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Übersetzung

2008
978-3-8233-7443-5
Gunter Narr Verlag 
Christoph Strosetzki

Die Konstanten und Veränderungen in Tätigkeit und Selbstverständnis von Übersetzern und Philologen stehen im Zentrum dieses Bands. Es diskutieren Vertreter der Übersetzungswissenschaft, der mittellateinischen, romanischen und germanistischen Sprach- bzw. Literaturwissenschaft. Die Themen reichen von der Übersetzungsleistung der ersten Glossen bis zu heutigen Lehrplänen europäischer Universitäten. Entstehung, Wandel und Beispiele von Übersetzungen im Zusammenhang mit der Philologie präsentieren Wissenschaftler aus Belgien, Frankreich, Deutschland und Spanien am Beispiel literarischer Meisterwerke von Goethe bis Montaigne. Mit Beiträgen von: Jörn Albrecht, Jean Balsamo, Dietrich Briesemeister, Antonio Bueno García, Marie-Luce Demonet, Giovanni Dotoli, Javier García Albero, Arno Gimber, Norbert Greiner, Jennifer Helm, Volker Kapp, Lea Marquart, Joaquín Parellada, Christiane Pérez González, Wolfgang Pöckl, Earl Jeffrey Richards, Carmen Rivero Iglesias, Julio César Santoyo, Christoph Strosetzki, Alexandre Vanautgaerden, Miguel Angel Vega, Karin Westerwelle

Übersetzung - Ursprung und Zukunft ff der Philologie? Christoph Strosetzki (Hrsg.) Üb ÜÜ er ee s rr e ss tz tt u zz ng nn Ur UU s rr p ss ru rr ng nn und Zu ZZ kunf n t ff de dd r ee Ph PP ilo ll lo ll g oo i gg e ii ? Gunter Narr Ve VV rlag Tübingen Bibliografi ff sche Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogra fi ff e; detaillierte bibliografi ff sche Daten sind im Internet über http: / / / / dnb.d-nb.de abrufb ff ar. rr © 2008 Narr Francke Attempto Ve VV rlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das We WW rk einschließlich aller seiner Te TT ile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ve VV rwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Ve VV rlages unzulässig und strafb ff ar. rr Das gilt insbesondere für Ve VV rvielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi ff lmungen und die Einspeicherung und Ve VV rarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: ww ww w ww . ww narr. rr de E-Mail: info@narr. rr de Printed in Germany nn ISBN 978-3-8233-6443-6 Inhalt C. S TROSETZKI : Vorwort...................................................................................... 7 1. T EIL : Ü BERSETZUNGSLEISTUNG IM Z USAMMENHANG MIT G LOSSEN , R HETORIK UND S PRACHWISSEN - SCHAFT 1.1 V. K APP : Zum Verhältnis von Übersetzen und Rhetorik................... 15 1.2 W. P ÖCKL : Glossen als Keimzellen der Philologie ............................. 31 1.3 J. A LBRECHT : Wiedergeburt der Philologie aus dem Geiste der Übersetzung? Die Übersetzungsforschung als Bindeglied zwischen Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft ...................... 45 2. T EIL : F RÜHE N EUZEIT 2.1 J. C. S ANTOYO : De nuevo sobre el Tostado: La creación de un metalenguaje traductor en la España del siglo XV ............................. 65 2.2 J. P ARELLADA : Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI ........ 75 2.3 C. P ÉREZ G ONZÁLEZ : Lateinisch oder Spanisch? Übersetzung und Sprachenfrage im spanischen Jesuitentheater am Beginn des Siglo de Oro ............................................................................................. 101 3. T EIL : P RAKTIKEN DES U MGANGS MIT FREMD - SPRACHLICHEN T EXTVORLAGEN ÜBER DIE J AHRHUNDERTE 3.1 A. B UENO G ARCÍA : Non solum fateor, sed libera voce profiteor me... Justificar la traducción, labor siempre necesaria .............................. 125 3.2 J. B ALSAMO : Entre philologie et traduction: les Essais de Montaigne ......................................................................... 139 3.3 K. W ESTERWELLE : Montaigne, Übersetzer der Theologia naturalis von Raimundus Sabundus .................................................................. 159 4. T EIL : 16. J AHRHUNDERT 4.1 A. V ANAUTGAERDEN : Érasme, Alde Manuce et l’édition d’Euripide de 1507..................................................................................................... 177 4.2 J. H ELM : Philologie, Übersetzungen und das Dekret Inter sollicitudines zur Vorzensur (1515) ............................................. 195 4.3 M.-L. D EMONET : Aligner textes originaux et traductions du XVI e siècle ......................................................................................... 213 6 5. T EIL : 18. UND 19. J AHRHUNDERT 5.1 N. G REINER : Die Anfänge des deutschen ‚Regietheaters’ - der adaptierende Umgang mit Much Ado about Nothing von Wieland bis Goethe .............................................................................................. 233 5.2 E. J. R ICHARDS : Übersetzen zwischen Erkennen und Wiedererkennen in der romanischen Philologie: Joseph Bédiers Nachfolger übersetzen Christine de Pizan ........................................ 253 5.3 L. M ARQUART : Gérard de Nervals Faust-Übertragung - Ein Dichter als Übersetzer.................................................................... 269 6. T EIL : B EWERTUNG VON Ü BERSETZUNGEN AUS DEM KULTURELLEN BZW . KULTURPOLITISCHEN Z EIT - KONTEXT 6.1 G. D OTOLI : Traduction et humanisme: Les traductions de l’italien en français au XVII e siècle ................... 289 6.2 C. R IVERO I GLESIAS : Filología y Traducción en la España y Alemania del siglo XVIII ...................................................................... 305 6.3 A. G IMBER : Die Übersetzung von Unamunos Werken als kulturelle Praxis im deutsch-spanischen Kulturaustausch ............ 317 7. T EIL : U NIVERSITÄRE V ERANKERUNG VON Ü BER - SETZUNG UND N EUPHILOLOGIE 7.1 D. B RIESEMEISTER : Zur Entstehung der Neuphilologien in der Auseinandersetzung mit der klassischen Philologie ....................... 329 7.2 J. G ARCÍA A LBERO : Traducción y Filología: Karl Mager y el Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen ............ 345 7.3 M. A. V EGA : Expansión actual de los estudios de la traducción e implosión de las filologías en las universidades españolas: la Traducción, ¿punto omega de la Filología? ....................................... 355 Christoph Strosetzki Vorwort Kenntnisse der Fremd- und Wissenschaftssprache Latein vermittelte im Mittelalter die Grammatik als eine der Disziplinen des Trivium, um so auf den Wissenschaftsbetrieb der höheren Fakultäten vorzubereiten. Dabei war die Übersetzung von kanonisierten Texten aus der Fremdsprache ein zentrales pädagogisches Mittel. Zudem war der grammaticus, indem er den Textkanon aufstellte und kommentierte, philologisch tätig. Er kann also als Vorläufer des Literaturwissenschaftlers und des Sprachwissenschaftlers gelten. Die vorliegenden Akten der Tagung Übersetzung: Ursprung und Zukunft der Philologie? , die dank der finanziellen Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und durch das Instituto Cervantes, Bremen, vom 15.-18. Juni 2007 an der Universität Münster stattfand, sollen vor allem das Spannungsfeld zwischen Übersetzung und literaturwissenschaftlicher Seite beleuchten. Exemplarisch soll dies am Beispiel der Romanistik geschehen, wobei aber auch die Verhältnisse im übrigen Europa einbezogen werden sollen. Den Humanisten der Renaissance diente die Übersetzung weniger pädagogischen Zwecken, sondern eher der Publikation und Verbreitung von antiken und zeitgenössischen fremdsprachlichen Texten in der eigenen Volkssprache, wobei sie auf literaturwissenschaftliche Tätigkeiten wie Paraphrasierung, Kommentierung, Korrektur, Glossierung und Kompilierung nicht verzichteten. Es stellte sich die Frage, wie die Humanisten in ihrem Selbstverständnis ihre unterschiedlichen Arbeitsbereiche bewerten und gewichten. Hierzu lassen sich aus Vorworten, autoreflexiven Traktaten, Dialogen, Grammatiken und Rhetoriken Aufschlüsse gewinnen. Im 17. und 18. Jahrhundert bestätigt sich, daß die Übersetzungstätigkeit nicht vom allgemeinen gesellschaftlichen und politischen Umfeld zu trennen ist. Im 19. Jahrhundert wurde die Aufmerksamkeit exemplarisch auf die spezifischen Verhältnisse an deutschen Universitäten fokussiert. Hier etabliert sich die Neuphilologie in Abgrenzung zur Altphilologie. Zunächst treten die Philologien der einzelnen neueren Sprachen en bloc gegen die Altphilologie auf, um sich ihr gegenüber zu emanzipieren. Dann differenzieren sie sich untereinander. Mit der in dieser Zeit dominanten Mittelalterforschung stehen Texte im Mittelpunkt, die nicht ohne weiteres verständlich sind und übersetzt werden müssen. Daher stellt sich erneut die Frage, welchen Stellenwert die Übersetzung gegenüber Edition, Kommentierung und literaturwissenschaftlicher Abhandlung hat. Auch hier läßt sich nach dem Selbstverständnis der Übersetzer und Philologen fragen. In den zeitgenössischen wissenschaftlichen Zeitschriften gibt es zahlreiche Artikel und Christoph Strosetzki 8 Diskussionsbeiträge, in denen das Selbstverständnis und die Gewichtung der Bereiche in den Philologien erörtert werden. In diesem Zusammenhang ist es sicherlich aufschlußreich, die Perspektive der Klassischen Philologie mit der der Neuphilologien zu kontrastieren. Es ging also, in diesem Teil der Tagung wie in den anderen, weniger um die Aufzählung und Darstellung von Entstehung und Rezeption einzelner Übersetzungen, sondern vielmehr um den systematischen Stellenwert, der dem Übersetzen zugeschrieben wird. In 20. Jahrhundert setzt sich die Spezialisierung und Emanzipierung einzelner Bereiche aus der Philologie in der Weise fort, daß z.B. in Deutschland und Spanien Studiengänge und Fachbereiche für Übersetzen geschaffen werden. Hier stellte sich zunächst einmal die Frage, mit welchen argumentativen Strategien der Emanzipationsprozeß z.B. in Reden und Studienordnungen begleitet wurde. Schließlich war nach dem Sinn und Erfolg der Verselbständigung der Übersetzung zu fragen: Handelt es sich z.B. beim literarischen Übersetzen um mehr als eine bloße Umverteilung der Etikette, so daß einige Teilbereiche der Philologie, wie z.B. die Rezeptionswissenschaft, im neuen Fach „Übersetzen“ weitergeführt werden, allerdings nunmehr unter dem Titel „Übersetzungswissenschaft“. Demgegenüber steht die Systematik der philologischen Fächer: Hat hier die Übersetzung nach ihrer teilweisen Ausgliederung in die Übersetzungswissenschaften einen neuen Stellenwert gewonnen? Oder rangiert das Übersetzen beim philologischen Studium nachgeordnet im Bereich der „Sprachpraxis“? Und wodurch könnte es einen höheren Stellenwert erlangen? Wie sind schließlich Entwicklungen an den spanischen Universitäten zu bewerten, wo sich immer weniger Studierende für die philologischen Fächer einschreiben und die Übersetzungswissenschaften immer größeren Zulauf finden? Die Tagung hatte, systemtheoretisch gesprochen, das Ziel, im Feld „Literatur als Praxis“ die wechselnde Position von literarischer Übersetzung im Verhältnis zur Position von Literaturwissenschaft und Philologie zu bestimmen. Hier kommt den unterschiedlichen Epochen insofern eine besondere Bedeutung zu, als im Mittelalter die universitäre Grundlage geschaffen wird, die dann im weitgehend außeruniversitären Humanismus einen signifikanten Funktionswandel erfährt, der wiederum die Voraussetzungen für die universitären Entwicklungen des 19. Jahrhunderts schafft. Während in der frühen Neuzeit die Übersetzungen in die Volkssprache erst aufkommen, ist es im 19. Jahrhundert die universitäre Neuphilologie, die sich etabliert. Die abschließende Analyse der Verhältnisse im 20. Jahrhundert gewinnt insofern besondere Brisanz, als sie die historisch konstatierten Varianten im Spannungsfeld von Übersetzung und Philologie als Potential künftiger Organisationsperspektiven bewerten und nutzen sollte. Im folgenden sei kurz auf die einzelnen Beiträge und ihre Thesen eingegangen. Drei Beiträge näherten sich dem Thema mit einer allgemeinen Fragestellung, wobei die Beziehung von Rhetorik und Übersetzung, die Be- Vorwort 9 deutung der Glossen und das Verhältnis von Literatur- und Sprachwissenschaft in der Übersetzungsforschung thematisiert wurden. Wenn Übersetzungstheorie bis ins 18. Jahrhundert unter Bezugnahme auf rhetorische Kategorien ausgebaut wurde, Leonardo Bruni Übersetzen als „interpretatio“ der Aussagekraft des Ausgangstextes bezeichnet, Übersetzen im 16. Jahrhundert allgemein im Kontext der rhetorischen Übungen von Paraphrase, Zusammenfassung und Deutung gesehen wird, Antoine Le Maistre im 17. Jahrhundert unter Berufung auf Cicero Übersetzung zu den Bestandteilen der Rhetorik zählt und Jacques Peletier das Übersetzen mit dem rhetorischen Modell von inventio, dispositio und elocutio beschreibt, zeigt sich für Volker Kapp die rhetorische Prägung der Übersetzungstheorie. - Da Glossen ungebräuchliche oder unverständliche Wörter und Texte übersetzen oder kommentieren, stehen sie zwischen Übersetzung und Philologie. Wolfgang Pöckl zeigt mit Blick auf ihre Geschichte, daß sie nicht nur als frühe sprachliche Denkmäler, sondern auch in ihrer Funktion zum Bezugstext zu sehen sind und will sie eingeteilt wissen nach dem Grad der Integration in den Basistext, nach dem Verhältnis der Sprache des glossierten Textes zur Sprache der Glossen und nach dem Umfang der glossierten Elemente. - Angesichts möglicher Kürzungen in den Geisteswissenschaften plädiert Jörn Albrecht für eine „Wiedervereinigung“ von Literatur- und Sprachwissenschaft zumindest unter dem Dach der Übersetzungsforschung, für deren sprachwissenschaftliche Ausrichtung er als Beispiele die Vergleichende Sprachstilistik, die Bedeutung von Determinationsrichtungen und phonischen Formen und von grammatischen „Sprachspielen“ angibt, während Synonymendopplung, interlingualer anaphorischer Verweis, „erlebte Rede“ im Deutschen und Anredeverhalten in der klassischen französischen Tragödie als Beispiele für die literaturwissenschaftlich ausgerichtete Übersetzungsforschung dienen. Daß Übersetzungen häufig auch kommentiert werden und die Wahl der Volkssprache oder des Lateinischen intendiert ist und gerechtfertigt wird, zeigen drei Beiträge, die sich mit dem Spanien der frühen Neuzeit beschäftigen: Fernández de Madrigal, el Tostado, wurde 1448 vom Marqués de Santillana gebeten, die Chroniken des Eusebio de Cesarea ins Spanische zu übersetzen, die nur in lateinischer Übersetzung vorlagen, da die ursprüngliche griechische Fassung verlorengegangen war. Nachdem Fernández de Madrigal die Übersetzung in einem Jahr abgeschlossen hat, verfasst er ausführliche Kommentare dazu. Julio César Santoyo zeigt nun, daß diese 14 Kapitel lange Kommentierung einer Passage von fünfzig Zeilen zur Übersetzung nicht nur als Theorie, sondern auch hinsichtlich Sprache und Fachterminologie aufschlussreich ist. - Unter Berücksichtigung der Prologe und Heranziehung ausführlicher Belege zeigt Joaquín Parellada, wie Erasmus’ Precatio Dominica, Sileni Alcibiadis, Lingua, Liber de preparatione ad mortem und Vives’ De subventione pauperum und De institutione feminae christianae im 16. Jahrhundert ins Spanische übersetzt worden sind. - Angesichts der Dominanz des Lateinischen im Jesuitendrama des übrigen Christoph Strosetzki 10 Europas stellt sich die Frage, warum von den knapp 250 dramatischen Dichtungen der Jesuiten in Spanien nur 35 in lateinischer Sprache geschrieben sind und die anderen bereits im 16. Jahrhundert spanische Szenen und Dialoge beimischen, bis im 17. Jahrhundert das Spanische dominiert. Christiane Pérez González weist zur Erklärung auf die ausgeprägten missionarischen Absichten wie auf Rechtfertigungsstrategien und Popularisierungsversuche hin. Es lassen sich übersetzungstheoretische Positionen und unterschiedliche Praktiken des Umgangs mit fremdsprachlichen Textvorlagen - wie im ersten Beitrag der folgenden Dreiergruppe - über die Jahrhunderte verfolgen oder aber - wie in den beiden anderen Beiträgen - ganz konkret bei einem Autor der französischen Renaissance analysieren: Zwei grundsätzliche Haltungen können bei der Übersetzung eingenommen werden: Man kann primär dem Ursprungstext gerecht werden wollen wie Dante, J. Pelletier, J. J. Breitinger, Ch. Batteux oder Mme de Staël, oder man hat wie Plinius, Luther, Du Bellay, Bachet de Meziriac, N. d’Ablancourt, A. Lesage, van Effen und A. Desfontaines dem Text der Zielsprache den Vorzug geben. Antonio Bueno García lässt ein breites Panorama von spanischen und nichtspanischen Übersetzungstheoretikern Revue passieren und schließt mit dem Hinweis, daß sich der Verzicht auf philologisch-historische Kenntnisse in den Curricula der heutigen spanischen Übersetzerfakultäten zum Nachteil für die Übersetzung auswirken könnte. - Vorworte sind es, die in der Renaissance die Übersetzungen ins Französische als Erprobungen der Möglichkeiten des Französischen rechtfertigten. Montaigne ist nicht nur durch seine Übersetzung des R. Sebundus hervorzuheben, sondern auch durch die zahlreichen Übersetzungen in den Essais. Jean Balsamo zeigt, wie Montaigne bei seinen Übernahmen von Vers in Prosa wechselt, wie er Worte historischer Persönlichkeiten, z.B. aus Plutarch, in seinen Text adaptiert und integriert, wie er Sätze unterschiedlicher Autoren zusammenführt, wie er Zitate durch Übersetzungen und Paraphrasen kommentiert und wie er seine „traductions dissimulées“ zur „écriture personnelle“ und zur Herausforderung des Lesers macht. - Montaigne setzt sich in einem seiner Essais wie erwähnt ausführlich mit dem Spätscholastiker Raimundus Sabundus auseinander, dessen Theologia naturalis er bereits 1569 ins Französische übersetzt hat. Karin Westerwelle zeigt nun, wie Montaigne die Rationalität der Vorlage durch „imagination“ und „fantaisie“ relativiert, wobei nicht nur aus dem scholastischen und apodiktischen ein eleganter Stil wird, sondern sich auch Konsequenzen für den ontologischen Gottesbeweis nach Anselm von Canterbury ergeben. Eine breitere europäische Perspektive nehmen die beiden folgenden Beiträge zum 16. Jahrhundert ein, wenn in ihnen die Bedeutung der Zensur für die Übersetzungstätigkeit bzw. der mit fortgeschrittenem Alter europaweit berühmte Erasmus als Übersetzer thematisiert wird. Als Erasmus Italien besuchte und mit dem Verleger Aldus Manucius eine Korrespondenz hatte, in der es um seine geplante lateinische Übersetzung von Euripides’ Vorwort 11 Iphigenie in Aulis und Hecube ging, war er allerdings noch nicht besonders bekannt. Alexandre Vanautgaerden zeigt, welchen Stellenwert der Italienaufenthalt für Erasmus hatte, welcher Verlagsbuchreihe er den Vorzug gab, welche Freiheiten er dem Verleger zugestand. In den Briefen des Jahres 1507 erklärt Erasmus die Prinzipien seiner ins Lateinische übertragenen Ausgabe und die Schwierigkeiten bei der Übersetzung. - Das Dekret Inter sollicitudines aus dem Jahr 1515 richtet sich nicht zuletzt gegen lateinische Erst- oder Neuübersetzungen von griechischen, arabischen, hebräischen und aramäischen Texten, die zur mittelalterlich-scholastischen Perspektive alternative Ideen enthielten. Welche Rolle in diesem Zusammenhang die Philologie als Textkritik im 15. Jahrhundert spielt, zeigt Jennifer Helm anhand von kommentierten und unkommentierten Neuübersetzungen und mit Blick auf Lorenzo Vallas philologische Kritik und seine Annotationes in Novum Testamentum. Eine besondere Wirkung entfalten Übersetzungen, die neben ihren Originaltexten stehen, sei es horizontal oder vertikal. Ersterer Fall ist besonders beliebt bei Schulübersetzungen, in denen unter der Linie z.B. des lateinischen Originaltextes die Linie der Übersetzung in die neuere Sprache steht. Für den zweiten Fall nennt Marie-Luce Demonet als ein Beispiel die französische Übersetzung des italienischen Cortegiano durch Gabriel Chapuys aus dem Jahr 1585. Hier steht der französische Text in einer Kolumne rechts neben der Kolumne des italienischen, so daß für den Leser beide auf einen Blick zu erfassen sind. Während der französische Text Normalschrift hat, ist der italienische kursiv. Demonet analysiert anhand weiterer Beispiele die spezifische Wirkung, die eine solche Anordnung auf den Betrachter ausübt, der beim Lesen der gesamten Zeile von einer Sprach-, d.h. Denkform, zur anderen wechselt. Zugleich wendet sie den Blick in die Zukunft, schlägt Möglichkeiten der Segmentierung vor, und erhofft von der digitalen Parallelisierung übersetzter Texte mögliche Einsichten in das automatische Übersetzen, zumindest aber Hilfen für das Aufspüren von Plagiaten. Im 18. und 19. Jahrhundert wird die Praxis besonders beliebt, die Übersetzung bewußt dem Geschmack des Publikums der Zielsprache anzupassen. In Deutschland geht dies so weit, daß man in den Shakespeareadaptationen von Wieland bis Goethe bereits Frühformen des „Regietheaters“ sehen kann. Während Voltaire Shakespeares Dramen dort schätzt, wo er sie für den zeitgenössischen Publikumsgeschmack aufbereitet, jedoch kritisiert, wenn er sie wörtlich übersetzt, nennt Norbert Greiner im deutschen 18. Jahrhundert Eschenburg als Beispiel für eine wörtliche Übersetzung, die vom Publikum kaum geschätzt wurde, während Johann Jakob Engel die Handlung strafft und vereinfacht, Friedrich Ludwig Schröder eine Verbürgerlichung und Sentimentalisierung vornimmt und der in Goethes Weimarer Hoftheater aufgeführte Heinrich Beck Patriotismus mit aufgeklärter bürgerlicher Tugend verbindet. - Das Eigene wird also auf die zu übersetzende Vorlage projiziert. Daß die Philologie im Sinne von August Christoph Strosetzki 12 Boeckh (1877) das zufällig Vorhandene durchleuchte und mit dem Wiedererkennen arbeite, das auch manchmal statt einer recognitio eher eine projectio sein kann, exemplifiziert Earl Jeffrey Richards mit Übersetzungen von Christine de Pizan und mit dem Beispiel von Joseph Bédiers neufranzösischer Übersetzung des Chanson de Roland (1921), der vom historischen Kontext absehend aus dem Werk ein nationales französisches Epos macht und zugleich eine Verbürgerlichung vornimmt. - Ein Beispiel für jahrzehntelange Beschäftigung mit einer Übersetzung ist Gérard de Nerval. Nachdem Germaine de Staël 1814 ausführlich Goethes Faust vorgestellt hatte, übersetzte er den ersten Teil des Werkes 1828 und veröffentlichte Überarbeitungen dieser Übersetzung und Teile aus dem zweiten Teil 1835, 1840, 1850 und 1852. Lea Marquart zeigt, daß sich Nerval bei den Passagen in Versen für eine freie und umdeutende Übersetzung entscheidet, während er sich bei den Prosapassagen sehr viel enger an den deutschen Vorgaben orientiert. Drei Beiträge leiten Wert bzw. Unwert von Übersetzungen aus dem kulturellen bzw. kulturpolitischen Zeitkontext ab und belegen, daß die Öffnung zu fremdsprachlichen Texten viel mit der Bewertung des Eigenen und des Fremden zu tun hat und daß bei Interesse an fremdsprachlichen Texten auch die Reflexion über Übersetzung und Philologie Konjunktur hat. Wie ist es z.B. zu erklären, daß im französischen 17. Jahrhundert Italien sehr präsent ist und gern adaptiert wird, wenn schon unter Richelieu und Ludwig XIV. der italienische Einfluß als schädlich und barock abgelehnt wird? Warum sind dennoch die Übersetzungen aus dem Italienischen zahlreich und die Übersetzer überaus angesehen? Diese Fragen stellt Giovanni Dotoli und belegt, daß die antiitalienische Haltung aus dem Versuch zu erklären ist, Frankreich die kulturelle und politische Dominanz in Europa zu geben. Er zeigt, wie die französischen Theoretiker die Exzellenz einer Übersetzung definieren und wie die Übersetzer den Ursprungstext im Interesse der Überlegenheit der französischen Sprache, der „bienséance“ und der Klarheit verschönern und eher frei mit ihm umgehen. - Für die Übersetzung kann es ebenso wie für die Philologie ein günstiges wie ein ungünstiges Klima geben. Während sich im 18. Jahrhundert Spanien auf das Eigene zurückbezieht, öffnet sich Deutschland in derselben Zeit für ausländische Einflüsse. Carmen Rivero Iglesias zeigt, daß Autoren wie der Padre Isla die Übersetzung französischer Bücher mit der Pest vergleichen, die Spanien überzogen und die Reinheit des Spanischen ebenso wie die spanischen Sitten verdorben habe. Demgegenüber stehen deutsche Autoren wie Gottsched und Gerstenberg, die dem Übersetzen hohe Wertschätzung entgegenbringen und seinen bildenden Wert betonen. Herder postuliert 1767, der Übersetzer möge sich in den zu übersetzenden Autor hineinversetzen und der Textvorlage mit philologischem Wissen entgegentreten. - Insofern lässt sich die Analyse von Übersetzungen und ihres Umfelds als Teil der Kulturwissenschaften verstehen. Dies exemplifiziert Arno Gimber, indem er sich der Aufmerksamkeit widmet, die in Deutschland um 1920 Vorwort 13 Miguel de Unamuno galt, und zeigt, daß die Übersetzungen von Unamunos Werken angesichts des Verlustes der spanischen Kolonien 1898 und der deutschen Niederlage im 1. Weltkrieg von einem affinen deutschen „sentimiento trágico de la vida“ und einem antirationalistischen und antipositivistischen Vitalismus geleitet waren. Die drei abschließenden Beiträge beschäftigen sich mit der universitären Verankerung von Übersetzung und Neuphilologie. Während der erste weit ausholt und einen Bogen vom Humanismus bis ins 20. Jahrhundert spannt, konzentriert sich der zweite anhand zweier wissenschaftlicher Zeitschriften auf die Situation im Deutschland des 19. Jahrhunderts und wagt der dritte eine Bestandsaufnahme von Philologie und Übersetzung an spanischen Universitäten und einen Ausblick in die Zukunft. Mehrere Aspekte des Lateinischen als Paradigma für neuphilologische Beschäftigung hebt Dietrich Briesemeister hervor: Humanistische Lehrbücher des Spanischen orientieren sich am Lateinunterricht, lateinische Kommentierungsgewohnheiten werden im Umgang mit volkssprachlichen Texten übernommen, neulateinische Übersetzungen werden von spanischer Literatur vorgenommen, der Kölner Autor eines Spanischlehrbuches schlägt 1614, wie nach ihm E. R. Curtius, eine Seelenkunde des „homo hispanicus“ vor, und im 19. Jahrhundert zeigt sich anhand der universitären Berufungspolitik die langsame Emanzipation der Romanistik. - Frühe Zeugnisse für die sich im 19. Jahrhundert in Deutschland konstituierenden Neuphilologien finden sich in Zeitschriften wie Pädagogische Revue und Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Javier García Albero zeigt, daß einerseits der modernen Philologie „fortdauernde Rücksicht auf die antike empfohlen“ wird, daß sich die modernen „Culturvölker“ erst langsam emanzipieren und Übersetzung als Teil der Philologie gesehen wurde: Nach dem Philologen Mager könne keiner leugnen, daß Übersetzungen „Kunstwerke sind und als solche einen absoluten Werth haben, in ihrer Vollkommenheit aber nur das Werk von Philologen sein können.“ - Der Explosion der universitären Beschäftigung mit der Übersetzung steht eine Implosion der Philologie an spanischen Universitäten gegenüber. Übersetzung wird in zwanzig spanischen Universitäten gelehrt, wobei die Studienpläne jeweils mehrere Sprachen einbeziehen, technisches, juristisches und ökonomisches Fachvokabular berücksichtigen und praktisch ausgerichtet sind, von Geschichte und Literatur jedoch absehen. Dies hält Miguel Angel Vega deshalb für problematisch, weil darunter Allgemeinbildung, historisches Wissen und die Beherrschung der eigenen Sprache leiden, für eine adäquate Übersetzung unerlässliche Voraussetzungen also, die eine recht verstandene Philologie beisteuern könnte. Die einzelnen Beiträge belegen, daß Übersetzungstätigkeit ebenso wie philologische Praxis immer schon Rechtfertigungszwängen unterlag. Daß es zwischen Philologie und Übersetzung zahlreiche Schnittmengen gab und damit Potential für künftige Kooperation besteht, möge die hoffnungsvolle Botschaft des vorliegenden Bandes sein, dessen redaktionelle Betreuung Ursel Schaub zu verdanken ist. Volker Kapp Zum Verhältnis von Übersetzen und Rhetorik Der Titel dieses Beitrags ist bewusst allgemein gehalten, verlangt jedoch einleitend gewisse Einschränkungen. Laura Salmon betitelt eines der Kapitel ihres Buches über Übersetzungstheorie „Sacralità, mistica e ideologia: la teoria tra religione ed estetica“. Dort setzt sie sich nicht, wie man erwarten könnte, in erster Linie mit der Bibelübersetzung, sondern mit George Steiners Skepsis gegenüber der linguistischen Übersetzungstheorie 1 auseinander, dem „le ambizioni di questa giovane scienza [...] sembrano chimeriche“ 2 . Sie hebt auf Steiners Gegenüberstellung von Wissenschaft und Kunst des Übersetzens ab und moniert, dass sein Kunstbegriff vage, weil einem nicht wissenschaftlich exakt beschreibbaren Geistbegriff verpflichtet ist, und fordert die Überwindung von „a tradizionale scissione tra scuola linguistica e scuola letteraria“ 3 . Meine folgenden Überlegungen klammern die Problematik der Bibelübersetzung wie das heikle Thema des Verhältnisses von Kunst und Wissenschaft des Übersetzens zugunsten einer Betrachtung des Verhältnisses von Übersetzen und Rhetorik aus, weil diese Thematik von Kritikern der Übersetzungswissenschaft ebenso wie von Linguisten weitgehend übergangen wird. Aber auch der Begriff der Rhetorik muss eingeschränkt werden, weil ich jene Rhetoriklehren übergehe, in denen die Verse als eine der Möglichkeiten des Regelns der Satzperiode behandelt werden. Diese Einbeziehung der Metrik in die Rhetorik kennzeichnet nicht nur die mittelalterlichen Artes dictaminis, sondern noch die Rhetorik von Bernard Lamy, der aus der Sprachphilosophie von Descartes und von Port-Royal eine neuartige Sicht der Disziplin ableitet. 4 Noch Marmontel lobt überdies die Übersetzung der Georgica durch Delille als „un coup de maître dans l'art d'écrire“ 5 . Der Band über Le Statut littéraire de 1 Vgl. George Steiner, After Babel. Aspects of Language and Translation (1975), Second Edition 1992, dt. Nach Babel. Aspekte der Sprache und des Übersetzens (Zweite Ausgabe), Frankfurt, Suhrkamp, 1994, vgl. z.B. die Aussage: „Wenn man mehr über Sprache und Übersetzung wissen will, muß man von den „Tiefenstrukturen“ der Transformationsgrammatik zurückfinden zu den tieferen Strukturen des Dichters“ (ibid., S. 128). 2 Laura Salmon, Teoria della traduzione. Storia, scienza, professione, Milano. Vallardi, 2003, S. 47. 3 Teoria della traduzione, S. 54. 4 Vgl. Bernard Lamy, La Rhétorique ou l'Art de parler. Édition critique avec introduction et notes de Christine Noille-Clauzade, Paris, Champion, 1998, S. 300-332. 5 Jean-François Marmontel, Éléments de littérature. Édition présentée, établie et annotée par Sophie Le Ménahèze, Paris, Desjonquères, 2005, S. 1083. Deswegen sieht er in diesem der Übersetzung gewidmeten Artikel auch keinen wesentlichen Unterschied zwischen Vers und poetischer Prosa: „Entre la prose poétique et le vers, nulle Volker Kapp 16 l’écrivain berücksichtigt mit Recht diese historische Tatsache, wenn er zwei Beiträge über Übersetzer in den Teil „Du choix d’un genre à la reconnaissance de l’écrivain“ aufnimmt. 6 Die Fragestellung dieser Tagung: Übersetzung: Ursprung und Zukunft der Philologie? erinnert mit gutem Grund an diese Zusammenhänge, die den heutigen Literaturwissenschaftlern wenig bewusst sind. Meine folgenden Überlegungen greifen einen Teilaspekt dieser weit gespannten Problematik auf und beschränken sich auf das Übersetzen von Prosa, an dem das Verhältnis von Übersetzen und Rhetorik heutzutage leichter zu illustrieren ist. Die Beziehung von Übersetzen und Rhetorik scheint eine Thematik zu sein, die im heutigen Wissenschaftsbetrieb abwegig oder zumindest weitgehend ein weißer Fleck innerhalb der Forschungslandschaft ist. Wenn ich nicht falsch recherchiert habe, wird es im Internet nirgendwo behandelt. Christian Jérémie lenkt von dieser Problematik ab, wenn er unter „Rhetorik des Übersetzens“ das mit der rhetorischen Figur der „traductio“ zusammenhängende „ensemble de figures“ versteht. 7 Standardwerke wie Georges Mounins Les problèmes théoriques de la traduction (1963) oder Jirí Levys Die literarische Übersetzung. Theorie einer Kunstgattung (1969) ignorieren es ebenso wie George Steiners Nach Babel. Hans Joachim Störig hat in seinem Sammelband Das Problem des Übersetzens 8 zwar den Brief an Pammachius von Hieronymus aufgenommen, aber die italienische Renaissance übergangen, obwohl damals die Grundlagen für die nachantike Übersetzungstheorie gelegt wurden. Henri Meschonic erklärt: „La traduction est un prolongement inévitable de la littérature“ 9 . Norbert Greiner betont mit Recht: „Übersetzungsgeschichte in Bezug auf literarische Texte ist immer Literaturgeschichte“ 10 , doch rückt auch er die historische Phase der Literaturwissenschaft nicht in den Blickpunkt, die von der Rhetorik dominiert ist. Selbst Harald Weinrich machte mich nicht auf die Vernachlässigung dieses Aspekts in unserem Artikel „Rhetorik“ im Lexikon der Romanistischen Linguistik 11 aufmerksam. Dabei hätte ich mich nur an einen der Gründungsväter der neuen Rhetorikforschung in Frankreich, Roger Zuber, erinnern müssen, der sich im Vorwort zur zweiten Auflage von „Les Belles différence, que celle de l'harmonie. La hardiesse des tours et des figures, la chaleur, la rapidité des mouvements, tout leur est commun“ (ibid., S. 1083). 6 Vgl. Véronique Duché-Gavet, Et le surplus tu l’as bien inventé: Réflexions sur le statut du traducteur (1526-1554) und Richard Crescenzo, Louis Le Roy et le statut du traducteur des Anciens au XVI e siècle, in: Lise Sabourin (éd.), Le Statut littéraire de l’écrivain. Travaux de littérature 20 (2007), S. 199-214; bzw. S. 215-228. 7 Christian Jérémie, La Rhétorique de la traduction dans le Catechism de Thomas Becon, in: La traduction à la Renaissance et à l’âge classique, Études réunies et présentées par Marie Vialon, Saint-Étienne, Publications de l’Université de Saint-Étienne, 2001, S. 75. 8 Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1973. 9 Henri Meschonic, Poétique du traduire, Lagrasse, Verdier, 1999, S. 82. 10 Grundlagen der Übersetzungsforschung. Übersetzung und Literaturwissenschaft, Tübingen, Narr, 2004, S. 11. 11 Bd. I, 2, Tübingen, Niemeyer, 2001, S. 174-195. Zum Verhältnis von Übersetzen und Rhetorik 17 infidèles“ et la formation du goût classique anklagt: „Il y a trop peu d'histoire de la rhétorique dans Les „Belles Infidèles“. Mais l'époque le voulait ainsi.“ 12 Diese Feststellung dokumentiert die Tatsache, dass die hier angesprochene Thematik noch bis Ende der sechziger Jahre kein Gegenstand der Forschung war. Am ehesten wurde sie von den Spezialisten für den italienischen Humanismus thematisiert. Barbara-Hanna Gerl widmet ihr in ihrer Studie über Leonardo Bruni aus philosophischer Perspektive ein ganzes Kapitel. 13 Die Zusammengehörigkeit von Philosophie und Rhetorik steht außer Zweifel, denn Frau Gerl hat sie selbst für Lorenzo Valla nachgewiesen. 14 Die Divergenzen zwischen Valla und Bruni sind im vorliegenden Kontext unerheblich im Vergleich zur Tatsache, dass die Vorrede zur lateinischen Übersetzung der Nikomachischen Ethik von Aristoteles und die Verteidigung dieser Vorrede in dem Fragment gebliebenen De interpretatione recta aus dem zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts ein für die Renaissance typisches, auf Rhetorik basierendes Verständnis von Übersetzen dokumentieren. Was ist an diesem Essay kennzeichnend für die Renaissance? Bruni geht auf Distanz zur Übersetzungspraxis der Scholastiker, die Worte als (abstrakte) Begriffe verstehen, wie wenn sie lediglich auf der Ebene des Ausdrucks unterschiedlich, auf der Ebene der Semantik jedoch identisch wären. Seine Kritik beginnt mit einer uns trivial erscheinenden Feststellung: „Dico igitur omnem interpretationis vim in eo consistere, ut, quod in altera lingua scriptum sit, id in alteram recte traducatur“ 15 . In diesem Satz kommen zwei Begriffe vor, die eine Kommentierung verdienen. Bruni hat dem lateinischen Wort „traducere“ einen Sinn gegeben, den es im klassischen Latein nicht besaß. Diese Sinnverschiebung wurde vom Renaissancehumanismus bereitwillig akzeptiert und hat zum Entstehen des Neologismus „tradurre“ in der Bedeutung von Übersetzen beigetragen. 16 Außerdem bezeichnet Bruni Übersetzen als „interpretatio“ der Aussagekraft (vis) des Ausgangstextes und schaltet damit eine Instanz ein, die in der scholastischen Übersetzungskonzeption übergangen wurde. Die Begründung dafür wirkt wieder erstaunlich einfach: „Multi enim ad intelligendum idonei, ad explicandum tamen non idonei sunt“ 17 . Das Übersetzen unterscheidet sich 12 Roger Zuber, Les „Belles infidèles“ et la formation du goût classique. Perrot d'Ablancourt et Guez de Balzac, Paris, Alban Michel, 2 1995, S. VI. 13 Hanna-Barbara Gerl, Philosophie und Philologie. Leonardo Brunis Übertragungen der Nikomachischen Ethik in ihren philosophischen Prämissen, München, Fink, 1981, S. 121-131. 14 Vgl. Hanna-Barbara Gerl, Rhetorik als Philosophie. Lorenzo Valla, München, Fink, 1974, S. 154. Vgl. auch Jerrold E. Seigel, Rhetoric and Philosophy in Renaissance Humanism. The Union of Eloquence and Wisdom, Petrarch to Valla, Princeton, Princeton University Press, 1968. 15 Leonardo Bruni, Sulla perfetta traduzione a cura di Paolo Viti, Napoli, Liguori, 2004, S. 76. 16 Vgl. Lothar Wolf, Fr. traduire, lat. traducere und die kulturelle Hegemonie Italiens zur Zeit der Renaissance, Zeitschrift für romanische Philologie 87 (1971), S. 99-105 und Gianfranco Folena, Volgarizzare e tradurre, Turin, Einaudi, 1991, S. 71-73. 17 Bruni, Sulla perfetta traduzione, S. 76. Volker Kapp 18 von der originären Textproduktion durch die Notwendigkeit, den schon vorhandenen Ausgangstext zu deuten. Dies besagt jedoch nicht, dass Übersetzung und Deutung identisch sind. Es gebe viele, die über Malerei oder Musik sprechen, selbst aber nicht malen oder musizieren könnten. Daraus folgt: „Magna res igitur ac difficilis est interpretatio recta“ 18 . Das Verstehen des Übersetzers wird durch den Begriff „interpretatio“ an das Erschließen der Ausdrucksebene gebunden, um den Scholastikern das Vernachlässigen der sprachlichen Aussage zugunsten der logischen Schlüssigkeit des Inhalts vorzuhalten, während doch Platon und Aristoteles nicht nur Denker, sondern auch Sprachkünstler 19 waren. An dieser Stelle verweist Bruni ausdrücklich auf die Modelle guter Rede bei Dichtern, Rednern und Historikern bzw. auf die rhetorischen Figuren und gibt damit zu erkennen, dass dieses neue Übersetzungskonzept eine Begleiterscheinung der neuen rhetorischen Kultur der Renaissance ist. Das rhetorische Übersetzungskonzept der Renaissance hebt auf den Aspekt ab, der bis in unsere Tage als Kunst des Übersetzens diskutiert und gegen maschinelle Programme des Übersetzens wie gegen ein gewisses fachsprachliches Übersetzen abgegrenzt wird. Es hat aber eine klare historische Funktion, die nicht explizit thematisiert wird. Bodo Guthmüller macht darauf aufmerksam, dass Bruni „mit keinem Wort auf die volgarizzamenti“ eingeht und erklärt diese Tatsache mit dem Bestreben, „die neue humanistische Übersetzungskonzeption auch durch einen neuen terminus technicus von der diffusen Übersetzungspraxis seiner Zeit abzugrenzen“ 20 . Es gibt keinen Beleg dafür, wie bewusst Bruni den „neuen terminus technicus“ eingeführt hat, da sein Essay im Titel den Begriff „interpretatio“ verwendet, der z.B. bei Quintilian 21 das Übersetzen bezeichnet. Es darf auch bezweifelt werden, dass die Übersetzungspraxis, gegen die sich Bruni wendet, „diffus“ war, zumal Guthmüller in Anschluss an Dionisotti die volgarizzamenti auf die Zeit vom Duezum Cinquecento 22 verteilt und somit dem Mittelalter eine Blütezeit des Übersetzens zugesteht 23 , was für ganz Europa gilt. Es besteht eine viel größere Divergenz zwischen dem Mittelalter und der Renaissance als zwischen dem Quattro- und dem Cinquecento. Dieser Unterschied erklärt sich durch das gewandelte Verständnis von Rhetorik. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde diese Tatsache nicht mehr thematisiert, weil die 18 Bruni, Sulla perfetta traduzione, S. 78. 19 „ […] Aristoteles ipse et Plato summi, ut ita dicerim, magistri litterarum fuerint ac usi sint elegantissimo scribendi genere” (Bruni, Sulla perfetta traduzione, S. 78). 20 Die volgarizzamenti, in: August Buck (Hrsg.), Die italienische Literatur im Zeitalter Dantes und am Übergang vom Mittelalter zur Renaissance. Bd. 2: Die Literatur bis zur Renaissance, Heidelberg, Winter, 1989, S. 202. 21 Institutio oratoria X, 5, 5. 22 Vgl. Carlo Dionisotti, Geografia e storia della letteratura italiana, Torino, Einaudi, 1971, S. 133. 23 Vgl. dazu Peter Andersen (éd.), Pratiques de traduction au Moyen Age, Kopenhagen, Museum Tusculanum, 2004 (mit reichen bibliographischen Angaben). Zum Verhältnis von Übersetzen und Rhetorik 19 Rhetorik geächtet und die Sprachwissenschaft zum Bezugspunkt für die Untersuchung des Übersetzens erhoben wurde. Die Literaturgeschichte hat die Diskussion über das Übersetzen zunehmend unter anderen Gesichtspunkten wie z.B. dem der Stärkung oder Differenzierung der Ausdrucksmöglichkeiten einer Hochsprache untersucht. Dieser Aspekt ist zweifellos wichtig, entbindet aber nicht von der Beschäftigung mit der Tatsache, dass die Übersetzungstheorie bis ins 18. Jahrhundert explizit oder implizit unter Bezugnahme auf Rhetorik oder durch Verwendung rhetorischer Kategorien ausgebaut wurde. Eben diese Wendung zu einem rhetorischen Text- und Übersetzungsverständnis macht die Bedeutung von Bruni aus. Mit Bruni ist die Rhetorik, dem Prinzip, nicht dem Inhalt nach, zu einem Eckpfeiler alles Nachdenkens über das Übersetzen in der frühen Neuzeit geworden. Vielleicht wird erst zu der Zeit als die Rhetorik ihren Status als Leitdisziplin der Wissenschaften einzubüßen beginnt, die Notwendigkeit empfunden, diese Beziehung klar herauszustellen. In den Papieren von Jean Racine findet sich ein kurzer Text von Antoine Le Maistre mit dem Titel Règles de la traduction, den erst 1991 Luigi de Nardis veröffentlicht hat. Dort heißt es gleich im ersten Abschnitt: Or comme la Traduction est une des parties de l'art d'escrire avec eloquence et avec ornement, par consequent de la Rhetorique, et que Ciceron a esté le plus grand Docteur en cette science qui ait paru dans le monde et l'un des esprits les plus sages et les plus solides de l'Antiquité, l'on doit considerer son jugement en cette matiere comme la plus parfaite et la plus excellente Regle qu'on puisse suivre. 24 Diese Äußerung ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Seit den kritischen Partien über die Redekunst in La Logique ou l'art de penser von Arnauld und Nicole gilt Port-Royal als einer der Ausgangspunkte moderner Rhetorikkritik. Doch Antoine Le Maistre rechnet das Übersetzen ganz selbstverständlich zu den Bestandteilen der Rhetorik und unterstreicht diese Überzeugung überdies noch durch die Berufung auf Cicero, der zum Lehrmeister für Übersetzer erhoben wird. Le Maistre zitiert anschließend aus Ciceros De optimo genere oratorum eine Aussage über dessen Art des Übersetzens zweier vorbildlicher Reden von Demosthenes bzw. Aischines. Dieses Vorwort gehört seit dem Quattrocento zur Topik der Übersetzungstheorie, wird aber ganz unterschiedlich ausgelegt. Man könnte vermutlich weite Teile der Debatte über die rechte Form des Übersetzens aus der unterschiedlichen Deutung der einschlägigen Aussagen von Cicero erschließen. Die Anlehnung an die Rhetorik bringt es mit sich, dass die Auslegung des Ausgangstextes ebenfalls zu einem zentralen Bestandteil der Übersetzungsproblematik erhoben wird. Auch dazu äußert sich Bruni in seinem Essay nicht explizit, doch gibt es genügend Aussagen von Rhetorikern, die diesen Tatbestand erhellen. Der Begriff „interpretatio“ hat im klassischen 24 Regole della traduzione. Testi inediti di Port-Royal e del „Cercle” di Miramion (metà del XVII secolo) a cura di Luigi de Nardis, Napoli, Bibliopolis, 1991, S. 31. Volker Kapp 20 Latein nicht die primäre Bedeutung von Übersetzen, sondern von Auslegen. Tomaso Garzoni ordnet in La Piazza universale di tutte le professioni del mondo (1585) die Übersetzer in das Kapitel mit dem Titel: „De' Professori delle lingue, overo linguaggi, & in particolare degli interpreti di lingue, e Traduttori, & Commentatori d'ogni sorte“ 25 ein und rechnet wohl im Sinne der „interpretatio“ die Übersetzer zu den „Commentatori“, gibt aber dazu keine Erklärung ab. Er versteht die Übersetzer ganz im Sinne des Quattrocento als Träger einer dem Gemeinwesen dienenden Beredsamkeit und schlägt sie den Dolmetschern und Sprachlehrern zu, womit er sie jedoch weniger im heutigen Sinne als Sprachmittler versteht. Überdies bekämpft er jene Verehrer der alten Sprachen, die das Übersetzen in Vulgärsprache als Herabsetzung der antiken Texte kritisieren. Deshalb fühlt er sich genötigt, jene Vorstellungen von Sprache und Kommunikation zu resümieren, denen zufolge das Übersetzen unerlässlich ist. Er zählt eine Vielzahl von Sprachkundigen als eine Art Autoritätsbeweis auf, in den er selbst den Himmel einbezieht. Nach Garzoni belegen die Engel und die Heiligen die Notwendigkeit des Übersetzens, denn sie nehmen die Gebete und Bitten in unterschiedlichsten Sprachen entgegen, verstehen sie und leiten sie als eine Art Übersetzer an Gott weiter. 26 Derartige Überlegungen müssen im Cinquecento verbreitet gewesen sein, weil sie sich noch Anfang des Seicento bei Francesco Panigarola finden, der eine wichtige rhetorische Dimension der „interpretatio“ sichtbar macht. Er druckt nämlich in seinem voluminösen Traktat über das Predigen die lateinische Übersetzung der Demetrios von Phaleron fälschlicherweise zugeschriebenen Rhetorik durch Pietro Vettori Abschnitt für Abschnitt ab, übersetzt sie dann ins Italienische und kommentiert sie anschließend. Statt einer getreuen Übersetzung liefert er eine Paraphrase, die „per seruigio della lingua nostra più vtile“ als eine Übersetzung „parola per parola“ 27 sei. Die Alternative zwischen wörtlicher und freier Übersetzung entzweit seit dem Quattrocento die Übersetzer, weil das Einbeziehen der sprachlichen Struktur des Ausgangstextes in die Übersetzung die Frage aufkommen lässt, inwieweit man die Gegebenheiten des Ausgangstextes abbilden oder durch spezifische Ausdruckmöglichkeiten der Zielsprache ersetzen soll. Interessant ist, dass Panigarola diesen Gegensatz in die Begriffe „traduzione“ und „paraphrasi“ fasst, womit er den ersteren Begriff sicher in Kenntnis der 25 Das Kapitel ist leicht zugänglich im Anhang von: Italo Michele Battafarano, Dell'arte di tradur poesia. Dante, Petrarca, Ariosto, Garzoni, Campanella, Marino, Belli: Analisi delle traduzioni tedesche dell'età barocca fino a Stefan George, Bern, Lang, 2006, S. 213-221. 26 „Di più son i professori delle lingue simili à gli angeli, i quali è cosa chiara c'hanno notitia di tutte le lingue, offerendo essi l'orationi & deprecationi di tutti al sommo Iddio […]. Sono anco simili ai Santi, imperò che, si presume ch'anch'essi intendano in cielo tutte le lingue, che, se ciò non fosse, come indarno il Germano pregarebbe un Santo latino nella sua lingua” (ibid., S. 216). 27 Francesco Panigarola, Il Predicatore ovvero parafrasi, commento e discorso intorno al libro dell'elocutione di Demetrio Falero, Venezia, Giunti - Gioffi, 1609, S. 21. Zum Verhältnis von Übersetzen und Rhetorik 21 vorausgehenden Diskussionen im Cinquecento, aber auch in der Konsequenz seiner eigenen Vorstellung von Rhetorik eng fasst. Panigarola hält sich an Demetrios, um Rhetorik mit gutem Ausdruck gleichsetzen zu können, während er den Aspekt des Überredens oder Überzeugens, der damals wie heute in den Vordergrund gerückt wird, eher als Nebensache ansieht, die durch Aristoteles hochgespielt wurde. Ziel seines Werkes sei, „insegnare à introdurre l'Eloquenza nella Prosa“ 28 , also Regeln für das Verfertigen guter Prosa zu liefern. Das Werk von Demetrios ist unter zwei verschiedenen Titeln überliefert. Es ist wie die Logik von Aristoteles Peri hermenaias betitelt, doch diuersamente prese Demetrio la parola Ermenia, da quello, che in quel luogo prendesse Aristotele, cioè non per lo ragionare semplice, & puro, & in generale preso: ma per il ragionare sciolto, fiorito, & eloquente, ed in tal caso, intitolando Demetrio il suo Libro Peri hermenias, cioè del parlar eloquente, à punto nel titolo ogni cosa strinse, e la materia, e la forma, e 'l fine. 29 Der Titel De Elocutione sei aber genauso zutreffend, denn dieser Begriff erhebe die sprachliche Einkleidung selbst zu einer Art von Aussage, die nicht vom Inhalt zu trennen ist: Della Elocutione, à punto tutto il suo fine ha espresso, cioè la operatione, con la quale nella materia introducendosi la forma, eloquente si fa ragionare in Prosa. [...] Elocutione [...] significa, non l'atto, ma l'habito, e l'arte di far eloquente il ragionare. 30 Rhetorik, so macht Panigarola deutlich, ist eine Form des Denkens in sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten, ein Verständnis der Disziplin, das durch Descartes dekonstruiert wurde, das aber noch Dominique Bouhours in seiner Replik auf die Logique de Port-Royal mit dem programmatischen Titel La Manière de bien penser dans les ouvrages d'esprit (1675) vertritt. 31 Mit diesem Verständnis von Rhetorik verdeutlicht Panigarola nachträglich implizit die Rolle der Rhetorik im neuen Übersetzungsverständnis seit dem Quattrocento. Cicero gehört nicht nur zu den häufig übersetzten römischen Autoren, sondern wird auch im 16. Jahrhundert in Frankreich und Italien zum Ausgangspunkt für die Übersetzungstheorie. Einer der Übersetzer von Cicero, Sebastiano Fausto da Longiano, hat in seinem Dialogo del modo di tradurre d'una in altra lingua secondo le regole mostrate da Cicerone (1556) den ersten italienisch geschriebenen Traktat über das Übersetzen verfasst, wie 28 Panigarola, Il Predicatore, S. 16. 29 Panigarola, Il Predicatore, S. 16-17. 30 Panigarola, Il Predicatore, S. 17. 31 Vgl. Volker Kapp, L'apogée de l'atticisme français ou l'éloquence qui se moque de la rhétorique, in: Marc Fumaroli (éd), Histoire de la rhétorique dans l'Europe moderne, Paris, PUF, 1999 S. 707-786, bes. S. 758-762. Volker Kapp 22 Bodo Guthmüller betont, der diesen Text 1990 neu ediert hat. 32 Guthmüller macht darauf aufmerksam, dass „la priorità non spetta più alla questione se sia lecito tradurre [...] l'oggetto della controversia ormai è il come”. 33 Christian Mouchel übergeht diesen Dialog in seiner gründlichen Studie über die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern von Cicero und Seneca, 34 obwohl Fausto vielfach gegen die Ciceronianer polemisiert, weil sie eine andere Übersetzungstheorie als er vertreten. Der Titel erinnert, wie Guthmüller gesehen hat, 35 an La manière de bien traduire d'une langue en aultre (1540) von Etienne Dolet, der ebenfalls ein Übersetzer von Cicero ist und sich nicht weniger eng als sein italienischer Kollege an Cicero anlehnt. 36 In der Anrede an den Leser schreibt Dolet: „Ly, & puis iuge: ne iuge toutesfois deuant que d'auoir ueu mon Orateur Francoys, qui (possible est) te satisfaira quant aux doubtes, ou tu pourras encourir lisant ce Livre” 37 . Seine Rhetorik konnte Dolet nicht mehr schreiben, doch belegt dieser Hinweis, wie eng für ihn Rhetorik und Übersetzen miteinander verknüpft sind. Dolet hat die Theorie des Übersetzens in fünf Regeln zusammengefasst, von denen Kees Meerhoff schreibt, sie seien „devenu monnaie courante pour nous autres“ 38 . Die Bindung der Theorie an eine bestimmte Sicht von Rhetorik ist folglich eine Möglichkeit, zu analogen Ergebnissen wie die heutige Übersetzungswissenschaft zu gelangen. Ich möchte hier jedoch nicht ein einfaches Modell des wissenschaftlichen Fortschritts von der Rhetorik zur Linguistik vertreten, sondern auch an eine für jene Epoche typische Fragestellung erinnern. Im 16. Jahrhundert ist die Übersetzungstheorie durch die Auseinandersetzungen über den Vorrang von Latein und Vulgärsprache bzw. durch die Konkurrenz von Italienisch und Französisch geprägt. Fausto bedenkt die Verächter des Volgare mit Hohn und polemisiert gegen die Einseitigkeit der Ciceronianer, der er ebenfalls im Namen Ciceros die Kultivierung der Vulgärsprache entgegensetzt, wie sie die Pléiade bereits zum Programm erhoben hat. Das Ziel all dieser Bestrebungen ist, wie Michel Magnien unterstreicht: „Le véritable cicéronien est donc celui qui, tout en imitant les Anciens, mine inépuisable pour l'invention, la disposition et l'élocution, 32 „[…] il primo trattato italiano sulla traduzione” (Bodo Guthmüller, Fausto da Longiano e il problema del tradurre, in: Quaderni veneti 19 (1990), S. 9-152, S. 9). 33 Fausto da Longiano, S. 21. 34 Vgl. Christian Mouchel, Cicéron et Sénèque dans la rhétorique de la Renaissance, Marburg, Hitzeroth, 1990. 35 Fausto da Longiano, S. 33. 36 „Notons que pour les règles 3 et 4, il s'est très probablement inspiré de Cicéron, tandis que dans les deux premières, il donne comme exemple tel passage des Questions Tusculanes et 'quelque oraison' du même auteur“ (Kees Meerhoff, Rhétorique et poétique au XVI e siècle en France. Du Bellay, Ramus et les autres, Leiden, Brill, 1986, S. 71). 37 Genève, Slatkine, 1972, unpag. 38 Rhétorique et poétique au XVI e siècle, S. 71. Zum Verhältnis von Übersetzen und Rhetorik 23 illustre sa propre langue“ 39 . Magnien zitiert dazu zwei aufschlussreiche Äußerungen aus dem Ciceronianus (1557) von einem Verehrer Ciceros und umstrittenen Reformer der alten Rhetorik, Pierre de la Ramée, deren eine Ciceros Umgang mit dem Griechischen in Analogie zur Nachahmung Ciceros durch die Franzosen setzt, deren zweite dazu auffordert, wie Cicero die eigene Sprache mit dem zu bereichern, was den alten Sprachen bzw. dem Italienischen entnommen werden kann. 40 Dieses Bemühen steht im Frankreich des 16. Jahrhundert im Vordergrund, 41 während in Italien Fausto da Longiano für die Eigengesetzlichkeit des Ausgangstextes plädiert. Fausto hat eine Reihe von Cicero-Übersetzungen veröffentlicht, wobei die Epistole dette le familiari di M.T. Cicerone recate in italiano, con le ragioni del modo tenuto ne la tradottione (1544) nicht nur seine erste, sondern überhaupt die erste Cicero-Übersetzungen im Cinquecento ist. Ein Jahr später erscheint bei Paolo Manuzio in Venedig eine weitere Übersetzung dieser Briefe, die von Apostolo Zeno später Guido Loglio da Reggio zugeschrieben wird.- 42 Loglio da Reggios Übersetzung geht mit der lateinischen Vorlage frei um, während sich Fausto um mehr Texttreue bemüht. Loglios Konzeption war in ihrer Zeit erfolgreicher als die von Fausto da Longiano, der seine Sicht von Übersetzen im Dialogo erklärt, dessen letzte Teile Übersetzungslösungen des Konkurrenten diskutieren und verwerfen. Im vorliegenden Zusammenhang sind die theoretischen Grundlagen von besonderem Interesse. Fausto da Longiano definiert das Übersetzen in Abgrenzung gegen verwandte Tätigkeiten, die damals gemeinhin mit ihm gleichgestellt werden. Seine Liste von verwandten Tätigkeiten bestätigt die enge Verbindung von Übersetzen und Philologie. Er nennt vier weitere Begriffe, deren Aufzählung schon allein als solche diesen Zusammenhang erhellt: „metafrasi, parafrasi, compendio, ispianatione“ 43 . Solche Unterscheidungen sind im 16. Jahrhundert in den Rhetoriklehren geläufig und finden sich beispielsweise wieder bei Juan Luis Vives, der schon vor Fausto mit analogen Begriffen gearbeitet hat. Er behandelt im dritten Buch von De ratione dicendi (1532) in Kapitel IX „De paraphrasibus“, in X die „Epitome“, in XI „Enarrationes et commentarii“ und in XII „Versiones seu interpretationes“ 44 . Das Übersetzen wird somit im Kontext von Paraphrase, Zusammenfassung und Deutung erklärt. Es bliebe zu untersuchen, inwieweit die Rhetoriklehren damals grundsätzlich ein Kapitel über das Übersetzen enthalten und inwieweit sie alle von analogen Unterscheidungen ausgehen. Es steht jedoch außer Zweifel, 39 D‘une mort, l’autre (1536-1572): la rhétorique reconsidérée, in: Fumaroli (éd.), Histoire de la rhétorique dans l'Europe moderne, S. 363. 40 Vgl. Magnien in: Histoire de la rhétorique, S. 364. 41 Vgl. Jean Balsamo, Les rencontres des Muses. Italianisme et anti-italianisme dans les Lettres françaises de la fin du XVI e siècle, Genève, Slatkine, 1992, S. 93-131. 42 Vgl. Guthmüller, Fausto da Longiano, S. 32-33. 43 Quaderni veneti 12 (1991), S. 70. 44 Juan Luis Vives, De ratione dicendi lateinisch/ deutsch. Übersetzt von Angelika Ott. Mit einer Einleitung von Emilio Hidalgo-Serna, Marburg, Hitzeroth, 1993, S. 228-237. Volker Kapp 24 dass diese rhetorische Theorie an der im 16. Jahrhundert üblichen Praxis des Übersetzens orientiert war, die bereits im späten 17. Jahrhundert entschiedene Kritik hervorrief. Amyots bis heute hoch geachtete Übersetzungen von Plutarch wurden aus diesem Grund scharf verurteilt. Claude-Gaspar Bachet de Méziriac, eines der 27 ersten Mitglieder der Académie française, schickte zu deren Sitzung am 10. Dezember 1635 einen Vortrag über das Thema De la traduction, in dem er einerseits der verbreiteten Meinung zustimmt, dass Amyot „est tenu de tous pour le meilleur & plus judicieux traducteur que nous ayons“ 45 , andererseits aber seiner bekannten Abneigung gegen den von Faret, Perrot d’Ablancourt und Conrart verehrten Plutarch-Übersetzer 46 freien Lauf lässt. Er analysiert Amyots Stil eingehend und lehnt ihn wegen des Gebrauchs veralteter Wörter ab, bleibt jedoch nicht bei dem stehen, was unter die Rubrik des Sprachwandels fallen könnte, sondern verwahrt sich grundsätzlich gegen Amyots Übersetzungskonzept. In seinen Augen gibt es keine deutliche Trennungslinie zwischen Übersetzungslösungen, die durch Erweiterung der Ausdrucksform des Originals zustande gekommen sind, und solchen, die das Original durch Glossen erläutern. Allen Arten von Erweiterung kann er nichts abgewinnen: C’est donc avec trop de liberalité qu’Amiot ajoute ainsi certains mots à son Auteur, qui ne servent de rien, ou qui endommagent fort le sens. Mais il n’est pas moins prodigue à lui prêter des lignes & des périodes entiéres qui le plus souvent sont superfluës, ou qui pis est, contiennent une fausseté manifeste. 47 Das Einfügen von Glossen in Übersetzungen lehnt Bachet de Méziriac rundweg ab und sucht sein Urteil noch dadurch zu bekräftigen, dass er eine Reihe von Glossen herausgreift, denen er sachliche Irrtümer bescheinigt. Eine solche Bekräftigung war notwendig, weil die von ihm favorisierte Konzeption eines wortgetreuen Übersetzens zwar starke Befürworter, aber auch gewichtige Gegner hatte. Kehren wir zu Fausto zurück. Nach Guthmüller ist der Begriff „metafrasi“ im Cinquecento ein seltenes, gelehrtes Wort für eine freie Übersetzung und kommt auch bei Francesco Patrizi in Della Poetica vor. Fausto grenzt die Freiheiten des Übersetzers mit der Unterscheidung der „metafrasi“ vom Übersetzen deutlich ein. Er erwähnt den griechischen Ursprung des Wortes. Es kennzeichnet einen Umgang mit der Vorlage, die sich in etwa an den Sinn, aber nicht an den Ausdruck hält, wobei die Freiheit des Bearbeiters sehr weit gehen kann: 45 Claude-Gaspar Bachet de Méziriac, De la traduction [1635]. Introduction et bibliographie de Michel Ballard, Arras, Artois Presses Université, 1998, S. 4. 46 Vgl. Zuber Les „Belles infidèles“ et la formation du goût classique, S. 56f. 47 Bachet de Méziriac, De la traduction, S. 15. Zum Verhältnis von Übersetzen und Rhetorik 25 Non è obligata a la purità del senso, né de le parole; e però, se voglia le viene, amplifica, sminuisce, confonde, traspone, disturba, adombra di maniera tale che l'autore principale non riconoscerebbe il suo per il suo. 48 Die Übersetzungen des Mittelalters erinnern stark an die „metafrasi“. Aber noch Herberay des Essarts, der durch seine französische Übersetzung der Amadis- Romane im 16. Jahrhundert berühmt war, bekennt sich stellenweise zu einer so freien Form des Übersetzens. 49 Wie die Paraphrase kann sie sowohl innerhalb einer Sprache als auch von einer Ausgangsin eine Zielsprache gehen. Fausto dringt auf eine klare Abgrenzung zur Paraphrase, kritisiert die landläufige Verwechslung von Übersetzung und Paraphrase und gibt mit Berufung auf Quintilian 50 genaue Regeln für die Paraphrase, die nicht leicht zu bewerkstelligen sei, weil sie Unverständliches klären und sich dabei genau an die Vorlage halten müsse. Die beiden bisher genannten Begriffe könnte man mit freier Übersetzung assoziieren und als Reaktion auf eine bis ins 17. Jahrhundert gängige Praxis des Kürzens und Erweiterns von Texten der Ausgangssprache verstehen. Die beiden folgenden Begriffe des Kompendiums und der Epitome haben für uns nichts mehr mit Übersetzen zu tun. Fausto erörtert sie nicht in Abgrenzung zur Übersetzung, sondern beklagt den Schaden, den Kurzfassungen antiker Texte für die Nachwelt gebracht haben. Genauso verfährt er bei der „ispianatione“, für die er als Synonyme „interpretatione, ispositione, commentario, narratione, isplicatione“ 51 angibt. Es ist davon auszugehen, dass er diese beiden letzteren Begriffe deshalb einbezieht, weil einerseits das Konzept des Übersetzens nicht genügend geklärt ist, weil aber andererseits das neue Verständnis des Übersetzens durch die Rhetorik determiniert ist. Im Rhetorikunterricht bezeichnen die eben genannten Termini geläufige Übungen, die in der Tat eine gewisse Analogie zum Übersetzen besitzen. Man erkennt überdies unschwer das Thematisieren der hermeneutischen Dimension, die bei Panigarola angesprochen wird, und man fragt sich, ob die Verbindung zur Rhetorik vielleicht sogar die Thematisierung dieses Aspektes notwendig macht. Ich wage diese Frage nicht positiv zu beantworten, weil Fausto da Longiano in diesem Punkt eine andere Position bezieht. Fausto nennt als Synonyme für „tradottione”: „interpretatione, conversione, traportatione, traslazione”, und er fügt mit Berufung auf Cicero und Horaz hinzu: „che gli antichi latini e di miglior nome l'hanno per uso più frequente detta interpretatione e lo tradottore chiamano interprete” 52 . Er ist so sehr auf die antike Terminologie fixiert, dass er sie selbst zum Leitbild 48 Quaderni veneti 12 (1991), S. 71. 49 Vgl. Véronique Duché-Gavet, Et le surplus tu l’as bien inventé … Réflexions sur le statut du traducteur (1526-1554), in: Travaux de littérature XX (2007), S. 211. 50 Institutio oratoria X, 5, 5 und I, 9, 2-3. 51 Quaderni veneti 12 (1991), S. 72. 52 Quaderni veneti 12 (1991), S. 73. Volker Kapp 26 seines Übersetzungskonzepts erhebt und dabei die hermeneutische Problematik völlig aus den Augen verliert. Für ihn sind Inhalt und Ausdruck eindeutig fassbare Größen: „Prima sono i concetti, poi si richieggono le parole da vestirgli“ 53 . Wie Frederick M. Rener die Dichotomie von Grammatik und Rhetorik 54 so scheint Fausto die elocutio als etwas zur Botschaft Hinzukommendes zu verstehen, doch kann er nicht ahnen, dass im 17. Jahrhundert der Vorrang des Inhalts und dessen Trennung vom Ausdruck zu einer Abwertung der Rhetorik führen wird. Er selbst zieht diese Konsequenz nicht, doch hält er die Inhaltsebene für vorrangig gegenüber dem Ausdruck, wobei die undifferenzierte Aufzählung von Ausdrücken für diesen Aspekt eine mangelnde Präzision des Gedankens verrät: „[...] le cose, o volete dir sentenze, sensi, sentimenti, materie, concetti“ 55 . Wer „sentimenti“ und „concetti“ nicht auseinander hält, kann sogar im Rahmen der Rhetorik fordern, der Übersetzer müsse „isprimere le sentenze, servare l'ordine de le cose, e con le medesime forme, o conformationi, o lumi, od ornamenti, o degnitadi, o schemi“ 56 . Diese Forderung sieht Fausto in Einklang mit Ciceros Unterscheidung aus De optimo genere oratorum, wo dieser schreibt: „Nec converti ut interpres, sed ut orator, iisdem sententiis et earum formis tamquam figuris, verbis, ad nostram consuetudinem aptis“ 57 . Während viele Interpreten damals, wie übrigens auch heute, 58 der Meinung sind, Cicero habe „ut orator“ die rhetorische Struktur des Ausgangstextes nur soweit geachtet, wie dies im Lateinischen möglich war, aber doch eine freie Nachbildung geschaffen, möchte ihn Fausto auf das Übersetzen „ut interpres“ festlegen, weil er den Übersetzer zu größtmöglicher Respektierung der sprachlichen Form des Ausgangstextes anhält. Deshalb erläutert er Ciceros Standpunkt mit einer Ablehnung von „tradurre semplicemente i sensi” und mit der positiven Aussage „voler, oltra lo tradurre i sentimenti, usar le medesime forme e figure con le parole accommodate e servare la vertù de le parole” 59 . So könnte Cicero sein Übersetzen „ut orator“ verstanden haben, doch wie immer man die Konzepte von Cicero und seinem Adepten beurteilen mag, es bleibt eines unstrittig, dass sich Fausto da Longiano bei seiner Ablehnung des Übersetzens „ut orator“ gleichwohl innerhalb der rhetorischen Parameter bewegt. Die Übersetzungsäquivalenzen werden in der Frühen Neuzeit auf dem Hintergrund der Grundsatzdiskussion über die Ausdruckmöglichkeiten der modernen im Vergleich zu den alten Sprachen des Griechischen und Latei- 53 Quaderni veneti 12 (1991), S. 85. 54 Vgl. Frederic M. Rener, Interpretatio. Language and Translation from Cicero to Tytler, Amsterdam-Atlanta, Rodopi, 1989. 55 Quaderni veneti 12 (1991), S. 85. 56 Quaderni veneti 12 (1991), S. 85. 57 Quaderni veneti 12 (1991), S. 77. 58 Vgl. Guthmüller, Fausto da Longiano, S. 39. 59 Quaderni veneti, S. 77. Zum Verhältnis von Übersetzen und Rhetorik 27 nischen erörtert. Dies belegt das Lob der Übersetzer im Art poétique français (1548) von Thomas Sebillet: Et vraiment celui et son oeuvre méritent grande louange, qui a pu proprement et naïvement exprimer en son langage, ce qu'un autre avait mieux écrit au sien, après l'avoir bien conçu en son esprit. 60 Das Übersetzen erweist seinen Wert in der Bereicherung der Ausdrucksmöglichkeiten der Zielsprache, und deshalb hat es mit Rhetorik zu tun. Die Wendung „proprement et naïvement exprimer en son langage“ bezieht sich unbestreitbar auf die elocutio wie überhaupt die Dichotomie von „concevoir“ und „exprimer“, die landläufig - ohne Zögern und mit einem gewissen Recht - auf heutige Übersetzungstheorien bezogen wird, damals ganz selbstverständlich auf dem rhetorischen Modell der Ausarbeitung einer Rede beruht. Der Komparativ „mieux écrit“ geht von einem Textbegriff aus, bei dem der Ausgangstext als Ergebnis eines exemplarisch gelungenen Prozesses betrachtet wird, der in der Zielsprache nachgeahmt werden soll. Der Übersetzungsvorgang wird auf diese Weise unter die Prinzipien der imitatio und aemulatio gestellt, die von den Humanisten zu Leitideen aller Textproduktion erhoben wurden und die von der Literaturgeschichte als Grundlage von deren Poetik bezeichnet wird. In rhetorischer Perspektive ergibt sich hieraus, wie Roger Zuber richtig erkannt hat, eine Querverbindung zwischen der Theorie der Nachahmung und dem Übersetzen bzw. dem Verständnis von Literatur. 