Die Metapher im Bedeutungswandel


Zwischenprüfungsarbeit, 1999

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Metapher in der Rhetorik
2.1 Die Metapher bei Aristoteles
2.1.1 Typologie der Metapher
2.1.2 Die Metapher als rhetorisches Mittel
2.1.3 Metapher und Vergleich
2.2 Die Metapher bei Cicero und Quintilian
2.3 Kritik der Metapher

3. Die Metapher im Bedeutungswandel
3.1 Die Metapher bei Paul
3.1.1 Der Bedeutungsbegriff bei Paul
3.1.2 Die Metapher
3.1.3 Typologie der Metapher
3.2 Die Metapher bei Blank
3.2.1 Der Bedeutungsbegriff bei Blank
3.2.2 Die Metapher
3.2.3 Typologie und kommunikative Leistung der Metapher

4. Schluß

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Wort „Metapher“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Übertragung“. Seit der Antike wird die Metapher zu den wichtigsten rhetorischen Figuren gezählt.

In dieser Arbeit soll zunächst dargestellt werden, wie die Metapher in der Antike be­schrie­ben und eingeordnet wurde. Zu diesem Zweck werden die Sichtweisen von Aristo­teles, Cicero und Quintilian kurz vorgestellt. Dabei wird deutlich, daß sich schon in der antiken Rhetorik die Wichtigkeit der Metapher für den Bedeutungswandel andeutet.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt darin, genau diese Rolle der Metapher näher aufzuzei­gen. Dies soll geschehen, indem die Theorien zweier Vertreter der historischen Semantik, Paul und Blank, näher betrachtet werden. Entsprechend der Darstellung der ersten Me­ta­pherntheorien in der Antike werden zunächst die Anfänge der Metapher als Verfahren des Bedeutungswandels beschrieben. Paul gilt als einer der einflußreichsten Vertreter der tradi­tionellen historischen Semantik. Mit Hilfe seines Bedeutungsbegriffs soll dargelegt werden, wie Bedeutungswandel durch Metaphern zustande kommt und in welche Kate­gorien die Metapher eingeteilt wird.

Diese Punkte finden sich auch bei Blank, einem Vertreter der gegenwärtigen historischen Semantik. Seine Theorie erläutert vor allem die kommuni­kative Leistung der Metapher und ist auch in anderen Punkten weitaus differenzierter, wie ein Vergleich mit Paul zei­gen wird.

2. Die Metapher in der Rhetorik

2.1 Die Metapher bei Aristoteles

Aristoteles behandelt die Metapher in seinen Schriften über Poetik und Rhetorik. Auf ihn geht die Substitutionstheorie zurück, eine der ältesten und verbreitetsten Theorien. Da­nach wird die Metapher als ein Wort betrachtet, welches von seiner eigentlichen lexikali­schen Stelle an eine fremde Stelle übertragen wird. Dort erhält es eine neue Bedeutung, die von seiner ursprünglichen abweicht. Die Bedeutung der Wörter ergibt sich hier also durch eine konventionell festgelegte Zuordnung zu den Dingen. Das ersetzte und das er­setzende Wort stehen in einer paradigmatischen Beziehung, die auf Bedeutungsähnlich­keiten zwischen den beiden Wörtern basiert. Es kommt bei Aristoteles also nicht auf den Kontext an, der schließlich auch bedeutungsbestimmend ist, sondern auf den Austausch

zweier Wörter und warum dieser möglich ist.[1]

Der Vorgang der Übertragung findet somit mehr Beachtung als das Ergebnis. Wenn je­des

Wort seine eigentliche lexikalische Stelle hat, wird eine Metapher bewußt als fremdes Wort wahrgenommen. Zum Verständnis der Metapher ist daher nötig, das er­setzte Wort zu er­kennen. Der Hörer muß aber auch die ursprüngliche Bedeutung des übertragenen Wortes kennen, damit es ihm in einer bestimmten Verwendungsweise als Metapher auf­fallen kann.[2]

2.1.1 Typologie der Metapher

Aristoteles’ Typologie der Metapher folgt logischen Kriterien. Je nach Ursprungsort und -ziel werden vier Kategorien unterschieden:

1. Übertragung von der Gattung auf die Art: stillstehen für ,vor Anker liegen‘
2. Übertragung von der Art auf die Gattung: zehntausend für ,viel‘
3. Übertragung von Art zu Art: abschöpfen für ,abschneiden (Gattung: ,wegnehmen‘)
4. Übertragung nach einer Analogie: Abend des Lebens für ,Alter‘

