen Handelns an einer Verschuldungslage im Rah­men dieser Arbeit nicht quantifiziert werden soll (und wahrscheinlich auch niemals exakt quantifiziert werden kann), ist im ersten Teil der Arbeit darzulegen, ob dem Handeln der Kommunalaufsicht grundsätzlich ein Einfluss auf die Kommunalverschuldung zugeschrieben wird. Anschließend wird dargelegt, inwiefern ein institutionalisiertes Regime der finanziellen Kontrolle von Kommunen unentbehrlich ist, da sich andere denkbaren Formen der Kontrolle als schlichtweg unzulänglich entpuppen. Nachdem grundlegende Wesenszüge und ihre Stel­lung als Akteur der finanziellen Kontrolle von Kommunen beschrieben wurden, folgt der in­haltlich umfangreichste Teil der Arbeit. In jenem Rechtsvergleich werden sowohl organisato­rische Ansiedlung, das Aufgabenspektrum sowie die bestehenden Aufsichtsmittel in den Un- tersuchungsländem verglichen. Als Basis des Vergleichs fungieren überwiegend die Gemein­deordnungen der Länder Bayern2 und Nordrhein-Westfalen.3 Der Vergleich soll in detaillier­ter Weise Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede und letzten Endes Schwächen der Kommu­nalaufsicht aufdecken. Nach einer Analyse dieser Schwächen werden schlussendlich geeigne­te Therapieinstrumente zur Behebung dieser Schwächen vorgestellt. Ziel ist es, den konsta­tierten Stillstand in der Debatte damit zu überwinden. Abgerundet wird die Masterarbeit mit einem zusammenfassenden Fazit. Nähere Erläuterungen zum Inhalt eines Kapitels folgen zu­dem zu Beginn des jeweiligen Kapitels.

2 Zur kommunalen Verschuldung

Der im Laufe der Jahre insgesamt angehäufte kommunale Schuldenberg ist bei detaillierter Betrachtung durch ein erhebliches und darüber hinaus zunehmendes Maß an ?regionalen Dis­Paritäten“ (Deutscher Städtetag 2016, s. 6; vgl. auch Brand 2016, s. 4) gekennzeichnet. Diese Disparität äußert sich darin, dass ein Teil der Kommunen durchaus über eine solide Finanzia- ge verfügt, während demgegenüber eine große Teilmenge von Kommunen existiert, welche selbst bei makroökonomisch günstigen Voraussetzungen4 keinen Haushaltsausgleich erzielen können und folglich von steigender Verschuldung betroffen sind. Regelmäßig kommt es bei diesen Kommunen daher zu einem Anstieg der (Kassen-)Kredite5, um die jährlichen Aufwen­dungen decken zu können (vgl. Schwarting 2016_a). Nachfolgend sollen verschiedenartige Ursachen der kommunalen Verschuldung näher beleuchtet werden.

2.1 Interdependente Ursachenbündel kommunaler Haushaltsdefizite

Ebenso uneinheitlich wie die Zusanmiensetzung des Schuldenbergs an sich, gestalten sich die den Haushaltsdefiziten und somit der Verschuldung zugrundeliegenden Ursachen. Eine in der Literatur häufig anzutreffende Aufschlüsselung unterscheidet die Ursachen zunächst in recht­lich-institutionelle Rahmenbedingungen, sozioökonomische Rahmenbedingungen sowie kommunalendogene Entscheidungen (vgl. Bogumil et al. 2014, s. 615; Holler 2013, s. 58; Holtkamp 2007). Diese Aufteilung in drei große Stränge orientiert sich an Erkenntnissen der vergleichenden Staatstätigkeitsforschung bezüglich nationaler Haushaltsdefizite (vgl. Holt­kamp 2007, s. 4).

Rechtlich-institutionelle Rahmenbedingungen des kommunalen Handelns und die Einbindung der Kommunen in den föderalen Staatsaufbau detemiinieren grundsätzlich Umfang, Grenzen und Möglichkeiten der Einnahmen- und Ausgabensituation von Kommunen. Die sozioöko- nomischen Rahmenbedingungen konstituieren dagegen die örtliche Finanzkraft und den Be­darf an kommunalen Leistungen vor Ort. Unmittelbar zu Einnahmen und Ausgaben führen zudem die politischen, kommunalendogenen Entscheidungen. Diese Entscheidungen werden ihrerseits sowohl von den rechtlich-institutionellen sowie sozioökonomischen Rahmenbedin­gungen beeinflusst. Somit ist zu konstatieren, dass die drei genannten Ursachenbündel einen wechselseitigen Einfluss aufeinander ausüben (vgl. Holler 2013, s. 58). Der genaue Grad der Interdependenzen zwischen den Ursachenbündeln ist pauschal und allgemeingültig ebenso wenig bestimmbar wie beispielsweise ein pauschaler Wert für den Einfluss der drei Bündel auf die Verschuldungslage von Kommunen (vgl. Bogumil et al. 2014, s. 615; Banner 1985, s.

423). Vielmehr erfordert dies konkrete Einzelfallbetrachtungen entsprechend den Erkenntnis­interessen. Nachfolgend erfolgt eine nähere Erläuterung der drei Ursachenbündel, kategori­siert nach exogenen und endogenen Ursachen kommunaler Haushaltsdefizite.6

2.1.1 Exogene Ursachen kommunaler Haushaltsdefizite

Unter dem Begriff der exogenen Ursachen kommunaler Haushaltsdefizite werden die recht­lich-institutionellen sowie sozioökonomischen Rahmenbedingungen zusammengefasst, wel­che zu Defiziten beitragen können (vgl. Holtkamp 2007, s. 3, 17; Boettcher 2012, s. 67). Kennzeichen dieser exogenen Faktoren ist, dass sie in der Regel nicht direkt durch politische Entscheidungsträger vor Ort beeinflussbar sind (vgl. Bogumil et al. 2014, s. 615, 623).

