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»Eine andere Geschichte«

Nationalsozialismus, Shoah und Erinnerung in Uwe Timms Die Entdeckung der Currywurst

»Eine andere Geschichte«

National Socialism, Shoah and Memory in Uwe Timm’s novella Die Entdeckung der Currywurst

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Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Uwe Timms Novelle Die Entdeckung der Currywurst (1993) über das Kriegsende in Hamburg wurde euphorisch und breit rezipiert. Der Text, in dessen Zentrum die intergenerationelle Tradierung geschichtlichen Wissens steht, ist mittlerweile selbst zum Vehikel der Wissensvermittlung geworden: Er gehört zu den klassischen Schullektüren. Die vorliegende Analyse unternimmt eine kritische Relektüre, die auf blinde Flecken der Rezeption hinweist – in den Medien, der Forschung sowie im Rahmen der didaktischen Vermittlung. Die Entdeckung der Currywurst erzählt von der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg, doch die Shoah und die deutschen Verbrechen kommen kaum in der Novelle vor. Die (wenigen) Passagen, die sich deutscher Schuld und der Shoah annehmen, sind bis in die Details der Wortwahl problematisch, wie im Rückgriff auf Erkenntnisse aus der Gedächtnis- und Kommunikationsforschung aufgezeigt wird.

Abstract

Uwe Timm’s novella Die Entdeckung der Currywurst (1993) about the end of the war in Hamburg was enthusiastically received. The text, which focuses on the intergenerational transmission of historical knowledge, has itself become a vehicle for the transfer of knowledge, as it is often read in schools. This paper undertakes a critical re-reading, which points to aspects that have hitherto been ignored – in the media, in academic research and within the framework of didactics. Die Entdeckung der Currywurst deals with remembering the Second World War, but the Shoah and the German crimes hardly appear in the novella. The (few) passages that do deal with German guilt and the Shoah are problematic, which will be demonstrated in this paper with recourse to findings from cultural memory research.

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Notes

  1. Vgl. z. B. auch Julian Miller, »Die Entdeckung der Currywurst«, in: http://www.quotenmeter.de/n/46291/die-kritiker-die-entdeckung-der-currywurst (21.12.2018): »Die 1993 von Uwe Timm publizierte Novelle Die Entdeckung der Currywurst zog nahezu ausschließlich positive Rezensionen nach sich und wird heute [der Artikel stammt aus dem Jahr 2010, Anm. JN] bereits von Germanisten analysiert und an Universitäten gelehrt.«

  2. Andreas Kilb, »Glück in kleinen Schlückchen«, in: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kino/im-kino-die-entdeckung-der-currywurst-glueck-in-kleinen-schlueckchen-1699636.html (20.12.2018).

  3. Uwe Timm, Die Entdeckung der Currywurst. Bearbeitet von Angela Vitt; Illustrationen: Lars Munck, Copenhagen 2014.

  4. Die Entdeckung der Currywurst, Drehbuch und Regie: Ulla Wagner (2008) (1h 46m).

  5. Isabel Kreitz, Uwe Timm, Die Entdeckung der Currywurst, Hamburg 2005. Vom anhaltenden Erfolg der Novelle zeugt auch die Tatsache, dass diese Version des Comics bereits eine Neuauflage ist, die vielleicht nicht zufällig im Erinnerungsjahr des Kriegsendes erschienen ist. Die Erstausgabe kam 1996 auf den Markt.

  6. Vgl. dazu schon Martin Hielscher, Uwe Timm, München 2007, 154; die Novelle »ist in einigen Bundesländern Schullektüre«. Die Zunahme an Texten, die Timms Novelle für die didaktische Verwendung aufbereiten, deutet darauf hin, dass er in jüngerer Zeit immer häufiger an Schulen gelesen wird.