Die erste Kategorie bezeichnet demnach eine verallgemeinernde Metapher (stillstehen als Oberbegriff), die zweite eine präzisierende Metapher (,viel‘ als Oberbegriff). In den er­sten drei Fällen geht es also um Similaritäten, welche die einzelnen Wörter verbinden und aus­tauschbar machen.[3]

Der vierte Typ der Metapher wird eingehender behandelt. Er basiert auf einem propor­tiona­len Verhältnis zwischen zwei Relationen: A verhält sich zu B wie C zu D (Alter ver­hält sich zu Leben wie Abend zu Tag) . Bei der Metapher wird nun ein Wort aus seiner Position in ei­ner Relation in die entsprechende Stelle in der anderen Relation übertragen. Derartige Ana­logien gehören zum vorsprachlichen Wissen, welches hier die Basis für das Verstehen einer Metapher ausmacht. Die Übertragung nach einer Analogie kann auch stattfinden, wenn ein analoger Begriff nicht existiert. Ein Motiv, Metaphern zu verwen­den, ist also der Mangel an einer passenden Bezeichnung für einen Gegenstand oder ei­nen Sachverhalt.[4]

Nach Aristoteles beruht das Erkennen von Similaritäten und Analogien auf Begabung.

Gute Metaphern zu bilden, kann daher nicht erlernt werden.[5]

2.1.2 Die Metapher als rhetorisches Mittel

Die metaphorische Verwendung eines Wortes sieht Aristoteles als Abweichung vom all­täg­lichen Sprachgebrauch, wobei aber übersehen wird, daß die alltägliche Sprache eben­falls reich an Metaphern ist.[6] In der poetischen Redeweise gilt die Metapher als das wichtigste sprachliche Mittel. Ihr Gebrauch darf nicht übertrieben werden, sondern muß angemessen sein, damit die Rede verständlich bleibt. Die Funktion der poetischen Mittel ist, die alltägli­che Rede zu verfremden, um eine neue Sicht der Dinge zu erzeugen. Dies ist ein zweites wesentliches Motiv für den Gebrauch von Metaphern.[7] Durch die Über­tragung ei­nes frem­den Wortes wird zunächst die sprachliche Ordnung gestört, während dann durch das Erken­nen von zugrundeliegenden Bedeutungsähnlichkeiten eine neue Ordnung her­gestellt wird. Eine solche Verfremdung der Rede wirkt für den Hörer inter­essant. Die Metapher erhält so eine instruktive und persuasive Kraft. Sie kann aber auch manipulativ sein. Aristoteles führt hier Euphemismen und Disphemismen als Beispiele an, z.B. Be­schaffer für ,Räuber‘.[8]

2.1.3 Metapher und Vergleich

Nach der gängigen Auffassung wird die Metapher als verkürzter Vergleich verstanden,

bei dem das Vergleichswort weggelassen wurde. Dies sahen schon die Nachfolger Ari­stote­les’, Cicero und Quintilian, so. Allerdings hatte Aristoteles zuvor das Gegenteil ge­zeigt, daß nämlich der Vergleich eine Art der Metapher ist. Nicht die Metapher ist um das Ver­gleichswort gekürzt, sondern der Vergleich um dieses erweitert. Zudem werden die zwei Bestandteile einer Metapher (Substitut und Substituent) als identisch hingestellt, während die Bestandteile eines Vergleichs hinsichtlich einer Gemeinsamkeit verglichen werden. Da­bei sind auch alle Elemente wörtlich gemeint. Die Metapher, bei der Wörtli­ches und Über­tragenes verbunden wird, leistet also viel mehr als ein Vergleich.[9]

2.2 Die Metapher bei Cicero und Quintilian

Bei Cicero und Quintilian finden sich Systematisierungen der aristotelischen Ausführun­gen, die das Fundament der schulrhetorischen Metapherntheorie bilden. Die Metapher gilt als der wichtigste und schönste Tropus (Austausch von Wörtern). Auch hier vollzieht sich die Übertragung eines Wortes an eine fremde Stelle auf der Basis einer Bedeu­tungsähnlichkeit. Die Funktionen der Metapher sind zum einen die Schaffung eines Ausdrucks, wo ein Man­gel besteht, zum anderen das Ausschmücken der Rede zum Ver­gnügen des Hörers. Die be­sondere Qualität der Metapher zeigt sich, wenn das fremde Wort an der neuen Stelle mehr besagt als der eigentliche Ausdruck, wenn die Metapher den Sachverhalt anschaulicher und genauer darstellt.