Die erste typisch rechtlich-institutionelle Rahmenbedingung stellt die (vertikale) Verteilung der zu erledigenden Aufgaben zwischen den föderalen Ebenen dar, wobei die Aufgabenbelas­tung der Kommunen je nach Ausgestaltung des Rechtsrahmens variieren kann (vgl. Bogumil et al. 2014, s. 623; Junkemheinrich 2012, s. 30). In Verbindung mit der zweiten wichtigen rechtlich-institutionellen Rahmenbedingung, der Finanzausstattung von Kommunen, kann dies zu erheblichen Haushaltsdefiziten beitragen. Hauptursache für eine mangelnde Finanz­ausstattung können der Höhe nach unzureichende Zuweisungen aus dem kommunalen Fi­nanzausgleich sowie Verletzungen leitender finanzpolitischer Prinzipien7 sein. Letztlich ist auch diese Rahmenbedingung auf einen (vertikalen) Verteilungskampf zwischen föderalen Ebenen um Gelder zurückzuführen (vgl. Holtkamp 2007, s. 12; Bogumil et al. 2014, s. 623; Boettcher 2012, s. 68; Junkemheinrich 2012, s. 30). Ein Extremfall ist folglich in der Varian­te einer hohen rechtlich begründeten Aufgabenbelastung in Kombination mit chronischer Un­terfinanzierung der Kommunen zu sehen. Weiterhin - und in der Literatur konsensual vertre­ten - stellt die Rolle der Kommunalaufsicht einen wichtigen rechtlich-institutionellen Ein­flussfaktor dar (vgl. Holler 2012, s. 3; Zahler et al. 2016, s. 6; Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 410). Dieser Faktor ist insbesondere im Vergleich zwischen den Bundesländern von Be­deutung, da innerhalb eines Bundeslandes einheitliche Regelungen gelten. Rechtliche Nor­mierung erfahren die Instrumente der Kommunalaufsicht vornehmlich in den länderspezifi- sehen Kommunalverfassungen. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass ein größerer Ein­fluss im Zuge der Haushaltsaufsicht zu erhöhten Konsolidierungsanstrengungen seitens der Kommunen führt und damit die Verschuldung reduziert wird (vgl. Holtkamp 2007, s. 14). Dieser Grundsatz wird in der vorliegenden Masterarbeit ebenfalls als Annahme getroffen, auch wenn selbstredend eine unzureichende Haushaltskontrolle nicht als alleiniger Schulden­treiber angesehen wird.

Die sozioökonomischen Rahmenbedingungen, welche Einfluss auf die Verschuldungslage nehmen können, manifestieren sich insbesondere in der Wirtschafts-, Sozial- und Raumstruk­tur einer Kommune. Hierbei zeigt sich der Einfluss der Wirtschaftsstruktur auf die Finanzlage vordergründig durch das Angebot von Arbeitsplätzen in der Kommune und den damit ver­bundenen Möglichkeiten der Steuergenerierung (vgl. Zahler 2016, s. 440; Junkemheinrich 2012, s. 30). Das Bedarfsspektrum an kommunalen Leistungen hängt hingegen wesentlich von der Sozialstruktur einer Kommune ab, die sich beispielsweise in der Arbeitslosenquote oder der Altersstruktur/Seniorenquote widerspiegelt. Variierende Sozialstrukturen gehen ein­her mit einem variierenden Leistungsbedarf der Bevölkerung, beispielsweise im Bereich der Sozialleistungen oder hinsichtlich gewisser infrastruktureller Angebote und beeinflussen so­mit insbesondere die Ausgabenseite der Kommune. In diesem Zusammenhang stellen rück­läufige Bevölkerungszahlen eine besondere Herausforderung dar, da sich existierende infra­strukturelle Angebote aufgrund mannigfaltiger Widerstände und Problemstellungen oftmals nicht proportional zum Bevölkerungsrückgang abbauen lassen und folglich auf gleichbleiben­dem Niveau fortfinanziert werden müssen (vgl. Boettcher 2012, s. 68; Zahler 2016, s. 440; Holtkamp 2007, s. 12, 17). Einen weiteren Einflussfaktor bildet die Raumstruktur, wobei grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass Kommunen mit hohem Zentralitätsgrad überdurchschnittlichen Ausgabenbelastungen ausgesetzt sind. Hintergrund hierbei ist, dass die Wahrnehmung zentralörtlicher Funktionen in der Regel mit einem zunehmenden Leistlings­angebot beispielsweise in den Bereichen Bildung, Kultur, Gesundheit oder Verkehr einher­geht (vgl. Boettcher 2012, s. 68; Holtkamp 2007, s. 12).

2.1.2 Endogene Ursachen kommunaler Haushaltsdefizite

Neben den geschilderten exogenen Ursachen8 können zudem endogene Ursachen die kom­munale Verschuldung beeinflussen. Diese Faktoren sind besonders dann augenscheinlich, wenn es trotz ähnlicher rechtlich-institutioneller und sozioökonomischer Voraussetzungen zu erheblicher Varianz bezüglich der Verschuldungslage kommt (vgl. Holtkamp 2007, s. 3, 13). Im Gegensatz zu den exogenen Ursachen sind jene endogenen Ursachen quasi ?hausgemacht“ und somit durch die Akteure vor Ort beeinfluss- und verantwortbar (vgl. Bogumil et al. 2014, s. 615; Holtkamp 2007, s. 3).

So kann beispielsweise der lokale Demokratietyp Auswirkungen auf die Verschuldung einer Kommune haben (vgl. Junkemheinrich 2012, s. 30). Unter diesem Stichwort werden sowohl die Akteurskonstellation sowie die Intensität des Parteienwettbewerbs in der Kommune zu- sanmiengefasst. Eine für den Abbau von Verschuldung günstige Kombination dieser Aspekte liegt in der Folge dann vor, wenn aufgrund ihrer Stellung durchsetzungsstarke Steuerungspo­litiker auf einen Rat treffen, in welchem vergleichsweise geringer politischer Wettbewerbvorherrscht. Die exponierte Stellung des Steuerungspolitikers (also zumeist des Bürgermeis­ters) soll insbesondere die Möglichkeit schaffen, politische Widerstände und divergierende Interessenlagen überwinden zu können, während ein hoher Grad an zwischenparteilichem Wettbewerb tendenziell strategisches, wahltaktisch opportunes Verhalten der Politiker vor Ort fördert (vgl. Zahler 2016, s. 441; Boettcher 2012, s. 69-71). Weiterhin wird - abgeleitet aus der in der Politikwissenschaft prominenten Parteidifferenzhypothese - ein Zusammenhang zwischen der parteipolitischen Färbung des Rates und der Verschuldung einer Kommune her- gestellt.9 Regelmäßig wird dabei angenommen, dass politisch linke Mehrheiten in Räten ein tendenziell höheres Haushaltsdefizit bedingen als bei einer Mehrheit bürgerlicher Parteien (vgl. Bogumil et al. 2014, s. 624-625; Zahler 2016, s. 441). Als dritte endogene Ursache wird die kommunale Erblast angeführt, welche letzten Endes sogar bis in die sogenannte Vergeh- lichkeitsfalle führen kann (vgl. Junkemheinrich 2012, s. 30; Holtkamp 2007, s. 10). So kön­nen die Spielräume der aktuellen Entscheidungsträger durch Anhäufung von Schulden in der Vergangenheit massiv eingeschränkt werden. In der Konsequenz können folglich aktuelle Entscheidungsträger nicht in Gänze für die Schuldenlast einer Kommune verantwortlich ge­macht werden, da vielmehr Pfadabhängigkeiten vorliegen. Allerdings darf diese Erblast nie­mals einen Rechtfertigungsgrund für das ausschließlich passive Warten auf externe Hilfe zur Linderung der Haushaltsnöte darstellen. Diese Situation beschreibt das Abrutschen einer Kommune in die Vergeblichkeitsfalle (vgl. Schwarting 2016_b, s. 1; Holtkamp 2007, s. 10).

