Das Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar. Ein Nationaldenkmal?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

24 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Dichterdenkmal
2.1. Die Vorläufer: Goethe- und Schillerdenkmäler

3. Der Auftrag für ein Doppelstandbild
3.1. Der Entwurf von Christian Daniel Rauch
3.2. Ernst Rietschels Entwurf des Goethe-Schiller- Denkmals

4. Das Goethe-Schiller-Denkmal
4.1 Die Porträtvorbilder

5. Die Enthüllungsfeier
5.1. Kritik und Würdigung
5.2 Das Dichterstandbild als Nationaldenkmal?

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

8. Abbildungen

1. Einleitung

Aufgrund des 200. Todestages Friedrich Schillers am 9. Mai wurde dieses Jahr 2005 als Schillerjahr deklariert. Neben den Feierlichkeiten in ganz Deutschland und vor allem in Weimar, erschienen zahlreiche Neuauflagen seiner Werke, sowie Monographien, die Schiller in einen aktuellen Zeitbezug stellen und die Aktualität des Dichters betonen. Auch das Fernsehen lieferte zahlreiche Beiträge zum Leben und Schaffen des Dichters. In vielen dieser Dokumentationen war ein Bildnis immer wieder zu sehen: das 1857 von Ernst Rietschel fertig gestellte Doppelstandbild von Schiller und seinem Dichterkollegen und Freund Goethe auf dem Weimarer Theatervorplatz. Neben der Schillerbüste von Dannecker und den Goethebüsten von Rauch und Schadow, ist Rietschels Doppelstandbild wohl die prominenteste Darstellung der beiden Dichter in der bildenden Kunst.

Schon kurz nach der Aufstellung der Plastik und der Aufsehen erregenden Enthüllungsfeier, wurde von einem Nationaldenkmal gesprochen. In der vorliegenden Seminararbeit soll vor allem der Frage nachgegangen werden, ob bzw. inwiefern es sich bei dem Goethe-Schiller-Denkmal um ein Nationaldenkmal handelt. Zunächst soll jedoch auf das Dichterdenkmal, seine Tradition und Bedeutung eingegangen werden. Im folgenden wird dann konkret auf die beiden bedeutendsten Einzeldarstellungen von Goethe- bzw. Schiller eingegangen. Im Hauptteil richtet sich der Fokus schließlich auf das Doppelstandbild Rietschels, bzw. auf die Entwürfe seines Lehrers Rauch, der den Auftrag zuerst erhielt und ihn dann an seinen Schüler abtrat. All dies ist in der Literatur gut dokumentiert und zeigt die Forderungen auf, die an das Werk von den verschiedenen Förderern gestellt wurden. Auch die Enthüllungsfeier, die zeitgenössische Kritik und die Wirkung des Denkmals auf die Nachwelt geben uns Aufschluss über die Bedeutung des Denkmals für die Nationalbewegung dieser Zeit. Was erwarteten die Zeitgenossen von den Denkmal und inwieweit entsprach es den Forderungen des Volkes? Schließlich soll untersucht werden, ob es sich bei dem Weimarer Doppelstandbildnis um ein Nationaldenkmal handelt oder was im 19. Jahrhundert unter einem Nationaldenkmal zu verstehen ist.

2. Das Dichterdenkmal

In der frühen Neuzeit war vor allem das Fürstendenkmal die häufigste Form der Personendarstellung. So wurde die fürstliche Macht auf öffentlichen Plätzen allgegenwärtig in Erinnerung gerufen. Zu Beginn der Aufklärung begann sich dieses Monopol der Darstellbarkeit jedoch aufzulösen, da sich nun auch andere Persönlichkeiten, außer Feldherren und Staatsmänner, durch besondere Verdienste hervorheben konnten. Fürsten, denen ein öffentliches Denkmal errichtet wurde, mussten sich außerdem durch besondere Leistungen, die dem Staat zuträglich waren, auszeichnen. Um sich jedoch vom Volk trotzdem abzusetzen, behielten sich die Fürsten das Recht auf die Darstellung mittels eines Reiterdenkmals vor, welches schon in der Antike als angemessene Form der Herrscherdarstellung galt. Für die Darstellung von Dichtern gab es jedoch auch eine gewisse Tradition, auf die zurückgegriffen werden konnte.[1]