Folgende Typologie wird von Quintilian aufgestellt:[10]

1. Übertragung vom Belebten zum Belebten: Fuchs > ,schlauer Mensch‘
2. Übertragung vom Belebten zum Unbelebten: Fuß des Berges
3. Übertragung vom Unbelebten zum Unbelebten: Motorhaube
4. Übertragung vom Unbelebten zum Belebten: Schrank > ,kräftig gebauter Mensch‘ (Beispiele E.S.)

2.3 Kritik der Metapher

Bis in das 18. Jahrhundert hinein verändert sich die Theorie der Metapher nicht. Im Ba­rock ist die kühne Metapher, die äußerst widersprüchliche Bedeutungen verbindet, kenn­zeich­nend für viele Gedichte. Weiterhin bleibt die Orientierung der Metapher am Ver­gleich be­stehen. Neben der Funktion des Vergleichs zweier Sachen ist die Metapher kein bloßer Schmuck einer Rede, welcher austauschbar ist, sondern eine sprachliche Form, die etwas anschaulich darstellen soll. Mitte des 18. Jahrhunderts kommt jedoch eine Kri­tik der Rheto­rik auf, welche alle rhetorischen Mittel als etwas Überflüssiges betrachtet. Statt dessen wird eine natürlichere Ausdrucksweise bevorzugt.[11] Die Metapher verliert ihre Wirkung und wird zum bloßen schmückenden Beiwerk. Die Substitutionstheorie und vor allem die ver­bum proprium-Lehre in der Rhetorik nach Aristoteles unterstützen diese Ansicht. Letztere geht davon aus, daß ein Wort und das, was es bezeichnet, von Natur aus fest zusammenge­hören.[12] Ein uneigentlicher Ausdruck (verbum improprium), der an eine ihm fremde Stelle tritt, um das eigentliche Wort (verbum proprium) zu erset­zen, kann demnach nur als Ornament fungieren.[13]

3. Die Metapher im Bedeutungswandel

Bei Aristoteles deutet sich schon an, weshalb die Metapher als eines der wichtigsten Verfah­ren des Bedeutungswandels betrachtet wird. Eine Metapher, welche durch eine Störung der sprachlichen Ordnung eine neue Sichtweise erzeugt, dürfte auf den Hörer besonders origi­nell und anschaulich wirken. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß die einzelne be­sondere Verwendungsweise eines Wortes vermehrt aufgegriffen wird und sich verbreitet.[14] Dies wiederum ist eine Voraussetzung für Bedeutungswandel. Denn erst wenn eine neue Verwendungsvariante eines Wortes als „Teil einer kollektiven Praxis“[15] konventionalisiert ist, hat eine Bedeutungsveränderung stattgefunden.

Das andere Motiv zur Verwendung einer Metapher, das bei Aristoteles auftaucht, spielt beim Bedeutungswandel ebenfalls eine gewichtige Rolle. In unserem Wortschatz finden sich sehr viele Metaphern, die aus Bezeichnungsmangel entstanden sind. Oft erhalten neu erfun­dene Gegenstände auf Grund ihrer Ähnlichkeit zu anderen Dingen deren Bezeich­nung (z.B. Fuchsschwanz für ,Handsäge‘). Die Leistung der Metapher liegt dabei darin, das Fremde durch den bekannten Ausdruck, der gebraucht wird, vertraut erscheinen zu lassen.[16]

Schließlich erwähnt Aristoteles noch die euphemistische Funktion der Metapher, welche

auch zu Bedeutungswandel führen kann. Durch eine euphemistische Ausdrucksweise soll ein tabuisierter Sachverhalt entschärft werden (z.B: entschlafen für ,sterben‘; Dirne für ,Prostituierte‘). Durch sehr häufige Verwendung kann der euphemistisch gebrauchte Aus­druck seine ursprüngliche Bedeutung verlieren. So hieß Dirne früher ,junge Diene­rin‘, eine Bedeutung, die heute weggefallen ist.[17]