Die betrachteten Ursachen sollen nachfolgend tabellarisch zusammengefasst werden. Zu be­tonen ist, dass die hier aufgeführten vermuteten Ursachen keinesfalls abschließend sind.

Tabelle 1: Ausgewählte Ursachen kommunaler Verschuldung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Junkemheinrich 2012, s. 30.

2.2 Opferthese versus Verschwendungsthese

Ausgehend von der Aufteilung der Ursachen von Haushaltsdefiziten in exogene und endogene Faktoren, werden in der politischen wie öffentlichen Diskussion zwei konträre normative Ext­reme postuliert (vgl. Zahler 2016, s. 440).

Die Opferthese besagt dabei, dass kommunale Verschuldungslagen gänzlich ohne eigenes Zutun der betroffenen Kommunen entstanden sind und die Kommunen in der Folge lediglich als ?Verwalter des Elends“ (Grohs/Reiter 2014, s. 6) fungieren. Vielmehr sind die oben er­wähnten exogenen Faktoren - und hierbei insbesondere massive Aufgabenüberwälzung auf die Kommunen sowie sozioökonomische Detemiinanten - ausschlaggebend. Besonders prob­lematisch ist hierbei, dass dadurch die kommunale Demokratie aufgrund eingeschränkter Handlungsspielräume gefährdet wird. Prominent vertreten wird diese Sichtweise beispiels­weise vom Deutschen Städtetag. Da die Ursachen der Verschuldung dieser Logik nach aus­schließlich in exogenen Faktoren zu suchen sind, obliegt in der Folge auch die Lösung der Problematik exogenen Stellen. Konkret sind damit Forderungen nach einer stärkeren finanzi­ellen Unterstützung der kommunalen Ebene durch Bund und Land verbunden (vgl. Holtkamp 2007, s. 7; Bogumil et al. 2014, s. 615; Holtkamp 2012, s. 143). Würde in der vorliegenden Masterarbeit dieser Ansicht uneingeschränkt gefolgt werden, wäre die Arbeit obsolet. Die Rolle der Kommunalaufsicht wird zwar den exogenen Ursachen kommunaler Haushaltsdefizi­te zugeordnet, ihre Aufgabe besteht jedoch in der Kontrolle der kommunalen Akteure und deren Entscheidungen. Diese endogenen Entscheidungen hätten entsprechend der Opferthese keine Auswirkungen auf defizitäre Haushalte der kommunalen Ebene.

Die Gegenposition stellt in diesem Zusanmienhang die Verschwendungsthese dar. Sie betont die kommunal-inhärenten Versäumnisse, welche letzten Endes ursächlich für Haushaltsdefizi­te gemacht werden und schließt folglich an die geschilderten endogenen Ursachen an. Zudem werden zum Zwecke der angestrebten Haushaltskonsolidierung die mannigfaltigen Potenziale der kommunalen Ebene hierzu hervorgehoben. So können sowohl Haushaltsausgleich als auch die Erfüllung der obliegenden Aufgaben10 beispielsweise durch konsequenten Sparwil­len, den Einsatz von Sparkommissaren oder durch die Umsetzung von effizienzsteigemden (NPM-)Reformen erreicht werden. Gemeinhin wird diese Position von in Regierungsverant­wortung stehenden Politikern oder auch der Kommunalaufsicht vertreten (vgl. Holtkamp 2007, s. 8; Holtkamp 2012, s. 143). Würde diese Ansicht die vollständige Zustimmung als alleinige Ursache von Haushaltsdefiziten erhalten, zeigt sich die Notwendigkeit der in der Masterarbeit angestrebten Untersuchungen in besonderem Maße. Im Rahmen der Arbeit soll jedoch von einer grundsätzlichen Variabilität und Disparität der Ursachen ausgegangen wer­den, wodurch sowohl der Opfer- als auch der Verschwendungsthese eine gewisse Berechtigung eingeräumt wird. Dies legitimiert jedoch ebenfalls das Erkenntnisinteresse, da zumin­dest in Teilen von kommunalendogenen Ursachen der Verschuldung ausgegangen wird. Ob­solet wäre die Arbeit im Folgenden lediglich dann noch, wenn das institutionalisierte System der finanziellen Kontrolle von Kommunen - in welches die Kommunalaufsicht eingebettet ist - insgesamt nicht erforderlich wäre.11

3 Unentbehrlichkeit eines Regimes der finanziellen Kontrolle

Aus den soeben angeführten Gründen soll im folgenden Kapitel aus einer ökonomischen Per­spektive heraus erörtert werden, weshalb eine institutionalisierte Form der finanziellen Kon­trolle von Kommunen unerlässlich ist. Generell besteht die Notwendigkeit effektive Vorkeh­rungen zu treffen, welche die Gesamtheit der Bürger vor im ungünstigsten Falle ausschließ- lieh eigennutzorientierten Politikem und Bürokraten bewahrt. Jene beiden Gmppen können durch ihr dadurch motiviertes Handeln das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit wiederkehrend verletzten und somit zu ineffizientem Haushaltsgebaren beitragen. Durch Aus­schlussverfahren manifestiert sich dabei die zentrale Bedeutung eines institutionalisierten Sys­tems der finanziellen Kontrolle zur Erreichung dieses Ziels, denn so stellen sich einerseits marktliche Kontrolle wie auch Kontrolle durch den Wähler als entweder faktisch nicht­existent beziehungsweise unzulänglich dar. Zudem suggeriert die Ausgestaltung des Konnexi­tätsprinzips die Etabliemng eines Systems der finanziellen Kontrolle der Kommunen durch das finanzierende Bundesland (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 398). Zunächst werden jedoch grundsätzliche Bedeutung und Funktionen von Kontrolle näher beleuchtet und selbige in den Managementzyklus der kommunalen Ebene eingeordnet. Dies soll verdeutlichen, an welchen Stellen Kontrolle Wirkung entfalten kann.

