Deutsche in Namibia


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

41 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Historische Entwicklung
1. Früh- und Missionszeit
2. Exkurs: Kolonialismus
3. Deutsche Kolonialzeit
a) Herero-Krieg
b) Erster Weltkrieg
c) Resümee Kolonialzeit
4. Zwischenkriegszeit
5. NS-Zeit
6. Nachkriegszeit
7. Unabhängigkeit
a) Landreform

III. Identität
1. Entwicklungslinien

IV. Zusammenfassung

V. Literaturverzeichnis

VI. Anhang

I. Einleitung:

„Das an der Südwestküste Afrikas gelegene Namibia ist wahrhaftig ein Land merkwürdiger Kontraste. Trotz seiner Größe ist das Land eins der am dünnsten besiedelten Länder Afrikas mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 1,83 Millionen Menschen. Die Bevölkerung Namibias ist vielfältig und variiert vom Hirtenvolk der Himba im Nordosten und San im Osten zu Weißen europäischer Herkunft.“[1]

Innerhalb dieser weißen Bevölkerungsgruppe stellt die deutschstämmige Minderheit mit ihren rund 20.000 Mitgliedern nach den Buren den zweitgrößten Exponenten. Trotz ihrer vergleichsweise geringen Zahl besitzen sie aufgrund ihrer ökonomischen Potenz eine große Bedeutung für das erst seit 21.03.1990 unabhängige Land. Ihre Existenz kann aber nur verstanden werden, wenn ihre Entstehungsgeschichte im Kontext des Kolonialismus des späten 19. Jahrhunderts betrachtet wird. Daher wird ein Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Beleuchtung der historischen Zusammenhänge liegen. Dies unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Kolonialzeit, welche zwar nur rund 30 Jahre von 1884 bis 1915 umfaßte, aber aufgrund ihrer Prägekraft noch heute massive Spuren im psychischer und physischer Form hinterlassen hat. Weiterhin soll ein zweiter Schwerpunkt auf der heutigen Situation der Deutsch-Namibier liegen. Dabei werden folgende Fragen im Mittelpunkt stehen:

Existiert eine spezifisch deutsche Identität im Land?

Falls ja, wie manifestiert sich diese und welche Ursachen hat sie?

Bei der Bearbeitung der Geschichte des Landes waren mir vor allem die Arbeiten von Horst Gründer „Geschichte der deutschen Kolonien“[2] und von Udo Kaulich „Die Geschichte der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (1884 – 1914)“[3] von Nutzen. Im Hinblick auf die Identität sind besonders die Arbeiten von Brigitta Schmidt-Lauber „Die abhängigen Herren. Deutsche Identität in Namibia“[4] und von Klaus H. Rüdiger „Die Namibia Deutschen. Geschichte einer Nationalität im Werden“[5] hervorzuheben.

Abschließend möchte ich noch anfügen, daß die Arbeit nach den Regeln der alten Rechtschreibung verfaßt wurde.

II. Historische Entwicklung:

1. Früh- und Missionszeit

Wie archäologische Funde belegen, wurde das Gebiet des südwestlichen Afrika schon sehr früh besiedelt. Erste Felsmalereien der Buschmänner (San) und Damara wurden in die Zeit um 27.000 v. Chr. datiert.[6] Die für die heutige Bevölkerungsstruktur entscheidenden Bantu-Stämme (Ovambo / Herero / Nama usw.) wanderten ab 1300 n. Chr. aus dem zentralen Afrika in das Gebiet ein. Oftmals kam es unter ihnen zu kriegerischen Auseinandersetzungen.

Die ersten Europäer, die das Gebiet erreichten, waren portugiesische Seefahrer. So errichtete 1485 Diego Cão im Namen seines Königs am Cape Cross (nördlich des heutigen Swakopmund) ein Steinkreuz und zwei Jahre später erreichte sein Landsmann Bartholomeu Diaz die Bucht Angra Pequena (das heutige Lüderitzbucht).[7] Ab 1760 stießen dann burische Siedler von ihrer Kapkolonie über den Oranje-Fluß vor, und begannen mit der Besiedlung des südlichen Teils des Landes. Einen ersten juristischen Anspruch auf das Gebiet erhob die britische Krone im Jahre 1795, als sie sich den gesamten Küstenstreifen bis zum 15. Breitengrad unterstellte. 1806 begann unter Kontrolle der „Londoner Missionsgesellschaft“ die Missionierung des Landes.[8] Der erste deutsche Missionar, Johann-Heinrich Schmelen, errichtete 1814 die erste Missionsstation in Bethanien, das sogenannte Schmelen-Haus, welches heute das älteste deutsche Gebäude des Kontinents darstellt. Schmelen lebte viele Jahre nach den Regeln der Eingeborenenstämme und erwarb sich großen Respekt unter ihnen. Wichtig war ihm vor allem, die christliche Heilslehre nicht 1:1 zu übernehmen, sondern an die Sprache und Gewohnheiten der Schwarzen anzupassen.