  7. Yomb May, Uwe Timm, Die Entdeckung der Currywurst, Hollfeld 2016 (Königs Erläuterungen 313); zweite Auflage 2018.

  8. Eva-Maria Scholz, Uwe Timm: Die Entdeckung der Currywurst, Stuttgart 2017 (Lektüreschlüssel XL).

  9. Cornelia Zenner, Günter Krapp, Die Entdeckung der Currywurst: Interpretationshilfe, Aufgaben, Lösungen, Unterrichtsmaterialien. Lehrerheft, Berkheim/Illerbachen 2017 (unveränderter Neudruck).

  10. Vgl. u. a. Uwe Timm, Ulrike Ladnar (Bearbeitung), Helmut Flad (Hrsg.), Die Entdeckung der Currywurst. Unterrichtsmodelle mit Kopiervorlagen, Berlin 2006; Uwe Timm, Hans-Georg Schede (Interpretation), Die Entdeckung der Currywurst. Interpretationshilfe Deutsch, Hallbergmoos 2010; Tanja Bierau, Uwe Timms Currywurst: Analyse und Interpretation für Schule und Studium, Hamburg 2012.

  11. Ursula Reinhold, »Vom Erfindungsgeist der kleinen Leute«, nd, 05.10.1993; https://www.neues-deutschland.de/artikel/445713.vom-erfindungsgeist-der-kleinen-leute.html (03.12.18).

  12. Kerstin Germer, (Ent‑)Mythologisierung deutscher Geschichte. Uwe Timms narrative Ästhetik, Göttingen 2012, 13; den gleichen Punkt macht Simone Christina Nicklas, »Erinnern führt ins Innere«. Erinnerung und Identität bei Uwe Timm, Marburg 2015, u. a. 156.

  13. Hartmut Steinecke, »Die Entdeckung der Currywurst oder die Madeleine der Alltagsästhetik«, in: Manfred Durzak, Hartmut Steinecke (Hrsg.), Die Archäologie der Wünsche. Studien zum Werk von Uwe Timm, Köln 1995, 217–230, hier: 229. Auf diese Kritik verweist am Rande auch Germer ([Anm. 12], 61 f.). Ihre eigene Behandlung der Novelle bleibt dann aber relativ unkritisch, was in Anbetracht des erinnerungskulturellen Themas ihrer Monografie doch etwas überrascht, zumal die Problematik der ›Aufarbeitung‹ der nationalsozialistischen Verbrechen in der sogenannten Väterliteratur und in den Generationenromanen eigens in einem Unterkapitel behandelt wird (ebd., 66–72). Kritische Auseinandersetzungen mit Die Entdeckung der Currywurst sind ohnehin höchst selten. Eine Gegenposition zur allgemein sehr positiven Rezeption nimmt der Literaturkritiker Hajo Steinert ein, der der Novelle und ihrem Autor in Die Zeit einen nostalgisch-verklärenden Blick auf die Vergangenheit vorwirft, freilich ohne speziell auf den Umgang mit der Shoah einzugehen. Hajo Steinert, »Falscher Hase. Gegenthese: Die deutsche Nachkriegsliteratur hört nicht auf. Uwe Timm, Bernd Schröder und Michael Köhlmeier machen sich’s im Kitsch gemütlich«, Die Zeit (12.11.1993); https://www.zeit.de/1993/46/falscher-hase (17.12.2018). In eine ähnliche Richtung geht Beate Brenners Auseinandersetzung mit Die Entdeckung der Currywurst; in ihren ›Unterrichtsmodellen‹ zum Kriegsende schlägt sie vor, die Erzählungen der Protagonistin als Verklärung der Vergangenheit zu begreifen, ohne aber auf die im vorliegenden Aufsatz behandelten Themen einzugehen. Beate Brenner, »Als der Krieg aus war…« Annäherungen an deutsche Befindlichkeit nach Kriegsende 1945. Fächerübergreifende, kontextuell angelegte Unterrichtsmodelle zu ausgewählten epischen Texten, München 1998, v. a. 133–138.