Schon in der Antike wurden große Geister wie Philosophen, Dichter und Redner, deren Gedankengut und Werke als zeitüberdauernd und universell galten, durch Standbilder geehrt. Im Unterschied zu der späteren Zeit, wurden auch lebenden Persönlichkeiten Standbilder errichtet. Im vom Christentum geprägten Mittelalter verschwanden diese Darstellungen, da sie nicht in den christlichen Heilsplan passten und somit nicht als darstellungswürdig galten. Erst in der nach dem Humanismus ausgerichteten Renaissance wurde das in der Antike entstandene Standbild wiederbelebt. Neben dem Reiterstandbild wurden auch Dichterstandbilder geschaffen. Einerseits handelte es sich, ganz im Sinne der Renaissance, um die Ehrung antiker Dichter, wie z.B. das Denkmal Vergils in Mantua aus dem 13. Jahrhundert. Vergil übernimmt jedoch nicht nur die Funktion des Stadtpatrons seiner Heimatstadt Mantua, sondern auch die des ehrenvollen Führers Dantes in der göttlichen Komödie.[2] Neben zahlreichen Darstellungen von Ovid, Vergil und Livius in florentinischen Stadtpalästen, die auch der Selbstdarstellung der Stadt dienten, existierten auch Denkmäler für die großen italienischen Dichterfürsten der Frührenaissance: Dante und Francesco Petrarca. Den beiden Dichtern sollten auch in der Folgezeit zahlreiche Statuen errichtet werden, da sie mit ihrer Dichtung den Grundstein für eine italienische Nationalsprache legten. Beide entschieden sich nach zahlreichen Schriften im damals gängigen Latein, für eine Dichtung in volgare, dem Toskanischen. Nördlich der Alpen griff man ebenfalls auf eine antike Vorstellung zurück. Dort stand der Aspekt des Nachruhmes im Vordergrund und die Dichter wurden als poeta laureatus mit dem Lorbeerkranz dargestellt. Ein solch nichtfürstliches Personendenkmal der Neuzeit konnte einerseits erst durch die Entstehung einer nicht mehr rein monarchisch geprägten Öffentlichkeit mit einem eigenen Selbstbewusstsein und andererseits durch das Erscheinen einer humanistischen Denkweise, welche die Jenseitsversprechungen des Mittelalters in Frage stellte, entstehen. Eine große Anzahl an Dichterdenkmälern entstand jedoch in der Aufklärung, da an den Dichter hohe gesellschaftliche Anforderungen gestellt wurden und den literarischen Leistungen ein besonderes patriotisches Verdienst zugesprochen wurde.[3] Zunächst war die Dichterverehrung jedoch ein privates Vergnügen. Sie nahm ihren Anfang in den Parks des englischen Hochadels und wurde bald auch an aufgeklärten deutschen und französischen Adelshöfen imitiert. Bei den aufgestellten Denkmälern handelte es sich jedoch eher um eine symbolische Gestaltung mittels Tempeln, Büsten und Gedenksteinen, die im Betrachter empfindsame Emotionen auslösen sollten.[4] Zum Ende des 18. Jahrhunderts hin wurden die Dichterdenkmäler in öffentlichen Gärten ausgestellt. Ein für diese Untersuchung besonders interessantes Beispiel stellt das 1799 in Göttingen enthüllte Denkmal für Gottfried August Bürger dar, da es den Wendepunkt von privater Denkmalskunst zum nationalistischen Dichtermonument dokumentiert. Der Aufstellungsort, die Ulrichischen Gärten, waren eine Parkanlage, aber für jedermann zugänglich. Außerdem nahm der Ort eindeutig Bezug auf die Biographie des Dichters, der zu Lebzeiten gerne in diesen wandelte. Das Denkmal zeigt eine monumentale Figur der Germania, die mit einem heroischen Gestus die Urne des Dichters mit einem Eichenkranz huldigt. Nicht nur die Darstellung der Germania weist auf seine nationale Bedeutung hin, sondern auch die aus den verschiedenen deutschen Staaten eingegangenen Spenden für das Projekt.[5]