„Der besondere Verdienst Schmelens liegt zweifelsohne in der Schaffung einer eigenen Nama-Schriftsprache, für die er zur Kennzeichnung von 4 Schnalzlauten neue Schriftzeichen erfand. [...] Bei seinen Übersetzungsarbeiten drang er weit in die Nama-Kultur ein.“[9]

1838 wurde mit der Gründung der Siedlung Ai-Gans durch den Mischling Jonker Afrikaans, einem Schüler Schmelens, der Grundstein für die spätere Hauptstadt Windhoek gelegt. Die deutsche Missionszeit begann mit dem Aufbau der ersten Station durch die „Rheinische Mission“ im Jahre 1842.[10] Über die Jahre dehnte sich das Netz der Missionsstationen immer weiter aus. Ziel der Missionare war es, neben einer Christianisierung der Einheimischen auch ihre Seßhaftwerdung in Dörfern zu erreichen. Dabei stießen die Missionare aber zum Teil auf große Ablehnung bei den Einheimischen. Parallel dazu entwickelten sich die Missionsstationen verstärkt zu lokalen Machtzentren. Sie bildeten Umschlagplätze für Konsumgüter, Waffen, Pferde, Rinder, Jagdprodukte und wurden zu Knotenpunkten der Kommunikation.[11] Mit dem Beginn des sogenannten 10-jährigen Krieges zwischen den Herero und Nama im Jahre 1880 – Auslöser des Konfliktes war die Tatsache, daß die Rinder der Herero immer stärker in die Weidegründe der Nama vordrangen und diese zunehmend zerstörten – wurde auch die Arbeit der Missionsstationen immer stärker bedroht. Als Folge daraus richteten die Missionare 1881 ein erstes Bittschreiben um Schutz an die Reichsregierung. Dieses wurde zwar anfangs abgelehnt und die Antragsteller an die zuständige britische Regierung verwiesen, doch zeigte sich auch im Deutschen Reich immer stärker die Schubkraft der kolonialen Ambitionen.

2. Exkurs Kolonialismus:

Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern kam es nach der Reichsgründung 1870/71 auch im Deutschen Reich in breiten Bevölkerungsschichten zu einem starken Drang nach Kolonien.[12] Der Reichskanzler Bismarck stand diesem anfangs aber sehr reserviert gegenüber, da er aufgrund der erst kurz davor erfolgten Reichseinigung lieber auf koloniale Abenteuer verzichten und nach einer Konsolidierung in Europa streben wollte.[13] Im Laufe der Jahre wuchs der Druck nach Kolonien aber immer stärker an. Unterstützt durch eine massive Publizistik[14] entstanden Vereine zur Förderung der kolonialen Ambitionen, unter ihnen besonders der 1882 gegründete „Deutsche Kolonialverein“, deren Umfang sich bald auf 200.000 Mitglieder belief. Befeuert wurde das koloniale Verlangen besonders durch vier Gründe:

Erstens sollte das aufgrund des Übergangs „von der agrarisch-frühindustriellen Bevölkerungsweise mit ihren hohen und stark schwankenden Sterbe- und Geburtenkurven zur industriellen Bevölkerungsweise mit ihren auf niedrigem Niveau schwankenden Kurven von Geburt und Tod“[15] entstandene Wachstum der Gesellschaft in neue Siedlungsgebiete abgelenkt werden. Dieser „demographische Aderlaß“ sollte dabei aber lieber in ein zu gründendes „Neu-Deutschland“, als in, wie damals üblich, die USA abfließen. Hinzu kam, daß die politische Führung hoffte, unliebsame Gegner wie z.B. einige Sozialdemokraten in die Kolonien schicken zu können, sozusagen als Export der sozialen Frage.