  14. Steinecke (Anm. 13), 229; die Ausführungen zu dieser ›Leerstelle‹ überhaupt auf 228 f.

  15. Zahlreiche historische Studien haben sich mit der Frage beschäftigt, wie viel ›die Deutschen‹ von der Judenverfolgung und -vernichtung tatsächlich wussten. Das allgemeine Verdikt lautet: viel mehr, als die Zeitzeugen später gewillt waren, zuzugeben. Vgl. dazu z. B. Hans Mommsen, Susanne Willems (Hrsg.), Herrschaftsalltag im Dritten Reich: Studien und Texte, Düsseldorf 1988; David Bankier, Die öffentliche Meinung im Hitler-Staat: Die ›Endlösung‹ und die Deutschen. Eine Berichtigung, Berlin 1995. Vgl. zu den Lebensrealitäten im NS-Staat allgemein auch Hans Dieter Schäfer, Das gespaltene Bewusstsein. Deutsche Kultur und Lebenswirklichkeit 1933–1945, München, Wien 1981.

  16. Die nationalsozialistische Vernichtungspolitik richtete sich natürlich nicht nur gegen Juden, auch wenn Juden die größte Opfergruppe bildeten. Die Juden sind allerdings überhaupt die einzige Opfergruppe, die in Die Entdeckung der Currywurst auch nur ansatzweise in den Blick gerät, weswegen ›Shoah‹ und ›nationalsozialistische Vernichtungspolitik‹ im vorliegenden Aufsatz in der Folge praktisch synonym verwendet werden können.

  17. Walter Hinck, »Schwer geackert«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.08.1996, Nr. 191; https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-belletristik-schwer-geackert-11294203.html (21.12.2018).

  18. Bernd Berke, »Am Fenster sehen Krieg und Frieden völlig anders aus«, Westfälische Rundschau, 6.9.1993. Zitiert bei Germer (Anm. 12), 87.

  19. Gerda Wurzenberger, »Wurstnovelle. Die Entdeckung der Currywurst von Uwe Timm«, NZZ (29.10.1993). Zitiert bei Germer (Anm. 12), 87.

  20. Peter Jokostra, »Denkmal für ein mutiges Frauenleben. Uwe Timms Die Entdeckung der Currywurst«, Rheinische Post (20.10.1993). Zitiert bei Germer (Anm. 12), 87.

  21. Ähnlich wurde auch Martin Walsers Ein springender Brunnen rezipiert, wie Amir Eshel nachweist. Seine Analyse des Romans und der Walser-Bubis-Debatte berührt Themenbereiche, die auch im vorliegenden Aufsatz zentral sind. Vgl. Amir Eshel, »Die Walser-Bubis-Debatte und der Ort des Nationalsozialismus im Selbstbild der Bundesrepublik«, DVjs 74.2 (2000), 333–360.

  22. Siehe hierzu auch Germer (Anm. 12), 87.

  23. https://www.krapp-gutknecht.de/die-entdeckung-der-currywurst/114-lehrer-inkl-schulerheft-die-entdeckung-der-currywurst-uwe-timm-9783946482499.html (14.01.2019); bibliografischer Nachweis in Anm. 9.

  24. Frank Giese, »Heldenklau & Ami-Währung«, in: Kreitz, Timm (Anm. 5), 50–61. Giese verwendet übrigens den problematischen Begriff der »Stunde Null« in Hamburg völlig unkritisch und ohne die Konstruktionen zu bedenken, die ihm innewohnen. Vgl. zur ›Stunde Null‹ auch: Steffi Hobuß, »Mythos ›Stunde Null‹«, in: Torben Fischer, Matthias Lorenz (Hrsg.), Lexikon der ›Vergangenheitsbewältigung‹ in Deutschland, Bielefeld 2007, 42 f.

  25. Alemanno Partenopeo, Isabel Kreitz, Die Entdeckung der Currywurst, in: http://www.buchkritik.at/kritik.asp?IDX=5200 (23.12.2018).