Neben den Gartendenkmälern waren im 18. Jahrhundert vor allem Dichterdarstellungen in Form von Büsten und Medaillen verbreitet. Diese waren Zeichen des damals herrschenden Freundschaftskultes unter den Dichtern. Goethe favorisierte diese Form der Darstellung, ohne die Inflationierung dieser zu berücksichtigen. Grund für diese Vorliebe war nicht nur ein strenger Klassizismus, sondern auch die Angst vor der Schutzlosigkeit öffentlicher Denkmäler gegenüber den Witterungen und der Beschmutzungen der sich konstituierenden Öffentlichkeit.[6] Bis in die 30er Jahre des 19. Jahrhunderts war die Diskussion über die Darstellung einer Geistesgröße als Standbild oder Büste noch äußerst lebhaft. Der Philosoph Arthur Schopenhauer nahm in dieser Streitfrage eine eindeutig klassizistische Position ein und forderte für die Darstellung eines Geistesheroen die Büstenform. Standfiguren sind seiner Meinung nach nur solchen Personen angemessen, die sich mit ihrem ganzen Körper für das Wohl des Volkes eingesetzt haben, d.h. für Helden, Heerführer, Herrscher, Staatsmänner, Heiligen usw. Schopenhauers Kategorisierung bezüglich des Körpereinsatzes dieser Beispiele wirft in heutiger Zeit jedoch einige Fragen auf! Männer hingegen, die sich durch ihr Genie auszeichneten und sich vor allem durch Geistesleistungen unsterblich machten, gebühre lediglich die Darstellung des Kopfes, ergo eine Büste.[7] Noch evidenter als diese Diskussion, war der so genannte „Kostümstreit“, der von den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts währte. Die Debatte entzündete sich an den Plänen zu einem Denkmal für Friedrich den Großen und stellte schließlich die Frage, welche Personen am besten in einem antik-idealen oder in einer modernen Bekleidung zu zeigen seien. Die Befürworter des antik-idealen Gewandes, zu denen die Mehrheit der Befragten und auch Goethe und der Weimarer Kunstkreis gehörten, war der Meinung das ein Monument für die Ewigkeit bestimmt sei, und sich deswegen nicht nach dem Geschmack der Zeit zu richten habe. Die Befürworter des historischen Kostüms bemängelten die Verfremdung und den ewig gleich bleibenden Charakter der Darstellung. Es gab aber auch Gelehrte die das Kostüm von der Person und der Botschaft, die diese vermitteln sollte, abhängig machten. So vertrat Friedrich Hegel in seinen „Berliner Vorlesungen über Ästhetik und Philosophie der Kunst“ den Standpunkt, dass Personen, wie Napoleon, denen man alles zu leisten zutraue, im idealen Kleid zu zeigen seien. Menschen, die nicht idealtypisch seien, dürfen auch nicht im idealen Kostüm gezeigt werden, sondern immer im Zeitkostüm.[8]

2.1. Die Vorläufer: Goethe- und Schillerdenkmäler

Schon vor Rietschels Doppelbildnis von Schiller und Goethe existierten zahlreiche Büsten und Denkmäler von Goethe und vor allen Dingen Schiller. In der Zeit der Restauration liebte das Volk besonders die Freiheitsdramen des Autors und so wurde er u. a. aufgrund seines frühen Todes bald zu einem Denkmalklassiker. Besonders populär ist und war die Gipsbüste von Johann Heinrich Dannecker, die ganz nach den idealen des antiken Schönheitsverständnisses gestaltet ist und Schiller nicht, wie so oft behauptet wurde, nach dem Leben zeigte (Abb. 1). Wie zahlreiche Abgüsse und Miniaturen beweisen, traf diese Büste den damaligen klassizistischen Zeitgeschmack. Kurz nach dem Tod Schillers 1804 entwarf Dannecker für diese Büste einen Denkmalstempel, den er jedoch niemals realisierte.[9] Schon bald genügten dem liberalen Bürgertum, dass Schiller als patriotisches Identifikationsobjekt benutzte, keine Büste mehr. Es forderte ein monumentales „Nationaldenkmal“. 1835 beauftragte das Stuttgarter Bürgertum, den damals bekanntesten Bildhauer Bertel Thorvaldsen mit der Schaffung eines Bronzedenkmals. Das Bildungsbürgertum hatte zuvor bereitwillig für das Projekt gespendet. Das 1839 enthüllte, erste große Dichterdenkmal in Deutschland, wurde von der Öffentlichkeit vehement abgelehnt. Thorvaldsen, der ein Anhänger der Restauration war, zeigt Schiller als ernsten und tragischen Dichter, in monumentaler Größe mit einem Lorbeerkranz und einer Schriftrolle in der Linken. (Abb. 2). Der Kostümfrage entzog sich der Bildhauer, indem er den Dichter in einem langen Theatermantel zeigt, dessen Falten der Dichter mit der rechten Hand zusammenhält, während das zeitgenössische Kostüm nur als Unterkleid angedeutet ist. Thorvaldsen erklärte, er habe Schiller dantesk auffassen müssen, da er einen dichterischen Denker darstellen wolle, der die nötige Distanz zum Volk habe. Diese Distanz unterstrich er zusätzlich mit einem sehr hohen Sockel. Diese Auffassung des Dichters stand im eklatanten Widerspruch zu den Forderungen der Bürger. Diese reduzierten Schiller auf seine Sturm-und-Drang-Dramen und als Galionsfigur der Freiheit.[10]