3.1 Die Metapher bei Paul

3.1.1 Der Bedeutungsbegriff bei Paul

In seinem 1880 erschienenem Werk „Prinzipien der Sprachgeschichte“ behandelt Her­mann Paul die Metapher als eine wichtige Art des Bedeutungswan­dels. Nach Paul kommt Bedeu­tungswandel folgendermaßen zustande: Bei der individuellen Anwendung eines Wortes kann es zu einer Abweichung von der usuellen, also der gebräuchlichen, konventionalisier­ten Bedeutung kommen, die dann allmählich selbst usuell wird. Die Möglichkeit des Bedeu­tungswandels ist dadurch gegeben, daß die Bedeutung, die das Wort bei der jeweiligen Verwendung hat, sich nicht mit der eigentlichen Bedeutung des Wortes zu decken braucht. Für diese Diskrepanz benutzt Paul die Be­griffe usuelle und okkasionelle Bedeu­tung.[18]

Unter ersterem versteht Paul „den gesamten Vorstellungsinhalt, der sich für den Ange­höri­gen einer Sprachgenossenschaft mit einem Worte verbindet, unter okkasioneller Be­deutung denjenigen Vorstellungsinhalt, welchen der Redende, indem er das Wort aus­spricht, damit

verbindet und von welchem er erwartet, dass ihn auch der Hörende damit verbinde.“[19]

Die okkasionelle Bedeutung hat somit einen größeren Begriffsinhalt als die usuelle Be­deu­tung und dadurch auch einen kleineren Begriffsumfang. Damit wiederum hängt zu­sammen, daß ein Wort in der okkasionellen Bedeutung etwas Konkretes bezeichnet, während es usuell etwas Abstraktes bezeichnet. Paul meint hiermit nicht die Einteilung der Substantive in Abstrakta und Konkreta, sondern er versteht unter einem Konkretum etwas real Existie­rendes, das an Raum und Zeit gebunden ist. Das Abstrakte, das durch die usuelle Bedeu­tung ausgedrückt wird, ist hingegen ein allgemeiner Vorstellungsin­halt.[20]

So kann z.B. das Wort Hund in einer okkasionellen Verwendung einen bestimmten Hund bezeichnen, der real existiert und der ihm eigentümliche Merkmale hat (daher die größere Intension). Die usuelle Bedeutung von Hund ist im Gegensatz dazu die allgemeine Vor­stel­lung, die man von Hunden hat.

[...]


[1] Vgl. Gerhard Kurz, Theodor Pelster: Metapher. Theorie und Unterricht, Düsseldorf 1976, S. 11ff.

[2] Ebd., S. 15.

[3] Vgl. Andreas Blank: Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen, Tübingen 1997, S. 172.

[4] Vgl. Kurz et. al., S. 16ff.

[5] Ebd., S. 22.

[6] Vgl. Gerhard Kurz: Metapher, Allegorie, Symbol, 3., bibliographisch ergänzte Auflage, Göttingen 1993, S. 8.

[7] Vgl. Kurz et al., S. 19f.

[8] Ebd., S. 22f.

[9] Ebd., S. 24.

[10] Ebd., S. 26ff.

[11] Ebd., S. 29f.

[12] Ebd., S. 11.

[13] Ebd., S. 34f.

[14] Vgl. Gerd Fritz: Historische Semantik, Stuttgart und Weimar 1998, S. 40.

[15] Fritz, S. 38.

[16] Ebd., S. 43f.

[17] Ebd., S. 46f.

[18] Vgl. Hermann Paul: Prinzipien der Sprachgeschichte, 8., unveränderte Auflage, Tübingen 1968, S. 75.

[19] Ebd.

[20] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Metapher im Bedeutungswandel
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Note
1,3
Autor
Jahr
1999
Seiten
18
Katalognummer
V45307
ISBN (eBook)
9783638427302
ISBN (Buch)
9783640459513
Dateigröße
504 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit gibt einen Überblick über die Rolle der Metapher für den Bedeutungswandel. Nach einer kurzen Vorstellung von Sichtweisen in der Antike, werden die Theorien zweier Vertreter der historischen Semantik, Hermann Paul und Andreas Blank, ausführlich verglichen.
Schlagworte
Metapher, Bedeutungswandel, Linguistik, Sprachwissenschaft, Germanistik, germanistische
Arbeit zitieren
Eleni Stefanidou (Autor:in), 1999, Die Metapher im Bedeutungswandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/45307

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