  26. Vgl. dazu May (Anm. 7), 117 f.; Timm selbst nimmt dazu Stellung in: »Mythos«, in: Friedhelm Marx (Hrsg.), Erinnern, Vergessen, Erzählen. Beiträge zum Werk Uwe Timms, Göttingen 2007, 13–26, hier: 22.

  27. Thomas Andre, »Die Entdeckung der Currywurst. Uwe Timm, Chronist seiner Generation, feiert heute seinen 70. Geburtstag«, Welt, 30.03.2010; https://www.welt.de/welt_print/kultur/literatur/article6981548/Die-Entdeckung-der-Currywurst.html (21.02.2018).

  28. Michael Bauer, »Uwe Timm«, in: Bernd Lutz, Benedikt Jeßling (Hrsg.), Metzler Lexikon Autoren. Deutschsprachige Dichter und Schriftsteller vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Weimar 32004, 739–741, hier: 739 f.

  29. Germer (Anm. 12), 41.

  30. Harald Welzer, Sabine Moller, Karoline Tschuggnall, »Opa war kein Nazi«. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis, Frankfurt a. M. 92015, 10.

  31. Uwe Timm, Die Entdeckung der Currywurst, München 32001, 75.

  32. Germer (Anm. 12), 19. Germer argumentiert anhand von Erkenntnissen aus der kulturellen Gedächtnisforschung.

  33. Ebd., 30.

  34. Vgl. dazu z. B. Astrid Erll, »›Mit Dickens spazieren gehen.‹ Kollektives Gedächtnis und Fiktion«, in: Gerald Echterhoff, Martin Saar (Hrsg.), Kontexte und Kulturen des Erinnerns, Konstanz 2002, 253–265.

  35. Nur eine Passage, in der ein Mutterkreuz erwähnt wird, soll gegen die aus historischen Quellen erschlossenen Modalitäten der Verleihung dieses Abzeichens gehalten werden.

  36. Der Titel der deutschen Übersetzung von Whites Tropics of Discourse: Essays in Cultural Criticism lautet: »Auch Klio dichtet oder Die Fiktion des Faktischen« (Stuttgart 1991).

  37. Geführt wurden 40 Familiengespräche und 142 Interviews, wobei Familienangehörige sowohl einzeln als auch gemeinsam befragt wurden.

  38. Welzer et al. (Anm. 30).

  39. Darunter verstehen Welzer et al. in ihrer Studie Bürger und Bürgerinnen Deutschlands, die weder im handfesten Sinn Opfer noch Täter waren. Familien jüdischer Opfer wurden damit ebenso wenig befragt wie Familien, in denen die älteste Generation bekanntermaßen direkt in nationalsozialistische Verbrechen verwickelt war (wobei in Einzelfällen durch die Interviews Verbrechen ans Licht kamen, die vorher nicht Teil der familiären Tradierung waren).

  40. Eine Figur mit Namen Lena Brücker findet sich schon in Timms Roman Kopfjäger (1991). Über die Idee zur Novelle und ihre Entstehung berichtet Timm auch in seinen Poetikvorlesungen an der Paderborner Universität; Uwe Timm, Erzählen und kein Ende, Köln 1993, v. a. 34.

  41. Steinecke (Anm. 13), 218.

  42. Dieses Prädikat erhielt er von der Filmbewertungsstelle (FBW) in Wiesbaden. Vgl. Alina Laura Tiews, Fluchtpunkt Film. Integrationen von Flüchtlingen und Vertriebenen durch den deutschen Nachkriegsfilm 1945–1990, Berlin 2017, 66.