61 Das Übersetzen berücksichtigt, rhetorisch gesprochen, zwei Ebenen, die des ingenium, das gut konzipierte (fremde) Vorstellungen selbständig verarbeitet, und die der elocutio, des sprachlichen Ausarbeitens, das die Konzepte im Wettstreit mit der Vorlage möglichst gelungen ausdrückt. Die Humanisten trennen in der Regel die beiden Ebenen nicht voneinander, weil sie die Gedanken nicht von deren Ausdruck unterschieden wissen wollten, doch haben die Übersetzer die Inhalte als Voraussetzung, deren sprachliche Einkleidung aber als eigentlichen Anreiz für ihre Tätigkeit angesehen. Was im Ausgangstext gut gedacht und ausgedrückt war, sollte nicht bloß als Gedanke, sondern besonders auch als sprachlicher Ausdruck in die Zielsprache geholt werden. Damit stellt sich das Übersetzen gleichsam als Gipfelpunkt dessen dar, was auf anderer Ebene und in anderer Form im Rhetorikunterricht erprobt wurde, das Erlernen des bestmöglichen Sprachgebrauchs durch die variierende Aneignung einer Vorlage. Was die Schüler in den Klassen einüben, praktizieren die Meister des Übersetzens in souveräner Wiese. Wenn an den Höhepunkten der Übersetzerkultur die bedeutenden Vertreter der Redekunst ihre Fähigkeiten durch das Übersetzen der antiken Modelle des Redens, Dichtens oder Schreibens erproben, so wollen sie die 60 Traités de poétique et de rhétorique de la Renaissance. Introduction, notices et notes par Francis Goyet, Paris, Livre de poche, 1990, S. 146. 61 Vgl. Roger Zuber, Les émerveillements de la raison. Classicismes littéraires du XVII e siècle, Paris, Klincksieck, 1997, S. 111-126 und S. 163-174. Volker Kapp 28 bloße Nachahmung souverän hinter sich lassen und ihre Vorbilder so verinnerlichen, dass sie diese gleichsam aus dem eigenen ingenium neu schaffen und damit den Schatz an vorzüglichen sprachlichen Wendungen in ihrer eigenen Sprache vermehren. Aus diesem Grund ist das, was die Philologen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts als Zeitalter des Übersetzens bezeichnet haben, zeitgleich mit der Blüte der Rhetorik. Der nahe liegende Einwand, dass doch schon im Mittelalter und genauso in den Jahrhunderten seit der zunehmenden Marginalisierung der Rhetorik übersetzt wurde, trifft nicht den Kern des hier angesprochenen Verhältnisses von Rhetorik und Übersetzen, weil, wie wir gesehen haben, in der Renaissance, als sich das Verständnis von Rhetorik wandelte, auch eine andere Sicht des Übersetzens einsetzte, die mit einem neuen Textverständnis stärker an der Vermittlung von Ausdrucksmöglichkeiten interessiert war. Die Betonung liegt im Zeitalter des Übersetzens und der Rhetorik immer wieder auf der programmatischen Aneignung von Vorbildern und dem Verlangen, auf diesem Wege die eigene Sprachkultur zu verbessern. Dieses Paradigma wird von Bachet de Méziriac im Exordium von De la traduction noch uneingeschränkt befürwortet, 62 tritt jedoch mit dem Ende des 17. Jahrhunderts gegenüber anderen in den Hintergrund. In Italien kann man noch im 18. Jahrhundert Gegenbeispiele finden. Ich möchte nur daran erinnern, dass dort ein aus dem Französischen übersetzter Artikel von Madame de Staël über das Übersetzen eine heftige öffentliche Auseinandersetzung über das auslöste, was man unter Romantik versteht, und dass zuvor bereits Cesarotti seine Ossian-Übersetzung als Beitrag zur Loslösung von den zu eng gewordenen Ausdrucksmustern klassizistischen Dichtens verstanden hat. 63 Vielleicht sehen wir dieses Problem deshalb nicht deutlich genug, weil wir für alle diese Programme immer nur den einen Begriff des Übersetzens zur Verfügung haben. Es sei abschließend noch ein weiteres Beispiel angeführt, das zur Klärung des Verhältnisses von Übersetzung und Rhetorik beitragen kann. Sebillets oben erwähnte Vorstellungen werden durch das Hinzuziehen des Kapitels „Des Traductions“ im Art poétique (1555) von Jacques Peletier noch verständlicher. Peletier beginnt mit der kategorischen Feststellung, dass das Übersetzen die spezifische Form des Nachahmens sei, das damals ein Eckpfeiler aller Dichtungslehre ist. Er beschäftigt sich in jenem Kapitel seiner Poetik mit dem, was wir heute als literarische Übersetzung bezeichnen, genauer gesagt mit den Möglichkeiten wörtlicher Übersetzung von literarischen Texten, 62 „[…] un des meilleurs moyens d’enrichir notre langue, est de la faire parler aux plus doctes, & plus fameux Auteurs de l’antiquité […]. Cette vérité qu’on ne peut contredire étant persuadée à plusieurs habiles hommes qui ont fleuri depuis cent ans en ça, ils ont mis la main à la plume, & par leurs doctes, & laborieuses traductions ont transposé en France les trésors de la Grèce […]” (Bachet de Méziriac, De la traduction, S. 3). 63 Vgl. Volker Kapp, La mitologia classica e la mitologia del nord. Un dibattito del neoclassicismo italiano, Paesaggi europei del Neoclassicismo a cura di Giulia Cantarutti e Stefano Ferrari, Bologna, Mulino, 2007, S. 23-224, bes. S. 217-219. Zum Verhältnis von Übersetzen und Rhetorik 29 und begründet die These, dass der Nachahmungsbegriff auch für das Übersetzen gilt, mit einer Erklärung, die mit den bekannten rhetorischen Kategorien operiert: Ainsi fait le Traducteur qui s'asservit non seulement à l'Invention d'autrui, mais aussi à la Disposition: et encore à l'Élocution tant qu'il peut, et tant que lui permet le naturel de la Langue translative: parce que l'efficace d'un Écrit, bien souvent consiste en la propriété des mots et locutions. 64 Inhaltlich betrachtet, trägt Peletier hier eine Trivialität der Übersetzungswissenschaft vor, dass nämlich der Übersetzer sich gemäß den Möglichkeiten der Zielsprache nach Inhalt und Form des ausgangssprachlichen Textes zu richten hat. In seiner Ausdruckweise gibt er jedoch klar zu verstehen, dass sein Gedankengang das Übersetzen mit dem rhetorischen Modell von inventio, dispositio und elocutio beschreibt. Dies festzustellen könnte wiederum als etwas Banales angesehen werden, wenn denn die Forscher, die sich mit diesen Themen beschäftigen, ihrerseits bei der Deutung solcher Stellen das ihnen zugrunde liegende rhetorische Modell berücksichtigen würden. Doch davon kann leider nur selten die Rede sein. Der Unterschied mag gering erscheinen, ist jedoch nicht ganz unerheblich. Die von der Sprachwissenschaft hinreichend behandelte Frage der Bereicherung des Wortschatzes, stellt sich beispielsweise für Peletier folgendermaßen dar: [...] les Traductions quand elles sont bien faites, peuvent beaucoup enrichir une Langue. Car le Traducteur pourra faire Française une belle locution Latine ou Grecque: et apporter en sa Cité, avec le poids des sentences, la majesté des clauses et élégances de la langue étrangère: deux points bien favorables, parce qu'il approchent des générales conceptions. 65 Die Begriffe der „belle locution“, „le poids des sentences“, „la majesté des clauses et élégances“ gehören zur Terminologie der Rhetorik und machen nicht nur die bekannte Tatsache deutlich, dass im 16. Jahrhundert die Rhetorik die Leitdisziplin auch des Übersetzens ist. Sie zeigen darüber hinaus, dass der Vorgang des Übersetzens als Teil der Sprachkultur verstanden wird, die noch im 17. Jahrhundert einen Eckpfeiler des Bildungswesens wie des geistigen Lebens ausmachte. 64 Traités de poétique, S. 262. 65 Traités de poétique, S. 263. Wolfgang Pöckl Glossen als Keimzellen der Philologie 1 Einleitung Im Zusammenhang mit dem Früh- und Hochmittelalter werden zentrale Begriffe der philologischen Disziplinen wie Literatur oder Übersetzung etwas großzügiger verwendet als in Bezug auf spätere Jahrhunderte. Der Literaturbegriff wird häufig auf Gebrauchstexte und bisweilen selbst auf Wortlisten ausgeweitet; Merkmale wie Fiktionalität und ästhetische Gestaltung sind als Kriterien ausgesetzt für jene Zeiträume, in denen die Dichte überlieferter Texte noch sehr bescheiden ist. Auch die in der modernen Translationswissenschaft gängigen Definitionen von Übersetzung sind auf rudimentäre Formen, wie sie die Glossen darstellen, nur bedingt anwendbar. 1.1 Philologie Das Wort Philologie ist zwar schon im Griechischen belegt, hat dort aber eine sehr unspezifische Bedeutung (cf. Dreyer 1979: Sp. 768); das häufiger belegte nomen agentis philólogos wird als Beiname im Sinn von ‚Gelehrter’, aber auch, in späterer Zeit, als Bezeichnung für ‚Student’ verwendet. 1 Die Römer übernahmen mit dem Wort auch seine Bedeutung, bis Martianus Capella in seiner kanonisch gewordenen Wissenschaftssystematik die Philologie allegorisiert und als doctissima virgo mit Merkur verheiratet. Als Morgengabe erhält die Braut bekanntlich die Sieben Freien Künste, was dazu führt, dass im Mittelalter philologia als „liebe zu den artes liberales“ (so Walther von Wartburg im FEW, s.v.) beschrieben wird. Der Robert historique gibt unter dem Eintrag philologie einen detaillierten Katalog an Arbeitsschritten an: La philologia comporte quatre moments qui sont (1) la recherche et la lecture du texte correct, (2) l’explication des mots et des choses devenues incompréhensibles (3) l’information sur l’auteur, les circonstances de la genèse de l’œuvre et, (4) enfin, un jugement qualitatif sur celle-ci. 1 Laut Oxford English Dictionary ist nach einer Beobachtung von Gumbrecht (2003: 11; Anm. 2) im Englischen noch heute ein Philologe „[j]emand, der sich mit gelehrten Dingen oder Literatur befasst; Liebhaber der Literatur oder der gelehrten Wissenschaften; Gelehrter, Literat oder Literaturwissenschaftler.“ Wolfgang Pöckl 32 Les Pères de l’Église eurent tendance […] à oublier cette activité en l’absorbant dans la théologie. Le mot même sortit d’usage et les langues occidentales ne l’empruntèrent pas au latin avant le XIV e siècle. In der frühen Neuzeit verengt sich der Zuständigkeitsbereich der Philologie im Rahmen der zahlreichen neu entworfenen Wissensordnungen schwerpunktmäßig auf sprach- und literaturbezogene Kompetenzen (cf. Verschiedene Beiträge in Häfner 2001). In einzelnen Systematiken wird sie schon mit Textkritik im weiteren Sinn identifiziert: Philologie ist gleichbedeutend mit Texterschließung und Textkritik, mit Echtheitskritik, Datierungskritik, mit dem Textvergleich, mit der Lehre vom Verständnis der Texte, mit der Hermeneutik. Ihre Gegenstände sind Rede und Schrift - gleich welchen Inhalts und welcher Form. (Pott 2001) Während die humanistischen Philologien sich auch in Politik und Theologie profilierten, spezialisierte sich ihr Tätigkeitsbereich mit der Etablierung der Historisch-Vergleichenden Sprachwissenschaft zu Anfang des 19. Jahrhunderts auf sprach- und literaturwissenschaftlich relevante Texte primär vergangener Epochen. In dieser neuen, präziseren Bedeutung strahlt das Wort vermutlich vom Deutschen aus. Der entsprechende Erstbeleg von frz. philologie findet sich nämlich laut den französischen Etymologica in August Wilhelm Schlegels Observations sur la Langue et la Littérature Provençales 2 aus dem Jahr 1818, einem Text also, in dem bekanntlich außerordentlich oft von Übersetzung im Zusammenhang mit Philologie die Rede ist (wobei nachzutragen wäre, dass dieselbe Datierung auch für das Adjektiv philologique gilt). Die weitere Geschichte ist nicht weniger komplex, aber innerhalb des Faches bekannt. Es braucht nicht betont zu werden, dass heute kaum ein Absolvent eines Seminars oder Instituts für deutsche, romanische oder slawische Philologie eine solide Kompetenz im Bereich Textedition oder in anderen Kerngeschäften der Philologie hat. Dieser Mangel gilt heute nicht mehr als Defizit; Hans Ulrich Gumbrecht mokiert sich in seinem Buch Die Macht der Philologie über seine amerikanischen Kollegen, die große deutsche Romanisten wie Curtius, Spitzer oder Auerbach als philologists bezeichnen: „Denn keiner dieser bedeutenden Gelehrten hat auf jenen Gebieten, die unter das Wort ‚Philologie’ fallen sollen, wirkliche Glanzleistungen erzielt“ (Gumbrecht 2003: 9). 1.2 Übersetzung Im Zusammenhang mit Glossen muss wohl auch der Übersetzungsbegriff thematisiert werden. Im Gegensatz zur Philologie, beziehungsweise zur Linguistik, betrachtet die Übersetzungswissenschaft als Untersuchungsgegenstand ja so gut wie ausschließlich Texte: Ausgangstexte und Zieltexte 2 Heute am besten zugänglich in der bei Narr erschienenen Ausgabe (cf. Bibliographie unter Schlegel 1971) Glossen als Keimzellen der Philologie 33 und ihr Verhältnis zueinander. Jörn Albrecht hat in sehr anschaulicher Weise mehrmals die äußeren Ränder der Übersetzung diskutiert und - auf einem skalaren Kontinuum (mit Unbestimmtheitszonen, nicht mit scharfen Grenzen) - links eingezeichnet, was sozusagen „noch nicht“, und rechts, was „nicht mehr“ Übersetzung ist (Graphik in Albrecht 1998: 141). Rechts stehen freie Nachdichtungen, imitations, adaptations, bei denen „zu wenige Komponenten des Originals bewahrt [werden]“ (S. 142) und andererseits zu viele nicht vom Ausgangstext „verlangte“ respektive induzierte Elemente hinzukommen. Auf der linken Seite, die uns hier besonders interessiert, werden zur Abklärung der Frage ‚Übersetzung oder nicht’ drei unterschiedlich harte Kriterien angelegt, nämlich Idiomatizität als strengster Maßstab, danach grammatische und lexikalische Korrektheit und an dritter Stelle als weichste Bedingung die bloße Verständlichkeit. Michael Schreiber, Schüler von Albrecht, will die linke Grenze anders fixieren als sein Lehrer, und zwar durch die drei Merkmale Texttransformation, Interlingualität und Interpretation, die folgendermaßen definiert sind: Durch ihre Eigenschaft als Texttransformation unterscheidet sich die Übersetzung von der reinen Textreproduktion, z.B. dem Zitat […]. Durch den Faktor Interlingualität (‚Sprachwechsel’) unterscheidet sich […] die interlinguale Übersetzung von allen Typen der intralingualen Texttransformation […]. Durch den Faktor Interpretation, d.h. die Tatsache, dass ein Übersetzer stets auf eine ‚vermittelnde Instanz’ wie ‚Sinn’ zurückgreifen muß, unterscheidet sich die Übersetzung von der sog. Transkodierung […]. (Schreiber 1999: 275f.: Hervorhebungen im Original) Wie wir es auch drehen und wenden, die Glosse, namentlich die Einzelwortglosse, erfüllt die Anforderungen dieser Typologien nicht in vollem Umfang. Wir werden noch sehen, inwiefern Idiomatizität, grammatische Korrektheit oder bisweilen auch Interlingualität Kriterien sind, denen Glossen nur bedingt gerecht werden (können). Trotzdem argumentiere ich - im Sinn meines einleitenden Plädoyers für weiche Kriterien, wenn es um Anfänge geht - dafür, dass wir den Prototyp der Glossen einmal vorbehaltlos als Produkt übersetzerischer Bemühungen ansehen. 2 Glossen 2.1 Anmerkung zur Geschichte Glossen sind natürlich keine mittelalterliche Erfindung. Schon in der griechischen Antike wurden nicht allgemein verständliche Wörter - Archaismen, Dialektalismen, Xenismen - glossiert und in Form von Glossaren systematisiert. Während ältere Glossensammlungen die Lemmata in der Reihenfolge des Vorkommens in den kommentierten Texten auflisten, geht man allmählich zur alphabetischen Anordnung über. Die griechische Wolfgang Pöckl 34 Glossographie ist im Wesentlichen einsprachig, erst ab der Spätantike gibt es zweisprachige Glossare; diese „entstanden vorwiegend aus dem Bedürfnis, die 2. Reichssprache zu erlernen“ (Gärtner 1979: Sp. 818). Die lateinische Glossographie ist eine Kopie der griechischen und entwickelt sich - mit entsprechender Zeitverschiebung - parallel zu dieser (cf. Gärtner/ Fuhrmann 1979). Die lateinischen Traditionen verstärken und verzweigen sich im Mittelalter, wobei der Umstand, dass Glossieren zum fixen Bestandteil des Schulunterrichts wird, zu einer beachtlichen quantitativen Entfaltung und qualitativen Diversifizierung der Glossographie führt. 2.2 Perspektivenwechsel Was die Glossen im Zusammenhang mit dem Thema der Tagung zu einem der Aufmerksamkeit würdigen Gegenstand macht, ist ihre ursprüngliche Intention und Funktion, die durch das Interesse der Neuphilologien an ihnen ganz in den Hintergrund getreten ist. Die primäre Aufgabe der Glossen besteht ja nicht in der Dokumentation der ersten unbeholfenen Schritte, die eine sich langsam herausbildende Volkssprache unternimmt, sondern in der Erhaltung des Verständnisses von als wichtig betrachteten Texten. Die meisten glossierten Texte gehören zum Bildungskanon des Mittelalters. Die Glossen sollten also sicherstellen, dass die Vulgata oder Priscians Institutiones Grammaticae oder die Consolatio Philosophiae des Boethius oder auch eine anonyme Predigt in der „Originalversion“ verstanden werden und - ohne Übersetzung des gesamten Texts - weiter tradiert und verwendet werden können. Bewahrung der Textform und Erschließung des Textsinns: das sind zwei eminent wichtige, im ureigensten Sinn philologische Aufgaben, wobei wir den Begriff Philologie hier durchaus in der strengen Bedeutung verstehen können, die er Anfang des 19. Jahrhunderts bekommen hat. Die neuphilologischen Disziplinen ihrerseits tendieren freilich dazu, die Glossen aus ihrem ursprünglichen Funktionskontext herauszulösen und sie für ganz andere Erkenntnisinteressen nutzbar zu machen. Welcher Galloromanist weiß denn mit Sicherheit, auf welche Referenztexte sich die Reichenauer Glossen beziehen? Oder, um den Schwierigkeitsgrad ein wenig zu steigern, welcher Hispanist vermag die Textgrundlage der Emilianensischen Glossen zu benennen? Wie nebensächlich solche Fragen heute für den Neuphilologen sind, demonstriert vielleicht ganz gut die knapp einhundertseitige Einleitung, die Heinz-Jürgen Wolf seiner Edition der Glosas Emilianenses voranstellt. Auf Seite 43, immerhin, erfährt der Leser ganz beiläufig, welche lateinischen Texte den wegen ihres Alters hochberühmten Glossen zugrunde liegen. Den neuphilologischen Sprachhistoriker interessiert die Form der Glosse in der Regel viel mehr als die Funktion, so als würde letztere die Dignität des Objekts beeinträchtigen. In der Tat ist ja die Versuchung groß, einen realitätsnahen Vergleich zu ziehen zu den Gedächtnisstützen, die heutige Lateinschüler oder auch -lehrer zwischen die Zeilen in Glossen als Keimzellen der Philologie 35 ihre Lektüretexte hineinkritzeln und sich dann vorzustellen, dass in tausend Jahren die Bleistiftnotizen weit mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen als die solchermaßen präparierten Reden gegen Catilina oder die Metamorphosen des Ovid. Oder, wenn man an die Glossare denkt, dass das vielleicht gar nicht so sorgfältig geführte Vokabelheft eines Schülers zur Grundlage eines Wörterbuchs werden sollte. 2.3 Glossen als pädagogisches Instrument Während sich also viele Sprachhistoriker, angefangen bei Jacob Grimm, wenig Gedanken über Entstehungszusammenhänge und Entstehungsmotive der Glossen gemacht zu haben scheinen, ist anderen Spezialisten sehr wohl seit langem klar, dass diese Zusätze zumindest in der Regel in einem pädagogischen Wirkungsraum anzusiedeln sind. Schon 1845 unterstrich Rudolf von Raumer: „Die althochdeutschen Interlinearglossen sind das unmittelbare Zeugnis der mittelalterlichen Lehrtätigkeit“ (zit. nach Schwarz 1977: 25). Natürlich haben hier die Germanisten einen gewissen Vorteil durch das explizite Zeugnis Ekkehards IV. von Sankt Gallen, der von seinem Lehrer Notker Labeo (oder auch Teutonicus) berichtet, dieser habe seine Übersetzungen - vorwiegend Interlinearversionen - propter caritatem discipulorum angefertigt. Dabei wird man nicht außer Acht lassen, dass mittelalterliche Übersetzungstätigkeit - namentlich in einer so latein-freudigen Periode wie der Ottonischen - immer unter einem gewissen, zum Teil sogar erheblichen Rechtfertigungsdruck steht. Allerdings sehen manche Wissenschaftler der Gegenwart hinter der gesamten Philologie einen pädagogischen Impetus. So meint Hans Ulrich Gumbrecht, nachdem er in seinem schon zitierten Band die Aufgaben der Philologie aufgezählt hat, recht summarisch und ohne Bezug auf eine bestimmte Epoche: „Es fällt schwer, sich auszumalen, die Philologie könne ins Spiel kommen, wenn keine pädagogischen Ziele gegeben wären und wenn es nicht zumindest ein rudimentäres historisches Bewusstsein gäbe“ (Gumbrecht 2003: 12). Und tatsächlich lassen sich an vielen Handschriften ja eindeutige didaktische Manipulationen erkennen. Wiederum ist der Codex mit den Emilianensischen Glossen ein gutes Beispiel, denn er enthält ja nicht nur die berühmten Wortgleichungen, sondern vier verschiedene Typen und Schichten von Angaben, die auf Textanalyse und Textinterpretation hindeuten. Heinz-Jürgen Wolf glaubt auch deren Chronologie bestimmen zu können und diagnostiziert als älteste Schicht der kommentierenden Bearbeitung lexikalische Zusätze in Latein, die in den meisten Fällen aus Substantiven bestehen, welche ein anaphorisches Pronomen identifizieren: z.B. steht über einem eum zweimal das Wort diabolum (27v14, 28r1) oder über aliis ein hominibus; hier geht es also um die Aufhellung transphrastischer Zusammenhänge. Die zweite Schicht besteht nach Wolf aus den eigentlichen Glossen, auf die noch genauer einzugehen sein wird. Eine dritte „Generation“ von Markierungen diente offensichtlich der syntaktischen Analyse und besteht aus Fragen nach den Satzteilen, wobei das Latein schon Wolfgang Pöckl 36 nicht mehr lupenrein ist: qui fragt nach dem Subjekt, de ke nach Objekt bzw. Präpositionalkasus. Die jüngste Schicht schließlich hebt ab auf die Wortstellung, wobei ein Plus oder Kreuz den Satzanfang markiert, während die Buchstaben a, b, c, d usw. auf die verschiedenen Satzglieder hinweisen. Nach Menéndez Pidal signalisieren sie „el orden lógico de las palabras, para deshacer el hipérbaton” (zit. in Wolf 1991: 19); was der orden lógico sei, soll hier nicht diskutiert werden, jedenfalls läuft die Markierung auf die Satzteilfolge VSO hinaus. Für eine genaue kodikologische Beschreibung müsste natürlich noch unterschieden werden, welche Zusätze jeweils den Lehrern und welche den Schülern zugeschrieben werden können. Da hier nur der pädagogische Kontext als solcher zur Debatte stand, kann von solchen Details an dieser Stelle abstrahiert werden. 3 Typologie der Glossen Glossen können - die Analyse von Heinz-Jürgen Wolf hat es in Erinnerung gebracht - verschiedene Erscheinungsformen annehmen. Für die Sprachwissenschaft sind naturgemäß die Übersetzungen am aussagekräftigsten, daher sind sie in dieser Disziplin quasi zum Prototyp erhoben worden. Für die Kulturgeschichte sind dagegen oft die inhaltlichen Kommentare von größerem Interesse. Allerdings muss man wohl befürchten, dass die Linguistik beschlossen hat, Glossen aus ihrem Einzugsbereich gänzlich zu eliminieren. Enthielt das deutsche Referenzlexikon von Hadumod Bußmann in der ersten Auflage noch einen kurzen Eintrag zum Stichwort ‚Glossen’, so ist dieser in der dritten, aktualisierten und (nota bene) erweiterten Auflage von 2002 ersatzlos gestrichen. Die Entphilologisierung der Sprachwissenschaft scheint also trotz eines angeblichen Wiedererstarkens der Sprachgeschichte eindeutig im Vormarsch zu sein. Andererseits hat die Beschäftigung mit Glossen gerade in den letzten Jahren zumindest innerhalb der Germanistik wieder einen Aufschwung erlebt. Eine entscheidende Anregung ist dabei von einem Aufsatz des Schweizer Germanisten Alexander Schwarz ausgegangen, der in seinem Beitrag mit dem Titel ‚Glossen als Texte’ mit sichtlicher Freude an der Feindifferenzierung in einer von Otfried von Weißenburg glossierten Handschrift mehr Glossen-Typen unterscheidet, als das deutsche Alphabet Buchstaben hat (Schwarz 1977: 28-30). Gemäß dem Tagungsthema konzentrieren wir uns hier jedoch auf diejenigen Formen, die als Übersetzung zu klassifizieren sind. Übersetzungsglossen lassen sich u.a. einteilen nach dem Grad der Integration in den Basistext, nach dem Verhältnis der Sprache des Handschriftentexts zur Sprache der Glossen und nach dem Umfang der glossierten Elemente. Glossen als Keimzellen der Philologie 37 3.1 Integration Als Normalfall wird man die eine bestimmte Zeit nach der Erstellung der Handschrift hinzugefügte Glosse betrachten, die schon auf Grund ihrer Platzierung als spätere Ergänzung zu erkennen ist. Es gibt aber auch Handschriften, bei denen die Glosse schon gleichzeitig mit dem Basistext geschrieben wurde. Der älteste Text dieser Art aus dem französischen Sprachgebiet stammt aus dem 11. Jahrhundert und wird Gerson de Metz zugeschrieben. In der Regel handelt es sich bei dieser Form von Dokumenten um rabbinische Kommentare zu religiösen Kanontexten. Solche Handschriften wurden schon im 19. Jahrhundert analysiert und wissenschaftlich ausgewertet. So motiviert etwa Arsène Darmesteter bereits im Jahr 1972 die in den fortlaufenden Text eingeschobenen französischen Glossen: Quand l’auteur, expliquant en hébreu rabbinique le texte de l’Écriture, se trouve embarrassé pour rendre clairement son idée, il a recours à la langue populaire et traduit le passage du texte en français (zit. nach Lindemann 1994: 121). Die hebräischen Texte dieses Typs verdienen auch aus chronologischer Perspektive Beachtung, denn in ihnen „erscheinen französische Formen früher als in lateinischen“ (Lindemann 1994: 120). 3.2 Sprache Während die germanistische, anglistische, keltische Philologie im Allgemeinen kein Problem hat, die Sprache des (meistens lateinischen) Texts und die Sprache des glossierenden Kommentars auseinanderzuhalten, ist die Romanistik gerade bei den berühmtesten weil ältesten Glossen häufig in der Situation, ihre Zuständigkeit rechtfertigen zu müssen. Denn bei vielen Glossen scheint es sich nicht um interlinguale Übersetzung zu handeln, sondern um ein intralinguales Verhältnis, d.h. man könnte mit guten Gründen auch von zwei diachron verschiedenen Stadien des Lateinischen sprechen. Und damit wäre, zumindest nach der Definition von Schreiber, der Übersetzungsstatus als solcher in Gefahr bzw. nicht gegeben. Dass die Reichenauer Glossen an sich eine vorwiegend innerlateinische Angelegenheit sind, an der die Galloromanistik allerdings ein begründetes Interesse hat, dürfte heute als konsensfähige Position gelten. In Bezug auf die Glossen von San Millán und Silos dagegen scheint mir der Standpunkt von Margarete Lindemann zu kategorisch, wenn sie schreibt: Für unsere Entscheidung, in Glossensammlungen wie den Reichenauer Glossen, den Glosas Emilianenses oder den Glosas Silenses rein lateinische Glossare zu sehen, ist nicht die Prozentzahl der romanischen Formen ausschlaggebend. Vielmehr gehen wir deshalb von rein lateinischen Glossen aus, weil die Formen der gebuchten Wörter in Flexion und Konjugation auf beiden Seiten der Wortgleichungen lateinisch sind. (Lindemann 1994: 101) Wolfgang Pöckl 38 Intentional lateinisch, hätte Margarete Lindemann wohl eigentlich schreiben müssen, denn die Latinität von Wörtern wie wadius (für pignus) oder wapces (für scabrones), von lueco (für ecce repente) oder buenamientre (für adtentius) steht doch auf sehr wackeligen Beinen. 3.3 Umfang Übersetzungsglossen können sich auf einzelne Wörter, auf Wortbildungsprodukte, auf aus mehreren Wörtern bestehende Satzteile, auf Sätze und vereinzelt auf ganze Texte erstrecken. Das jeweilige Interpretament muss natürlich nicht genau die Form des glossierten Elements haben (so können Einzelwörter etwa paraphrasiert werden), aber statistisch sind die Entsprechungen relativ hoch. Es sollen nun nicht aus Systemzwang alle Konstellationen abgearbeitet, sondern nur einige besonders interessante exemplarisch herausgegriffen werden. 3.3.1 Komplexe Wörter Ein heikles Kapitel, und zwar offenbar besonders in der anglistischen Philologie, sind morphologisch komplexe Wörter. Während in der Germanistik die gängige Entlehnungstypologie von Werner Betz auf den glossierenden Übersetzungen der Benediktinerregel aufbaut, genießen altenglische Glossatoren offenbar wenig Ansehen, weil sie die lateinischen Wörter oft sklavisch nachbilden und so manchmal z.B. im Englischen schon präfigierte Verben um zusätzliche, vom lateinischen Vorbild induzierte Präfixe erweitern, was, um einen etwas polemischen Ausdruck von Lucia Kornexl (2001: 120) aufzugreifen, zu einem morphological overkill zu führen scheint. Nun lässt sich aber sehr gut nachvollziehen, welche Rolle solche Bildungen haben: Sie sollen die lateinische Bildung transparent machen, das lateinische Wort mit Hilfe der englischen Muttersprache quasi in seine Bestandteile zerlegen. Die englischen Glossenwörter, die als vermeintlich missgebildete hapax legomena wenig zum Ansehen der englischen Glossatoren und ihrer Sprachkenntnisse sowie ihres Sprachgefühls beigetragen haben, erscheinen jedoch in einem ganz anderen Licht, wenn man sie nicht als idiomatisch gemeinte Übersetzungsvorschläge, sondern als pädagogische Krücken betrachtet, als die sie ja fungieren sollten. Wenn man den lateinischen Text so mit Hilfe des Englischen erklärt, sind die Bildungen nämlich durchaus funktionell. 3.3.2 Texte Die Germanistik ist sich der Janusköpfigkeit glossierter Texte schon lange bewusst, wohl dank der zahlreichen Zeugnisse, über deren Zweck man sich nicht täuschen konnte. Als Vollendung des Traditionsstrangs der flächendeckenden Interlinearversion gilt natürlich Notker, aber eine (ein Jahrhundert Glossen als Keimzellen der Philologie 39 ältere) Übersetzung wie die der Murbacher Hymnen scheint sich schon weiter von der Vorlage zu entfernen als die Versionen des Sangallenser Sprachschöpfers und, wie Max Wehrli in seiner Geschichte der deutschen Literatur es formuliert, „aus der Zuversicht [zu leben], dass die deutsche Nachbildung sich selber zu tragen vermag“ (Wehrli 1980: 53). Denn Notker kultiviert eine deutsch-lateinische Mischsprache, die außerhalb des Klosters ganz weltfremd gewirkt haben würde. Die Kulturgeschichte sieht ihn daher traditionell als Spätgeborenen, als Vollender. Christopher Schlembach etwa schreibt in der Einleitung zu seiner Monographie: Notker der Deutsche ist ein monastischer Lehrer, der noch einmal (Kursivsetzung W.P.) die ahd. Übersetzungskunst entfaltet. […] Notkers Werk steht noch im Zeichen des Triumphs und der Heilsgewißheit im Weg der Wissenschaft. Die Mühen der passio lohnen sich; Philologie aus Leidenschaft und aus Liebe erscheint als mögliche Lebensform glaubhaft, ja authentisch. (Schlembach 2003: 3) Und einige Absätze weiter: Es findet sich für ihn jedoch kein Nachfolger mehr. Nun ist das Niveau seiner Kunstfertigkeit als Übersetzer derartig hoch, dass eine adäquate Fortsetzung seiner Arbeit kaum wahrscheinlich sein kann, aber mehr noch tragen die großen Brüche des intellektuellen Lebens zur Beendigung der Tradition bei, in die er gestellt ist. Notker ist ein spätgeborener Angehöriger einer im spätantiken Bildungssystem wurzelnden Welt- und Gottesbetrachtung der siegreichen Kirche über den Fürsten dieser Welt. Er ist einer ihrer letzten Höhepunkte und späten Vollender, das haben Generationen von Literaturhistorikern immer wieder bekräftigt. (Schlembach 2003: 5f.) Man kann Notkers Interlinearversionen aber auch aus einem ganz anderen Blickwinkel sehen. Alexander Schwarz hat kürzlich Notker als Dekonstruktivisten, als Vorläufer Jacques Derridas gewissermaßen, porträtiert, weil bei ihm die beiden Versionen, die lateinische und die althochdeutsche, nicht parallel laufen, sondern sich gegenseitig stützen und durchdringen: „Es handelt sich hier um ein Zwitterwesen von Interlinearglossierung und Interlinearversion, das zugleich zu einer rein althochdeutschen Lektüre […] einlädt und sie ins Leere laufen lässt“ (Schwarz 2001: 581). Eine ähnliche Beobachtung hat auch Schlembach gemacht, und er illustriert an einem Beispiel aus der Übersetzung der Consolatio Philosophiae, wie die Textverknüpfungen über die Sprachen hinweg laufen: Wenn man im folgenden Beispiel etwa das Bezugsssubstantiv des Possessivpronomens sîn von sîn suéster sucht, landet man nicht bei dem althochdeutschen súnna (denn dann müsste es îro heißen), sondern im lateinischen Text bei phoebus. 107.18-22, Quod phoebus curru aureo prouehit roseum diem. Et hic. Táz tiu súnna ûfen scônero réito rîtendív den dág récchet. Ut phoebe imperet noctibus. quas duxerat hesperus. Et hic. Táz áber sîn suéster luna uuálte déro náht. tîa der âbentstérno récchet. (Schlembach 2003: 106f.) 3 3 Übersetzung nach Schlembach: (… daß Phoebus mit seinem goldenen Wagen den rosigen Tag heraufführt, Und hier. daß die Sonne, auf dem glänzenden Wagen reitend, den Tag Wolfgang Pöckl 40 4 Glossare Zur Abrundung und zum Abschluss ist noch daran zu erinnern, dass einzelne Glossen oft in Glossaren gesammelt werden und dass Glossare wiederum die Vorläufer ganz bedeutender Produkte (oder „Ableger“) der Philologie, nämlich der (ein-, zwei- oder auch mehrsprachigen) Wörterbücher sind. Glossare begegnen im Mittelalter im Wesentlichen in drei verschiedenen Erscheinungsformen. 4.1 Werkglossare Bei Werkglossaren folgen die Glossen dem Auftreten der zu erklärenden Wörter in einem bestimmten Text, wobei als Minimalanforderung für ein Glossar gelten kann: „Erst wenn die Wörter, auf die sich die Rand- oder Interlinearglossen beziehen, außerhalb des Textes wiederholt werden und gleichzeitig eine Glossierung erfahren, sprechen wir von einem Glossar. Bei einem Glossar muß darüber hinaus eine Ordnung in der Abfolge der Elemente erkennbar sein.“ (Lindemann 1994: 93) 4.2 Sachgebietsglossare Im Anschluss an die antike Tradition, die eher nicht-gemeinsprachliche Sonderwortschätze in Wortlisten zusammengeführt hat, entstehen im frühen Mittelalter Glossare mit Appellativa oder (um öfter zitierte Beispiele zu nennen) Fischnamen oder Phytonymen, also nach sachlichen Gesichtspunkten geordnete Sammlungen. Auch die Anhänge der Gesprächsbüchlein, aus der griechischen Tradition als Hermeneumata bekannt, sind nach Wortfeldern gruppiert. Ein Fragment einer solchen Sammlung scheint das wegen seines Alters und seiner ungewöhnlichen Sprachenkombination (byzantinisch-griechisch - italoromanisch) berühmte Glossario di Monza zu sein (eine genaue kodikologische Beschreibung, wie auch für viele andere hier besprochene Glossen-Handschriften, findet man in dem verdienstvollen Werk von Barbara Frank/ Jörg Hartmann 1997, II: 105f.) 4.3 Alphabetische Glossare Der Weg in Richtung zum neuzeitlichen gemeinsprachlichen Wörterbuch hin wird eingeschlagen, wenn Glossen alphabetisch geordnet und mehrere Glossare ineinandersortiert werden. Eines der Probleme, die durch dieses Verfahren entstehen können, besteht darin, dass - um ein Begriffspaar von Heinrich Götz aufzunehmen - eine Kontextübersetzung in eine Vokabelübersetzung uminterpretiert wird, d.h. dass ein in einem bestimmten Konheraufführt, daß Phoebe in den Nächten herrsche, die der Abendstern leitet, Und hier. daß seine Schwester Luna in der Nacht herrsche, die den Abendstern heraufführt, …) Glossen als Keimzellen der Philologie 41 text passendes Äquivalent zur Wörterbuchbedeutung erhoben wird. Solche defizienten oder schlicht falschen Informationen erweisen sich oft als sehr langlebig, obwohl Glossare an sich philologisch betrachtet extrem instabile und wandelbare Objekte sind, da Glossatoren ebenso wie Kopisten die verständliche Neigung haben, die Hilfsmittel (nach bestem Wissen und Können) zu optimieren und die vorgefundenen Einträge daher gegebenenfalls zu verändern. „Cette pratique est monnaie courante dans la lexicographie médiévale où chaque copie a quelque peu tendance à devenir une œuvre autonome.“ (Nobel 1999: 31) So stößt der historisch interessierte Metalexikograph gelegentlich auf mancherlei seltsame Phänomene wie Phantomwörter, die auf Lesefehler zurückzuführen sind und gleichwohl Jahrhunderte in Wörterbüchern überdauern, oder aber auf schlichte (und wegen ihrer evidenten Fehlerhaftigkeit natürlich nicht tradierte) Versehen wie jenes aus dem folgenden Beispiel, in dem die Wasseruhr eines lateinisch-lateinischen Glossars in der Bearbeitung eines französischen Glossators zum Nachttopf mutiert: Clipsidra - vas aquarum ad nocturnas horas metiendas Clipsidra - vas aquarum ad horas metiendas - pot a pisser de nuyt (zit. nach Nobel 1999: 22) 5 Zusammenfassung Während das Interesse der Sprachgeschichtsschreibung an den Glossen in der Regel durch den Umstand begründet ist, dass sie die frühesten schriftlichen Dokumente einer Sprache darstellen, haben sie für die Fachgeschichte der Philologie einen ganz anderen Stellenwert. Die eigentliche Funktion der Glosse besteht ja meistens darin, die Verständlichkeit und damit die Verwendbarkeit von Texten in der „ursprünglichen“ Form zu erhalten. Dieser unmittelbar praxisrelevante Aspekt tritt aus heutiger Sicht leicht in den Hintergrund. Man versteht aber manche Formen der Glossierung besser, wenn man sich ihre Intention vor Augen führt. Wolfgang Pöckl 42 Bibliographie Albrecht, Jörn (1998): Literarische Übersetzung. Geschichte - Theorie - Kulturelle Wirkung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Bußmann, Hadumod (1983/ ³2002): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Kröner (=Kröners Taschenausgabe Bd. 452). Dreyer, Oskar (1979): „philólogos“. In: Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike in fünf Bänden. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, Bd. IV, Sp. 768. Frank, Barbara/ Hartmann, Jörg (1997): Inventaire systématique des premiers documents des langues romanes. 5 Bände. Tübingen: Narr (= ScriptOralia 100). 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Ich hatte damals auch einen Beitrag beigesteuert, der allerdings nichts mit Übersetzung zu tun hatte. 1 Erst bei meiner Arbeit an der deutschen Fassung von Dominique Maingueneaus Eléments de linguistique pour le texte littéraire - der Verfasser hat ebenfalls einen Beitrag zu dem erwähnten Band geliefert 2 - wurde ich nicht nur darauf hingewiesen, sondern förmlich darauf hingestoßen, dass sowohl Übersetzungspraxis als auch Übersetzungstheorie sich als Mörtel zur notdürftigen Ausbesserung des halb zerfallenen Gebäudes der Philologie empfehlen. Ob die Restaurierung dieser Ruine überhaupt ein erstrebenswertes Ziel darstellt, bleibe vorerst dahingestellt. Nicht rein zufällig erscheint im Titel meines Vortrags der Terminus Sprachwissenschaft; von Linguistik ist nicht die Rede. Ich mache diesen begrifflichen Unterschied hier nur vorsichtshalber, aus Achtung vor den Vertretern der Formallinguistik, die nicht mit den in ihren Augen weiterhin „traditionellen“ Sprachwissenschaftlern in einen Topf geworfen werden wollen. Wenn ich im Folgenden von „Sprachwissenschaft“ spreche, so denke ich an eine vergleichsweise „strenge“, kühnen Spekulationen abholde, aber nicht an eine konsequent formalisierte Disziplin. Über Leistung und Grenzen formaler Methoden in unseren Fächern wird am Ende etwas nachzutragen sein. 1 Albrecht 1998a. 2 Maingueneau 1998. Jörn Albrecht 46 1 Ein wenig Wissenschaftsgeschichte: Die Auflösung der Philologie Wir alle - Studierende und Lehrende - treten in der Öffentlichkeit heute noch als Philologen, oder genauer, als „Neuphilologen“ auf. Den meisten unter uns wird es nicht leicht fallen, einem Außenstehenden zu erklären, was man sich eigentlich unter „Philologie“ vorzustellen hat. Ein Blick in zwei große Enzyklopädien, die im Abstand von etwa vierzig Jahren erschienen sind, genügt, um uns darüber aufzuklären, dass sich der Begriff in den letzten Jahrzehnten gewandelt hat: Philologie: Etude d’une langue par les documents écrits qui nous la font connaître/ / Etude des textes et de leur transmission (Grand Larousse Encyclopédique 1965) Philologie: i.e.S. die Wiss. der Deutung von Texten, i.w.S. die wissenschaftliche Erforschung der geistigen Entwicklung und Eigenart eines Volkes oder einer Kultur aufgrund seiner Sprache und Literatur (Brockhaus 2006) Bemerkenswert scheint mir zweierlei: Zum einen das Erscheinen des Begriffs der „Kultur“ in der zweiten Definition, zum anderen der spezifizierende Zusatz: „Kultur aufgrund seiner Sprache und Literatur“. Im 19. Jahrhundert hätte man ihn möglicherweise als überflüssig, da selbstverständlich angesehen. Der Terminus Kulturwissenschaft wurde bekanntlich von den Neokantianern als alternative Bezeichnung für die Diltheysche „Geisteswissenschaft“ vorgeschlagen, da ihnen dieser Ausdruck zu „hegelianisch“ war. Er umfasst heute ein kaum mehr zu überschauendes Spektrum von Betätigungsfeldern. Es wäre vermessen, in einem kurzen Vortrag ein so weites Feld abschreiten zu wollen. Hier geht es ausschließlich um Zugänge zur „Kultur“ auf dem Weg über Sprache und Literatur. Nun aber zur angekündigten Exkursion in die Wissenschaftsgeschichte: Der Junggrammatiker Wilhelm Scherer, ein Vertreter der historischvergleichenden Sprachwissenschaft, hat am Ende seines kurzen Lebens eine ziemlich einflussreiche Literaturgeschichte des Deutschen geschrieben, die später viele Neuauflagen erlebt hat. 3 Wer die monumentale französische Sprachgeschichte von Ferdinand Brunot durchblättert, wird sofort feststellen, dass hier Sprach- und Literaturgeschichte eine Symbiose eingegangen sind - man kann das Buch auch als Literaturgeschichte unter sprachlichem Blickwinkel lesen. 4 Es ist sicherlich kein Zufall, dass gerade bei Brunot dem Phänomen „Übersetzung“ mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als in den zeitgenössischen Sprach- und Literaturgeschichten. 3 Scherer 1883. 4 Brunot 1905 [1966]. Wiedergeburt der Philologie aus dem Geiste der Übersetzung? 47 Im 20. Jahrhundert haben sich die wissenschaftliche Sprach- und Literaturbetrachtung immer weiter auseinander entwickelt. Die „idealistischen Neuphilologen“ um Karl Vossler und Eugen Lerch sowie Leo Spitzer mit seiner spezifischen Form der Stilistik haben diese Entwicklung möglicherweise zeitweise verlangsamt, aber nicht endgültig aufhalten können. Zur Zeit meines eigenen Studiums war der Prozess fast schon zum Abschluss gekommen, wenn auch einige Formallinguisten das nicht wahrhaben wollen. Für sie befindet sich die traditionelle Sprachwissenschaft (dazu zählen sie selbstverständlich auch die strukturalistische und die dependenzgrammatische, die bis heute allenfalls ansatzweise formalisiert sind) in einer symbiotischen Beziehung zur Literaturwissenschaft und nimmt insbesondere innerhalb der Romanistik, so wird behauptet, eine dienende Rolle ein. 5 Davon konnte bereits in meiner weit zurückliegenden Studienzeit keine Rede sein. In der Lehre gab es kaum jemanden, der nicht ausschließlich auf eine der beiden Teildisziplinen spezialisiert gewesen wäre. Gerhard Rohlfs konnte sich in seinen Vorlesungen handfest bieder, aber durchaus kompetent zu literarischen Fragen äußern; er tat es jedoch nur nebenbei, niemals ex cathedra. Aber auch die Studierenden waren in den höheren Semestern bereits durch einen tiefen Graben getrennt: Die beaux esprits wurden von Schauder ergriffen angesichts eines Themas wie „Die Entwicklung des haupttonigen a in freier Stellung in der Galloromania“. Musste man wirklich kostbare Lebenszeit an so etwas Belangloses verschwenden? Die Linguisten hingegen nahmen ein Thema wie „Reminiszenzen an die Antike in Chateaubriands Mémoires d’outretombe“ mit nachsichtigem Kopfschütteln zur Kenntnis und machten sich mit stoischem Gleichmut an die Arbeit. Man musste es wohl oder übel bearbeiten, denn die brauchbareren Themen waren alle schon vergeben. Nur wenige Universitäten haben allerdings dieser Entwicklung in der Gliederung ihrer Fächer Rechnung getragen. An der „Reformuniversität“ Bielefeld gibt es sprachübergreifende Fakultäten für Linguistik und für Literaturwissenschaft. Die Historisch-philosophische Fakultät der ungefähr zur gleichen Zeit gegründeten Universität Stuttgart ist in ein Institut für Linguistik und ein Institut für Literaturwissenschaft gegliedert, wobei die Literaturwissenschaft viel stärker untergliedert ist und über mehr Professuren verfügt. 5 Vgl. z.B. Werner 1998. Jörn Albrecht 48 2 Übersetzung, Übersetzungswissenschaft, Übersetzungsforschung Seit über zweitausend Jahren wird die praktische Tätigkeit des Übersetzens von Reflexionen über die theoretischen Schwierigkeiten begleitet, die sie aufwirft. In den vergangenen Jahrzehnten ist viel Arbeit darauf verwendet worden, diese meist schwer zugänglichen Stellungnahmen älterer Übersetzer zu theoretischen Fragen zu sammeln und übersichtlich zu dokumentieren. 6 Eine eigenständige, dem Gegenstand „Übersetzung“ gewidmete Disziplin ist jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Nach 1960 erschienen in kurzer Folge drei Bücher, die eine wichtige Etappe bei der Konsolidierung der jungen Disziplin darstellten. Georges Mounin: Les problèmes théoriques de la traduction (1963) Eugene A. Nida: Toward a Science of Translating (1964) John C. Catford: A Linguistic Theory of Translation (1965) Die Verfasser waren Repräsentanten einflussreicher Schulen der damaligen Sprachwissenschaft: Georges Mounin (alias Louis Leboucher) lieferte mit seinem Werk einen Beitrag zur Übersetzungstheorie aus der Sicht des europäischen Strukturalismus, insbesondere der Schule André Martinets. Ein Jahr später folgte Eugene A. Nida mit seinem Buch Toward a Science of Translating. Der Verfasser, von Haus aus Missionar und Bibelübersetzer, hatte sich mit großer Energie in den amerikanischen Strukturalismus und in die frühen Versionen der Generativen Grammatik eingearbeitet. Er verwendet im Titel seines Werks den Terminus science und erhebt damit den Anspruch, die methodische Beschäftigung mit dem Problem des Übersetzens aus dem Bereich der humanities in denjenigen der social sciences zu verpflanzen. Im folgenden Jahr meldete sich mit John C. Catford ein Vertreter des Britischen Kontextualismus zu Wort, einer in Deutschland bis heute nicht besonders gut bekannten Schule. Der Titel seines schmalen, aber überaus inhaltsreichen Werks, A Linguistic Theory of Translation, darf ernst genommen werden, denn hier wird der Zusammenhang zwischen Übersetzen und Linguistik besonders stark betont. Wenig später begann sich im deutschen Sprachraum der Terminus Übersetzungswissenschaft zu etablieren. Schon an den Namen der damals gegründeten oder umbenannten akademischen Ausbildungsstätten für Übersetzer und Dolmetscher konnte man ablesen, dass die junge Disziplin zumindest von der akademischen Selbstverwaltung der Angewandten Sprachwissenschaft zugerechnet wurde. Besonders intensive Anstrengungen zur theoretischen Fundierung der Übersetzungs- und Dolmetschforschung wurden in der so genannten “Leip- 6 Es seien hier nur einige wenige, für ein größeres Publikum bestimmte Anthologien genannt: Störig 3 1973; Vega 1994; Robinson 1997. Wiedergeburt der Philologie aus dem Geiste der Übersetzung? 49 ziger Schule” um Otto Kade und seine Nachfolger unternommen. 7 In einer Zeit, in der sich die neue Disziplin bereits aus ihrer engen Bindung an die Sprachwissenschaft zu lösen begann, wurde durch die „Leipziger Schule“ der konkurrierende Terminus Translationswissenschaft geprägt, dem sich bald die terminologische Variante Translatologie hinzugesellte. Der Ausdruck Translation wurde vor allem deshalb propagiert, weil er sich als Oberbegriff für Übersetzen und Dolmetschen eignet; allerdings macht der unüberhörbare Anklang an englisch translation diese wünschenswerte Eigenschaft im Zeitalter der nahezu unbeschränkten Herrschaft der Weltsprache Englisch teilweise zunichte; man denkt spontan an translating im Gegensatz zu interpreting. Noch bevor sich die neue Disziplin so richtig etabliert hatte, regte sich Widerstand von verschiedenen Seiten, sowohl was ihre Zielsetzung als auch was ihre Einordnung in das System der Wissenschaften betraf. Die Schöngeister nahmen an einer von ihnen unkritisch unterstellten Nähe der Übersetzungswissenschaft zur Linguistik Anstoß, einer Disziplin, deren oft hemdsärmelig auftretende junge Vertreter im Umkreis der klassischen geisteswissenschaftlichen Fächer mit Unbehagen wahrgenommen wurden. Die Abkehr der jungen Übersetzungswissenschaftler von einem historischhermeneutischen Ansatz und ihre Hinwendung zu Untersuchungsmethoden, die auf intersubjektive Verifizierbarkeit ausgelegt waren, wurden mit Unmut zur Kenntnis genommen. Die Integration einer im strengen Sinn formalen Linguistik in unsere Fächer musste aufgrund einer fehlenden gemeinsamen wissenschaftstheoretischen Basis misslingen. Das gilt m.E. auch - von wenigen Ausnahmen abgesehen - für die Bemühungen um die automatische Übersetzung, die selbst in Übersetzer- und Dolmetscherstudiengängen nur aus einer praktischen, anwendungsorientierten Perspektive wahrgenommen werden, d.h. ohne die mathematischinformatischen Grundlagen. In der breiteren Öffentlichkeit stieß und stößt jede Form der systematischen, keineswegs notwendigerweise formalen Übersetzungsbetrachtung auf entschiedene Ablehnung. In einer einflussreichen deutschen Tageszeitung war im Jahr 1981 von der „Unfähigkeit einer Möchtegernwissenschaft“ die Rede, „denjenigen, die mit dem Geschäft des Übersetzens zu tun haben, auch nur halbwegs brauchbare Einsichten an die Hand zu geben.“ 8 Ähnliche Ansichten werden weiterhin vertreten, wie das folgende Zitat belegt: Schließlich hat die Übersetzungswissenschaft zwar manchen Zweig hervorgebracht, aber im Wesentlichen Reisig, kaum etwas, das für die übersetzerische Praxis fruchtbar würde. 9 Widerstand gegen die enge Bindung an die Sprachwissenschaft regte sich jedoch auch in den eigenen Reihen, wenn auch aus anderen Gründen. Solange 7 Vgl. Pöckl 2007. 8 Vgl. Albrecht 1987: 9f. 9 Schmidt-Henkel 2007. Jörn Albrecht 50 die Übersetzungswissenschaft als Teildisziplin der Angewandten Sprachwissenschaft galt, war mit ihrer Ausübung nicht viel akademische Anerkennung zu erringen, zumindest dann nicht, wenn man sie zur ausschließlichen Beschäftigung erkor. So setzte bereits in der Zeit nach 1970 eine Emanzipationsbewegung ein, die gelegentlich den Charakter einer regelrechten Flucht weg von der Sprachwissenschaft (und nicht selten auch von der Sprache) annahm. 10 Nachdem sich der klassischen, vorwiegend präskriptiv-prospektiv orientierten Richtung der Übersetzungswissenschaft eine von der Literaturwissenschaft her kommende Gruppe hinzugesellt hatte, die einen retrospektivdeskriptiven Ansatz vertrat, wurde die Lage vollends unübersichtlich. An eine verbindliche „disziplinäre Matrix“ 11 , an der sich alle Mitglieder der Zunft hätten orientieren können, war nicht mehr zu denken. Vor einigen Jahren haben Norbert Greiner und ich in einigen gemeinsam gehaltenen Vorlesungen, die inzwischen in Buchform vorliegen, 12 versucht, unsere Hörerschaft davon zu überzeugen, dass zwischen den beiden Richtungen, der prospektiv-präskriptiven und der retrospektiv-deskriptiven, kein Widerspruch besteht, sondern dass sie sich gegenseitig ergänzen. Der von der Sprache her kommende, dem prospektiv-präskriptiven Ansatz verpflichtete Forscher, ist darum bemüht, Kriterien für eine Entscheidung darüber bereitzustellen, wie eine Übersetzung in einem bestimmten Sprachenpaar unter den jeweils gegebenen spezifischen Umständen aussehen könnte und sollte. Der von der Literatur her kommende, eher retrospektiv-deskriptiv orientierte Forscher, beschreibt und analysiert zunächst einmal, wie bestimmte Übersetzungen tatsächlich ausgesehen haben. In einem zweiten Schritt versucht er dann, die Entstehungsbedingungen der jeweiligen Übersetzung und die Wirkung, die sie auf das literarische Leben ausgeübt hat, zu rekonstruieren. Sollten diese beiden Richtungen, denen unsere gemeinsamen Bemühungen galten, nun unter dem Begriff „Übersetzungswissenschaft“ subsumiert werden? In Anlehnung an den nüchternen und unprätentiösen Terminus translation studies einigten wir uns auf den Begriff „Übersetzungsforschung“. Damit wird freilich der von den „Übersetzungswissenschaft“ erhobene Anspruch auf Autonomie eingeschränkt. Man kann Linguist, Literatur- oder Kulturwissenschaftler sein und gleichzeitig, gewissermaßen im Nebenberuf, Übersetzungsforschung treiben. In praktischer Hinsicht besitzt der Terminus Übersetzungsforschung gegenüber Übersetzungswissenschaft einen nicht zu übersehenden Nachteil: Es lässt sich kein Adjektiv von ihm ableiten; man muss sich mit schwerfälligen Paraphrasen behelfen. 10 Vgl. Albrecht 2005a. 11 Es handelt sich um die Modifikation des weit bekannteren Begriffs des „Paradigmas“, mit der Thomas S. Kuhn in seinen späten Schriften auf die heftige Kritik seiner Fachkollegen an diesem zuerst entwickelten Konzept reagiert hat. 12 Greiner 2004; Albrecht 2005. Wiedergeburt der Philologie aus dem Geiste der Übersetzung? 51 3 Fallbeispiele Ich werde nun versuchen, anhand einiger ausgewählter Beispiele zu zeigen, dass die Übersetzungsforschung dazu beitragen kann, die beiden, wenn nicht feindlichen, so doch einander entfremdeten, Schwestern wieder miteinander in Verbindung zu bringen. Die meisten Beispiele sind nicht neu; ich habe sie bereits an anderer Stelle und in einem anderen Argumentationszusammenhang verwendet. Hier sollen sie den Nachweis dafür liefern, dass Linguisten und Literaturwissenschaftler, sobald sie sich mit Fragen der Übersetzung beschäftigen, manchmal gar nicht umhin können, sich auf das jeweils „fremde“ Terrain zu begeben. 3.1 Die sprachwissenschaftlich orientierte Übersetzungsforschung Eine auf sprachlichen und sprachwissenschaftlichen Fundamenten ruhende Übersetzungsbetrachtung hat bereits Cicero betrieben, so z.B. in seiner Schrift De Finibus Bonorum et Malorum, wo er verhältnismäßig ausführlich (und in durchaus technischer Ausdrucksweise) auf mögliche Verfahren bei der Übersetzung aus dem Griechischen ins Lateinische eingeht. 13 Eine gründliche Durchsicht der zahlreichen Traktate, die seit der Antike zu Problemen der Übersetzung erschienen sind, würde sicherlich weitere frühe Vorformen einer kontrastiven Sprachbetrachtung zutage fördern, die unmittelbar in Überlegungen zur Übersetzungsproblematik einmünden. Nachdem durch die Romantik und den unmittelbar aus ihr hervorgegangenen Historismus das Interesse für die Einzelsprachen als historische Institutionen mit je eigenen, unverwechselbaren Eigentümlichkeiten geweckt worden war, war die Zeit für die vergleichende Sprachcharakteristik angebrochen. Eines der anspruchsvollsten Beispiele für diese Gattung hat der Genfer Saussure-Nachfolger Charles Bally mit seinem Werk Linguistique générale et linguistique française vorgelegt. Der Titel verrät nicht, dass es sich dabei eigentlich um einen impliziten Vergleich des Französischen mit dem Deutschen handelt. 14 Aus der Schule Ballys ist eine Richtung hervorgegangen, deren Name für die ihr zugrunde liegende Sprachauffassung steht: die Vergleichende Sprachstilistik (stylistique comparée). Hier wird die Einzelsprache als nationalspezifischer „Stil“ einer nirgendwo greifbaren „Sprache im Allgemeinen“ aufgefasst. Die enge Verbindung zwischen vergleichender Sprachbetrachtung und Übersetzungsforschung kommt besonders klar in dem Untertitel zum Ausdruck, den Alfred Malblanc seiner Stylistique comparée du français et de l’allemand beigegeben hat: Essai de représentation linguistique comparée et 13 Boskamp 2001, 52ff. 14 Bally 1932, 4. Aufl. 1965. Jörn Albrecht 52 étude de traduction. 15 Mario Wandruszka hat später mit seinem „multilateralen Übersetzungsvergleich“ an diese Tradition angeknüpft und dabei, durch Berücksichtigung möglichst vieler Sprachen und Anwendung einer konsequent nüchternen und technischen Betrachtungsweise, die üppig ins Kraut schießenden neohumboldtianischen „Weltbildthesen“ zurechtzustutzen gesucht: Was sich zunächst im Vergleich zum Deutschen so „ungemein französisch“ ausnahm, erwies sich bei der Hinzuziehung weiterer romanischer Sprachen als schlicht romanisch. 16 Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstand dann eine kontrastive Sprachwissenschaft im engeren, technischen Sinn, die zunächst im Dienst der Sprachdidaktik stand, später aber bald als Hilfsdisziplin der ungefähr gleichzeitig entstandenen Übersetzungswissenschaft angesehen wurde. 17 Mit der eingangs geschilderten Emanzipation der Übersetzungsforschung von der Sprachwissenschaft ging seltsamerweise auch ein Niedergang der kontrastiven Linguistik einher - vielleicht, weil man sich zu viel von ihr versprochen hatte. Sowohl die kontrastive Sprachwissenschaft insgesamt als auch die auf ihr aufbauende sprachenpaarbezogene Übersetzungsforschung waren einem unkritisch herbei geredeten „Paradigmenwechsel“ zum Opfer gefallen. Eine Kollegin an der Humboldt-Universität ist unerschrocken genug, dieses angeblich „überholte Paradigma“ weiterhin „abzuarbeiten“ - wenn auch mit verfeinerten Methoden und auf einem höheren theoretischen Niveau. Sie wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass zumindest der „Rohstoff“ der Übersetzung sprachlicher Natur ist. Mancher unter den Lesern, die der modernen Translationswissenschaft fern stehen, wird sich möglicherweise wundern, dass ein ironischer Hinweis wie der folgende heute überhaupt notwendig ist: Der Gegenstand einer Wissenschaft vom Übersetzen, das Übersetzen und Dolmetschen, läßt sich zwar nicht auf den Gegenstand Sprache reduzieren, aber daß er immer auch etwas mit Sprache zu tun hat, und keinesfalls nur so nebenher, läßt sich nun einmal nicht bestreiten. 18 Über die Rolle der Sprachwissenschaft beim Übersetzen und die Rolle der Linguistik innerhalb der Übersetzungswissenschaft 19 wäre viel zu sagen, doch gehört dies nicht zum Thema dieses Beitrags. Hier sollen zunächst, in notgedrungen knapper und simplifizierender Form, einige Erkenntnisziele der sprachwissenschaftlich orientierten Übersetzungsforschung aufgezeigt werden. 15 Malblanc 1963. 16 Wandruszka 1969; Pöckl 2001. 17 Vgl. u.a. Schmitt 1991. 18 Macheiner 1995, 345. 19 Albrecht 2005a. Wiedergeburt der Philologie aus dem Geiste der Übersetzung? 53 3.1.1 Erstes Ziel: Das Bekannte zum Erkannten machen (Hegel) Das vornehmste Ziel jeder im strengen Sinn des Wortes theoretischen Beschäftigung mit einem bestimmten Gebiet besteht in dem Versuch, sich darüber klar zu werden, was man eigentlich tut, wenn man tut, was man zu tun gewohnt ist. Ein sprachgewandter Übersetzer wird ein Syntagma wie une table longue de deux mètres ohne zu zögern im Deutschen mit ein zwei Meter langer Tisch wiedergeben - so heißt das nun einmal. Ein Sprachtheoretiker wie Charles Bally wird darauf hinweisen, dass dabei die Determinationsrichtung des nominalen Syntagmas spiegelbildlich verkehrt wurde: 1 2 3 une table longue de deux mètres (détermination croissante)´ 3 2 1 ein zwei Meter langer Tisch (détermination décroissante) 20 Der reine Praktiker reagiert auf die Konfrontation mit Erkenntnissen dieser Art gewöhnlich mit nachsichtigem Gleichmut. Schließlich ist ihm das Phänomen seit Langem bekannt. Aber eben diese völlige Vertrautheit mit einem Sachverhalt hält ihn davon ab, der Sache auf den Grund zu gehen: „Das Bekannte überhaupt ist darum, weil es bekannt ist, nicht erkannt“, sagt Hegel in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes, die mit „Vom wissenschaftlichen Erkennen“ überschrieben ist. 21 Monika Doherty, die soeben unter ihrem Pseudonym Judith Macheiner zitiert wurde, hat eine einprägsame Formel für das Phänomen gefunden, um das es beim Übersetzen in rein technischer Hinsicht, beim Übersetzen als „Verfahren“, eigentlich geht: die „sprachspezifische Informationsverteilung“. 22 Auf der Ebene des Textes kann, wenn Kontext und Situation dabei mitspielen, einem Tempusunterschied im Französischen ein Kasusunterschied im Deutschen entsprechen: Il tombait comme au fond d’un puits, entre deux parois de terre verticales Il tomba entre deux parois de terre verticales Er fiel wie auf den Grund eines Schachts zwischen zwei senkrechten Erdwänden Er fiel zwischen zwei senkrechte Erdwände 23 Inwiefern kann nun eine von der Sprachwissenschaft ausgehende Übersetzungsforschung ein akribisches Wahrnehmen der sprachspezifischen Informationsverteilung, einen Weg zur Literatur weisen? Sie kann es dadurch, dass sie dem Studierenden, der literarische Texte vor der Kontrastfolie ihrer Übersetzungen in eine andere Sprache sorgfältig liest, für die 20 Bally 1932 [1965], 16. 21 Hegel 1970 [1807], 35. 22 Doherty 1999 (Titel und Einleitung). 23 Vgl. Albrecht 2005, 100f. Jörn Albrecht 54 sprachlichen Kunstgriffe der Schriftsteller sensibilisiert. „Kunstgriff“ ist dabei im Sinne des russischen Formalismus zu verstehen. 24 Es geht dabei fast immer - um es mit der inzwischen klassisch gewordenen Formel von Roman Jakobson auszudrücken - um die Projektion der paradigmatischen Achse der Sprache (axis of selection) auf die syntagmatische (axis of combination). 25 Das seit unvordenklichen Zeiten bekannteste Beispiel für dieses Verfahren ist der Reim, genauer gesagt, wie wir gleich sehen werden, nicht der phonetische, der, wenn man so will, rein „ornamentale“ Reim, sondern der semantische Reim. Zunächst jedoch zu einem anderen Phänomen im Bereich der Phonetik: 3.1.2 Die phonische Form als „Inhalt“ Nach herkömmlicher Auffassung geht es bei der Übersetzung darum, den „Inhalt“ einer Äußerung oder eines Textes mit den Mitteln einer anderen Sprache wiederzugeben. Phonetik und Phonologie, zwei Disziplinen, die nach allgemein anerkannter Auffassung nur mit bedeutungsunterscheidenden, nicht jedoch mit bedeutungstragenden Einheiten befasst sind, wären somit für den Übersetzer ein Gebiet, das er mit gutem Gewissen vernachlässigen darf. Dies gilt nicht für den Komplex „Lautmalerei (Onomatopöie) und Lautsymbolik (Ikastik)“, der nicht zuletzt bei literarischen Texten eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Es ist hier nicht der Ort, dieses Thema ernsthaft vorzustellen und zu diskutieren. 26 Wer sich die Verse, die aus einem bekannten Märchen stammen, halblaut vorliest, wird auch ohne ausführliche theoretische Unterweisung bemerken, dass die lautliche Einkleidung der Botschaft einen guten Teil ihrer Wirkung ausmacht: Rucke di guh, rucke di guh, Blut ist im Schuh Der Schuh ist zu klein, Die rechte Braut sitzt noch daheim. Tour nou touk, tour nou touk, Sang dans la pantouk, Le soulier est trop petit, La vraie fiancée est encore au logis. (M. Robert) Back again! back again! look to the shoe! The shoe is too small, and not made for you! Prince! Prince! look again for thy bride, For she’s not the true one that sits by thy side. Die französische Übersetzerin hat dieser Tatsache mit etwas gewaltsamen Mitteln Rechung getragen, in der englischen Übersetzung geht die lautmale- 24 Erlich 1955 [1973], 85f. 25 Jakobson 1960, 358. 26 Vgl. u.a. Verwiebe 1995. Wiedergeburt der Philologie aus dem Geiste der Übersetzung? 55 rische Wirkung vollständig verloren. Die phonische Form der Botschaft wird aber in diesem Fall zu einem Teil ihres Inhalts. Ein guter Übersetzer spürt meist intuitiv, in welchen Fällen er Phänomenen wie Klangfarbe, Rhythmus, Intonationsmustern und ähnlichen Faktoren besondere Aufmerksamkeit zu widmen hat. Eine systematische Schulung in phonetisch-phonologischer Textanalyse wird ihm sicherlich nicht zur gezielten Auffindung geeigneter Äquivalente verhelfen, aber sie sensibilisiert den Suchenden für das Problem. Und sie lenkt die Aufmerksamkeit des überwiegend linguistisch Interessierten auf Eigenschaften literarischer Texte, die ihm zuvor möglicherweise entgangen waren. Wenden wir uns nun noch einmal der bereits kurz erwähnten Problematik des Reims zu: 3.1.3 Semantischer Reim Souvent pour s’amuser, les hommes d’équipage Prennent des albatros, vastes oiseaux des mers, Qui suivent, indolents compagnons de voyage, Le navire glissant sur les gouffres amers. (Baudelaire: L’Albatros, 1. Strophe) Sovente, per trastullo, gli uomini d’equipaggio fan prigioniero un àlbatro, grande uccello dei mari, mentre segue, indolente compagno di viaggio, il vascello che scorre sovra i gúrguti amari. (Üb. Vincenzo Errante) Oft fangen die Matrosen zum Vergnügen Sich Albatrosse, welche mit den weiten Schwingen gelassen um die Schiffe fliegen, Die über bittere Meerestiefen gleiten. (Üb. Monika Fahrenbach-Wachendorff) Ein Vergleich der ersten Strophe von Baudelaires L’Albatros mit den beiden Übersetzungen zeigt, dass der italienische Übersetzer, aufgrund der engen Verwandtschaft von Ausgangs- und Zielsprache, keine Mühe hatte, die Reimwörter des Originals beizubehalten. Der deutschen Übersetzerin ist es zwar gelungen, wenigstens drei Reimwörter zu finden, die in den Originalversen unmittelbare semantische Entsprechungen haben (Vergnügen/ s’amuser; weit/ vaste; gleiten/ glissant), aber diese Wörter nehmen dort nicht die Reimposition ein. Ist denn so etwas wichtig? Gelegentlich schon, nämlich dann, wenn wir es mit „semantischen Reimen“ zu tun haben, bei denen die lautliche Korrespondenz mit der inhaltlichen korrespondiert. Es handelt sich also um eine Korrespondenz höheren Grades. Herz/ Schmerz bleibt ein Musterbeispiel für Kunstgriffe dieser Art, so abgeschmackt dieser Reim inzwischen auf uns wirken mag. Selbst der unbeholfenste italienische Verseschmied wird, je nachdem, ob er amore auf pudore oder aber auf sudore reimt, allein durch die Wahl des Reimworts dem Begriff der Liebe einen ganz spezifischen Aspekt verleihen. Für den sprachwissenschaftlich orientierten Übersetzungsforscher gilt es, in solchen Fällen, ganz unterschiedliche Teil- Jörn Albrecht 56 disziplinen miteinander zu kombinieren: die artikulatorische Phonetik, die klassische Phonologie, vor allem im Hinblick auf die „Auslastung“ (rendement fonctionnel) der Oppositionen und nicht zuletzt die lexikalische Semantik in ihren verschiedenen Ausprägungen. Vielleicht wird er dabei der scheinbar obsoleten Reimlyrik ganz neue Aspekte abgewinnen. 27 3.1.4 Strukturen der Grammatik und des Lexikons als „Sinnträger“ Übersetzungswissenschaftler der unterschiedlichsten Couleur pflegen uns unbedarfte Linguisten voller missionarischen Eifers darauf hinzuweisen, dass man keine Sprachen, sondern Texte übersetze. Dieser Erkenntnis können auch wir uns heute nicht ganz verschließen. Ich möchte dazu allerdings eine kleine Einschränkung machen. Sprachbewusste Autoren - und dazu gehören gelegentlich auch die Idole der Popkultur - haben die für Übersetzer unangenehme Eigenart, sprachliche Strukturen unmittelbar auf die Ebene des Texts zu projizieren. In diesen Fällen sind die Strukturen einer gegebenen Sprache eben mehr als Werkzeuge des Ausdrucks, sie werden zu Sinnträgern, zu Komponenten des zu vermittelnden Inhalts: Ich gebe nur zwei Beispiele, die ich bereits in einem anderen Argumentationszusammenhang verwendet habe: Imagine there’s no heaven It’s easy to try No hell below us, Above us only sky (John Lennon) Il me plut. Il plaisait. Er gefiel mir. Er gefiel überhaupt. Mi piacque. Piaceva. Me gustó. (El tío) gustaba. In beiden Fällen handelt es sich um „Sprachspiele“ in einem ganz präzisen Sinn: Die virtuellen Oppositionen auf der Ebene des Systems einer spezifischen Sprache treten als aktuelle Oppositionen auf der Ebene des Texts auf. Das wirkt sich natürlich auch auf die Übersetzung aus. Während man in ganz „gewöhnlichen“ englischen Texten heaven oder sky unterschiedslos mit Himmel wiedergeben kann, muss man beim Text von John Lennon notgedrungen zu im Deutschen üblicherweise unnötigen Spezifizierungen greifen. Vergleichbares gilt für die unmittelbare Kontrastierung zweier romanischer Tempora im Text. Der im historischen Perfekt behauptete Sachverhalt gilt für einen spezifischen Fall, der im Imperfekt ausgesagte gilt allgemein. Da im deutschen Präteritum die romanische Opposition aufgehoben ist, gibt es kein Mittel, mit dem man den Effekt unmittelbar nachahmen könnte. Mein eigener Übersetzungsvorschlag ist zwar inhaltlich einigermaßen annehmbar, es fehlt ihm jedoch die spielerische Eleganz der romanischen Formulierungen. Eine gründliche Auseinandersetzung mit Fakten dieser Art 27 Auch heute noch unentbehrlich zu diesem gesamten Komplex: Levý 1969. Wiedergeburt der Philologie aus dem Geiste der Übersetzung? 