Die Paradiesesallegorie in Hartmann von Aues "Der arme Heinrich"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Einordnung der Paradiesesallegorie in den Zusammenhang des „Armen Heinrich“

3. Die Paradiesesallegorie

4. Zum Begriff „Allegorie“

5. Die Paradiesesallegorie als zentrale Stelle des ‚Armen Heinrich‘
5.1 Intertextuelle Bezüge: Bernhard von Clairvaux: Sermones super Canticum Canticorum
5.2 Intratextuelle Bezugnahme: der alte wird junger (V.785)

6. Schlussbemerkung

Literatur

1. Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit verschiedenen Aspekten der Paradiesesallegorie im ‚Armen Heinrich‘ Hartmanns von Aue. Nach der Einordnung der Allegorie in den Kontext der Dichtung wird sie vorgestellt. Danach folgt eine kurze Abhandlung über die Probleme des Allegoriebegriffs, welche sich darauf beschränkt, den Begriff in unterschiedlichen Dimensionen seiner Mehrdeutigkeit knapp zu erklären und für das Thema relevante Besonderheiten aufzuführen. Ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt dabei die spezielle Ausformung der Allegorie, welche es zuläßt, im darauf folgenden Teil der Arbeit auf einige mögliche intertextuelle Verbindungen zu dem geistesgeschichtlichen Hintergrund ihrer Entstehung einzugehen. Dabei stehen die Sermones super Canticum Canticorum des Bernhard von Clairvaux im Vordergrund. Mit Hilfe von ausgewählten Predigtstellen wird dabei versucht, in der Allegorie verborgene Sinndimensionen aufzuzeigen, welche sich nicht auf die Allegorie beschränken, sondern Bedeutung für die Interpretation der gesamten Dichtung besitzen.

Im letzten Abschnitt werden verschiedene intratextuell verweisende Elemente der Allegorie aufgezeigt, welche die zentrale Stellung der Allegorie im ‚Armen Heinrich‘ begründen.

2. Einordnung der Paradiesesallegorie in den Zusammenhang des „Armen Heinrich“

Bevor das Mädchen Heinrich durch ihr Selbstopfer heilen darf, muß es die Erlaubnis seiner Eltern bewirken. Zu diesem Zweck spricht es mit ihnen des Nachts. Wortwahl und Stil seiner Überzeugungsrede sind seinem Alter unangemessen. Dies erinnert an Lk 2,41-50, an den zwölfjährigen Jesus im Tempel von Jerusalem. In Anlehnung an den für den mit übernatürlichen intellektuellen und rhetorischen Fähigkeiten ausgestatteten Jesus verwendeten Begriff des puer senex, kann man das Mädchen als puella senex bezeichen.

In zwei großen Redeabschnitten (VV. 593-628 und VV. 663-854) überzeugt das Mädchen seine Eltern, welche erkennen, daß ihr Kind vom heiligen Geist inspiriert ist (VV. 863f.: si jâhen daz der heilic geist/ der rede wære ir volleist).

Die Motivation für das Mädchen, sich für Heinrich zu opfern, beruht auf seinem Mitleid einerseits für Heinrich, der an seiner Erkrankung zu Grunde gehen wird (V. 493; VV.563f.), und andererseits auf seinem Mitleid für seine Eltern, da der Verlust Heinrichs ihnen großen Schaden brächte (VV. 494-498).[1]

Verfolgt man die Argumentation des Mädchens in den beiden Redeabschnitten, die seine Eltern überzeugen, so tritt sein Mitleid für Heinrich jedoch in den Hintergrund.

Stattdessen stellt es im ersten Redeabschnitt dar, welchen Vorteil es für seine Eltern bringt, wenn Heinrich durch sein Opfer am Leben bleibt (VV. 611-628). Außerdem ist schon im ersten Redeabschnitt ein Argument angedeutet (VV. 598-606), was große Teile (VV. 688-735; 764-772; 790-798) des zweiten Redeabschnitts bestimmt: das Argument des contemptus mundi.

Der Gedanke der Weltverachtung bildet ein zentrales Element jener Spannungsfelder von Diesseits und Jenseits, Zeitlichkeit und Ewigkeit, Sünde und Erlösung, Menschlichkeit und Göttlichkeit, die die christliche Anthropologie bestimmen.