  43. Vgl. dazu Frauke Klaska, »Trümmer- und Zeitfilme«, in: Fischer, Lorenz (Anm. 24), 52–54, hier: 53.

  44. Zitiert in Tiews (Anm. 42), 62.

  45. Timm (Anm. 31), 144.

  46. Vgl. z. B. William Collins Donahue, »Illusions of Subtlety. Bernhard Schlinks Der Vorleser and the Moral Limits of Holocaust Fiction«, German Life and Letters 54.1 (2001), 60–81.

  47. Timm selbst steht dem Begriff kritisch gegenüber; vgl. Timm (Anm. 26), hier v. a. 16 f.

  48. Welzer et al. (Anm. 30), 54.

  49. Obwohl Brücker sich der Heldenrolle in der Novelle verschließt (es gäbe in ihrer Geschichte »nämlich keine Helden«; Timm [Anm. 31], 150), wird sie von verschiedenen Interpreten als heroische Figur oder ›Heldin des Alltags‹ begriffen; vgl. z. B. Timm, Schede (Anm. 10), 48.

  50. Welzer et al. (Anm. 30), 44.

  51. Timm (Anm. 31), 128.

  52. May (Anm. 7), 8, 63.

  53. Timm (Anm. 31), 69.

  54. Ebd., 120.

  55. Ebd., 63.

  56. Ebd., 52.

  57. May (Anm. 7), 81.

  58. Timm (Anm. 31), 102 f.

  59. In »Opa war kein Nazi« finden sich Beispiele ähnlicher Geschichten; ein Zeitzeuge berichtet davon, wie sein Vater mit einem entschiedenen »Stop!« unterbunden habe, dass ein Polizist einen Zwangsarbeiter (»unseren Alfred«) schlug; Welzer et al. (Anm. 30), 100.

  60. Welzer et al. (Anm. 30), 21; wobei es in der Studie darum geht, ein solches ›kanonisiertes Gedächtnis‹ als Fiktion auszuweisen, da es im Prozess der intergenerationellen Weitergabe zahlreichen Veränderungen, ja Entstellungen unterliegt.

  61. Dass die Widerstandsgeschichte ausgerechnet 1943 spielen soll, ist durchaus plausibel. Nicht nur findet sie damit nach dem ersten großen Luftangriff auf Hamburg statt. Auch war die verlorene Schlacht von Stalingrad (Winter 1942/43) in der deutschen Bevölkerung ein Wendepunkt, was die bedingungslose Unterstützung von Hitler betrifft. Allerdings ist mit Saul K. Padover (amerikanischer Offizier, der 1944/45 im besetzten Deutschland Interviews durchführte) davon auszugehen, dass die zunehmend kritische Einstellung Hitler gegenüber weit weniger mit einem allfälligen Schuldbewusstsein der Deutschen zu tun hatte als mit dem Scheitern der Kriegsaggression, das auf Fehler der Führung zurückgeführt wurde (Padover wird zitiert in: Welzer et al. [Anm. 30], 206 f.).

  62. Welzer et al. (Anm. 30), 53.

  63. Ebd., 207.

  64. Das Adjektiv ›lettisch‹ wird denn auch in Paraphrasen der Szene jeweils extra genannt, so zum Beispiel in: Heinz Gockel, »Vom ästhetischen Nutzen der Currywurst«, in: Marx (Anm. 26), 223–236, hier: 232; Ulrich Simon, »Die Leistung des Scheiterns. Widerstehen als Thema und als Problem in Uwe Timms Texten«, in: ebd., 203–222, hier: 220. Simon erwähnt Welzers Begriff der ›kumulativen Heroisierung‹, um die Tradierung solcher Heldengeschichten zu erfassen, problematisiert die Erzählung aber doch nicht weiter.

  65. 1938 wurde Hitlers »Stiftung des Ehrenkreuzes der Deutschen Mutter« von Rudolf Heß der Öffentlichkeit bekannt gemacht; vgl. Irmgard Weyrather, Muttertag und Mutterkreuz. Der Kult um die ›deutsche Mutter‹ im Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 1993, 55.