57 muss auch den nüchternsten linguistischen Übersetzungsforscher auf die Dauer für die Schönheiten mancher literarischer Texte empfänglich machen. Manchmal kann ein expliziter oder impliziter Übersetzungsvergleich dabei helfen, bestimmte Struktureigentümlichkeiten des Originals klarer herauszuarbeiten. Diese Art von close reading kann durch Parallellektüre von Übersetzung und Original gefördert werden. Voraussetzung dafür ist, dass man gewillt ist, Übersetzungen nicht als Surrogat des Originals, sondern ganz bewusst als Übersetzungen zu lesen: Und über uns im schönen Sommerhimmel, War eine Wolke, die ich lange sah. Sie war sehr weiß und ungeheuer oben, Und als ich aufsah, war sie nimmer da. (Bertolt Brecht: Erinnerung an die Marie A.) Il y avait là-haut un nuage Toute blancheur...(Maurice Regnaut) bianchissima nell’alto si perdeva (Vincenzo Errante) Je nach Ausrichtung und Temperament werden Linguisten unterschiedlich auf den Vers Sie war sehr weiß und ungeheurer oben reagieren. Der Schulgrammatiker wird ihn zumindest innerlich mit einem Asterisk versehen *Die Wolke war ungeheuer oben ist kein korrekter Satz. Der ikonoklastische Abweichungsstilistiker wird ihn begeistert begrüßen - je kühner die Abweichung desto literarischer der Text. Der linguistisch orientierte Übersetzungsforscher wird möglicherweise erst im Vergleich mit den beiden völlig missglückten Übersetzungen (keiner der beiden Übersetzer hat die Funktion des betreffenden Verses verstanden) zu einer angemessenen Bewertung des von Brecht angewedeten Verfahrens gelangen: Hier wird, wie schon von Quintilian empfohlen, ein Sprachfehler ganz bewusst zur Erzieung einer bestimmten Wirkung eingesetzt: aufkommende Rührseligkeit wird durch die kalkuliert unbeholfene Formulierung im Keim erstickt. 3.2 Die literaturwissenschaftlich orientierte Übersetzungsforschung Die literaturwissenschaftlich orientierte Übersetzungsforschung ist weitgehend unabhängig von ihrem sprachwissenschaftlichen Gegenstück, nicht nur aus den Einzelphilologien sondern vor allem aus der vergleichenden Literaturwissenschaft hervorgegangen. Ihre Ausrichtung ist vorwiegend historisch-deskriptiv; die wichtigsten Erkenntnisziele bestehen in der Erfassung, Beschreibung und Analyse von Übersetzungen, die im allgemeinen Literaturbetrieb eine Rolle gespielt haben und weiterhin spielen. Jörn Albrecht 58 3.2.1 Historisch-deskriptive Übersetzungsforschung Den Vertretern dieser Fachrichtung geht es vor allem darum, die Literaturbetrachtung aus ihrem verengten nationalen Blickwinkel heraus zu führen und den Einfluss der Übersetzungen auf das literarische Polysystem eines größeren sprachübergreifenden Kulturraums zu untersuchen. Eines der Hauptarbeitsgebiete der im Rahmen der vergleichenden Literaturwissenschaft entstandenen Übersetzungsforschung ist der Vergleich und die kritische Analyse von Übersetzungen, die die Rezeption eines Autors im Bereich der Zielsprache beeinflusst haben. Das Movens einer solchen Tätigkeit ist literaturtheoretischer und literaturgeschichtlicher Natur. Der solide arbeitende Kritiker - im etymologischen Sinn - wird dabei gar nicht umhin können, seine Aufmerksamkeit rein sprachlichen Erscheinungen zuzuwenden, sich sprachwissenschaftlicher Begriffe zur Analyse und Beschreibung seiner Befunde zu bedienen und die Ergebnisse seiner Arbeit in einer intersubjektiv wenn nicht im strengen Sinn verbindlichen so doch plausiblen Form vorzulegen. Im Übrigen wird er dabei zwangsläufig auf Fälle stoßen, in denen Übersetzungen nicht nur die Zielliteratur, sondern auch die Zielsprache beeinflusst haben. Das eröffnet ihm die Möglichkeit, einen wertvollen Beitrag zur Forschung im Bereich der Sprachgeschichte zu leisten. 3.2.2 Einige Fallbeispiele Ich kann hier nur ganz wenige Beispiele anführen. Das erste dokumentiert den Zusammenhang zwischen Übersetzungskritik und historischer Sprachwissenschaft: - Synonymendopplung (binôme synonymique) Im Mittelalter, in der Zeit der volgarizzamenti, wussten sich die romanischen Übersetzer anspruchsvoller lateinischer Texte oft nicht anders zu helfen, als „fehlende“ Wörter aus dem Lateinischen zu nehmen. Diese Entlehnungen wurden phonisch und graphisch oberflächlich an das System der Volkssprache angepasst. Um besser verstanden zu werden, fügten die Übersetzer ein bedeutungsähnliches volkstümliches Wort hinzu. Dieses aus der Not geborene Verfahren romanischer Übersetzer im Mittelalter (Synonymendoppelung: binôme synonymique) 28 verselbständigte sich schnell und wurde zum „Stilmittel“. Es erscheint nun auch - wie die folgenden Beispiele zeigen - in mittelhochdeutschen Texten und in Shakespeares Komödien - weitgehend losgelöst von den ursprünglichen Entstehungsbedingungen: agent et faiseur; puissance auditive ou puissance de oïr, vélocité et hastiveté (Oresmes) swaz man guoter decke und kuvertiure vant (Kudrunepos) 28 Vgl. u.a. Buridant 1983, 134; Albrecht 1995, 21; Albrecht 1998, 160. Wiedergeburt der Philologie aus dem Geiste der Übersetzung? 59 Therefor you clown, abandon, - which is in the vulgar leave, - the society, - which in the boorish is company, - of this female - which in the common is woman; which together is, abandon the society of this female... (Shakespeare, As You like it, V,1) Von einer gründlichen Bestandsaufnahme von Fällen dieser Art führt ein direkter Weg zur Phraseologie. Es ist erstaunlich, wie viele Spuren die Tätigkeit der frühen Übersetzer in der Phraseologie der europäischen Sprachen hinterlassen haben. 29 - Interlingualer anaphorischer Verweis Das folgende Beispiel stammt aus dem der Stadt Heidelberg gewidmeten Kapitel von Victor Hugos Reisebericht Voyage du Rhin. Die ausgewählte Stelle enthält ein italienisches Zitat, das für das Verständnis des französischen Textes von Bedeutung ist: Et le soir, rentré dans ma chambre d’auberge, comme votre ami Benvenuto Cellini, j’écris sur des feuilles, qui s’en iront je ne sais où, mes aventures de la journée. Questa mia vita travagliata io scrivo. Seulement les travaux de Benvenuto, c’étaient des coups d’épée ou de stylet, des évasions du château Saint-Ange, … Und abends, wenn ich wie Benvenuto Cellini in mein Gasthauszimmer zurückgekehrt bin, schreibe ich auf Briefbogen, die wer weiß wo landen werden, meine Abenteuer des vergangenen Tages nieder. Questa mia vita travagliata io scrivo. Allein, Benvenutos Werke waren Schwertstreiche oder Stilettstiche, Fluchten aus dem Schloß Sant’Angelo. (Hugo 2002: 70/ 71) Nur durch den Verweis auf das italienische Zitat (vita travagliata „mühevolles, leidvolles Leben“) wird dem gebildeten Leser klar, dass Victor Hugo französisch travail hier in der heute nur noch marginalen Bedeutung „Mühe, Leid“ gebraucht. 30 In meiner eigenen Überarbeitung der Übersetzung für eine zweisprachige Ausgabe habe ich die „Werke“ der ursprünglichen Übersetzung durch „Leiden“ ersetzt. Bei Textstellen dieser Art wird der literaturwissenschaftlich orientierte Übersetzungsforscher nicht umhin können, auf die in seinem möglicherweise weit zurückliegenden Studium erworbenen Kenntnisse in romanischer Sprachwissenschaft zurückzugreifen. 29 Vgl. u.a. Albrecht 1998, 158ff. 30 Vgl. une femme en travail „eine Frau in den Wehen“. Jörn Albrecht 60 - Anredeverhalten in der klassischen französischen Tragödie Et sur quoi jugez-vous que j’en perds la mémoire, Prince? Aurais-je perdu tout le soin de ma gloire? [...] Ah! Cruel tu m’as trop entendue Je t’en ai dit assez pour te tirer d’erreur (Racine Phèdre 665ff) Wie kannst du sagen, daß ich das vergaß? [...] Grausamer, du verstandst mich nur zu gut (Schiller 1805) Was läßt Euch glauben Prinz, ich wüßte es nicht mehr? [...] Grausamer, du hast mich nur zu gut verstanden (Werle 1986) 31 E su che giudicate che ne perdo memoria? [...] Ah! Crudele, m’hai capita benissimo. (Ungaretti) Diese im klassischen französischen Theater gebräuchliche Technik, plötzlich ausbrechende Leidenschaft mit ganz einfachen sprachlichen Mitteln, dem plötzlichen Übergang vom vous zum tu, auszudrücken (hier im Fall von Racines berühmtester Tragödie Phèdre), bleibt dem Übersetzer verschlossen, wenn er sich wie Schiller dazu entschließt, grundsätzlich nur die Form der Vertraulichkeit zu benutzen. In der Übersetzung Ungarettis und in der Simon Werles wird der abrupte Wechsel der Anredeform nachgebildet. Der literaturwissenschaftlich orientierte Übersetzungsforscher, der die Entstehungsbedingungen und die Wirkung einer solchen übersetzerischen Entscheidung rekonstruieren will, muss sich über die Geschichte der Anredeformen sowohl der Zielals auch der Ausgangssprache informieren. - Erarbeitung einer bestimmten Form der Redewiedergabe, der „erlebten Rede“ (style indirect libre) im Deutschen: Mme Putois ayant demandé de l'eau, le zingueur indigné venait d'enlever luimême les carafes. Est-ce que les honnêtes gens buvaient de l'eau? Elle voulait donc avoir des grenouilles dans l'estomac. (Zola: L’Assommoir) Ob rechtschaffene Leute Wasser tränken? Ob sie Frösche im Magen haben wollte? Trinken denn anständige Leute überhaupt Wasser? Sie sehne sich wohl nach Fröschen im Magen? „Trinken denn ehrliche Leute Wasser? “ fragte er. Sie wollte wohl Frösche in den Magen bekommen? „Trinken anständige Leute etwa Wasser? “ fragte er. Sie wolle wohl Frösche in den Magen kriegen? 31 Vgl. Albrecht 2002. Wiedergeburt der Philologie aus dem Geiste der Übersetzung? 61 Tranken anständige Leute denn Wasser? Sie wollte wohl Frösche in den Magen bekommen? Zwar wird die Technik der „erlebten Rede“ heute selbst von Verfassern von Trivialliteratur souverän beherrscht. Dennoch ist diese Form der Rededarstellung im Deutschen weiterhin weniger populär als im Französischen, aus dem einfachen Grund, weil es im Deutschen, im Gegensatz zum Französischen, die Möglichkeit gibt, die indirekte Rede ohne einführende Konjunktion allein durch die Verwendung des Konjunktiv I zu kennzeichnen. Die deutschen Zola-Übersetzer stehen dem in seinen Werken häufig auftretenden Phänomen anfangs ziemlich ratlos gegenüber. Es bilden sich erst langsam Standardformen zur Wiedergabe von „erlebter Rede“ heraus. An der Entstehung der Formen der Redewiedergabe, die von Textlinguisten untersucht und in Grammatiken ausführlich beschrieben werden, haben die tastenden Bemühungen der literarischen Übersetzer einen nicht zu unterschätzenden Anteil. 32 4 Ausblick Ich hoffe, gezeigt zu haben, dass die Übersetzungsforschung ein Gebiet darstellt, auf dem Sprach-, Literatur- und neuerdings auch Kulturwissenschaftler, die sich außerhalb von Fakultätsratssitzungen nur wenig zu sagen haben, wieder ins Gespräch kommen könnten. Der Weg von der sprachwissenschaftlich orientierten Übersetzungswissenschaft zur Literatur und zur Literaturwissenschaft lässt sich auch in umgekehrter Richtung gehen. Ob sich diese in meinen Augen wünschenswerte Wiederannäherung auch im praktischen Lehrbetrieb im Rahmen des Bologna-Modells wird durchführen lassen, bleibt abzuwarten. Ein solcher Prozess der „Wiedervereinigung“ ist nur unter zwei Voraussetzungen möglich, die bisher nur in bescheidenem Maß gegeben sind: 1.) In den Philologien müsste dem Phänomen „Übersetzung“ über den praktischen Nutzwert im Prüfungsbetrieb hinaus auch in theoretischer Hinsicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. 2.) In den Ausbildungsstätten für Übersetzer und Dolmetscher müsste die literarische Übersetzung einen, wenn auch bescheidenen, so doch festen Platz erhalten. Derzeit gilt sie dort eher als ein vice inavouable, dem sich nur einige psychisch Labile mit abseitigen Veranlagungen hingeben. Beim mündlichen Vortrag einer provisorischen Fassung des vorliegenden Beitrags wurde von literaturwissenschaftlicher Seite die Meinung vertreten, eine wie immer geartete „Wiedervereinigung“ der Philologie sei im Zeitalter wachsender Spezialisierung nicht wünschenswert, möglicherweise sogar schädlich. Dieser Ansicht möchte ich hier entschieden widersprechen - nicht so sehr aus Nostalgie als vielmehr aus wissenschaftspraktischen 32 Ein reiches Beispielmaterial hierzu findet sich bei Zuschlag 2002, passim. Jörn Albrecht 62 Gründen. Die Frage: „Brauchen wir die eigentlich? “ wird heute von den Angehörigen der Ministerialbürokratie nicht einmal mehr hinter vorgehaltener Hand geäußert. Gemeint sind wir alle. Unsere Fächer werden ohnehin nur in stark reduzierter Form überleben. Ihre Durchsetzungskraft wird nicht zuletzt davon abhängen, ob wir willens und fähig sind, Forschungsergebnisse vorzulegen, die auch außerhalb eines winzigen Kreises von Spezialisten wahrgenommen werden und auf Interesse stoßen. Die gute alte Philologie - in zeitgemäßer Form - scheint mir dafür immer noch die besten Voraussetzungen zu bieten. Hohe Spezialisierung wird am ehesten in einer stark anwendungsorientierten Formallinguistik öffentlich nicht nur geduldet, sondern sogar verstärkt gefördert werden. Die Integration dieser Disziplin in den Lehr- und Forschungsbetrieb der neueren und erneuerten Philologien ist und bleibt problematisch. Es gibt keine gemeinsame wissenschaftstheoretische Basis. Die Formallinguistik betrachtet die Sprache ausschließlich als „Naturgegenstand“ nicht als „Kulturgegenstand“, als Teil des mondo naturale, nicht des mondo civile im Sinne Giambattista Vicos. Das ist eine zur Verfolgung gewisser Ziele durchaus legitime reductive fallacy, eine aus methodischen Gründen vorgenommene Verkürzung des Untersuchungsgegenstandes; meine Bemerkung sollte also nicht im abschätzigen Sinn missverstanden werden. In absehbarer Zeit ist allenfalls vorstellbar, dass die Philologien als Ganzes, einschließlich der Übersetzungsforschung, der „Human Translation Theory“ als Hilfswissenschaft der Forschung zur automatischen Übersetzung fungieren könnten. 33 33 Albrecht 1997. Wiedergeburt der Philologie aus dem Geiste der Übersetzung? 63 5 Literatur Albrecht, Jörn (1987)„Wissenschaftstheoretischer Status und praktischer Nutzen der Übersetzungswissenschaft“, in: R. Ehnert/ W. Schleyer (Hgg.): Übersetzen im Fremdsprachenunterricht. 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Son dos frases de Alonso de Madrigal, el Tostado, llevan fecha de 1450, y no dejan de ser sorprendentes por la seguridad con que en aquel momento se pronunciaron, porque pocos son en el medievo terminal los autores y traductores hispanos (sobre todo estos últimos) que no se lamentan del escaso valor de la expresión romance frente a la condición del original latino, y de la pobreza, rudeza y cortedad de la lengua vulgar frente a la riqueza y fermosura del latín. Tal era el tópico y la queja común, y no sólo por lo que respecta al castellano. Ya un siglo antes, en 1367, Jacme Conesa escribía en catalán que “veraiment lo romanz de aqueles [istories Troyanes], en esguart del lati, lo qual es molt aptament posat, es axi com plom enuers ffin aur“ (Santoyo 1987: 23): como plomo en comparación con el oro fino. Bien adentrado ya el siguiente siglo XV, ca. 1428, Enrique de Villena aseguraba en la dedicatoria a su traducción castellana de la Eneida que en "la vulgar lengua..., por mengua de vocablos no se puede tan propiamente significar los concebimientos mentales según en la lengua latina se puede hacer“. Años después, ca. 1442, Juan de Mena se quejaba de “el rudo y desierto romance” en la dedicatoria a Juan II de su Omero romançado. En 1450 el propio Alonso de Madrigal creía que “muchas más cosas y concibimientos se pueden significar por la lengua latina que por la vulgar". Poco más tarde, en 1457, Alfonso de Palencia se lamentaba en el prólogo a la Batalla campal de los perros contra los lobos de haber tenido que traducir su obra a “nuestro corto hablar”, a “nuestro corto vulgar”. Igualmente Nebrija, en el prólogo a sus Introducciones latinas (1486): “Por ser nuestra lengua tan pobre de palabras que por ventura no podría representar todo lo que contiene el artificio del latín”. E igualmente Pedro Ximénez de Préxano, en El lucero de la vida cristiana (1493): “… El defecto de nuestra lengua castellana, en la cual por su imperfección no podemos bien declarar las cosas altas e sotiles, nin sus propiedades, assy como en la lengua latina, que es perfectísima”. Quejas y lamentaciones que, como se ve, varían muy poco a lo largo y ancho de todo un siglo, y que han sido cien veces citadas y cien veces Julio César Santoyo 66 comentadas por los historiadores de la lengua; pero que no dejan de encerrar una notable paradoja, y un notable contraste entre el dicho y el hecho. No dudo que las quejas tuvieran motivos, o que así lo sintieran en la época quienes en particular trataban de expresar “concebimientos mentales” o “cosas altas e sotiles”; pero generalizarlas a todas las parcelas del idioma sería un craso error. “Nuestro corto hablar” y “nuestro corto vulgar” no eran expresiones precisamente muy atinadas cuando se trataba de cetrería, de albeitería, del curtido de las pieles o de las faena de la trilla; el carpintero de ribera, el cillero del monasterio, el mercader de paños o el herrero en ningún momento sintieron corto su vulgar para habérselas con el respectivo oficio o menester. Como tampoco parecen haberlo sentido quienes en ese siglo XV trataron de la traducción. En la limitada parcela del metalenguaje traductor, tal no parece haber sido el caso. Muy al contrario, uno no puede menos de ponderar hoy la riqueza, finura y amplitud que tal metalenguaje adquirió a lo largo de aquel siglo, como tampoco puede uno dejar de ponderar (y eso es lo más notable) que se hiciera con los propios medios con que ya contaba el idioma. No fue, desde luego, una casualidad, sino una necesidad, que así ocurriera: la necesidad que tuvieron los intelectuales de la época de contar con un instrumento descriptivo idóneo para tratar de la traducción como objeto de reflexión y estudio; un instrumento que era producto de esa misma reflexión, y que a lo largo de ese siglo se elaboró y depuró intralingüísticamente, hasta acabar generando todo un metalenguaje propio, bien capaz de copar con el tema traductor. Fue, sin duda, una actividad pre-filológica y pre-científica, pero claro testimonio también de la capacidad de un idioma para cubrir con creces, con los medios aparentemente escasos del momento, las necesidades expresivas de unos concebimientos ciertamente novedosos, sobre todo si los comparamos con los que hasta entonces había habido en la Península Ibérica. Desde luego, el pre-renacimiento que vivía aquellos años la Península no ofrecía a nuestros humanistas muchos medios filológicos, ni siquiera elementales. Incluso las primeras compilaciones léxicas tardaron demasiado en llegar: de 1490 es el Universal vocabulario en latín y en romance, de Alfonso de Palencia, y de 1495 el Diccionario latino-español de Nebrija; la primera Gramática de la lengua castellana, también de Nebrija, es de 1492. Pero el siglo XV fue en la Península el ‘siglo de oro’ de la traducción a las lenguas vernáculas. No sólo se tradujo con sorprendente abundancia desde el latín, francés, italiano, árabe y hebreo, y entre sí de unas lenguas peninsulares a otras, con un dilatado catálogo de más de mil títulos, sino que, más importante aún, se escribió profusamente en latín, castellano y catalán, sobre el propio quehacer traductor. Baste recordar la polémica epistolar que sobre la traducción mantuvieron a lo largo de varios años Alonso de Cartagena y Leonardo Bruni; o el detalladísimo prólogo de Arragel de Guadalajara a su traducción del Antiguo Testamento; o las muchas páginas que el Tostado dedica a sus reflexiones traductológicas; o el prólogo, De nuevo sobre el Tostado: La creación de un metalenguaje traductor 67 proemio, glosas y declaraciones que Enrique de Villena antepone a su versión de la Eneida. Para tales consideraciones, para tales reflexiones los traductores del siglo XV, sobre todo ellos, fueron elaborando un metalenguaje propio, con terminología que con frecuencia ellos mismos se ocuparon de precisar y definir. Como toda terminología inicial, no deja de estar escasamente formalizada, ni deja de ser un tanto tentativa, un tanto vacilante, aunque considerablemente variada en esa misma vacilación. El tiempo de mi intervención tan sólo me permite ofrecer hoy en detalle un único ejemplo, bien es cierto que harto representativo: el de Alonso Fernández del Madrigal, el Tostado, que en mi opinión ha sido hasta mediados del siglo XX quien mejor y más extensamente ha reflexionado en España sobre la traducción, y a pesar de ello también el más olvidado. Nacido en Madrigal de las Altas Torres, fue sacerdote, consejero real y profesor muchos años en la Universidad de Salamanca hasta el año 1454, en que fue nombrado obispo de Avila. Falleció al año siguiente, 1455, “con fama del más sabio omme que en sus tiempos ouo en la Iglesia de Dios“. En 1448 el marqués de Santillana pidió al Tostado que tradujera al castellano las Crónicas de Eusebio de Cesarea, una obra escrita en griego, cuyo original se ha perdido y que sólo sobrevive en la traducción latina que a finales del siglo IV hizo Eusebio Jerónimo, traducción que va precedida por una breve carta-prólogo en la que, casi de pasada, dedica cincuenta líneas a los problemas generales de la traducción. Aceptó el encargo el Tostado, terminó su traducción en un año, y al siguiente, en 1450, comenzó a redactar, también en castellano, unos extensísimos comentarios a estas Crónicas, tan extensos que cuando en 1506 y 1507 se imprimieron con el título de Sobre el Eusebio ocuparon cinco gruesos volúmenes en folio, dos columnas por página. En ese proceso, las cincuenta líneas de Eusebio Jerónimo se convirtieron en la pluma del Tostado nada menos que en catorce capítulos y más de 43 folios a doble columna de comentarios, explicaciones y exposiciones de su propio pensamiento sobre la traducción que, sin llegar a constituir una teoría, sí representan en cambio la más notable reflexión traductora de todo el siglo XV peninsular. Y todo ello con un metalenguaje de variado espectro, bien capaz de significarlo todo en el vulgar, rico incluso en sinónimos, que al menos en esta parcela no resulta ni corto, ni rudo, ni pobre de palabras, ni mucho menos desierto; un metalenguaje de estirpe y cuño propio; tan propio que a él todavía no se habían incorporado los neologismos (traduzir, traduçion, traduçidor, etc.) derivados de las innovaciones léxicas acuñadas por el humanista italiano Leonardo Bruni a partir de 1400 y que, por aquellos mismos años, mediada l a centuria, habían comenzado ya a ser tentativamente utilizadas, entre otros, por Juan de Mena, Pedro González de Mendoza y Pedro Díaz de Toledo. Aunque el paisaje metalingüístico sea siempre árido, permítanme recorrer brevemente sus senderos. [Los números entre paréntesis indican el Julio César Santoyo 68 folio, y el recto o verso, en que consta la cita del Tostado, edición príncipe de Sobre el Eusebio, Salamanca: Hans Gysser, 1506, vol I.] El actor o agente del trasvase interlingüístico cuenta en los textos del Tostado con las denominaciones sinónimas de trasladador (“el trasladador ha de seguir la lengua de que traslada”, XXIIIv); interpretador (“el interpretador ha de seguir la condicion de la lengua original porque paresca traslado & no cosa agena”, XIXr); interprete (“no guardaron los interpretes en la traslacion de las dichas scripturas toda la semejanza al original”, XVv); y trasladante (“en ellos [los errores] caen… los solos ygnorantes cuyo oficio no era trasladar mas de los trasladantes aprehender” (XIIv). El trasvase interlingüístico se plasma nada menos que en seis formas verbales sinónimas, que el autor utiliza de modo indistinto: trasladar de/ en, interpretar de/ en, mudar de/ en, sacar de/ a, tornar de/ en, y volver en: “No puede alguno verdadero trasladar lo que complidamente no entendiere” (XXVIr); “Los famosos varones en letras latinas interpretauan muchos libros griegos” (VIr); “Del interpretador es mudar la sentencia verdadera & complida de vn lenguaje en otro” (XIVv); “La mejor & mas noble manera de interpretar no es sacar palabra de palabra mas seso de seso” (XIIIIv); “Platon era griego & sus libros en griego scriuio & Tulio tornolos en latina lengua” (IXv); “Los esclarecidos varones se trabajaron no solo prosa griega en latin boluer, mas aun verso griego en verso latino” (IXr). La lengua de la que se traduce recibe indistintamente los nombres de lengua, lenguaje o fabla original, o lenguaje principal: “llamase lengua original aquella de que trasladamos” (XIv); “en el lenguaje original bien sonaba mas en la interpretacion mal suena” (XIIIIr). El texto de partida es la (e)scriptura original, o simplemente el original: “fazese mas largo el traslado que el original” / “La interpretacion ha de seguir la original scriptura” (XIIIr). A su vez, por oposición al latín, griego o hebreo, la lengua de llegada o lengua meta es la lengua vulgar o, más brevemente, el vulgar, también denominada en ocasiones lengua natural: “Mas ligero paresce al hombre trasladar en vulgar que en latin. lo primero porque cada vno mas sabe de su vulgar. lo segundo porque en el vulgar falla cada vno mas vocablos e con minor trabajo que en latin” (XXIIIIv); “paresce mas ligero ser a cada hombre fablar escriuir & trasladar en su lengua natural que en otro cualquier” (XXIIIIv). Cuando el Tostado alude al texto meta se refierre a él, aunque raras veces, como lo trasladado (“estos no fueron interpretes porque no trasladaron mas emendaron lo trasladado”, XVIIIv); como el testo interpretado (“cuando ponemos tres o muchas palabras por vna paresce ser glosa o declaracion & no testo interpretado”, XIIr); o como la (e)scriptura interpretada (“avnque mas larga o mas breue sea la scriptura interpretada que la original no es por esso vicio noble” (IXr). Lo más frecuente, sin embargo, es que utilice indistintamente tres términos sinónimos: traslado (“fazese mas largo el traslado que el original”, XIv); traslacion, con De nuevo sobre el Tostado: La creación de un metalenguaje traductor 69 frecuencia junto a una amplia variedad de calificativos: buena, verdadera, complida, bien sonante, fermosa, apuesta, fea, falsa, discordante, torpe, malsonante, etc. (“esta es la razon porque muchas traslaciones fechas de latin en vulgar castellano valen poco”, VIIr); e interpretacion, también acompañada de distintos calificativos: fea, fiel, torpe, mal sonante, fallecida, superflua, complida, apuesta, conveniente, excelente, entera, fermosa, bien sonante, prosayca (“avnque Hieronimo ouo loor grande por sus obras que el fizo como auctor mucho mayor ouo en las interpretaciones que fizo”, VIr). Es de notar que, al igual que ocurre hoy en día con el término traducción, que indica tanto el resultado textual como el proceso traductor, no hay la menor duda de que el Tostado distinguía claramente entre uno y otro; mientras del primer caso, ya lo hemos visto, abundan los ejemplos, tampoco escasean los de la traducción como proceso, con tres distintas denominaciones: traslacion, trasladacion e interpretacion: “en esto consiste la interpretacion: tornar de un lenguaje en otro” (XIr); “por esto auiene grande dificultad en la traslacion queriendo el interpretador seguir la condicion del lenguaje original”, XIIv); “Theodocion… touo otra manera de trasladacion que Achila & Simacho” (XVIIr). Los modos, técnicas o estrategias de traducción quedan bien diferenciados en la reflexión de Madrigal: está en primer lugar la traducción que denomina palabra a palabra, palabra por palabra, palabra de palabra, o de palabra a palabra, entendida - punto interesante - no como traducción ‘a la letra’, sino como aquella en la que nada se quita del original, nada se añade, nada se modifica (“es trasladar de palabra a palabra quando trasladando no se añade ni quita palabra o muda la orden de la escriptura”, IXv). En segundo lugar, está la traducción mediante lo que nuestro autor denomina de cinco maneras distintas: circunloquio, circunlocución, perífrasis, rodeo o supleción, técnica necesaria cuando el traductor no halla en la lengua meta términos directamente equivalentes a los del original y acaba “poniendo muchos vocablos en lugar de vno para vna cosa significar”, XIv. En tercer lugar, está la glosa, comento o declaración, que vierte el texto original de modo libre y explicativo (”cuando ponemos tres o muchas palabras por vna paresce ser glosa o declaracion & no testo interpretado”, XIIr; “glosa llamamos quando vna cosa declaramos por mas luengas palabras & otramente dichas”, XIIr). Madrigal distingue claramente entre tres importantes conceptos traductológicos: el de dureza, el de defecto y el de error. Las durezas, dificultades o estoruos (que de las tres maneras las denomina) conforman la resistencia que el original ofrece a ser traducido en términos de equivalencia, lo que causa que “los interpretes no puedan fazer toda la fermosura en la traslaci on que era en el original” (XIr); son peculiaridades del texto fuente, lingüísticas o culturales, y de ellas “los interpretes no pueden fuyr” (XIr). Los errores, en los que no caen “los letrados, mas los solos ignorantes, cuyo oficio no era trasladar, sino de los trasladantes aprender”, los clasifica el Tostado en dos tipos, que le resultan siempre graves, siempre intolerables: Julio César Santoyo 70 la inequivalencia, que Madrigal denomina falsedad, que hace decir al texto traducido lo que nunca dijo el original; y las supresiones de cualquier segmento textual, y ello - dice - porque “si se quitasen algunas palabras en la traslación, como aquellas algo significasen en la original escritura, faltaría algo de la sentencia en la traslación e no habria cumplimiento”. Frente a los errores intolerables, los defectos le resultan “tolerables, porque se hacen con causa razonable”, y son de nuevo dos: “no guardar tanta hermosura en la traslacion como en el original” y “poner muchos vocablos por uno” (XIIr); ello hace que las traducciones, aun respondiendo íntegramente a los contenidos del original, no sean “de tanta apostura… como era en el lenguaje en que fue primera mente escrito”. Dos conceptos importantes, y muy relacionados, impregan el discurso traductor del entonces profesor de Salamanca, preocupado siempre por la calidad del texto meta: éste de apostura y el de estilo. El (e)stilo, tanto del original como de la traducción, es su carácter, condición y apariencia formal, que inevitablemente varían de texto a texto, por lo que con frecuencia el Tostado completa el término con una amplia gama de calificativos: estilo baxo, alto, fermoso, feo, suaue, aspero, mejor, menos sonante, poetico, apuesto, etc.: “Las escripturas que en hebrayco estan no tienen feo stilo segun la condicion de aquella lengua mas son hermosas” (XIXv) / “Esto fazen los solos entendidos que saben que cosa es baxo o alto suaue o aspero stilo” (XXv). El estilo fermoso lo forman las figuras, que “ensalçan la fabla & lo pequeño fazen parescer muy grande”, los colores de eloquencia y los apostamientos de fabla (XIXr). Un estilo así ofrece la apostura, o fermosura, que siempre ha de procurar el traductor, aunque no siempre esté en su mano lograrlo, porque también depende de la apostura que presente el propio original; como observa el Tostado, “en la escriptura poco apuesta poco de apostura perder se puede” (XXIIIIv). Añádase además a todos estos conceptos, aquí recogidos en breve, toda una amplia serie de términos y expresiones que el tiempo no me permite detallar, como el de condicion de la lengua (“los interpretadores... han de seguir la condicion de la lengua de la qual trasladan”, XXIIIIv); sentencia y seso (del latín sensum), equivalentes ambas a lo que hoy denominamos sentido y significado: “Simacho no seguio la letra mas la sentencia” (XVIIv); “la mejor & mas noble manera de interpretar no es sacar palabra de palabra mas seso de seso” (XIIIIv); semejança y desemejança, emienda y emiendacion, que ambas equivalen a revisión y/ o corrección del texto traducido, diuersidad, mudamiento, mal son y mala sonancia; etc. Y formas verbales como declarar, emendar, concordar (“no puede concordar el traslado con el original”, XIIIv), significar (“avnque todo lo que se significa en el latin se significa en el vulgar en este caso no se significa por vna manera”, XIIIIr), etc. Sobre la urdimbre de este caudal ter minológico tejió Alonso de Madrigal, mediado el siglo XV, sus comentarios y reflexiones sobre la traducción, desgranándolas y elucidándolas, como ya he mencionado, a lo largo de más de De nuevo sobre el Tostado: La creación de un metalenguaje traductor 71 cuarenta folios, dos columnas por folio, en la apretada letra gótica de la edición póstuma de Sobre el Eusebio ( 1506). Pero no agota el Tostado el metalenguaje traductor de la época. Por razones de espacio y brevedad, me he limitado a ofrecer una selección de su terminología, creo que suficientemente indicativa; son muchos más, no obstante, los términos y expresiones que registra la lengua de aquellos años y que no constan en sus páginas, pero de los que sí hacen uso otros autores y traductores contemporáneos cuando se acercan a la traducción como objeto de observación. Muy frecuentes eran, por ejemplo, vulgarizar y romanzar (Enrique de Villena y Alfonso de Palencia), y sus derivados vulgarizacion y romanzador; expresiones equivalentes resultan las que ofrece Enrique de Villena: reducir en la materna lengua castellana, sacar de la lengua latina a la vulgar y traspasar al romance: o bien Alonso de Cartagena: pasar de latín en nuestra lengua, poner en nuestro lenguaje, o trasponer en llano lenguaje. Siete años después del Tostado, en 1457, Alfonso de Palencia habla en el prólogo a la versión castellana de la Batalla campal de los perros contra los lobos de convertir de latín a nuestro hablar y de traspasar de lengua limada latina a nuestro vulgar. El proceso traductor se desenvolvía entre verbos y expresiones verbales de terminología considerablemente compleja: Pedro de Toledo, Enrique de Villena, Moisés Arragel y Alonso de Cartagena, entre otros, hablan de: faltas, menguas y yerros, de añadir, acortar o menguar el texto, de hacer de dos vocablos uno o de un vocablo dos, de mudar la propiedad de las palabras, de seguir del todo la letra, de guardar cuanto guardar se puede la intención, de guardar la orden de palabras… Tal era el metalenguaje traductor habitual a mediados del siglo XV: todo un canon terminológico filológicamente activo en esta parcela de la actividad intelectual. Cabe subrayar por su importancia, como dije al principio, que todo ello ocurría antes incluso de que el neologismo creado por Leonardo Bruni, traducere, y sus derivados, traductio, traductor, etc., se asentaran definitivamente en castellano o en catalán. Notker Labeo, monje en el monasterio de St. Gallen, parece haber sido el primero en hacer uso del verbo traducere en el actual sentido de traducir, en una carta al obispo Hugo von Sitten, fechada ca. 1015: “... rogatus et metrice quaedam scripta in hanc eandem linguam traducere, catonem scilicet et bucolica uirgilii et andriam terentii...“ [= se me pidió que también tradujera a nuestra lengua algunos textos en verso, a saber, a Catón, las Bucólicas de Virgilio y el Andrias de Terencio...“] Con todo, el de Notker parece también haber sido un ejemplo aislado porque el neologismo semántico sólo se popul arizó de la mano de Leonardo Bruni a partir del año 1400. “Il primo esempio di traducere nel nuevo significato tecnico - ha escrito Gianfranco Folena - è in una lettera del Bruni del 5 settembre 1400, dove accanto al verbo compare già el 'nomen actionis', traductio“. Cuatro años después, en 1404, Bruni hace uso de la expresión “e Greco... traductam“ en el prefacio a su versión latina de la Vida de Marco Antonio, de Julio César Santoyo 72 Plutarco. Prueba de la rápida aceptación del término en Italia es que un crítico de Bruni, Domenico da Prato, ya utiliza en 1420, en italiano, las voces tradurre, traduzione y traduttore. Los neologismos de Leonardo Bruni llegaron a la Península de la mano de Juan de Mena, que no en vano pasó más de año y medio en Roma y Florencia desde comienzos de 1442 hasta agosto de 1443. En Florencia escribió Mena el 'prohemio'-dedicatoria a Juan II de su Omero romançado, donde dos veces hace uso del verbo traduzir y en una ocasión del sustantivo tradución. Valga recordar que en Florencia vivía todavía entonces Leonardo Bruni, que falleció un año más tarde, el 9 de marzo de 1444. A partir de Juan de Mena y de la entrada de los escritos de Bruni en España, la nueva terminología va calando muy poco a poco en los autores castellanos, conviviendo siempre con la hasta entonces tradicional. El marqués de Santillana, en carta a su hijo Pedro González de Mendoza “quando estava estudiando en Salamanca”, es decir ca. 1446, ya utiliza el sustantivo traducidor y la forma verbal traduxeron. Habida cuenta de que Santillana fue mecenas de Juan de Mena, la fuente de sus dos neologismos no puede ser más segura. Dos años más tarde, ese mismo Pedro González de Mendoza vuelve a hacer uso del verbo traducir en su prólogo a la versión de la Ilíada. Y en torno a 1455 Pedro Díaz de Toledo, también colaborador del marqués, utiliza varias veces traducción y las formas verbales traducir y traduxo en el prólogo a su versión castellana del Axiocus seudo-platónico. Por las mismas fechas que el Tostado, 1450, Ferrán Valentí escribe el prólogo a la traducción catalana de las Paradoxes de Cicerón. No conoce aún el neologismo de Bruni. Valentí sigue usando con preferencia el término tradicional transferir, en menos ocasiones transportar: posar e transferir de una lengua en altra / transferir de grech en latí / en lengua latina transportar / posada e transferida aquesta petita obreta de latín en vulgar materno / transferir de mot per no mudar sentencia. Lo cierto es que, más tardío que en castellano, en catalán el verbo traduir no consta hasta el año 1472, en el prólogo a la traducción que Francesc Alegre hizo de los Comentaria tria de primo bello punico, también de Leonardo Bruni, aunque no desde su texto latino sino desde la intermedia versión al toscano que de él hiciera Pier Candido Decembri. Más tardío aún es en catalán el uso de traduïdor y traductió, que no constan hasta 1494, en la versión que el mismo Francesc Alegre hizo de las Metamorfosis [Transformacions] de Ovidio (Colón Doménech 2001: 158-159). Convendría regresar al comienzo de mi intervención y recordar las palabras de Enrique de Villena cuando, bien adentrado ya el siglo XV, escribe en la dedicatoria a su traducción castellana de la Eneida que en “la vulgar lengua..., por mengua de vocablos no se puede tan propiamente significar los concebimientos mentales según en la lengua latina se puede hacer“. Lo cierto es que los “concebimientos mentales” del ámbito traductor no parece que en castellano sufrieran ninguna “mengua de vocablos”, ni que la lengua vulgar fuera “tan pobre de palabras” como Nebrija aseguraba todavía a finales de De nuevo sobre el Tostado: La creación de un metalenguaje traductor 73 siglo; bien al contrario: la terminología romance parece haber sido en esta parcela mucho más abundante que la del propio latín, a juzgar por la variedad léxica y el constante uso de términos sinónimos. Una muestra bien clara la hallamos en la dedicatoria que Alfonso de Palencia antepuso a su autotraducción latín-castellano de la Batalla campal de los perros contra los lobos (1457), en la que el autor-traductor dispone libremente, con toda soltura y naturalidad, y en un brevísimo espacio, de cinco sinónimos: romanzar, volver (a la lengua vulgar), trasladar (de una lengua a otra), traspasar y convertir (de latín a nuestro hablar): Mostraste deseo... - le escribe a Alonso de Herrera - que volviese a la lengua vulgar lo que en latín yo compuse sobre la guerra y batalla campal que los perros contra los lobos hubieron. Y como quiera que mucho se me haga grave el romanzar sabiendo las faltas que así en el son de las cláusulas como en la verdadera significación de muchos vocablos que de necesario vienen en las traslaciones de una lengua a otra, mayormente en lo que de latín a nuestro corto hablar se convierte..., [por] los muchos denuestos que incurren aquellos que luego se atreven a traspasar de lengua limada latina a nuestro corto vulgar muchas escrituras que no pueden ser trasladadas por alguno, aunque mucho enseñado sea... Es esta una riqueza sinonímica mayor incluso que la que hoy conservamos: busco en el mejor de los diccionarios de sinónimos los equivalentes actuales de traducir y únicamente hallo tres: interpretar, verter y trasladar; pero el primero de ellos ha quedado especializado en la traducción oral o interpretación, por lo que tan sólo nos queda verter y trasladar; romanzar se nos antoja por demás obsoleto; volver y convertir podrían seguir utilizándose, pero a riesgo de arriesgar en exceso la naturalidad expresiva del castellano de hoy. Con ello dejo apenas entreabierta la puerta de un tema que, en lo que se me alcanza, está aún por estudiar en detalle; pero una puerta que sin duda acabarán abriendo de par en par posteriores estudios de mayor finura y enjundia de lo que hoy el tiempo y la ocasión me han permitido mostrarles. Julio César Santoyo 74 Referencias bibliográficas Colón Doménech, Germà. 2001. “Traduir y traducció en catalán, con una ojeada a los romances vecinos”. En: Tomás Martínez Romero & Roxana Recio (eds.), Essays on Medieval Translation in the Iberian Peninsula. Castellón: Universitat Jaume I, pp. 152-171. Folena, Gianfranco. 1973. “Volgarizzare e tradurre: Idea e terminologia della traduzione dal Medio Evo italiano e romanzo all’umanesimo europeo”. La traduzione: Saggi e studi, Trieste: Edizioni LINT, pp. 57-120. Santoyo, J. C. 1987. Teoría y crítica de la traducción: Antología, Bellaterra, Barcelona: Universitat Autónoma de Barcelona. Joaquín Parellada Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 1. Vindicación de las traducciones desde la perspectiva filológica Una cita del profesor Jozef IJsewijn, extraída de su artículo Vives and Humanistic Philology 1 nos recuerda que “la filología es, básicamente, el estudio de los textos y de su tradición, es decir, la búsqueda de manuscritos y de impresos, la cuidada colación y evaluación de estos documentos, la constitución crítica del texto o de los distintos estratos del texto y, quizá también, su traducción a otras lenguas. A partir de este trabajo, el filólogo proporciona la base textual necesaria con la que otros especialistas cuentan para sus investigaciones lingüísticas, literarias, históricas, filosóficas, teológicas, o de otro tipo”. Y termina diciendo el profesor IJsewijn: “Sin el trabajo previo del filólogo, el resto de investigaciones a partir de textos está edificada sobre arenas movedizas”. Ni que decir tiene que las traducciones, a lo largo de toda su historia, forman parte de este corpus textual al que se alude en la cita, con el mismo rango de importancia que un texto original, sobre todo si tenemos en cuenta que hasta bien entrado el siglo XIX la frontera que separaba la creación literaria y la adaptación, traducción o glosa de un texto ajeno era más bien confusa. Esta “defensa y vindicación” de las traducciones desde la perspectiva filológica queda justificada si atendemos al siguiente hecho: cuando estudiamos la recepción de un libro se debe partir siempre del estudio de la obra en la lengua original. Esto vale tanto para filólogos como para cualquier otra disciplina. 2 Pero no debe olvidarse el papel que las traducciones desempeñaron en esa recepción. En este sentido, toda versión desempeña un doble papel, pues por un lado ayuda a multiplicar la divulgación de la obra original y, por otro puede introducir cambios - a veces sólo de matiz, pero importantes - que afecten a la citada recepción. 1 Opera omnia Ioannis Lodovici Vivis, Alfons el Magnànim, Valencia, 1992, pág. 77. 2 ¿Cuántas veces no hemos visto a especialistas que elaboran complejas teorías a partir de traducciones mediocres, incompletas incluso, plagadas de términos inadecuados o anacrónicos? ¿Qué teoría pedagógica, por ejemplo, sobre la educación en Vives puede levantarse leyendo sólo traducciones hechas sin el debido rigor, sin acudir nunca a los originales latinos? Joaquín Parellada 76 Para ilustrar esta cuestión voy a acudir a dos autores de renombre y hasta relacionados entre sí: 3 Erasmo y Cervantes. Del primero he escogido un par de ejemplos. Uno, sobradamente conocido, se refiere a la traducción castellana del Enchiridion, realizada por Alonso Fernández de Madrid, arcediano del Alcor (no “de” Alcor, como equivocadamente se suele repetir). Su versión no es todo lo fiel a la letra - y a veces tampoco al espíritu - del texto original que hoy podríamos esperar. 4 El editor moderno de esta versión - nada menos que Dámaso Alonso - puso en cursiva todos aquellos párrafos o frases añadidas por el arcediano. Una simple ojeada a la edición basta para ver que casi no hay página sin interpolaciones (y que algunas ocupan una hoja entera). No obstante, el pasaje por el que esta traducción ha pasado a la posteridad es aquel en el que el traductor tenía que verter el famoso monachatus non est pietas, es decir el párrafo erasmiano que, traducido literalmente, decía “monacato no es sinónimo de piedad; es un género de vida que, según las disposiciones de cuerpo y espíritu de cada uno, sirve o no sirve”. Pues bien, esta frase fue romanceada así: “El hábito no hace al monje”; adaptación coloquial y sentenciosa, pero poco fiel, sin duda. Es evidente que el lector castellano de esta frase difícilmente hubiera podido encontrar sentido a la réplica que Lutero dio a la ya dura frase de Erasmo. La lítotes de este se convirtió así en una frase afirmativa: “Monachatus est impietas”. El otro texto de Erasmo es menos conocido y, por ello, el error de interpretación en la lectura más pertinaz. Se trata de uno de los textos que luego comentaremos: los Silenos de Alcibíades, romanceados por el maestro Bernardo Pérez de Chinchón, canónigo de Gandía fallecido en 1549, según los últimos documentos descubiertos por el profesor Francisco Pons. 5 Durante mucho tiempo se pensó que el traductor se autocensuró cuando, en fecha tan temprana como 1529, decidió publicar, en Valencia, su versión. En efecto, de acuerdo con la versión definitiva de los Sileni, faltaban en el texto castellano algunos párrafos del original latino. Sin embargo, el profesor Miguel Ángel Granada 6 ha demostrado que, en realidad, Pérez de Chinchón utilizó una edición latina (la de 1526, probablemente) en la que todavía no 3 Véase, en este sentido, tanto el opúsculo de Antonio Vilanova, Erasmo y Cervantes, C.S.I.C., Barcelona, 1949, como las páginas 777-802 del libro de M. Bataillon, Erasmo y España, Fondo de Cultura Económica, Madrid, 1979. 4 Hoy contamos, por suerte, con una traducción moderna del texto de Erasmo a cargo de Pedro Rodríguez Santidrián (BAC minor, Madrid, 1995). 5 F. Pons Fuster, „Nuevas aportaciones biográficas sobre el maestro Bernardo Pérez de Chinchón“, en Escritos del Vedat, XXXIII (2003), 3329-367. 6 Vid. su introducción a Erasmo, Escritos de crítica religiosa y política, Círculo de Lectores, Barcelona, 1996; especialmente las páginas 109-110: “La traducción castellana de BPCH recoge las adiciones de C [1518], pero no las de G-H [1528 y 1533]. Hemos de suponer, pues, que se realizó sobre un ejemplar de los Adagia anterior a la edición de 1528, probablemente un ejemplar de las ediciones de 1523 o de 1526 [la edición de 1518 queda excluida por diversos motivos explicados en nota]” Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 77 estaban incluidos tales fragmentos supuestamente censurados (añadidos que sólo ven la luz a partir de la edición de 1528); por tanto, tradujo el texto latino de que disponía sin omisión significativa alguna. Pues bien, a pesar de tal evidencia, todavía hoy se sigue afirmando que Bernardo Pérez puso “paños calientes” al texto de Erasmo, a la vista de lo cual, concluyen estos críticos, la larga sombra de la Inquisición sobre los escritores de la época se hacía evidente. Con respecto al Quijote, el comentario - menos polémico - se refiere a la trascendencia que las traducciones contemporáneas tuvieron en la difusión de la obra, pero también en el esclarecimiento filológico de algunos pasajes. Fue Martín de Riquer el primero en señalar la importancia de las versiones francesa, italiana e inglesa para la resolución de algunos lugares oscuros del texto cervantino. La cercanía temporal de tales traducciones y el buen conocimiento que los traductores tenían de nuestra lengua hicieron que tanto la versión italiana de Lorenzo Franciosini, como la inglesa de Thomas Shelton o la francesa de César Oudin y de François de Rosset se convirtieran en valiosas herramientas en manos del ingenioso filólogo. Estos tres ejemplos justifican, de manera simbólica pero significativa, la reivindicación a la que aludía al principio, aunque algunos comentarios sobre la traducción de Erasmo y Vives que Lorenzo Riber llevó a cabo para la editorial Aguilar darían para unas cuantas observaciones más. Digamos simplemente que dichas versiones - muy útiles, por otra parte - se convierten a veces en una herramienta de riesgo para el investigador no latinista, si no son utilizadas críticamente. En efecto, si en algunos casos se permite licencias retóricas poco recomendables en una traducción supuestamente seria (por ejemplo traducir “Me perditum” por “¡Ay mísero de mí, ay infelice! ”, que, como todo el mundo sabe, es un verso de La vida es sueño), en otros suprime frases o utiliza ediciones censuradas o mutiladas. 7 Pero dejemos los pecados filológicos de Mosén Riber para otro momento, ya que hoy toca hablar de traductores contemporáneos de Vives y de Erasmo, no nuestros. 2. Objetivos y corpus textual A lo largo de las siguientes páginas pretendo glosar algunos textos de traductores contemporáneos de Erasmo y Vives, subrayando especialmente los aspectos que llaman la atención cuando confrontamos original latino y versión castellana. El corpus en el que nos hemos basado para nuestro estudio (aunque no demos ejemplos de todas las obras), es el siguiente: 8 7 Afirma el profesor Granada: “[Riber] omite páginas enteras, sometiendo de nuevo a Erasmo a la furia censora de los largos siglos en que Santo Oficio de la Inquisición veló por el alimento intelectual de los españoles.” 8 Véase el detalle bibliográfico del corpus en el Apéndice. Joaquín Parellada 78 A. Traducciones de Erasmo 1. De la Precatio Dominica 2. De los Sileni Alcibiadis 3. De la Lingua 4. Del Liber de preparatione ad mortem (dos traducciones) B. Traducciones de Vives 1. Del De subventione pauperum 2. Del De institutione feminae christianae 2.1 Los prólogos En el citado corpus aparecen versiones de dos traductores de nombre conocido más una referencia anónima. De aquellos, el primer lugar corresponde a Bernardo Pérez de Chinchón, el mayor traductor de Erasmo, en cuanto a número de obras, de todo el siglo XVI. Del maestro Bernardo Pérez conviene saber que nació en Chinchón (quizá en fecha cercana a la de Vives, es decir, 1492), que era de familia conversa (su abuelo y su padre se apellidaban Jarada; el primero fue condenado por hereje y quemado), que entró al servicio del duque de Gandía, Juan de Borja (padre de San Francisco) a cuya segunda mujer dedica el prólogo del Aparejo... (texto A). Sabemos, por último, que, tras conseguir que una (o varias) de sus hermanas se trasladaran a Gandía y contrajeran matrimonio en esta villa, falleció el 30 de junio de 1548 y fue enterrado en la Colegiata, de la que fue canónigo (y luego capiscol) durante más de 15 años. De la lectura de los distintos prólogos que el maestro Bernardo Pérez antepuso a sus traducciones no podemos deducir el grado de conocimiento que tenía de las tradiciones teóricas anteriores a él, por ejemplo de autores como Cicerón y Horacio cuyas ideas se difunden a través de San Jerónimo. 9 Es cierto que encontraremos argumentos parecidos a los de algunos traductores del siglo XV, y que, en la práctica de sus versiones, podremos observar técnicas o comportamientos paralelos. Ahora bien, que la relación genética entre ambos comportamientos sea o no demostrable es poco trascendente para nuestros objetivos. 9 Además del manual del profesor Ruiz Casanova sobre historia de la traducción, algunos estudiosos que han editado y analizado casos particulares han llevado a cabo excelentes síntesis que en muchos casos valen como auténticos capítulos de esa hipotética historia. Los mejores se han centrado en autores anteriores al siglo XVI. Así los libros y artículos de María Morrás referidos a Alfonso de Cartagena o el exhaustivísimo estudio de Guillermo Serés La traducción en Italia y España durante el siglo XV. La “Ilíada en romance” y su contexto cultural, sin olvidar los análisis de Lawrance, Cátedra o los más clásicos de Morreale, Norton, etc. Para una mención completa de todos ellos véase el libro de Serés (pp. 275-301). Por lo que se refiere al quinientos el número es mucho menor: si dejamos de lado las referencias de la propia Margherita Morreale en su libro sobre Garcilaso y Boscán, y de Bataillon, muy conocidas, sólo podemos citar un artículo de J.M. Lésperas y otro de Paul J. Donnelly sobre las traducciones de algunos Colloquia, que remite a su tesis doctoral. Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 79 Más interesará conocer sus características personales como traductor, o enumerar algunos de los tópicos utilizados por él. Texto A: Preparación y aparejo para bien morir (Traducción de Bernardo Pérez de Chinchón) [ed. J. Parellada, págs. 215-216] [...] Estas ropas, Ilustrísima Señora, cortadas del muy fino paño de la santa escritura, hechas a la medida de nuestra ánima, vinieron agora encerradas en el arca de la lengua latina, con la llave deste elocuentísimo doctor, y viendo yo 10 la necesidad que hay dellas para vestir las ánimas de los que, por no saber latín, dejarían de vestírselas, no hallando llave que hiciese a las guardas 11 del latín, tomé la ganzúa de nuestro romance, y con ella, más quebrando que abriendo 12 , saqué lo que pude de las ropas suso dichas y como acontece que, si sacan ropas cogidas de un arca grande y las meten en otra pequeña, es necesario cogerlas por otra parte, por donde muchas veces pierden el talle, así creo habrá acontecido en esta mi traducción; porque, dejado a parte que nuestra lengua no puede del todo explicar la fuerza de la latina, y dado que la explique no con tanta brevedad ni primor, de mi parte también habrá tantas faltas, que no tengo otra causa para defenderlas sino conocerlas 13 . Y pues Vuestra Ilustrísima Señoría, con santo deseo de aprovechar a muchos, me mandó traducir este tratado, a ella suplico le reciba, y con su muy ilustre nombre le defienda. Bien sé que parecerá cosa impropia dedicar yo obra de muerte a quien tanto deseo que viva, mas considerando, muy Ilustre Señora, que este aparejo tan bien le debe hacer el de quince años como el de ochenta y que, aunque Vuestra Señoría no pasa de los treinta, yo la he visto dos veces por graves dolencias en peligro de muerte, no pensé hacer cosa impropia en dedicarle esta obra. Cuanto más que de derecho es suya por el buen celo que tuvo de me la mandar traducir, cosa de que yo estaba muy apartado 14 ; y también por las mercedes que para ayuda a la imprenta nos hace. Todo es luego 15 de Vuestra Señoría: el motivo de tan santa intención, el medio y fin de la obra. Dedicarla pues a otra cualquiera persona fuera lo que dicen quitar de un santo por componer a otro. Plega a nuestro Señor dé a Vuestra Señoría gracia para que muchas obras santas como éstas haga y que de tal manera se apareje en esta vida a bien morir que merezca siempre vivir en aquella gloria donde el señorío y estado es eterno. Amén. En el prólogo que aquí nos ocupa encontramos, por un lado, el lugar común del 'menosprecio del romance' frente al latín, 16 expresado a través de una 10 viendo yo: Esta frase se contradice con otra que aparece más abajo, según la cual la duquesa le “mandó traducir“ el tratado. Es muy probable que esto último sea un lugar común para prestigiar a la duquesa y ampararse en ella. 11 guardas: “En las cerraduras son aquellos hierros figurados que tienen dentro de sí, que impiden pasar las llaves para correr el pestillo“ (Aut. ) 12 más quebrando que abriendo: Otro tópico: ahora el de la modestia. 13 Conocerlas: 'reconocerlas'. 14 Apartado: Sin duda vuelve a utilizar otro lugar común; ahora, seguramente, por precaución: los tiempos ya no eran los de diez años antes. 15 Luego: ‘al instante’. 16 Según Russell, este tópico que ya proclamaba Alfonso de Palencia, había desaparecido “ya a comienzos del siglo XVI... casi por completo“, Traducciones y traductores en la Joaquín Parellada 80 hábil metáfora, en la que contrapone “la llave... del latín“ a “la ganzúa de nuestro romance“, con la cual más bien “quiebra“ que “abre“ el arca donde están guardados los conceptos. Por otro lado, la idea acerca del carácter más compendioso y breve del latín, que puede leerse en los traductores del s. XV, tiene su correspondencia en las siguientes frases del canónigo: “nuestra lengua no puede del todo explicar la fuerza de la latina [ni hacerlo] con tanta brevedad ni primor“ 17 . El mismo gusto por las metáforas, a la hora de comparar latín y romance, había expresado Bernardo Pérez tanto en los Silenos como en la Lengua. En aquellos cuando, después de repasar lo que de Erasmo hay traducido y señalar la importancia de su obra, con no menor gracia y agudeza que la que atribuía a Erasmo, decía Texto B: Silenos de Alcibíades (Traducción de Bernardo Pérez de Chinchón) [ed. de M.A. Granada, págs. 107-108] Lee y verás cosa aguda, nueva, graciosa y provechosa, y por ventura darás gracias al autor que te la guisó en latín y a mí que la puse en el plato de tu romance para que la platiques y guste tu alma el zumo deste cordial, sacado de las olorosas flores de la Sagrada Escritura. 18 En la Lengua, por su parte, a través de unos versos que dan al lector la posibilidad de “enmendar, trasmudar, deshacer y revocar” todo lo que salga “de regla y razón“, casi a modo de una “obra abierta”, escribe el humanista: Texto C: La lengua de Erasmo romançada por muy elegante estilo (traducción de BPCH) [ed. D.S. Severin, págs. 1-2]. El intérprete al lector. Virtuoso lector, no te ofenda que yo he dejado, mudado, y explicado algunos pasos en esta obra, no siguiendo el rigor ni de la letra, ni de la sentencia. He hecho esto donde Erasmo, por defenderse, me parece que ofendía, no con malicia, pero con celo, a algunos religiosos de nuestros tiempos, los cuales quiero más que amen a Erasmo por su doctrina, que no que le aborrezcan por su reprehensión. Puesto que, 19 si bien miran su intención, no reprehende a los hombres ni a sus estados, sino a las faltas que en ellos cometemos; así que, buen lector, parézcate Península Ibérica (1400-1550), p. 50. Vid. también, a propósito de este lugar común, D. Ynduráin, Humanismo y Renacimiento en España (1994), pp. 488 ss. Nuestra obra será, pues, una excepción en este aspecto. Subraya esta cuestión también Aurora Egido en su estudio “Erasmo y la Torre de Babel. La búsqueda de la lengua perfecta” (1998) donde señala lo injustificado del desinterés por las obras retóricas de Erasmo 17 Líneas 137 ss. También en este mismo prólogo, se sirve del tópico de la modestia: “de mi parte también avrá tantas faltas, que no tengo otra causa para defenderlas sino conocerlas“ (líneas 141-2). 18 “Prólogo del intérprete al cristiano lector“, en Silenos de Alcibíades, ed. de M. A. Granada, p. 108. 19 “Puesto que” `Aunque’. Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 81 bien mi atrevimiento, pues en lo restante de la obra he seguido la fiel interpretación, no queriendo ser ingenioso en libro ajeno. Vale. Mi lengua muy tosca te pide perdón, / christiano lector amigo y hermano,/ si en lengua materna de mi castellano / ofende tu oído mi rústico son; / recibe mi afecto, mi buena intención / pon tú la sal que falta en mi boca; / enmienda, trasmuda, deshaz, y revoca / aquello que sale de regla y razón./ No pierda por mí su fama y memoria/ Erasmo, doctor en todo divino,/ que en lengua elegante y estilo latino / compuso esta Lengua con tanta victoria. / Saqué yo del oro de su fragua esta escoria; / tú, buen alcumista, 20 la puedes volver/ en oro subido de tanto valer / que a mí y al autor se siga gran gloria. De nuevo, en estos versos finales, leemos el tópico de la modestia (“lengua tosca”, “rústico son”). Resulta muy interesante la idea de que el lector debe suplir, con sus conocimientos, los defectos de la traducción (“pon tú la sal que falta en mi boca“); éste, como buen alquimista, convertirá la “escoria” en “oro subido“, de gran valor. De lo que, me parece, no hay duda es del nivel, nada habitual para la época, que alcanza la reflexión teórica de nuestro traductor cuando, puesto a trasladar esta última obra, escribe un prólogo, que no hemos reproducido, a continuación de estos versos, cuyo “valor intrínseco“ nadie puso tan de manifiesto como Marcel Bataillon. 21 Bernardo Pérez se encamina aquí al elogio de la lengua “como atributo humano por antonomasia... arrancando ingeniosamente del mito platónico de las legendarias 'estatuas de Dédalo' que se desintegraban si les faltaba un quid unificador“. Pérez de Chinchón se levantaba “a la consideración de dos principios integradores del cosmos (leyes naturales y espíritu divino), y planteaba la cuestión del 'ñudo' del hombre imagen del universo o microcosmos, otra estatua obra del Dédalo divino o sea del Dios creador de la teología judeo-cristiana. Era la lengua ese 'ñudo'... “ Y concluye Bataillon: “Y el pasaje en que más aventaja a Erasmo en agudeza antropológica es el que procura desentrañar el valor de la lengua como 'ñudo' del microcosmos, superando la idea de que este 'ñudo' sea la razón, sin más, e introduciendo la de la humanidad como colectividad e intersubjetividad“. 22 20 “alcumista” ‘alquimista’ 21 Sólo Francisco Rico, antes incluso de la edición de Dorothy Severin, había llamado la atención sobre lo que él consideraba “una de las páginas más bellas, mejor construidas, más sugestivas del Renacimiento español“: El pequeño mundo del hombre (1970), p. 137. 22 M. Bataillon, “La raça del erasmista...“, art. cit., pp. 83-84. El párrafo de Pérez de Chinchón al que alude básicamente es éste: “Aunque la razón de uno sea ñudo para sí, yo no hallo cómo le pueda ser para otro, porque aunque con la razón pueda regir a otro, si le falta la lengua para explicar lo que piensa con la razón, no podría enseñar a otro lo que le cumple, como nunca avemos leydo que hombre mudo aya sido maestro para enseñar. Donde conjeturo que el ñudo que Dios puso en esta estatua que es el hombre (entendiendo por el hombre no uno solo, mas toda naturaleza humana, que repartida por todos los hombres haze un cuerpo y una estatua) es la lengua; para que con ella, como un faraute de la razón, uno hable con otro, y le declare sus pensamientos, sus ymaginaciones, y le ponga en camino de razón, de sciencia, de arte, de justicia, de Joaquín Parellada 82 Las palabras del capiscol de Gandía trascienden las que ya conocemos sobre distintos aspectos de la traducción, para reflexionar, más allá de los comentarios moralizadores de Erasmo — la loquacitas que degenera en garrulitas —, sobre el lenguaje como rasgo esencial de la naturaleza humana, “origen de toda vida cultural y social“, de toda transmisión de los saberes científicos, “asignando al homo loquens el papel civilizador que el Bachiller Alfonso de la Torre, en su Visión Delectable, había reservado en primer lugar al homo faber“ 23 . Queda por comentar el texto D, es decir, el prólogo a la traducción anónima de 1535. Me he permitido reproducirlo casi por completo dada su rareza: el ejemplar de Múnich es el único conocido y no ha sido editado modernamente, que yo sepa. De nuevo encontramos, como en Bernardo Pérez, el tópico de la rudeza del traductor, en este caso unido al de la rudeza de los simples, a quienes hay que explicar con las palabras adecuadas determinados pasajes, para que no tropiecen y caigan en doctrinas heréticas. El estilo de este traductor anónimo es más prolijo que el del canónigo de Gandía, con frases subordinadas incesantemente y enumeraciones plurimembres o estructuras paralelas (véase, por ejemplo, el final del párrafo segundo) de hasta cinco elementos. Texto D: Libro del aparejo que se debe hacer para bien morir (traducción anónima) [Burgos, Juan de Junta, 1535, ejemplar único de la BSM] Prólogo. A los Ilustres señores, el señor don Juan de Zúñiga y Avellaneda, comendador mayor de Castilla y ayo del Príncipe nuestro señor y su mayordomo mayor, etc., y la señora doña Estefanía de Requesens su mujer. Obligan la ley divina y natural, Ilustres señores, a que todo hombre pague lo que debe, y declaran que se debe cualquier cosa que voluntariamente se promete. Y así, acordándome yo cómo en principio del invierno pasado, con libre y tan aparejada voluntad para su servicio cuanto tengo obligación, prometí de enviar a vuestras señorías, lo más presto que mis enfermedades y ocupaciones me diesen lugar, algún libro nuevo y provechoso en lengua castellana; pensando muchas veces cómo saldría desta deuda, nunca se me ofreció que escribiese de otra cosa sino del aparejo que hombre debe hacer para merecer bien morir, así porque es la cosa que en esta vida más es provechosa y necesaria, como porque en los tiempos de agora no hay cosa más olvidada que la diligencia que en esto se debería poner. Y la causa deste olvido es porque, como ninguno haya probado lo que en el trance de la muerte se gana o pierde, virtud, de conoscimiento, assí de sí mesmo como de Dios y de las criaturas.“, La lengua..., ed. cit., pp. 5-6. 23 M. Bataillon, art. cit., p. 84. Vid. también el comentario de Aurora Egido en su artículo “De la Lengua de Erasmo al estilo de Gracián“, ahora recogido en el libro La rosa del silencio (1996), pp. 17-47 (sobre todo las pp. 21-22); así como el trabajo de L. López Grigera “Estela del erasmismo en las teorías de la lengua y del estilo en la España del siglo XVI“ en El erasmismo en España (1986), pp. 491-500. Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 83 y la poca experiencia sea causa de poco temor y de mucho descuido, sucede que con poco aparejo y muy desapercibido se acerque el hombre a la muerte. Bien así como suele acaecer a los que van a la guerra y tienen poca experiencia della: que ninguna cosa les parece tan peligrosa como es, y así fácilmente su indiscreto atrevimiento les hace perder la vida. ¡Oh quién se acordase que en aquel punto se acaba lo vano y transitorio, y comienza lo eterno y verdadero! ¡Quién se acordase que allí se rematan las cuentas entre Dios y el hombre! ¡Quién se acordase que en ir hombre bien apercibido para aquel paso consiste quedar para siempre rico o pobre, salvo o condenado, participante de la gloria de los ángeles o de la pena de los demonios! ¡Quién se acordase que después de aquella hora no hay lugar d’enmendar lo que allí no llega enmendado, ni merecer lo que entonces no está merecido! ¡Quién se acordase que ninguna apelación ni remedio tiene el hombre, contra lo que allí se declarare y sentenciare! Ninguno hay por cierto, que si estas cosas (que son infalibles verdades) pensase de veras y con reposo, no se aparejase para bien morir. Pero como de la poca experiencia nazca el descuido (como dicho es) de aquí viene que los mortales (teniendo poca experiencia en sí mesmos de qué cosa es morir, que no es más de la que en otros se aprende), tengan poco cuidado de pensar estas cosas y así como no las piensan, van sin providencia alguna y con muchos engaños a dar en ellas; y tanto más en este tiempo que en otro, cuanto más en él abunda la maldad, envuelta con supersticiones que engañan y ciegan y faltan fe y caridad que alumbren. Y ésta así mesmo es la razón por donde es más necesaria esta doctrina que otra en estos tiempos, en los cuales así viven los hombres como si nunca hubiesen de morir. [...] Así que pensando hacer sobre esto alguna obrecilla que enviar a vuestras señorías, para que con su favor y nombre fuese provechosa a algunos, y comenzándome a desocupar para ello, acordóseme del libro que sobre esta materia había escrito el glorioso doctor san Ambrosio. Pero porque, con la mudanza de los tiempos, se han mudado las condiciones humanas, y hay el día de hoy muchas doctrinas falsas en mostrar este arte de bien morir, inventadas para satisfacer la desordenada codicia, parecióme que para nuevas enfermedades no serían tan provechosas las viejas medicinas, ordenadas por medios ausentes a estos nuestros siglos cuanto las que se podrían ordenar según la sagrada escritura, viendo y palpando las enfermedades. Y estando en esto, vino a mis manos un libro del excelente doctor Erasmo Roterodamo, en el cual con elegante estilo (según su costumbre) trabaja por persuadir al hombre christiano el aparejo que debe hacer para merecer bien morir, y por desengañarle de muchas cosas que los ignorantes y malos christianos suelen poner al que muere delante los ojos. Holguéme extremadamente en le hallar, así por hallar doctrina tan aventajada de la mía, y tan famosa y notable con que vuestras señorías no pudiesen dejar de recibir notable provecho, como por hallar yo ocasión de no publicar mi rudeza en más de poner el dicho libro en lengua castellana. Pero sepan vuestras señorías que (aunque yo no he visto otro de este autor que de más sana ni mas cathólica doctrina sea que ésta) todavía me pareció que en algunas partes era menester para cumplir con la rudeza de los simples, no sólo hacer oficio de intérprete más aun Joaquín Parellada 84 de exponedor, 24 porque en libro tan provechoso ninguno pudiese hallar cosa en que tropezase por falta de no entender el sano entendimiento del autor. Así que suplico a vuestras señorías la favorezcan y lean con atención, porque en tan buena tierra tan buena doctrina confío que hará copioso fruto. Plega a nuestro señor que deste fruto reciba yo aquella espiritual refección y consolación que san Pablo [al margen: Cor. = I Cor. 16] se gozaba haber recibido de aquellos siervos de dios Fortunato y Estefanía. Amén. Vale la pena señalar la manera cómo se alude a Erasmo en estos textos (texto A: “elocuentísimo doctor“; texto C: “Erasmo, doctor en todo divino, que en lengua elegante y estilo latino“; Texto D: “el excelente doctor Erasmo Roterodamo, con elegante estilo (según su costumbre)“. Así mismo, tanto el texto A como el B insisten en que el origen último de los libros es la Sagrada Escritura, a través de sendas metáforas 2.2. Algunos textos La primera de las citas que pertenecen propiamente a las traducciones de las obras latinas nos lleva hasta un traductor del que conocemos pocos detalles. Se trata de Juan Justiniano. 25 El texto procede de su traducción (mejor sería aplicar el término adaptación) de la obra de Vives De institutione feminae christianae. Esta cita permite hacernos una idea, más allá del tópico satírico contra las mujeres, de cierto léxico cotidiano sobre el embellecimiento. Veremos cómo el traductor, siguiendo a Vives, utiliza hipérboles, comparaciones, estructuras paralelas, apelaciones al lector e incluso citas indirectas (esto que ahora hemos dado en llamar “intertextualidades”). 26 Texto 1. Instrucción de la mujer cristiana 1.a. Traducción de Juan Justiniano (inicio cap. IX De los atavíos, afeites y olores) [ed. Salvador Fernández, págs. 46-47] Paréceme será bien en el presente lugar tratar de los arreos de las doncellas y comenzando diré de los afeites. 27 Yo querría mucho saber qué quiere o qué mira o 24 intérprete... exponedor: ‘intérprete’ equivaldría a ‘traductor’, sin más; la segunda palabra la presenta Aut. como sinónimo de ‘expositor’, es decir, ‘el que interpreta, expone y declara lo que es difícil y oscuro de entender’. 25 Contino del duque de Calabria y escritor de origen italiano o cretense. Valentín Moreno, en su excelente tesis lo identifica con un Giovani Giustiniano de Franco (La recepción hispana de Juan Luis Vives, Generalitat, Valencia, 2006, págs. 339 ss. 26 A partir de este apartado ofrezco, además de la traducción, el texto latino y, en algunos casos, una segunda versión castellana (cuando su valor histórico lo justifica). 27 Arreos: ‘atavíos, adornos’; afeites: Aunque ya entonces ‘afeitar’ significaba ‘quitarse los hombres el cabello’, el significado más frecuente era referido a las mujeres. Véase la definición de Covarrubias: “El aderezo que se pone a alguna cosa para que parezca bien, y particularmente el que las mujeres se ponen en la cara, manos y pechos, para parecer blancas y rojas, aunque sean negras y descoloridas, desmintiendo a la Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 85 qué espera la mujer desde que ha bien ensuciado la cara con albayalde y arrebol. 28 [...] Otrosí ¿quién tendrá por hermosa a la mujer si la ve afeitada? O ¿cómo la tendrá por blanca o colorada sabiendo que aquella blancura y color no es suya? ¿Quiéreslo ver? Que si queremos alabar a una mujer de hermosa, luego decimos que no se pone nada en el rostro. Pues si queremos mirar, ya vemos la gentil tez de la cara antes del tiempo qué tal se para, 29 cómo se estraga todo, cómo hiede el aliento, cómo se gastan los dientes, cómo de todo el cuerpo sale una agrura de mala olor así del albayalde y del azogue como de las aguas destiladas y jaboncillos y unturillas con que se preparan la cara como un retablo en que se ha de pintar el día siguiente, y otras tantas medicinas que no bastaría todo un libro, y tales que Ovidio y con razón las llamó ponzoñas. 30 Y como dice muy bien Juvenal: “La mujer que se pone en la cara tantas medicinas, y mudas, y tantas sopas de centeno cocido, ¿diremos aquélla ser cara o algún divieso? ” 31 1.b. Texto latino (cap. VII: De ornamentis) [ed. Ch. Fantazzi, págs. 76-78] 53. Principio de fuco; in quo equidem audire pervelim quid spectet virgo, cum cerussa et purpurisso se illinit. [...] 54. [...] Ad haec quis umquam pulchras existimet quas sciat pigmentis illitas? Etiam formosae speciei honorem laudemque amittunt cum pictae cernuntur. Universus enim decor, omnis gratia attribuitur arti, non naturae. Quid quod et tenella cutis citius rugatur et totus faciei habitus in senilem deformatur modum? Foetet spiritus, scabrescunt dentes, toto denique corpore taeter halitus spiratur, tum ex cerussa et argento vivo, tum vel maxime ex dropacibus, sapunculis et smegmatis quis cutem velut tabellam in postridianam picturam parant, ut iure sint haec ab Ovidio venena dicta. Iuvenalis festive qui quaerit: An quae mutatis inducitur atque fovetur / Tot medicaminibus coctaeque siliginis offas / Accipit et mandidae, facies dicetur an ulcus? En el texto 2, sigue Vives lanzando anatemas contra cualquier exageración en el vestir o en el maquillarse. No desaprovecha una cita bíblica para denaturaleza y, queriendo salir con lo imposible, se pretenden mudar el pellejo...” El comentario que sigue coincide casi literalmente con el de Vives: “al cabo es ocasión de que las afeitadas se hagan en breve tiempo viejas, pues el afeite les come el lustre de la cara y causa arrugas en ella, destruye los dientes y engendra un mal olor de boca.” 28 albayalde y arrebol: El primero era un afeite (o maquillaje) para blanquear el rostro. Aut. cita un refrán que lo explica mejor que cualquier definición: “Acudid al cuero con el albayalde, que los años no pasan en balde. Refrán que satiriza a las mujeres, burlándose de las que procuran disimular la edad, encubriendo con los afeites las arrugas y otros defectos de la cara, que naturalmente causa la vejez. Arrebol, por su parte, significa literalmente ‘color rojo’, pero Cov. matiza: “Arrebolarse la mujer es ponerse color, y la arrebolada es la afeitada con mucho color”. 29 la gentil tez de la cara... qué tal se para] eco evidente de las coplas de Manrique: “Dezimos: la hermosura, / la gentil frescura y tez / de la cara, / la color y la blancura / cuando viene la vejez / ¿cuál se para? ”. 30 Ponzoñas: ‘venenos’ 31 divieso: ‘tumor’ Joaquín Parellada 86 tallar la multitud de recursos y elementos de que disponían las mujeres para su persona, mostrando así su dominio de este léxico específico, lo que provocará algún problema en los traductores. De nuevo vemos el recurso de la interrogación retórica, de las hipérboles y las metáforas; estas últimas de carácter burlesco y degradante, mediante animalizaciones. Texto 2. Instrucción de la mujer cristiana 2.a. Traducción de Juan Justiniano (mitad cap. IX) [ed. Salvador Fernández, págs. 49-50] Dice Plutarco que los de Egipto tuvieron por costumbre de hacer andar descalzas a sus mujeres porque tuviesen vergüenza de salir de casa. De la misma manera si quitásemos a la mujer la seda, el brocado, el oro, las joyas, no habría que hacer a tenerlas en casa y no se les daría tanto por ir carleando 32 acá y acullá y aun a los maridos les vendría algo mejor y se hallarían en cabo del año algunas más blanquillas 33 para sus necesidades [...] De verdad yo no sabría decir ni soñar qué razón o qué respuesta tolerable podría dar la mujer cristiana si le preguntasen por qué se afeita y se atavía tanto, si ya no responde que lo hace por parecer más hermosa y también porque la codicien más. ¿Eso dices? Luego ¿tú no eres mujer, sino carne de buitrera, que armas trampas y armadijos en tu cuerpo para cazar ánimas? [---] 34 Oh, no mujer cristiana, sino sierva del demonio: estate cierta que sobre ti caerán las espantosas y terribles amenazas del Señor, diciendo por boca de Isaías: “Por cuanto las hijas de Sión se ensoberbecieron y anduvieron muy enhiestas, halconeando con los ojos y pavoneándose en su pasear, haciendo alarde de sus pompas y riquezas entre los flacos y desnudos, por todo esto el señor les quitará los cabellos a cercén y en lugar de ornamento tendrán deshonra. En aquel día espantable Dios las desnudará de todos sus atavíos y les quitará los calzados y las cadenas de oro y los collares y las ajorcas y los zarcillos 35 y las manillas y las crespinas 36 y los trenzados y las cofias 37 y los partidores y piedras preciosas y pomas de olores y enforros y hacelejas 38 y alfileres y espejos y peladores y cintas y sombreros y en lugar de cazoletas ternán hedor, y por cintas sogas, por camisas cilicios.” 32 carleando: ‘jadeando’ (se suele utilizar para referirse a los perros). 33 blanquillas: ‘ moneda de poco valor’. 34 Este símbolo [---] indica que el traductor ha omitido una frase o fragmento 35 ajorcas y zarcillos: las primeras eran ‘los cerquillo o argollas de oro o plata que se suelen poner las moras en las muñecas y en la garganta del pie’; los ‘zarcillos’ son, como hoy, los pendientes. (Aut.) 36 manillas y crespinas: Es decir ‘el adorno que traen las mujeres en las muñecas, compuesto de unas sartas que dan varias vueltas, de perlas, corales u otras cuentas’ y ‘la cofia o redecilla que usaban las mujeres para recoger el pelo o adornar la cabeza’ (Aut.) 37 trenzados y las cofias: ‘trenzado’ vale por ‘tocado hecho con trenza’; la ‘cofia’ era parecido a la crespina, pero podía ser también de tela, y lo usaban tanto hombres como mujeres, para recogerse el cabello. 38 enforros y hacelejas: ‘forros y toallas’ (para el primer término era más común ‘aforro’; el segundo sólo se halla en Cov., s.v. ‘haçaleja’. Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 87 2.b. Texto latino (cap. VIII: De ornamentis) [ed. Ch. Fantazzi, págs. 90 y 92] 65. [...] ‘Aegyptias mulieres’, inquit Plutarchus, ‘calceis uti pratrius mos non fuit ut domi continerentur’. Sic feminae si serica, byssina, aurea, argentea, gemmas, lapillos adimas, facilius domi clausam teneas. [...] 66. [...] Et profiteor me expedire non posse quid, saltem dictu honestum, ornatui suo mulieres queant obtendere nisi solum ut formosiores videantur, ut magis illiciant viros. 67. Atqui hoc etiam gentiles puderet confiteri. Loquar cum Christianis. Ut virorum animas vacilius et arctius illaqueent? [‘Non de integra conscientia venit’, inquit Tertullianus, ‘studium placendi per decorem, quem naturaliter invitatorem libidinis scimus’. Chrysostomus non habet in numero virginum studio comendi ac ornandi sui deditas. Quanto minus si id fecerint ut libidinem intuentium inflamment? Tu ergo simul superbiae tuae servies et diaboli retia in tuo corpore ad inspectantium animas capiendas extendes? ] O non feminam Christianam, sed diaboli ministram et satellitem! Pronuntiabitur tibi indignantis Domini super te atrox comminatio. Per Isaiam enim sic loquitur Deus: ‘Pro eo quod elevatae sunt filiae Sion et ambulaverunt extento collo et nutibus oculorum ibant et plaudebant et ambulabant et pedibus suis composito gradu incedebant cum calceolis squamatis, decalvabit Dominus verticem filiarum Sion et turpitudinem earum nudabit et pro ornamento erit ignominia. In die illa auferet dominus ornamentum calceamentorum et lunulas et torques et monilia et armillas et mitras et discriminalia et perischelides et murenulas et olfactoriola et inaures et annulos et gemmas in fronte pendentes et mutatoria et pallia et linteamina et acus et specula et sindones et vittas et theristra. Et pro suavi odore foetor et pro zona funiculus et pro crispanti et compto crine calvitium, et pro fascia pectorali cilicium’. Ista de feminis Pasamos al texto 3, todavía de Vives, pero de otro traductor y de otra obra. Nos habla el humanista de las enfermedades, especialmente de las contagiosas. La expresión colorista del traductor es aquí bastante perceptible. La traducción de Nieto Ibarra que ofrecemos, al lado de la Pérez de Chinchón, tiene la curiosidad de tratarse de una versión hecha en dos etapas, separadas por dos siglos de diferencia, como ha demostrado Valentín Moreno. Juan de Gonzalo Nieto Ibarra fue un contino del rey, cuya existencia está documentada hasta 1556. Realizó su traducción en el siglo XVI pero quedó inédita; su manuscrito llegó a poder de los hermanos Mayans quienes decidieron imprimirlo en 1781. Por algún motivo que se nos escapa les pareció oportuno revisar la traducción (‘modernizarla’, diríamos hoy), trabajo del que se acabó encargando un capellán del arzobispo Fabián Joaquín Parellada 88 y Fuero, protector de Mayans y persona que financió el proyecto de los Opera omnia de Vives. 39 Texto 3: Tratado del socorro de pobres 3.a. Traducción de Bernardo Pérez de Chinchón (II, cap. 1: De cuánto deben tener cuidado de los pobres los que gobiernan cualquier pueblo o ciudad) [ed. J. Parellada, pág. 172] Allende pues de lo dicho es gran peligro de toda la ciudad el de las enfermedades contagiosas. ¿Cuántas veces habemos visto que un hombre solo trae a la ciudad un grande mal del cual mueren después muchos? Como es la pestilencia, las bubas, la lepra y otras enfermedades semejantes. Decidme, ¿qué cosa es que en el día de fiesta, cuando todo el pueblo concurre al templo, haya hombre de entrar por entre bubosos, plagados, llagados, leprosos, que aun solo decirlo espanta? Pónense en dos hileras como escuadrón y por entre ellos han de pasar niños, niñas, mozos y viejos, preñadas y vacías. 40 3.b. Traducción de Nieto Ibarra (II, cap. 1: Cuánto pertenezca y convenga a los gobernadores de la República cuidar a los pobres) [ed. Prometeo, págs. 99-100] Llégase a los daños arriba dichos el peligro común que se origina del contagio de las enfermedades, supuesto que hemos visto muchas veces que un solo hombre ha introducido en la ciudad un grande y cruel mal que hizo perecer a muchos, como la peste, el gálico, y otros a este modo. ¿Adónde va a parar que en cualquiera templo, cuando hay en él alguna festividad muy célebre y solemne, no se haya de poder entrar sino por entre dos filas o escuadrones de enfermedades, tumores podridos, llagas y otros males que aun nombrarlos no se puede sufrir, y que este sea el único camino por donde han de pasar los niños, doncellas, ancianos y preñadas? 3.c. Texto latino (II, cap. I Quantopere conveniat rectori civitatis curare pauperes) [ed. Ch. Fantazzi, pág. 90] 3. […] Quoties vidimus hominem unum magnum aliquem et saevum morbum in civitatem invexisse, unde alii complures perierint, ut pestem, scabiem Gallicam et eiusmodi? Quale est enim ut in unoquoque templo, cum festum est sollemne ac celeberrimum, tum maxime penetrandum sit in aedem inter duas acies morborum, vomicarum, ulcerum et ceterarum rerum vel dictu obscenarum, haec una sit pueris, puellis, senibus, gravidis via? El texto 4, la glosa de un fragmento del libro de los Reyes, le sirve a Pérez de Chinchón para introducir - a través de los diminutivos sobre todo - un léxico coloquial y cotidiano con el que consigue un acertado efecto 39 Apud Valentín Moreno, ob. cit. págs. 746 ss. 40 preñadas y vacías] El traductor convierte los cuatro términos de Vives (pueris, puellis, senibus, gravidis) en tres parejas de antónimos. En cuanto a “vacías“, Corominas (DCELC) da la acepción 'no preñada', aunque aplicada, sobre todo, a las reses. Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 89 dramático en la narración. El fragmento, además, es interesante léxicamente - serojar, escliño - (quizá incluso con algún hapax), como podemos observar si lo comparamos con la traducción de Nieto Ibarra. Texto 4: Tratado del socorro de pobres 4.a. Traducción de Bernardo Pérez de Chinchón (I, cap. 8: Que ningún achaque ni causa debe estorbarnos de hacer bien) [ed. J. Parellada, pág. 143] Léese en el tercer libro de los Reyes que estaba en la ciudad Sirapta, que es en Sydonia, una mujer vidua, que tenía en casa tanta harina como cabía en el puño, y unas gotillas de aceite; y saliendo un día a serojar, 41 traía dos leñuelos para cocer con ellos una tortilla 42 para sí y a su hijo, con pensamiento que, comido aquello, se morirían de hambre, porque no tenía más, y había gran hambre por aquella tierra. Llegó el propheta Helías, y pidióselo en limosna, prometiéndole que no faltaría para ella y para su hijo. Creyó la buena mujer al propheta, diole aquel poquillo de manjar que tenía, y después nunca faltó harina en el escliño, 43 ni aceite en el alcuza, 44 hasta que se apiadó Dios de aquella tierra. 4.b. Traducción de Nieto Ibarra (I, cap. 8: Que ninguna cosa debe impedirnos para hacer bien) [ed. Prometeo, págs. 58-59] En el libro tercero de los Reyes o de los Reinos, leemos que había en la población de los sidonios una viuda que tenía en su casa tan poca harina como cabe en un puño, y unas pocas gotas de aceite; habiendo salido la pobre a traer leña, llevaba a su casa dos leños con que cocer una torta para sí y para su hijo, acabado lo cual habían de morir precisamente porque había una hambre atrocísima en Israel; ocurrió entonces Elías y pidió aquello de limosna, prometiendo a la viuda que ni a ella ni a su hijo había de faltar qué comer en adelante; creyó la mujer al profeta y le dio cuanto tenía; pero después ni a la vasija que tenía con harina le falto ésta, ni a la que tenía con aceite se le disminuyó este licor hasta el día en que el Señor tuvo misericordia de su pueblo. 4.c. Texto latino (I, cap. 8: Nullas causas debere impedire nos a benefaciendo) [ed. Ch. Fantazzi, pág. 42] 41 Serojar: ‘Serojas’ son “las hojas secas que se caen del árbol o de sus ramos” (Cov. 935 a) o mejor, como añade Aut. “los residuos de las ramas“. Este diccionario trae un ejemplo de Santa Teresa muy afín al nuestro (“y aun aquel día ni una seroja de leña no teníamos para asar una sardina... “. Como verbo, sin embargo, no lo encuentro. Podría ser, pues, una primera documentación. 42 Tortilla: Es decir, una torta pequeña. 43 Escliño: 'escriño', sin duda, aunque no he documentado la variante que usa B. Pérez. Del significado inicial, derivado del lat. scrinium, que encontramos en Nebrija: “escriño como arca“, se debió pasar al restringido de 'cesta para poner harina'. Así lo recoge Franciosini: “bugnola, vaso fatto de paglia o di simil materia per uso de tenervui entro farina o biade“ (apud Tes. Lex.). Aut. aclara: “Cesta o canasta ancha de boca... de que usan mucho en los lugares para recoger el salvado y las granzas de los granos“. 44 Alcuza: “La vasija en que se tiene el aceite para el gasto ordinario, que regularmente es de barro, latón u hoja de lata“ (Aut.) Joaquín Parellada 90 9. [...] In libro Regum tertio legimus: erat in Sarapta Sidoniorum vidua, quae tantum farinae habebat domi quantum pugillo capi posset et olei paucas guttas. Haec lignatum egressa, duo ligna referebat domum, ut libum sibi ac filiolo coqueret; quod ubi edissent, morerentur; etenim erat fames atrocissima in Israel. Helias vero id sibi pro eleemosyna postulavit, promittens non defuturum ei ac filio. Fidem habuit mulier prophetae: nae defecit nec olei lecythus innminutus est usque in diem quo misertus est Dominus Israel. Pasamos al texto 5, todavía del Socorro de pobres. La crítica a la riqueza y a los ricos tiene como origen, a menudo, la vida ociosa que llevan. Observaremos en este párrafo cómo Vives, a través de sucesivas frases interrogativas (con las que imprime un ritmo ascendente al párrafo) detalla los entretenimientos de los poderosos. Texto 5: Tratado del socorro de pobres 5.a. Traducción de BPCH (I, cap. 8) [ed. J. Parellada, pág. 142] Por todo el mundo trabajan los hombres no cómo vivirán ricos, sino cómo morirán ricos. Si me dicen que allegan para la vejez o para las enfermedades, ¿para qué visten y comen tan demasiadamente? , ¿para qué quieren tantos criados y acompañadores que en confianza de sus riquezas viven ociosos? ¿para qué tantos perros, tantos halcones, tantos truhanes, tantas monas? ¿tanto juego de dados y naipes? Si les piden algo en nombre de algún poderoso, nunca dicen de no. A truhanes y chocarreros 45 nunca acaban de dar; 46 por respeto de Dios no hacen nada, con la mala costumbre habemos hecho ya callos, 47 no sentimos lo que tanto nos daña. 5.b. Traducción de Nieto Ibarra (I, cap. 8) [ed. Prometeo, págs. 56-57] ...de modo que se verifica no verse otra cosa más frecuente en las repúblicas que trabajar los hombres para morir ricos, no para vivir; por otra parte, si estas riquezas se juntan y atesoran para la vejez y enfermedades, ¿a qué fin tanto exceso en el vestido y manjares? ¿A qué fin esa muchedumbre de criados y favorecidos que viven ociosos en confianza de tus haberes? ¿Para qué tantos perros, azores, gavilanes, monas, mesas de juego y truhanes? Nada se niega si lo pide alguno con recomendación de un rico. ¡En fatuos y bufones cuánto caudal se consume! para dar a estos no ponemos límites (lastimosa materia en que deliran altamente ahora los españoles), ¿y a honra y gloria de Dios nada se ha de hacer? Con la costumbre de los vicios se nos ha hecho tal callo que ya no sentimos unas cosas que nos dañan en tan gran manera. 5.c. Texto latino (I, cap. 8) [ed. Ch. Fantazzi, págs. 48 y 50] 45 truhanes y chocarreros] Traducción de moriones et eos qui risum movent. En el Diál. de Mercurio y Carón hay un pasaje paralelo: “Tras esto, eché de mi corte truhanes, chocarreros y vagabundos, quedándome solamente con aquellos de que tenía necesidad“ (ed. Rosa Navarro, p. 136). 46 nunca acaban de dar: Tras esta frase, B. Pérez omite la alusión crítica de Vives a sus paisanos: in quo Hispani mei magnifice insaniunt. 47 con la mala costumbre... callos: Cov. (s.v. “callo“): “Hacer callos en el vicio, envejecer en él“. Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 91 7. […] Nihil aliud videmus in civitate laborare homines nisi ut moriantur divites, non ut vivant. Iam si in senectutem haec conduntur aut morbos, quid sibi vult tantus in vestitu et epulis luxus? Ista ministrorum et clientum frequentia otiosorum fiducia tuarum opum? Tot canes, accipitres, simiae, alea, scurrae? Si quis in gratiam locupletis hominis petat, nihil resusatur. In moriones et eos qui risum movent, quam multa congeruntur? Istis non est dandi finis - in quo Hispani mei magnifice insaniunt! -, in gratiam Dei nihil est agendum. Consuetudine vitiorum occalluimus, ut iam non censeamus quae tantum laedunt. Esta obra y esta traducción, en fin, nos dan pie a una última glosa, donde se nos muestra el carácter constructivo, no sólo crítico, de la obra del humanista valenciano. Vives propone soluciones para que algunos de estos pobres puedan colaborar en el bien común, ser útiles a la república, en la medida de sus posibilidades. El humanista no ahorra detalles que muestren al lector (la obra latina iba dirigida a los regidores de Brujas y el traductor hizo lo propio con los de Valencia) que sus propuestas van más allá de lo meramente teórico. Texto 6: Tratado del socorro de pobres 6.a. Traducción de BPCH (II, cap. 3: De cómo se adquirirá mantenimiento para todos estos) [ed. J. Parellada, págs. 183-185] Por muchos que sean los suso dichos no les faltarán tiendas de oficiales do se recojan. En algunos lugares se quejan los perayles 48 que no hallan gente para sus oficios por sus dineros, y quasi los más oficiales tienen falta desto. Y en las ciudades do labran seda y tejen tapaçerías buscan muchachos para traer los tornos, danles de comer y su jornal, y no pueden hallar quién haga esto porque sus padres hallan más ganancia del mendigar. [...] No se consienta tampoco que los ciegos se estén mano sobre mano o que anden ociosos, pues hay muchas cosas en que pueden entender. Unos son buenos para estudiar: estudien, que muchos habemos visto dellos salir muy doctos; otros se den a la música, o aprendan a cantar, a tañer cuerda, tecla, flauta; otros traigan tornos o cuerdas, según fuere el oficio; otros traigan los fuelles en las fraguas, tejan cestillas, canastillos, jaulas, hagan cajas y otras cosillas desta manera que puedan bien aprender. Las mujeres ciegas hilen, devanen, hagan lo que quieran, con tal que no estén ociosas. La pereza y holgazanería son causa para que digan que no pueden trabajar. Los enfermos y los viejos según sus fuerzas así se ocupen en algo. Nadie es tan flaco que no le basten para algo las fuerzas. Desta manera no pensarán en cien mil vanidades en que se ocupan los ociosos. 6.b. Traducción de Nieto Ibarra (II, cap. 3: De qué modo se ha de buscar el alimento para todos estos) [ed. Prometeo, págs. 110-114] 48 Perayles: “el oficial de la lana“ (Cov. 862 a). Todo este párrafo está adaptado por el traductor, pues elimina las referencias locales (Armenter, Brujas) y las convierte en el genérico “En algunos lugares”. Nieto Ibarra es más literal. Joaquín Parellada 92 A todos estos no faltarán oficinas en donde sean admitidos; los que trabajan en lana en la población o lugar de Armenter, o, por mejor decir, los más de todos los artífices se quejan de la escasez que hay de oficiales; los que tejen las ropas de seda en Brujas conducirían y admitirían a cualesquiera muchachos solamente para hacer girar y rodar ciertos tornillos o ruedecillas, y darían a cada uno diariamente hasta la moneda llamada estufero, más o menos, fuera de la comida, y no se pueden hallar quien lo haga a causa de decir sus padres que de andar mendigando llevan a su casa más ganancia. [...] Ni a los ciegos se les ha de permitir o estar o andar ociosos; hay muchas cosas en que pueden ejercitarse; unos son a propósito para las letras, habiendo quien les lea; estudien, que en algunos de ellos vemos progresos de erudición nada despreciables; otros son aptos para la música, canten y toquen instrumentos de cuerda o de soplo; hagan otros andar tornos o ruedecillas; trabajen otros en los lagares ayudando a mover las prensas; den otros a los fuelles en las oficinas de los herreros; se sabe también que los ciegos hacen cajitas, cestillas, canastillos y jaulas, y las ciegas hilan y devanan; en pocas palabras, como no quieran holgar y huir del trabajo, fácilmente hallarán en qué ocuparse; la pereza y flojedad, y no el defecto del cuerpo, es el motivo para decir que nada pueden. A los enfermos y a los viejos dénseles también cosas fáciles de trabajar según su edad y salud; ninguno hay tan inválido que le falten del todo las fuerzas para hacer algo, y así se conseguirá que ocupados y dados al trabajo se les refrenen los malos pensamientos y malas intenciones que les nacen estando ociosos. 6.c. Texto latino (II, cap. 3: Qua de ratione eis omnibus prospiciatur victus) [ed. Ch. Fantazzi, págs. 102 y 104] 5. His omnibus non deerunt officinae in quibus recipiantur. Qui lanificium Armenterii exercent, immo plerique omnes opifices queruntur de raritate ac infrequentia operarum; et qui serica Brugensia contexunt, conducerent quosvis pueros tantum ad gyrandum quasdam rotulas, quibus numerarent quotidie singulos stuferos plus minus praeter cibarium; nec possunt invenire qui hoc agant; nam parentes eorum aiunt plus illos domum refere ex mendicatu! […] 10.Nec caecos patiar otiosos vel sedere vel obambulare. Sunt permulta in quibus se exerceant: alii ad litteras sunt idonei, studeant (in nonnullis horum progressus videmus eruditionis haud paenitendos); alii ad artem musicam, cantent, pulsent fides, inflent tibias; alii vertant trusatiles molas; alii trahant torcularia, alii agitent folles in ferrariis officinis. Capsulas, cistellas, canistella, caveolas scimus caecos componere; caecae nent et filum conglomerant; nolint modo desidere nec opus refugiant: facile in quo sint occupati invenient; segnities et socordia in causa est cur negent se quicquam posse, non corporis vitium. Infirmis quoque et senibus suggerantur levia pro aetate et valetudine quae operentur. Nemo tam est invalidus cui omnino vires desint alicui rei agendae. Ita fiet ut cogitationes et pravi affectus animi, qui otiosis subnascuntur, occupatis et operi intentis cohibeantur. El fragmento siguiente pertenece ya a la traducción de la Preparatio ad mortem. En él se describe cómo el hombre adulto se resiste a dejar los bienes mundanos, pero Erasmo le recuerda que no todo es hermoso ni agradable en Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 93 la vida terrenal. Ofrezco en este caso, de forma paralela, la traducción moderna de Riber. El cotejo con la del siglo XVI es revelador. La prosa humanista del XVI, sin afectación, contrasta con las metáforas, tópicos o lexicalizaciones poco afortunadas del traductor de Aguilar (“en vivo asalto“, “la hermosísima fábrica del cielo“, “el mundo en primavera y flor“). La comparación entre ambas traducciones, separadas por cuatro siglos, es reveladora Texto 7: Preparación y aparejo para bien morir 7.a. Traducción de BPCH [ed. J. Parellada, pág. 234] A muchos da pena la muerte porque solamente tienen ojo a los bienes que dejan acá. Entonces se les representa la hermosura del sol, la hermosa compostura del cielo, la gentileza del verano, los juegos, los convites, la mujer, los hijos, las casas, los jardines. Abre pues los otros ojos y mira cuánto más son los males que dejas que los bienes, y en aquellas mismas cosas que te parecen bienes, cuánta mezcla hay de desventura y de amargura. Revuelve 49 la memoria por todas tus edades, y verás cuán sucio fue tu concebimiento 50 , a cuántos peligros estuvo sujeta tu niñez, a cuántas injurias aparejada tu mocedad, en cuántos vicios envuelta tu juventud, en cuántos cuidados distraída tu ancianidad, y cuán miserable es tu vejez 51 . 7.b. Traducción de Lorenzo Riber (ed. Aguilar, pág. 499) Son en gran número aquellos a quienes la muerte atormenta porque atienden no más que a las comodidades que dejan en este mundo. En vivo asalto impresionan su sensibilidad, la grata vista de la luz, la hermosísima fábrica del cielo, el mundo en primavera y flor, los juegos, los placeres de la mesa, la esposa, los hijos, la casa, las huertas. Pero no basta con un solo ojo material; hay que abrir aquel otro ojo que nos haga ver cuánto mayores son los males de que la muerte nos exime que los bienes que acá dejamos; y que, aun en estos llamados bienes, en cuánta proporción los vician las calamidades y las amarguras. Recorra, enhorabuena, la memoria todas las fases de la vida, la fealdad de la concepción, los peligros de la gestación, cuán de complacer el nacimiento; a cuántos males está expuesta la infancia, a cuántos azares ocasionada la mocedad, con cuántos vicios suele 49 Domingo Ynduráin, comenta este pasaje de la traducción (Humanismo y Renacimiento en España, pp. 448-9): “Erasmo... adopta [aquí] un tono que no extrañaría en el más siniestro de los clérigos“. Según este autor, “algo semejante dirá Quevedo, unas veces en broma, otras en serio. Una de las fuentes de esto es el San Agustín de La ciudad de Dios, XXI, 14“. 50 Concebimiento: Tras esta palabra om.: quam periculosa gestatio, quam miseranda natiuitas 51 Estas cinco edades del hombre que nos ofrece Pérez de Chinchón siguiendo a Erasmo, no se corresponden ni con las cuatro de Horacio ni con las tres de Aristóteles; la fuente podría ser Marco Varrón: vid. Pedro Mexía, Silva de varia lección, I, 45, quien habla de niños, adolescentes, jóvenes, seniores y viejos. Venegas (Agon. , VI, 12) enumera 8: 'infancia, puericia, adolescencia, juventud, pubertad, vejez, decrepitud y muerte'. Cov., aunque sólo da 7, parece seguirle, pues sólo elimina la última y cambia el nombre de 'virilidad' por el de 'pubertad'. En fin, Dante (Conv., 4, 23), aunque cita 4, llama a las dos últimas ‘senectud’ y ‘senilidad’ (debo esta última información a M. A. Granada). Joaquín Parellada 94 mancillarse la juventud; cuántos son los cuidados que despedazan la edad viril, y la vejez, cuán calamitosa. 7.c. Texto latino (Opera omnia, ASD, líneas 285-294) Multos enim discruciat mors, tantum intuentes, quae commoda hic relinquant. Tum in mentem veniunt iucundus solis aspectus, pulcherrima coeli machina, amoena mundi vernantis species, lusus, convivia, uxor, liberi, domus, horti. Sed aperiendus est alter oculus, quo perspicias, quanto plus malorum hic relinquas quam bonorum, et in his ipsis, quae bona videntur, quantum admixtum sit calamitatis et amaritudinis. Recurrat memoria per omnis vitae gradus, quam sordida conceptio, quam periculosa gestatio, quam miseranda nativitas, quot malis exposita infantia, quot obnoxia iniuriis adolescentia, quot vitiis inquinata iuventus, quot curis districta virilis aetas, quam calamitosa senectus. En fin, el texto 8 insiste en esta misma crítica. Podríamos hablar aquí de un carpe diem invertido. Erasmo critica a quienes pretenden disfrutar de la vida mientras creen que pueden, al tiempo que van repitiendo: “ya expiaré mis pecados cuando sea viejo”. Tampoco aquí está Riber, en nuestra modesta opinión, muy afortunado: “Soy verde... la flor de mis años lozanos... en el interín... generosamente deseoso“. Preocupa pensar que muchos han leído a Erasmo (y a Vives) en estas versiones tan afectadas literariamente como poco literales en algunos casos. Texto 8: Preparación y aparejo para bien morir 8.a. Traducción de BPCH (ed. J. Parellada, pág. 244) Haláganse muchos diciendo: “mancebo 52 soy, gozaré agora deste mundo, cuando fuere viejo viviré bien”. ¡Oh necio! ¿y quién te asegura que llegarás a viejo? Otro dice: “quiérome dar a placer mientras florece mi edad, cuando me casare empezaré a recogerme”. ¡Oh lisonjero de ti mismo! 53 ¿qué sabes si llegarás a mañana? Otro dice: “Algún día por ventura me meteré fraile, allí lloraré mi mala vida; entre tanto gozar quiero del mundo! ” Dime, dado caso que no te falte la vida, ¿quién te segura esa voluntad que quieras después cambiar tus deleite por áspera penitencia? ¿Piensas que esa intención estará siempre en tu mano? Sola la gracia de Jesucristo es la que da reconocimiento al pecador. 8.b. Traducción de Lorenzo Riber (Obras escogidas, ed. Aguilar, pág. 499) Dice el uno: ‘Soy verde, gozaré de este mundo; así que fuere viejo, me consagraré a la piedad’. Pero dime: la longevidad, ¿quién te la prometió? El otro dice: ‘Mientras la flor de mis años lozanea, daré gusto a mis gustos. Así que tomare mujer, empezaré a comedirme’. Pero, ¿cómo sabes que vivirás pasado mañana? Y hay quien piensa, por ventura: ‘Un día u otro entraré en religión; allí lloraré mi vida pasada y mi tiempo perdido; en el ínterin, disfrutaré del mundo’. En el caso 52 Mancebo: Aquí es traducción de iuvenis, opuesto a senex (“viejo“) 53 Estas dos exclamaciones (“¡Oh necio! ...¡Oh lisongero de ti mismo! ”) son traducción de sendas expresiones griegas: ó deine y ó aâtokolax respectivamente Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 95 de que tu vida no quede cortada bruscamente, ¿quién te garantizó la perseverancia de esta voluntad, generosamente deseosa de compensar con la penitencia la anterior vida regalada? ¿Es que existe alguien que pueda atribuirse esta resolución? la gracia de Cristo, y no más que su gracia, puede hacer que el pecador vuelva a la cordura. 8.c. Texto latino (Opera omnia, ASD, líneas 454-461) Sic sibi blanditur aliquis: ‘iuvenis sum, fruar hoc mundo; ubi ad senectutem venero, pietatem colam’. At, ó deine, quis tibi promisit senectutem? Alius: ‘dum floreat aetas, indugebo genio; ubi ducta erit uxor, incipiam esse frugi’. At, ó aâtokolax, quis scis an perendie sis victurus? Est fortasse qui cogitet: ‘aliquando fiam monachus; ibi deplorabo vitam male actam; interim fruar mundo’. Ut vita suppetat, quis tibi pollicitus est istam voluntatem, quae cupiat pro voluptatibus amplecti poenitentiam? An istam mentem sibi quisquam dare potest? Ut ad cor redeat peccator sola Christi gratia praestat. Conclusiones El principal problema a la hora de enfrentarnos con estas traslaciones áureas es que quedan en terreno de nadie (aunque sería magnífico decir todo lo contrario: que son interdisciplinares): a los latinistas no siempre les interesan porque son traducciones parciales y, a veces, poco rigurosas; a los que procedemos del campo del hispanismo nos falta, en ocasiones, una base de conocimientos clásicos, empezando por la lengua; en fin, los especialistas de otras materias se acercan a estos textos con otros intereses. Si ya el latín utilizado por los humanistas del Renacimiento no ha sido objeto de interés y de estudio hasta tiempos recientes, 54 las traducciones castellanas de estos autores quedan todavía en una situación más secundaria. En general, la lengua de estos humanistas ayudó a forjar la prosa española de la época tanto como la de los grandes escritores. No hay duda de que estos textos traducidos del latín difícilmente formarán parte del canon literario de la época; en buena parte porque el género al que pertenecen es más bien ensayístico. Y sin embargo su prosa muchas veces tiene poco que envidiar a la de los diálogos de los hermanos Valdés, a la de Villalón u otros autores contemporáneos. De los dos traductores que hemos glosado aquí, el primero, Bernardo Pérez es, comparado con otros de su época e incluso posteriores, uno de los primeros en considerar su trabajo con un rigor que hoy llamaríamos profesional, cercano al de los traductores modernos y contemporáneos. 54 Debe leerse, con gran provecho, el artículo del profesor Juan F. Alcina: “Literatura neolatina y cultura española en el siglo de oro: un balance”, en el número 725 de “Ínsula”, del mes de mayo de 2007. Joaquín Parellada 96 Tanto él como Justiniano comparten (además de ciertos aspectos biográficos) el gusto por el registro coloquial y proverbial, el interés por lo cotidiano, lo familiar, lo personal incluso (aquello que tanto desagradaba a Erasmo con respecto a Vives) visible en el uso de los diminutivos, en ciertas interrogaciones retóricas o en las llamadas al lector. Por último, aunque este sea un criterio valorativo y, por tanto, subjetivo, creo firmemente que ambos aúnan la habilidad expresiva con una voluntad de estilo narrativa de raíz literaria. Quizá el origen de este rasgo esté ya en el propio Vives, como tan bien supo ver el maestro Azorín Vives siente un intenso amor por las cosas pequeñas: todos estos filósofos del Renacimiento parece que han visto irradiarse en las cosas, tras larga oscuridad, el alma perdurable e inquietadora del universo. El Renacimiento es como un grande amor a la vida, a los hombres y a las cosas: la armonía que en nuestra existencia diaria forman los detalles y los objetos menudos se revela de pronto en las páginas de estos graves pensadores, silenciosos y dignos. Juan Luis Vives ha sentido, acaso mejor que nadie, la eterna poesía de lo pequeño y cotidiano. 55 55 Azorín, Lecturas españolas, Espasa-Calpe (Austral, 36), Madrid, 1938, p. 17. Una sensibilidad parecida - aunque menos acertada en sus intuiciones, a mi juicio - tuvo el doctor Marañón con respecto a nuestro humanista. Léanse sus páginas de Españoles fuera de España, (Espasa-Calpe, Madrid, 1947) donde recrea con acierto, a partir de las páginas de los Diálogos, pero también de la Instrucción de la mujer cristiana, la vida cotidiana del “emigrado” Vives, en París y en Brujas. Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 97 Apéndice: corpus detallado A. Traducciones de Erasmo 56 1. De la Precatio Dominica (1525) - 1528 (Logroño, Miguel de Eguía) - 1549 (Amberes, Juan Gravio) 2. De los Sileni Alcibiadis (1518) [traducción de BPCH] - 1529 (Valencia, Jorge Costilla) - 1555 (Amberes, Martin Nucio) s.a. [¿circa 1550? ] (sin lugar ni impresor) - 1996, Círculo de lectores, edición de M. A. Granada (Erasmo, Escritos de crítica religiosa y política) 3. De la Lingua (1525) [traducción de BPCH] - 1531 (Valencia, impresor desconocido) - 1533 (Sevilla, Juan Cromberger) - 1533 (Toledo, Juan de Villaquirán y Juan de Ayala) - 1535 (Sevilla, Juan Cromberger) - 1542 (Sevilla, prensas de Cromberger) - 1543 ó 1544 (Sevilla, prensas de Cromberger) - 1550 (Amberes, Martín Nucio) - 1551 (Zaragoza, Miguel de Çapila) - 1975, Real Academia Española (Anejo XXXI), edición de D. S. Severin 4. Del Liber de preparatione ad mortem (1534) 4.1. traducción de BPCH - 1535 (Valencia, Francisco Díaz Romano) - 1545 (Sevilla, Antón Álvarez) - 1549 (Amberes, Juan Gravio) - 1551 (Sevilla, Cristóbal Álvarez) - 1555 (Amberes, Martín Nucio) - 2000, Fundación Universitaria Española / Universidad Pontificia de Salamanca, edición de J. Parellada 4.2. traducción anónima - 1535 (Burgos, Juan de Junta) 5. Del Decalogi preaeceptorum (1533) - 1535 (Valencia, Francisco Díaz Romano) 56 Para el texto latino de Erasmo hemos utilizado la edición de las obras completas que se viene editando en Amsterdam desde 1969, conocida con las siglas ASD. Joaquín Parellada 98 B. Traducciones de Vives 57 1. Del De subventione pauperum (1526) 1.1. De BPCH - 2006, Pre-textos. Traducción inédita, de Bernardo Pérez de Chinchón (a partir del ms. autógrafo de la Bca. Serrano Morales). Edición de J. Parellada. 1.2. De Juan de Gonzalo Nieto Ibarra - 1781, Benito Montfort [impresa bajo los auspicios de los hermanos Mayans] - 1873, en la “Biblioteca de Autores Españoles”. Prólogo de Adolfo de Castro. s.a. [c. 1915], Prometeo. - 1991, Ministerio de Asuntos Sociales. Facsímil de la de Benito Montfort. - 1991, Vicent García editor. Nuevo facsímil de la de 1781. 1.3. Otros traductores - 1942, “Amigos de Luis Vives”. Traductor desconocido. Prólogo de Alcayde Villar. - 1947, Aguilar. Traducción de Lorenzo Riber, dentro de las Obras Completas de J.L. Vives, traducidas por él mismo. Estas obras completas fueron reeditadas en facsímil por la Generalitat Valenciana, en 1992. - 1992, Hacer editorial. Traducción de Demetrio Casado. - 1997, Tecnos. Traducción de Luis Fraile Delgado. 2. Del De institutione feminae christianae (1524) 2.1. De Juan Justiniano - 1528, Valencia, Jorge Costilla - 1539, Zamora, Pedro Tovans - 1539, Zaragoza, George Coci - 1545, Zaragoza, George Coci - 1555, Zaragoza, Bartolomé de Nájera - 1576, Caller [Cagliari], Vincencio Sembenino - 1584, Valladolid, Diego Fernández de Córdoba - 1792, Madrid, Imprenta de la Viuda e Hijo de Marín - 1793, Madrid, Benito Cano - 1936, editorial Signo. Edición a cargo de Salvador Fernández Ramírez. Selección del texto original. 57 Las citas latinas de Vives provienen de las Selected works of J.L. Vives, impresas por Brill. Los dos textos mencionados han estado al cuidado del profesor Charles Fantazzi (en colaboración con el fallecido profesor Matheeussen) Traductores de Erasmo y Vives en el siglo XVI 99 - 1940, Espasa-Calpe (Austral, 138). Contiene sólo el primer libro “De la virgen”. Reediciones en 1943, 1944 y 1948. - 1995, Fundación Universitaria Española (espirituales españoles, 43). “Introducción, revisión y notas de Elizabeth Teresa Howe”. Edición completa pero defectuosa. 2.2. Traducción de Juan Justiniano, corregida y enmendada por mano anónima. - 1529, Alcalá de Henares, Miguel de Eguía - 1535, Sevilla, Juan Varela de Salamanca 2.3. Otras traducciones - 1994, Ajuntament de València. Trad. de Joaquín Beltrán Christiane Pérez González Lateinisch oder Spanisch? Übersetzung und Sprachenfrage im spanischen Jesuitentheater am Beginn des Siglo de Oro Das europäische Jesuitentheater ist seinem Wesen nach ein lateinisches Theater. Dies ist kein Zufall, sondern Folge und zugleich Manifestation der in dem Begriff virtus litterata gespiegelten humanistischen Symbiose von lateinischer Sprache und sittlicher Bildung, die seit dem 14. Jahrhundert auf der Bühne zur Darstellung gelangte. 1 Diese neulateinische Dramatik lebte als ein die ganze Frühe Neuzeit durchziehendes Phänomen vor allem im schulischen und akademischen Milieu; von hier übernahmen es die Jesuiten und formten es im katholisch-gegenreformatorischen Sinne überaus erfolgreich aus. 2 Dabei distanzierten sich die Jesuiten zwar von einem paganen Traditionen folgenden Humanismus - „Der Humanismus mußte getauft werden“, nennt Fidel Rädle diesen Vorgang 3 -, doch blieb ihnen die Bedeutung des Lateinischen als eines universal gültigen Wertes erhalten, verstärkt noch durch die seit dem Tridentinum spezifisch katholische Konnotation der lateinischen Sprache im Zeitalter der Gegenreformation. Die Ratio studiorum der Jesuiten von 1586, Vorläufer der endgültigen Studienordnung von 1599, verkündet deutlich Sinn und Zweck der Pflege des Lateinischen: Adde, quod linguae latinae scientia atque usu nostri cumprimis indigent propter variarum nationum communicationem, propter scholasticas exercitationes, theologorum etiam et philosophorum, propter frequentes librorum et tractatuum scriptiones, propter germanam intelligentiam sanctorum patrum, qui satis latine scripserunt; propter frequentem cum viris doctis consuetudinem. Tandem horum studiorum adminiculo potius quam superiorum facultatum Societas brevi propagata est in praecipuas orbis christiani partes… Et nisi hoc insigne ornamentum, quo Deus Societatem cohonestare dignatus est, tueri studeamus, 1 Vgl. Rädle 2004a; Meier 2004; zum Stellenwert und zur Funktion des Lateinischen im europäischen Humanismus vgl. Böhme 1986; Jensen 1996; Moss 2003. Einen ersten Überblick über die neulateinische Dramatik bei Ijsewijn 1998: 139-164. 2 Einen gesamteuropäischen Überblick über das Jesuitentheater bei McCabe 1983, zur Sprache besonders 54f., und die Enciclopedia dello Spettacolo: Sp. 1159-1177. Eine Bibliographie der grundlegenden, sich meist auch zur grundsätzlichen Anwendung des Lateinischen äußernden Literatur über das Jesuitendrama in den einzelnen europäischen Regionen bei Griffin 1995. Vgl. außerdem Pérez González 2008. 3 Rädle 1979: 179; vgl. auch Rädle 2000. Christiane Pérez González 102 verendum est, ne in eam barbariem, quam in aliis probare non solemus, facile dilabamur. 4 Latein sei die „communissima… lingua, [et] universalissima, vulgatissima, notissima, praestantissima, et utilissima, et cuius cognitio dignissima, et prae caeteris necessaria“, schrieb 1574 Diego Ledesma, spanischer Jesuit an höchster Stelle in Rom. 5 Folgerichtig verlangten die ordensinternen Vorschriften nachdrücklich auch die Anwendung der lateinischen Sprache im Theater, 6 und ebenso folgerichtig tritt uns die Überlieferung des Jesuitentheaters bis weit ins 17. Jahrhundert, teilweise konsequent bis ins 18. Jahrhundert in Latein entgegen. 7 Wie die neulateinische Dramatik generell zielte dabei auch das Jesuitentheater in erster Linie auf die Didaxe: 8 Es sollte einerseits die Schüler, die in den meisten Fällen als Darsteller fungierten, in ihren mimischen, gestischen und sprachlichen Fertigkeiten fördern, andererseits die Schüler wie ihr Publikum aber durch den Inhalt der Dramen vor allem moralisch und religiös unterweisen. Es ist ein oft unterschätzter Umstand, daß die Anwendung der lateinischen Sprache, die für weite Teile der Bevölkerung ja nicht verständlich war, dabei offensichtlich kein Hindernis darstellte: Die mehrmals jährlich von den Kollegien ausgerichteten Aufführungen besaßen das Potential, beachtliche Zuschauermengen zu versammeln, die von den höchsten Kreisen bis ins breite Volk reichten. Zahlreiche Berichte bezeugen tumultuarische Szenen beim Einlaß. Möglich 4 Monumenta Paedagogica Bd. 5: 111. Vgl. Rädle 2004b. Zum Sprachendiskurs des Tridentinums außerdem Lentner 1964. 5 De divinis scripturis, zitiert nach Smolinsky 1998: 187. Über Ledesma Lukasz 2001. Zur Vielfalt der Funktionen des Lateinischen im 16. Jahrhundert Burke 1989, Waquet 1998, Ludwig 2003. 6 1580 bestimmte der Ordensgeneral Mercurian in den Regulae praepositi provincialis et rectoris de literarum studiis: „Comoedias et tragoedias rarissime agi permittat; et non nisi latinas ac decentes; et prius aut ipse eas examinet aut aliis examinandas committat.“ Monumenta Paedagogica Bd. 4, S. 21 (Mon. 5 §57). Die handschriftliche Version stammt von 1578, 1580 erschien die Druckversion. Die Ratio studiorum von 1599 wiederholt diese Vorschriften und legt sie damit endgültig fest: „Tragoediarum et comoediarum, quas non nisi latinas ac rarissimas esse oportet, argumentum sacrum sit ac pium; neque quicquam actibus interponatur, quod non latinum sit et decorum, nec persona ulla muliebris vel habitus introducatur.” Monumenta Paedagogica Bd. 5: S. 371 (Regulae Rectoris §13). 7 Während sich in Italien und Frankreich schon im 17. Jahrhundert volkssprachige Formen entwickeln, hält man in den deutschsprachigen Provinzen und in Osteuropa teilweise bis zur Auflösung des Ordens an der lateinischen Sprache fest. Vgl. die oben Anm. 2 genannte Literatur. Untersuchungen über die Verbreitung der lateinischen Sprache im Jesuitentheater fehlen für die meisten europäischen Regionen; für Deutschland Valentin 1980, Rädle 1994, Bauer 1998. 8 Meyer 2007; Wimmer 1982; Fuhrmann 2001: 72ff. Vgl. auch das Kapitel 6 der Ratio Studiorum von 1586: „7. Adolescentes tandem eorumque parentes mirifice exhilarantur atque accenduntur, nostrae etiam devinciuntur Societati, cum nostra opera possunt in theatro pueri aliquod sui studii, actionis, memoriae specimen exhibere“, Monumenta Paedagogica Bd. 5: 137. Lateinisch oder Spanisch? 103 war dies durch eine Synthese verschiedenster Vermittlungsformen in der Dramaturgie: Allegorische Figuren, die dem Zuschauer Botschaften versinnbildlichen sollten, sowie eine überaus aufwendige und effektorientierte Szenerie dienten der plastischen, nonverbalen und mit der Erregung von Affekten spielenden Vermittlung der wesentlichen Botschaften des Stückes. Die Jesuiten verfaßten außerdem volkssprachige Prologe und Argumenta und ließen seit dem Ende des 16. Jahrhunderts Periochen drucken, d. h. Programmblätter mit volkssprachigen Inhaltsangaben der einzelnen Szenen, die dem Publikum an die Hand gegeben wurden und eine Orientierung im Stück ermöglichten. 9 Gänzlich aus diesem Rahmen fällt die Entwicklung in Spanien: Von den überlieferten knapp 250 dramatischen Dichtungen der Jesuiten sind lediglich 35 in lateinischer Sprache geschrieben. Die übrigen mischen dem Latein bereits im 16. Jahrhundert reichlich Spanisches bei, meist lyrische Partien; sie geben nicht nur Prologe, Argumenta und bisweilen ein spanisches Entremés hinzu, sondern stellen spanische Szenen und Dialoge zunehmend gleichberechtigt neben das Lateinische, bis schließlich schon im 17. Jahrhundert die spanische Sprache dominiert. 10 Wie sehr diese Entwicklung im Widerspruch zu den Vorgaben auch der innerspanischen Ordensobrigkeiten stand, verdeutlichen die Iudicia patrum in provinciis S.I. deputatorum de Rationis studiorum (1586) tractatu, die Stellungnahmen der Deputierten der einzelnen Ordensprovinzen zur Frühfassung der Ratio studiorum. Zu den Sprachvorgaben im Theater heißt es dazu aus Aragon etwa: Magis explicandum videtur id, quod dicitur in regula 58 provincialis de comaediis atque tragaediis. Ne videlicet agi permittant non solum comaedias atque tragaedias, sed ne dialogos quidem aut colloquia vulgari sermone, nisi videretur alicubi oportere conscribi argumentum operis patria lingua. 11 Juan Mariana aus Toledo ergänzt: De dialogis et tragaediis duo videntur constituenda; nempe ut raro agantur; nam labori fructus non respondit, et puerorum mores parum eo studio iuvantur; deinde severe sanciendum, ne quid agatur lingua vulgari. 12 9 Bauer 1994: bes. 200f; Rädle 1988. Zu den Periochen vgl. die umfangreiche Edition von Szarota 1979-1987. 10 Vgl. die in Anm. 13 genannten Repertorien des Jesuitentheaters. Das Jesuitentheater ist bis auf wenige Ausnahmen des 17. Jahrhunderts handschriftlich überliefert. Der größter Teil befindet sich heute in der Real Academía de la Historia in Madrid als Teil des Bestandes Biblioteca de Cortes, auch Colección Cortes genannt. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Überlieferung einiger wichtiger Zentren fehlt, wie z.B. Burgos, Ocaña, Toledo und Salamanca oder die peninsularen Teilen der Provinz Aragón, ist das Gewicht der Volkssprache zu Lasten des Lateinischen dennoch und im Unterschied zu den Überlieferungen außerhalb Spaniens schon im 16. Jahrhundert sehr deutlich. 11 Monumenta Paedagogica Bd. 6: S. 352. 12 ebd. Christiane Pérez González 104 Die Frage, warum die Jesuiten zunehmend die spanische Sprache für ihre Dramatik verwenden, wird in der Sekundärliteratur mit der missionarischen Absicht der Jesuiten begründet. 13 So schreibt Menéndez Peláez in seinem Überblickswerk von 1995: Como humanistas que son, quieren conservar la lengua latina en su teatro, teniendo en cuenta que aquellas representaciones eran los ejercicios prácticos para los alumnos de la clase de Latín y de Retórica; pero, como pedagogos de la doctrina cristiana, se dan cuenta de que sus consejos y avisos morales no podían llegar con la fuerza necesaria a los padres, familiares y amigos de los estudiantes, así como a al gran masa popular que con frecuencia asistía a sus espectáculos teatrales. Esta circunstancia hizo que el romance fuese poco a poco invadiendo al texto del teatro jesuítico… 14 Diese Interpretation aber vernachlässigt nicht nur den Umstand, daß in den übrigen Ordensprovinzen die Anwendung des Lateinischen keinen Widerspruch zur Moraldidaxe darstellte, sondern übersieht auch den sinnstiftenden Wert des Lateinischen, seine geradezu symbolische Bedeutung, die sich im europäischen Jesuitentheater durchgängig noch im 17. Jahrhundert auf der Bühne manifestierte, während man in Spanien zur gleichen Zeit bereits ein nahezu rein volkssprachiges Jesuitentheater kultivierte. Ich möchte an dieser Stelle etwas verharren und ein Beispiel aus Andalusien beibringen, das recht gut geeignet ist, die rückläufige Anwendung der lateinischen Sprache aufzuzeigen und nach den dahinterstehenden Absichten zu fragen. Es handelt sich um folgenden Vorgang: Am Fronleichnamstag des Jahres 1561 wurde im 1553 gegründeten Jesuitenkolleg von Córdoba vor einem großen und exquisiten Publikum die lateinische Comedia Metanea von Pedro Pablo de Acevedo aufgeführt, einem der prominentesten und am besten erforschten Autoren lateinischer Jesuitendramatik, der zugleich ihr 13 Grundlegend für die weitere Forschung am Jesuitentheater waren die ersten Überblicksarbeiten von García Soriano 1927-1932 sowie Ders. 1945. Von der jüngeren Literatur mit der besten Einführung Alonso Asenjo 1995, dessen Einleitung in korrigierter und aktualisierter Form auch als elektronische Ressource verfügbar ist; vgl. außerdem Elizalde 1962, Segura 1985, Menéndez Peláez 1995, González Gutiérrez 1997. Die in den beiden letztgenannten Werken mitgelieferten Repertorien der Überlieferung sind stellenweise sehr fehlerhaft; eine korrigierte Fassung bieten Menéndez Peláez 2004a, sowie unter Erfassung der gesamten Überlieferung des spanischen Schultheaters Alonso Asenjo 2007, der zudem eine umfangreiche Datenbank eingerichtet hat in Parnaseo, dem literaturwissenschaftlichen Portal der Universität Valencia, als Teil der elektronischen Ressource Revista TeatrEsco. Antiguo Teatro Escolar Hispánico (http: / / parnaseo.uv.es/ Ars/ teatresco/ BaseDatos/ Bases_teatro_Escolar.htm). Unter dem Autorenstichwort 'jesuita' werden sämtliche Einträge zum Jesuitentheater angeboten. Von deutscher Seite zuletzt Briesemeister 1985. Für das 17. Jahrhundert Menéndez Peláez 2004b. 14 Menéndez Peláez 1995: 84, und gleichlautend Menéndez Peláez 2003: 602. Lateinisch oder Spanisch? 105 frühester Zeuge in Spanien ist. 15 Bei der Comedia Metanea handelt sich um ein moralisch-allegorisches Drama, in welchem die Buße als Personifikation auftritt und sich um verschiedene Protagonisten bemüht. Derartige Sujets sind typisch für die großen Dramen von Acevedo. Der Ablauf des Festes ist uns in einer Schilderung erhalten, die dem für alle Kollegien obligatorischen vierteljährlichen Bericht an die Ordensleitung mitgegeben ist. In diesem Fall ist der Autor des Stückes, Acevedo, selbst der Verfasser: En la tarde, dia de Sant Juan, se representó vna comedia, a que se hallara presente el R.mo S.or obispo, si su erfermedad no lo impidiera. Halláronse presentes los señores inquisidores, prouisor y visitador, muchos caualleros, religiosos de algunas órdenes; de Sant Pablo, el P.e prior, fray Lorenço, con algunos des sus frayles; de gente de la cibdad vuo grande número, más que ninguna otra vez. Oyóse con grande attención, moción y lágrimas, que con sus affectos verdaderos sacauan los representantes, porque el argumento de la comedia fue de penitencia. Vuo en el proceso della pasos que causauan grande aduertençia, dauan grande aviso. Rematóse con vn alma de los impenitentes en el infierno, y otra en el çielo, pasando primero por purgatorio. Los actores se confesaron y comulgaron, los de 15 Edition und Einführung in Autor und Werk bei Alonso Asenjo 1995, Bd. 1: 87-212. Eine neue Edition von Sierra de Cózar in Bd. 2 von Picón ist im Erscheinen begriffen, lag aber bei Redaktionsschluß noch nicht vor. Die Comedia Metanea befindet sich in einer Handschrift aus der Real Academia de la Historia (9/ 2564, f. 200r-211v), die 28 weitere dramatische Dichtungen von Acevedo enthält. Acevedo zählt zu den am besten erforschten Jesuitendramatikern in Spanien, mit ihm beschäftigten sich in Einzelstudien Saa 1973 und Domingo Malvadi 2001. Zur Comedia Metanea vgl. außerdem Sierra de Cózar 1996. Strittig ist der Zeitpunkt der Erstaufführung: Während ein Eintrag in der Handschrift das Jahr 1556 angibt, scheint andererseits eine Aufführung für 1561 gesichert, deren Beschreibung in einem Brief von Acevedo an die Ordensleitung vom 1. September 1561 erhalten ist (Litterae Quadrimestres Bd. 7: 445-446). Von einer früheren Aufführung ist hier nicht die Rede. Alonso Asenjo 1995, Bd. 1: 99f. plädiert für eine Erstaufführung 1556 und eine Zweitaufführung 1561 und stützt sich dabei auf einen Brief von J. López an Laínez mit Datum 30. November 1556 (Epistolae mixtae Bd. 5: 533- 535), in dem von der Aufführung eines nicht näher benannten, aber thematisch mit der Comedia Metanea verwandten Stückes am Festtag der Kollegspatronin Katharina von Alexandria am 25. (oder 27.) November 1556 die Rede ist. Domingo Malvadi 2001: 110ff., und Sierra de Cózar 1996: 937, wenden dagegen überzeugend ein, daß im wieteren Verlauf des Briefes von einer Druckvorlage des zur Aufführung gebrachte Stückes gesprochen wird und es sich daher nicht um die Comedia Metanea gehandelt haben kann, wobei Domingo Malvadi durch die fälschliche Zuweisung dieses Briefes an Bartolomé Bustamente und das Datum 30. Oktober 1556 nicht unerheblich Verwirrung stiftet (ebd. 111). Es könnte sich bei der Aufführung im November um den Euripus von Brecht gehandelt haben (vgl. den Brief vom 31. Dezember 1556, ebenfalls von López an Laínez, in den Litterae Quadrimestres Bd. 4: 626f., lateinische Version aus dem Archivum Historicum Societatis Iesu bei Alonso Asenjo 1995: 99). Ein Blick in die Handschrift zeigt außerdem, daß das dort angegebene Datum 1556 ein Zusatz von anderer, wesentlich späterer Hand ist, deren Urheber sich vielleicht gleichfalls auf den Brief vom 30. November 1556 gestützt hat in Unkenntnis des Briefes von Acevedo von 1561, der erst 1932 und dazu noch an anderer Stelle ediert wurde. Christiane Pérez González 106 edad, aquel día, y ansí lo recitauan muj de ueras. Hizose en munchas almas fruto, porque después se uinieron algunos a confesar, a quien el Señor alli tocó. 16 Auf Bitten des Bischofs von Córdoba, der zugleich ein Förderer der jesuitischen Angelegenheiten in der Stadt war, wurde in der darauffolgenden Woche das Stück erneut aufgeführt, diesmal vor einem noch größeren Publikum in der Kathedralkirche von Córdoba. Dazu übersetzte Acevedo einzelne Szenen des Stückes in die Volkssprache: El S.or obispo y cabildo de la yglesia embiaron a pedir con instançia al P.e rector se representasse en la yglesia mayor; y así se hizo. Halláronse a ella todos los señores de la yglesia, y gente de todo orden, doblada que en nuestra casa, por ser el lugar muj más capaz. Oyóse esta segunda vez con más atención y no menor moción, ni creo que fruto. Conuirtiéronse en romançe algunas scenas, y lo que las dos almas dixeron, que fué lo que tuuo el auditorio más suspenso. 17 Etwa 25 Jahre später kam es in Sevilla zu einer Neuaufführung in adaptierter Form, in der Sekundärliteratur als Historia Floridevi bekannt. 18 Ihr Autor ist Hernando de Ávila, der - hochgelobt wegen seiner spanischen Verskunst - zur Prominenz der Theaterautoren zählte und heute vor allem geläufig ist durch seine Beteiligung an der Tragedia de San Hermengildo, vielleicht das bekannteste spanische Jesuitendrama. 19 Ávila aber erweiterte den lateinischen Ausgangstext nicht nur, er hispanisierte ihn zugleich in großen Teilen. Das Latein spielte nun nur noch eine untergeordnete Rolle im Stück. Gleich zweifach also erfuhr die Comedia Metanea eine volkssprachige Bearbeitung. Es erscheint naheliegend, wenn man mit Menéndez Peláez annimmt, daß damit die moralisch-religiöse Unterweisung des Zuschauers verstärkt werden sollte, indem man die zentralen Szenen des Stückes in die Volkssprache transportierte. Doch ein genauerer Blick auf die Verortung der Volkssprache im dramatischen Gefüge offenbart etwas anderes. Dazu sei zunächst der Inhalt des Ursprungstextes zusammengefaßt: Der erste Akt beginnt mit einem Monolog von Metanea, die die Abwendung der Menschen von ihr beweint, besonders aber die der Kinder und jungen Leute (I, 1); Diabolus, ihr Gegenspieler, tritt auf, und fordert ebenfalls in einem Monolog die Menschen auf, das Leben zu genießen, sich keine Sorgen um den Tod zu machen; die Mächtigen sollen sich nicht um Gesetze oder Fürsorge für Witwen grämen; er verspricht den Männern viele Frauen und 16 Litterae quadrimestres Bd. 7: 445-446. 17 Ebd. 18 Überliefert in der Handschrift der Hispanic Society of America B-1383 ohne Titel, f. 185r-236r. Von Alonso Asenjo 1995,1: 63 stammt die Betitelung Historia Floridevi nach seinem Protagonisten. 19 Vgl. Alonso Asenjo 1995, Bd. 2, mit der besten Edition der Tragedia de San Hermenegildo und einer fundierten Einführung, sowie zu Hernando de Ávila ebd. Bd. 1: 247-262, mit weiterer Literatur. Lateinisch oder Spanisch? 