3.1 Grundsätzliche Bedeutung der Kontrolle

Unter dem Begriff der Kontrolle wird allgemein ein Abgleich zwischen einer Plangröße und einer korrespondierenden Vergleichsgröße verstanden. Die Plangröße stellt dabei zumeist ein Ziel (beziehungsweise Soll) dar, wodurch ihr regelmäßig ein Prognose- oder Vorgabecharak­ter zukommt. Allerdings sind gerade Plangrößen häufig mit Unsicherheit verknüpft, da der zukünftige Zustand der Welt normalerweise nicht exakt prognostizierbar ist. Demgegenüber bildet die Vergleichsgröße in der Regel ein tatsächlich realisiertes Ergebnis - also ein Ist - ab. Das primäre Ziel des Abgleichs besteht darin, etwaige Planabweichungen feststellen zu kön­nen (vgl. Schweitzer/Schweitzer 2015, s. 356; Macharzina/Wolf 2015, s. 430). Zudem lässt sich die Kontrolle in den vier Phasen umfassenden Managementzyklus einordnen, welcher ebenfalls auf Kommunen angewendet werden kann:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Kontrolle im Kontext des Managementzyklus12

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schmalen 2002, s. 183; Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 401.

Die Phase der Zielsetzung spielt sich auf Ebene der Konmiunen in von den Bürgern gewähl­ten Kommunalparlamenten ab. Im Zuge einer politischen Auseinandersetzung einigt sich das Kommunalparlament auf die Festlegung bestimmter Ziele, die sich in der Haushaltssatzung wiederfinden. Die entsprechenden Sitzungen werden öffentlich ausgetragen und können von den Bürgern besucht werden. Darüber hinaus stehen den Bürgern bundeslandabhängig weitere Rechte wie etwa das Erheben von Einwendungen gegen den Entwurf der Haushaltssatzung zu. Außerdem sind die Konmiunen dazu verpflichtet die beschlossenen Haushaltssatzungen zu veröffentlichen (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 401.) In der Planungsphase sollen diejenigen Handlungsaltemativen bestimmt werden, welche den höchsten Zielerreichungsgrad sicherstellen. Planung kann demnach als ?gedankliche Vorbereitung zielgerichteter Entschei- düngen“ (Wöhe/Döring 2013, s. 73) aufgefasst werden. Im kommunalen Kontext findet diese Phase teilweise in den Kommunalparlamenten - und damit öffentlich - sowie andererseits rein verwaltungsintem statt. Gänzlich verwaltungsintem findet dagegen die Phase der Durch­Setzung statt, während derer Maßnahmen zur Zielerreichung realisiert werden. Hierfür müssen den angemessen qualifizierten Mitarbeitern alle notwendigen Informationen, Mittel sowie Instrumente zur Verfügung gestellt werden (vgl. Schweitzer/Schweitzer 2015, s. 335). Auf Ebene der Kommunen stellt der Haushaltsvollzug die Durchsetzungsphase dar.

Die abschließende Phase im Managementzyklus bildet die Kontrolle13, welche den bereits beschriebenen Abgleich zwischen Plan- und Vergleichsgrößen umfasst, über- oder unter­schreiten die dabei ermittelten Abweichungen im Vorfeld festgelegte Toleranzgrenzen, löst dies korrigierende Maßnahmen aus (Korrekturwirkung). Andernfalls kann auf das Einleiten jener Maßnahmen verzichtet werden (vgl. Macharzina/Wolf 2015, s. 433). Das Ziel der so in Gang gesetzten Rückkopplungen besteht stets darin, die sich negativ auswirkenden Abwei­chungen wieder in den Toleranzbereich zu führen. Von Nöten ist in der Folge eine Ursa­chenanalyse, welche in allen der Kontrolle vorangegangenen Phasen sowie in der Kontroll- phase selbst nach Auslösern der Abweichungen sucht. Die möglichen Rückkopplungen der Kontrolle erstrecken sich demnach auf sämtliche Phasen des Zyklus (vgl. Glöck­ner/Mühlenkamp 2009, s. 401; Staehle et al. 1999, s. 544-545).

Eine weitere bedeutende Wirkung der Kontrolle stellt die Disziplinierungsfünktion dar, wel­che Mitarbeiter zu zielgerichtetem Verhalten anhält und folglich hilft negativen Abweichun­gen vorzubeugen. Die Disziplinierung resultiert aus dem Wissen der Mitarbeiter um etwaige Kontrollmaßnahmen, wodurch selbigen Maßnahmen eine präventive Wirkung zukommt (vgl. Wöhe/Döring 2013, s. 156; Macharzina/Wolf 2015, s. 431). Zudem entfaltet Kontrolle eine Lemwirkung, da die Ursachen der Abweichungen analysiert werden und bestenfalls in kom­menden Perioden nicht mehr auftreten. Die Kalkulation der Plangrößen profitiert ebenfalls von dem durch Kontrolle generierten Erfahrungswissen und kann in künftigen Perioden exak­ter gestaltet werden (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 401; Wöhe/Döring 2013, s. 156).

Kontrolle darf jedoch trotz ihrer Stellung als ?letzter“ Phase im Managementzyklus nicht als reine Ex-Post-Kontrolle verstanden werden, die lediglich nach Beendigung der Durchset­Zungsphase eintritt. Würde man diesem Verständnis von Kontrolle folgen, so könnten die Wirkungen der Kontrolle regelmäßig erst in nachfolgenden Perioden eintreten. Vielmehr ist Kontrolle als laufender und begleitender Prozess aufzufassen, der insbesondere bereits in der Durchsetzungsphase abläuft und Korrekturmaßnahmen auslösen kann (vgl. Macharzina/Wolf 2015, s. 432; Schweitzer/Schweitzer 2015, s. 356). Die Kontrolle kommunaler Gebietskör­perschaften findet zwar durch Verwaltungsbehörden - und damit verwaltungsintem - statt, die Ergebnisse der Kontrolle sind jedoch teilweise von der interessierten Öffentlichkeit ein­sehbar. Dies können beispielsweise Berichte der örtlichen Rechnungsprüfungsämter oder Kommunalberichte der Landesrechnungshöfe sein (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 401).

3.2 Unzulänglichkeiten der marktlichen Kontrolle

Grundsätzlich ist zu konstatieren, dass die Mechanismen einer marktlichen Kontrolle auf der kommunalen Ebene entweder gänzlich unwirksam sind oder höchstens eine stark limitierte Wirksamkeit entfalten. Abgeleitet von den Grundannahmen der property rights-Theorie14 kann dies auf das Fehlen genügend wirksamer Eigentumssurrogate zurückgeführt werden (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 398; Brand 2014, s. 193). Unter den Begriff der Eigen­tumssurrogate werden sämtliche Elemente subsumiert, welche dem Individualeigentum ver­gleichbare Anreizeffekte innehaben (vgl. Picot et al. 2012, s. 64). Individualeigentum berech­tigt den Eigentümer eines Gutes einerseits jenes Gut nach seinen persönlichen Vorstellungen zu verwenden, andererseits beinhaltet es aber auch die Zurechnung sämtlicher positiver und insbesondere negativer Konsequenzen dieser Verwendung auf den Eigentümer. Hierdurch ergibt sich eine prinzipielle Einheit von Handlung und Haftung, was dazu fährt, dass knappe Ressourcen möglichst rational eingesetzt werden. Ein Verlust dieses Anreizeffektes tritt dann ein, wenn Eigentumsrechte derart verdünnt sind15, dass (negative) Handlungsfolgen im un­günstigen Falle auf die Gesellschaft als Ganzes überwälzt werden können und somit Wohl­fahrtsverluste entstehen (vgl. Berg et al. 2007, s. 256). Eigentumssurrogate sorgen in der Fol­ge dafür, dass diese Wohlfahrtsverluste mindestens abgemildert werden, indem sie Akteure dazu veranlassen auf das Abwälzen der negativen Handlungsfolgen zu verzichten (vgl. Picot et al. 2012, s. 64). Auf die Akteure disziplinierend wirkende Eigentumssurrogate können bei­spielsweise der Eigenkapitalmarkt, der Fremdkapitalmarkt oder der Absatzmarkt sein.