  66. Weyrather (Anm. 65), 11.

  67. Satzung des Ehrenkreuzes der Deutschen Mutter vom 16.12.1938, Reichsgesetzblatt vom 24.12.1938, Nr. 224, S. 1924; zitiert nach ebd., 55.

  68. Ebd., 64.

  69. Merkblatt für die Auslese der Mütter, die für die Verleihung des Ehrenkreuzes der Deutschen Mutter vorgeschlagen werden sollen, Anordnung der Parteikanzlei 37/39 vom 15.2.1939); zitiert nach ebd., 57.

  70. Ebd., 64.

  71. Ebd., 67.

  72. Ebd., 124.

  73. Ebd., 91.

  74. Ebd., 112; 102.

  75. Vgl. ebd., v. a. 119-121.

  76. Abschrift, NSDAP-Gauleitung, 10.3.38 an Gaupersonalamtsleiter; zitiert nach ebd., 121.

  77. Vgl. zu den Entziehungen des Kreuzes ebd., 77 f.; 125–130.

  78. Vgl. Welzer et al. (Anm. 30), u. a. 102–104.

  79. Timm (Anm. 31), 148.

  80. Ebd., 56.

  81. Ebd., 114 f.

  82. Ebd., 55.

  83. Ebd., 151.

  84. Ebd., 114.

  85. Ebd., 66. Die Rede von den ›150-prozentigen Nazis‹ ist für Zeitzeugen und Nachfolgegenerationen typisch; vgl. z. B. Welzer et al. (Anm. 30), 53.

  86. May (Anm. 7), 9.

  87. Timm (Anm. 31), 61.

  88. Ebd., 66.

  89. Ebd., 65.

  90. Ebd., 63.

  91. Ebd., 61.

  92. Ebd., 63.

  93. Ebd., 65.

  94. Ebd., 64.

  95. Ebd., 66.

  96. Ebd., 67.

  97. Ebd., 68 f.

  98. Ebd., 121.

  99. Vgl. zur Behandlung von Geschichte und der Verwendung von Recherchematerial in Morenga z. B. Christian Volkmann, Geschichte oder Geschichten? Literarische Historiographie am Beispiel von Adam Scharrers ›Vaterlandslose Gesellen‹ und Uwe Timms ›Morenga‹, Hamburg 2013, 76–153.

  100. Steinecke (Anm. 13), 220.

  101. Alle Namen von den Autoren geändert.

  102. Welzer et al. (Anm. 30), 9.

  103. Timm (Anm. 31), 55.

  104. Ebd., 69.

  105. Ebd., 68.

  106. Ebd., 146.

  107. Auf einer Karte der Bundeszentrale für politische Bildung wird die Zahl der ermordeten deutschen Juden mit ca. 165.000 angegeben. Vgl. https://www.bpb.de/fsd/centropa/ermordete_juden_nach_land.php (04.12.18).

  108. Wobei der rassenbiologische Begriff ›Arier‹ nach dem Krieg mit ›Deutscher‹ ersetzt wird. Vgl. Welzer et al. (Anm. 30), 149.

  109. Ebd., u. a. 136; 200 f.

  110. Isabel Heinemann, Harald Welzer u. a.: Opa war kein Nazi. Rezension auf H‑Soz-Kult; https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-1544 (23.12.2018).

  111. Duden, Lemma »es«; https://www.duden.de/rechtschreibung/es_das_man (04.12.2018).

  112. Timm (Anm. 31), 147.

  113. Martin Walser, »Auschwitz und kein Ende« (1979), in: Ders., Werke in zwölf Bänden, hrsg. Helmuth Kiesel unter Mitwirkung von Frank Barsch, Frankfurt a. M. 1997, hier: Bd. 11 – »Ansichten, Einsichten«, 631–636, hier: 631.

  114. Vgl. hier auch Matthias Lorenz, »Auschwitz drängt uns auf einen Fleck«. Judendarstellung und Auschwitzdiskurs bei Martin Walser, Stuttgart 2005, 429. Vgl. zu Walser auch Eshel (Anm. 21).