Das Verhältnis zwischen Goethe und der Öffentlichkeit war weitaus schwieriger, da der Weimarer Minister ein ausgesprochener Gegner des Liberalismus gewesen ist. Schon zu seinen Lebzeiten planten Frankfurter Verehrer ein „Nationaldenkmal“ für den Dichter. Das Projekt verlief jedoch im Sande, da es undenkbar war ein Standbild für einen lebenden Dichter aufzustellen und die Spendenbereitschaft sehr gering war. Nach dem Tod des Dichters erfolgte jedoch eine stetige Aufwertung des Dichterfürsten. Die Stadt Frankfurt plante nun kein „Nationaldenkmal“ mehr, sondern eine städtische Denkstätte. Beauftragt wurde der bayrische Bildhauer Ludwig Schwanthaler, der schon 1841 ein Denkmal des Dichters Jean Paul für Bayreuth abgeliefert hatte. Die 1844 fertig gestellte Statue zeigt Goethe im reifen Mannesalter, leicht an einen mit Efeu umrankten Eichenstamm angelehnt (Abb. 3). Er ist nicht mit Lorbeer bekrönt, sondern hält den Kranz in seiner linken Hand, während in seiner rechten Hand eine Schriftrolle zu finden ist. Wie bei Thorvaldsens Schiller-Statue, ist auch Goethe größtenteils von einem Theatermantel umhüllt. Goethe schaut jedoch selbstbewusst in die Ferne und seine auf den Stamm gestützte Rechte weist eher auf einen Herrscher, als auf einen Dichter hin. Bei der Einweihung des Denkmals waren jedoch weniger Gäste zugegen als erwartet und bei diesen handelte es sich nur um das Bildungsbürgertum, da das Volk aus Angst vor Tumulten durch ein Militäraufgebot ferngehalten wurde.[11]

[...]


[1] SELBMANN, Rolf: Dichterdenkmäler in Deutschland. Literaturgeschichte in Erz und Stein., Stuttgart 1988, S. 2.

[2] BLOCH, Peter: Denkmal und Denkmalkult, in: Ausst. Kat. Hamburg, 1990: Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786-1914, S. 191-192.

[3] Vgl. SELBMANN 1988, S. 3.

[4] SELBMANN, Rolf: Dichterdenkmäler im 19. Jahrhundert und das Dichterdoppeldenkmal in Weimar, in: APPELBAUM, Dirk (Hrsg.): Das Denkmal. Goethe und Schiller als Doppelstandbild in Weimar, Tübingen 1993, S. 50.

[5] Vgl. SELBMANN 1988, S. 32-34.

[6] Vgl. SELBMANN 1988, S. 45-46.

[7] SCHRADE, Hubert: Das Deutsche Nationaldenkmal. Idee, Geschichte, Aufgabe, München 1934, S. 38.

[8] SIMSON, Jutta von: Christian Daniel Rauch und sein Entwurf, in: APPELBAUM, Dirk (Hrsg.): Das Denkmal. Goethe und Schiller als Doppelstandbild in Weimar, Tübingen 1993, S. 73-74.

[9] Vgl. SELBMANN, 1993, S, 52.

[10] Vgl. SELBMANN 1993, S. 52-54.

[11] Vgl. SELBMANN 1988, S. 74-79.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Das Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar. Ein Nationaldenkmal?
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1-
Autor
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V46132
ISBN (eBook)
9783638433921
ISBN (Buch)
9783640463367
Dateigröße
740 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Goethe-Schiller-Denkmal, Weimar, Nationaldenkmal
Arbeit zitieren
Ilka Dischereit (Autor:in), 2005, Das Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar. Ein Nationaldenkmal?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46132

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