3.2.1 Nicht-existenter Eigenkapitalmarkt

Die disziplinierende Wirkung des Eigenkapitalmarkts auf Manager entfaltet sich dadurch, dass Anteilseigner einer privaten Unternehmung prinzipiell in der Lage sind ihre Anteile teil­weise oder in Gänze am Eigenkapitalmarkt zu veräußern16. Ihnen steht folglich eine einfache Exit-Option offen. Dies geschieht dann, wenn Akteure eine alternative, nutzenbringendere Einsatzmöglichkeit ihres Kapitals erkennen und ihre Anlagen dementsprechend umschichten. Für den nutzenmaximierenden Manager besteht die Gefahr darin, dass bei sinkendem Markt­wert ein gleichzeitig höheres Risiko der feindlichen Übernahme besteht, an welche im Regel­fall die Ablösung des offensichtlich wenig erfolgreichen Managers anknüpft (vgl. Pi­cot/Michaelis 1984, s. 261-262; Kaulmann 1987, s. 66-67).

Ein Eigenkapitalmarkt, welcher disziplinierende Wirkungen auf kommunale Entscheidungs­träger entfalten könnte, existiert allerdings nicht auf Ebene der Kommunen. So sind die Ein­wohner einer Konmiune, die bei Adaption der obigen privatwirtschaftlichen Perspektive als (Pseudo-)Anteilseigner bezeichnet werden können, nicht in der Lage eine vergleichbar einfa­che Exit-Strategie17 zu wählen und ihre (Pseudo-)Anteile zu veräußern (vgl. Glöck­ner/Mühlenkamp 2009, s. 398-399; Kaulmann 1987, s. 138).

3.2.2 Wenig disziplinierender Fremdkapitalmarkt

Im Gegensatz zum Eigenkapitalmarkt könnte der Fremdkapitalmarkt prinzipiell eine gewich­tige Rolle als Eigentumssurrogat übernehmen, machen deutsche Kommunen doch regelmäßig von Möglichkeiten der Fremdfinanzierung Gebrauch (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 399). Im Falle privatwirtschaftlicher Unternehmen führt ein sinkender Marktwert des Unternehmens zu einer gleichzeitigen Verschlechterung der Kreditkonditionen, da ein sinkender Marktwert ein höheres Risiko für den Fremdkapitalgeber impliziert. Die Kapitalaufnahme wird folglich teurer und schränkt die Handlungsmöglichkeiten des Managements ein (vgl. Kaulmann 1987, s. 67-68; Picot/Michaelis 1984, s. 263). Wegen der fehlenden Möglichkeit der Herausbildung eines Marktwerts von Kommunen entfallt diese Spielart der Disziplinie­rung jedoch (vgl. Picot/Kaulmann 1985, s. 964).

Weiterhin wird eine stärker disziplinierende Wirkung des Fremdkapitalmarkts durch das fak­tische Fehlen der Insolvenzgefahr von Kommunen verhindert. Ursächlich hierfür ist die von Fremdkapitalgebem regelmäßig angenommene Bail-Out-Kette, welche letzten Endes einen Haftungsverbund samt Einstandspflicht für Schulden zwischen Gebietskörperschaften ver­schiedener Ebenen bis hin zum Bund impliziert. Das Ausfallrisiko solcher Kredite hegt dieser Logik zufolge bei null, was schlussendlich in insgesamt besseren Kreditkonditionen für Kommunen im Vergleich zur Privatwirtschaft resultiert (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 416; Brand 2014, s. 193). Bestünde ein Kommunalinsolvenzregime und müsste das Ausfallri­siko eines Kommunalkredits im Rahmen eines Ratingverfahrens individuell geschätzt werden, so würden Kreditgeber vermutlich einen höheren Zinssatz verlangen und das Kapital somit verknappen (vgl. Brand 2013, s. 92). Der Fremdkapitalmarkt würde folglich eine disziplinie­rende Wirkung auf die kommunalen Entscheidungsträger entfalten. Zum aktuellen Zeitpunkt ist jedoch - aufgrund der beschriebenen Zusammenhänge - eine lediglich geringe disziplinie­rende Wirkung des Fremdkapitalmarkts zu konstatieren.

3.2.3 Wenig disziplinierender Absatzmarkt

Ein weiteres Eigentumssurrogat18 stellt im privatwirtschaftlichen Kontext der Absatzmarkt dar. Mit zunehmender Wettbewerbsintensität auf den relevanten Absatzmärkten des Unter­nehmens geht simultan die Notwendigkeit effizienten Wirtschaftens des Unternehmens ein­her. Dies umfasst auch die stetige Reaktion auf Veränderungen wichtiger Aktionsparameter wie beispielsweise des Preises, wodurch der Kostenkontrolle durch die Manager eine beson­dere Bedeutung zukommt. Handelt ein auf wettbewerbsintensiven Absatzmärkten agierendes Unternehmen fortlaufend ineffizient, so wird ein sinkender Marktwert des Unternehmens wahrscheinlicher und die voran erläuterten Gefahren der feindlichen Übernahme können ein­treten. Die disziplinierenden Wirkungen des Absatzmarktes entfalten sich demnach in einem engen Wechselspiel mit dem Eigen- und Fremdkapitalmarkt (vgl. Kaulmann 1987, s. 75-76; Picot/Michaelis 1984, s. 264-265).

Für die kommunale Ebene trifft diese Argumentationskette allerdings bloß eingeschränkt zu, da für ihre Leistangen (Produkte wie Dienstleistungen) in den häufigsten Fällen kein gewöhnlicher Absatzmarkt existiert (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 399). Die Wettbewerbsin­tensität ist somit im Vergleich zur Privatwirtschaft regelmäßig deutlich geringer, der Zwang zu Anpassungen an neue Marktbedingungen und damit zum unbedingten effizienten Handeln ebenfalls. Eine partielle Ausnahme bilden hierbei kommunale Unternehmen, welche durchaus auf regulären Absatzmärkten anzutreffen sind. Jedoch ist hierbei die oftmals vorhandene ??- nopolistische Preissetzungsmacht solcher Unternehmen zu beachten, wodurch die Wettbe­werbsintensität abermals eingeschränkt wird. Im Extremfall - animiert von der entsprechen­den öffentlichen Stimmungslage - wird der Staat zudem sogar defizitären öffentlichen Unter­nehmen dauerhaft Finanzmittel nachschießen (vgl. Picot/Kaulmann, 1985, s. 965; Glöck­ner/Mühlenkamp 2009, s. 399).