  115. Vgl. zu diesem Aspekt die kontrovers diskutierten Analysen von Goldhagen und Aly; Daniel Jonah Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, übersetzt von Klaus Kochmann, Berlin 1996; Götz Aly, Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Frankfurt a. M. 2005.

  116. Es findet sich nur eine weitere Stelle, an der jüdische Opfer der Nazipolitik im Text kurz vorkommen; ein britischer Major und ein Captain sollen Juden gewesen sein, wobei einer »1933 aus Hamburg wegg[ing]«, der andere »kurz vor Kriegsausbruch geflohen« war (Timm [Anm. 31], 116).

  117. Reinhold (Anm. 11), Hervorhebung nicht im Original.

  118. Timm (Anm. 31), 148 f.

  119. Lutz Niethammer, »Juden und Russen im Gedächtnis der Deutschen«, in: Walter H. Pehle (Hrsg.), Der historische Ort des Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 1990, 114–134, hier: 119.

  120. In »Opa war kein Nazi« beteuert ein Zeitzeuge, von den Lagern erst nach 1945 gewusst zu haben, um gleich darauf davon zu berichten, dass er Augenzeuge der Existenz eines Lagers wurde; ein Widerspruch, der anscheinend weder ihm noch dem Interviewer bewusst wird. Welzer et al. (Anm. 30), 157 f.

  121. Timm (Anm. 31), 149.

  122. Diese Rede ist auch in »Opa war kein Nazi« ein Topos; vgl. Welzer et al. (Anm. 30), 156–161.

  123. Timm (Anm. 31), 117.

  124. Kreitz, Timm (Anm. 5), 34.

  125. Der Kommunist Wehrs wird wohl gefoltert und begeht daraufhin Suizid. Timm (Anm. 31), 67 f.

  126. Welzer et al. (Anm. 30), 210.

  127. So ist die Binnenerzählung etwa unterfüttert mit Anspielungen auf den antiken Mythos des Odysseus; in einer Lektüre, die diese Anspielungen ernst nimmt, wird die Protagonistin Lena Brücker zu einer Art Kalypso- oder Kirke-Figur, die den ›Helden‹ Bremer von der Heimkehr abhält. Gerade der Name dieser »[g]riechische[n] Zauberin« will Bremer beim Lösen eines Kreuzworträtsels nicht einfallen (Timm [Anm. 31], 140).

  128. Germer (Anm. 12), 82.

  129. So argumentiert etwa Julian Reidy, dass auch Familienromane Unbestimmtheiten weder zwingend ›produzieren‹ noch abbilden. Vielmehr können sie ihrem Anspruch nach durchaus historiografische Qualitäten haben, mit allen (auch problematischen) Weiterungen, die sich daraus ergeben. Vgl. Julian Reidy, Vergessen, was Eltern sind. Relektüre und literaturgeschichtliche Neusituierung der angeblichen Väterliteratur, Göttingen 2012 (Palaestra, Bd. 336).

  130. Timm (Anm. 31), 75.

  131. Ebd., 16.

  132. Ebd., 146. Die Forschung geht zum Teil erstaunlich unkritisch mit solchen Passagen um, wenn Nicklas z. B. affirmativ paraphrasiert: »Nun erst wird sich Lena Brücker der Tatsachen bewusst: Die Juden, die sie in ihrer Umgebung kannte, waren plötzlich verschwunden« (Nicklas [Anm. 12], 162).