107 den Alten ewige Jugend (I, 2). Ein leichtsinniger Jüngling, der geldgierige Euclion, der hochmütige Superbus und der wollüstige Concupiscens lassen sich zur Freude von Diabolus einlullen (I, 2-3); Metanea beweint die Menschen, die in die trügerischen Netze von Diabolus gegangen sind, und wird von Diablolus und seinen Opfern höhnisch verjagt (1, 4). Metanea tröstet sich mit dem Gedanken, daß zumindest die jungen Leute noch umkehren können. Im zweiten Akt beschließen Diabolus und seine Helfer Cupido und Mundus, sich nun auch an dem vorbildlichen Schüler zu versuchen, und entsenden dazu Cupido (II, 1). Der Schüler gerät ins Wanken durch die „sirenum voces“ des Verführers; er ruft Maria und den Gottessohn um Beistand an und gewinnt neue Kraft: Er erkennt das frevlerische Vorhaben von Cupido (II, 2). Dieser ergreift die Flucht und beklagt bei Mundus und Diabolus sein Versagen an diesem keuschen Jüngling. Diabolus ist höchst verärgert, zumal ihn gleichzeitig die Nachricht von Mundus erreicht, daß sich ein Jüngling namens Erastis aus den Ketten des Diabolus befreit hat (II, 3-4). Im dritten Akt bemühen sich die drei, Erastis erneut einzufangen, scheitern jedoch, da dieser Metanea zu Hilfe ruft und von ihr auf den rechten Weg geführt wird (III, 1-2 ). Diabolus, Cupido und Mundus geben noch nicht auf. Sie wollen ihn packen, wenn er, geschwächt von der harten Buße, so ihre Hoffnung, am empfänglichsten ist (III, 3). Sie schmücken den tiefen Brunnen, den Einlaß zur Hölle, mit Blumen und Zweigen und lassen Tänze erklingen. Das so geschaffene trügerische Idyll lockt eine Gruppe Jünglinge an, die, obgleich einer aus ihrer Gruppe fast in den Brunnen gestürzt wäre, unbeschwert und begeistert tanzen und singen (III, 3). Erastis verbleibt unterdessen in der Begleitung von Metanea, die ihn zu Beginn des vierten Aktes nach geleisteter Buße in die Selbständigkeit entläßt, versehen mit vielen guten Ratschlägen für die religiöse Praxis: Das Evangelium solle ihm Richtschnur des Lebens sein, er solle regelmäßig beichten und beten, am Abendmahl teilnehmen und des Nachts sein Gewissen erforschen, vor allem aber nie den Gedanken an seinen möglichen raschen Tod vergessen (IV, 1 ). Diabolus versucht erneut, nun im Gewande eines Ordensmannes, Erastis mit der Aussicht auf Sinnesfreuden zu verführen, nach denen zu streben für einen Jüngling nur normal sei. Erastis sucht Hilfe im Gebet, in einer Meditatio genannten Partie erscheinen ihm Jesaja, Jeremias, Ezechiel, David, Johannes der Täufer und der kreuztragende Christus und präsentieren entsprechende Bibelpassagen als ihre guten Ratschläge. Erastis entsagt allen Sinnesfreuden, Diabolus ist endgültig gescheitert (IV, 3). Am Anfang des fünften Aktes sieht sich Erastis, in Begleitung von Metanea, kurz vor seinem Tod, den zu empfangen er bereit ist (V, 1); der zu Beginn des Stückes von Diabolus betörte Jüngling hingegen feiert sein wunderbares Leben und läßt sich auch von Metaneas Mahnungen, daß sein Tod kurz bevor stehe, nicht schrecken; erst als seine Mörder erscheinen, auf der Suche nach Rache für einen an einem Mädchen begangenen Frevel, erkennt er die Gefahr, doch es ist zu spät. Ohne Beichte stirbt er durch den Dolch der Verfolger (V, 2 ). Der Christiane Pérez González 108 Text des Stückes bricht hier ab, obwohl sicher noch etwas fehlt, wie das Argumentum des Aktes nahelegt: A un mosuelo loco, muy contento / de averle sucedido bien cierto negocio, / despreciando a Metánea y a sus consejos, / le darán de puñaladas, cuya alma / miserable desenderá al infierno./ Muere también Erastus y recibe / su alma el premio del truajo sancto / ques la gloria para siempre, / do todos junctos nos ueamos. Amén. 20 Während der Editor das Ende der Adaption von Ávila hier anfügt, plädieren Primitiva Flores Santamaría und Carmen Gallardo Mediavilla für eine spanischsprachige Szene am Ende des gleichfalls von Acevedo verfaßten Dramas Charopus, die dort als ein Fremdkörper erscheint, besser hingegen als der übersetzte Teil der Schlußszene von Metanea zu denken ist, der dann versehentlich an falscher Stelle wiedergegeben worden wäre. 21 Es treten hier eine verdammte und zwei gerettete Seelen auf, dem ermordeten Jüngling als negatives Exemplum und Erastis und dem vorbildlichen Schüler Scholasticus als positives entsprechend. Diese Konstellation findet sich in gleicher Weise in der Adaptation von Ávila, was die obige Annahme untermauert. 22 Der Brief Acevedos macht deutlich, daß diese Aussagen der Seelen in der Schlußszene, die die Menschen offensichtlich am meisten bewegt hatte, für die Zweitaufführung übersetzt wurden. Die anderen dazu auserwählten Szenen läßt er unbestimmt. Ein Blick in die Handschrift hilft hier weiter. Der Schreiber hat die spanischen Teile des Stückes in Kolumnen geschrieben, den lateinischen Text hingegen über die ganze Seitenbreite. Spanisch sind hier ein Prolog, die Argumenta, die Chöre und die Scholasticus-Szene. Volkssprachige Argumenta und Prologe in Wiederholung des lateinischen Gegenstückes bzw. spanische Chöre am Ende eines Aktes, die die Handlung noch einmal pointieren, sind auch in anderen Produktionen von Acevedo durchaus üblich, so daß man nicht von einer Übersetzung für die Zweitaufführung ausgehen darf. Die spanische Wiederholung der Schüler-Szene hingegen wird nur sinnvoll, wenn man hier eine Übersetzung für die Zweit- 20 Alonso Asenjo 1995: 198. 21 In Picón 1997: 441, bestätigend Alonso Asenjo 1999: 436 f. 22 Dagegen spricht allerdings, daß sowohl das Argumentum als auch Acevedo selbst von lediglich zwei Seelen sprechen, dem Argumentum zufolge die gerettete des Erastis und die verlorene des zuletzt ermordeten Jünglings. Dieses Schema ist typisch für eine große Zahl von neulateinischen Dramen, wie z.B. dem Euripus. Es wäre allerdings wenig sinnvoll, wenn der vorbildliche Schüler am Ende nicht auch den Lohn für seine Standhaftigkeit erhalten würde. Die Bekehrung des Erastis ist jedoch der zentrale Aspekt des Stückes, die Scholasticus-Szene dagegen steht eher isoliert. Das Argumentum spielt folgerichtig nur auf den Gegensatz von Erastis und dem uneinsichtigen Jüngling an. Wenn also nur von zwei Seelen die Rede ist, sollte dies meines Erachtens nicht ausschließen, daß auch der Scholasticus als dritter im Bunde in der Schlußszene mit zur Darstellung gelangte. Lateinisch oder Spanisch? 109 aufführung annimmt. Acevedo muß daher an dieser Szene wie an der Schlußszene ein besonderes Interesse gehabt haben, weshalb er sie in die Volkssprache transportierte. Aus Sicht des lateinunkundigen Zuschauers präsentiert sich das Stück in der Cordobeser Oberkirche folgendermaßen: Der Prolog leitet die Handlung ein, Argumenta und Chöre fassen die Handlung zusammen, so daß der Handlungsbogen, unterstützt noch durch allegorische Figuren, auch für den nicht lateinkundigen Zuschauer sichtbar wurde. Die eingefügten spanischen Übersetzungen begleiten nun aber nicht etwa den Erkenntnisprozess des Erastus oder die Belehrungen und Warnungen durch Metanea, die ja die größte didaktische Potenz besitzen und, das zeigt auch die Länge der jeweiligen Szenen, damit das eigentliche Herzstück des Dramas sind. Stattdessen wird die Himmelbzw. Höllenfahrt der Seelen, die sicherlich auch in der lateinischen Version plastisch vor Augen geführt wurde, nun auch sprachlich geöffnet; die Botschaft beschränkt sich dabei auf Klage für das zuvor nicht christlich und bußbereit geführte Leben und verstärkt daher noch einmal die auch zuvor durch das sichtbare Leid der verdammten Seele offenkundige Mahnung. Der Weg dorthin verbleibt für den lateinunkundigen Zuschauer allerdings im lateinischen Dunkel. Was nun durch die Übersetzung sprachlich offen liegt, enthält nicht Handlungsanleitungen; die verdammte Seele beklagt nicht ein allgemein sündiges Leben, sondern ausschließlich den zu Lebzeiten praktizierten Luxus: Anima condenada: O esperanças vanas y engañosas que es de mis deleytes mis galas que se an hecho mis ponpas y arcos mis mesas abastadas mis arcas tesoros que son de ellos […] Condenado estoy, condenado estoy o honrades honrada [sic] o galas descompuestas tesoros pobres abundancia hambrienta breve fue la honra la deshonra eterna las galas ya pasaron riquezas no las veo… 23 Derartige Klagen wären sicher nicht die der breiten Masse, sondern vor allem die elitärer Gruppen. Indem man diese Eliten von der Notwendigkeit eines der katholischen Lehre entsprechenden Lebens zu überzeugen suchte, wurden sie zugleich umworben als potentielle Förderer des Kollegs. Besonders deutlich wird diese Zielrichtung durch die Übersetzung ausgerechnet der Scholasticus-Szene, die als Szene zwar weniger Anteil an der dramatischen Handlung besitzt als die Bekehrung des Erastis, mit der sich das Kolleg aber eindrücklich als eine förderungswürdige Einrichtung präsentiert, indem man deren Verdienste um die moralisch-religiöse Erziehung der 23 Picon et al. 1997: 586. Christiane Pérez González 110 ihr anvertrauten Schüler offenlegte, die selbst gegen die Verführungsversuche des Cupido gefeit sein würden. Die Zweitaufführung in der Cordobeser Bischofskirche erreichte dabei über den engeren Kreis innerhalb des Kollegs hinausgehend auch Gruppen, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Gesellschaft Jesu verbunden waren. Eltern wurden so motiviert, ihre Söhne möglichst dieser Einrichtung anzuvertrauen, bzw. wurden unter den - bei mangelnder Ausbildung natürlich lateinunkundigen - jungen Leuten selbst, an die sich das Stück durch seine jugendlichen Protagonisten besonders wendete, potentielle neue Schüler gewonnen. Dieser Befund deckt sich auch mit dem, was Jakob Pontanus, einer der Architekten der jesuitischen Didaxe, in seinem weit verbreiteten Werk Progymnasmatum Latinitatis (Ingolstadt 1588 u. ö.) als die Vorteile des Theaterspiels benennt: Neben der Begeisterung der Schüler für den glanzvollen Auftritt in einer Inszenierung, die finanziellen Zuwendungen wohlhabender Zuschauer, Ansporn für die Eltern, auch zur Unterstützung ihrer Kinder in Haltung und Gebärde, der Ruhm des Kollegs durch Präsentation als hochwertige Bildungseinrichtung vor einem großen, hochrangigen Publikum, die Schulung von Gedächtnis und Aussprache und, erst an letzter Stelle, die sittliche Läuterung von Schülern und Zuschauern, allerdings nur bei Meidung der teils anzüglichen Figuren des antiken Theaters. 24 Die Übersetzung kann daher nicht im Kontext moralisch-religiöser Läuterung breiter lateinunkundiger Volksschichten gestanden haben - dies überließ man wie zuvor der Dramaturgie des lateinischen Textes. Dennoch steht die Übersetzung in der Comedia Metanea durchaus im Zusammenhang mit der inneren Mission, aber über den Umweg durch das Kolleg. Der Jesuit Juan Bonifacio, einer der wichtigsten Pädagogen des 16. Jahrhunderts, beschreibt dieses Wirken an der Jugend mit der Formel „puerilis institutio est renovatio mundi“ 25 : Über die Erziehung der Jugend sollte auch die gesellschaftliche Erneuerung gelingen. Indem man in Córdoba ganz gezielt bei den Eliten und ihrem Nachwuchs für eine katholisch-humanistische Erziehung warb, erhoffte man sich offenbar eine besondere Effizienz, eine Breitenwirkung katholisch-gegenreformatorischer Lebens- und Glaubenspraxis, weil diese Eliten ungleich mehr Menschen in ihren Einflußbereichen versammelten als ein einfacher Bürger. So begründet jedenfalls Acevedo 24 Hier zitiert nach der Ausgabe Ingolstadt 1591, p. 473ff. Vgl. Wimmer 1982: 21. 25 Juan Bonifacio, De Sapiente fructuoso: 635: „Puerilis institutio mundi renovatio est, haec gymnasia Dei castra sunt: hic bonorum omnium semina latent: video solum, fundamentumque rei publicae, quod multi non vident interpositu terrae, esse enim lynceos oportet eos, quorum haec sint oculis subiicienda. Hae meae vigiliae erunt, hic labor, hoc opus…“ Das Zitat befindet sich in einem Anhang mit dem Titel De recta institutione Liber, der als Zugabe zur ursprünglichen Ausgabe Burgos 1589 erst mit dem Druck Ingolstadt 1606 Teil des Werkes wurde. Lateinisch oder Spanisch? 111 selbst in einem Brief aus Córdoba vom 30. April 1561 die besonderen jesuitischen Bemühungen um adelige und wohlhabende Schüler: Tiene tanbién nuestra escuela muchos estudiante nobles de los más ábiles y más bien inclinados. De aquestos procura y trabaja el Padre rector se tenga particular cuenta, entendiendo ir mucho en que los tales sean bien instruídos; pues la bondad suia se a de estender al probecho de muchos, o si no son tales, hazer mucho daño. 26 Diese Zielrichtung deckt sich mit den Briefen der spanischen Jesuiten im Umfeld von Acevedo. Bekannt sind die zahlreichen Auflistungen von Angehörigen der kirchlichen und städtischen Obrigkeiten wie auch des Adels, die an einer Theateraufführung teilnahmen und die Jesuiten ihrer Gunst versicherten. 27 Es wird außerdem vermerkt, wenn die Darsteller in den Schulaufführungen „hijos de nobles de este pueblo“ 28 waren. Aus Granada stammt der Bericht vom 31. Mai 1555 über einen Kaufmannssohn, dessen Eltern verzweifelten angesichts seines Lebenswandels und sich an die Jesuiten um Hilfe wandten, die ihn zum Eintritt ins Kolleg bewegen konnten. Aus dem zunächst etwas unfreiwilligen Schüler wurde aufgrund des guten Einflusses im Kolleg ein vorbildlicher junger Mann. 29 In einem anderen Brief aus Córdoba vom 2. Februar 1555 heißt es folgerichtig über die Menschen, die das Kolleg betraten: „Parece que entrando una vez en este Collegio, cobran ánimo que ya casi tenían perdido.“ 30 In die breite Masse dagegen wirkten die Jesuiten mit Hilfe der volkssprachigen Predigt, die sie öffentlich auf Straßen und Plätzen für alle sozialen Schichten abhielten. In Córdoba waren sie schon in den Anfangsjahren des Kollegs so erfolgreich, daß der Platz in den Kirchen dafür oft nicht ausreichte; sie erhielten schließlich sogar die Erlaubnis, in der Bischofskirche zu predigen, was zuvor noch nie einem Orden gestattet worden war. 31 Die Übersetzung blieb bei Acevedo ein Einzelfall und war nicht etwa der Beginn eines Prozesses, in dessen Verlauf nun zunehmend die spanische Sprache integriert worden wäre, denn der Metanea ließ Acevedo, nun in seinem neuen Wirkungsort Sevilla noch bis kurz vor seinem Tod 1573 zahlreiche lateinische Dramen folgen, die - abgesehen von den üblichen spani- 26 Litterae quadrimestres Bd. 7: 223. 27 Vgl. Briesemeister 1985: 20; so auch in dem oben wiedergegebenen Brief von Acevedo mit der Beschreibung der Metanea-Aufführung, dem sich zahlreiche weitere Beispiele aus den Litterae quadrimestres an die Seite stellen ließen. 28 Z.B. Litterae quadrimestres Bd. 5: S. 360. 29 Litterae quadrimestres Bd. 3: 500. 30 Litterae quadrimestres Bd. 3: S. 278. 31 Vgl. Litterae quadrimestres Bd. 3: 760-761; Bd. 4: 232. Wie machtvoll offenbar das Instrument der Predigt war, zeigt ein Konflikt zwischen den Jesuiten und der Obrigkeit in Medina del Campo 1552, wo ein einflußreicher Abt versuchte, die Predigttätigkeit der Jesuitenpatres zu behindern, die schließlich sogar ins Gefängnis geworfen wurden, vgl. Litterae quadrimestres Bd. 2: 60-61, und ebd: 83-84. Christiane Pérez González 112 schen Elementen wie Prolog, Argumenta und Chöre - ohne Übersetzungen auskamen. 32 Daß die lateinische Sprache, wie im restlichen Europa auch, einer Wirkung des Dramas dabei nicht abträglich war, bezeugt der Ordenschronist Juan de Santibáñez in seiner Würdigung der Verdienste von Acevedo: Llevó la palma de nuestro siglo en saber juntar lo dulce con lo provechoso; hizo mil ensayos para hacer sabrosa la virtud a los mozos; y con estilo y nombres de comedias enseñó al pueblo a reconocer sus vicios en personas ajenas y enmendarlos en las propias suyas. Trocó los teatros en púlpitos y salían los hombres muchas veces más recogidos y llorosos de sus representaciones, que de los sermones de algunos excelentes predicadores. 33 Was hat sich nun, 25 Jahre später in Sevilla, verändert? Wie bereits eingangs gesagt, wurde 1585 oder 1586 - das genaue Jahr ist unbekannt - diesmal am Lukas-Tag zur Eröffnung des Schuljahres eine adaptierte Form der Metanea in Sevilla auf die Bühne gebracht. Hernando de Ávila hat den Basistext von Acevedo erheblich bearbeitet. Dabei blieben die Konstellationen des Stückes jedoch erhalten, wenn auch die Protagonisten andere Namen erhielten: Aus Erastus wurde Floridevus, Diabolus wird zu Nebulus und Mundus zu Cosmus; Penitencia, ehemals Metanea, erhielt einen Helfer namens Estimulo. Aus dem am Schluß ermordeten Jüngling wurde ein ‚Cavallero’, und auch die Personifikationen von Geldgier, Hochmut und Wollust blieben in anderem Gewande bestehen. Hernando de Ávila folgte dem Handlungsfaden der Comedia Metanea, sein Stück ist allerdings deutlich länger und beinhaltet reichlich burleske Dialoge, in denen ein komischer Alter, ‚equites’ und ein ‚alguacil’ auftreten; auch inseriert er ein Zwischenspiel mit zwei ‚ladrones’, einem ‚Italiano’, einem ‚Portugues’ und einem ‚Vizcaino’, so daß hier mit dem Spanischen auch Italienisch und Portugiesisch vermischt werden. Seinen lateinischen Charakter hat das Stück dabei nahezu verloren und ebenso die ausgeprägt emblematischen Züge, wie sie sich etwa in der Meditatio der Comedia Metanea zeigten. Nur noch etwa 20% des Stückes verblieben in der lateinischen Sprache, der Rest besteht aus spanischer Lyrik. Hernando de Ávila übernahm dazu einzelne Sätze, zum Teil auch ganze Szenen in Latein aus Metanea. Vereinzelt übersetzte er: Während die meisten 32 Weitere Dramen von Acevedo in Picón 1997 sowie in Domingo Malvadi 2001. Handschriftlich sind sie erhalten in der Real Academía de Historia in Madrid, 9/ 2564, sowie im Archivo Provincial Historico de Toledo in Alcalá de Henares, M-314. Die einzige Ausnahme ist das am 18. Oktober 1564 zur Aufführung gebrachte Drama Occasio, in dem eine Szene im 5. Akt, in der erneut Metanea einen Jüngling zu überzeugen sucht, in spanischer Sprache wiedergegeben ist. Von einer Übersetzung ist nichts bekannt. Vgl. Picón 1997: 125ff. 33 Luis de Santibañez, Historia de la Provincia de Andalucía de la Compañía de Jesús, hier nach Gallardo 1968, Bd. 1: 10b-11a.. Eine fast gleichlautende, vermutlich frühere Äußerung findet sich bei Pedro de Ribadeneira, Historia de la Asistencia de España Bd. 1, V, c. 12, vgl. Astraín 1909: 587. Ob Ribadeneira die Vorlage von Santibáñez war oder ob beide die gleiche Quelle benutzten, muß offen bleiben. Lateinisch oder Spanisch? 113 spanischen Szenen recht freie Bearbeitungen des Ursprungstextes sind, die sich zwar nicht vom Inhalt, wohl aber von der Sprache Acevedos deutlich distanzieren, blieb er an einigen Stellen sehr nah am Vorbild. 34 Ab und an fügte er auch lateinische Partien ein, die nicht aus Metanea stammen, den größten Teil des Lateinischen aber entnahm er der Vorlage. Gleich mehrere Begründungen für die breite Verwendung des Spanischen liefert der burleske Prolog des Stückes, der vor allem die Sprachenfrage thematisiert: Nach einem kurzen lateinischen Monolog, in dem ein erster Protagonist das Publikum begrüßt, tritt ein zweiter hinzu: 2° - El argumento, Sr. ¿Luego es en latin el dialogo? 1° - ¿Pues en que queria V.M. que fuese siendo para el exercicio de los estudiantes? 2° - En la lengua que mamamos en la leche, por ser mas dulce y suave y también porque no se le de garrote al auditorio, con tres o quatro horas de latin aviendo aqui muchos que no lo entiendan. (f. 185r) Der erste, ein etwas oberflächlicher Angeber, wartet mit seinem medizinischen Wissen auf und erklärt in Anlehnung an den physiologischen Prozess der Erkenntnis, daß, wenn der Lehrer die Menschen zu sehr unter Druck setze, dies „[a]symmetria intolerable“ verursache (f. 185v). Diese komplizierten Ausführungen kann der Zweite gar nicht verstehen, er habe schließlich nicht Medizin studiert, doch ergänzt er ein Argument aus der Metaphysik: 2° - […] Diganos V. M. el argumento del Dialogo. Y sea en romance porque como V. M. bien saue las cosas dificiles deben ser declaradas por terminos faciles por ser principio metaphisico que entre la difinicion a el difinido debe aver univoca proporcion porque de otra manera sera declarar obscurium [sic] per obscurius (como dicen). 1° - Agora por servir a V.M. y dar gusto a tan illustre auditorio y cumplir con mi officio dire el argumento en nuestro bulgar castellano con la claridad que se desea, oyga y despavileme ese entendimiento. (185v-186r) Der erste beginnt nun mit einem als Kostprobe aus dem Stegreif erdachten spanischen Argumentum, in dem er ein Festgelage einer Reihe von römischen Göttergestalten beschreibt. Sein Kumpan ist begeistert: 2° - Pareceme que si se hiciera en romance fuera la mejor cosa del mundo quanto y mas en latin. (f. 186v). 34 z.B. f. 190v-191r: „COSMUS: - El tiempo a mas correr se ua pasando/ Vanse los dias no ay quien los detenga/ la muerte agua y solaces vienen cerca/ a estoruar nuestros gustos y placeres/ por eso niños, niñas, y mancevos/ y los que ya teneis el pie en la huesa/ jugad, reid, saltad tomad contento…“ Vgl. Met. I,2: „DIABOLUS: - Tempus labitur; dies freno haud remorante, efugiunt; cita mors venit, gaudia disturbans omnia. Proin, pueri, puelae, juuenes, senesque: ludite, nugamini, salite…“ Christiane Pérez González 114 Dieser Auftritt gefällt einem Dritten ganz und gar nicht, der den ersten Protagonisten dafür rügt, daß er aus dem Aufsagen des Prologs eine Witzveranstaltung mache: 3° - Que gentil donaire embianle a decir el prologo y estase echando cochufletas. Eso merece quien de muchachos se fia que no saben decernir lugares. El castigo de este atreuimiento sera que no diga el prologo sino que se quede para muchacho quien en sus obras lo a sido, diciendo gracias, o por mejor decir desgracias en un lugar donde todo lo que se digere ha de ser muy bien mirado y pensado primero que se diga. Hagase a un lado, que a mi me embian a cumplir sus faltas. (187r-187v) Er beginnt nun selbst mit dem Argumentum des Stückes in lateinischer Sprache, dem er ein spanisches folgen läßt, und die beiden anderen nehmen in der Erkenntnis, daß das vermeintlich so anmutige Argumentum in Anbetracht der Leistung des Dritten wirklich schlecht war, zerknirscht im Publikum Platz. Hernando de Ávila war durchaus bewußt, daß die lateinische Sprache die Norm für das Jesuitentheater war, und so lässt er seine Protagonisten eine Reihe von Argumenten für die Anwendung des Castellano vorbringen: die Klarheit und Schönheit der Muttersprache, die Langeweile des nicht lateinkundigen Publikums, die Förderung der Erkenntnis. Doch sind diese Darsteller nicht als ernstzunehmende Figuren konzipiert, sondern als komische Gestalten, die dem Sinn des Prologs und der Ernsthaftigkeit des Anliegens nicht gerecht werden. Bei ihrem Versuch, besonders gelehrt zu erscheinen, verfallen sie in sprachliche Fehler und enttarnen sich somit als Scharlatane: Aus ‚asymmetria’ wird so das völlig unsinnige ‚symmetria’, aus ‚obscurum’ wird ‚obscurium’ (s.o.). Das medizinische Wissen des 1° gehörte nicht zum Kanon der jesuitischen Ausbildung, die sich zwar dem Erkenntnisprozeß widmete, aber ausdrücklich nicht dessen anatomischen Grundlagen. 35 Der Aufzug der Götter hat einen so deutlich paganen Charakter, daß er im jesuitischen Milieu sicherlich nicht positiv konnotiert war, sondern eher im Kontext von Humanismus-Kritik zu sehen ist. Der dritte Protagonist im Prolog kritisiert folgerichtig den Auftritt seiner Vorgänger, entlarvt sie als schlechte Vertreter der Schule und findet mit dem lateinischen Argumentum zur Norm zurück - wenn auch nur vorübergehend. Was auch immer hier an Argumenten für die Anwendung des Castellano vorgetragen wird, ist zwar unterhaltsam und lustig verpackt und steht durchaus im Einklang mit 35 Ratio studiorum von 1599: Regulae professoris philosophiae 11 § 1, in: Monumenta Paedagogica Bd. 5: 398: „Tertio anno explanabit librum secundum de Generatione, libros de Anima et Metaphysicorum. In primo libro de Anima veterum placita philosophorum summatim percurrat. In secundo, expositis sensoriis, non digrediatur in anatomiam, et cetera, quae medicorum [in Edition verschrieben zu mediocrum] sunt.“ Ebenso die Ratio studiorum von 1586, ebd.: 106. Lateinisch oder Spanisch? 115 zeitgenössischen Argumentationen, 36 erhält aber aus jesuitischer Sicht zugleich einen negativen Beigeschmack. So scheint die reiche Verwendung des Castellano bei Hernando de Ávila widersprüchlich, und es stellt sich die Frage, warum Hernando de Ávila es trotz des Umstandes, daß die lateinische Dramatik eines Acevedo in Sevilla nur wenig früher, nämlich noch 1572, offensichtlich große Erfolge feierte, nun vorzog, sogar gegen die Vorgaben seines Ordens so umfangreich die spanische Sprache in seine Dramatik zu integrieren. Natürlich ist der Informationsgehalt für den lateinunkundigen Zuschauer nun erheblich höher. Man kann jedoch nicht behaupten, daß der Autor vor allem die für die Belehrung des Zuschauers wesentlichen Szenen hispanisiert, die unwichtigen Szenen in Latein belassen hat. So sind zwar die Verführungsversuche von Diabolus an Floridevus (f. 210v-211v, 213r-216v) ebenso wie die Scholasticus-Szene (f. 203v-207v) und die Ermahnungen von Penitencia an Floridevus für ein christenmäßiges Leben (211v-212v) auf Spanisch wiedergegeben. Die letzte Anstrengung von Penitencia am kurz darauf ermordeten Jüngling aber, einer der Höhepunkte des Stückes, mit dem gesamten argumentativen Strang (f. 231v-232r) wurden komplett aus Metanea auf Latein übernommen. Auch der letzte Auftritt des Floridevus am Anfang des 5. Aktes, in dem er seinem nahenden Tode bereitwillig entgegentritt, gibt vollständig die entsprechende lateinische Szene aus Metanea wieder (221v). Eine Charakterisierung der Protagonisten durch ihre Sprache läßt sich ebenfalls nicht nachweisen. So verlockend dies erscheint, etwa bei Floridevus, der, seitdem er Nebulus widerstehen konnte, nur noch Latein spricht (ab f. 216r), so sehr wird eine solche Interpretation konterkariert durch die in Latein gehaltenen Beratungssituationen von Nebulus und Cosmus (f. 202v-203v, f. 208v-209r, f. 212v) oder durch den Auftritt eines Cavallero, der sein verwerfliches Leben in der lateinischen Sprache lobt. Ist also kein bestimmtes, konsequentes inneres System bei der Sprachmischung auszumachen, so zeigt sich jedoch ein äußeres dahingehend, daß Hernando de Ávila insbesondere am Anfang und Ende eines Aktes die lateinische Sprache bevorzugt. Die kunstvolle lyrische spanische Sprache hat zwar insgesamt einen dem Lateinischen mindestens ebenbürtigen Stellenwert erlangt, wird aber zugleich in einen lateinischen Rahmen gegeben; das Lateinische, um dessen Integration und Präsentation sich der Autor nachdrücklich bemüht, ist daher nicht entwertet worden. Die Reduktion dieser Entwicklung auf den Versuch, innere Mission über die sprachliche Öffnung von Dramatik zu betreiben, greift auch hier offensichtlich zu kurz. Es wird außerdem der Blick verstellt auf den Charakter von Sprache als soziokulturellem Phänomen. Durch die Ausrichtung des Jesuitentheaters auf die Werbung bei potentiellen Förderern ist es zugleich 36 Vgl. die unten Anm. 37 genannte Literatur. Christiane Pérez González 116 empfänglich für die herrschende Sprachkultur und die etablierten kulturellen Normen der Eliten. Es ist aus zahlreichen Publikationen bekannt, daß die Volkssprache in Spanien früher als in anderen europäischen Regionen das Lateinische verdrängte. 37 Getragen wurde dies von einer poltitischen Führungsschicht, die bereits seit dem Beginn des Spätmittelalters das Castellano rasch zu einer Kultur- und Wissenschaftssprache entwickelt hatte mit dem Charakter einer Nationalsprache, Sprache einer Nation zudem, die durchaus zu Recht im 16. Jahrhundert im Bewußtsein der eigenen imperialen Größe lebte. Die daraus resultierende Situation für die letras benennt aus Sicht der Jesuiten besonders deutlich und nicht frei von Bitterkeit Juan de Mariana, als er 1601 die Übersetzung seiner kurz zuvor erschienenen lateinischen Geschichte Spaniens begründet: […] por el poco conocimiento que de ordinario oy tienen en Espana de la lengua latina, aun los que en otras sciencias y professiones se auentajan. ¿Mas que maravilla, pues ninguno por este camino se adelanta, ningun premio ay en el reyno para estas letras, ninguna honra, que es la madre de las artes? Que pocos estudian solamente por saber. 38 Die zahlreichen Auflagen der spanischen Fassung, verglichen mit den wenigen lateinischen, geben ihm recht. 39 Die mangelnde Pflege und mäzenatische Förderung der lateinischen Sprache scheinen dabei insbesondere im höfischen Umfeld wie Sevilla und Madrid die Jesuiten vor schwierige Aufgaben gestellt zu haben, wie mehrere Briefe belegen; so stellen die Sevillaner Jesuiten in der Anfangszeit des Kollegs den Aufbau einer Grammatikklasse in Frage, weil dort die Schüler stets abgelenkt seien durch die zahllosen Versuchungen dieser Stadt; 40 an anderer Stelle werden die Kollegien im höfischen Umfeld in einem Atemzug mit Babylon genannt. 41 37 Vgl. hier und im Folgenden grundlegend zur Entwicklung der spanischen Sprache Lapesa 1991: 288ff. und Penny 1991: 13ff.; zum Prestige der spanischen Sprache als Kultursprache im spanischen Humanismus Yndurain 1994: 459ff. und Gil 1997: 59ff. Von deutscher Seite Weinrich 1985. Speziell zum Sprachendiskurs Carrera de la Red 1988 und Briesemeister 1973. Eine Zusammenstellung der verschiedenen zeitgenössischen Positionen bei Pastor 1929 und Bleiberg 1951. Zum Verständnis des Spanischen als imperiale Sprache Bahner 1997. 38 Juan de Mariana, Prologo del autor, dirigido al Rey Catholico del las Españas don Philippe III. deste nombre nuestro señor: LI. Zu Juan de Mariana vgl. González 2001. 39 Ein Blick in den Catálogo Colectivo del Patrimonio Bibliográfico Español (http: / / www.mcu.es/ patrimoniobibliografico/ cargarFiltroPatrimonioBibliografico.do? cache=init&layout=catBibliografico&language=es) mag genügen: Die beiden einzigen lateinischen Ausgaben auf spanischem Boden stammen von 1592 und 1595 aus Toledo; dazu kommen eine deutsche Ausgabe von 1605 (Appendix 1606) und eine niederländische von 1733. Dem sind allein aus dem 17. Jahrhundert neun spanische Ausgaben gegenüberzustellen. 40 Monumenta Paedagogica Bd. 3: 482 (Memoriale de lectionibus grammaticae in provincia Baetica minuendis, Appendix zu einem Brief von Ioannes Suárez an Francisco de Borja, Burgos 31. Mai 1570): „En Sevilla, specialmente, convernía no aver studios de grammática: 1° Porque ciudades grandes no son aptas para studios, por traer consigo gran distractión, máxime ésta, donde ay tanta ocasión de vicios, regalos de carne y Lateinisch oder Spanisch? 117 Hinzu trat im letzten Viertel des Jahrhunderts, ebenfalls besonders im höfischen Umfeld, als neues kulturelles ‚Spielzeug’ der spanischen Gesellschaft die Entwicklung einer blühenden weltlichen Theaterkultur, getragen von Schauspieltruppen unterschiedlichen Formats, seit den 70er Jahren des Jahrhunderts verdichtet durch die Entstehung der Corrales und geprägt von neuen Formen des Theaters mit der ‚comedia nueva’ als Exponent, 42 deren moralische Verderbnis die Jesuiten bereits früh als echte gesellschaftliche Bedrohung erlebten. 43 Prominenter Zeuge dafür ist ebenfalls Juan de Mariana, der in seinem Traktat De rege et regis institutione von 1599 ein Kapitel dem Theater widmet: Quid enim continet scena, nisi virginum stupra, et mores prostituti pudoris foeminarum, lenonum artes atque lenarum, ancillarum et seruorum fraudes versibus numerosis et ornatis explicata, sententiarum luminibus distincta, eoque tenacius memoriae adhaerentia, quarum rerum ignoratio multo commodior est? Histrionum impudici motus et gestus, fractaeque in foeminarum modum voces, quibus impudicas mulieres imitantur, quid aliud nisi ad libidinem inflammant intuentes, per se et ad vitia procliues? An maior vlla corruptela morum excogitari possit? Quae enim in scena per imaginem aguntur, peracta fabula cum risu commemorantur: sine pudore deinde fiunt, voluptatis cupiditate animum titillante: qui sunt velut gradus ad suscipiendam prauitatem, cum sit facilis a iocis ad seria transitus. 44 Vergleicht man aber die Charakteristika der Comedia mit den Neuerungen Ávilas gegenüber der lateinischen Vorlage, ergeben sich deutliche Berühnovedades de contino, y así, vemos ordinariamente las universidades en pueblos medianos, ut Salamanca, Alcalá, Cohimbra.“ 41 Vgl. Litterae quadrimestres Bd. 3: 514 (Juan Bonifacio an Francisco de Borja, Ávila 30. September 1572). In diesem Brief lehnt Juan Bonifacio das Angebot der Ordensleitung ab, als Lehrer an das neugegründete Kolleg in Madrid zu wechseln: „Sin ésto, yo tengo grande aversión a estudios de corte, y para mi condición han de ser muy pesados; porque yo no gusto sino de gento que estudia de veras, y que pueda servir a Dios sin melindre. Tengo muchos discípulos en la Compañía y en diversas religiones. Entiendo que passa el número de dozientos. La corte es Babylonia. No atienden a esso, de ordinario, padres y hijos, ni se sacará un buen estudiante en cien años.“ 42 Vgl. aus der unübersehbaren Literaturfülle Shergold 1967, Kindermann 1967, Ruiz Ramón 1967, Rössner 1996, Wilson/ Moir 9 2001, Historia del teatro español 2003. 43 Vgl. Menéndez Peláez 1995: 101-133 mit zahlreichen, meist aus Cotarelo y Mori 1904 übernommenen jesuitischen Positionen. Er macht dabei deutlich, daß die Invektiven der Jesuiten gegen das Theater sich allein gegen das profane Theater richteten: „Bien es verdad que las impugnaciones más contundentes contra la escena se refieren siempre al teatro profano… Los temas de la comedia barroca, su puesta en escena y la vida que los cómicos se veían obligados a llevar resultaban difíciles de conciliar con los postulados de la moral cristiana. Por eso lo condenan.“ ebd. 130f. Vgl. außerdem Zampelli 2006. 44 Hier zitiert nach der Ausgabe Mainz 1605, p. 341. Dieser Text war die Grundlage des deutlich erweiterten und separat in Köln 1609 publizierten Traktates De spectaculis, der von Mariana selbst kurze Zeit später mit kleineren Veränderungen am Inhalt übersetzt, aber nie publiziert wurde; die Übersetzung ist heute unter dem Titel Tratado contra los juegos publicos in der BAE sowie in einer Ausgabe von Suárez García aus dem Jahr 2004 ediert. Vgl. zur Entstehungsgeschichte zuletzt Jeske 2006, 111ff. Christiane Pérez González 118 rungen: Die das Stück durchziehende Komik, laut Mariana zugleich Gedächtnisträger, wenn die Handlung lachend memoriert wird, der burleske Prolog, aber auch Figuren wie der komische Alte oder der Büttel, die auch sonst reichlich komischen Dialoge im Stück, das Zwischenspiel mit den ‚ladrones’, ganz besonders aber die hoch entwickelte lyrische spanische Sprache eines Hernando de Ávila, deren mnemonisches Potential und begeisterungssteigende Wirkung Mariana eigens betont, sind Weiterentwicklungen der Vorlage, die am besten im Kontext der Theaterkultur am Ende des 16. Jarhunderts zu verstehen sind, insbesondere in einer höfischen Metropole wie Sevilla, wo das Theaterleben bereits 1580 so aufblühte, daß man täglich irgendwo in der Stadt eine Aufführung zu sehen bekam. 45 Der Corral de Atarzanas war der erste bekannte kommerzielle Corral in Spanien. Es erscheint durchaus einleuchtend, daß die Jesuiten ein Gegengewicht zu schaffen suchten für etwas, was zwar aus Sicht der Jesuiten die Menschen ins Verderben führte, allerdings breit rezipiert und auch auf höchster Ebene protegiert wurde. So griff man sich bestimmte, der ‚diversión’ geschuldete Charakteristika der dieser Theaterkultur heraus und konstruierte aus ihnen eine neue, nach wie vor der Moraldidaxe dienende Dramatik. Man könnte überspitzt und in Anlehnung an die eingangs dargestellte jesuitische Überarbeitung des Humanismus sagen: Hernando de Ávila ‚taufte’ die Comedia. So ließe sich die Widersprüchlichkeit des Prologs erklären, der einerseits zwar die Integration der spanischen Sprache im Theater verteidigt, damit aber zugleich auf das weltliche Umfeld der Comedia verweist und ihre Verteidiger selbst durchaus mißtrauisch und kritisch beäugt. Bei Hernando de Ávila hat demnach die spanische Sprache so umfangreich Einzug in seine dramatische Dichtung genommen, weil die Jesuiten die Popularität ihres Theaters zu erhalten suchten. Bei ihm entstand auf diese Weise ein sprachliches Kunstwerk, in das neben Latein und Spanisch zusätzlich auch noch das Italienische und Portugiesische des Zwischenspiels treten konnten. Was vielleicht zunächst als ein Zugeständnis an die ‚diversión’, an das ästhetische Empfinden und sprachliche Selbstbewußtsein des Publikums gedacht war, scheint rasch eine eigene Dynamik entfaltet zu haben, die zur intensiven und freudigen Auseinandersetzung mit der spanischen Sprache führte und letztlich das Latein aus dem Jesuitentheater in Spanien verdrängen durfte. In diesem Sinne, über den Umweg eines Anpassungsprozesses, war die Integration der spanischen Sprache der inneren Mission geschuldet, originär aber nicht im Sinne einer Verstärkung der cura animarum durch sprachliche Öffnung der Moraldidaxe. 45 Vgl. Sentaurens 1984: bes. 109. Zu ihm in einigen Punkten kritisch, aber die Bedeutung der spezifischen kulturellen Gegebenheiten Sevillas für die Entwicklung der ‚comedia lopesca’ unterstreichend, Díez Borque 1985: 159f. Lateinisch oder Spanisch? 119 Bibliographie A.: Quellen Pedro Pablo Acevedo, „Comedia Metanea“, in: Comoediae, Dialogi et orationes quae P. Acevedus Sacerdos Societatis Iesu componebat, ms. Real Academía de la Historia 9/ 2564, f. 200r-221v., ed. Alonso Asenjo 1995, Bd. 1, S. 110-212. Pedro Pablo Acevedo, „Charopus“, in: Comoediae, Dialogi et orationes quae P. Acevedus Sacerdos Societatis Iesu componebat, ms. Real Academía de la Historia 9/ 2564, f. 169r-191v, ed. Flores Santamaría, Primitiva/ Gallardo Mediavilla, Carmen, in: Picón 1997, S. 442-592. Hernando de Avila, [Comedia sin titulo = „Historia Floridevi“], in: Hernando Davila, Poesías, ms. Hispanic Society of America B-1383, f. 185r-236r. 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Justificar la traducción ha sido siempre una tarea necesaria - ¡paradoja de una labor nacida del “injustificable” episodio de Babel! - lo requirió San Jerónimo para argumentar el sentido de su interpretación de las Sagradas Escrituras, y miles de traductores que tras él depositaron en ella su única esperanza para librarse de las graves acusaciones que su trabajo conllevaba. La justificación de la labor traductora ha sido sin duda la tarea que con más celo ha llevado a cabo de los siglos la filología. Y ello quizás hasta ayer, en que la relación ha empezado a ponerse en tela de juicio por el surgimiento de otra área, la de traducción, que reclama un interés específico. En la realidad de la pugna se olvidan quizás ingratamente los orígenes y los frutos de los siglos, se niega la realidad actual y la obligada visión del mañana. La necesidad de ahondar en el conocimiento de una y otra y de esclarecer su labor puede ser sin duda alguna la mejor manera de entender su relación. 1. ¿Es la traducción origen y fin de la filología? La respuesta sería aventurada si no se procede antes a esclarecer ambos conceptos y a definir tales términos. ¿Hablamos de la traducción en sentido general? , ¿lo hacemos como herramienta? ¿proceso? ¿resultado? ¿o como plan de estudios? La tarea de definición de la traducción en sentido estricto tampoco es nada fácil, como lo prueba el número tan extraordinario de definiciones que sobre la traducción hemos visto surgir en los últimos decenios. Sin duda este ha sido también motivo de reflexión para el filósofo, que se pregunta, cómo es posible que todos sepamos qué es o en qué consiste la traducción o el lenguaje, por ejemplo, y que no sepamos muy bien definir su significado. 1 Octavio Paz aseguraba que cuando el niño pregunta a 1 Véase por ejemplo Derrida que construye sobre este dilema la base de su teoría deconstruccionista. Antonio Bueno García 126 su madre por el significado de tal o cual palabra está haciendo traducción. 2 Oettinger reclama entre las formas de traducción el alfabeto morse. Desde muchas escuelas ha ido surgiendo una diferente definición que ha primado, ora al autor original, ora al destinatario, ora al mensaje o bien al sentido, e incluso al traductor, y lejos parece estar el momento de consensuar el acuerdo sobre la realidad que realmente define su trabajo. Algunos autores no dudan en señalar que el concepto de traducción (concepto dinámico como lo presenta Toury) ha crecido a la sombra de un círculo demasiado estrecho y que se impone seriamente una reformulación de su significado. En cuanto a la filología, el término parece estar más claro, y sin ser un concepto monolítico o estático puede decirse que ha variado menos a lo largo de la historia. Desde su propia etimología, que representa el “amor por las palabras” o desde su definición en el diccionario, como el de la Real Academia Española: “ciencia que estudia una cultura tal como se manifiesta en su lengua y en su literatura”, se observa su objetivo más o menos, aunque no cabe duda de que ya no define hoy a la misma realidad que hace un siglo. La filología, que antes abarcaba una diversidad de conocimientos y también de ciencias, se ve hoy imperiosamente limitada en sus objetivos. Es normal, la adscripción de las ciencias es cambiante a lo largo de la historia: las ciencias de la Edad Media no se correspondieron con las del humanismo, ni estas con la del Siglo de las Luces y mucho menos aún con las de nuestros días. Es harto probable que surja un nuevo ordenamiento en las ciencias de la comunicación en las que se entronque desde la filología a la traducción. Pero para responder de una vez a parte de la pregunta, si la traducción fue origen de la filología, permítaseme que refleje mis dudas. Lo que resulta evidente es que la traducción ya existió como herramienta fundamental antes de que la filología se hubiera planteado. El mundo de las palabras escritas es de ayer - ¿qué representan acaso tres mil años en la existencia de la humanidad? - y mucho antes que ellas ya existían gestos, muecas, ruidos, códigos de expresión más o menos estructurados que el grupo utilizaba y sobre los que cabía mediar en un plano de comunicación oral. De los principios de la escritura nos han llegado testimonios arqueológicos de la traducción a/ de otras lenguas, como la piedra Rosetta, que permitió descifrar otras escrituras como la jeroglífica. Más adelantados en el tiempo, los civilizados griegos no conocieron la traducción en sentido explícito - como se la reconoce hoy, como un ejercicio de mediación escrita -, aunque demostraron, eso sí, conocer de manera implícita los textos de otras lenguas. Si la filología es el amor a la palabra o el estudio de la palabra por la palabra, concedamos entonces que esta disciplina es bastante más avanzada y que la traducción es muy anterior a la palabra. 2 Octavio Paz, Traducción: Literatura y Literalidad, Barcelona, Tusquets, Cuadernos Marginales, 18, 1971, p. 7. Justificar la traducción, labor siempre necesaria 127 Lo que sucede es que la traducción, uno de los primeros oficios del mundo, fue sin embargo tardíamente descrita o analizada y, por ello, desconocida en su problemática hasta que el espíritu inquieto que anidaba en un número notable de pensadores comenzó a dar forma a la reflexión en torno a la labor traductora con alegatos justificativos reproducidos en prólogos, introducciones, cartas y otro tipo de intervenciones. Cuando se habla de ella como descubrimiento romano lo que se quiere decir es que fue por entonces cuando empieza a justificarse su uso. De los cuatro periodos en los que se tiende a dividir la historia de la traducción (de oralidad, expresión escrita, reflexión y teorización), fue en el tercero - en el de reflexión en torno a la traducción - en el que se produce el encuentro con la filología y la más fecunda relación entre ambas. 2. El legado filológico El legado que los escritores y traductores - filólogos de espíritu - han ido dejando a lo largo de los dos últimos milenios es realmente importante. Desde Cicerón a Benjamin, pasando por san Jerónimo, Maimónides, Lutero, Vives, Mme. Dacier y tantos otros, se han ido transmitiendo infinidad de ideas sobre la traducción, vista desde la perspectiva de su propia época. Y es que, como decía Meschonnic, la traducción, como “práctica ideológica corriente (no teorizada, filologizada o esteticida)”, es una “noción histórica” que se define por lo posible de una época. 3 Cierto es que en la mayoría de los casos servían para justificar la propia labor o la de los demás y en su ánimo no estaba crear un método o sentar escuela (ese interés vendría más tarde), pero tuvieron el mérito de iniciar los grandes debates y de dar respuesta a algunos de los interrogantes que hoy, de modo repetitivo, siguen planteándose. Por sintetizar las posturas que desde Cicerón se han prodigado, podemos decir que se dejan ver dos orientaciones claras: la de los sourciers (o partidarios de la defensa del texto original) y la de los ciblistes (defensores del texto en lengua meta). Entre los defensores de la primera cabe destacar a Dante, J. Pelletier, J. J. Breitinger, Ch. Batteux o Mme. de Staël 4 , para quien la utilidad de la traducción era rendir un eminente servicio a la literatura, en el que no es necesario hacer lo que hacían los franceses en la época, es decir, dar su propio color a todo lo que se traducía. Y entre los defensores de la segunda, la que defiende el protagonismo de la lengua meta, se hallan Plinio, Lutero, Du Bellay, Bachet de Meziriac, N.P. d’Ablancourt, A. Lesage, Van Effen o A. Desfontaines, por no citar más que unos ejemplos. 3 Meschonnic, Pour la Poétique II. Epistémologie de l’écriture, Poétique de la traduction, 1973, Paris, Gallimard. 4 Mme. De Staël, “De l’esprit des traductions” Œuvres completes, Paris, Treuttel et Würtz, 1821. t. XVII, p. 387-392, 396. Antonio Bueno García 128 La relación entre el traductor y el autor original también ha sido motivo de controversia a lo largo de la historia; ahí quedaron las opiniones de Ch. Batteux, para quien el traductor no era “dueño de nada”, y estaba “obligado a seguir siempre a su autor” y a plegarse a todas sus variaciones con una “flexibilidad infinita” 5 ; como también de Johann Gottfried Herder, discípulo de Kant, que amplió en Fragmente (1766-1767) 6 el marco de reflexión en torno al traductor, reclamando para él una condición de filósofo además de lingüista y hombre de letras y elevando al traductor a la categoría también de autor, antes que otros, como Marcelino Menéndez y Pelayo, lo proclamaran como “creador”, o también como “coautor”, como gustaba de referirse el escritor francés Claude Simon, al hablar de sus traductores. 7 La preocupación por encontrar una definición formal de la traducción o componer una tipología de la labor ya ocupó también las reflexiones de muchos autores, desde el propio Cicerón a Juan Luis Vives, Pierre Daniel Huet, Th. Sebillet, J. Dryden, M. Dacier, A. F. Tytler, Novalis, F. Schleiermacher, J. W. Goethe, etc. En cuanto a las cualidades que debía reunir el traductor, fueron motivo de interés para Leonardo Bruni, Etienne Dolet, Lutero, Schottelius o Jean le Rond d’Alembert. Según el último, si los refinamientos de la propia lengua exigían de nosotros tanto estudio para conocerla bien, “¿cuánto más estudio no será necesario para desentrañar los refinamientos de una lengua extranjera? ¿Qué es un traductor sin este doble conocimiento? ” 8 2.1. La manera de traducir La manera de traducir fue sin duda el espejo en el que casi todos se reflejaban. Desde el humanismo vimos surgir en Europa por la pluma del alemán Lutero (Sendbrief v. Dolmetschen, 1531), del español Juan Luis Vives (El arte de hablar, 1532) o del francés Etienne Dolet (De la maniere de bien traduire d’une langue en aultre, 1540) las reglas de traducción que tanto esclarecieron la labor de los traductores de la época. Pero este movimiento de reflexión se venía propagando sin duda desde mucho tiempo atrás con las contribuciones de tantos y tantos hombres de letras sobre la manera de traducir. 5 Ch. Batteux, “Lettres sur la phrase française comparée avec la phrase latine, à l’abbé d’Olivet”, Cours de Belles Lettres distribué par exercices, Paris, Desaint et Saillant, 1748, t. II, p. 62-84, 126-139. 6 André Lefevere, Translating Literature: the German Tradition, from Luther to Rosenzweig, Assen/ Amsterdam, Van Gorcum, 1977, p. 30. 7 En Bueno et al. La traducción de lo inefable, “Mensaje enviado por Claude Simon”, Soria, Diputación de Soria, 1994. 8 J.R.D’Alembert, “Observations sur l’art de traduire en general, et sur cet essai de traduction en particulier”, Mélanges de littérature, d’histoire et de philosophie, Ámsterdam, Zacharie Chatelain & fils, 1759, t. III, p. 9-19. Justificar la traducción, labor siempre necesaria 129 En la Península Ibérica tenemos constancia de este interés desde el siglo XII. Fue el judío cordobés Maimónides quien inició una senda que si no hubiera sido por el silencio que los siglos venideros hicieron de ella habría podido convertirse en la semilla más clara de una tradición propia hispánica, como bien declaró Santoyo 9 . Mención especial merecerán los testimonios de Alonso de Madrigal, Iñigo López de Mendoza o Ferrando Valentí en el siglo XV; de Alonso Fernández de Madrid, Juan Luis Vives, Diego Gracián, Juan Boscán o fray Luis de León, en el siglo XVI, Lo que yo hago en esto son dos cosas: la una es volver en nuestra lengua palabra por palabra el texto de este libro; en la segunda declaro con brevedad, no cada palabra por sí, sino los pasos donde se ofrece alguna obscuridad a la letra, á fin que quede claro su sentido entero, y después de él su declaración. 10 En el siglo XVII los de Gregorio Morillo, Miguel de Cervantes, Juan de Jáuregui, Francisco López Cuesta, José Antonio González de Salas, Francisco de la Torre o Mateo Ibáñez de Segovia, por solo citar a algunos. En el XVIII, los comentarios de Gregorio Mayans y Siscar, José Francisco de Isla, Benito Jerónimo Feijoo, Tomás de Iriarte o Antonio de Capmany, En qualquiera arte el original se ha de mostrar en la copia, y en el de traducir ésta debe siempre ser fiel al sentido, y si es posible, à la letra del autor. Los autores tienen sus biuenas, y malas calidades, y éstas, como su carácter, deben conservarse en todas lenguas. 11 En el siglo XIX, las reflexiones de Luis Flojeras Sión, José Marchena, Javier de Burgos, Antonio Ranz Romanillos, Mariano José de Larra, Ramón de Mesonero Romanos, Antonio Caro o Marcelino Menéndez y Pelayo. La semejanza íntima de las lenguas, lejos de allanar las dificultades, las acrece. Quien traduce de lengua totalmente extraña al genio y construcción de la lengua propia, puede y debe inventar nuevo molde para el pensamiento ajeno, haciendo obra de creador más que de intérprete. No ya el ritmo, que es totalmente diverso, sino hasta el enlace y progresión de las ideas, hasta la forma íntima del pensar, tiene que resultar original en el que traduce, no ya de lenguas totalmente exóticas y de diversa familia, como lo son las semíticas respecto de las llamadas indoeuropeas, sino en lenguas unidas por parentesco no enteramente remoto, como las neo-latinas o las germánicas. Mayor libertad y mayores ensanches se toleran siempre a quien traduce del alemán o del inglés, que al que traduce del italiano, del portugués o del catalán. 12 9 Julio César Santoyo, Teoría y crítica de la traducción: Antología, Bellaterra (Barcelona, Universitat Autónoma de Barcelona), 1987, p. 12. 10 Fray Luis de León, Prólogo de la Traducción literal y declaración del libro de los Cantares de Salomón, Ediciones Atlas (Biblioteca de Autores Españoles), Madrid 1950, p. 218. 11 Antonio de Capmany, Prólogo del Arte de traducir del idioma francés al castellano, Antonio de Sancha, 1776, p. v. 12 Marcelino Menéndez y Pelayo, Prólogo al libro Soñar despierto, de Antonio Arnao, Impr. Tello, Madrid 1891. Recogido en Marcelino Menéndez y Pelayo, Obras completas, vol. V: Crítica Literaria, Madrid, p. 249. Antonio Bueno García 130 En el siglo XX y lo que llevamos de XXI, han seguido siendo muchas y muy variadas las aportaciones sobre la manera de traducir desde el ámbito de los filólogos y de los literatos, ahí quedan las de Francisco Ayala, José Alsina, Agustín García Calvo, Emilio Lorenzo, Javier Marías, Valentín García Yebra y un largo etcétera. 13 En los demás países del entorno tampoco han permanecido al margen de este interés preceptivo. Así lo vemos en Francia, donde una larga serie de autores: Bachet de Meziriac, Perrot d’Ablancourt, Batteux, D’Alambert, Beauzée, Marmontel, Bitaubé, Ferri de Saint-Constant, Vaultier, Loyson, Mme de Staël, Vigny, Littré, Lesage, etc. llenaron de interesantes aportaciones sus recorridos teóricos. El rigor científico de Bachet de Meziriac, basado en la observación de la práctica, le sitúa sin duda en los antecedentes de la traductología. Sus consejos dados a los prácticos, como el de desechar las glosas superfluas o el de apartarse de la traducción palabra por palabra, y la clasificación rigurosa tripartita así lo atestiguan: [...] si quelqu’un aspire à la louange que mérite une fidèle traduction, il faut qu’il observe exactement ces trois points; qu’il n’ajoute rien à ce qe dit son Auteur, qu’il n’en retranche rien, et qu’il n’y apporte aucun changement qui puisse altérer le sens. 14 En línea muy similar encontramos a Nicolas Perrot d’Ablancourt, quien confesara que en traducción no se atiene tanto a las palabras del autor o a su pensamiento, pues lo que pretende es “guardar el efecto que él intentó producir en la mente”, y disponer el material “según la manera de su época” 15 . Por lo que respecta a Lesage, importante es destacar que llega a justificar su traducción en su pretensión sobre todo, de ser breve y de no tomar más que lo esencial del relato. Para Desfontaines la libertad de un traductor se extiende incluso hasta el extremo de poder suavizar, transportar o incluso suprimir algunas ideas accesorias que no estén de acuerdo con el francés. En cuanto a Prévost, justifica su traducción como una nueva cara de la obra, en la que no duda en eliminar “las excursiones insulsas, las descripciones excesivas, las conversaciones inútiles o las reflexiones fuera de lugar” 16 . El suizo Breitinger o el alemán Bürger hicieron sus elogios de la traducción como réplica del original o del tiempo expresado en él: 13 Una relación más importante, acompañada de ricas obras de referencia se encuentra en las obras de Julio César Santoyo, op. cit. y Miguel Ángel Vega, Textos clásicos de teoría de la traducción, Madrid, Cátedra, 1994. 14 Bachet de Meziriac, Claude-Gaspard, De la traduction. 1635. Introduction et bibliographie de Michel Ballard, Artois Presses Université, coll. “Traductologie”, Presses de l’Université d’Ottawa, coll. “Regard sur la Traduction”, 1998, p. 8. 15 Ablancourt, Nicolas Perrot d’, “Epitre dédicatoire” in: traduction de Lucien, Histoire véritable, (1654), reed. Actes Sud, Arles, 1988, pp. 17-27. 16 A.Prévost, Prefacio a la traducción de la P AMELA de Richardson. 1760, en Vega, op. cit. pp. 183-187 (Trad. M.A. Vega). Justificar la traducción, labor siempre necesaria 131 La traducción es una réplica que tanto mayor elogio merece cuanto mayor es su semejanza con el original; 17 La traducción (...) debe saber a Antigüedad. [...] El tono de la Antigüedad contribuirá a ello no poco si se sirve de la lengua de tiempos pasados, notablemente distinta, tanto por las palabras propias como por su particular relación, de las nuestras. 18 Gerstenberg reclamó también del traductor que reflejara “tan fielmente como le fuera posible el impulso peculiar y el sello particular de los pensamientos del autor”, y ello de tal manera que el lector pudiera percatarse de que “el autor que tiene delante es de tal o cual época, que tiene tal o cual ideología, tal gusto, que tiene una genialidad peculiar, tales faltas o tal perfección estilística” 19 . Schleiermacher fue sin duda más allá al proponer un auténtico método de traducción que revisaba múltiples situaciones de comunicación en la traducción, y en ello seguía la senda de otro auténtico precursor de la traductología, el escocés Tytler. Pero, entonces, qué caminos puede emprender el verdadero traductor, que quiere aproximar de verdad a estas dos personas tan separadas, su escritor original y su propio lector, y facilitar a este último, sin obligarle a salir del círculo de su lengua materna, el más exacto y completo entendimiento y goce del primero? A mi juicio, sólo hay dos. O bien el traductor deja al escritor lo más tranquilo posible y hace que el lector vaya a su encuentro, o bien deja lo más tranquilo posible al lector y hace que vaya a su encuentro el escritor. (...) 20 Por una parte, se ha afirmado que es deber del traductor tener en cuenta sólo el sentido y espíritu del original, llegar a hacerse perfectamente con las ideas del autor y transmitirlas por medio de aquellas expresiones que estime más oportunas. Por otra parte se ha sostenido que, para realizar una traducción perfecta, no sólo deben transmitirse las ideas y sentimientos del autor, sino también su estilo y forma de escribir, lo que supuestamente no se consigue si no se presta una rigurosa atención a la disposición de sus oraciones, e incluso al orden y construcción. Conforme a la primera idea sobre la traducción, está permitido mejorar y pulir, en lo que respecta a la última, es necesario conservar incluso los errores y defectos; y a todo esto ha de añadirse a su vez la severidad que debe estar presente en todo ejemplar en el que el artista estudie, de forma meticulosa, la manera de imitar los más ínfimos indicios o trazos del original. 21 17 J.J. Breitinger, Poética crítica. Del arte de la traducción. 1740, en Vega, op. cit., pp. 174-177 (Trad. M.A. Vega). 18 G.A.Bürger, Acerca de una traducción alemana de Homero. 1789, en Vega, op. cit., pp. 209- 210 (Trad. M.A. Vega). 19 W.H. Gerstenberg, Cartas acerca de la peculiaridad de la literatura (1776), en Vega, op. cit., p. 195 (Trad. M.A. Vega). 20 F. Schleiermacher, Sobre los diferentes métodos de traducir (1813), en Vega, op. cit. p. 231 (Trad. Valentín García Yebra). 21 A.F. Tytler, Ensayo sobre los principios de la traducción (1793), en Vega, op. cit., p. 211 (Trad. Lidia Taillefer). Antonio Bueno García 132 2.2. La traducción como problema filosófico La visión de la traducción como problema no solo filológico sino filosófico ha sido también una constante y ha acompañado a esta reflexión desde los primeros momentos. La filosofía era la perspectiva desde la que se sentía el problema de la traducción, pero era también un serio problema de la filología, que requería una postura determinada, como aseveraba el propio Cicerón. Con el paso del tiempo se fue acrecentando el compromiso de filósofos y filólogos y se creó una perspectiva nueva dentro de esta, la de la filosofía del lenguaje, que tantos avances y también sinsabores produjeron sobre la comprensión del hecho traductológico. En el siglo XVIII, el suizo Breitinger había expuesto su teoría feliz de que las palabras y las locuciones de las diferentes lenguas eran intercambiables, fundando esa equivalencia en el principio de la existencia de universales de pensamiento y de emoción 22 . Pero en el siglo XIX, figuras como Humboldt, Schopenhauer o Nietzsche pusieron en entredicho cualquier posibilidad de entendimiento humano a través de la traducción. Observaciones como: “ninguna palabra de un idioma se corresponde perfectamente con otra de otro idioma”, por parte del primero o “lejano resulta el conocimiento de los autores antiguos que a través de semejantes traducciones se puede conseguir” en boca de Schopenhauer asestaron un duro golpe a las posibilidades reales de conocer la intención del texto original. En el siglo XX, y siguiendo la senda marcada por filósofos anteriores, Fulda, Ortega y Gasset, Benjamin, Broch o Derrida justificaron también su opinión acerca del ejercicio, aunque con ánimo renovado, pues creyeron en el parentesco de los idiomas o en la imagen ideal de una traducción virtual entre líneas de las obras literarias y máxime aún de las Sagradas Escrituras (Benjamin). Indagaron en el misterio de la traducibilidad (Broch), en el valor inherente de la traducción a pesar de la ilusión de creer que podemos decir lo que pensamos (Ortega y Gasset) o en la necesidad de deconstruir el significado y el sentido tanto del texto original como de la traducción (Derrida). De lo que de esos testimonios de profunda reflexión quedó es testigo la historia de las letras y de la filosofía del lenguaje, quitar mérito a todo este bagaje intelectual sería tan absurdo como arriesgado; no estaríamos en condiciones de asumir el estado actual de los estudios de traducción. Eran tiempos en los que la filología aún no era la que reconocemos hoy, pero empezaba a sentar las bases de lo que sería después. Estos autores que indagaron sobre las posibilidades de las lenguas y sobre el sentido de la traducción fueron, sin duda alguna, sus predecesores, y su método, el que venía cargado de aparato crítico y de alto valor introspectivo, el que más profunda huella dejó en el trasvase literario de las literaturas extranjeras, de las Sagradas Escrituras y de la comunicación ordinaria durante dos mil años. 22 Véase, Michel Ballard, De Cicéron a Benjamin, Villeneuve d’Ascq, Presses Universitaires du Septentrion, 2007, p. 230 Justificar la traducción, labor siempre necesaria 133 La filología del siglo XIX rescató el mismo espíritu anterior y dio pruebas de su interés en torno a la cuestión de si la traducción era materia propia. Para U. von Wilamowitz Moellendorf, no quedaba el más mínimo resquicio de duda: La traducción de un poema griego sólo puede hacerla un filólogo (...) cuando el conocimiento lingüístico es escaso, sólo puede resultar algo deficiente ). 23 Se refería por supuesto a la filología clásica y no pensaba tanto en el resto de la producción literaria, pero algún otro filólogo, como Pannwitz, un tiempo después no dudó en exigir el método filológico para toda traducción humanística, Una traducción de las denominadas artísticas sin base filológica, será siempre una traducción arbitraria. 24 El siglo XIX fue fecundo desde el punto de vista lingüístico y filológico. La reflexión en torno a la traducción empezó a dar también un giro importante, como hemos visto, cuando Tytler y Schleiermacher iniciaron en las últimas décadas del siglo XIX un nuevo método de acercamiento al problema, con mayor base científica y menor grado de especulación personal. Sin duda fueron los predecesores de un espíritu que llegó más tarde, el del interés epistemológico por la traducción, que estimuló a principios del siglo XX la escuela rusa y que alcanzó mayor importancia a partir de la segunda mitad del siglo. En este período es cuando se produce un cambio significativo en la historia de la traducción, el paso hacia una nueva etapa, la de teorización. Aunque la filología debiera haber seguido encontrando razones para seguir ocupándose de los problemas que interesaban a la traducción desde una perspectiva más teórica, lo cierto es que la despreocupación manifestada por la lingüística tradicional (una de sus ramas más notables) por el problema de la traducción pesó sobremanera en la relación mantenida por ambas, que llegó a cierto anquilosamiento. Lo que realmente sucedió con la lingüística es que no pudo o no supo explicar lo que sucedía en tantas ocasiones en las que pesaban los fenómenos culturales o intervenían en la comunicación factores derivados de la semiología o de la semiótica, ciencias un tanto abandonadas en la tradición lingüística clásica y que empezaban a reclamarse en la reflexión sobre la traducción. Tan sólo la lingüística pragmática intentó mucho tiempo después acercarse a ella y dar respuesta a las situaciones del habla y de la diferencia cultural con conceptos como el de los realia lingüística y el ethos cultural. 23 U.von Wilamowitz Moellendorf, ¿Qué es traducir? 1891, en Vega, op. cit, p. 276 (Trad. Ingrid Cáceres). 24 R. Pannwitz, Traducción y filólogos. 1928, en Vega, op. cit., p. 297 (Trad. M.A. Vega). Antonio Bueno García 134 3. La bifurcación de caminos Dos precedentes venidos del este de Europa, Levy y Popovic, y ligados a la ciencia lingüística avanzaron, sin embargo, algo determinante sobre las normas de la traducción que sería recogido después con éxito por los seguidores de una corriente nacida a pocos kilómetros de aquí y extendida por una amplia geografía. Para J. Levy la traducción viene determinada por una categoría de valores y por una noción que haría después escuela, la de las normas. La base de la estética y crítica de la traducción - al igual que en cualquier otro arte - es una categoría de valores. El valor se determina a través de la relación que existe entre la obra y la norma del género al que pertenece. En cualquier caso, las normas han de ser entendidas históricamente: a lo largo del desarrollo cambia su contenido y su jerarquía. (v. norma de “reproducción”, que requiere fidelidad, y norma de lo artístico (requiere belleza). 25 Hacía tiempo ya que la expresión “el arte de traducir” empezaba a ser historia y comenzaba a cristalizarse la necesidad de lograr una teoría de la traducción capaz de dar explicación a todos los interrogantes que se planteaban en el ejercicio y, sobre todo, de sistematizar los fenómenos que incidían en el proceso de la traducción. A partir de los años cincuenta las teorías traductológicas se suceden a ritmo vertiginoso: de los planteamientos de la estilística comparada de Vinay, Darbelnet o Malblanc a la sociología de la traducción de Nida, pasando por la teoría del Escopo, la interpretativa o del Sentido, la Escuela de Leipzig, la escuela de Análisis del Discurso, el Funcionalismo, la teoría descriptivista de Estudios de Traducción, los enfoques del Polisistema, teoría de las Normas, Manipulation School o las recientes teorías canibalistas. En todos y cada uno de los casos, las búsquedas teóricas toman irremediablemente diferentes caminos, aportando muchas innovaciones conceptuales y metodológicas, de tal manera que dan lugar a un sinfín de definiciones nuevas de la traducción que tratan de ajustarse a nuevas realidades descritas. En innumerables ocasiones salta a la vista también que el debate sigue siendo el mismo que el producido a lo largo de dos milenios, y que se siguen repitiendo problemas y recetas desde una perspectiva estéril que tiene como característica más sangrante el desconocimiento de la realidad anterior. Acaso sea este el principal escollo con el que se encuentra la traductología moderna. En las nuevas perspectivas teóricas en torno a la traducción ganan terreno los problemas derivados de los textos que más producción tienen. Desde el punto de vista de la producción traductográfica, los textos ligados a las nuevas tecnologías y a la economía son junto a los jurídicos los que hoy más encargos reciben. Un fenómeno social y tecnológico ha venido a sumar- 25 Jiry Levi, Las dos normas de la traducción artística (1963), en Vega, op. cit., pp. 324-326 (Trad. Ingrid Cáceres). Justificar la traducción, labor siempre necesaria 135 se a los ya clásicos, el fenómeno de las comunicaciones de masas. El impacto de las telecomunicaciones es tal que pone de continuo nuevas necesidades y formas de traducción ligadas a los sistemas informáticos, la imagen, el cine, etc., como la traducción automática, la publicitaria, el doblaje o el subtitulado. Pensar que la traducción literaria - verdadero bastión de la traducción filológica - puede escapar a esas presiones es sin duda ilusorio, viendo como vemos emerger la traducción literaria para soportes informáticos, el cine o la publicidad o viéndola practicar en algún caso concreto con avanzadas memorias de traducción. No son pocos los traductólogos que piensan que muchas formas de traducción de nuestros días, la científico-técnica, la del cómic, la de la publicidad, son formas novedosas y sin historia. Pero no es cierto: antecedentes de la traducción del cómic los encontramos, por ejemplo, en los catecismos pictográficos que utilizaban los misioneros españoles en la evangelización de las tierras de América y Asia; la traducción de la imagen es necesaria en la traducción arqueológica y en el desciframiento de otras formas de lenguaje como pueden ser los jeroglíficos de la civilización egipcia. Muchos de los problemas de la traducción contemporánea se experimentaron en situaciones ya vividas por la humanidad, como la de la conquista o encuentro - como quiera determinarse - del Nuevo Mundo, cuando los “lingua” tuvieron que enfrentarse a nuevos y desconocidos lenguajes. Hoy en día estamos lejos de ponernos de acuerdo en las bases de una teoría de la traducción que represente un punto de vista científicamente compartido y que dé respuesta a todos los problemas que se plantean en el mundo de la traducción; pero esta situación es la que mejor define la riqueza de la propia comunicación humana y por ende de la traducción. La desbordante literatura científica producida en las últimas décadas, concentrada muchas veces en países como Canadá, Países Bajos o España 26 , es la prueba de un interés espectacular por el fenómeno de la traducción desde un área científica propia, la de Traducción e Interpretación. 