3.3 Unzulänglichkeiten der Kontrolle durch die Wähler

Neben der marktlichen Kontrolle in all ihren Ausprägungen erweist sich die Kontrolle durch die Wähler (in ihrer Stellung als Pseudoanteilseigner von Kommunen) als ebenfalls unzuläng- lieh, um effektive Vorkehrungen zur Vermeidung ineffizienten Finanzgebarens treffen zu können. Dies ist einerseits auf die ambivalenten Interessen der Wähler und andererseits auf ein zu beobachtendes Wahlparadoxon zurückzufähren.

3.3.1 Ambivalente Interessen des Wählers

Verschiedene Wähler oder Wählergruppen können prinzipiell breit gestreute Ziele und Inte­ressen verfolgen, die zudem im Zeitablauf veränderlich sind. Unzutreffend ist jedenfalls, Wählern ein generelles Interesse an einer wirtschaftlich effizient handelnden Kommune zu attestieren. Folglich muss davon ausgegangen werden, dass die Kontrolle durch den Wähler hinsichtlich Effektivität einer institutionalisierten Form der finanziellen Kontrolle unterlegen ist. Hintergrund hierbei ist die ambivalente Stellung des Wählers, welcher regelmäßig sowohl als Emplanger, als auch als Finanzier staatlicher Leistungen in Erscheinung tritt. In seiner Rolle als Finanzier wird der Wähler dabei ein reges Interesse an einem effizienten Finanzge­baren der Kommunen besitzen. Er möchte - bei gleichzeitig möglichst geringer Abgabenbe­lastung - seine entrichteten Steuern, Gebühren und Beiträge effizient eingesetzt sehen. Hat der Wähler allerdings die Rolle des Empfängers staatlicher Leistungen inne, so verändert sich seine Interessenlage. Er will nun das Maximum an Leistung empfangen und nimmt dafür auch eine ausgabenexpansive und ineffiziente öffentliche Hand in Kauf, sofern er mindestens einen Teil der dafür anfallenden Kosten auf andere Wähler oder Wählergruppen überwälzen kann (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 399-400; Mühlenkamp 2012, s. 28).

Das angestrebte überwälzen der Kosten ist besonders dann aussichtsreich, wenn sich Wähler zu Interessengruppen zusammenschließen. Anschließend an die von Mcmcur Olson fomiulier- te Theorie der Interessengruppen gelingt dies regelmäßig kleinen sowie Partikularinteressen verfolgenden Gruppen am besten (vgl. Blankart 2011, s. 169-170). Das politische System bietet folglich Anreize zur Bildung solcher Interessengruppen. Problematisch dabei ist, dass der politische Einfluss von Interessengruppen häufig zum Beitreiben von ?Rent-seeking“ ge­nutzt wird. Die einflussnehmenden Gruppen und deren Akteure versprechen sich dadurch ein leistungsloses Zusatzeinkommen Allerdings können die flir das ?Rent-seeking“ eingesetzten knappen Ressourcen nicht mehr für das ?Profit-seeking“ am Markt eingesetzt werden, sodass in der Konsequenz Wohlfahrtsverluste entstehen (vgl. Berg et al. 2007, s. 308-309). Aufgrund der dargelegten Anreizsystematik ist bei der Kontrolle durch den Wähler von einer politischen Fehlsteuerung zu reden.

3.3.2 Wahlparadoxon (paradox of voting)

Die (wahlberechtigten) Einwohner einer Kommune können - wie bereits erläutert - als (Pseudo-)Anteilseigner jener Gebietskörperschaft aufgefasst werden, woraus grundsätzlich eine Dekonzentration der Anteile resultiert. Eine vergleichbar breite Streuung der Anteile auf eine Vielzahl von Anlegern existiert in privatwirtschaftlichen Publikumsgesellschaften. Prob­lematisch hinsichtlich der Ausübung von Kontrolle durch die Anteilseigner ist dabei, dass die Kosten der Kontrolle19 vergleichsweise schnell den erwarteten Nutzen der Kontrolle überstei­gen werden. Ein geringer Anteil an der Unternehmung wird im Regelfälle auch mit einem geringen tatsächlichen Einfluss des Anteileigners einhergehen. Folglich werden Kontrollakti- vitäten unterbleiben, da nach rationalen Gesichtspunkten eine Kontrolle lediglich dann erfol­gen wird, wenn der erwartete Nutzen die aufzubringenden Kosten übersteigt (vgl. Pi­cot/Kaulmann 1985, s. 958; Picot/Michaelis 1984, s. 258). überdies besteht das Problem des Free-Rider-Verhaltens, da der aus der Kontrolle entstehende Nutzen für den Personenkreis der Anteilseigner ein öffentliches Gut darsteht. Von den Kontrollaktivitäten eines Anteileigners profitieren demnach ebenso die restlichen Anteilseigner in Gestalt eines positiven externen Effektes, während ein Ausschluss selbiger nicht möglich ist (vgl. Picot/Michaelis 1984, s. 259; Picot/Kaulmann 1985, s. 958-959).