  133. Und selbst wenn man die Novelle möglichst gutwillig liest und alle Signale einer erzählerischen Unzuverlässigkeit über alle Maßen überhellt, bleibt das gleiche Dilemma, das auch auf Schlinks Der Vorleser zutrifft. In den Worten Donahues: »First, he [scil. der Erzähler] has frequently been equated with (and mistaken for) the real-life distinguished jurist, Bernhard Schlink. And second, if one looks to the overwhelming majority of the reviews as a test of Schlink’s contention that his narrator invites critique, then it clearly fails« (Donahue [Anm. 46], 75). Auch der Erzähler der Currywurst wird teilweise unkritisch mit Uwe Timm gleichgesetzt, der in Sachen Erinnerungspolitik durchaus eine Autorität ist; und was die Behandlung von Nationalsozialismus, Antisemitismus und Shoah angeht, wird die Rolle des Erzählers nicht problematisiert.

  134. In »Opa war kein Nazi« wird zum Thema, dass intergenerationelle Erinnerung eben nicht neutral ist, die späteren Generationen das, was Zeitzeugen erzählen, nicht nur selbst interpretieren, »sondern oft völlig neu gestalten, ergänzen oder entstellen« (Welzer et al. [Anm. 30], 19). Eine Problematisierung der Erzählerrolle, die solche Befunde gewissermaßen vorwegnehmen würde, findet sich allerdings in Die Entdeckung der Currywurst nicht.

  135. Steinecke (Anm. 13), 229.

  136. Z. B. May (Anm. 7), 67. Weitere Stellen, die vielleicht dazu anregen könnten, dem Ich-Erzähler nicht immer Glauben zu schenken, finden sich dort, wo er Gedankengänge Bremers nachvollzieht, obwohl dieser allein in Brückers Wohnung ist (Timm [Anm. 31], 72–76).

  137. Unter anderem ist auch er gebürtiger Hamburger und Sohn eines Kürschners und lebt zur Zeit der Rahmenhandlung in München (wie Timm zur Entstehungszeit der Novelle).

  138. In Morenga etwa arbeitet Timm mit einer Mischung faktualer und fiktionaler Dokumente, wodurch man behaupten kann, dass der Status von Geschichtsschreibung überhaupt problematisiert wird; vgl. dazu Christine Ott, Der Schriftsteller als Geschichtsschreiber und Ethnograph. Eine kulturwissenschaftliche Studie zu Uwe Timms ›Morenga‹, Frankfurt a. M. 2012. Eine solche Problematisierung von vermitteltem Geschichtswissen findet in Die Entdeckung der Currywurst eben gerade nicht statt.

  139. Vgl. zur Behandlung der Vergangenheit in diesem Werk Germer (Anm. 12), 72–84; Helmut Schmitz, »Family, Heritage, and German Wartime Suffering in Hanns-Josef Ortheil, Stephan Wackwitz, Thomas Medicus, Dagmar Leupold, and Uwe Timm«, in: Stuart Taberner, Karina Berger (Hrsg.), Germans as Victims in the Literary Fiction of the Berlin Republic, NY 2009, 70–85; dazu zahlreiche Beiträge in Marx (Anm. 26).

  140. Vgl. dazu die Auszüge aus Texten von Holocaust-Opfern, die Timm einbindet, u. a. von Primo Levi; die zahlreichen Schilderungen der durch die Nationalsozialisten und Soldaten begangenen Verbrechen; zudem die Reflexionen des Erzählers über die Deutschen, die ihre eigene Täterrolle nicht bedenken wollen (Uwe Timm, Am Beispiel meines Bruders, München 122018, u. a. 105 f.), und über die »Opferrolle«, die sie sich nach dem Krieg »erschl[e]ichen« wollen (ebd.), um die eigene »Schuld zu relativieren« (ebd., 134).

  141. Vgl. dazu auch Lorenz (Anm. 114), 37.

  142. In den Königs Erläuterungen zum Beispiel findet sich keine einzige kritische Bemerkung zur Darstellung der NS-Zeit in der Novelle. Ein ähnliches Bild bieten auch die anderen konsultierten didaktischen Sekundärtexte.

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Nowotny, J. »Eine andere Geschichte«. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 93, 337–362 (2019). https://doi.org/10.1007/s41245-019-00082-2

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