27 ¿Estamos en la era de la traducción? Creo que eso más bien fue cuando lo mentó Caillé, hace ya unas cuantas décadas; hoy estamos en la era de las comunicaciones. La traductología sigue rumbos inexplorados, respondiendo a situaciones de comunicación concretas, motivada por aspectos como el objetivo del texto, la función, la recepción, la figura del traductor, la intertextualidad o la altertextualidad, los espacios en los que se desarrolla la misión traductora, 28 etc. En esta nueva coyuntura vemos surgir nuevos conceptos como el de “traducción profesional”, que compite con el otro, el de siempre y tiene en cuenta al cliente, la modalidad del encargo, las 26 España cuenta con una veintena de facultades de Traducción, cifra que supera a la de todos los países de la Unión Europea juntos. 27 Anteriormente denominada en España área de Lingüística aplicada a la traducción. 28 Véase Bueno, A., La traducción en los monasterios, Universidad de Valladolid, 2004. Antonio Bueno García 136 condiciones laborales, la tarifa o el ámbito de publicación. Ha variado la relación con el texto, que ahora ya no se identifica plenamente con el original, y que es considerado como una obra distinta; y se distingue claramente el compromiso del traductor (jurado, especializado, generalista, etc.). La modalidad de comunicación impone sus propias leyes y criterios y, como consecuencia de ello, los estudios de traducción se ven más obligados a formar estrategas de la comunicación con conocimientos idiomáticos. Mientras todo esto sucede, parece hacerse más profunda la brecha entre la filología y la traducción. ¿Qué consecuencias se derivan de ello? 4. Consecuencias para la filología y la traducción Merece la pena, antes de nada, detenerse en el modo de crecimiento de estos planes de estudio en países como España. A medida que las facultades de Traducción e Interpretación han ido en aumento se han ido apartando cada vez más de los principios que regían la traducción desde la perspectiva filológica, a saber, el conocimiento de la historia - sobre todo de la historia de la traducción -, de los fenómenos lingüísticos, literarios o culturales, concentrando mayoritariamente su docencia en las labores técnicas del traductor e intérprete (terminología de corpus, traducción automática, memorias de traducción, etc.). Ni que decir tiene que los conocimientos de lenguas antiguas - latín o griego - han sido superados e incluso menospreciados por el aprendizaje de otras lenguas modernas y de impacto por el número de hablantes o su importancia estratégica. El diseño de los nuevos planes de Bolonia y el llamado Espacio Europeo de Educación Superior no parece que vayan a contribuir a cambiar el sentido de la docencia universitaria, más bien al contrario, inducirán a un saber práctico y a un acercamiento a la realidad social y empresarial que chocan aún más con los fines del saber por el saber que subyace en la filología. En esta coyuntura, la traducción y la filología se miran recelosamente. Es una evidencia académica que al tiempo que se vive en nuestra área cultural una explosión en el terreno de la traducción se advierte una implosión en el de la filología. El aumento de expectativas (académicas, profesionales, etc.) en la primera topa con el descenso en la segunda. La reducción del número de alumnos en la última se contrapone al incremento en la primera. Desde el punto de vista de la formación de los nuevos traductores, algo alarmante sucede: asistimos a un brusco cambio de mentalidad y de interpretación del saber. La pérdida progresiva de conocimientos humanísticos por parte de los traductores afecta no sólo al resultado, que se ve mermado en su capacidad interpretativa, sino a la capacidad de justificación de la propia tarea. A modo de conclusión podemos decir que la justificación de la traducción ha sido la tarea que durante siglos mejor ha definido la voluntad Justificar la traducción, labor siempre necesaria 137 de la filología y la que mejores frutos ha dado en el conocimiento profundo de la traducción. Tal es su importancia que muchos de los posicionamientos teóricos de hoy ya fueron planteados en estadios de reflexión anterior. El abandono progresivo del interés teórico por parte de la lingüística tradicional y su desinterés por describir los fenómenos que subyacen en todas y cada una de las formas de traducción ha propiciado un distanciamiento efectivo entre la traducción y la filología, distanciamiento que ha ido a la par con el acercamiento de otras áreas de la comunicación, interesadas en la descripción de los procesos mecánicos y profesionales y sobre todo de la traducción especializada. Como consecuencia de ello, el saber humanístico - materia importante de la filología - se ha visto relegado de los planes de estudio de la especialidad de traducción, y la traducción filológica marginada en su estructura académica. Cierto es que el concepto de traducción filológica parece haber sido preservado al definir esa técnica de traducción-reconstrucción de textos o esa inquietud para fijarlos o interpretarlos según el estado del texto original, pero, a decir verdad, tal variante apenas aparece en la descripción habitual de los planes de estudio. La filología, por su parte, ha seguido guardando en sus planes de estudio la traducción como acercamiento al texto, más quizás que como herramienta profesional, aunque con cierta pereza y poca ambición. En este estado actual de la cuestión pocas acciones pueden llevarse a cabo, si no es analizar con rigor el problema de la traducción y seguir justificando su papel fundamental en nuestra sociedad del conocimiento. Si la filología desea acercarse realmente a la traducción, debe vencer los inconvenientes que le han llevado a esta situación pasiva y abordar de manera clara algunos aspectos necesarios que han sido hasta ahora infravalorados en su perspectiva sobre la traducción; nos referimos al reconocimiento debido del valor y el sentido de la traducción, de la perspectiva de recepción, de los procedimientos o herramientas de traducción, de la aportación de los valores extralingüísticos y no verbales dentro del mensaje lingüístico o del propio papel del traductor. Para reconocer mejor el valor de la traducción, debe admitirse que esta no es ni puede ser un mero calco del original, es un punto de encuentro en la lengua y cultura meta en el que cobran vida de nuevo las ideas del primero, en una perspectiva de tiempo y espacio diferentes. A la espera de una mayor concreción de los estudios de traducción, sometidos siempre a la vorágine de los cambios de planes, sería deseable que la traducción humanística no se viera desterrada nunca del interés de la filología y que los conocimientos de historia y teoría de la traducción siguieran siendo abordados desde cualquiera de las dos áreas científicas que tanto han hecho por su conocimiento, la filología o la traducción. El enriquecimiento en la formación del traductor no es tema baladí, es necesario para asegurar a su vez una correcta formación de las generaciones venideras. De la calidad del formado en traducción depende por lo demás su capacidad para justificar su propia labor y su compromiso ético de cara a la misma. Jean Balsamo Entre philologie et traduction: les Essais de Montaigne 1. Traduction et tradition philologique Il sera sans doute nécessaire, en guise de préambule, de rappeler une double distinction. Dans son sens moderne, plus large que celui d’études classiques, le terme de philologie ne recouvre pas exactement le même champ en allemand et en français; là un savoir général, correspondant aux études linguistiques en relation ou non aux textes littéraires, fondé en une discipline universitaire, ici une méthode particulière, celle de la transmission et de l’établissement des textes, au service de l’histoire littéraire. Dans son rapport à la philologie, la traduction, selon qu’on l’examine d’un point de vue allemand ou français, pourra ainsi être considérée comme un objet privilégié des études linguistiques et comme l’occasion du renouvellement ou plus exactement de l’élargissement des frontières académiques, ou à l’inverse, n’apparaître que comme une modalité textuelle particulière et somme toute marginale. Dans le cadre universitaire français, d’autre part, et dans la stricte acception des termes, la relation entre la philologie et la traduction ne correspond à aucun enjeu académique actuel, dans la mesure où la traduction est prise en charge selon des modalités particulières par des disciplines différentes (lettres classiques ou modernes, littérature générale ou comparée, langues vivantes, langues appliquées, linguistique) et non pas par la philologie, qui n’existe pas en tant que discipline universitaire reconnue comme telle. La relation entre la philologie et la traduction, souvent formulée en forme d’opposition, est en fait d’ordre historique. Elle a joué un rôle central, à l’époque de la Renaissance, dans la définition et l’affirmation des langues et des cultures vernaculaires. Celles-ci, en effet, ont cherché à s’affirmer en se distinguant d’une tradition savante vouée à la célébration des langues antiques, dont Guillaume Budé, en France, avait révélé l’objet sublime dans son De transitu hellenismi ad christianismum. Dans un premier temps, la philologie, conçue comme étude et célébration savante des seules lettres anciennes s’opposait à la traduction, fondement de la littérature moderne, avant d’être mise au service de celle-ci. L’histoire de la philologie classique commence à être bien connue. 1 D’autres travaux ont mis en lumière, dans 1 Voir Grafton 1991. Jean Balsamo 140 une perspective historique, une double relation, qui rattache la littérature moderne à la philologie durant la Renaissance, et la littérature moderne à l’imprimerie, durant le premier siècle de cet Age of Science ainsi que le nomme Anthony Grafton, qui est en même temps le premier siècle de l’Âge de l’éloquence, étudié par Marc Fumaroli. Le développement de la littérature moderne s’est accompli dans le cadre de l’institution éditoriale, en prenant appui sur l’expérience humaniste du travail philologique, et d’une certaine manière, l’écrivain moderne procède du philologue, en même temps qu’il se distingue de lui. 2 La France, durant la Renaissance et le XVI e siècle, est à la fois la patrie d’une admirable tradition philologique classique, celle d’Estienne, de Denis Lambin, d’Adrien Turnèbe, de Joseph-Juste Scaliger ou d’Isaac Casaubon, comme elle est un pays de traducteurs. Les lettres françaises modernes, dans leur acception la plus large, comme l’institution littéraire capable de les promouvoir, restaient fondées en grande partie sur l’imitation, dont la traduction était une modalité et un genre particulier, ainsi qu’en témoignent les ouvrages de toute nature pris, traduits ou adaptés du grec et du latin, mais aussi de l’italien et à un degré moindre de l’espagnol. Cette forme d’enrichissement des lettres françaises par la version avait été encouragée par les rois, si l’on en croit les épîtres de dédicace. Les derniers Valois, François I er , Henri II et Henri III, accordèrent leur patronage à ce travail de mise en français, suivant un mouvement continu dont l’origine remontait à Charles V, et qui portait parfois sur des œuvres considérées comme de véritables biens patrimoniaux de la Couronne. En 1545, Antoine Le Maçon, un haut fonctionnaire, trésorier de l’artillerie, traduisit le Decameron de Boccace à la demande de Marguerite de Navarre et du Dauphin, fils de François I er . Cette version était destinée à remplacer une première version, vieillie et rendue illisible par la succession de ses transcriptions et ses avatars éditoriaux, celle que Laurent de Premierfait avait établie au début du XV e siècle pour le duc de Berry. 3 De même, en 1570, à la demande du cardinal Charles de Lorraine, Gentian Hervet offrait au roi Charles IX, l’ambitieuse traduction de La Cité de Dieu de saint Augustin, faite d’après le texte établi par Erasme annoté par Vivès, qui renouvelait la vieille version commandée à Raoul de Prelles par Charles V en 1371. 4 Pendant un siècle d’autre part, un certain nombre d’écrivains, ou plus exactement d’hommes de lettres établirent même leur carrière sur la traduction, Jean Martin, 5 François de Belleforest 6 et surtout Gabriel Chappuys. Ce dernier, véritable tâcheron des lettres, produisit une œuvre abondante entre toutes, quelque 80 versions de l’italien et de l’espagnol, certaines considérables par leur qualité littéraire ou 2 Sur ce point, voir Balsamo 2006: 75-95. 3 Sur l’histoire de cette version, connue au XVI e siècle par des éditions très fautives, voir l’introduction de G. di Stefano à son édition de Boccace 1998: IX - XXX . 4 Sur cette version, voir Balsamo 1998: 83-99. 5 Voir les différentes contributions publiées dans le volume Martin 1999. 6 Voir Simonin 1992. Entre philologie et traduction: les Essais de Montaigne 141 leur portée culturelle (le Cortegiano de Castiglione ou Guzman d’Alfarache) ou leur longueur (la suite romanesque des Amadis). Chappuys dévoilait aussi sans fards les conditions du travail littéraire de l’époque comme les limites mêmes de la littérature d’imitation, dont les modes opportunistes sont bien connus, sans cesse balançant au gré des difficultés entre la version littérale et la paraphrase. 7 Pendant la même période, si la poésie s’était émancipée de la traduction en faveur de l’imitation avec variations sur un modèle national donné par Ronsard, les chefs d’œuvre de la prose d’art française reconnus comme tels étaient des traductions: pour la génération de 1550, Amadis de Gaule traduit par Herberay des Essars à la demande de François I er ; pour celle de 1575, les Vies et les Œuvres morales de Plutarque traduites par Amyot; pour la génération de 1600, le libraire Abel L’Angelier imposa les admirables et subtiles versions procurées par Blaise de Vigenère, véritables essais pour mettre en français les différents styles antiques. 8 Montaigne fit à plusieurs reprises l’éloge d’Amyot; 9 en mettant en lumière les conséquences sociales et morales du culte voué à ces textes, cet éloge correspondait, de façon topique, à un éloge des lettres françaises dans leur ensemble. 10 Le paratexte qui accompagnait ces différentes versions, poèmes liminaires, épîtres, avis aux lecteurs, insistait sur la nature contradictoire en même temps que sur la nécessité du genre. 11 Celui-ci d’une part ne cessait d’être présenté dans sa modestie, comme un pis-aller, permettant d’éviter le long détour de l’apprentissage des langues anciennes, incompatible avec d’autres exigences sociales, et comme un exercice préparatoire, la propédeutique à une œuvre littéraire à venir, un travail d’imitation plus que de création authentique. D’autre part, - et particulièrement en ce qui concernait les versions de l’italien -, la traduction se justifiait par le principe d’émulation qui l’animait, elle avait l’ambition de faire mieux que l’œuvre d’origine toujours dévalorisée, renouvelant par une elocutio renouvelée, par la grâce d’une langue et d’un style naïfs, une inventio et des “conceptions” appartenant à un fonds commun culturel plus qu’elles n’appartenaient en propre à un auteur particulier. L’on pourra ainsi ne pas suivre les conclusions d’une longue 7 Voir Chappuys 2003: 145-171. 8 Voir les contributions au volume Vigenère 1994, ainsi que Fumaroli 1981: 31-51. 9 Montaigne 2007: 382. Voir également les chapitres I, 23 et I, 46 des Essais; Montaigne, à Rome, prit la défense de la traduction de Plutarque par Amyot, critiquée par Marc- Antoine Muret et d’autres savants, en rappelant que “où le traducteur a failli le vrai sens de Plutarque, il en a substitué un autre vraisemblable et s’entre-tenant bien aux choses suivantes et précédentes”, Montaigne 1983: 214-215. Dans la préface de son Apologie pour Hérodote, Henri Estienne loue avec réserve les versions de Georges de Selve, et celle d’Amyot: “D’autant plus est obligé Plutarque aus deux personnages qui, pour le faire François, ne lui ont changé que la robbe” (Estienne 1885: 8). 10 Lucinge 1614: 119-120. 11 La conception de la traduction à l’époque a été étudiée par Norton 1984. Jean Balsamo 142 tradition critique qui croit voir dans l’abondance des traductions la preuve évidente d’une influence étrangère, 12 et considérer la traduction comme une forme paradoxale de célébration de la langue française, capable de tout dire selon son génie propre, jusqu’aux expressions les plus subtiles du génie étranger. La préface de Le Maçon ouvrant le Decameron constituait la mise en forme définitive de cette argumentation, sur laquelle allait reposer pour trois générations une véritable apologie de la langue française: loin d’apparaître comme le tribut payé à une œuvre, et partant à une langue étrangère supérieure en qualité, la traduction se justifiait comme un exercice des ressources propres de la langue française, mise à l’essai, soumise au crible de celle qui s’imposait alors comme la plus élégante des proses modernes. Selon une métaphore canonique, Boccace tenait dans l’histoire des lettres italiennes la même place que Cicéron et Démosthène avaient occupée à Rome et à Athènes; le traducteur affirmait ainsi son ambition de devenir un Cicéron français, par l’intermédiaire d’une francisation de Boccace. Rendre fidèlement le Decameron devait lui permettre de se hisser au même niveau que son modèle, de prouver, par cette confrontation, que la langue française était capable d’une même perfection. Cette construction apologétique trouvait son complément dans la préface de l’Heptameron de Marguerite de Navarre, composé au même moment, mais publié quinze ans plus tard: grâce à la médiation d’une traduction, une œuvre française originale était édifiée sur le modèle boccacien, et pouvait légitimement prétendre le dépasser en terme de véracité et de dignité. 13 Dans une étude déjà ancienne, Marc Fumaroli rappelait que le genre modeste de la traduction et de la vulgarisation portait en lui une capacité de médiation, de filtrage et de stylisation, permettant d’imprimer une marque française sur les richesses rassemblées et réordonnées, pour donner naissance à des œuvres originales, de passer, au prix d’un ultime épurement, de la fonction traductrice à la fonction créatrice 14 . Le savant critique soulignait précisément dans cette évolution le rôle capital des Essais de Montaigne. L’œuvre originale qui donne la plus haute idée du génie littéraire dont la France était alors capable, celle qui refondait en langue vulgaire les diverses richesses de la sagesse antique, avec une puissance d’analyse et une liberté de style toutes modernes, était encore elle-même une traduction, mais une traduction géniale, somme d’innombrables traductions partielles d’autres auteurs ou dues à Montaigne lui-même. 12 Sur ce point, voir Balsamo 1992: 37-133. 13 Sur ces enjeux de la traduction et l’évolution du discours critique, voir Balsamo 2004: 37-52. 14 Voir Fumaroli 1982: 1-33. Entre philologie et traduction: les Essais de Montaigne 143 2. Montaigne traducteur La relation de Montaigne à la traduction est avérée. Les Essais avaient été préparés par un apprentissage lettré et littéraire, au sens le plus concret du terme, habituel à cette époque, consistant précisément en une version. 15 Montaigne traduisit la Théologie naturelle de Raymond Sebond, qui fut publiée en 1569 et 1581. 16 Son rapport à la traduction ne se limite pas à cet ouvrage, mais il passe par lui, de façon déterminante. 17 Ce premier grand travail littéraire auquel il s’était livré est intéressant à ce titre; il prend sens dans un contexte religieux, familial et social qui n’a pas encore été élucidé dans toutes ses implications. La présentation que Montaigne fait, dans les Essais, des conditions mêmes dans lesquelles la traduction lui avait été confiée par son père est en contradiction avec les faits. Loin d’être une œuvre privée, faite par un amateur et en un temps limité, cette version entrait dans un projet éditorial cohérent, comme un véritable travail de librairie, fort soigné dans sa réalisation et son exécution, destiné à une large diffusion commerciale. De ce point de vue, la Théologie naturelle fut un long succès commercial, appuyé par la notoriété du texte de Sebond, qui contribua à la notoriété du traducteur, plus tard amplifié par celle de l’auteur des Essais. Cette traduction entrait surtout dans le contexte des polémiques confessionnelles des années 1560, dans le cadre d’une récupération de la pensée augustinienne par les catholiques; elle trouva une actualité nouvelle en relation au chapitre II, 12 des Essais, l’Apologie de Raimond Sebond, qui permettait à Montaigne de formuler, dans les termes paradoxaux d’un scepticisme chrétien, également d’origine augustinienne, une conception paulinienne de la foi et de la grâce fondée sur le renversement de la philosophie et de la science. Montaigne ne donne guère de précisions autres que topiques sur les formes de son travail de traducteur et sa conception de la traduction dans l’épître de dédicace de la Théologie naturelle et dans l’Apologie, précisant simplement: Il faict bon traduire les autheurs, comme celuy-là, où il n’y a guere que la matiere à représenter: mais ceux qui ont donné beaucoup à la grace, et à l’elegance du langage, ils sont dangereux à entreprendre, nommément pour les rapporter à un idiome plus foible. 18 Les arguments qu’il développait appartenaient aux formes habituelles du genre. 19 En ce qui concerne sa pratique, les commentateurs les plus récents insistent sur ce 15 Le beau-frère de Montaigne, Geoffroy de La Chassaigne, seigneur de Pressac, fut luimême l’auteur d’une traduction des Epîtres de Sénèque (Paris, Chaudière, 1582), à laquelle on a parfois voulu associer Montaigne, voir Hill Hay 1938: 77-79. 16 Les travaux récents, qui posent en principe le prétendu scepticisme de Montaigne, ne font pas oublier l’ouvrage fondamental de Coppin 1925; sur cette même traduction, voir, dans ci-dessus ce volume, l’étude de Karin Westerwelle. 17 On se reportera sur ce sujet aux contributions du volume Montaigne traducteur 1993. 18 Montaigne 2007: 459. 19 Sur cette question, voir Guillerm 1993: 77-96. Jean Balsamo 144 qu’ils considèrent comme les “écarts” de sa traduction avec le texte d’origine. Montaigne aurait donné à la pensée de Sebond un infléchissement idéologique, il aurait apporté une correction en termes sceptiques au rationalisme du théologien catalan, allant jusqu’à une véritable “trahison”, qui expliquerait la contradiction apparente de Apologie, ruinant l’objet qu’elle se proposait de défendre. Il convient toutefois de rappeler que le texte sur lequel Montaigne avait établi sa version n’a pas été identifié, et que l’on ne saurait tirer des conclusions définitives sur les “intentions secrètes du traducteur” à partir d’une confrontation de la traduction avec le texte d’une édition moderne de la Theologia naturalis. De surcroît, comme certaines options du traducteur sont si éloignées du texte des éditions anciennes, sans que ces écarts soient significatifs en termes philosophiques ou religieux, il n’est pas impossible que Montaigne ait travaillé sur un manuscrit, copié d’après une édition imprimée, qui aurait porté des gloses et des modifications, qu’il aurait prises en compte. 20 Si l’incertitude concernant le texte de référence conduit à relativiser toute interprétation idéologique, 21 les “écarts” en revanche peuvent être aisément rapportés aux modes généraux de la traduction vers 1560-1570, qui ne prônent ni le respect ni la littéralité; ils tiennent surtout à la différence de nature et d’intention qui sépare l’ouvrage original et sa traduction française, un traité technique en latin scolastique, et un manuel de piété destiné à un public mondain français. La version de Montaigne, qui avait pour but “d’habiller à la françoise” Sebond, est conforme aux usages linguistiques et littéraires de son temps et peut être comparée avec plus de pertinence à d’autres versions contemporaines d’ouvrages religieux et littéraires, dont elle suit les formules, tout comme elle se situe, à la fois par son lexique et par son style, dans un processus créateur, celui d’une langue littéraire, que Montaigne met en œuvre, la langue des bons auteurs contemporains, la langue d’Amyot, référence absolue en matière d’élégance dès le début des années 1560. L’écart entre le texte de Sebond et celui de son traducteur est moins d’ordre philosophique qu’il n’est d’ordre stylistique, visible en particulier dans le vocabulaire. La version de Montaigne se caractérise par sa propension à utiliser des mots concrets qui permettent une expression imagée, l’emploi de redoublements de synonymes, dans une fonction explicative et rythmique. En termes stylistiques, l’écart n’est pas moins net: indemne des latinismes de syntaxe, qui caractérisaient alors nombre de traductions littérales, la phrase de Montaigne est pliée au style cicéronien de la période longue, liant “les clauses ensemble”, toujours à la manière d’Amyot, alors que la phrase de Sebond est faite de phrases juxtaposées. Traduction adaptée à ses lecteurs français, la version de Montaigne ressortit, selon l’heureuse formule de F. Rigolot, à un “art de conférer”. 22 20 Ainsi le manuscrit 10592 de la Staatsbibliothek de Munich, transcription de l’édition lyonnaise de 1526. 21 Sur cette question, voir Céard 1993: 11-26. 22 Montaigne traducteur: 5. Entre philologie et traduction: les Essais de Montaigne 145 3. Citations et traductions ponctuelles dans les Essais Le texte des Essais, tel que le mettent en évidence les éditions anciennes, est scandé par plus de 1300 citations, en latin, en grec, en italien, voire en espagnol et en gascon, révélant une structure doublement hétérogène qu’illustre l’opposition typographique du caractère italique et du romain: des vers dans un contexte en prose, des langues étrangères dans un contexte en français. Ces citations témoignent d’une vaste culture de lecteur, propre à Montaigne, comme elles ressortissent à une “rhétorique des citations”, véritable code culturel et social de la haute magistrature. Leur importance dans le projet littéraire des Essais a été relevée par la critique, même si leurs implications stylistiques font encore l’objet de débats. 23 Montaigne aurait fait le choix des citations en langue originale comme une solution provisoire à une double faiblesse dont il aurait été conscient, d’une part son incapacité à imiter les Anciens en termes cicéroniens, et d’autre part les limites expressives de sa propre langue, le français. 24 L’usage même des citations par Montaigne, qui intègre très soigneusement à sa prose le vers ou la prose d’un autre auteur, allant jusqu’à plier le texte d’origine à sa propre syntaxe, semble toutefois trop maîtrisé pour se réduire à un tel aveu d’impuissance. Les citations constituent comme autant de références explicites à d’autres textes. De ce point de vue, elles se doublent d’une autre forme, moins évidente, en langue française cette fois: d’innombrables allégations, citant un personnage historique, renvoient implicitement à l’auteur et au recueil d’où cette même citation est tirée. Montaigne allègue dans sa langue les paroles de tel héros ou de tel philosophe grec ou romain. Ces passages, encore plus nombreux dans les Essais que les citations, et entièrement intégrés dans leur tissu, sont des traductions: traductions du grec en français, que Montaigne corrige, modifie ou varie, traductions du grec en latin, qu’il traduit ou adapte lui-même en français, traduction du latin ou de l’italien faites directement par lui, selon des modalités variables de l’imitation. Montaigne se sert des Vies et des Œuvres morales de Plutarque, d’après la version française de Jacques Amyot, 25 comme il adapte en français la traduction latine des Vies des philosophes de Diogène Laërce. 26 Pierre Villey avait identifié de longs passages constituant la trame des exemples du chapitre “De la force de l’imagination”, tous traduits et adaptés du De occulta philosophia de Corneille Agrippa. 27 Nous avons indiqué ailleurs l’origine d’un passage dans lequel Montaigne intègre à la dimension biographique de 23 On renverra pour les citations aux études classiques: Compagnon 1979: 279-318; Mc Kinley 1981; Brousseau-Breuermann 1989. 24 Voir Magnien 2004: 501-502. 25 On compte plus de 760 passages tirés de Plutarque, voir Konstantinovic 1989. 26 Voir Villey 1933: 126-127. L’exemplaire de l’édition princeps en grec du texte de Diogène Laërce (Bâle, Froben, 1533), légué à Montaigne par La Boétie, est conservé à la médiathèque de Libourne, voir Botton & Pottiée-Sperry 1997: 284. 27 Villey 1912: 802-817. Jean Balsamo 146 son livre une anecdote traduite et adaptée par contaminatio d’un texte italien, La gloria del cavallo de Pasquale Caracciolo. 28 Ces traductions sont rarement reconnues ou présentées comme telles par Montaigne, même si parfois elles sont clairement présentées comme des allégations. Par leur fréquence, elles constituent la trame même du texte des Essais. Le court chapitre I, 4 offre, parmi tous les autres, un bon exemple de ces traductions ponctuelles et du mode de composition qui les ordonne. Rédigé sans doute très tôt, il est directement lié à la lecture de la Vie de Périclès de Plutarque traduite par Amyot, dont il tire son titre. Dans l’édition définitive des Essais, il s’ouvre par une anecdote moderne explicitement rapportée au contexte familier de Montaigne, mais sans que l’on soit véritablement assuré qu’il ne s’agit pas, déjà, d’une référence tirée et adaptée d’un texte antérieur; cette anecdote illustre en un premier exemple la question de comportement et de morale qui sert de titre au chapitre “Comme l’ame decharge ses passions sur des objets faux, quand les vrais lui defaillent”, mettant en évidence la capacité de l’esprit humain à se tromper volontairement. Elle est amplifiée en une première série de deux comparaisons: le comportement aberrant que met en valeur l’exemple du gentilhomme, s’explique par une double analogie avec le bras qui frappe dans le vide et la vue qui cherche un repère. Le texte suit une disposition raffinée en chiasme: deux vers latins tirés de la Pharsale de Lucain prolongent à la fois l’analogie et constituent en même temps une nouvelle comparaison, qui permet de confirmer la réponse donnée au problème initial posé par le comportement du gentilhomme. Cette explication est placée sous le régime d’énonciation de l’auteur, Montaigne, et doit lui être attribuée. La suite du chapitre est une confirmatio de la thèse; elle consiste en une première amplification par une nouvelle série d’exemples: une allégation attribuée à Plutarque (“Plutarque dit”), paraphrase d’un passage de la Vie de Périclès, suivie d’une assertion, l’exemple des bêtes, traduction-paraphrase en français et en prose de quatre vers pris de Lucain, une seconde citation en latin qui la suit immédiatement. Une seconde série d’exemples correspond à la suite des causes que l’homme invente aux malheurs qu’il éprouve faute de les connaître, simplement “pour avoir où nous escrimer”: une admonestation à une dame désespérée de la mort de son frère et qui manifeste son chagrin en gestes excessifs; un exemple pris de Tite-Live, introduisant une citation en latin; une allégation de Bion, prise des Tusculanes (III, 26, 62) de Cicéron, que Montaigne traduit à la lettre: Et le Philosophe Bion de ce Roy, qui de dueil s’arrachoit, le poil fut plaisant, Cetuy-cy pense-il que la pelade soulage le deuil? 29 28 Voir sur ce point Balsamo 1999: 253-267. 29 Montaigne 2007: 46. Entre philologie et traduction: les Essais de Montaigne 147 In quo facetum illud Bionis, perinde stultissimum Regem in lucru capillum sibi evellere, quasi calvitio moeror levaretur? Suivent plusieurs exemples de gestes dus à la colère, celui du joueur, celui de Xerxès, tiré de Plutarque, de Cyrus, allégué par Sénèque, que Montaigne traduit et qu’il enrichit d’une notation tirée de l’Histoire d’Hérodote d’après la traduction de Pierre Saliat, de Caligula, pris du De ira (III, 22) de Sénèque, que Montaigne adapte et corrige. Le dernier exemple, celui d’un roi de Castille, pris d’un texte antérieur non identifié, fait l’objet d’une correction, et il permet à Montaigne d’attribuer ces comportements à l’outrecuidance et à la bêtise, qu’il illustre ensuite par les exemples d’Auguste, battu par une tempête ou déplorant la perte des légions de Varrus, traduits de Suétone, et qu’il prolonge d’une considération sur l’impiété de telles attitudes. Cette considération ellemême est illustrée par l’exemple des Thraces, pris d’Hérodote. Une dernière citation, un distique français, insiste sur la sottise de tels comportements: les dieux ne se soucient pas des plaintes et de la colère de hommes. Ce distique est lui-même la traduction par Amyot d’un distique grec du Bellérophon d’Euripide, cité par Plutarque. Ce court chapitre illustre le mode de composition souvent qualifié de “marquetterie” que Montaigne a adopté dans ses Essais; il repose sur une progression par combinaison d’exemples et d’allégations, et il intègre de nombreuses traductions partielles qu’identifient comme telles des indices historiques et des références. Ce mode de composition toutefois n’est pas caractéristique d’une première manière de Montaigne qui aurait été dépassée par la suite en une écriture plus maîtrisée. Les rédactions successives, lisibles dans la suite des éditions, font apparaître au contraire une véritable continuité: aux exemples initiaux traduits de Sénèque et de Suétone, ou pris de la traduction de Plutarque par Amyot, s’ajoutent de nouvelles citations en 1588, puis dans l’édition posthume, d’autres citations, des exemples et des allégations, pris de traductions (Saliat) ou directement traduits par Montaigne. Les Essais mettent en œuvre tous les modes de traductions et exploitent toutes leurs possibilités d’utilisation. Les exemples traduits les plus simples font apparaître des formes d’amplification par contaminatio, une phrase d’un auteur combinée à une autre phrase, le texte d’un auteur combiné à celui d’un autre auteur, ainsi que la transformation du texte original dans sa mise en français: Caesar villam in Herculanensi pulcherrrimam, quia sua mater aliquando in illa custodita erat, diruit. Et Caligula ruina une tresbelle maison, pour le plaisir que sa mere y avoit eu. Il n’est pas impossible toutefois, dans ce cas précis, que Montaigne se soit servi d’un texte intermédiaire, d’une compilation portant déjà cette modification, et non pas directement du texte de Sénèque, bornant ainsi sa propre rédaction à une simple traduction, sans variation. Jean Balsamo 148 Ces traductions ponctuelles, aisément identifiables comme telles, ont été relevées avec soin par la critique. Elles ont constitué la matière d’une longue enquête sur les “sources“ des Essais, sur les livres que Montaigne avait lus et utilisés. En dépit de leur nombre et de leur importance, leur rôle même dans la composition du texte des Essais a pourtant été sousestimé, de même que leur nature a été négligée. Pierre Villey les considérait comme de simples “traductions textuelles” à portée utilitaire ou documentaire, sans intérêt pour définir ce qu’il considérait comme les influences décisives sur la pensée de Montaigne, à quoi devait servir en priorité le travail d’identification auquel il se livrait. Ces traductions, dues à Montaigne ou utilisées par lui, portent dans la majorité des cas sur des exemples; elles ont été considérées comme de simples références, dont la langue et l’expression stylistique, d’une certaine manière, étaient indifférentes, comme de simples transcriptions d’un fonds anecdotique appartenant à la culture générale de l’époque, voire à la culture scolaire, sans susciter d’interrogation sur le principe de sélection qui les ordonnait ni le travail proprement littéraire que Montaigne avait effectué à partir du texte d’origine qu’il avait lu, en latin ou en français. Les écarts éventuels entre ces passages et les originaux n’ont été expliqués que par défaut, en relation aux conditions dans lesquelles Montaigne aurait évoqué ces fragments, de mémoire, approximativement, de seconde main, voire à partir de sources indirectes, sans que s’exerçât sur eux une procédure de sélection et une mise en forme littéraire aussi soignée et attentive que pour les passages plus personnels du livre. Cette dynamique créative, manifeste dans le simple fait de citer, détermine pourtant toute traduction. Elle est tout particulièrement nette dans le cas des traductions qui accompagnent et redoublent une citation. Dans le chapitre 4, la traduction de la citation de Lucain est une paraphrase, une imitation libre, qui rend en prose les vers latins. Un relevé systématique des variantes permettra de préciser dans quels chapitres et dans quelles éditions ces doublets (texte + traduction) sont le choix d’une première rédaction, quand Montaigne ajoute sa traduction au texte original ou quand, à l’inverse, il ajoute le texte original à une première version française. Dans tous les cas, il joue de cette ressource qui lui permet d’amplifier la citation, en faisant de celle-ci la confirmation d’un discours en français, qu’il rapporte comme tel à soimême, en tant que sujet de l’énonciation. Dans quelques cas, la citation et son éventuelle traduction sont même dissociées et mises à distance dans le livre. Dans le chapitre II, 10, Montaigne cite la formule de Cicéron “Ego vero me minus diu senem esse malem quam esse senem antequam essem” (De senectute, X); il reprend cette même formule en français et dans un tout autre contexte dans le chapitre III, 5: “J’ayme mieux estre moins longtemps vieil que d’estre vieil avant que de l’estre”. Entre philologie et traduction: les Essais de Montaigne 149 4. Ecriture personnelle et traductions dissimulées Outre les citations en langue originale et les exemples traduits, Les Essais reposent sur un troisième type d’emprunt à d’autres auteurs, peu étudié en tant que tel, en raison même de sa discrétion. Au moment même où son texte présente toutes les apparences d’une écriture française originale, Montaigne se sert encore des ressources de la traduction. 30 A d’innombrables reprises en effet, il traduit un texte latin en français, sans pour autant renvoyer à une source antique ou étrangère, fût-ce indirectement, par l’indice d’un nom propre. En termes d’énonciation, ces passages constituent le tissu de son livre, ils se confondent avec son propre discours, marqué par l’emploi de signes grammaticaux distinctifs. On pourra en examiner les formes, l’importance relative dans les différents chapitres, leurs origines, les auteurs ainsi convoqués et traduits, la portée génétique. Le début du premier chapitre du livre II offre un bon exemple de ces traductions que l’on pourrait considérer comme des traductions dissimulées. Son titre lui-même, “De l’inconstance de nos actions”, est directement tiré, en français, de la lecture du De natura rerum de Lucrèce. 31 Le chapitre s’ouvre par un exorde en forme d’assertion posant en principe la contradiction apparente des comportements humains; celle-ci est illustrée et amplifiée par trois exemples, ceux de Marius, du pape Boniface VIII et de Néron. Le premier est pris des Vies de Plutarque via la traduction d’Amyot. Le second vient des Annales d’Aquitaine de Jean Bouchet; Montaigne traduit l’épitaphe du pape donnée en latin par l’historien. Le troisième est une traduction par ses soins d’un passage du De clementia de Sénèque. L’argumentation, illustrée d’une première citation latine de Publilius Syrus, repose sur une confirmatio et son amplification, développée par une allusion possible au Prince de Machiavel (“les renvoyent à la dissimulation”), suivie par l’exemple des contradictions d’Auguste rapportées en détail par Suétone, puis une allégation renvoyant à “un ancien”, en l’occurrence Sénèque, dont Montaigne traduit en forme de paraphrase la définition de la sagesse donnée dans la lettre XX (5) à Lucilius, quid est sapientia? semper idem velle atque idem nolle. Car pour la comprendre tout en un mot, dit un ancien, et pour embrasser en une toutes les reigles de nostre vie, c’est vouloir, et ne vouloir pas tousjours mesme chose. 32 De la même manière, Montaigne traduit de saint Augustin l’argument “que le vice n’est que des-reglement et faute de mesure”, d’origine platonicienne. 30 Ces “textes intégrés sans marque” n’ont pas à être considérés comme des traductions, selon Guillerm 1993: 78. 31 Montaigne porte l’annotation “l’inconstance de nos actions” en marge de son exemplaire du De natura rerum (III: 269), voir Montaigne 2007: 1219. 32 Montaigne 2007: 352. Jean Balsamo 150 Après une allégation de Démosthène, elle-même prise de la traduction de Loys Le Roy, la suite du discours de Montaigne ne fait plus apparaître de marques visibles correspondant à des emprunts, à l’exception de deux citations d’Horace, présentes dès la première édition, et d’une citation de Lucrèce, ajoutée en 1588. Le passage, en fait, est composé d’une suite de formules précisément traduites de l’épître de Sénèque déjà citée, combinées avec une image reprise des Œuvres morales de Plutarque. Nous ne pensons ce que nous voulons, qu’à l’instant que nous le voulons: [...] Ce que nous avons à cett’ heure proposé, nous le changeons tantost et tantost encore retournons sur nos pas; [...] Nous n’allons pas, on nous emporte: comme les choses qui flottent, ores doucement, ores avec violence, selon que l’eau est ireuse ou bonasse. Nesciunt ergo homines quid velint, nisi illo momento quo volunt [...] Variatur quotidie judicium et in contrarium vertitur [...] Ceteri eorum more, quae fluminibus innatant, non eunt sed feruntur. Ex quibus alia levior unda detinuit ac mollius vexit, alia vehementior rapuit. L’histoire même du texte, que permet seule l’étude philologique des variantes, fait apparaître que jusque dans sa dernière rédaction, telle qu’elle apparaît à la fois dans l’exemplaire de Bordeaux et dans l’édition posthume, Montaigne amplifia cette construction en complétant son argumentation d’une nouvelle formule traduite d’autres épître de Sénèque (LII, 1 et XXVIII): Nous flottons entre divers advis: nous ne voulons rien librement, rien absoluement, rien constamment. Fluctuamus inter varia consilia. Nihil libere volumus, nihil absolute, nihil semper. On trouvera des constructions de ce type, plus développées encore, ailleurs dans les Essais, ainsi dans le chapitre II, 3, Montaigne combine en quelques lignes une vingtaine de phrases tirées et traduites de quatre épîtres différentes de Sénèque, ou dans le chapitre “De la solitude”. 33 Cette combinaison forme un véritable centon, forme extrême de l’utilisation des traductions ponctuelles et dissimulées, qui occupent dans les Essais une place essentielle. Elle constitue un élément essentiel de l’écriture de Montaigne. Celui-ci ne cessa de traduire et d’intégrer ses traductions ponctuelles à son texte, dans le livre III comme dans les derniers ajouts aux deux livres précédents. A l’inverse toutefois, la dernière rédaction le montre attentif à revenir aux textes originaux de ses références afin de compléter et de préciser la rédaction antérieure. Montaigne, à ce moment, continue de traduire et d’insérer des traductions dans son texte, tout ajoutant de nombreuses citations, des passages en latin, tirés de Cicéron, de Tite-Live et de Sénèque en particulier. 34 Ces citations nouvelles ne sont pas des mentions provisoires portées sur le manuscrit et destinées à être traduites avant d’être 33 Hill Hay 1938: 112-113; 167-171. 34 Voir la mise au point de Pertile 1966: 3-37. Entre philologie et traduction: les Essais de Montaigne 151 supprimées. Dans la majorité des cas, l’édition posthume confirme leur statut. Elles sont sans implication en termes de doctrine, elles valent principalement pour leur pouvoir expressif particulier, comme une forme de paraphrase inversée du texte français. Il arrive ainsi à Montaigne d’éclairer la composition d’un centon par une citation tardive, en langue originale, donnant peut-être volontairement un indice sur ses sources; ainsi dans le chapitre I, 24, la citation “Non vitae sed scholae discimus” s’insère tardivement après une traduction préalable, dans une suite de phrases en forme de maximes, toutes traduites des Lettres à Lucilius de Sénèque. 35 Villey évoque à ce propos un “amas des allégations”, véritable “retour à la méthode pédante”, qu’il attribue à l’oisiveté de Montaigne retiré dans son château. 36 Ce jugement néglige entièrement la dimension littéraire et esthétique des Essais, dont l’ambition est sans doute moins philosophique ou doctrinale qu’expressive et poétique. Les traductions ponctuelles et dissimulées qui constituent la matière des Essais, témoignent de la maîtrise de Montaigne en tant que traducteur. Elles ressortissent en fait à un mode d’imitation adulte capable d’illustrer la langue française, une forme d’innutrition, telle que l’avait définie Du Bellay, et dont Montaigne précisément reprend les termes. 37 Eloignées de tout mot à mot comme de toute approximation, elles combinent le respect du sens, en particulier la reprise des images, et la capacité de restituer un style, à travers ses figures rhétoriques, à l’intérieur d’un nouveau contexte. Par leur liberté et leur cohérence interne, ces emprunts ont dérouté la critique romantique, qui ne pouvait voir en elles que des plagiats, 38 comme la critique rationaliste, attentive à la seule portée documentaire des sources et à leur classification: ni citations identifiables, ni simples ou claires références, ces emprunts ont été considérés comme des réminiscences, de statut incertain, citées par un Montaigne à la mémoire imprécise, négligeant l’exactitude de textes qu’il portait en lui et qu’en dilettante, il ne se préoccupait pas de confronter aux originaux, comme de vagues adaptations à la fois infidèles aux sources et encore trop dépendantes d’elles 39 . Or les brouillons même de Montaigne témoignent assez que la rédaction des Essais ne suivait pas des modes aussi passifs. Ces emprunts ressortissent aux usages et aux formes contemporains de la traduction, de l’imitation et de la variation, ils ont une fonction génétique déterminante dans le processus d’amplification par lequel Montaigne nourrit son livre. Ils confirment à la fois que Les Essais reposent dans leur ensemble sur un double travail de traduction et d’élaboration stylistique à partir de ces traductions, et que leur référent est bien l’ensemble des livres latins que Montaigne ne cessait de lire et de faire siens, en français. 35 Montaigne 2007: 145. 36 Villey 1933: I, 527. 37 Du Bellay 1997: 45-48; Montaigne 2007: 156. 38 Nodier 1828: 7. 39 Voir Friedrich 1968: 45. Jean Balsamo 152 5. Philologie, traduction et ordre littéraire Dans un passage bien connu du chapitre “Des Livres”, Montaigne justifie l’emploi des emprunts aux auteurs anciens qui nourrissaient son livre: Ez raisons, comparaisons, argumens, si j’en transplante quelcun en mon solage et confons aux miens, à escient j’en cache l’autheur, pour tenir en bride la temerité de ces sentences hastives qui se jettent sur toute sorte d’escrits: notamment jeunes escrits, d’hommes encores vivants: et en vulgaire, qui reçoit tout le monde à en parler, et qui semble convaincre la conception et le dessein vulgaire de mesme. 40 Contrairement à l’interprétation habituelle de ce passage, ce ne sont pas les citations en langue originale qui sont ici en cause. Même si Montaigne ne nommait que rarement leur auteur, il ne cachait pas les citations ni ne les faisait passer pour siennes; elles sont en effet aisément reconnaissables par leur hétérogénéité même, dans leur différence linguistique et typographique par rapport au le texte français. Il s’agit bien de ce qu’il avait introduit dans son “solage”, son jardin, suivant une métaphore topique du discours de la traduction, dans son propre texte et sa propre langue, les passages traduits qu’il n’indiquait pas comme tels, tirés d’auteurs antiques ou modernes, qu’il ne mentionnait pas. Ce procédé pouvait faire peser sur son livre le soupçon de n’être qu’une compilation, c’est-à-dire d’appartenir au genre le plus pédant et le plus scolaire, éloigné à la fois d’un art aristocratique comme de la véritable érudition et de la philologie. Montaigne se justifiait sur un mode paradoxal. Il présentait le fait d’avoir dissimulé la nature et l’origine de ses emprunts comme une manière de se protéger contre le jugement sévère que des critiques hâtifs et malveillants auraient pu porter contre ses Essais en général, contre une œuvre en langue vulgaire qui ne bénéficiait pas de l’autorité de la langue latine et que ne protégeait pas la vénération qui entourait les textes en latin d’auteurs canoniques; il se protégeait contre le jugement négatif qui pouvait porter sur telle de ses maximes, sur telle sentence paradoxale ou provocante: Je veux qu’ils donnent une nazarde à Plutarque sur mon nez, et qu’ils s’eschaudent à injurier Seneque en moy. Par cette habile dissimulation, les critiques de son livre s’en prendraient, à leur insu, non pas à lui-même, mais aux auteurs qu’il dissimulait, à Sénèque ou à Plutarque, dont il avait fait siennes, en français, les paroles. Ces auteurs étaient le bouclier qui devait lui permettre de résister aux attaques de son Zoïle, selon une forme d’ironie analogue au “dernier tour d’escrime” qui ordonnait l’Apologie de Raymond Sebond. Montaigne préparait la confusion du critique lorsque celui-ci aurait découvert que la phrase qu’il contestait était prise, en fait, des Vies ou des lettres à Lucilius. En dévoilant sa ruse, en annonçant que des passages entiers étaient traduits d’auteurs anciens, Montaigne, par un surcroît d’ironie, pouvait retourner le soupçon de plagiat 40 Montaigne 2007: 428. Entre philologie et traduction: les Essais de Montaigne 153 qui le touchait en accusation d’ignorance qui pesait sur adversaire, incapable d’identifier des textes classiques qu’il aurait dû connaître. Ces précautions et cette justification ironique dans une œuvre qui reste fondamentalement une apologie, celle de Montaigne gentilhomme lettré et du projet littéraire des Essais, font toutefois apparaître un dessein plus secret et plus positif, lié à l’idéal d’une connivence avec le lecteur idéal: J’aimeray quelqu’un qui me sçache deplumer, je dy par clairté de jugement et par la seule distinction de la force et beauté des propos. En suggérant au bon lecteur que son texte était composé en partie de traductions dissimulées, Montaigne lui proposait un double défi. Le premier était celui de l’identification et de la connivence lettrée, ressource principale de cette rhétorique des citations dont les Essais entendaient proposer le modèle le plus raffiné. Le second est celui de l’évaluation du style. Il est facile de distinguer, dans une même page des Essais, la citation latine de la prose française, la beauté d’un vers de Virgile, de la trivialité du contexte en prose, selon une opposition clairement assumée. Les citations en vers latins servent à offrir l’expérience d’un sublime poétique que Montaigne prétendait avoir renoncé à atteindre. Rien ne distingue en revanche la langue de Montaigne de celle des auteurs qu’il a traduits, rien, en apparence, ne distingue non plus leur style; il les a fait siens, entièrement, selon un processus d’assimilation en profondeur qu’illustrent les deux images topiques de l’abeille et de la digestion. En mettant son lecteur au défi de le déplumer, Montaigne revenait d’une certaine manière à la figure liminaire de l’Indien et au projet de se dire “tout nu”, formulé dès l’avis Au lecteur, c’est-à-dire, de s’offrir dans sa nature la plus intime. Montaigne en fait ne courait guère d’autre risque que d’apparaître tel qu’il souhaitait être vu, non pas dans ses faiblesses et ses manques, mais dans son identité peut-être insaisissable. Le bon lecteur en effet, par l’excellence de son jugement, en bon critique, devrait être capable de reconnaître et de distinguer, dans une même suite en français et en prose, ce qui appartenait en propre à Montaigne et ce qui provenait de Sénèque, alors même qu’il s’agit d’un passage traduit et entièrement lissé pour être adapté à son contexte, être capable, par de subtiles distinctions de style, de trouver une différence de nature entre deux phrases apparemment sorties d’un même moule. Mais en même temps, Montaigne mettait son lecteur au défi de pouvoir jamais y parvenir. Si sçay-je, combien audacieusement j’entreprens moy-mesmes à tous coups, de m’egaler à mes larrecins, d’aller pair à pair quand et eux, non sans une temeraire esperance, que je puisse tromper les yeux des juges à les discerner. 41 Ce défi et sa dénégation marquent l’extrême exigence qui informe cette conversation aussi civile que littéraire liant Montaigne et son lecteur: aller au 41 Montaigne 2007: 152. Jean Balsamo 154 cœur de ce qui fait l’identité de l’auteur des Essais tout en révélant la similitude de nature du texte des Essais et d’emprunts qui se confondent avec lui. En somme, à en croire Montaigne, la dissimulation des traductions avait pour fin moins de cacher les emprunts nécessaires qui servaient encore dans un processus d’amplification, qui offraient les ressources commodes de la copia verborum, que de faciliter les conditions d’une mise à l’épreuve, d’un véritable essai de son propre style, par une comparaison implicite, entre les phrases originales et les passages traduits. Tel quel, le défi lancé au lecteur repose sur la reprise en termes paradoxaux des conceptions que les contemporains de Montaigne avaient de la traduction. Contrairement à la Théologie naturelle, Les Essais prennent pour objet les grands auteurs de la latinité, Cicéron, Sénèque, saint Augustin, des maîtres de leur expression et de leur style, qui lui offraient non pas un texte “barbare” à transcrire dans le français élégant de la cour, mais des modèles de finesse et d’expression, conjuguant inventio et elocutio, en une langue parfaite, alors que lui-même n’avait à sa disposition qu’une langue en voie de développement, dans la conscience d’une distance que tout, alors, conduisait encore à considérer comme infranchissable. Dans le même temps, en insérant dans une argumentation en français des éléments choisis qui gardaient leur éclat, Montaigne reconnaissait implicitement que sa traduction savait conserver, en dépit du passage d’une langue en une autre, la force et la beauté de l’original, ce que Du Bellay appelait sa „grâce”; les qualités intrinsèques de la maxime latine, son energeia, étaient préservées en dépit de la mise en français, et peut-être par elle. Si Montaigne semble admettre qu’il subsistera toujours une différence de qualité entre l’expression d’un auteur moderne et la pensée, même traduite, d’un auteur ancien de la stature de Sénèque, celle-ci l’emportant par sa force et sa beauté et rendant impossible, in fine toute imitation intégrale, il ne cessait portant de situer les Essais dans une relation d’imitation et d’émulation, en cherchant non pas à faire du Sénèque, mais du meilleur Montaigne, fût-ce à partir de Sénèque, dont seule, aujourd’hui, une lecture philologique peut estimer la part. Entre philologie et traduction: les Essais de Montaigne 155 Références Balsamo 1992 Jean Balsamo, Les Rencontres de Muses. Italianisme et anti-italianisme dans les lettres françaises de la fin du XVI e siècle, Genève, Slatkine, 1992. Balsamo 1998 Jean Balsamo, Le cardinal de Lorraine et la traduction française de La Cité de Dieu (1570), in Augustinus und der Neuzeit, éd. K. Flach & D. de Courcelles, Turnout, Brepols, 1998: 83-99. 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Bereits 1569, ungefähr 10 Jahre bevor Montaigne 1580 mit den ersten beiden Bänden seiner Essais als Autor in Erscheinung trat, publizierte er die von ihm ins Französische übersetzte Theologia naturalis des Spätscholastikers. Der längste der Essais, die Apologie de Raimond Sebond, bezieht sich erneut auf Sabundus, nunmehr im historischen Kontext der Religionsstreitigkeiten zwischen Luther und Reformation auf der Seite der „nouvelletez“ (Mon. II 12, S. 439) 1 und den Katholiken auf der Seite der Tradition. Montaigne warnt vor einem Prozess von Kritik und Krise, der nicht nur Glaubensinhalte und -formen neu begründet, sondern überdies, wenn die erstmalige Infragestellung des katholischen Glaubens sich in weiteren Fragen gänzlich entfaltet, in den Atheismus führen wird. Tocqueville hat in seiner Analyse der Ursachen der Französischen Revolution auf dieses Erklärungsmuster zurückgegriffen und die Genese der Aufklärung aus dem Geist des 16. Jahrhunderts, dem „esprit d’examen“ (Montaigne spricht vom „jugement“), erklärt. 2 Die Apologie scheint auf den ersten Blick gleichermaßen eine Verteidigung des Autors Sabundus wie der christlichen Religion gegen die sich absolut setzende Ratio zu sein. Denn die Ratio ist jenes neuzeitliche Konzept, mittels dessen sich der Mensch in Erkenntnis- und Wahrheitsanspruch seiner selbst vergewissert. Thematisch führt die Apologie zugleich in den antiken Skeptizismus und in Montaignes „Que sçay-je? “ ein. Die Unzulänglichkeit der Vernunfterkenntnis, die Montaigne vertritt, lenkt gewissermaßen in die Gewissheit des Glaubens ein. Auf den zweiten Blick wird deutlich, daß die Apologie, verstanden als eine Verteidigungsrede in Sachen Theologia naturalis, mit der vernichtenden Infragestellung menschlichen Wissens und der Vernunfterkenntnis zugleich die von den „lumières naturelles“ geleitete Gotteserkenntnis, die Sabundus unternimmt, in ihr 1 Ich zitiere hier und im Folgenden nach der Ausgabe Michel de Montaigne, Les Essais, hg. von Pierre Villey, Paris 2 1992, 3 Bde, mit Angabe der Band-, Essay- und Seitenzahl. 2 Alexis de Tocqueville, L’Ancien Régime et la Révolution, hg. von F. Mélonio, Paris 1988, S. 239: “Depuis la grande révolution du XVI e siècle, où l’esprit d’examen avait entrepris de démêler entre les diverses traditions chrétiennes quelles étaient les fausses et les véritables, il n’avait jamais cessé de se produire des génies plus curieux ou plus hardis qui les avaient contestées ou rejetées toutes. […] à l’hérésie avait succédé l’incrédulité.“ Karin Westerwelle 160 Gegenteil verkehrt. Indem Montaigne die Vernunfterkenntnis angreift, untergräbt er zugleich die Vorgehensweise des Sabundus. Für die meisten heutigen Essais-Leser ist Sabundus ein unbekannter Autor. Ihnen ergeht es in dieser Hinsicht wie dem Chronisten Étienne Pasquier zu Beginn des 17. Jahrhunderts: „Il n'y a chapitre plus long, que celuy qu'il intitule, L'Apologie de Raimond Sebond, ny auquel il se soit donné si ample carriere: car il contient 80. feuillets. Sebond estoit à nous auparavant incogneu“. 3 Kurzum: ein langer Text, zudem ein unbekannter Gegenstand. Während den lateinisch schreibenden Gelehrten von Erasmus hin zu Descartes und Pascal der lateinische Text ohnehin in Manuskriptform oder in einer der zahlreichen Drucklegungen verfügbar war, wäre ohne den genannten Essay im zweiten Buch und ohne Montaignes Übersetzung der Theologia naturalis Sabundus heute sicherlich nur einem engeren Kreis von Theologen und Philosophen bekannt. Montaignes Übersetzung ist es, die diese Schrift in einen engeren Zusammenhang zur Literatur selbst gesetzt hat. Literarische Entwürfe von Welt rücken damit in ein Begründungsresp. Distanzverhältnis zu theologischen Konzepten. Montaigne unterstreicht diesen Reflexionszusammenhang, indem er 1581 eine zweite Auflage der Theologia naturalis herausgibt, nachdem seine ersten Essais-Bände (1580) gerade erschienen sind. Das Verhältnis des Menschen zu Gott spielt z.B. in autobiographischer Darstellung, als solche kann man die Essais lesen, eine entscheidende Rolle. Für Blaise Pascal liegt der Skandal Montaignes darin, sein Leben rein innerweltlich zu ordnen, die Ordnung der Religion mit Gott im Mittelpunkt aber auszuklammern. Auch über die Übersetzung des theologischen Textes wird das Interesse an unterschiedlichen Ordnungssystemen von Welt, Subjekt und Gott geweckt. Im Folgenden soll zunächst die Theologia naturalis in wenigen Daten zur Überlieferungssituation sowie in ihrem erkenntnistheoretischen Anspruch hinsichtlich Glaubenswahrheit und göttlicher Transzendenz vorgestellt werden. Im Mittelpunkt steht dann die Darstellung, die Montaigne von seiner Aufgabe als Übersetzer und seiner Übersetzungsleistung im Widmungsbrief an den Vater, der der Theologie naturelle vorangestellt ist, und in der Apologie de Raimond Sebond gibt. Besonders auffällig ist, wie zu zeigen sein wird, daß der Leser mit Kriterien konfrontiert wird, die ihm nur schwerlich ein definitives Urteil über den Wert der Übersetzung und ihren Zweck gestatten. Der Beitrag schließt mit einem Überblick über semantische Differenzen von Original und Übersetzung, die vor allem die rationale Erkenntnismethode des Sabundus über die Begriffe von „imagination“ und „fantasie“ in ein neues Modell verschieben. 4 Mit der Übersetzung Montaignes liegt folglich eine Umschreibung einer theologischen Schrift vor. 3 Étienne Pasquier, Les Lettres d'Estienne Pasquier. Conseiller & Advocat General du Roy en la Chambre des Comptes de Paris. Livre dix-huictiesme. Lettre I, in: Les Œuvres d'Estienne Pasquier, Genève 1971, 2 Bde, Bd II, col. 516 [Reprint der Ausgabe Amsterdam 1723]. Der Brief ist auch abgedruckt im Anhang der Montaigne-Ausgabe III, S. 1206-10. 4 Für einen ausführlichen Vergleich von lateinischem Original und französischer Übersetzung s. K.W., Montaigne. Die Imagination und die Kunst des Essays, München; Paderborn 2002. Montaigne, Übersetzer der Theologia naturalis von Raimundus Sabundus 161 2. Die Theologia naturalis des Sabundus Die Theologia naturalis stammt von dem katalanischen Gelehrten Raimund von Sabunde, „maître ès-arts, en théologie et médecine“, der die Schrift in der alten Universitätsstadt Toulouse nur wenige Wochen vor seinem Tod im Jahre 1436 abgeschlossen hat. 5 In der französischen Übertragung von Montaigne lautet der volle Titel: La Theologie naturelle de Raymond Sebon docteur excellent entre les modernes, en laquelle par l'ordre de nature, est desmonstrée la verité de la Foy Chrestienne & Catholique, traduicte nouvellement de latin en françois. Nach der ersten Ausgabe Paris 1569 folgte 1581 eine zweite Auflage. 6 Der lateinische Text ist recht lang, er besteht aus sechs Teilen (eine Gliederung, die Montaigne nicht übernimmt) mit 330 Kurztraktaten, tituli. Ihre Sprache ist starr-gegliedert und trocken. Sabundus war vom 15. bis ins 17. Jahrhundert nicht ganz unbekannt. Zunächst zirkulierte die Theologia naturalis in Manuskriptabschriften, dreizehn sind für das 15. Jahrhundert greifbar. Ab dem späten 15. Jahrhundert lag die Schrift in Buchform vor. Der Kartäuser Pierre Dorland hatte eine gekürzte Fassung unter dem Titel Viola animae oder Dialogi de natura hominis erarbeitet, die speziell der meditativen Frömmigkeit dienen sollte. Im Druck liegt die Viola animae 1499 in Köln, Mitte des 16. Jahrhunderts in mehreren Auflagen in Lyon vor. In französischer Sprache gab es vor Montaigne zwei Übertragungen der Theologia, eine vollständige und eine gekürzte Version: Neben der 1519 in Lyon publizierten Übersetzung eines unbekannten Autors 7 erstellte der durch seine Übersetzungen aus dem Italienischen bekannte Jean Martin 8 eine französische Version der Viola animae, also von der gekürzten Fassung des lateinischen Originals. 9 Ob Montaigne die Übertragung von Jean Martin kannte, ist unsicher. 5 Raimundus Sabundus ist die latinisierte Namensform des katalanischen Autors. Historische Daten und eine umfassende Einführung in die Apologie gibt Robert Aulotte, Montaigne. Apologie de Raimond Sebond, Paris 1979, hier: S. 13; ein ausführliches Resümee zu Sabundus und zur Apologie de Raimond de Sebonde auch in: Montaigne, Les Essais, hg. von Jean Balsamo, Michel Magnien und Catherine Magnien-Simonin, Paris 2007, S. 1553-1565. Vgl. zur Textgeschichte die Einleitung des Faksimile-Neudrucks Raimundus Sabundus, Theologia naturalis seu liber creaturarum, hg. von Friedrich Stegmüller, Stuttgart-Bad Cannstatt 1966, S. 3-23. Nach dieser Ausgabe zitiere ich im Folgenden in abgekürzter Form (Sab., Seitenangabe) im Lauftext. 6 In der zweiten Ausgabe von 1581 heißt der Titel schlicht La Theologie naturelle de Raymond Sebon, gefolgt von Angaben zum Status des Übersetzers. 7 Die Übersetzung von 1519 ist für die heutige Forschung nicht mehr zugänglich. Vgl. Michel Simonin, La Préhistoire de l'‚Apologie de Raimond Sebond‘, in: Montaigne. Apologie de Raimond Sebond. De la ‚Theologia‘ à la ‚Théologie‘, hg. von Claude Blum, Paris 1990, S. 85- 116, S. 88. 8 Jean Martin übersetzte hauptsächlich italienische Literatur, u.a. Ludovico Ariosto, Iacopo Sannazaro und Pietro Bembo, außerdem Francesco Colonna (die Hypnerotomachia Poliphili) und Vitruvius. 9 Vgl. zur Textgeschichte der Theologia naturalis: F. Stegmüller, „Einführung“, in: Sab., S. 3-23. Für die Daten der Übersetzungsgeschichte vgl. die erste große Arbeit zum Karin Westerwelle 162 Die Theologia naturalis stand seit 1558 auf dem Index, der Index Tridentinus von 1564 beschränkte sein Verbot auf den Prolog. Er stand bei den Kirchenoberen im Verdacht, Glauben und Heilsgewißheit des Christen unabhängig von kirchlicher und theologischer Institution, ja sogar unabhängig von der Offenbarung der Heiligen Schrift im rationalistischen Erkennen zu begründen. Ähnlich wie später bei Nikolaus von Cues die Figur des Laien - Cues besaß eine Handschrift der Theologia naturalis - taucht bei Sabundus eine neue Figur moderner Frömmigkeit auf: Es ist der „illiterate Laie als Leser des Weltbuches“. Hans Blumenberg charakterisiert ihn als Typus von weltlicher Frömmigkeit, der sich gegen die Scholastik wendet. 10 In seiner persönlich-inneren Erfahrung der Welt steht der Christ als Leser bei dem katalanischen Autor unmittelbar zu Gott. Den Titel Theologia naturalis erhielt das Werk erstmals als Theologia naturalis sive Liber creaturarum, specialiter de homine in zweiter Drucklegung in Deventer 1485, nachdem schon ein erster Buchdruck in Lyon 1484 unter dem alten Manuskripttitel erschienen war. Titel von Manuskripten und Drucken orientierten sich, soweit vorhanden, an der Formel des Einleitungssatzes sequitur Scientia libri creaturarum sive libri naturae, et Scientia de homine (Sab., S. 26). 