Auf der kommunalen Ebene steht den Bürgern das aktive Wahlrecht zur Verfügung, um im Zuge der Wahlen des Gemeinderats oder des Bürgermeisters die Zusammensetzung kommu­naler Organe zu beeinflussen. Der aus dieser demokratischen Kontrolle und Einflussnahme resultierende Nutzen ist ebenfalls als öffentliches Gut zu charakterisieren und beinhaltet folg- lieh zwingend die Eigenschaft der Nichtausschließbarkeit. Somit profitieren auch hier die restlichen Bürger der Kommune von den Kontrollaktivitäten eines einzelnen Bürgers, welcher die für den Kontrollaufwand entstandenen Kosten nicht intemalisieren kann und somit einen positiven externen Effekt generiert. Diese Konstellation ermöglicht den restlichen Bürgern ebenso ein Free-Rider-Verhalten, welches letztlich in unterbleibenden Kontrollaktivitäten resultieren müsste (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 399). Die Free-Rider-Problematik könnte einerseits durch Vereinbarungen bezüglich gemeinsamer Kontrollaktivitäten sämtli- eher Bürger gelöst werden. Allerdings impliziert diese Lösung extrem hohe Transaktionskos­ten in Forni von Koordinationskosten und kann zudem nicht verhindern, dass einzelne Bürger weiterhin auf einen ?free ride“ spekulieren (vgl. Picot/Michaelis 1984, s. 259). Eine analog zur Privatwirtschaft mögliche Konzentration der Stimmrechte auf einzelne Bürger20 erfahrt auf kommunaler Ebene aktuell keine rechtliche Verankerung und scheidet damit als Lösung des Free-Rider-Problems ebenfalls aus. Aufgrund der fehlenden Möglichkeit der Stimmen­bündelung folgt, dass Bürger im Rahmen von Wahlen lediglich einen verschwindend gerin­gen Einfluss (auf das Wahlergebnis) ausüben können. Dementsprechend dürfte der daraus resultierende Nutzen gering ausfallen. Demgegenüber stehen die für die Wahlteilnahme auf­zuwendenden Kosten des einzelnen Wählers, welche regelmäßig über dem geringen Nutzen liegen dürften (vgl. Blankart 2011, s. 545; Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 399). Annahme­gemäß rational handelnde Akteure werden in der Folge nicht an der Wahl partizipieren und auf das Ausüben demokratischer Kontrolle verzichten, da ihre Kosten ihren Ertrag überstei­gen. Das Wahlparadoxon (paradox of voting) zeigt sich nun darin, dass in der Realität regel­mäßig hohe Wahlbeteiligungen zu verzeichnen sind. Die Teilnahme an der Wahl kann folg- lieh nicht alleine darauf zurückgeführt werden, dass Bürger mittels der Wahl demokratische Kontrolle ausüben wollen. Vielmehr müssen weitere intrinsische Faktoren die Entscheidung zur Teilnahme an der Wahl beeinflussen (vgl. Mueller 2003, s. 303-308; Glöck­ner/Mühlenkamp 2009, s. 399-400; Downs 1957, s. 260).

3.4 Implikationen des Konnexitätsprinzips

Neben den betrachteten Unzulänglichkeiten zweier alternativer Fomien der Ausübung von Kontrolle, impliziert auch die Ausgestaltung des föderalen Systems der Bundesrepublik eine Aufsicht der kommunalen Ebene durch die Ebene der Länder. Kennzeichnend für die Stellung der Länder im Verhältnis zu ihren Kommunen ist, dass sie sowohl als Auftraggeber und Fi­nanzier füngieren21 (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 400). Besonderer Bedeutung kommt demnach dem in den Landesverfassungen22 normierten Konnexitätsprinzip zu, welches re­gelmäßig bei landesrechtlichen Aufgabenübertragungen vom Land auf die Kommunen Wirk­samkeit erfahrt. Verpflichtet das Land - in seiner Rolle als Auftraggeber - die Kommunen zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe, so hat es auch gleichzeitig - nun in der Rolle als Finanzier - die Finanzierung sicherzustellen. Der fundamentale Gedanke des Prinzips be­steht somit in der Herstellung einer Konnexität von Aufgabenverantwortung und Finanzaus­stattung (vgl. Mann/Elvers 2007, s. 184; Schoch/Wieland 1995, s. 38-40).

Die beschriebene Rolle des Bundeslandes als Finanzier lässt zudem eine weitere Implikation zu. Aufgrund der Übernahme der finanziellen Last wird ein regelmäßiges Ziel des Bundeslandes darin bestehen, den sparsamen und wirtschaftlichen Umgang der Kommunen mit den überlassenen Finanzmitteln zu kontrollieren.23 Folglich sind die Kommunen im Zuge der Finanzausstattung durch das Land als rechenschaftspflichtig gegenüber selbigem Land anzusehen (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, S. 400). Die Legitimation der Kontrolle entsteht demnach im Moment der Finanzausstattung durch das Land. Zur Zielerreichung kann in der Folge beispielsweise die Ausgestaltung eines institutionalisierten Systems der finanziellen Kontrolle angestrebt werden.

4 Akteure der finanziellen Kontrolle von Kommunen

Im Allgemeinen kann das institutionalisierte System der finanziellen Kontrolle als dreistufi­ges System aus örtlicher Prüfung, überörtlicher Prüfung und Kommunalaufsicht beschrieben werden (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 403-404). Die Notwendigkeit dieser institutio­nalisierten Kontrolle wurde bereits in Kapitel 3 der Arbeit aufgezeigt. Nachfolgend werden grundlegende Charakteristika der drei Formen skizziert, wobei der Schwerpunkt auf das Wir­ken der Kommunalaufsicht gerichtet ist. Nicht-institutionalisierte Fomien der Kontrolle wie die (nicht zwingende) Kontrolle durch externe Dritte (Fremdkapitalgeber, informierte Bürger oder Presse) sind nicht Gegenstand der Betrachtung.

4.1 Örtliche Prüfung

Grundsätzlich kann die örtliche Prüfung als ?Innenprüfüng“ (Binus 2005, s. 70) bezeichnet werden, da der Gemeinde- oder Stadtrat das Handeln der Verwaltung kontrolliert, welche gemäß des Managementzyklus für den Haushaltsvollzug verantwortlich ist. Die im Rahmen der Prüfung generierten Ergebnisse sind zwingend dem Gemeinde- oder Stadtrat zuzuleiten. Aufgrund dieser innergemeindlichen Kette stellt die örtliche Prüfung ein wichtiges Element der Selbstkontrolle des gemeindlichen Finanzgebarens dar. Ihr kommen im Rahmen der Durchführung ihrer Aufgaben Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit zu (vgl. Brüning/Vogelgesang 2009, s. 69; KGSt O.J.; Kämmerling 2011, s. 353).

Bezüglich der konkreten Aufgabenwahmehmung existieren zwar unterschiedliche Regelun­gen in den einzelnen Bundesländern, allerdings kann zwischen zwei Urfomien unterschieden werden. Die erste Variante zeichnet sich dadurch aus, dass die Aufgaben der örtlichen Prü­fung durch ein hierfür einzurichtendes Rechnungsprüfungsamt wahrgenommen werden, wes­halb dieses Modell in der Folge als institutionalisierte Lösung beschrieben wird. Die Einrich­tungspflicht geht regelmäßig mit der Überschreitung bestinmiter Einwohnerzahlen oder dem kreisfreien Status einer Stadt einher. Erfüllen Gemeinden/Städte diese Kriterien nicht, können Die beschriebene Rolle des Bundeslandes als Finanzier lässt zudem eine weitere Implikation zu. Aufgrund der Übernahme der finanziellen Last wird ein regelmäßiges Ziel des Bundeslan­des darin bestehen, den sparsamen und wirtschaftlichen Umgang der Kommunen mit den überlassenen Finanzmitteln zu kontrollieren. Folglich sind die Kommunen im Zuge der Fi­nanzausstattung durch das Land als rechenschaftspflichtig gegenüber selbigem Land anzuse­hen (vgl. Glöckner/Mühlenkamp 2009, s. 400). Die Legitimation der Kontrolle entsteht dem­nach im Moment der Finanzausstattung durch das Land. Zur Zielerreichung kann in der Folge beispielsweise die Ausgestaltung eines institutionalisierten Systems der finanziellen Kontrolle angestrebt werden.