Zweitens kam es im Zuge des Übergangs von der Agrar- zur Industriegesellschaft häufig zu Spannungen und Krisen, siehe z.B. die sogenannte „Gründerzeitkrise“, welche desöfteren zu Absatzschwierigkeiten und einem Ansteigen der Arbeitslosigkeit führten. Da man die strukturellen Ursachen dieser Entwicklung meist nicht erkannte, definierte man die Probleme als Symptome einer „Überproduktionskrise“ und hoffte, diese durch den Erwerb von Kolonien (Bodenschätze, Absatzmärkte) lösen zu können.[16]

Drittens galten Kolonien vor allem im Hinblick auf eine von weiten Teilen der Gesellschaft angestrebte Weltmachtgeltung des Reiches als unerläßlich. Diese Triebfeder sollte sich noch durch den Machtantritt Wilhelms II., dessen erklärtes Ziel für das Deutsche Reich ein „Platz an der Sonne“ war, verstärken.

In dieser frühen Phase ging das koloniale Engagement vorerst noch verstärkt von privaten Initiatoren aus. So richtete der Bremer Großhändler Adolf Lüderitz am 16.11.1882 eine Anfrage um Schutz einer geplanten Station zur Ausbeutung der vermuteten lokalen Rohstoffe in Südwestafrika an die Reichsregierung. Gleichzeitig entsandte er aber schon seinen Unterhändler Heinrich Vogelsang in geheimer Mission, um alle Vorbereitungen vor Ort zu treffen. Nach der Landung Vogelsangs am 12.04.1883 in Angra Pequena vermittelten ihm Missionare den ersten Kontakt zu den Einheimischen. Nach kurzen Verhandlungen erreichte Vogelsang am 01.05.1883 einen ersten Vertragsabschluß mit einem lokalen Häuptling. Dabei kam es, wie später häufiger, zu einem Meilenschwindel, da mit den Einheimischen über den Kauf des Landes in englischen Meilen (1,6km) verhandelt wurde, im Vertrag aber die selbe Größe in geographischen Meilen fixiert wurde.

„Am heutigen Tage, dem 25. August 1883 hat Kapitain Joseph Fredericks aus Bethanien einen Teil seines Landes, nämlich die Küste vom Grossen- (Groot) oder Oranjefluss bis zum sechsundzwanzigsten Grad südlicher Breite mit Inbegriff sämtlicher Häfen und Baien, samt dem Hinterlande bis zu zwanzig geographische [sic!] Meilen landeinwärts und zwar von jedem Punkt der Küste aus gerechnet, an die Firma F.A.E. Lüderitz zu Bremen in Deutschland für 60 (sechzig) Wesley-Richard Gewehre und 500 (fünfhundert) Pfund in Gold verkauft und zum Eigentum übergeben.“[17]

Daß damit der Grundstein für ein weiteres Ausgreifen der deutschen Kolonialbestrebungen gelegt war, erkannte auch die britische Regierung, die daraufhin im Jahre 1884 ihren bisher nur juristisch bestehenden Anspruch auf das Gebiet auch in die Realität umsetzen wollte. Nun war von der Reichsregierung eine schnelle Entscheidung gefordert. Daher telegraphierte Bismarck am 24.04.1884 an den deutschen Konsul in Kapstadt:

„Zur Demonstration seiner Schutzherrschaft entsendet das Deutsche Reich die drei Kriegsschiffe >>Elisabeth<<,>>Leipzig<< und >>Wolf<< nach Südwestafrika, um die deutsche Reichsflagge in Angra Pequena und an weiteren Punkten der Küste zu hissen.“[18]

Dies erfolgte auch am 07.August 1884 in Angra Pequena und kurz darauf im 500 km nördlich gelegenen Swakopmund. Zeitgleich erwarb das Reich weitere Gebiete wie z.B. Togo, Kamerun, Deutsch-Ostafrika, Neu-Guinea, Bismarck-Archipel usw.[19] Zu einer ersten Grenzziehung in dem betroffenen westafrikanischen Gebiet kam es Ende 1884 in der von Bismarck initiierten „Berliner Afrika-Konferenz“. Dort wurde nun auch das Gebiet zu einem deutschen Schutzgebiet erklärt, und es erfolgte die Benennung als „Deutsch-Südwestafrika“.