11 Manuskriptüberschrift und Buchtitel benennen das subjektive, im Menschen stattfindende Erkennen. Der Mensch orientiert sich also primär an seiner Anschauung von Welt und findet darin den Weg zu Gott. Innerlichkeit und Evidenz des eigenen Erkennens erfaßt Sabundus mit dem Begriff der experientia (Nulla autem certior cognitio, quam per experientiam, et maxime per experientiam cuiuslibet intra se ipsum. Et ideo ista scientia non quaerit alios testes, quam ipsummet hominem. Sab., S. 33). Montaigne übersetzt experientia mit den für die späteren Essais zentralen Beschreibungskategorien subjektiver Erfahrung, der experience und des essayer („chacun a essayé en luy-mesme“). 12 Erfahrung aber führt bei Sabundus zur absoluten Gewißheit; Thema: Joseph Coppin, Montaigne. Traducteur de Raymond Sebon, Lille 1925, und die detaillierte Studie von M. Simonin, La Préhistoire de l’‚Apologie de Raimond Sebond’, S. 90. Die Fassung von Martin trägt irreführenderweise den Titel Theologie naturelle de dom Raymon Sebon, docteur excellent entre les modernes, mise de Latin en Françoys, suyvant le commandement de tres illustre et tres vertueuse dame, Madame Leonor, Royne douairière de France. Im Druck erschien sie in Paris 1551, in zweiter Auflage 1565. 10 Hans Blumenberg, Die Lesbarkeit der Welt, Frankfurt am Main 1986, S. 58ff. 11 Anders als Gerhard Ebeling, Miszelle zur Wortgeschichte von theologia naturalis, in: Internationale Kirchliche Zeitschrift 72, 1982, S. 92-95, S. 92-93, meint, trägt Sabundus' Buch im ganzen 16. und 17. Jahrhundert nicht als einziges den Titel Theologia naturalis. Vgl. Henri Busson, Les Sources et le développement du rationalisme dans la littérature française de la Renaissance (1533-1601), Paris 1922, S. 576. Busson zitiert die Theologie naturelle ou recueil contenant plusieurs argumens prins de la nature contre les epicuriens et atheistes de nostre temps par Georges Pacard Seguisien. La Rochelle 1579, 2 1611. Pacard wendet sich gegen die „athées de ce siecle, car ils ne veulent pas croire aucune chose sinon autant qu'ils apprehendent par leur raison, et comme juges rejettent tout le reste comme chose feinte“. Zit. nach Busson, S. 577. 12 Michel de Montaigne, Œuvres complètes. La theologie naturelle de Raymond Sebond. Traduicte nouvellement en Français par Messire Michel, Seigneur de Montaigne, Chevalier de Montaigne, Übersetzer der Theologia naturalis von Raimundus Sabundus 163 sie bestätigt eine einlineare, nämlich metaphysisch strukturierte Deutung von Welt. Anders verhält es sich bei Montaigne in den Essais: Dort konfrontiert die Erfahrung mit der Pluralität von Welt und der Auflösung teleologischen Sinns. Die unbedingte Gewißheit der Erfahrung bei Sabundus stuft Montaigne auch in seiner Übersetzung zurück. Das Konzept der natürlichen Religion besagt, daß die dem Menschen eigene und natürliche Vernunft, das lumen naturale, ausreicht, die Wahrheit der christlichen Religion zu begründen. Im 17. Jahrhundert wandte sich Pascal besonders intensiv gegen die „lumières naturelles“, die in Glaubenssachen nichts ausrichten könnten. Für die Christen gilt: „C'est en manquant de preuve qu'ils ne manquent pas de sens.“ 13 Sabundus zählt zu den rationalistischen Theologen, weil er die Glaubenswahrheit mit Hilfe menschlicher Vernunft beweisen will (aber auch er setzt dem rationalistischen Erkennen Grenzen). In den Augen der Kirche machten Rationalismus und das eigenständig erforschende Untersuchen die Theologia naturalis im 16. Jahrhundert verdächtig. 3. Aufgabe und Interesse des Übersetzers Der an den Vater Pierre Eyquem adressierte Widmungsbrief, der der Theologie naturelle vorausgeht, und die Anfangspassagen der Apologie de Raimond Sebond (II, 12) kontextualisieren und begründen Montaignes Anliegen der Übersetzung. Die jeweiligen Argumente und Angaben decken sich nicht, sie sind widersprüchlich oder sogar rätselhaft. In dem Widmungsbrief heißt es: A Monseigneur Monseigneur de Montaigne Monseigneur, suivant la charge que vous me donnastes l’année passée chez vous à Montaigne, j’ay taillé et dressé de ma main à Raymond Sebon, ce grand Theologien et Philosophe Espaignol, un accoustrement à la Françoise, et l’ay devestu, autant qu’il a esté en moy, de ce port farrouche, et maintien Barbaresque, que vous lui vistes premierement: de manière qu’à mon opinion, il a meshuy assez de façon et d’entre-gent pour se présenter en toute bonne compaignie. Il pourra bien estre, que les personnes delicates et curieuses y remarqueront quelque traict, et ply de Gascongne: mais ce leur fera d’autant plus de honte, d’avoir par leur nonchalance laissé prendre sur eux cest avantage, à un homme de tout poinct nouveau et aprenty en telle besoingne. Or Monseigneur, c’est raison que sous vostre nom il se pousse en crédit, et mette en lumiere, puis qu’il vous doit tout ce qu’il a d’amendement et de reformation. Toutesfois je voy bien que s’il vous plaist de conter avec luy, ce sera vous qui luy devrez beaucoup de reste: car en eschange de ses excellens et tres-religieux discours, de ses hautaines l’ordre du Roy et Gentilhomme ordinaire de sa chambre, hg. von A. Armaingaud, Paris 1932- 35, Bd IX, S. viii-ix. 13 Blaise Pascal, Pensées I. Pensées II, hg. von Michel Le Guern, Paris 1977, 2 Bde, Bd II, S. 10-11 [§397]. Karin Westerwelle 164 conceptions et comme divines, il se trouvera que vous n’y aurez apporté de vostre part, que des mots et du langage: marchandise si vulgaire et si vile, que qui plus en a, n’en vaut, à l’avanture, que moins. Monseigneur, je supplie Dieu, qu’il vous doint tres-longue et tres-heureuse vie. De Paris, ce 18 de Juin, 1568. Vostre tres-humble et tres-obeyssant fils, Michel de Montaigne. 14 Die Vorrede liest sich wie eine etwas gewundene, zugleich aber rhetorisch ausgefeilte Rechtfertigung. Der Übersetzer rechtfertigt sich gegenüber dem Vater und Auftraggeber, er lobt den Verfasser des Originals und legitimiert damit die eigene Aufgabe. Ferner erfolgt eine Rechtfertigung gegenüber der höfisch-gebildeten Gesellschaft, deren Regeln der junge Übersetzer verletzt haben könnte, und in letzter Instanz gegenüber dem eigentlichen Gegenstand der Theologia naturalis, das ist Gott. Das Datum des Briefes hält den Sterbetag des Vaters, des „Monseigneur de Montaigne“, erinnernd fest: „De Paris, ce 18 de Juin, 1568“. Man vermutet, daß sich Montaigne zur Drucklegung des Textes in Paris aufhielt. Die symbolische Dimension ist durch die Rechtsrhetorik des Briefes verstärkt. Der Sohn erklärt, daß er dem Vater gegenüber eine Pflicht („charge“) erfüllt habe, die dieser ihm ein Jahr zuvor aufgetragen hatte. Der symbolisch-rhetorischen Besiegelung eines rechtlichen Vasallenverhältnisses nicht unähnlich, hat der Sohn ehrerbietigst und pflichtgetreu seinen Part geleistet; nunmehr unterstellt er sich der Protektion des Namens des Vaters und bittet, das hierarchische Verhältnis bestärkend, um den göttlichen Segen für den hohen Seigneur. Der in Auftrag und Filiation des Vaters handelnde Übersetzer stellt sich in auffälliger Bescheidenheitsrhetorik dar: Sabundus erscheint als „großer Theologe“ und „spanischer Philosoph“ auf der Höhe des mittelalterlichen Bildungsweg der septem artes liberales. Dagegen charakterisiert und affirmiert der Übersetzer seine Leistung als plastisch hervorgehobenes, handwerkliches Tun („ich habe Raimundus Sabundus mit meiner Hand ein Gewand geschnitten und es ihm angelegt“). Der Übersetzer siedelt sich folglich auf der Ebene der Rhetorik des Triviums an, er hat dem Sabundus lediglich ein verändertes Äußeres, ein neues Kleid (oder in allegorischem Verständnis ein integumentum) gegeben. Wenngleich das Übersetzen lediglich die äußere Form, den „accoutrement“ (das schmückende Ausstaffieren), zu betreffen scheint, erfüllt es den Sprecher mit Stolz, denn er unterstreicht im doppelten Ich-Bezug („je“, „de ma main“) die eigenständige Leistung. Wie der Dichter der Kanzone eine schöne Form gibt, in der sie unter die Menschen tritt, so hat Montaigne dem Original eine ansprechende Sprache verliehen. Der Sohn begreift sein Tun ausdrücklich in Stellvertreterschaft, er handelt als aus- 14 Michel de Montaigne, Œuvres complètes. La theologie naturelle de Raymond Sebond, Bd IX, S. III-IV. Montaigne, Übersetzer der Theologia naturalis von Raimundus Sabundus 165 führendes Organ für den Vater; dieser ist ursächlich für die „Besserung und Erneuerung“ verantwortlich, die sich - grammatikalisch doppeldeutig - auf den Übersetzer oder die Übersetzung ausgewirkt hat. In seinem Metier ist der Übersetzer ganz neu und ein Anfänger, dessen Sprache als sermo humilis durch die gaskognische Mundart entstellt sein könnte, sich mithin der feinen Gesellschaft unwürdig erweisen würde. Gleichwohl - und hier begründet sich nunmehr ein Ethos des Übersetzers - sind Mängel und Fehler nicht dem Sprecher anzulasten, denn die Gemeinschaft der Leser hat sich noch größerem Tadel ausgesetzt, überlässt sie doch einem „homme à tout poinct nouveau“ eine Aufgabe, die sie selbst zu erfüllen hätte, aus „nonchalance“ (Nachlässigkeit) aber nicht wahrgenommen hat. Die vergleichenden Aussagen über lateinisches Original und französische Übersetzung sind gänzlich auf den stilistischen Qualitätsunterschied ausgerichtet. Inhaltlich Substanzielles wird im Vergleich ausgespart. Auch in der Apologie wird der Stil des lateinischen Textes beurteilt. Die Apologie unterscheidet zwischen leichtem und schwierigem Übersetzen: „[a] Il fait bon traduire les autheurs comme celuy-là, où il n'y guiere que la matiere à representer; mais ceux qui ont donné beaucoup à la grace et à l'elegance du langage, ils sont dangereux à entreprendre“ (Mon. II, 12, S. 439-40). Sabundus ist kein Dichter, sondern er gehört zur Kategorie derjenigen Autoren, wo der Stoff, die matière, zu übertragen ist. Form und Schönheit, sprachliche Anmut und Eleganz sind im Urtext nebensächlich. Daß Sabundus keinen guten Stil schreibt, verbildlicht die Metaphorik des Entkleidens und Bekleidens im Widmungsbrief. Das Wilde und Barbarische habe er, Montaigne, in ein gepflegtes Erscheinungsbild verwandelt. Das Buch könne nun, seines alten Gewandes entkleidet, in die Sphäre höflicher Konversation („il [Sebond, K.W.] a meshuy assez de façon et d'entre-gent pour se présenter en toute bonne compaignie“, Mon. 9, S. iii) eintreten und damit, so gibt der Text zu verstehen, den Raum geistiger Einsiedelei verlassen. Montaignes Stilbeschreibung, seine metaphorische Rede über den Stil, ist nicht willkürlich, sondern diskursanalytisch trennscharf gesetzt. Die eigene Stilleistung situiert sich im historisch-kulturellen Oppositionsschema von scholastischer Ungehobeltheit und gesellschaftlichem Gespräch („entregent“, „bonne compaignie“). Damit stellt sich Montaigne, wie schon in der Gegenüberstellung von Philosophie und Rhetorik, in ein kulturelles Paradigma: Der gute, schöne Stil der Antike ist für die Renaissance-Kultur ein wesentliches Moment der Differenzbestimmung zu mittelalterlichen und scholastischen Autoren. 15 Den Konflikt zwischen elegantem Stil und scho- 15 Rudolf Pfeiffer referiert in Die Klassische Philologie von Petrarca bis Mommsen, München 1982, mit Francesco Petrarca und Lorenzo Valla Autoren, die zugleich mit der Rezeption klassischer Bildung den schönen lateinischen Stil hochgeschätzt haben. Vgl. zum Konflikt zwischen antiker und mittelalterlicher Kultur H. Busson, Les Sources et le développement du rationalisme, S. 3ff.; für die institutionelle und gesellschaftspolitische Gegnerschaft von „Humanisme/ scolastique“ vgl. die Ausführungen von Pierre Chaunu, Le Temps des Réformes. Histoire religieuse et système de civilisation. La crise de la Karin Westerwelle 166 lastischer Bildung, den Montaigne als höfische Sphäre und Barbarentum gegenüberstellt, belegt in einer Montaigne verwandten Metaphorik ein Brief von Giovanni Pico della Mirandola an Hermolao Barbaro. Pico schreibt: In diesem [deinem letzten, K.W.] Briefe schiltst du die Scholastiker Barbaren. Wie das niedere Volk, schreibst du, hätten sie sich benommen. Roh und ungebildet seien sie gewesen. [...] Diese Äußerungen haben mich sehr gepackt und mit Scham und Reue tief erfüllt. Habe ich doch sechs Jahre in den Schulen der Scholastiker, bei Thomas von Aquino, Johannes Scotus, bei Albertus und Averroës geweilt. [...] Er [derjenige, der die Scholastiker beschuldigt, K.W.] möge erfahren, daß die als Barbaren Gescholtenen den Gott Merkur nicht im Munde, wohl aber in ihrem Herzen trugen, daß ihnen die Weisheit nicht fehlte, wenn ihnen auch die Gabe der Beredsamkeit nicht verliehen ward. Nicht der lädt eine Schuld auf sich, der seine Gedanken nicht in zierliche Worte hüllt, wohl aber der, der Weisheit und Schmuck der Rede wahllos vermischt. Denn wem gefällt an einer ehrsamen Jungfrau eitel gedrehtes Lockenhaar? Wer liebt es, wenn sie ihr Antlitz mit Schminke bemalt? 16 Montaigne bestätigt zunächst ein Renaissance-Ideal des Stils. Verdienstvoll ist der Übersetzer, denn er hat keinen antiken, stilistisch anspruchsvollen Text ausgesucht, sondern einem spätscholastischen Traktat eine neue Form verliehen. Die Art der Übersetzung ist für einen Renaissance-Autor insofern untypisch, als sie nicht dem Muster des über die Form legitimierten Rückgriffs auf antike Texte gehorcht. 17 Im Stil liegt die gefährliche Klippe für den Übersetzer; aber über dieser Qualität verfügte das Original nicht. Nicht imitatio oder aemulatio, sondern inventio des Stils zeichnet den französischen Übersetzer aus. Eine Volte im Widmungsbrief zerstört jedoch das Lob der stilistischen Leistung und zugleich mit dem selbstschmälernden Angriff, der über das Ziel hinausschießt, die Intention, neue, höfisch-gebildete Leser zu erreichen. Montaigne räumt der eigenen stilistischen Neueinkleidung - darin Pico della Mirandola im Argument ähnlich - keinen großen Wert ein. In einer unerwartet scharfen Kehrtwende verurteilt er den neuen Stil und die Sprache insgesamt als billige Ware: car en eschange de ses excellens et tres-religieux discours, de ses hautaines conceptions et comme divines, il se trouvera que vous [der Vater Pierre Eyquem, chrétienté. L'éclatement (1250-1550), Paris 1975, S. 298ff. 16 Giovanni Pico della Mirandola, Ausgewählte Schriften, übersetzt und eingeleitet von Arthur Liebert, Jena und Leipzig 1905, S. 97-99. Vgl. zum Modell humanistischer Eloquenz und zum Vertrauen in die Macht des Wortes: Hanna H. Gray, Renaissance Humanism: The pursuit of Eloquence, in: Renaissance Essays, hg. von Paul Oskar Kristeller und Philip P. Wiener, Rochester 1992 [ 1 1968], S. 199-216, S. 205. 17 Vgl. für die Übersetzungstheorie als Stilbildung: Antoine Compagnon, Montaigne: De la traduction des autres à la traduction de soi, in: Littérature 55, 1984, S. 37-44, S. 37ff. Cicero, Plinius und Quintilian überlieferten dem 16. Jahrhundert den Ansatz, daß die Übertragung guter Autoren in ihren optimis verbis, verstanden als eine Variante der imitatio, den eigenen Stil in Eleganz und Reichtum (copia) ausbilde. Gegen Compagnon ist zu präzisieren, daß Montaigne keine modellhafte imitatio des Sabundus (der keine guten Stil schreibt) im Sinne des antiken Übersetzungsmodells unternommen hat. Montaigne, Übersetzer der Theologia naturalis von Raimundus Sabundus 167 K.W.] n'y aurez apporté de vostre part, que des mots et du langage: marchandise si vulgaire et si vile, que qui plus en a, n'en vaut, à l'avanture, que moins. Montaigne redet hier den Vater als Träger einer Erfahrung und Vermittler der Übersetzungsaufgabe an. Gleichgültig wer übersetzt, jeder wird bei dem Versuch scheitern, das Göttliche adäquat sprachlich zu erfassen. 18 Dem bloßen Handelswert der Sprache stehen die religiösen Konzepte („ses hautaines conceptions et comme divines“, Mon. 9, S. iii) des lateinischen Autors gegenüber. Die radikale Kritik der Sprache als inhaltsleere Form schließt die eigene Übersetzung ein und verunglimpft sie als „vile“, als niedrig und unehrenhaft. Dagegen erweisen sich die Konzepte („conceptions“) des Sabundus als „hautaines“ (im Sinne von edel und erhaben) und „comme divines“. 19 Die aggressive Umwendung des Stilkriteriums vollzieht sich für den Leser einigermaßen überraschend; durch den Topos affektierter Bescheidenheit ist sie nicht allein erklärbar. In den Essais begegnet die besondere Struktur der plötzlichen Umwertung, die eine vollzogene Affirmation im nächsten Moment aufhebt, sehr häufig. Als Beispiel lässt sich das Vorwort Au Lecteur oder der Essay De la tristesse anführen. Stolzes Unterstreichen der Ichdarstellung („je suis moy-mesmes la matiere de mon livre“, Mon. S. 3) führt im nächsten Schritt in eine Belanglosigkeitserklärung („ce n’est pas raison que tu employes ton loisir en un subject si frivole et si vain“). Montaignes negative Bewertung von Sprache und Stil scheint im zitierten Widmungsbrief in einer nominalistischen Sprachkonzeption begründet zu sein, die den Menschen sowohl zu Gott als auch zu den Dingen in eine unendliche Distanz setzt. Menschliche Rede vermag göttliche Wahrheit nicht zu erfassen. Sprachliche Äußerungen, gleichgültig ob in Latein oder Französisch, ob in gutem oder in schlechtem Stil geschrieben, stehen in gleicher Entfernung zum Absoluten. Was zählt, ist das Bekenntnis zum Glauben. Die sprachliche Inkommensurabilität zwischen Gott und dem Menschen entfaltet Montaigne in der Apologie. Die Apologie de Raimond Sebond, die voluminöse Abhandlung des zweiten Buchs der Essais, gibt nochmals über die Begegnung des Essayisten mit der Theologia naturalis Aufschluß. Montaigne erzählt von vergangenen Ereignissen und perspektiviert sie in anderer Weise als im Widmungsbrief. Mit den ersten Zeilen des Essays, noch bevor er auf Sabundus zu sprechen kommt, schränkt Montaigne den Absolutheitsanspruch der science (Mon. II, 12, S. 438) ein. Theoretisches Wissen oder Buchwissen wird zugunsten alltäglicher Lebenswelt entwertet. Die Verehrung des Buches durch die Laien kritisiert Montaigne als übersteigerten Kult. Wie der Vater Pierre Eyquem sakralisieren die Humanisten die „science“. Sie geben dem 18 Auch die Bibelübertragungen ins Französische gewährleisten nicht, daß der Mensch glaubt und Gott begreift. Vgl. Montaigne, Des Prières (I, 56, S. 321). 19 Wie häufig in der Poetik im 16. Jahrhundert ist hier der Begriff „conceptions“ im Sinne von „ingenium“ zu verstehen. Ingenium ist der Inspiration nicht identisch, worauf die hervorgehobene Vergleichsstruktur („comme divines“) hinweist. Karin Westerwelle 168 Wissen eine pseudo-religiöse Aura, wie es das intensiv gehäufte religiöse und neuplatonische Vokabular anzeigt („[a] mon pere [...] rechercha avec grand soing et despence l'accointance des hommes doctes, les recevant chez luy comme personnes sainctes et ayans quelque particuliere inspiration de sagesse divine“, Mon. II, 12, S. 438-39). Montaigne bemängelt das geringe Urteilsvermögen der Vätergeneration und weist jede Adorationshaltung gegenüber der science und ihren Vertretern zurück. Kulturhistorisch betrachtet, lehnt er damit jene im Platonismus der italienischen Renaissance und in der französischen Rezeption wirksam gewordene Sakralisierung der Kunst- und Literaturproduktion ab. 20 Der Leser erfährt, daß der humanistische Gelehrte Pierre Bunel - wohl gegen 1530 - zu Gast auf Schloß Montaigne war. 21 Das lateinische Manuskript „Theologia naturalis sive liber creaturarum magistri Raymondi de Sabonde“ (Mon. II, 12, S. 439) überließ er Pierre Eyquem als Geschenk. Der Vater, so suggeriert der Text, nahm die humanistische Geste, ein Buch als Gastgeschenk zu überreichen, wohl freudig auf. Pierre Bunel empfahl die Theologia naturalis einst als Lektüre gegen den Zeitgeist („[a] comme livre tres-utile et propre à la saison“). Die Schrift sollte in einer Situation nützlich sein, als der Protestantismus an Boden gewann. Sie sollte gegen die „nouvelletez de Luther“ wirken und grundsätzlicher noch die Versuchungen des Atheismus („[a] un excecrable atheisme“) abwenden. Den historischen Gang der Dinge, schreibt Montaigne, habe Bunel im vorhinein richtig prognostiziert: „[a] prevoyant bien, par discours de raison“ (Mon. II, 12, S. 439). Wie Montaigne im kleinen Hinweis präzisiert, gelingt Bunel das Vorhersehen nicht im divinatorischen, sondern im rationalen Akt. Der Atheismus vollzieht einen Bruch mit der traditionellen Ordnung der Gesellschaft; der Mensch tritt aus der Religion heraus. In politischer und kritischer Perspektive erkennt Montaigne darin eine Folge des mit der Reformation gegenüber der Religion wirksam gewordenen Urteilsvermögens (der „[a] faculté de juger“, Mon. II, 12, S. 439). Er fürchtet, daß es beim vulgären, halbgebildeten Menschen keine Einschränkung mehr kennen wird. Die „faculté de juger“ droht, nicht nur, bestehende religiöse Tradition zu verwandeln, vielmehr greift sie Religion in der Sache an. Soll die Übersetzung der Theologia naturalis von Nutzen sein, dann als Remedium gegen einen universell sich ausübenden jugement, der als Zweifels- und Abwägungsvermögen vor der Religion nicht haltmacht. Sie müßte da, wo die sich autonom setzende Vernunft den Glauben zerstört, Gott neu bekräftigen und die ratio entweder mit dem Glauben versöhnen oder die ratio an einem bestimmten Punkt als Zugriff auf eine andere, ihr 20 Die neuplatonische Interpretation eröffnete in der Kunst emotionale Bereiche, so argumentiert Werner Beierwaltes, „die bisher religiöser Verehrung und Kunst vorbehalten waren.“ W. Beierwaltes, Marsilio Ficinos Theorie des Schönen im Kontext des Platonismus, Heidelberg 1980, S. 51. 21 Vgl. zu lebensgeschichtlichen Daten und Bunels religiöser Anschauung: H. Busson, Les Sources et le développement du rationalisme, S. 102-105 und S. 434. Montaigne, Übersetzer der Theologia naturalis von Raimundus Sabundus 169 höhere Wahrheit für unzuständig erklären. Vermag eine Übersetzung unter den gesetzten Prämissen, die der kritischen Bewertung der scientia das unmittelbare Erfahrungswissen gegenüberstellt und die Übersetzung in die Muttersprache abwertet, die schwierige Aufgabe der Versöhnung des Menschen mit dem Glauben zu leisten? Der Text gibt auf diese Frage keine direkte Antwort. Der Leser erkennt aber, daß Montaigne lebensgeschichtliche Daten verzerrt und seinen eigenen Übersetzungsauftrag banalisiert. 22 Darin liegt ein Pathosverlust, der mit dem Beginn des Essays und der Kritik des universellen Geltungsanspruchs des Wissens übereinstimmt. Auch die individuelle Übersetzungsarbeit ist nicht als kulturhistorisches Ereignis zu bewerten. Der dem Buch zugewiesene Auftrag, den wahren Glauben zu fördern, ist in der Darstellung der Umstände, wie zu zeigen ist, relativiert. In welchem Jahr Montaigne mit seiner Übersetzung anfing und wie lange er am Manuskript der Theologia naturalis gearbeitet hat, geht aus den einzelnen beiläufigen - im Verhältnis zum Widmungsbrief widersprüchlichen - Angaben nicht hervor. Mit Adrien Turnèbe, der 1565 gestorben ist, 23 will Montaigne, so erzählt er in der Apologie, über die Theologia gesprochen haben. Zumindest seit dieser Zeit beschäftigt er sich folglich mit dem theologischen Text. Die Hinweise in der Apologie sind lapidar und spielen die Übersetzungsleistung herunter. Die wie nebensächlich gemachte Zeitangabe, der Vater habe das Manuskript erst wenige Tage vor seinem Tod gefunden und den Sohn mit der Übersetzung beauftragt, steht in flagrantem Widerspruch zum Widmungsvorwort der Theologie naturelle, wo vom väterlichen Auftrag des vergangenen Jahres die Rede ist. Bagatellisierung, fehlendes Pathos, das Insistieren auf dem Zufall als Möglichkeit der Übersetzung, „[a] quelques jours avant sa mort, mon pere, ayant de fortune rencontré ce livre soubs un tas d'autres papiers abandonnez“, „[a] estant [Montaigne, K.W.] de fortune pour lors de loisir“ (Mon. II, 12, S. 439-40), sind ganz offensichtlich rhetorische Stilisierungen im Sinne einer skeptizistisch gesetzten Ausgangsposition der Erkenntnis. Alle Begegnungsmomente mit der theologischen Schrift schaffen bewußt Distanz zum Beginn der Apologie und dem dort dargelegten humanistischen Begründungspathos, das Montaigne nicht teilt. Um die perspektivische Verzerrung zwischen väterlichem Auftrag und zufälligem Auffinden des Manuskripts, die die Montaigne-Forschung immer auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft hat, zu verstehen, spielt die lebensgeschichtliche 22 Vgl. zur akzentuierten Kontingenz und zur Vermeidung von Argumenten auch Andreas Kablitz, „Montaignes ,Skeptizismus‘. Zur Apologie de Raimond Sebond (Essais: II, 12)“, in: Poststrukturalismus: Herausforderung an die Literaturwissenschaft, hg. von Gerhard Neumann, Stuttgart; Weimar 1997, S. 504-539, v.a. S. 512ff. 23 Adrianus Turnebus (1512-65) war Lecteur Royal für Griechisch am Collège de France; er gab u.a. Sophokles und Homer heraus und „führte die Generation Ronsards zuerst zu Platon und dann im Laufe der Zeit zu Aristoteles und den Stoikern“. R. Pfeiffer, Die Klassische Philologie von Petrarca bis Mommsen, S. 142. Karin Westerwelle 170 Ausgangssituation keine Rolle. Vielmehr kann man erkennen, daß Montaigne seine Begegnung mit der Schrift des Sabundus im Sinne einer strategisch gedanklichen Position stilisiert. Sie fügt sich dem argumentativen Kontext der Apologie ein: Montaigne unterläuft das Telos des väterlichen Auftrags, ein Remedium für die Krise der Religion zu liefern, ebenso wie jene Form der Apologie, die in einer ungebrochenen Verteidigung des Sabundus läge. Hervorgehoben ist das Zufallsmoment der Begegnung mit dem Text. Aus seiner kritischen Sichtweise der science nimmt Montaigne die Wichtigkeit der Übersetzung zurück; er schwächt die Hoffnung ab, daß sie unmittelbar für die Religion wirksam werden könnte. 24 Die sprachliche Übertragungsleistung, die eine erweiterte Leserschaft des gebildeten höfischen Publikums erreichen soll, wird sowohl im Widmungsbrief als auch in der Apologie in ihrer Reichweite eingeschränkt. Ihre Wirksamkeit für den Glauben ist beschränkt. Während Montaigne im Vorwort der Theologie naturelle die stilistischen Errungenschaften und ihre Nichtigkeit gegenüber dem religiösen Glauben betont, legt er in der Apologie argumentativ dar, daß die Überführung von Wissen in Tugend ein brüchiges Konzept ist. Deswegen erscheint auch das vom Vater erhoffte Ziel, mit Hilfe der Übersetzung den Protestantismus einzudämmen, zum Scheitern verurteilt. Bereits die Zufallskomponente, die zur Wiederauffindung des Manuskripts führt und die Anfertigung der Übersetzung möglich macht, bringt skeptische Argumente in die Schilderung ein, wodurch das Zusammenwirken von humanistischer Bildung und heilsgeschichtlichem Auftrag entkräftigt wird. Die Komposition der beiden vorgestellten Texte ist nicht leicht zu durchschauen. Der Leseeindruck des Nicht-Erkennen-Könnens wird rhetorisch durch solche Argumente erzeugt, die jeweils gegenteilige oder sich aufhebende Bewertungen vorstellen. Orientierung und Urteil des Lesers sind erschwert. Daraus ließe sich die These ableiten, daß in dieser Inszenierung bereits die erkenntnistheoretische Situation antizipiert ist, die Montaigne in Abschwächung der rationalistischen Erkenntnisposition des Sabundus in seiner Übersetzung durch die Begriffe „imagination“ und „fantaisie“ erzeugen wird. 24 Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die Entstehungsgeschichte der Apologie mit einer anonym bleibenden Adressatin verbunden ist, an die sich Montaigne wendet. Vgl. dazu die Erläuterung in Montaigne, Les Essais, hg. von Jean Balsamo, S. 590 und 1556ff. S. auch Terence Cave, The Cornucopian Text. Problems of Writing in the French Renaissance, Oxford 1979. Montaigne, Übersetzer der Theologia naturalis von Raimundus Sabundus 171 4. Semantische Transformationen in der Übersetzung der Theologia naturalis Lange Zeit überwog in der Forschung die Ansicht, die von der frühen und erkenntnisreichen Arbeit des abbé Joseph Coppin ausging. Er hatte in Montaigne den sinntreuen Übersetzer des Sabundus erkannt. 25 Daß Montaigne Abweichungen von der lateinischen Vorlage produziere, haben neuere Studien hervorgehoben. Philip Hendrick hat im Vergleich einzelner Textstellen aufgezeigt, auf welche Weise Montaigne sowohl die Gewißheit der Erkenntnisposition als auch die feste kosmologische ordo-Struktur des lateinischen Textes zurücknimmt. 26 Einen ähnlichen Aspekt hat Mireille Habert in der grammatikalischen Analyse des Sprecherstandpunktes unterstrichen. 27 Die Redeweise des lateinischen Autors ist unpersönlich, 28 der Sprecher tritt hinter unpersönlichen Verbalstrukturen (dictum est, importet cognoscere) und die vielfältige Verwendung von logisch-stringenten Konjunktionen (quia, ita, sicut, quoniam) zurück. Diese Konstruktionen gibt Montaigne auf oder verwandelt sie in persönlichere Wendungen. Philologisch ist die von der Forschung behauptete Übersetzungstreue Montaignes nicht haltbar. Aus dem theologischen Deutungsverhältnis des Platzes des Menschen in der Welt, des Verhältnisses von Selbst- und Gotteserkenntnis, vom Zugang zur Welt der Dinge und zum geschriebenen Wort der Bibel ergibt sich ein tiefgreifender Bruch zwischen lateinischem Original und französischer Übersetzung. Er ist nicht aus einem Übersetzungsanliegen im Sinne der Übertragung einer religiösen Weltanschauung in eine andere Sprache erklärbar. Er zeigt vielmehr, daß ein eigenständiger Denker den vorliegenden Text gemäß einer neuen erkenntnistheoretischen Position konstruiert. Die Abwandlungen in der Prologübersetzung sind in der Forschung früh diskutiert worden, wobei hier in Frage stand, ob die kirchliche Zensur oder der Wille des Übersetzers dafür verantwortlich zu machen sei. Montaigne 25 Joseph Coppin, Montaigne. Traducteur de Raymond Sebon, Lille 1925. 26 Vgl. Ph. Hendrick, „Traduttori Traditori“, in: Montaigne. Apologie de Raimond Sebond. De la ‚Theologia‘ à la ‚Théologie‘, hg. von Claude Blum, S. 139-165; id., „Montaigne's Translation of Sebond: Towards a Re-assessment“, in: Montaigne traducteur. Montaigne voyageur, in: Montaigne Studies. An interdisciplinary forum 5, 1-2, 1993, S. 49-64; id., Montaigne et Sebond. L'Art de la traduction, Paris 1996. Hendricks erstem Aufsatz „Traduttori Traditori“ von 1990 und der Perspektive der Differenz der französischen Übersetzung hat Jean Céard in seinem Beitrag „Montaigne, traducteur de Raimond Sebond: Positions et propositions“, in: Montaigne Studies 5, 1-2, 1993, S. 11-26, polemisch widersprochen. 27 Mireille Habert, „L'Inscription du sujet dans la traduction par Montaigne de la ‚Theologia naturalis‘“, in: Montaigne Studies 5, 1-2, 1993, S. 27-47. Die These, daß Montaigne in seiner Übersetzung nicht nur stilistisch, sondern inhaltlich in den Text des Sabundus eingreift, vertritt auch H.-P. Bippus, In der Theologie nicht bewandert? Montaigne und die Theologie, Tübingen; Basel 2000. 28 Ib., S. 29. Karin Westerwelle 172 verwandelt das klare Wissen des Prologs in ein Wissen, das von Zweifeln nicht frei ist. Aus diesem zweifelshaltigen Wissen hat der Mensch in der französischen Fassung den Übertritt zum Glauben zu vollziehen. Der französische Text untergräbt die Absolutheit eines infallibiliter, das sich inhaltlich auf die unfehlbar zu erreichende Erkenntnis aller notwendigen Wahrheit bezieht. Die Ganzheit zu erfassender Wahrheit wird - wie bereits Coppin darlegt - eingegrenzt. 29 Abgewandelt findet sich aber auch die Erkenntnismethode, der Sabundus folgt. Wie später Pascal, der die natürliche Vernunft in ihre Schranken weist, indem er die Erkenntnis des spirituellen Lichts gegen die der realen Taghelle ausspielt („Ce n'est point de cette lumière [Gottes Licht in der Bibel, K.W.] qu'on parle comme le jour en plein midi.“ 30 ), vergrößert Montaigne die Distanz zwischen Sehen und geistiger Anschauung, zwischen dem lumen naturale und dem göttlichen Licht. Die auffällige Sehmetaphorik („veoir à l'œil“), verstanden als reales, nicht spirituell-geistiges Sehen, treibt den Kontrast hervor, weil sie die natürlichbeschränkte Bedingung der Wahrheitserfahrung, die sich auf das Sichtbare bezieht, betont. Mit der Formel „veoir à l'œil“ übersetzt Montaigne hier wie an anderer Stelle der Theologie die sinnlich-reale Erfahrungssituation. 31 Die Grenze des realen Sehens bestimmen jene Passagen, wo er die Formel ins Verhältnis zur Erkenntnis der göttlichen Schrift bringt: „mais ses paroles [der Bibel, K.W.] [...] ne sont pas ainsi manifestes à l'œil“ (Mon. 10, S. 24). 32 Montaigne stellt sich in seiner Einschränkung menschlicher scientia entschieden gegen Sabundus. Er schafft einen Ort für die Dunkelheit der Heiligen Schrift und für das Nichtwissen. Er relativiert die Sicherheit, die auf Erkennen beruht, indem er das natürliche Licht der ratio als real körperlichen Sehprozeß vorstellt. In Freiheit und Selbstverantwortung, die der Mensch trägt, bleibt ein Stück Nichtwissen hinsichtlich seiner finalen Bestimmung. Das Wissen des Menschen über seine Finalität kommt nicht mit 29 J. Coppin, Montaigne. Traducteur de Raymond Sebon, S. 68 und S. 70. Coppin hebt den Einschub „autant qu'il est possible à la raison naturelle“ hervor und kommentiert ihn als Einschränkung. M. Dréano, La Religion de Montaigne, Paris 1969, S. 69, zieht folgende Quintessenz: „C'est le pouvoir de la raison que Montaigne était invité à restreindre. Aussi, est-ce bien ce pouvoir qu'il limite. C'est le sens de cette correction: ‚Cette doctrine apprend à tout homme de voir à l'œil sans difficulté et sans peine la vérité, autant qu'il est possible à la raison naturelle.‘ Ce sont ainsi toutes les connaissances acquises par la raison naturelle qui perdent un peu de l'étendue, de la sûreté et de l'utilité que leur accordait Sebond. La science des créatures à laquelle la raison peut s'élever n'est plus nécessaire. Elle est simplement utile, ou seulement nécessaire avant tout autre. A côté ou au-dessus d'elle, il y a la foi, qui peut exister sans elle. La foi, à plus forte raison, n'est pas liée à une méthode d'apologétique.“ 30 B. Pascal, Pensées II, S. 160 [§653]. 31 Vgl. u.a. für die Augenmetaphorik als Konzept des erkennenden Sehens folgende Stellen: „Comme nous touchons au doigt et à l'œil“ (Mon. 10, S. 2) für „Videmus autem per experientiam“ (Sab., S. 289) oder „et l'experience nous faict veoir à l'œil“ (Mon. 10, S. 81) für „Sed experientiam videmus“ (Sab., S. 353). 32 Sabundus (Sab., S. 307) schreibt: „Sed verba Dei [...] non sunt omnibus [den Menschen, K.W.] manifesta“. Montaigne, Übersetzer der Theologia naturalis von Raimundus Sabundus 173 einem Wissen höherer, göttlicher Art in Berührung. Montaigne läßt hier eine Lücke und ordnet sich damit auf seine Weise in die philosophie- und religionsgeschichtlichen Debatten über den freien Willen ein. 33 Für die hier auftauchende erkenntnistheoretische Unzulänglichkeit des menschlichen Geistes, sich selbst in seinen Taten und Werken objektiv zu begreifen, steht an anderer Stelle der Begriff der „fantasie“. Meine These zur Übersetzung lautet folglich, daß Montaigne die rationalistische Erkenntnisposition des Sabundus einschränkt. Diese Veränderung der lateinischen Vorlage wird im Gesamttext vor allem durch den Einbau des Imaginationsvokabulars deutlich. Vereinfachend gesagt, spielt innerhalb der strikt hierarchisch aufgebauten Welt und des strikt hierarchisch verstandenen menschlichen Erkennensvermögens das real-visuelle Sehen und das Imaginieren bei Sabundus lediglich eine marginale Rolle. Montaigne ersetzt das traditionell hoch stehende Erkennen des Verstandes durch die traditionell niedrig gewerteten Akte der Imagination. Das Imaginationsvokabular spielt in der Sabundus-Übersetzung in drei Sinnzusammenhängen eine entscheidende Rolle: Erstens charakterisiert Montaigne im fantasie-Vokabular den sich in seiner Autonomie rationaler Erkenntnis unabhängig von Gott bestätigenden Menschen und verurteilt damit jene Selbstentwürfe, die sich nicht mehr ins Verhältnis zu einem göttlichen Idealbild und allgemein verbindlichen gesellschaftlichen Leitbild einordnen. Bloße scheinhaft-illusionäre Vorstellungsbilder beeinflussen menschliches Handeln: Ein besonderer Status des Bildes und der Bildvorstellung als emotionales und imaginäres Medium ist im fantasie- Vokabular hervorgehoben. Das Wort fantasie, weniger der Parallelbegriff imagination, bezeichnet die von Gott sich different setzende voluntas des Menschen. 34 Montaigne unterläuft das Konzept der Selbstgewißheit des Menschen, sein Handeln und Denken souverän regieren zu können, indem er den Begriff der „volonté“ - ähnlich wie später Pascal in De l'Art de persuader, wo die „volonté“ dem „caprice“ identisch wird 35 - mit den Komponenten des Unwillkürlichen, des Unbewußten, füllt. Ursachen und Effekte von Handlungen leiten sich nicht aus dem freien Willen (liberum arbitrium) ab, sondern haben ihre Entstehungsbedingungen in der fantasie, mithin in einem dem Menschen undurchschaubaren Substrat. Autonomie und Hoheit, 33 Vgl. etwa Lorenzo Valla, Über den freien Willen. De libero arbitrio. Lateinisch-deutsche Ausgabe, hg., übersetzt und eingeleitet von Eckhard Keßler, München 1987, S. 63. Die Dringlichkeit, mit der Valla die Willensfrage stellt, besteht für Sabundus nicht. Im 16. Jahrhundert der Religionsstreitigkeiten hat sie für Montaigne einen anderen Stellenwert. Vgl. zur Diskussion von „Freiheit und Notwendigkeit in der Philosophie der Renaissance“ Ernst Cassirer, Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance, Darmstadt 7 1994 [Leipzig; Berlin 1 1927], S. 77-129. 34 Das Verhältnis von menschlicher und göttlicher Ratio bestimmt der titulus 209 „De modo credendi verbis Dei [...]“, Sab., S. 305, und Mon. 10, S. 22. 35 Blaise Pascal, Réflexions sur la géométrie en général, de l'esprit géométrique et de l'art de persuader, in: id., Œuvres complètes, Vorwort von Henri Gouhier, hg. von Louis Lafuma, Paris 1963, vgl. S. 355ff. Karin Westerwelle 174 die Sabundus dem Menschen innerhalb eines kosmologisch-hierarchischen Weltbildes zubilligt, nimmt Montaigne durch die Einschränkung menschlicher Handlungsfreiheit zurück. Der Mensch ist bei Montaigne gegenüber der transzendenten Macht in dem Maße schutz- und gnadenbedürftiger, als ihm Gnade und hoher Stand nicht schon eigenständig aufgrund seiner hierarchisch-privilegierten Stellung im Kosmos zufallen. Fantasie ist aber nicht nur eine negative Bezeichnungsweise für die sich autonom setzende Vernunft („raison“). Montaigne erfaßt mit ihr auch ein bildaufnehmendes und -produzierendes Vermögen. Die fantasie ist eine innere Instanz menschlichen Konzipierens, wo ein Bild („image“) nicht mehr als Abbild objektiver äußerer Erscheinungsform aufgenommen wird, sondern bereits in innerer Umwandlung erscheint. Menschliches Konzipieren und Erfinden von Sprache finden in ihrem Horizont statt. Die fantasie-Kategorie definiert ein spezifisch menschliches Schaffensvermögen, dessen beschränkte Wahrheitsrelation (die Dinge so zu begreifen, wie sie tatsächlich sind) bereits im Begriff zutage tritt. Zweitens: Mit dem Imaginationsvokabular legt Montaigne den von Sabundus in Anspruch genommenen rationalen Anselmianischen Gottesbeweis neu aus. 36 Traditionell liegt der Ansatzpunkt für die Kritik am sog. ontologischen Gottesbeweis im Übertritt vom Denken ins Sein, d.h. in einer A-priori-Struktur des Denkens, die vom Denken Gottes auf das Sein Gottes schließt. Wenn anders als Sabundus, der das Denken Gottes mit Anselm ins cogitare und intelligere legt, Montaigne im „imaginer“ die geistig-erkennende Relation des Menschen zu Gott ansiedelt, wird die Kluft vom „Denken“ Gottes ins Sein Gottes nicht schließbar. Rationalität als Modus menschlichen Erkennens des christlichen Gottes ist außer Kraft gesetzt. Dem Menschen wird Gott ein verborgener Gott („l'estre de Dieu qui nous est caché“, Mon. 9, S. 41), der der leiblich-irdischen Bedingtheit des Menschen, seinem „imaginer“, unendlich fern steht. Die Darstellung menschlichen Begreifens als „imaginer“ geht im französischen Text mit einer auf vielen Ebenen stattfindenden Aushebelung des ordo naturalis einher, von dem Sabundus ausgeht. Jene Art von ascensus in der Ordnung der Welt, der in einem weiteren Sprung auch das göttliche Wesen denkt (aliquid quo nihil maius cogitare potest, wie es die Formel Anselms erfaßt), geht bei Montaigne grundsätzlich verloren. Drittens: Different zu Sabundus stellt Montaigne auch die zweite große Deutungsdimension des Menschen in der Welt, das Verstehen der göttlichen 36 Anselm von Canterbury (1036/ 7-1109) hat im Proslogion (1077/ 8) den seit Kant sogenannten „ontologischen Gottesbeweis“ aufgestellt. Der Anselmianische Gottesbeweis besagt, daß Gott sich im Denken als etwas bestimmt, „umfassender als das nichts gedacht werden kann“. So lautet die Formel, die auch als „etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann“, übertragen wird, in der Übersetzung von Gangolf Schrimpf, Anselm von Canterbury. Proslogion II-IV. Gottesbeweis oder Widerlegung des Toren? Unter Beifügung der Texte mit neuer Übersetzung, Frankfurt am Main 1994, S. 67. Vgl. die Textpassagen bei Sab., S. 82-86, resp. Mon. 9, S. 103-111. Montaigne, Übersetzer der Theologia naturalis von Raimundus Sabundus 175 Schrift, in den Horizont der Imagination. Das göttliche Wort ist nicht menschlichen Ursprungs, d.h. keine menschliche imagination und fantasie kann es erfunden haben. Und umgekehrt gilt: In den Vermögen fantasie und imagination ist das göttliche Wort nicht zu verstehen. Das Konzept der Imagination, das Montaigne bedeutungsgleich und -verwandt mit „invention“ gebraucht, trennt menschliches Erfinden und Schaffen von der neuplatonischen Kategorie der „inspiration“. Das Verstehen göttlicher Sprache vollzieht sich nicht in einem rationalen Modus. Das göttliche Wort ist, wie Montaigne konstruiert, lediglich in seiner Erhabenheit erfahrbar. 37 Alle Textstellen, an denen Montaigne das Vokabular von imagination und fantasie einsetzt, erzeugen einen derart grundsätzlichen Umbau der lateinischen Schrift, daß von einer Eins-zu-eins-Übertragung oder der Rettung des Geistes vor dem Buchstaben - wie sie Coppin vertritt 38 - keine Rede sein kann. In Montaignes Übersetzung tritt ein avanciertes Subjektivitätskonzept zutage, das im „fantasie“-Konzept die Komponenten des Imaginären und des Unbewußten einkalkuliert. Im anthropologisch differenten Bild zeigt sich der Abstand zu Sabundus und seiner Vorstellung von der Souveränität des Menschen, der im Transzendenten Geborgenheit findet. Während in der Apologie die semantischen Differenzen zwischen Montaigne und Sabundus argumentativ hervortreten, benennt der Widmungsbrief den Abstand zwischen dem Original und seiner französischen Übersetzung lediglich auf einer formal-stilistischen Ebene. Montaigne unterstreicht die stilistisch rhetorische Neugestaltung als Bedingung der Rezeption, er weist an keiner Stelle explizit jene semantischen Neuerungen aus, die er vorgenommen hat. Während andere zeitgenössische Vorreden, wie z.B. das Widmungsvorwort A la noblesse de Gascougne des Florimond de Raemond für die Commentaires des Feldherrn Blaise de Monluc, jede stilistische Überformung im Sinne der Nacktheit der Wahrheit zurückweisen: „c’est la simple verité qui vous y est nuement representée“ 39 , stellt Montaigne die theologische Schrift in die Sphäre der Konversation und unter den Zwang, eine Stilebene der „bonne compaignie“ einzuhalten. Montaigne gibt nicht vor, am Nullpunkt der Repräsentation auf der Ebene der nackten Wahrheit zu operieren. Doch gerade in der Vermittlungsleistung des Stils, in der Überformung durch das Imaginationsvokabular, entfernt er sich von Sabundus und seinen „hautes conceptions“. 37 Vgl. u.a. Sab., S. 315, und Mon. 10, S. 33-34. 38 J. Coppin, Montaigne. Traducteur de Raymond Sebond, S. 80. 39 Florimond de Raemond, „A la noblesse de Gascougne“, in: Blaise de Monluc, Commentaires, hg. von P. Courteault, Paris 1964, S. 5. Alexandre Vanautgaerden Érasme, Alde Manuce et l’édition d’Euripide de 1507 Érasme n’était pas un enfant prodige. Quand Pic de la Mirandole meurt à 31 ans, il n’avait encore rien publié d’important et commençait à peine à maîtriser le grec. A 40 ans, il écrit à Alde d’une façon très humble qui surprend quand on connaît les rapports de l’humaniste avec ses imprimeurs. La raison en est simple: Érasme n’est pas encore Érasme. Les rapports entre Érasme et l’Italie ont souvent été traités. Une bibliographie abondante existe sur le sujet malgré le peu de documents contemporains qui nous ont été conservés pour la période allant de septembre 1506 à juillet 1509 1 . Dans le corpus épistolaire de l’humaniste riche de trois mille lettres, on est frappé par la minceur du “dossier italien“ car seules dixsept lettres ont été conservées 2 . C’est peu. Anormal. A tel point qu’Augustin Renaudet a pu avancer l’idée qu’Érasme avait peut-être “lui-même détruit une correspondance trop explicite“ 3 . Érasme a peu publié en Italie: deux livres seulement, une édition d’Euripide en décembre 1507 et sa fameuse révision des Adages en septembre 1508. Jusqu’à présent, les historiens ont essentiellement décrit son séjour italien à partir de documents rédigés quinze ou vingt ans plus tard dans un contexte polémique (sac de Rome, querelle du cicéronianisme, 1 On se contentera de citer les ouvrages suivants qui contiennent une large bibliographie: A. Renaudet, Érasme et l'Italie, Génève, 1954; S. Seidel Menchi, Erasmo in Italia 1520- 1580, Turin, 1987 (trad. française Érasme hérétique: Réforme et Inquisition dans l’Italie du XVI e siècle, Paris, Éditions du Seuil/ Gallimard, 1996); J. IJsewijn, Erasmus in Rome: A Clash of Humanist Cultures, Miscellanea Moreana. Essays for Germain Marc'hadour. Mélanges Marc'hadour, C. M. Murphy, H. Gibaud & M. A. di Cesare (éd.), Binghamton, New York, Moreana & Medieval & Renaissance Studies, 1989, XXVI, pp. 17-20; L. d'Ascia, Erasmo e l'Umanesimo romano, Firenze, 1991; les actes du colloque Erasmo, Venezia e la Cultura Padana Nel '500 - Atti del XIX Convegno Internazionale di Studi Sorici, Rovigo, Palazzo Roncale, 8-9 maggio 1993, A. Olivieri (éd.), 1995; I. Bejczy, “Erasmus versus Italy”, Medievalia et Humanistica, 1997, 24, pp. 123-145.. 2 Ce sont les lettres 200 à 216 de la correspondance d’Érasme. Les références des lettres renvoient, sauf indication contraire, à l’édition établie par P. S. Allen aidé de son épouse et de son collègue H. W. Garrod. Cf. Opus Epistolarum Desiderii Erasmi Roterodami denuo recognitum et auctum, Oxford, 1906-1947, 11 vol. (+ 1 vol. d’index en 1965); ouvrage cité désormais Allen. La traduction française suit, à quelques modifications près, l’édition de La Correspondance d’Érasme. Traduite et annotée d’après le texte latin de l’Opus epistolarum de P. S. Allen, H. M. Allen, et H. W. Garrod, A. Gerlo (éd.), 12 vol., Bruxelles, Institut pour l’Étude de la Renaissance et de l’Humanisme, 1967-1984: ouvrage cité désormais Gerlo. 3 Renaudet, cit., p. 100. Alexandre Vanautgaerden 178 controverse luthérienne). J’ai essayé, pour ma part, de n’utiliser que les témoignages contemporains des contacts entre les deux humanistes (octobre - décembre 1507) afin de “dépassionner“ le débat et de donner aux livres le rôle principal. L’analyse que je vais développer sur les lettres entre les deux humanistes est le prélude à l’étude stylistique des éditions. A partir du point de vue de l’historien d’art, j’étudie leur mise en page afin de montrer quelles sont les “leçons typographiques“ qu’Érasme a reçues en Italie et comment il se servira de cet enseignement pour révolutionner la mise en forme de ses textes. Érasme possédait non seulement une supériorité intellectuelle mais également technique sur la plupart de ses concurrents lettrés ou opposants religieux. Il a pu s’imposer comme Prince des humanistes grâce à sa maîtrise des processus d’impression et de composition des livres imprimés. Je remercie la Fondation Marie-José (Bruxelles) pour la bourse de recherche qu’elle m’a octroyée en 2004 et qui m’a permis d’étudier en Italie un grand nombre d’éditions aldines afin de mieux comprendre les pratiques existant dans l’atelier vénitien avant qu’Érasme ne vienne y travailler, de la fin décembre 1507 (ou du début janvier 1508) à septembre ou octobre 1508 4 . Pour bien mesurer la stature intellectuelle de l’humaniste batave qui écrit en octobre 1507 à Alde Manuce, je crois qu’il est utile de passer brièvement en revue les travaux qu’il a menés depuis son départ du monastère en 1492. Après avoir été secrétaire de l’évêque Henri de Bergues, il entame un an plus tard sa vie d’étudiant errant qui le mène d’abord en France puis en Angleterre. Là, grâce à la fréquentation des Oxford Reformers, il est initié aux textes de l’Italie humaniste, néo-platonicienne, de la fin du XV e siècle. Il y découvre également les livres d’Alde, de la plus belle manière, dans l’exemplaire d’Aristote sur vélin appartenant à son ami Thomas Linacre 5 4 La bibliographie concernant Alde Manuce, tout comme celle d’Érasme, est immense et il n’est pas courant de trouver un article important sur Alde qui ne cite pas Érasme. Je me limite donc aux publications principales qui contiennent de larges bibliographies: D. J. Geanakoplos, Erasmus and the Aldine Academy of Venice. A neglected chapter in the Transmission of Graeco-Byzantine Learning to the West”, in The Transmission of Graeco- Byzantine Learning to the West, Greek, Roman and Byzantine studies, 1960, 3, pp. 107-134; D. J. Geanakoplos, Greek scholars in Venice: studies in the dissemination of Greek learning from Byzantium to Western Europe, Cambridge, 1962; M. Dazzi, Aldo Manuzio e il dialogo veneziano, Vicence, 1969 M. Lowry, Le monde d’Alde Manuce. Imprimeurs, hommes d’affaires et intellectuels dans la Venise de la Renaissance, Paris, 1989 (1979: version anglaise); H. G. Fletcher III, New Aldine studies: documentary essays on the life and work of Aldus Manutius, San Francisco, 1988; cat. Aldo Manuzio tipografo 1494-1515, Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana 17 giuno-30 Iuglio 1994, A cura di L. Bigliazzi, A. Dillon Bussi, G. Savino, P. Scapecchi, Florence; M. Zorzi (éd.), Aldo Manuzio e l’ambiente veneziano 1494-1515 & La Raccolta Aldina della Biblioteca Marciana, Venezia, 1994, pp. 13-50; C. Dionisotti, Aldo Manuzio: umanista e editore, Milano, 1995. 5 Cet exemplaire est encore conservé à Oxford. Cf. P. S. Allen, “Linacre et Latimer in Italy”, English Historical Review, 1903, XVIII, pp. 514-517 et R. J. Mitchell, “Thomas Linacre in Italy”, English Historical Review, 1935, L, pp. 696-698 (doctorat). L’édition d’Aristote parut en 5 volumes de 1495 à 1499. Érasme, Alde Manuce et l’édition d’Euripide de 1507 179 récemment rentré d’Italie 6 . Avant la rencontre avec Alde, la “bibliographie Érasmienne“ compte à peine dix items, d’importance relative: tantôt, comme c’est le cas pour sa première “œuvre“ publiée en 1495, il s’agit simplement d’une lettre 7 , tantôt de poèmes accompagnant l’édition d’un ami. Le premier livre de l’humaniste, un recueil poétique 8 , ne contient que douze feuillets recouverts par l’encre de quatre poèmes. Érasme a 27 ans 9 . Au printemps 1496, malade, il rentre aux Pays-Bas. C’est pendant ce séjour qu’il se charge de publier les poèmes de son ami Guillaume Herman 10 . Dès septembre, il revient à Paris pour les éditer. Érasme nous offre à ce moment la figure d’un moine qui tente de s’imposer sur la scène humaniste parisienne auprès du Général des Trinitaires, Robert Gaguin, et d’un poète Italien, Fausto Andrelini, dont l’œuvre lui était connue depuis ses années conventuelles. Ces premières publications sont des œuvres à la fois poétiques et de circonstance. À partir de 1500, Érasme se lance dans un projet beaucoup plus ambitieux, celui de rédiger un recueil de proverbes en latin. Il publie alors une première esquisse des Adages 11 qui connaîtra une grande fortune intellectuelle au XVI e siècle. L’année 1501 marque ses débuts comme éditeur 6 Il est probable qu’Érasme ait pu voir des éditions aldines à Paris, à partir de 1495. Je n’ai pas trouvé trace dans sa correspondance d’une telle mention ce qui ne veut pas dire que cette “rencontre“ n’a pas eut en lieu. J. H. Waszink, responsable de l’édition des traductions d’Euripide dans les Opera omnia Desiderii Erasmi Roterodami recognita et adnotatione critica instructa notisque illustrata, Amsterdam, édition désignée désormais ASD, pense que la traduction d’Hecuba a été réalisée avant la fin 1504 à partir de l’édition établie par Musurus de février 1503, cf. ASD I-1, p. 195, n. 1. 7 Il s’agit de la lettre 45 (cf. Allen I 45), publiée dans l’ouvrage de Robert Gaguin, De origine et gestis Francorum compendium, Parisiis, Antonius Le Dru, 1495, 2°, f. 136. Non datée, elle a dû être écrite en octobre 1495. 8 De casa natalitia Iesu et paupere puerperio diue virginis marie Carmen, Parisiis, Antonius Denidel, 1496, 4°. 9 La date de naissance de l’humaniste a provoqué de nombreux débats qui ne peuvent se résumer ici des horoscopes, fixe cette date à 1467, cf. E. Poulle, “Discours de la Société de l'Histoire de France”, Annuaire-Bulletin de la Société de l'Histoire de France, 1988, Paris, 1999, pp. 3-14. Voir également H. Vredeveld, “The Ages of Erasmus and the Year of His Birth”, Renaissance Quarterly, 1993, XLVI, n°4, pp. 754-809. Les dates généralement admises pour la naissance d’Érasme oscillent entre 1466 et 1469. Nous choisissons ici la date de 1467. 10 Guielelmi Hermani Goudensis Theologi ac Poetæ clarissimi Sylva Odarum. Hendecassyllabum herasmi ad studiosos. / / Huc siquem pia si pudica musa / / Delectat: nihil hic vel inquinatum / / Vel quod melle nocens tegat venenum / / Christum tota sonat Chelis Guielmi, Parisiis, G. Marchand, 1497, 8°. 11 Il existe deux émissions, l’une au nom de l’imprimeur Jean Philippi, la seconde au nom du libraire Jean Petit. Desyderii Herasmi Roterdami veterum maximeque insignium paroemiarum id est adagiorum collectanea: opus qum (sic) nouum tum ad omne uel scripture uel sermonis genus uenustandum insigniendumque mirum in modum conducibile. Id quod ita demum intelligetis adolescentes optimi: si huiusmodi deliciis et litteras vestras et orationem quotidianam assuescetis aspergere. Sapite ergo et hunc tam rarum thesaurum tantillo nummulo venalem vobis redimite: multo prestantiora propediem accepturi: si hec boni consulueritis. Valete., Parisiis, Ioannes Philippi, 1500, 4°. Alexandre Vanautgaerden 180 de textes antiques avec la parution du De officiis de Cicéron 12 , en complément duquel on trouve le De amicitia, le De Senectute et les Paradoxa. Tous ces ouvrages sont publiés à Paris chez des imprimeurs d’importance moyenne comme Antoine Le Dru, Antoine Denidel, Guy Marchand, Jean Philippi ou chez le libraire Jean Petit. Après le grand écrivain romain, il aborde en 1503 des travaux beaucoup plus complexes: la traduction de textes grecs de Lucien, l’un de ses auteurs préférés. Ces premiers essais ne seront pas publiés 13 . La peste le chassant de Paris, Érasme réside aux Pays-Bas de 1503 à 1505. C’est à Anvers qu’il collabore pour la première fois avec Thierry Martens, l’introducteur de l’imprimerie aux Pays-Bas du Sud, à qui il donne la première version d’un traité de spiritualité chrétienne imprégné de philosophie néo-platonicienne, l’Enchiridion militis christiani. C’est dans cet ouvrage que se perçoit de la façon la plus nette l’influence de l’humanisme florentin transmis par ses amis anglais. En 1504, c’est encore à Anvers qu’est publié un discours de circonstance célébrant le retour d’Espagne du prince Philippe, prononcé par l’humaniste de sa voix fluette devant la cour de Bourgogne. En 1505, il jette les bases de son travail futur sur le Nouveau Testament, en éditant un manuscrit de Lorenzo Valla découvert dans l’Abbaye du Parc à Heverlee, près de Louvain. L’Italie que connaît, de loin, Érasme est tout à la fois philosophique, philologique et biblique. 12 Officia Ciceronis solertissima cura Herasmi Roterdami ex multis exemplaribus exactissime castigata, appositis ad singula capita argumentis commodissimis crebrisque in marginibus annotamentis: ceu compendiario commento sic illustrata: ut et pro enchiridio manibus commode gestari possint: & citra uerbosa glossemata intellegi, Parisiis, Ioannes Philippi, 1501, 8°. 13 Le Libellus de longaevis parut, sous le couvert du nom d’un usurpateur (selon Érasme), Gervais Aumen de Dreux, dans ses Lucubratiunculae à Paris chez Bade en 1513 ou 1514. La lettre dédicace de Gervais Aumen donne une autre version de l’affaire. Cf. l’édition des traductions de Lucien par Érasme dans l’édition critique moderne des œuvres complètes d’Érasme, ASD I-1, pp. 372-373 pour le passage de l’introduction de Christopher Robinson concernant ce problème. On trouvera page 373 la lettre dédicace de Gervais Aumen à Guillaume Mountjoy. Ce dernier nous y raconte qu’il a trouvé dans les papiers de Mountjoy une traduction manuscrite de Lucien que l’on disait attribuée à Érasme (ce dont il n’est pas certain). Érasme, à l’inverse, relate dans sa fameuse lettre à Botzheim de 1523, où il dresse la catalogue de ses œuvres, qu’il avait dicté le texte à Aumen. Robinson, dans son introduction à ASD (p. 373), pense que ce texte a dû être écrit en 1503, quand Érasme résidait en Angleterre, et offert en cadeau à Mountjoy, puis retrouvé plus tard par Aumen et édité. Le style de la traduction lui paraît être antérieur à la connaissance du grec qu’Érasme possédait en 1506; il fait de cette traduction un premier essai, ce qui explique qu’Érasme ne se soit jamais soucié de retrouver ce texte et de le publier. Dans la lettre à Botzheim, Érasme ne semble pas avoir vu l’édition imprimée des Lucubratiunculæ. Sur le même sujet, pour un avis contraire, cf. les travaux de C. R. Thompson, “Erasmus’ Translation of Lucian’s ‘Longaevi’”, Classical Philology, 1940, pp. 397-415 (avec le texte de la traduction pp. 410- 415) et The Translations of Lucian by Erasmus and St. Thomas More, Ithaca, New York, Cornell University, 1940, 52 p. Érasme avait également traduit le Tragœdopodagra, cf. Allen I p. 6, l. 36. Érasme, Alde Manuce et l’édition d’Euripide de 1507 181 L’année de son départ pour l’Italie en 1506, il poursuit en Angleterre la traduction de nouveaux dialogues de Lucien puis se rend à Paris pour livrer à Bade le texte d’Euripide ainsi que celui de Lucien. Avant de quitter la France, il procède encore à une révision de son volume d’adages 14 . C’est dans ce recueil que l’on voit apparaître le nom d’Érasme en latin fixé d’une manière définitive suivant la formule Erasmus Desiderius Roterodamus, dénomination qui avait varié constamment dans les premiers ouvrages. Érasme a désormais un nom et commence à bâtir sa réputation européenne. Il s’est fait connaître à Paris comme poète humaniste, s’est introduit comme courtisan à la cour de Bourgogne et a trouvé en Angleterre non seulement sa vocation religieuse mais aussi des mécènes. Il a surtout défini sa méthode de travail grâce à la découverte du manuscrit de Lorenzo Valla qui lui offre un modèle à suivre de critique philologique. Il connaît désormais suffisamment de grec pour écrire et traduire ce qu’il veut (Euripide, Lucien) et a fait ses premières armes comme éditeur de textes antiques (Cicéron). Il tient aussi le filon d’un bon sujet (les Adages) qu’il sent promis à un bel avenir, même si les premières éditions in-4° paraissent bien chétives par rapport à l’in-folio que publiera Alde. Si Érasme demeure un humaniste peu connu, il est prêt à partir pour Italie: non pour s’y former, mais pour s’y accomplir. Comment réagit Alde quand il reçoit la lettre d’Érasme écrite de Bologne le 28 octobre 1507 ? Rappelons brièvement qu’on ignore à peu près tout des trente premières années de l’éditeur, né vers 1450 dans le Latium, et donc l’aîné d’Érasme d’une quinzaine d’années. Lorsqu’il se fixe à Venise, en 1489 ou 1490, c’est déjà un humaniste reconnu. Une première période éditoriale (1495-1500) voit prédominer les études helléniques. Les années 1501-1503, à l’encontre du climat morose de l’imprimerie vénitienne, comptent parmi les moments les plus intenses de sa production où s’imposent en nombre les publications latines. Quelques livres sont encore imprimés en 1504 et 1505, mais à partir de décembre, les presses d’Alde sont muettes. En 1506, il met au monde un livre de chair: son premier enfant 15 . En 1507, rien. Alde semble attendre Érasme. Les lettres entre les deux humanistes ont été retrouvées par Pierre de Nolhac dans un recueil d’autographes du fonds de la reine Christine au Vatican (Reg. Vat. 2023) et publiées en 1888 16 . Dans la première, Alde en personne a écrit au verso l’inscription “Erasmus Roterodamus. Ex Bononia v Kal. Nouembr. 1507“ 17 . Le début est consacré à une louange de l’imprimeur, dont 14 Édition qu’il augmente des proverbes DCCCXIX à DCCCXXXVIII. 15 Fruit de son union avec Marie Torresano d’Asola, qu’il avait épousée en 1499. 16 P. de Nolhac, Érasme en Italie. Étude sur un épisode de la Renaissance suivie de douze lettres inédites d’Érasme. Nouvelle édition avec additions et fac-similé de l’écriture d’Érasme, Paris, C. Klincksieck, 1898. Première édition en 1888. 17 Allen 207 I pp. 437-439 Gerlo 413-415. Alexandre Vanautgaerden 182 le travail est comparé aux labeurs d’Hercule (le thème fournira la matière d’un de ses plus beaux adages: Herculei labores). Érasme rapporte ensuite une rumeur: Audio Platonem Græcanicis abs te formulis excudi, quem docti plærique iam vehementer expectant (l.13-15). Curieusement, Érasme ne semble pas savoir que depuis près de deux ans rien n’est sorti des presses d’Alde! Le Platon ne paraîtra qu’en septembre 1513. Il poursuit par un souhait: Atque utinam Paulum Æginitam nobis dones (l. 16). Alde n’aura pas le temps de s’exécuter. L’édition du médecin, en grec, ne verra le jour qu’en août 1528, treize ans après son décès. La phrase suivante est importante car Érasme s’y étonne qu’Alde n’ait pas encore édité le Nouveau Testament: Demiror quid obstiterit quo minus Novum Testamentum iampridem evulgaris (l. 16-18). Érasme savait qu’Alde caressait ce projet dès 1499, comme en témoigne la lettre de son ami anglais Grocyn dans l’édition aldine des Astronomi Veteres d’octobre 1499 (f° T v°). Faut-il y voir une première tentative d’approche d’Érasme pour sa propre édition qui verra le jour chez Jean Froben à Bâle en 1516? Il est certain que depuis sa découverte des Annotations au Nouveau Testament de Valla en 1505, l’idée le taraude. En 1514, en Angleterre, avant de se tourner vers Bâle et Froben, il songe à Alde pour l’édition de son ouvrage. Non moins intéressant est le deuxième membre de la phrase où Érasme déclare que l’ouvrage plaira fort aux gens de son ordre: opus (ni me fallit coniectura) etiam vulgo placiturum, maxime nostro, id est Theologorum, ordini (l. 18-19). Lui qui avait annoncé à son prieur Servais Roger (Allen 200 I) qu’on avait presque dû le forcer à obtenir son bonnet, se présente d’emblée comme théologien. Ce diplôme devait revêtir une importance très grande aux yeux d’Érasme qui le conserva précieusement jusqu’à la fin de sa vie. Ajoutons que, dès son grade obtenu, l’humaniste fait parvenir à Paris chez Josse Bade son poème (le Chant alpestre) 18 écrit lors de sa traversée des Alpes. Ce poème, en réalité un De senectute, est dédicacé au grand médecin anglais Guillaume Cop et signale pour la première fois le titre de théologien d’Érasme. On peut lire en effet, au folio Ii iiii r°, l’adresse suivante: AD GVGLIELMUM COPVM Medicorum eruditissimum ERASMI ROTERODAMI. / / Sacra Theologiæ professoris de Senectute subrepente: deque reliquo vitæ christo: qui totum / / debebatur: dicando Carmen. S’étant présenté par son titre de docteur, Érasme: mitto […] duas Tragœdias a me versas magna quidem audacia (l. 20). Ces deux tragédies jointes à sa lettre sont les deux pièces d’Euripide (l’Iphigénie à Aulis et Hécube), traduites par l’humaniste en Angleterre et remises à Josse Bade lors de son arrivée à Paris. Après l’audace (magna audacia), Érasme ménage ses arrières et énumère une série d’amis anglais qui le recommandent: Thomas Linacre, Guillaume Grocyn, Guillaume Latimer, Cuthbert Tunstall. Linacre (1460-1524) avait étudié en Italie et collaboré chez Alde à l’édition d’Aristote; Grocyn (environ 18 Cf. ASD I-7, n°2. Érasme, Alde Manuce et l’édition d’Euripide de 1507 183 1446-1519) fut l’un des premiers à enseigner le grec à Oxford ; Latimer (environ 1460-1545) était l’un des plus fameux savants anglais. Il avait étudié à Padoue et était entré en contact avec Alde peut-être dès 1498 ; quant à Tunstall (1474-1559), il avait également étudié à Padoue à la fin du XV e siècle. Ces recommandations étaient solides, tous ces personnages occupaient des fonctions importantes et étaient connus d’Alde pour leur érudition. Puis, sans donner de nom, il mentionne des Italiens à qui il a déjà montré les deux tragédies. Suit une référence à Bade, qui se réjouit d’avoir déjà vendu tous les exemplaires de son édition: Badius impressit sibi sat fœliciter, ut scribit ; nam ex animi sententia divendidit exemplaria iam omnia (l. 26-28). Ce volume porte au colophon Ex officina Ascensiana ad Idus Septembr. MDVI (13 septembre 1506). Érasme a quitté Paris le 10 août, par conséquent, sans exemplaires. Bade aurait donc vendu toute son édition entre le 13 septembre 1506 et le 27 octobre 1507 ce qui n’est pas impossible. Bade lui a en tout cas, envoyé un exemplaire, car il ne cache pas son mécontentement à propos des fautes contenues dans l’édition parisienne: Verum non satis consultum est famæ meæ, usque adeo mendis scatent omnia, atque offert quidem ille operam suam ut superiorem editionem posteriore resarciat (l. 28-30). Il faut donc imaginer que Bade lui expédie de Paris plusieurs exemplaires, qu’Érasme lui répond pour marquer son désappointement et que Bade lui renvoie un second courrier lui promettant une nouvelle édition. Trois voyages donc, au moins, pour véhiculer lettres et livres entre l’éditeur à Paris et Érasme en Italie, plus un quatrième si Érasme a envoyé séparément le poème à paraître dans l’édition de Lucien. (a) Érasme envoie le Carmen 1506 lettre perdue (b) Bade envoie les livres 1506 lettre perdue (c) Érasme se plaint des fautes 1506-1507 lettre perdue (d) Bade propose une réédition 1507 lettre perdue Après avoir déprécié le travail de Bade, Érasme en vient au vif du sujet: Existimarim lucubrationes meas immortalitate donatas, si tuis excusæ formulis in lucem exierint, maxime minutioribus illis omnium nitidissimis (l. 31-33). L’objectif de l’humaniste est donc d’être publié dans la “petite collection“ aldine, aux côtés de Virgile, d’Horace et de Cicéron, dans le format inoctavo, magnifié par ce caractère d’avant-garde qu’est l’italique utilisé pour la première fois par Alde en 1501. Toute sa vie Érasme accordera une très grande importance à la beauté des caractères et au choix du papier de ses éditions. Parmi de nombreux exemples, voici la préface du Chrysostome de 1534: “Et je ne ferai pas remarquer non plus combien ces volumes ont gagné en majesté du fait du grand format des pages ainsi que de l’élégance et de la qualité des caractères. S’il est vrai que ces éléments impliquent des dépenses à peine croyables, ils n’en ménagent pas moins un grand agrément à un docteur Alexandre Vanautgaerden 184 aussi insigne et attirent en outre le lecteur blasé par une forme de séduction. Ce sont là des aspects extérieurs, mais, qu’il faille en fin de compte les considérer comme dénués d’importance, je le concéderai si des habits crasseux, un visage non lavé, des cheveux non peignés ne ternissent en rien l’éclat d’un physique agréable, et si le soin et une élégance de bon aloi ne le recommandent aucunement.