Er findet sich in Rm 8,6f.: „Aber fleischlich gesinnt sein ist der Tod, und geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede. Denn fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft gegen Gott, weil das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag’s auch nicht“, in Iac 4,4: „Ihr Abtrünnigen, wißt ihr nicht, daß Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein“ und in 1 Io 2,15f.: „Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebhat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Denn alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt.“

Diesem Gedanken der Weltverachtung ist die Meierstochter in ihrer Argumentation verbunden. Nachdem das Mädchen diese Einstellung vor seinen Eltern ausgebreitet hat, taucht in seiner Überzeugungsrede das Pendant zum contemptus mundi auf: die gaudia paradisi in Form der Paradiesesallegorie.

3. Die Paradiesesallegorie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4. Zum Begriff „Allegorie“

Mit „Allegorie“ liegt ein Begriff vor, der äußerst äquivok verwendet wird. Um dieses Problems Herr zu werden, zumindest insoweit, um den Begriff der „Allegorie“ für diese Arbeit verwendbar zu machen, werden im Folgenden die Dimensionen dieser Mehrdeutigkeit aufgezeigt. Dabei geht es nicht darum, die Tiefen der einzelnen Dimensionen auszuloten oder sie detailliert darzustellen. So wird hinsichtlich der diachronen Dimension hier kein Abriss der genealogischen Entwicklung erfolgen. Stattdessen sollen hier die Dimensionen unter der Perspektive der Arbeitsthematik beleuchtet werden. Zusätzlich werden zwei Ausformungstypen der Allegorie dargestellt, was eine nähere Spezifizierung der zu behandelnden Allegorie erlaubt.

Der Begriff der „Allegorie“ unterliegt - wie alle Begriffe - einem diachronen Bedeutungswandel: Von der Antike bis ins 20. Jh. gab es unterschiedlichste Allegoriekonzeptionen.[2] Durch die Jahrhunderte hat man aber nicht nur auf verschiedenste Weise versucht, „Allegorie“ zu definieren, es wurden auch unterschiedliche Bezeichnungen für dasjenige Phänomen gewählt, das heute mit „Allegorie“ gekennzeichnet wird. Für diese Arbeit spielen die unterschiedlichen Konzeptionen des Allegoriebegriffs eine marginale Rolle.

Folgendes soll lediglich festgehalten werden: Die Allegorie zählt zu den Tropen, also zu den rhetorischen Mitteln der bildlichen, der uneigentlichen Rede. Sie ist eine Denkform, bei der einem literal verstehbaren Text eine spirituelle Bedeutung zukommt. Dabei sind zwei voneinander trennbare und grundsätzlich auch isoliert voneinander verstehbare Sinnebenen gegeben.[3] Dies ist besonders zu betonen, bedeutet es doch ein Abweichen von der klassischen Definition der Allegorie als alieniloquium [4], wie sie sich auch bei Quintilian findet: „Die Allegorie, die man im Lateinischen als inversio bezeichnet, stellt einen Wortlaut dar, der entweder einen anderen oder gar zuweilen entgegengesetzten Sinn hat.“[5] Nach Oliver Hallich gilt besonders für mittelalterliche Texte, daß „[...]die literale Sinnebene neben der spirituellen nicht überflüssig wird.“[6] Im folgenden Kapitel soll gezeigt werden, dass dieser Umstand für die Paradiesesallegorie im besonderen zutrifft: Die Allegorie verweist nicht einfach auf das Paradies, relevant ist auch ihre spezielle Ausprägung auf der literalen Ebene.

[...]


[1] Da auch später noch Verbindungen zwischen dem Gedankengut Bernhards von Clairvaux und dem ‚Armen Heinrich‘ gezogen werden, sei hier an die zentrale Rolle von Mitleid in der Bernhardischen Leidens- und Liebesmysik erinnert. Vgl. SCHWIETERING, S.14

[2] Einen Überblick über die Allegoriekonzeptionen bietet W. Freytag, ALLEGORIE

[3] vgl. HALLICH, S.157

[4] Nach der Allegoriedefinition Isidors von Sevilla: Allegoria est alieniloquium. Aliud enim sonat, et aliud intellegitur [...]. (Etymologiae I, 37, 22) vgl. WEDDIGE, S.107

[5] QUINTILIAN, VIII, 6, 44

[6] HALLICH, S.154

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Paradiesesallegorie in Hartmann von Aues "Der arme Heinrich"
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
27
Katalognummer
V59594
ISBN (eBook)
9783638534901
ISBN (Buch)
9783638724876
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Paradiesesallegorie, Hartmann, Aues, Heinrich
Arbeit zitieren
Bakkalaureus Artium Christian Schumacher (Autor:in), 2004, Die Paradiesesallegorie in Hartmann von Aues "Der arme Heinrich", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59594

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