3. Deutsche Kolonialzeit:

Nach der Anerkennung des deutschen Anspruchs auf das Gebiet wurde getreu der Ansicht des Reichskanzlers, daß die Überseegebiete vorwiegend von privaten Investoren entwickelt werden sollten, die „Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika“ gegründet.[20] Erst nachdem dieses Konzept der „Kolonien mit beschränkter Haftung durch das Deutsche Reich“ aufgrund des mangelnden Interesses finanzkräftiger Schichten gescheitert war, begann im Mai 1885 mit dem Eintreffen des Reichskommissars Heinrich Göring, dem Vater des späteren „Reichsmarschalls“ Hermann Göring, der Aufbau staatlicher Verwaltungsstrukturen.[21]

Die endgültige Festsetzung der Nordgrenze des Gebietes zum portugiesischen Angola erfolgte im Jahre 1886 durch den „Lissabon-Vertrag“. Zwei Jahre später, 1888, begann das Deutsche Reich durch den Machtantritt Wilhelms II. mit einer weitaus aktiveren Kolonialpolitik. Im Zuge dieser Politik erfolgte eine klare Festlegung auf den Erhalt und Ausbau der Kolonien und ihrer Verwaltungsstrukturen, dies war u.a. eine Ursache für die 1890 erfolgte Entlassung Bismarcks durch den Kaiser.

„Erst Reichskanzler v. Caprivi (Nachfolger Bismarcks, d. Verf.) legte sich unter dem

Drängen der Kolonialinteressierten im Reichstag auf den Besitz Südwestafrikas fest und erteilte allen früheren Plänen, das Gebiet als wertlos aufzugeben oder als kolonialpolitisches Kompensationsobjekt einzutauschen, eine Absage.“[22]

Im gleichen Jahr erfolgte auch die Unterzeichnung des Helgoland-Sansibar-Vertrages zwischen dem Deutschen Reich und Großbritannien. Im Zuge des Tausches von Sansibar gegen die Insel Helgoland erhielt das Deutsche Reich auch in Form des nach dem amtierenden Reichskanzler benannten Caprivi-Zipfels einen Zugang zum Fluß Sambesi, was besonders im Hinblick auf eine Erschließung des Hinterlandes und eine Verbindung nach Deutsch-Ostafrika von Bedeutung war. In Folge dieses Vertrages waren die Grenzen nun endgültig fixiert.

Kurz nach Vertragsabschluß begann auch der Aufbau einer ersten Schutztruppe, welche anfangs kaum mehr als zwei Dutzend Männer umfaßte, aber durch stetige Einschiffung neuer Soldaten zunehmend verstärkt wurde. 1891 wurde mit der Errichtung einer befestigten Anlage nahe Windhoek der Grundstein für eine deutsche Besiedlung der Stadt gelegt. Im Zuge des stetigen Ausbaus der Anlage wurde auch der Verwaltungssitz dorthin verlegt.

Obwohl seit 1892 mit dem Aufbau der Woermann-Linie Swakopmund-Hamburg ein regelmäßiger Fracht- und Personenverkehr sichergestellt werden konnte, waren die Auswandererzahlen sehr begrenzt. So befanden sich 1894 gerade einmal 969 Weiße, darunter 614 Deutsche im Land.[23] (Vgl. Abb. 2) Um die Auswanderung weiter zu unterstützen, wurde zusätzlich zur 1885 entstandenen „Deutschen Kolonialgesellschaft für Deutsch-Südwestafrika“ 1892 die „Siedlungsgesellschaft für Deutsch-Südwestafrika“ gegründet.[24]

Ebenfalls im Jahr 1892 änderte sich aber aufgrund des Friedensschlusses zwischen Herero und Nama die Situation für die weißen Siedler im Land entscheidend. Nun bildete sich eine Konfliktlinie zwischen Schwarzen und Weißen, was im folgenden Jahr auch zu ersten Übergriffen auf weiße Siedler führte. Daraufhin wurde die Schutztruppe weiter verstärkt. Nachdem ein Briefwechsel zwischen dem Anführer der Aufständischen, Hendrik Witbooi, und dem Gouverneur Theodor Leutwein ergebnislos verlief[25], und 1893 die Verhandlungen endgültig scheiterten, lief alles auf eine militärische Lösung hinaus, die aufgrund der überlegenen Waffentechnik auch schnell zugunsten der Deutschen entschieden wurde. Am 18.09.1884 erkannten die Nama unter ihrem Kapitain Hendrik Witbooi die deutsche Oberhoheit an. Diese Auseinandersetzung erhielt unter den Weißen auch die Bezeichnung Hottentotten-Aufstand. Hottentotten war eine abschätzige Bezeichnung der Buren für die Nama und bedeutete soviel wie „Stotterer“, da diese die Sprache der Einheimischen nicht verstehen konnten. Entgegen der Forderungen vieler weißer Siedler setzte Leutwein auf eine Politik der Verständigung mit den Besiegten.