[...]


1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.

2 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBI. s. 796, BayRS 2020-1-1-1), die zuletzt durch Art. 17a Abs. 2 des Gesetzes vom 13. De- zember2016 (GVBI. s. 335) geändert worden ist.

3 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GV. NRW. s. 666), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2016 (GV. NRW. s. 966).

4 Exemplarisch seien hier ein niedriges Zinsniveau sowie hohe Steuereinnahmen genannt (vgl. Brand 2016, S. s 2-3; Schwarting 2016_a).

5 Die sogenannten ?Kassenkredite“ werden in der Literatur regelmäßig als maßgeblicher Krisenindika­tor herangezogen (vgl. Hansmann 2011, s. 90; Holtkamp 2010, s. 16; Boettcher 2013, s. 15). In der kommunalen Bilanz - hier am Beispiel Nordrhein-Westfalens - sind sie gemäß § 41 Abs. 4 Nr. 4.3 GemHVO NRW als Verbindlichkeiten aus Krediten zur Liquiditätssicherung ausgewiesen. Weitere Synonyme stellen die Begriffe Liquiditätskredit und Kassenverstärkungskredit dar.

6 Die weitergehende Unterteilung der Ursachenbündel in exogene und endogene Ursachen ist die gängigste Art der Unterteilung in der Literatur. Lediglich vereinzelt verwenden Autoren divergierende Bezeichnungen, so zum Beispiel Zabler der von gemeinde-externen und gemeinde-internen Variablen spricht (vgl. Zabler 2016, s. 440).

7 Vordergründig ist hierbei das Konnexitätsprinzip zu nennen (vgl. Holtkamp 2007, s. 12).

8 Endogene Ursachen kommunaler Haushaltsdefizite sind Im Gegensatz zu den exogenen Ursachen bislang weitaus seltener Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen, wohl auch wegen Ihrer ver- glelchswelse problematischen Messbarkeit (vgl. Holtkamp 2007, s. 17; Zabler 2016, s. 441).

9 Empirisch ist dieser Zusammenhang jedoch stark umstritten und nicht eindeutig nachweisbar (vgl. Holtkamp 2007, S. 9-10, 17).

10 Diese zwei Aspekte stellen die obersten Maximen des kommunalen Handelns dar (vgl. Holtkamp 2007, s. 8).

11 Der zentrale Begriff der ?finanziellen Kontrolle“ wird In Anschluss an Glöckner/Mühlenkamp Insofern verstanden, dass er ?alle Regeln und Mechanismen zur Gewährleistung der Einhaltung haushalts­rechtlicher Bestimmungen einschließlich des Wirtschaftlichkeitsgebotes umfasst“ (Glöck­ner/Mühlenkamp 2009, s. 398). Somit beinhaltet er notwendigerweise - aber eben nicht ausschließ- lieh - das Wirken der Kommunalaufsichtsbehörden. Die Einbettung der Kommunalaufsichtsbehörden In das mehrere Ebenen umfassende System der finanziellen Kontrolle wird In Kapitel 4 beschrieben.

12 Die Phaseneinteilung variiert zwischen den Autoren. Anderweitige Einteilungen nehmen beispiels­weise Schweitzer/Schweitzer (2015, s. 330) oder Wöhe/Döring (2013, s. 47-48) vor. Gemeinsam ist den Einteilungen jedoch, dass die Kontrolle als ?letzte“ Phase eines jeden Zyklus angeordnet wird.

13 Eine Zusammenstellung verschiedener Kontrollarten liefern Schweitzer/Schweitzer (2015, s. 357).

14 Für eine überblicksartige Darstellung der property rights-Theorie vgl. Picot et al. 2012, s. 57-69.

15 Dies ist im öffentlichen Sektor regelmäßig der Fall (vgl. Kaulmann 1987, s. 160).

16 Dies wird regelmäßig auf organisierten Finanzmärkten wie einer Börse erfolgen.

17 Eine denkbare Exit-Option besteht In der wortwörtlichen Abwanderung aus der Kommune, welche allerdings mit erheblichen direkten wie indirekten Kosten verbunden Ist.

18 Die disziplinierende Wirkung des Absatzmarktes auf Manager privater Unternehmen wird jedoch in der Literatur weniger konsensual vertreten als jene Wirkungen des Eigenkapital- und Fremdkapital­marktes (vgl. Kaulmann 1987, s. 76).

19 Zwei Beispiele hierfür stellen etwa Kosten der Informationsbeschaffung und -Verarbeitung dar.

20 Sogenanntes Pluralwahlrecht (vgl. Nohlen 2014, s. 44).

21 Ob die Länder darüber hinaus auch Bestandteil einer Ball-Out-Kette sind - und damit Im Falle der Zahlungsunfähigkeit einer Kommune folglich einstandspflichtig - Ist bislang weder durch Rechtspre­chung noch Schrifttum eindeutig beantwortet worden (vgl. Korloth/Müller 2016, s. 403).

22 Sämtliche Flächenländer haben In Ihren jeweiligen Landesverfassungen - wenn auch verschieden­artig ausgeprägt - das Konnexitätsprinzip zwischen Land und Kommunen verankert (Stand: 23. Feb­ruar 2017). Exemplarisch sei an dieser stelle § 78 Abs. 3 LV NW erwähnt. Die Stadtstaaten scheiden aus der Betrachtung aus, da sie über keine eigentliche kommunale Ebene verfügen.

23 Das Kontrollinteresse des Landes wird zudem weiterhin ansteigen, sollte die grundsätzliche Ein­standspflicht der Länder für ihre Kommunen gesetzgeberisch oder gerichtlich konstatiert werden.

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Die Kommunalaufsicht als Teil der institutionalisierten finanziellen Kontrolle von Kommunen
Untertitel
Die Aufsichtsregime in Bayern und Nordrhein-Westfalen
Hochschule
Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer (ehem. Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer)  (Lehrstuhl für Öffentliche Betriebswirtschaftslehre)
Note
1,6
Autor
Jahr
2017
Seiten
80
Katalognummer
V439408
ISBN (eBook)
9783668792142
ISBN (Buch)
9783668792159
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kommunalaufsicht, Haushaltskonsolidierung, Kommunalschulden, Finanzielle Kontrolle von Kommunen, Vergleich der Kommunalaufsicht, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sparkommissar
Arbeit zitieren
Maximilian Eckhardt (Autor:in), 2017, Die Kommunalaufsicht als Teil der institutionalisierten finanziellen Kontrolle von Kommunen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/439408

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