„Unter dem Motto >>divide et impera<< vertrat Leutwein eine >>Eingeborenenpolitik<< nach englischem Vorbild, die die Kooperation mit einzelnen Chiefs und deren Integration in die Kolonialverwaltung vorsah.“[26]

Zwar mußten sich die Witbooi-Nama auf deutschem Kronland ansiedeln, doch wurde ihr Anführer nicht hingerichtet, ihr Stamm nicht aufgelöst und sie durften sogar ihre Gewehre behalten.[27] Später zur Heeresfolge verpflichtet, sollten die Witboois einen großen Beitrag zur Machtsicherung und –stabilisierung der deutschen Kolonialherrschaft bis zum Jahre 1904, als sie im Zuge des Krieges gegen die Herero ebenfalls ihre Waffen gegen die deutsche Kolonialherrschaft erhoben, leisten. Nach dem Aufstand hatte sich die deutsche Machtposition extrem erweitert und der formal seit 1884 bestehende Herrschaftsanspruch auch faktisch umgesetzt.

„Erst nach dem militärischen Sieg im Krieg gegen die Herero und Nama wurde die direkte Herrschaft zumindest für die im Zentrum und im Süden des Schutzgebietes lebende indigene Bevölkerung verwirklicht.“[28]

Parallel dazu erfolgte ein weiterer Ausbau der Infrastruktur. Neben der Erweiterung des Telegrafennetzes und der Verlegung eines Seekabels zur schnellen Kommunikation mit der Regierung im Deutschen Reich, wurde auch das Wasserleitungs-, Wege-, Straßen- und Eisenbahnnetz ausgebaut. Vor allem die Errichtung einer festen Eisenbahnverbindung zwischen Swakopmund und Windhoek 1902 führte zu einem sichtbaren Anwachsen des gesellschaftlichen Lebens. In beiden Orten wurden Krankenhäuser, Schulen und Kirchen errichtet. Zeitgleich erfolgte der rasche Aufbau und Ausbau weiterer deutscher Siedlungen und damit eine Erschließung des Landes. Zu den typischen Merkmalen dieser anfangs rein funktionalistisch organisierten deutschen Kolonialstadt in Südwestafrika zählte:

„Der Kolonialzeit entsprechend folgt eine örtliche Trennung nach Funktionen: zwischen Staatsmacht und zivilem Bereich, zwischen Bergwerk und Wohn- und Geschäftsbereich [...]. Bei einer Erweiterung wird ein Rastersystem gewählt, in das vorhandene Wege integriert werden; [...] An Straßenbreite gelten 20m, 25m oder 30m, nur die Hauptstraße wird breiter. Kirchplätze werden nicht von vornherein eingeplant, wohl aber Plätze für öffentliche Gebäude und manchmal Bahnhofsplätze.“[29]

Im Zuge dieser Ausbreitung europäischer Städte schritt auch die Missionierung der Einheimischen schnell voran. Besonders in der Frühphase der Deutschen Kolonialherrschaft bis 1897 hatte die Rheinische Missionsgesellschaft, deren Ziele geordnete Verhältnisse und eine enge Zusammenarbeit von Kirche und Staat waren, „einen beträchtlichen Teil dazu beigetragen, daß aus der losen Schutzherrschaft des Reichs ein weitgehend stabilisiertes Kolonialregime wurde.“[30]

[...]


[1] http://www.namibia-botschaft.de (18.02.2005).

[2] Gründer, Horst: Geschichte der deutschen Kolonien (= UTB für Wissenschaft: Uni-Taschenbücher; 1332), 3. Auflage, Paderborn 1995.

[3] Kaulich, Udo: Die Geschichte der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (1884 – 1914). Eine Gesamtdarstellung, 2. Auflage, Frankfurt/Main 2003.

[4] Schmidt-Lauber, Brigitta: Die abhängigen Herren. Deutsche Identität in Namibia (= Interethnische Beziehungen und Kulturwandel; Bd. 9), Hamburg 1993.

[5] Rüdiger, Klaus H.: Die Namibia-Deutschen. Geschichte einer Nationalität im Werden (= Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte; Bd. 56), Stuttgart 1993.

[6] Vgl. Länderinfo: www.auswaertiges-amt.de (14.01.2005).

[7] Vgl. Kaulich, Udo: Deutsch-Südwestafrika, a.a.O., S. 38.

[8] Vgl. Wentenschuh, Walter G.: Namibia und seine Deutschen. Geschichte und Gegenwart der deutschen Sprachgruppe im Südwesten Afrikas, Göttingen 1995, S.12.

[9] Engels, Harald: Gesellschaftlicher Wandel bei südwestafrikanischen Völkern infolge vorkolonialer Bildungsarbeit durch die Rheinische Missionsgesellschaft, in: Befunde und Berichte zur deutschen Kolonialgeschichte, 1. Jahrgang, Heft 2 / 2001, S. 87 – 96, hier S. 91f.

[10] Vgl. Kaulich, Udo: Deutsch-Südwestafrika, a.a.O., S. 40.

[11] Vgl. Krüger, Gesine: Das goldene Zeitalter der Viehzüchter. Namibia im 19. Jahrhundert, in: Zeller, Joachim / Zimmerer, Jürgen (Hg.): Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904 – 1908) in Namibia und seine Folgen, Berlin 2003, S. 13 – 25, hier S. 21.

[12] Vgl. Kölln, Andreas: Massaker in der Omaheke, in: Geo Epoche Nr. 12, Deutschland im 1900, S. 134 – 145, hier S. 136.

[13] Vgl. Gründer, Horst: Kolonien, a.a.O., S. 51ff.

[14] Maßgebend ist hier zum Beispiel das Buch des Inspektors der Rheinischen Missionsgesellschaft, Dr. Fabri, mit dem Titel „Bedarf Deutschland der Kolonien?“ von 1879. Zur Bedeutung des Buches

Vgl. Oldhaver, Mathias: Die deutschsprachige Bevölkerungsgruppe in Namibia. Ihre Bedeutung als Faktor in den deutsch-namibischen Beziehungen, Hamburg 1997, S. 31. Zur Bedeutung der führenden Kolonialpropagandisten Vgl. auch Gründer, Horst: Deutsche Kolonien, a.a.O., S.33ff.

[15] Gründer, Horst: Deutsche Kolonien, a.a.O., S. 26.

[16] Vgl. Ebd. S.28.

[17] Wentenschuh, Walter G.: Namibia, a.a.O., S. 19.

[18] Ebd. S. 21.

[19] Vgl. Kölln, Andreas: Massaker in der Omaheke, a.a.O., S. 139.

[20] Vgl. Kaulich, Udo: Deutsch-Südwestafrika, a.a.O., S. 548.

[21] Vgl. Gründer, Horst: Kolonien, a.a.O., S. 81.

[22] Ebd. S. 111.

[23] Vgl. Kaulich, Udo: Deutsch-Südwestafrika, a.a.O., S. 353.

[24] Vgl. Reinhard, Wolfgang (Hg.): Hendrik Witbooi. Afrika den Afrikanern. Aufzeichnungen eines Nama-Häuptlings aus der Zeit der deutschen Eroberung Südwestafrikas 1884 bis 1894, Bonn 1982, S. 125.

[25] Vgl. Ebd. Passim.

[26] Schmidt-Lauber, Brigitta: Herren, a.a.O., S.46.

[27] Vgl. Gründer, Horst: Kolonien, a.a.O., S. 114.

[28] Krüger, Gesine: Das goldene Zeitalter der Viehzüchter, a.a.O., S. 17.

[29] Peters, Walter: Grundlagen des Städtebaus in Namibia, in: Heine, Peter / van der Heyden, Ulrich (Hg.): Studien zur Geschichte des deutschen Kolonialismus in Afrika, Pfaffenweiler 1995, S. 429 – 452, hier S. 444.

[30] Gründer, Horst: Kolonien, a.a.O., S. 115.

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Deutsche in Namibia
Hochschule
Universität Potsdam  (Geographisches Institut)
Veranstaltung
Nationale Minderheiten in Deutschland - Deutsche Minderheiten im außereuorpäischen Ausland
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
41
Katalognummer
V37433
ISBN (eBook)
9783638367783
ISBN (Buch)
9783638653961
Dateigröße
654 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutsche, Namibia, Nationale, Minderheiten, Deutschland, Deutsche, Minderheiten, Ausland
Arbeit zitieren
Patrick Schweitzer (Autor:in), 2005, Deutsche in Namibia, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37433

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