“ 19 On mesure bien dans cette citation que la mise en page est considérée comme une des formes de la courtoisie et de la civilité à laquelle l’humaniste consacra un célèbre traité en 1530 20 . Familier déjà du monde de l’imprimerie, Érasme sait que les préoccupations financières ne sont pas un vain mot ; aussi termine-t-il sa tentative d’approche par une réflexion d’ordre pragmatique: grâce à ce caractère italique, le volume sera des plus minces et la chose réalisée à peu de frais (l. 33-34). Suit un passage très significatif sur le statut d’Érasme en 1506. Nous avons vu qu’il écrit à Alde très respectueusement ; le ton qu’il emploie n’a rien à voir avec celui des lettres à Josse Bade, à Thierry Martens ou, plus tard, à Jean Froben. En plus de la façon d’écrire, les recommandations qu’il se croit obligé d’avancer montrent bien que sa réputation n’a pas franchi les Alpes. En Italie, même après un séjour de treize mois, Érasme est toujours un inconnu. Comme pour ses portraitistes (Metsys, Dürer, Holbein), l’humaniste a l’œil et se trompe rarement dans le choix des personnes chargées de lui apporter “l’immortalité“. Une fois la célébrité acquise grâce au volume des Adages paru chez Alde en 1508 puis à l’Éloge de la Folie en 1511, Érasme n’aura plus jamais aucun souci pour se faire éditer. Mais jusque-là, il est contraint d’acheter une partie du tirage. C’est le cas en 1500 pour la première édition des Adages. Ainsi, envoie-t-il à ses frais une centaine d’exemplaires en Angleterre, ce qu’il regrette assez vite, car dès novembre (l’ouvrage est paru le 15 juin) il réalise que les livres: “se vendent mieux et plus cher“ à Paris (Allen I 135 l. 65-66). Pour les écouler, Érasme organise des séances de présentation de son livre et demande à Fausto Andrelini d’en faire la publicité (Allen I 134). S’il ne semble pas être intervenu financièrement dans les éditions de Lucien et d’Euripide de 1506 chez Bade, il propose spontanément à Alde de 19 Ep. 2359 à Christophe Stadion, de Fribourg le 5 août 1530, Gerlo ll. 32-43. Froben avait déjà donné une édition latine de Chrysostome, en 1517, mais en petits caractères; Beatus s’en était plaint à Érasme: “On éditera aussi Chrysostome mais en petits caractères, comme ceux dont on s’est servi pour les Commentaires de Jérôme. Quelle indignité! “ (Ep. 575, de Bâle le 24 avril 1517). 20 Érasme, La civilité puérile d'Érasme: petit manuel de savoir-vivre à l'usage des enfants, Traduction nouvelle, intégrale et annotée par Franz Bierlaire, accompagnée du texte latin original en regard de De civilitate morum puerilium libellus, précédé d'une introduction, Bruxelles, 1999. Sur ce thème de la courtoisie typographique, cf. F. Baudin, À la lettre. Digressions à propos d’écriture & de typographie, Bruxelles, coll. Colloquia in museo Erasmi, vol. V, p. 6 et, du même auteur, L'effet Gutenberg, Paris, 1994. Érasme, Alde Manuce et l’édition d’Euripide de 1507 185 payer une partie du tirage: “Je ne crains pas d’entreprendre la chose à mes frais et à mes risques si je ne devais, dans peu de mois, quitter l’Italie. C’est pourquoi je souhaiterais vivement la régler le plus tôt possible. C’est l’affaire d’à peine dix jours. Si de toutes façons tu me demandes de me charger de cent ou deux cents volumes, encore que le fameux Mercure Maître-des-Gains ne me soit pas des plus favorables, et que transporter ce bagage me soit la chose du monde la plus incommode, cette condition même ne m’arrêtera pas, pourvu que tu fixes un prix raisonnable.“ (Allen I 207, p. 439, l. 38-44 Gerlo pp. 414-415, l. 32-5). Pour terminer, Érasme demande à Alde de lui renvoyer l’exemplaire corrigé s’il n’est pas intéressé par cette édition. L’humaniste n’est pas encore très conquérant… On ne possède malheureusement pas la réponse d’Alde qui a accueilli avec enthousiasme le projet, c’est certain, car Érasme ne doit pas délier sa bourse. L’impression se fait à la charge de l’imprimeur et de ses associés. La seconde lettre conservée n’est ni datée ni signée, mais Alde a écrit, à nouveau, une mention au verso (Ex Bononia, Erasmus, 1507) qui nous permet de penser qu’elle a été rédigée en novembre 1507 à Bologne (Allen I 209). Le ton de la lettre est différent, amical, familier, bien que les deux hommes ne se soient pas encore rencontrés. Érasme retrouve son naturel et débute en évoquant sa santé fragile. Il hésite à se rendre à Venise dont il redoute le climat inconnu: Nunc territat me cœlum quum novum adhuc mihi (l. 4-5), d’autant que le printemps est encore loin et l’automne déjà oublié. Commence une discussion philologique (l. 11-23) dans laquelle Érasme cite trois passages de l’édition aldine d’Euripide en grec 21 , établie par Marc Musurus, dont il s’est écarté (la critique moderne donnera raison à Érasme sur l’interprétation de ces passages): Item aliis aliquot locis quæ menti nunc non occurunt, ausus sum ab exemplari dissentire (l. 14-15). Ne pouvant discuter de ces passages en tête à tête avec Alde (l. 16-17) comme il l’aurait souhaité, l’humaniste lui laisse la liberté d’opérer les choix qu’il trouvera judicieux. Chaque fois qu’il trouvera une erreur évidente, il lui demande de ne pas hésiter à le corriger: nam homo sum (l.18). Érasme offrira cette latitude de corriger son œuvre à très peu de personnes. Quand il travaillera plus tard à Bâle chez Jean Froben, son jugement est simple: à part Beatus Rhenanus, toutes les autres personnes qui fréquentent l’officine ne sont que des ânes ! Vient alors un long passage sur la versification employée dans la traduction latine pour les chœurs antiques (l. 24-40), dans lequel Érasme justifie son travail et s’oppose à ce que l’on identifie les mètres employés car: Parum autem congruere videtur ut volumen tantillum tanta crescat appendice (l. 36-37). Refusant un appendice, il fait le choix d’offrir “un texte nu“: Mihi videbitur elegantius si purum opus emittatur (l. 37-38). 21 Cf. C. R. Thompson, “The Date of the first Aldine Lucian“, Classical Philology, 1940, XXXV, pp. 233-235. Alexandre Vanautgaerden 186 A l’exception notable de son Éloge de la Folie encadré à partir de 1515 par les commentaires de Gérard Listrius 22 , l’humaniste privilégie toujours la séparation du texte et du commentaire. Que ce soit ici pour les auteurs antiques ou plus tard pour ses éditions patristiques, Érasme veille toujours à ce que le texte puisse “respirer“ et se lire d’abord seul, allant jusqu’à rejeter même ses Annotations dans un volume séparé, comme nous pouvons l’observer dans le cas du Nouveau Testament. Certains humanistes étaient encore plus radicaux, refusant de confronter sur la même page un texte grec et sa traduction. L’humaniste alsacien Nicolas Gerbell déconseilla à Érasme de publier son Nouveau Testament de 1516 sur deux colonnes, texte grec à gauche, traduction latine à droite: pour lui, le texte grec devait avoir la primauté car il était seul à détenir la “vérité“ et il fallait publier la version latine, “seconde“, du texte sacré dans un volume séparé. On sait qu’Érasme demeura sourd aux recommandations de Gerbell 23 . Suite à un échange de lettres perdues, Alde suggéra sans doute à Érasme de rédiger néanmoins une adresse au lecteur dans laquelle il exposerait la versification employée dans les deux tragédies 24 . Les éditions ultérieures que l’humaniste a revues chez Froben à Bâle (1518, 1522, 1524 et 1530), ont inséré ces indications métriques dans le texte même. Celles-ci ont été reprises dans l’édition d’Euripide parue dans les Opera omnia en 1540, mis en œuvre par Beatus Rhenanus quatre années après le décès d’Érasme. Cette édition post mortem doit être prise en compte dans l’établissement du texte car elle contient des lectures qui n’apparaissent pas dans les versions éditées du vivant d’Érasme. On peut imaginer qu’au moment de son décès les éditeurs se sont servis des volumes présents dans sa bibliothèque pour les annotations marginales de l’humaniste qu’elles devaient contenir 25 . Après avoir réglé les problèmes d’“intendance philologique“, Érasme insiste pour obtenir le volume le plus tôt possible car il désire posséder pour 22 Cf. mon article traitant de L’Éloge de la Folie, Rhétorique matérielle dans l’œuvre d’Érasme. Mise en page et forme du discours, in D. de Courcelles (éd.), Pratiques de la rhétorique dans la littérature de la fin du Moyen Âge et de la première modernité, Herzog August Bibliothek de Wolfenbuettel, 9-11 octobre 2003, à paraître. 23 Cf. Allen 352 II de Strasbourg le 11 septembre 1515 et notre article Érasme et les anciennes technologies, in La philologie humaniste et ses représentations dans la théorie et dans la fiction, Université de Gand, 6-9 novembre 2002, P. et F. Galand-Hallyn (éd.), Gand, à paraître. 24 On trouvera une édition de cette lettre dans ASD, I-1, pp. 220-221. 25 Sur la bibliothèque d’Érasme, cf. F. Husner, Die Bibliothek des Erasmus, in Gedenkschrift zum 400. Todestage des Erasmus von Rotterdam, Bâle, 1936, pp. 228-259. On mentionnera également les études récentes suivantes: P. Armandi, Erasmo da Rotterdam e i libri. Storia di una biblioteca, in Bibliothecæ selectæ da Cusano a Leopardi, édité par E. Canone, Florence, 1993, pp. 13-72; H. P. Juergens, Johannes a Lasco. Ein Leben in Büchern und Briefen. Eine Ausstellung der Johannes a Lasco Bibliotheek vom 15.10 bis 28.11.1999, Wuppertal, 1999 et A. Vanautgaerden, Item ein schöne Bibliothec mit eim Register: un deuxième inventaire de la bibliothèque d’Érasme (à propos du manuscrit C VIa 71 de la bibliothèque universitaire de Bâle), in Les humanistes et leur bibliothèque, Humanists and their Libraries, Actes du Colloque international, Proceedings of the International Conference, Bruxelles, 26-28 août 1999, Leuven-Paris-Sterling, 2002 pp. 59-112. Érasme, Alde Manuce et l’édition d’Euripide de 1507 187 ses amis d’un: vt hac strena doctos amicos donem Calendis Ianuariis (l. 42-43). De belles étrennes… Il signale qu’il désire se rendre après la Noël à Rome. La rencontre entre Alde et Érasme aurait pu ne jamais avoir lieu si Érasme s’était rendu à Rome comme il le prévoyait (il y séjourna finalement de février à juillet 1509, avant de retourner en Angleterre). Érasme envoie à Alde une préface en laissant à l’imprimeur le choix d’y ajouter son nom: de tua inscriptione egocium omne tuo permitto arbitratui (l. 47- 48). Très subtilement, il ajoute que si Alde trouve avantage à dédier cette lettre à quelqu’un d’autre dont on pourrait de cette façon obtenir les faveurs, qu’il agisse selon son bon vouloir (l. 48-49). Alde écartera cette proposition et n’imprimera pas cette lettre qui a disparu. Pourquoi? Sans doute parce qu’après ce long silence éditorial de près de deux ans, il lui importait de reprendre la parole en personne. Dans cette adresse au lecteur, après avoir loué l’éloquence de la traduction, Alde se réjouit du rayonnement des études classiques. Si Érasme n’intervient pas dans le financement de l’impression, il désire disposer d’étrennes et demande à Alde de lui faire parvenir à Bologne vingt ou trente exemplaires: viginti aut triginta mitti codices estimatos (l. 50-51). Un petit problème se pose pour la signification de “estimatos“. En 1888, Pierre de Nolhac pensait qu’il fallait y voir des “exemplaires soignés“, imprimés par exemple sur grand papier 26 . En 1906, P. S. Allen penchait pour une autre interprétation 27 : il avançait l’idée que, pour éviter la fraude, Érasme demandait à Alde d’indiquer le prix sur les exemplaires. C’est cette leçon qui sera adoptée dans la traduction française et anglaise de la correspondance 28 . En faveur de sa lecture, Allen renvoyait à un passage de l’adage Festina lente, dans lequel Érasme mentionne des manuscrits conservés dans des monastères. Hinc illæ lachrimæ! Latitant in collegiis ac monasteriis Germanorum, Gallorum et Anglorum peruetusti codices, quos exceptis paucis adeo non communicant ultro, ut rogati vel celent, vel pernegent, vel iniquo precio vendant usum, decuplo æstimatorum codicum 29 . Autrement dit: on ne communique ces manuscrits que pour une rétribution très supérieure à leur valeur 30 . Après relecture du contexte de la lettre d’Érasme à Alde, la phrase suivante évoque l’argent qu’il remettra à qui de droit et les livres qui doivent être offerts en cadeaux, il faut peut-être traduire, plus simplement: “envoie-moi les livres 26 Cf. P. de Nolhac, cit., p. 104, n. 1. 27 Cf. Allen I 209, p. 442, l. 51. 28 Cf. Allen I 209 Gerlo p. 217, l. 43 et pour la traduction anglaise Collected Works of Erasmus, Toronto et Buffalo, 1975, 2, p. 137, l. 55. Édition désignée désormais CWE. 29 Je remercie Hans Trapman du Constantin Huyghens Instituut, secrétaire de l’édition des Œuvres complètes d’Érasme, pour m’avoir communiqué le texte latin de l’adage Festina lente dans le volume d’ASD II-3 édité par M. Szymanski, qui n’était pas encore paru au moment de la rédaction de cet article. Pour le passage discuté, cf. l. 416-419. 30 C’est aussi la traduction que donne Jean-Claude Margolin dans la traduction de cet adage. Cf. l’adage Hâte-toi lentement, in Érasme, Éloge de la Folie. Adages. Colloques. Réflexions sur l’art, l’éducation, la religion, la guerre, la philosophie. Correspondance, Éd. C. Blum, A. Godin, J.-C. Margolin et D. Ménager, Paris, 1992, p. 136. Alexandre Vanautgaerden 188 avec une estimation de prix“ 31 . Pierre de Nolhac évoquait des “exemplaires en grand papier ou in carta buona, comme ceux qu’Alde envoyait à ses clients distingués, à la duchesse de Mantoue, par exemple“. On sait qu’Érasme a offert plusieurs de ses œuvres sur vélin et j’ai pu étudier à la Bibliothèque nationale de France une édition d’Euripide de 1507 sur vélin (portant la cote Velins 2069), ce qui démontre bien que des exemplaires de cette édition ont existé. Il me semble donc qu’il faut rejeter l’idée de livres sur lesquels était apposé le prix, car cela ne s’accorde pas avec l’idée des “étrennes“ que voulait offrir Érasme. Le passage signifie qu’une lettre avec le prix accompagnait la livraison, ou bien, que ces exemplaires étaient imprimés sur vélin. Érasme revient alors sur cette préface (non publiée) en répétant à Alde qu’il peut la modifier à sa guise: Si quid est in epistola ad te mea quod mutari cupias, fac tuo iure quod videbitur (l. 55-56). On saisit dans cet échange épistolaire le statut si particulier des lettres-préfaces adressées au lecteur, signées par l’auteur ou par un imprimeur, en réalité des lettres en chantier, qui peuvent être commencées par quelqu’un, terminées par un autre et signées par un troisième. On retrouvera souvent cette problématique dans l’ensemble des lettres-préfaces du corpus des éditions frobéniennes auxquelles Érasme contribue 32 . Le passage suivant montre Érasme sous un jour peu sympathique. Il demande à Alde de ne pas reproduire l’épigramme imprimée à la fin du recueil de Bade (l. 56-61) et raconte qu’il avait fait croire à un jeune Français alors à son service qu’il l’imprimerait. Pour cela, il avait donné le poème à Bade devant Gervais Aumen de Dreux, bien qu’il l’eût averti qu’il le faisait espérer pour se moquer de lui: Demiror autem quid illi postea venerit in mentem ut impresserit, quum hominem admonuerim me puerum hac spe ludere velle (l. 60- 61). C’est le même homme qui, en 1514, publia cette traduction de Lucien qu’Érasme lui aurait dictée. On sait qu’Aumen contestera la version donnée par Érasme et même son rôle dans cette traduction. Dépit? Rancœur? Difficile de trancher. Quoi qu’il en soit, Alde ne publiera pas ce poème. Érasme joint à sa lettre une nouvelle version de la préface à Iphigénie. L’édition de Bade contenait une adresse au lecteur qu’il avait sans doute écrite en toute hâte dans l’officine parisienne avant d’entreprendre le voyage en Italie. Cette lettre ne contient que neuf lignes dans l’édition d’Allen (Allen I 198) et justifie les libertés qu’il a prises dans sa traduction, au nom de la simplicité et de la clarté: pauloque maiorem habuimus rationem candoris et 31 Je remercie Françoise Deraedt pour la petite discussion philologique que nous avons eue et sa proposition de traduction. 32 Cf. J. Hirstein, Beatus Rhenanus et les 'Avis au lecteur' signés 'Jean Froben' sur l'Histoire d'Ammien Marcellin et sur l'Histoire Auguste dans l'édition bâloise de juin 1518, in Annuaire Les Amis de la bibliothèque humaniste de Sélestat, 1989, pp. 27-50. et A. Vanautgaerden, ‘L’œuvre latin’ de Jean Froben, éditeur d’Érasme, in Le latin langue du savoir, langue des savoirs. Actes du colloque qui s’est tenu à l’École Normale Supérieure-Ulm en octobre 2000, E. Bury (éd.), Genève, à paraître. Érasme, Alde Manuce et l’édition d’Euripide de 1507 189 perspicuitatis (l. 4). Il ajoute qu’il a atténué dans sa traduction l’excessive variété des mètres dans les chœurs. La nouvelle préface (Allen I 208), dédicacée à William Warham son mécène anglais le plus important, est plus longue (28 lignes dans l’édition d’Allen), et se révèle être une rédaction plus soignée de l’adresse au lecteur précédente. Pour cette dédicace à Warham, Érasme accorde un grand crédit encore à Alde car il lui laisse la possibilité de la réduire, s’il le désire, en ayant pris soin, toutefois, de souligner les passages à supprimer éventuellement: In epistola, si quid offendet prolixitas, lineis subnotavi quæ commodius possint omitti (l. 63-64). Bien familier avec le procédé technique de l’imprimerie, l’humaniste recommande à Alde de bien veiller à rétablir les fautes que ne manqueront pas d’introduire dans le texte les compositeurs: iis qui formulas concinnant (l. 65-66). Il demande enfin un accusé de réception pour cette lettre qui est véhiculée de Bologne à Venise par un banquier: nam trapezitæ nonnunquam verba dant nobis (l. 68) et prie Alde de lui signaler quand il pense pouvoir terminer l’impression. De ces deux lettres précédant l’impression du volume d’Euripide, je déduis donc qu’au moins cinq lettres ont été échangées entre Alde et Érasme: (a) Érasme écrit de Bologne 28 X 1507 Allen I 207 (b) Alde répond de Venise XI 1507 lettre perdue (c) Érasme écrit de Bologne XI 1507 Allen I 209 (d) Alde répond XI-XII 1507 lettre perdue (e) Érasme envoie la lettre au lecteur sur la métrique XI-XII 1507 lettre perdue (a) Érasme demande à Alde d’éditer son Euripide et joint à son courrier une édition corrigée de Bade. (b) Alde accepte l’impression à ses frais du volume. (c) Érasme y expose les principes de son édition, émet des doutes sur l’interprétation de certains passages, joint une nouvelle dédicace à William Warham (Allen I 208) et une adresse au lecteur en laissant le soin à Alde de transformer celle-ci en une nouvelle dédicace ou de la transformer en une lettre d’Érasme à Alde. (d) Alde a dû répondre aux questions philologiques en donnant raison à Érasme (selon le témoignage de l’édition elle-même) et en lui demandant d’ajouter une lettre au lecteur pour expliquer les mètres employés dans les deux tragédies. (e) Érasme a dû envoyer la lettre publiée dans l’édition aldine au f. [5] v°-[6] r°. Les deux lettres d’Érasme à Alde commencent et se terminent de la même façon. Érasme adresse son salut à son interlocuteur, en le qualifiant de “Romain“ (Aldo Manutio Romano), et le qualifie à la fin de très savant, viro undecunque doctissimo. Le document suivant à porter au dossier est l’édition aldine même qui porte au colophon, au f. [i8] r°: Venetiis in aedibus Aldi mense Alexandre Vanautgaerden 190 decembri. M. D. VII. Voyons maintenant cette édition et comparons-la avec celle réalisée un an plus tôt à Paris chez Bade. Ce qui frappe d’emblée quand on compare les deux éditions parisienne et vénitienne, c’est le format et l’interlignage. Bade choisit un in-folio (284 x 200 mm) 33 tandis qu’Alde, à la demande d’Érasme, imprime un in-8° (156 x 93 mm) 34 . L’in-folio de Josse Bade est le plus beau livre que j’aie vu dans les premières publications érasmiennes; il frappe d’emblée par les grandes respirations blanches. L’interlignage est très généreux et Bade n’imprime que 32 lignes à la page. Deux de plus seulement, dans la dimension du bloc textuel (213 x 100 mm), par rapport aux 30 lignes du pavé textuel de l’édition aldine (118 x 58 mm): deux lignes pour une dimension deux fois supérieure. Par conséquent, le volume lui-même, malgré sa taille, est à peine plus mince que l’in-8°: 68 feuillets pour Bade, 80 pour Alde. On est face à deux livres destinés à des publics différents. Le papier représentait près de la moitié de l’investissement nécessaire à l’impression d’un ouvrage. Josse Bade en offrant autant d’espace blanc sur chaque page avait certainement en vue le public scolaire qui pourrait apposer facilement ses notes, à la fois entre les lignes du texte et dans la marge extérieure (d’une largeur de 73 mm! ). Nous ne possédons pas de témoignage sur le sujet concernant cette édition d’Euripide, mais ce fait est avéré par un autre imprimeur, Ioannes Grapheus qui, dans son édition de 1527 de Lucien, insiste dans son adresse au lecteur sur l’importance, pour les étudiants, de posséder des exemplaires avec des interlignages généreux 35 . L’édition de Lucien de Bade, publiée après celle d’Euripide, appartient à la même “famille“ d’ouvrage à destination des écoles. L’ouvrage d’Alde visait fort probablement moins le public des collèges que le public humaniste de l’Europe savante. Malgré tout le mal qu’Érasme dit de l’édition de Bade, essentiellement quant au contenu, ce livre offrait une toute autre alternative au livre savant produit par Alde. Bade par le choix de son format et de l’interligne généreux a trouvé son public puisqu’il aurait vendu selon Érasme tout son tirage en treize mois. Son in-folio est très élégant et contraste avec la majorité des éditions 33 J’ai étudié l’édition de Bade dans deux exemplaires à Paris, l’un conservé à la Bibliothèque nationale de France (Rés. Yb.57), l’autre à la Bibliothèque Sainte Geneviève (Œ XVe 269). 34 J’ai travaillé sur six exemplaires de l’édition aldine, deux étudiés à Milan à l’Ambrosiana, l’un complet (S. Q.D.V. 8.), l’autre lacunaire (S. Q.D.I.53., l’exemplaire débute au f. [5], on a collé une feuille blanche sur le recto afin de recouvrir la fin de l'argumentum. Le f. 7 du cahier liminaire, entièrement blanc, a été omis. Le nom d'Érasme est bien présent), le troisième à Venise à la Marciana (394.D.271). J’ai étudié trois éditions à Paris, l’une à la Bibliothèque Sainte Geneviève (OE XV 269 RES), les deux autres à la Bibliothèque nationale de France (Yb 1019 et Velins 2069). 35 Le texte de la lettre est reproduit dans l’introduction de Christopher Robinson aux Luciani Dialogi, in ASD I-1, p. 373. Érasme, Alde Manuce et l’édition d’Euripide de 1507 191 parisiennes du début du XVI e siècle. Il a apporté un très grand soin à la composition du volume en veillant à mettre le plus clairement la traduction d’Érasme en valeur. Il ne possède malheureusement pas un aussi grand choix de caractères que son confrère italien et doit se réfugier dans ses casses gothiques pour placer ses lombardes qui vont fragmenter et orchestrer un ouvrage écrit en romain. La différence entre Bade et Alde se situe au niveau de l’équipe de correcteurs plus efficace à Venise que celle qu’on trouvait dans l’atelier parisien. Bade était pourtant très cultivé, bien que ses qualités d’érudit fussent raillées avec beaucoup de méchanceté par les humanistes français 36 . L’édition d’Euripide réalisée à Venise par Alde a été grandement facilitée par l’existence de l’édition précédente. D’abord, les ouvriers vénitiens n’ont pas dû se baser sur un manuscrit d’Érasme, et tous ceux qui ont essayé péniblement de le lire savent combien ce peut être un calvaire. Ils avaient une édition imprimée qui leur a certainement facilité la tâche, tant au niveau de la lecture littérale du texte que pour son calibrage dans leurs formes. On est d’autant plus surpris de trouver dans le cahier liminaire quatre pages blanches. Je ne peux m’empêcher de penser que quelque chose manque à cette édition et qu’un texte joint à une lettre d’Érasme a dû s’égarer. Érasme insiste beaucoup dans ses lettres sur le fait qu’il veut se servir de ce livre d’Euripide comme d’un cadeau de Noël. Ce désir a pu provoquer une certaine précipitation. Érasme est tellement insistant qu’il estime lui-même le temps de travail nécessaire à Alde, dix jours: Est autem vix decem dierum negocium (Allen I 207 l. 40). L’édition vénitienne est composée de dix cahiers, dix feuilles à imprimer recto verso et à plier. Selon le nombre de presses et d’ouvriers disponibles, le temps minimum peut être effectivement proche de dix jours. L’analyse du livre, que je ne peux développer ici, montre que deux équipes travaillent dans l’officine (deux compositeurs différents s’occupent de la mise en page). On ignore combien de presses Alde a remis en marche pour l’impression d’Euripide. On peut penser qu’il en a utilisé simultanément deux ou quatre 37 . Du point de vue de la mise en page, cette édition d’Euripide s’inscrit parfaitement dans la suite de l’histoire des éditions aldines latines antérieures à décembre 1505. Érasme est à Bologne pendant que ce volume 36 Cf. I. Diu, Medium typographicum et respublica literaria: Le rôle de Josse Bade dans le monde de l'édition humaniste, in Histoire et civilisation du livre. Le livre et l'historien. Études offertes en l'honneur du Professeur Henri-Jean Martin, Genève, 1997. 37 L’impression du volume in-octavo de Pline, l’année suivante, utilisait quatre presses. Cf. G. P. Winship, “The Aldine Pliny of 1508”, The Library, 1926 IV Series, vol. VI, n°4, pp. 358-369 et sa réfutation par A. E. Case, “More about the Aldine Pliny of 1508”, The Library, 1936, IV Series, vol. XVI, pp. 173-187 qui pense que les deux (ou quatre) compositeurs travaillaient non pas de façon alternée mais simultanée sur une même presse. Alexandre Vanautgaerden 192 s’imprime et se contente d’émettre ses préférences en ce qui concerne le choix du caractère italique et du format. Alde n’a toujours pas vu Érasme. Dans les documents qui ont été conservés, pas une parole n’a été échangée sur le projet d’édition des Adages. En décembre 1507, Érasme attend à Bologne ses exemplaires (codices estimatos) pour rejoindre Rome. Qui a proposé à l’autre de venir à Venise: Érasme, Alde? Pourquoi Érasme ne s’est-il pas rendu à Rome comme il l’avait projeté? Ces questions resteront sans réponse à moins qu’on ait la chance de découvrir l’une des lettres perdues entre les deux humanistes. A quarante ans, Érasme a obtenu ce qu’il désirait: son bonnet de docteur en théologie et la reconnaissance de ses pairs, donnée par les seuls personnes autorisées à l’octroyer: les Italiens. Pour obtenir un titre plus important, celui de Prince des humanistes, il lui reste une étape à franchir: vaincre les réticences de son petit corps fragile (corpusculum), braver ce “climat inconnu“ (Allen I 209 l. 5) et rejoindre la lagune pour travailler à son premier chef-d’œuvre, au milieu des ouvriers et des correcteurs de l’officine: l’édition aldine des Adages. Érasme, Alde Manuce et l’édition d’Euripide de 1507 193 Appendice Venetiis, Aldus Manutius, mense decembri 1507, 8°. Hecuba, & Iphigenia in Aulide Euripidis tragœdiæ in latinum tralatæ, Erasmo Roterodamo interprete. Eiusdem Ode de laudibus Britanniæ, Regisque Henrici septimi, ac regiorum liberorum eius. Eiusdem Ode de senectutis incommodis. 8, [72] f. ; 8, a-i8. [Colophon: ] f. [i8] r°: Venetiis in aedibus Aldi mense decembri. M. D. VII. Herbert M. Adams, Catalogue of books printed on the continent of Europe, 1501- 1600 in Cambridge librairies, Cambridge, Cambridge University press, 1987, E 1045; cat. Gand, Erasmus. Tentoonstelling van Erasmusdrukken bewaard in de Universiteitsbibliotheek te Gent, ingericht ter gelegenheid van het Erasmusjaar 1969. 4-20 juni, Jérome Machiels (éd.), Gand, Rijksuniversiteit Gent, 1969, n°18; Paul G. Naiditch (ed), A Catalogue of the Ahmanson-Murphy Aldine Collection at UCLA, Los Angeles, University of California, 1989-1994, 5 t. The Publications of Aldus Manutius the Elder (Fascicule I, 1989), n°96; Giovanni Orlandi (ed.), Aldo Manuzio editore. Dediche. Prefazioni. Note ai testi, Introduction de Carlo Dionisotti, Texte latin avec traduction et notes de Giovanni Orlandi, Milan, Edizioni Il Polifilo, Documenti sulle arti del libro, XI, 1975, 2 t., n. LXII; Ant. Aug. Renouard, Annales de l'imprimerie des Alde ou Histoire des trois Manuce et de leurs éditions, Oak Knoll Books, New Castle, Delaware, 1991, Troisième édition, p. 51. Jennifer Helm Philologie, Übersetzungen und das Dekret Inter sollicitudines zur Vorzensur (1515) Soigneusement revisite les livres des médecins Grecz, Arabes et Latins, sans contemner les Thalmudistes et Cabalistes. Rabelais, Pantagruel Im Rahmen des Tagungsthemas Übersetzung: Ursprung und Zukunft der Philologie? soll der entwicklungsgeschichtliche Zusammenhang von Übersetzung und Philologie anhand der Bulle Inter sollicitudines beleuchtet werden. Dieser Ansatz mag zunächst merkwürdig erscheinen, er erklärt sich jedoch durch die besondere Bedeutung, die Übersetzungen für diesen Beschluss hatten, mit dem Papst Leo X. am 4. Mai 1515 die universale Vorzensur für die Gesamtkirche einführte. Leo X. beruft sich dabei auf Klagen, die gegen Buchdrucker in nicht näher definierten Teilen der Welt erhoben wurden. Diese Klagen beziehen sich auf den Druck und die Verbreitung von lateinischen Übersetzungen griechischer, hebräischer, chaldäischer (aramäischer) und arabischer Texte sowie von anderen Büchern, die in Latein und Volkssprache verfasst waren. Die Bulle präzisiert nicht, um welche Texte es sich handelt. Allein die Problematik wird aufgezeigt und in drei Kategorien formuliert: 1.) „errores in fide”, 2.) „perniciosa dogmata etiam religioni christianae contraria“, 3.) „contra famam personarum etiam dignitatem fulgentium continentes“. 1 Dieser Beitrag sucht zu zeigen, wie es dazu kam, dass gerade Übersetzungen als eine Gefahr für die katholische Rechtgläubigkeit begriffen wurden, und inwiefern die Philologie dazu ihren Beitrag leistete. Inter sollicitudines beginnt mit einem Passus (Z. 2-7), der bis auf eine subtile Änderung wörtlich einem gleichnamigen Dekret des Konzils von Vienne vom 6. Mai 1312 (Z. 1-5) entnommen ist. 2 Damit greift das Fünfte Laterankonzil zunächst auf einen vorliegenden rechtlichen Beschluss zurück und nimmt nach über zweihundert Jahren das Ziel wieder auf, „errantes in viam veritatis“ zu führen. 3 In Vienne war dekretiert worden, dass es für eine 1 Vgl. Inter sollicitudines, 10. Sitzung vom 4. Mai 1515, in: Dekrete der ökumenischen Konzilien, Bd. 2: Konzilien des Mittelalters. Vom Ersten Laterankonzil (1123) bis zum Fünften Laterankonzil (1512-1517), hg. v. Josef Wohlmuth, in Zusammenarbeit mit Hubert Jedin, Paderborn - München - Wien - Zürich 3 2000, S. 632-633, S. 632. 2 Vgl. die gleichnamige Bulle, 3. Sitzung vom 6. Mai 1312, in: ebd., S. 379-380. 3 Vgl. Inter sollicitudines vom 4. Mai 1515, S. 632. Jennifer Helm 196 erfolgreiche Missionierung der unter den Christen lebenden „infideles“, von Juden und Muslimen, notwendig war, ihre Sprachen zu studieren sowie ihren Glauben und ihre Kultur zu verstehen. Hierzu sollten auch ihre nicht christlichen Schriften übersetzt werden. 4 Wenn sich Inter sollicitudines im Jahr 1515 nun auf diese Bulle beruft und erneut beschließt, gegen ‚Unglauben’ einzuschreiten, ging es hingegen nicht mehr um Missionierung. Die kaum wahrnehmbare Änderung der Formulierung der Vienner Bulle „errantes in viam veritatis inducere“ in „errantes in viam veritatis reducere“ zeigt, dass es hier um Christen ging, die den rechten Weg verlassen hatten. Dabei ist es die Rezeption der arabischen, griechischen und jüdischen Texte in lateinischer Übersetzung, die man neben anderen („alios“) Büchern hierfür verantwortlich machte. Deshalb wurden jetzt autoritäre Zensur und Repression verfügt. Dieser repressive Kurs der Römischen Kirche hatte sich auf dem V. Lateranum bereits in dem Dekret Apostolici regiminis vom 19. Dezember 1513 manifestiert. Darin wird festgehalten: „Cumque verum vero minime contradicat, omnem assertionem veritati illuminatae fidei contrariam omnino falsam esse diffinimus.” 5 Hiermit wird die Theorie der ‚doppelten Wahrheit’ verboten, nach der neben der theologischen Wahrheit eine philosophische existieren konnte. Auf sie hatten sich Philosophen seit dem Hohen Mittelalter immer wieder berufen. Apostolici regiminis referiert zunächst auf „nonnullos perniciosissimos errores“, 6 praesertim geht es dabei um die Irrlehren von der Sterblichkeit und der Einheit der anima rationalis. Es sind dies Lehren, so will es der Text der Bulle, deren Vorläufer bereits in der Vergangenheit verurteilt worden waren. 7 In diesem Kontext beschließt man, sowohl die Rezeption der Philosophie als auch der Poesie aufgrund ihrer „infizierten Wurzeln“ („infectae radices“) einzugrenzen. Insbesondere Lehrende der Philosophie, in Universitäten und „andernorts“ („alibi“), wurden 4 Vgl. Inter sollicitudines vom 6. Mai 1312, S. 379f. Mit Ausnahme des Griechischen handelt es sich bei den hier interessierenden Sprachen um eben jene, welche die Bulle Leos X. anführt. 5 Ein Artikel der florentinischen Akten, Rubrica: De magistris, deque haereticis & Christi fidem scandalizzantibus, cap. I, in: Concilium Florentinum, in: Joannes D. Mansi, Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, vol. 35, (unveränderter Nachdruck der 1902 in Paris erschienen Ausgabe) Graz 1961, S. 269. 6 Vgl. Apostolici regiminis, 8. Sitzung vom 19. Dezember 1513, in: Konzilien des Mittelalters, S. 605-606, S. 605. 7 Ebd.; erneut bezieht man sich auch hier auf eine Konstitution des Konzils von Vienne, vgl. hierzu das Dekret Fidei catholicae fundamento [Nr. 1/ Der katholische Glaube: christologische Fragen - die Lehren von der Seele als Form des Leibes - Kindertaufe], 3. Sitzung vom 6. Mai 1312, S. 360-361. Es sei daran erinnert, dass im 13. Jahrhundert im Zuge der Entdeckung, Übersetzung und des Studiums der Werke von Aristoteles aus dessen Ideengut zahlreiche, aus katholisch-dogmatischer Sicht unhaltbare Theorien entwickelt und an europäischen Universitäten gelehrt worden waren. Im Jahr 1277 erfolgten die 219 Verurteilungen philosophischer Thesen durch den Bischof von Paris Etienne Tempier; siehe hierzu Kurt Flasch, Aufklärung im Mittelalter? Die Verurteilung von 1277, Mainz 1989, S. 7, 53-55. Philologie, Übersetzungen und das Dekret Inter sollicitudines zur Vorzensur (1515) 197 hierzu angehalten. 8 Doch das Verbot der ‚doppelten Wahrheit’ wirkte sich nicht nur auf die Lehre aus, sondern betraf jeden Lebensbereich, auch Printmedien. Um diese Beschlüsse des V. Lateranums anschaulich in der europäischen Geistesgeschichte zu verorten, sei an die wegweisende Untersuchung von Felix Gilbert zu Apostolici regiminis erinnert. Gilbert revidierte die in der Forschung anerkannte Meinung, dass es sich bei diesem Dekret um eine Verurteilung der Thesen Pietro Pomponazzis handele. 9 Es gelang ihm, die zwei am päpstlichen Hof recht einflussreichen Kamaldulensermönche, Paolo Giustiniani und Pietro Querini, als Urheber zu ermitteln und das Dekret als eine Reaktion auf die breit gefächerte intellektuelle Entwicklung festzumachen. 10 Giustiniani und Querini hatten Leo X. zu Beginn seines Pontifikates ein scharfes Reformprogramm vorgelegt, dessen Hauptanliegen die Bekämpfung des Einflusses jeglichen Unglaubens innerhalb der christlichen Gemeinschaft und die Bekehrung ungläubiger Völker sind. 11 Sie appellieren 8 Vgl. Apostolici regiminis, S. 606: Lehrende werden dazu angehalten, ihren Zuhörern stets die Wahrheit der christlichen Religion einsichtig zu machen. Sie sollen sich als christliche Lehrende begreifen, die in ihrer Tätigkeit an ihren Glauben gebunden sind und eine Verantwortung für das Seelenheil ihrer Zuhörer tragen. So sei es ihre Pflicht, Argumente der Philosophen zu widerlegen, wenn diese mit katholischen Dogmen nicht vereinbar sind. Weiterhin untersagt man Angehörigen höherer Stufen des Ordo, seien sie Weltkleriker oder Regulare, und anderen, die durch das Recht gebunden sind, ohne das Studium der Theologie oder des kanonischen Rechts Philosophie und Poesie länger als fünf Jahre zu studieren. Die Bulle sollte in jeder Universität und überall dort, wo studia generales betrieben wurden, veröffentlicht werden. Siehe dazu auch Felix Gilbert, „Cristianesimo, umanesimo e la bolla 'Apostolici regiminis’ del 1513“, in: Rivista storica italiana, fasc. 4 (1967), S. 976-990, S. 987. Präzisere Angaben sind den Akten des Konzils von Florenz zu entnehmen, vgl. Mansi, vol. 35, Rubrica: De magistris, deque haereticis & Christi fidem scandalizzantibus, cap. I-II, S. 270. Sie präzisieren, dass die Lektüre heidnischer Poesie in Bildungsinstitutionen fortan eingeschränkt werden sollte. Namentlich genannt werden Lukrez, Catull und Martial. Es zeigt sich darin, dass man die Notwendigkeit einer kontrollierten pädagogischen Ausbildung der heranwachsenden Christen erkannt hatte. Zunächst sollte es der individuellen Seele, letztlich dem Frieden und der Einheit der christlichen Gemeinschaft zugute kommen, wenn man die Jugend davor zu bewahren suchte, durch laszive und obszöne Passagen zu unsittlichen Gedanken und durch heidnisches Ideengut zu falschen Schlüssen über den katholischen Glauben verleitet zu werden. Denn insbesondere die Bildungsstätten boten Gelegenheit, heterodoxe Lehren zu verbreiten. Vgl. hierzu das 5. Kapitel „Grammatikschule als Schule der Häresie“, in: Silvana Seidel Menchi, Erasmus als Ketzer. Reformation und Inquisition im Italien des 16. Jahrhunderts, Leiden - New York - Köln 1993. 9 Vgl. Gilberts Stellungnahme, S. 976; Gilbert bezieht sich auf Carl Joseph Hefele, Histoire des conciles d’après les documents originaux, traduit par H. Leclercq, Paris 1917 und Ludwig von Pastor, Geschichte der Päpste, Freiburg 1906. Er verweist zudem auf die Darstellung Delio Cantimoris in Eretici italiani del Cinquecento, Firenze 1967, S. 6-11. 10 Siehe Gilbert, S. 977f., 985-987: Gilbert spricht von „tendenze antiumanistiche“ in der Bulle selbst; sie lassen sich in verstärktem Maße in dem Libellus nachweisen. 11 Siehe B. Pauli Justiniani et Petri Quirini eremitar<um> camaldulensium libellus ad Leonem X pontificem maximum, in: Annales Camaldulenses, t. 9, Venezia 1773, S. 614-719, vgl. hierzu Jennifer Helm 198 daher auch an den Papst, „omnium litterarum studia“ zu reformieren, und kritisieren insbesondere das Studium der heidnischen Philosophie, vor allem der Dialektik, sowie der Rhetorik und Poesie. Als problematisch befinden sie dabei nicht etwa die Schriften der vor- und frühchristlichen Autoren, die sich damit einst „legitime“ beschäftigten und denen es einen besonderen Platz einzuräumen gelte. Giustiniani und Querini wenden sich gegen das, was aus diesen Werken gemacht würde, „tot modernorum hominum commentaria, quae nihil aliud sunt, quam illa, quae a veteribus auctoribus diligentissime conscripta, sunt novis voluminibus deterius explicata“. 12 Sie streben deshalb für diese Studien eine Ausrichtung auf die „divina studia“ und „sacras litteras“ an und fordern angesichts der eingetretenen Verzerrung der christlichen Heilslehre auch die Einführung einer Vorzensur. 13 Es mag widersprüchlich erscheinen, dass derartige Maßnahmen und Beschlüsse von Konzilsvätern angenommen wurden, die selbst den humanistischen Studien nahe standen. Gilbert weist darauf hin, dass der Ordensgeneral der Augustiner Egidio da Viterbo die erste Sitzung des V. Lateranums unter Julius II. mit einer Rede eröffnete, die in ihrer Vermischung profaner und sakraler Elemente wie ein trojanisches Pferd anmute. Diese Rede spreche sich zwar für eine Reform aus, sie selbst sei jedoch von Zeitgenossen als ein „insigne prodotto dell’umanesimo“ beurteilt worden. 14 Doch dieser vermeintliche Widerspruch klärt sich auf, sobald die Erwartung, die der Augustiner an die humanistischen Studien stellte, transparent wird. Im Zentrum der Oratio Egidios steht das große Ziel der Synode, eine instauratio ecclesiae, die unumgänglich geworden war, da das auf Betreiben einiger Kardinäle vom französischen König Ludwig XII. eingeleitete Konzil von Pisa die katholische Einheit bedrohte. Der humanistisch gebildete Egidio stellt an Beispielen aus der christlichen Vergangenheit den schädlichen Einfluss der Philosophie heraus. Zunächst beruft er sich auf die Evangelien, Weissagungen der Propheten und die Apokalypse des Johannes, um klarzumachen, dass eine vom V. Lateranum beschlossene Reform Aussichten auf Erfolg habe, denn wieder gelte es, Laster auszumerzen, zu Tugend anzuhalten und jene Füchse zu fassen, die den Weinberg verwüsteten. 15 Um die zeitgenössische Verwüstung des Weinbergs verständlich S. 614f., S. 629; die Förderung des Studiums der für diese Bekehrung notwendigen Sprachen Hebräisch, Griechisch, Lateinisch und Arabisch erscheint auch ihnen notwendig, vgl. ebd. Siehe hierzu auch Giuseppe Alberigo, „Sul Libellus ad Leonem X degli eremiti camaldolesi Vincenzo Querini e Tommaso Giustiniani“, in: Humanisme et Église en Italie et en France méridionale (XVe siècle - milieu du XVIe siècle), sous la direction de Patrick Gilli, Rome 2004, S. 349-359, S. 350-353. 12 Vgl. ebd., S. 676f. 13 Vgl. ebd., dazu Gilbert, S. 986 und 995; Alberigo, S. 359. 14 Vgl. Gilbert, S. 980; siehe hierzu Jacobus Sadoletus Petro Bembo salutem plurimam dicit, in: Mansi, vol. 32, S. 667f. 15 Siehe Oratio prima synodi Lateranensis, habita per Aegidium Viterbiensem, Augustiniani ordinis generalem, in: Mansi, vol. 32, S. 669-676, S. 669-671. Philologie, Übersetzungen und das Dekret Inter sollicitudines zur Vorzensur (1515) 199 zu machen, erinnert er, dass in der Vergangenheit wiederholt der „tumor philosophiae“ der Grund für eine solche Verwüstung gewesen war. So hätten die drei „impiissimi gigantes“, Arius, Sabellius und Photinus, aus Ruhmsucht beim Studium „rerum novarum“ Lehren erfunden, in denen sie sich gegen Gott wandten. Egidio stellt sodann der Philosophie den katholischen Glauben entgegen; die philosophischen Argumente, in denen er nur „Gaukelei“ („praestigiae“) erkennen will, könnten durch die Kraft des katholischen Glaubens, der allein zur Erkenntnis befähige, bezwungen werden. 16 Damit ordnet er die Philosophie der Theologie unter und dringt darauf, deren Einfluss zu beschränken. 17 Der unter anderem für seine kabbalistischen Studien bekannte Augustiner weist damit die humanistischen Studien, die nur innerhalb der Grenzen des katholischen Glaubens sinnvoll betrieben werden könnten, zwar in Schranken, aber er verspricht sich davon eben vor allem auch, dass die Kultur ebenso wie die Disziplin zu der erhofften Erneuerung beiträgt. 18 Bereits in der Eröffnungsrede des V. Lateranums wird also nicht nur das Studium der Philosophie problematisiert, worin sich das Verbot der doppelten Wahrheit ankündigt, sondern auch die Notwendigkeit der geistigen Kontrolle und der Zensur aufgezeigt. Die Infragestellung der Autorität („auctoritas“) und Freiheit („libertas“) der Römischen Kirche, die sich am Konzil von Pisa ablesen lässt, hält Egidio für eine „pestis hoc tempore“, 19 und wie aus seinen Ausführungen über die Philosophie hervorgeht, ist sie sowohl durch das politische Kräftespiel europäischer Mächte zu Lasten des Vatikans bedingt als auch durch die eingetretene geistige Emanzipation. Ob Egidio „gravi dubbi sul valore degli studi classici“ gehabt hatte, kann hier nicht ins Gewicht fallen. 20 Es ging ihm nicht um ihren Wert oder Nutzen, den sogar Inter sollicitudines unterstreichen wird, 21 sondern allein um die damit verbundenen Gefahren für die Erhaltung der Reinheit des katholischen Glaubens. Wenn Gilbert hervorhebt, dass Zeitgenossen dieser Rede als „insigne prodotto dell’umanesimo“ große Bewunderung zollten, dann beruft er sich auf Jacopo Sadoletos an Pietro Bembo gerichtete Worte. Sadoleto jedoch lobt Egidios Rede aufgrund ihrer „eximia eloquentia“, „tanta vis orationis, tantum flumen lectissimorum verborum, pondus optimarum sententiarum“. 22 Obgleich die Rede etwa am Gesetz der Natur („praescribente natura“) vom zyklischen Werden und Vergehen oder an den ewigen Bahnen der Gestirne („caelestia siderum itinera“) das Gelingen der Reform anschaulich macht, sind die klassischen Allusionen 23 darum keines- 16 Vgl. ebd., S. 671f. 17 Vgl. ebd., S. 672. 18 Vgl. ebd., S. 669f. 19 Vgl. ebd., S. 672. 20 Vgl. Gilbert, S. 980 . 21 Vgl. Inter sollicitudines, S. 632. 22 Vgl. Gilbert, S. 980, Sadoletus, S. 668. 23 Vgl. Gilbert, S. 980. Jennifer Helm 200 wegs übermäßig verwendet. Metaphern der klassischen Rhetorik werden maßvoll eingefügt und der christlichen Thematik jeweils angepasst, so dass Inhalt und Form übereinklingen und die rhetorische Ausgestaltung die geforderte Orientierung der humanistischen Studien am katholischen Glauben beispielhaft einlöst. Die Bullen Apostolici regiminis und Inter sollicitudines lassen sich als Reaktion auf einen Prozess verstehen, der sich in mehreren katholischen Ländern längst angebahnt hatte. Dass man ihm schon sehr bald nach der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert zu wehren trachtete, wird aus lokal begrenzten gesetzlichen Vorkehrungen ersichtlich, die in bestimmten Gebieten des Heiligen Römischen Reichs spätestens seit 1479 zu verzeichnen sind. In diesem Jahr hatte Sixtus IV. der Universität Köln das Recht eingeräumt, gegen Drucker, Käufer und Leser häretischer Bücher vorzugehen. 24 Ein Erlass des Erzbischofs von Mainz, Berthold Graf von Henneberg, ordnete 1486 innerhalb der eigenen Kirchenprovinz die Vorzensur für volkssprachliche Übersetzungen griechischer, lateinischer und anderer Bücher an. 25 Alexander VI. wiederum ermächtigte 1501 die Bischöfe in Köln, Mainz, Trier und Magdeburg, das Imprimatur zu erteilen. Symptomatisch für diesen Prozess ist auch das Inquisitionsverfahren, das gegen Johannes Reuchlin angestrengt worden war und seit 1514 parallel zum Laterankonzil in Rom weitergeführt wurde. Der Auslöser war gewesen, dass der Konvertit Johann Pfefferkorn, der von Kaiser Maximilian I. mit der Überprüfung hebräischer Bücher betraut worden war, 27 Johannes Reuchlin in seinem Handspiegel öffentlich angegriffen hatte, nachdem dieser 24 Siehe Heinrich Reusch, Der Index der verbotenen Bücher, Bonn 1883, Bd.1, S. 56. 25 Siehe Reusch, S. 56f. Reusch zitiert als Grund für diesen Erlass „falsche und irrige Lehren“, „falsche Titel“; vgl. insbesondere das Zitat aus dem Beschluss, Anm. 2: „Vidimus libros de divinis officiis et apicibus religionis nostrae e latina in germanicam linguam traductos non sine religionis dedecore versari per manus vulgi. Quid denique de sacrorum canonum legumque praeceptis? etsi a jureconsultis limatissime scripta sint, tamen scientia ipsa habet nodositatem.“ Dabei sollte neben Irrtümern und Skandalen auch der Sittlichkeit Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es war dies eine Maßnahme, deren Motivation sich ähnlich ausnimmt wie jene der zuvor genannten Beschlüsse. Sie wird als eine Reaktion auf „Irrtümer“, „verkehrte“ oder der „christlichen Religion feindselige“ Dogmen dargelegt, vgl. den Text der Bulle vom 1. Juni 1501 in dt. Übersetzung, in: Reusch, S. 54-55; diese Bulle ordnete zudem an, dass Nachforschungen angestellt würden, um die Auftraggeber dieser Drucke zu identifizieren, ihre Motivation für die Aufträge herauszufinden und ihre Rechtgläubigkeit zu überprüfen; vgl. ebd.; siehe hierzu auch Mario Infelise, I libri proibiti da Gutenberg all’Enciclopedia, Roma - Bari 1999, S. 7. 27 Kaiser Maximilian gab Johann Pfefferkorn am 19. August 1509 das Mandat, die Bücher der Juden zu überprüfen, vgl. den Text des Mandats bei Johannes Nicolaus Weislinger, Wahrhafte Nachricht von dem Authore oder Urheber der verschreyten Epistolarum obscurorum virorum Ulrich von Hutten/ Wobey umständlich und gründlich gehandelt wird von dem berühmten Johanne Reuchlin und Johann Pfefferkorns, Constanz und Augspurg/ verlegts Martin und Thomas Wagner, 1730, S. 18-22. Philologie, Übersetzungen und das Dekret Inter sollicitudines zur Vorzensur (1515) 201 sich in einem von Pfefferkorn angeforderten Gutachten gegen ein Verbot der hebräischen Bücher ausgesprochen hatte. 28 Reuchlin verfasste eine Verteidigungsschrift und musste sich daraufhin vor dem Inquisitor Jacobus Hoogstraeten in Köln verantworten. 29 Auf Betreiben Hoogstraetens wurden die Akten nach Rom übergeben. Das V. Lateranum beriet zwar nicht über den Fall Reuchlin, wie Hoogstraeten vorgeschlagen hatte, doch bestellte Leo X. die Kardinäle Domenico Grimani und Pietro degli Accolti, die am Konzil teilnahmen, zu den Richtern. 30 Sehr viel größere Brisanz wurde nun der Gefahr zugemessen, welche die Rezeption jüdischer Schriften für die katholische Rechtgläubigkeit mit sich brachte. Gefährlicher als jüdische, pagane oder aus katholisch-dogmatischer Sicht als häretisch verurteilte Texte in der Originalsprache, die nur wenige rezipieren konnten, erschienen die lateinischen Übersetzungen. 31 Im 15. Jahrhundert waren zahlreiche lateinische Versionen, darunter sowohl Erstals auch Neuübersetzungen, von griechischen, arabischen, hebräischen und aramäischen Texten angefertigt worden. Die Erstübersetzungen machten verlorenes vor- und frühchristliches Gedankengut wieder zugänglich. Ihre Lektüre implizierte jedoch, dass der katholische Glaube auch aus einer anderen als der mittelalterlich-scholastischen Perspektive betrachtet werden konnte, dass neue Ideen aufkamen. Neuübersetzungen hingegen dienten einer Revision spätantiker und mittelalterlicher Übersetzungen. Beide, die Erst- und Neuübersetzungen, gingen dabei eine fruchtbare Wechselbeziehung ein, auf der die breit gefächerte intellektuelle Entwicklung des 15. 28 Vgl. Max Brod, Johannes Reuchlin und sein Kampf, Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1965, S. 169ff.: Pfefferkorn, der ein Verbot jüdischer Bücher erwirken wollte, hatte für diese Überprüfung Gelehrte der Universitäten Mainz, Köln, Erfurt und Heidelberg, Jacobus Hoogstraeten, den Priester Victor von Karben und Reuchlin berufen, die hebräischen Bücher zu begutachten. Reuchlin, der heute als Begründer der Hebraistik geschätzt wird, sprach sich jedoch, so Brod, als einziger gegen ein Verbot dieser Bücher aus. Pfefferkorn, der sein Vorhaben gefährdet sah, verriss das Gutachten Reuchlins infolgedessen in seinem Handspiegel. Brod betont, dass Pfefferkorn das versiegelte Gutachten unrechtmäßig einsah, vgl. ebd., S. 203. 29 Ebd., S. 199ff. 30 Nachdem Reuchlin vom Bischof zu Speyer zunächst freigesprochen worden war, wurde der Fall 1514 in Rom wieder aufgenommen. Reuchlin erfuhr dort einflussreiche Unterstützung durch Egidio da Viterbo und Adriano Castellesi; siehe Hans Peterse, Jacobus Hoogstraeten gegen Johannes Reuchlin. Ein Beitrag zur Geschichte des Antijudaismus im 16. Jahrhundert, Mainz 1995, S. 55-58; vgl. hierzu auch Heiko A. Oberman, „Johannes Reuchlin: von Judenknechten zu Judenrechten“, in: Reuchlin und die Juden, hg. von Arno Herzig und Julius H. Schoeps, Sigmaringen 1993, S. 39-54. 31 Von Reuchlin selbst lagen bis 1515 etwa zwei Übertragungen hebräischer Texte im Druck vor, ein Hochzeitsgedicht von Rabi Yoseph Hyssopaeus mit Erläuterungen über drei Sekten der Juden, die Essäer, Sadduzäer und Pharisäer, und eine Neuübersetzung der sieben Psalmi poenitentiales mit Interpretation. Zudem machte er sich in der humanistischen Elite Europas mit Schriften einen Namen, die für die hebräischen, insbesondere die kabbalistischen Studien richtungweisend waren, eine hebräische Grammatik, De rudimentis hebraicis, De verbo mirifico und De arte cabbalistica. Jennifer Helm 202 und 16. Jahrhunderts gründete, und so sollte sich die Vorzensur gegen beide gleichermaßen richten. Zur Blüte der humanistischen Übersetzungstätigkeit im Florenz des Quattrocento zählen zahlreiche Erstübersetzungen. Bezeichnenderweise war die treibende Kraft in den dreißiger Jahren der Orden der Kamaldulenser, 32 dem auch die beiden Drahtzieher von Inter sollicitudines angehörten. Neuen Ansporn für die humanistischen Studien brachte dann das Konzil von Ferrara/ Florenz/ Rom (1438-1445), das durch das Zusammentreffen von Vertretern der Ost- und Westkirche einen interkulturellen Austausch ermöglichte. Wegweisende Übersetzungen heidnischer Schriften 33 sowie jüdischer Texte 34 folgten in den nächsten Jahrzehnten. Doch das Interesse dieser Erstübersetzungen, die oftmals Paraphrasen und Kommentare waren, richtete sich vordergründig auf inhaltliche philosophische und theologische Aspekte. Sie kennzeichnen sich also zumeist noch nicht durch philologische Präzision und Technik. Über die Rezeption dieser Texte und vor allem der neuen Übersetzungen kam es zu synkretistischen Überhöhungen der christlichen Heilslehre, etwa in der prisca theologia oder prisca philosophia, die früh als gefährliche Verzerrungen wahrgenommen wurden. Das belegen Briefe, Apologien, die Verurteilung Giovanni Picos della Mirandola und seiner 900 Thesen sowie die Prologe und Kommentare mehrerer Editionen, in denen das Primat des Christentums betont wurde. Kritische, argwohnerregende Texte konnten nur in Manuskripten zirkulieren. Nach der Promulgation von Inter sollicitudines würden viele solcher Texte in der ‚freien’ Republik Venedig, in Paris, Lyon oder Basel veröffentlicht werden, also in Städten, die für ein gewisses Maß an Zensurfreiheit bekannt waren. Es liegt daher nahe, die Abwanderung der Verleger mit der kirchlichen Maßnahme zur Vorzensur in Verbindung zu setzen. Es stellt sich nun die Frage, inwiefern die Philologie als eine sich besonders seit den vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts herausbildende Textkritik innerhalb der lateinischen Übersetzungen, auf die Inter sollicitudines referiert, eine Rolle spielt. Das lässt sich vor allem an den Neuübersetzungen ablesen, die vorliegende lateinische Versionen revidierten. Dabei handelt es sich insbesondere um kommentierte wie unkommentierte Neuüber- 32 Dennis F. Lackner, „The Camaldolese Academy: Ambrogio Traversari, Marsilio Ficino and the Christian Platonic Tradition“, in: Marsilio Ficino: His Theology, His Philosophy, His Legacy, ed. by Michael J. B. Allen and Valery Rees with Martin Davies, Leiden - Boston - Köln 2002, S. 15-44, S. 15 und passim. 33 Zu nennen sind hier beispielsweise Übersetzungen der Werke Platons, Proclos’, des Pythagoras, Porphyrius, Speusippus, Synesius, Psellus, des Corpus hermeticum (id est Pimander, Asclepius, Definitiones), der Oracula chaldaica, des De mysteriis Aegyptiorum, Chaldaeorum, Assyriorum und des De morte von Xenokrates; siehe etwa auch Paul O. Kristeller (ed.), Catalogus Translationum et Commentariorum: Mediaeval and Renaissance Latin Translations and Commentaries, Annotated Lists and Guides, vol. I., Washington D. C. 1960. 34 Vgl. François Secret, Les kabbalistes chrétiens de la Renaissance, Paris 1964, S. 45. Philologie, Übersetzungen und das Dekret Inter sollicitudines zur Vorzensur (1515) 203 setzungen der Heiligen Schrift, einzelner Texte daraus, und der griechischen Kirchenväter. Aber auch neue lateinische Versionen griechischer Dichtungen sowie griechischer und arabischer Schriften wissenschaftlicher Disziplinen gingen in Druck. Hier sind vor allem Werke des Aristoteles zu nennen, die Politica, die Ethica Nikomachea, die Metaphysica sowie die naturwissenschaftlichen Texte, die Physica und die Parva naturalia, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts zunächst von der Römischen Kirche verboten worden waren, dann aber expurgiert und an den christlichen Kult angepasst werden sollten. 35 Darüber hinaus wurden die Problemata, die man Alexander von Aphrodisias zuschrieb, im Quattrocento von Theodoro Gaza, Giorgio Valla und Angelo Poliziano übersetzt und mehrfach gedruckt, bis kurz vor der Promulgation von Inter sollicitudines. Die Neuübersetzungen zeugen von den humanistischen Bemühungen, die im Mittelalter, insbesondere in der Scholastik depravierte lateinische Sprache wieder richtig zu stellen und im Gebrauch zu normieren. Lorenzo Valla entwickelte eine auf der Institutio oratoriae von Quintilian aufbauende, als fortschrittlich zu beurteilende, philologische Kritik, mit der er die Genese der Philologie und die humanistische Übersetzungstätigkeit nachhaltig beeinflusste. Selbst Galileo Galilei sollte sich beinah zweihundert Jahre später, wie Carlo Ginzburg hervorhebt, bezeichnenderweise auf diese Philologie berufen. 36 Denn Valla nutzt eine kritisch-philologische Methode, um die Wahrheit mündlicher und schriftlicher Äußerungen in Wort und Schrift zu prüfen. Eckhard Kessler spricht hier von einem neuen „Wissenschaftsverständnis“, dem, aus dem Ockhamismus erwachsend, „realitätsleere Begriffssysteme“ nicht mehr genügten; vielmehr baut es auf eine sich „auf Erfahrung gründende neue Wissenschaft der Realität“ auf. 37 Vallas kritischer Ansatz entspringt seiner grundsätzlichen Skepsis gegenüber dem bedingungslosen Vertrauen in Autoritäten. 38 Stets sei zu prüfen, 35 Vgl. Regesta Pontificum Romanorum, inde ab a. post Christum natum MCXCVIII ad a. MCCCIV, edidit Augustus Potthast, vol. 1, Berolini 1874, S. 748f. Mit der Bulle Cum sapientiae sacrae vom 23. April 1231 hatte Gregor IX. angeordnet, dass die „libros Naturalium“ (Physica und Parva naturalia, condemnata a.o 1209, vgl. ebd.) nun gereinigt würden, „cum quaedam utilia et inutilia continere dicantur et ne utile per inutile vitietur“, und dass überprüft würde, „quae ibi erronea vel scandali vel offendiculi legentibus invenerint illativa.“ 36 Vgl. Carlo Ginzburg, Spurensicherung. Die Wissenschaft auf der Suche nach sich selbst, aus dem Italienischen von Gisela Bonz und Karl F. Hauber, Berlin 2002, S. 26; Galileo Galilei, Il Saggiatore, in: ders., Opere, a cura di Ferdinando Flora, Milano - Napoli 1953, S. 121. 37 Vgl. Eckhard Kessler, „Einleitung“, in: Lorenzo Valla, Über den freien Willen/ De libero arbitrio, lat./ dt., hg., übersetzt und eingeleitet von Eckhard Kessler, München 1987, S. 27. 38 Vgl. Valla, Retractatio totius dialecticae, liber I, Proemium, in: Laurentii Valle Repastinatio dialectice et philosophie, edidit Gianni Zippel, Padova 1982, t. 1, S. 5: „Prope nulla debet esse auctoritas: tanquam hominum in mediterraneis educatorum, qui numquam nec mare viderint nec navigium intraverint, disserentium de ratione navigandi.“ Kursiv von der Vf.; vgl. hierzu insbesondere auch Valla, Von der Lust oder Vom wahren Guten/ De Jennifer Helm 204 „an vere dicant“ 39 . Wie dieses „vere dicere“ zu verstehen ist, wird in seiner Definition der Wahrheit („veritas“) deutlich, der die Prüfung der Beziehung zwischen res und verba zugrunde liegt: „Veritas est tum notitia animi de alique re, tum orationis ex notitia animi profecta significatio.“ 40 Wahrheit ist also die in Worte gefasste Kenntnis einer Sache, sie ist eine Qualität ohne ein Subjekt. 41 Sie lässt sich philologisch-methodisch über eine kritische, in vier Schritte gegliederte Auseinandersetzung mit der jeweiligen res erschließen: rei controversiae - veri inquisitio - notitia rei controversie - deliberatio. 42 Bei einer Rede besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass sie aus „Unwissen“ („ignorantia“) oder „Boshaftigkeit“ („malitia“) unwahr ist - Valla stellt der Wahrheit hier die „falsitas“ gegenüber. 43 Er schließt nicht aus, dass Sprache bewusst genutzt wird, um etwas zu sagen, das „diversum per simulationem voluptate sive De vero bono, lat./ dt., hg. und übersetzt von Peter M. Schenkel, eingeleitet von Eckhard Kessler, München 2004, liber III, IV.2, S. 262: „Sed memento non esse semper habendam auctoribus fidem qui etsi plura bene dixerunt, nonnumquam tamen more hominum lapsi sunt.“ Die Schrift Dialecticae disputationes mit dem Titel Repastinatio dialectice et philosophie, die in den Jahren 1431-1433 entstand, wurde nach dem Inquisitionsprozess in Neapel im Jahr 1444 sprachlich und inhaltlich beinah komplett überarbeitet. Die Gründe für den Prozess waren, so Camporeale, vielfältig und von sowohl politischer und juristischer als auch philosophischer und theologischer Natur, vgl. hierzu Camporeale, Lorenzo Valla. Umanesimo e teologia, presentazione di Eugenio Garin, Firenze 1972, S. 212f. Mit der zweiten Redaktion 1444-1448/ 50, die während des Zeitraums vom Ende des Prozesses bis zum Beginn der Polemik zwischen Valla und Bracciolini erfolgte, erhielt das Werk den Titel Reconcinnatio totius dialectice et fundamentorum universali philosophie. Aus einer erneuten Überarbeitung, die im Jahr 1448 begann, ging schließlich die Retractatio hervor. Diese dritte Redaktion wurde nie zu Ende geführt; Angaben nach Marco Laffranchi, Dialettica e filosofia in Lorenzo Valla, Milano 1999, S. 3, Anm. 1 und Camporeale, Umanesimo e teologia, S. 213. 39 Vgl. Valla, De voluptate, liber III, IV.2, S. 262: „Itaque stultissimum reor esse quisquis se totum libris credit et non illos an vere dicant examinat diligenter.” 40 Vgl. ders., Repastinatio dialectice et philosophie, t. 2, I.5.2, S. 378: „Verum sive veritas, ut Virgilius, et numina conscia veri, idest 'veritatis’, qualitas est que sensui mentis inest, et orationi: ut 'verene ille sentit? ’, 'verene hic loquitur? ’ [...] Nec ante veri inquisitio, quam rei controverse nascitur. Itaque ‘veritas’ est notitia rei controverse, ‘falsitas’ vero eiusdem inscitia que est species prudentie aut imprudentie, seu sapientie aut insipientie; seu dicamus, 'veritas est tum notitia animi de alique re, tum orationis ex notitia animi profecta significatio.“ Vgl. seine noch ausführlichere Definition in der Retractatio, lib. I.2.28, S. 19: „‘Verum’ sive ‘veritas’ est proprie scientia sive notitia cuiuscunque rei, et quasi lux animi, que ad sensus quoque se porrigit. Hanc lucem esse volo ipsius animi, quasi oculorum vim videndi et visum, non exteriorem quandam velut solarem: quanquam ut sol oculis colores corporum, ita Deus menti rerum qualitates ostendit et exhibet.“ 41 Vgl. ders., Repastinatio dialectice et philosophie I.4.8, S. 376: „[…] ‘falsum’ quod ‘falsitas’, ‘verum’ quod ‘veritas’, ‘bonum’ quod ‘bonitas’ sive ‘probitas’: que omnia qualitatem sine subiecto significant.“; vgl. auch Camporeale, „Lorenzo Valla, 'Repastinatio, liber primus’: retorica e linguaggio“, in: Lorenzo Valla e l’umanesimo italiano, Atti del convegno internazionale di studi umanistici, a cura di Ottavio Besomi e Mariangela Regoliosi, Padova 1986, S. 217-240, S. 223. 42 Vgl. ebd. 43 Siehe Valla, Repastinatio dialectice et philosophie, I.5.4f., S. 378. Philologie, Übersetzungen und das Dekret Inter sollicitudines zur Vorzensur (1515) 205 dissimulationemve“ ist und daher als „Lüge“ („mendacium“) beurteilt werden darf. 44 Sowohl um den Wahrheitsgehalt eines Textes festzustellen als auch um einen Text korrekt zu formulieren, erfolgt dann die rei controversia, für die die Philologie genutzt wird. 45 Die Basis hierfür ist die Grammatik im Sinne Quintilians, die eine genaue Kenntnis des Vokabulars im historischen Sprachgebrauch einschließt. 46 In den Elegantiae führt Valla seine Methode umfassend vor, indem er kritisch die historische Wortbedeutung eines ausgewählten lateinischen Vokabulars sowie die historische Grammatik der lateinischen Sprache beleuchtet. Die Abhängigkeit der Wahrheitserkenntnis von sprachlicher Konvention lässt er deutlich werden, wenn er die Terminologie der scholastischen Theologie und Philosophie kritisiert. 47 Dabei sucht er auch zu zeigen, dass einige dogmatische Termini unkorrekt aus dem Griechischen ins Lateinische übertragen worden waren und im Folgenden unkorrekt gebraucht wurden. 48 Mit Blick auf seine Definition der Wahrheit, lässt sich aus dieser Kritik schlussfolgern, dass die scholastische Theologie und Philosophie aufgrund des konventionellen Gebrauchs von Sprache auf Unwahrheiten stießen. 49 Valla geht so weit, sogar den auf Boethius folgenden scholastischen Theologen und Philosophen ohne Einschränkung eine angemessene Kenntnis der lateinischen Sprache abzusprechen. 50 Er stellt somit die Tradition der scholastischen Theologie und Philosophie insgesamt infrage und schreckt auch nicht vor der Kritik an zu Autoritäten erklärten Texten zurück, nicht einmal vor der Kritik an der lateinischen Version der Heiligen Schrift nach Hieronymus, der Vulgata. In der Praefatio zum vierten Buch betont er daher den Nutzen, der aus dem Studium der Rhetorik heidnischer Autoren, sowohl lateinischer als auch griechischer, gezogen werden könne. Und es ist bezeichnend, dass und weshalb er darauf dringt, zwischen Philosophie und „eloquentia“ zu unterscheiden. Würde in der Philosophie auch eine Quelle der Häresie gesehen werden, dürfe man dies nicht auf die Rhetorik und die übrigen Künste übertragen und diese ebenfalls verurteilen: Rhetoricam verò nihil habere nisi laudabile, ut invenias, ut disponas, quasi ossa & nervos orationi des, ut ornes, hoc est, ut carnem coloremque inducas: postremò ut memoriae mandes, decenterque pronunties, hoc est, ut illi spiritum actionemque 44 Vgl. ebd., hierzu auch Camporeale, „Lorenzo Valla, ‘Repastinatio, liber primus’”, S. 221- 222. 45 Vgl. Valla, Repastinatio dialectice et philosophie, II.17, S. 499: Transitus ad locos argumentorum ex Quintiliano sumptus: „Qua de re Quintiliani scripta necessario simul ac libenter, tanquam Achillis armaturam nostro operi induamus, non modo inviolabilem, verum etiam speciosissimam.“ 46 Vgl. Camporeale, Umanesimo e teologia, S. 103. 47 Vgl. Valla, Elegantiarum libri VI, in: ders., Opera omnia, con una premessa di Eugenio Garin, t. I, Torino 1962, insbesondere die Praefatio, lib. IV, S. 120. 48 Siehe hierzu ders., Elegantiae, lib. IV und hierzu Camporeale, Umanesimo e teologia, S. 104-108. 49 Vgl. ders., Elegantiae, Praefatio, lib. IV, S. 120. 50 Vgl. ders., Retractatio, Proemium, S. 4f. Jennifer Helm 206 tribuas [...] non lingua gentilium, non grammatica, non rhetorica, non dialectica, caeteraeque artes damnandae sunt (siquidem apostoli lingua Graeca scripserunt) sed dogmata, sed religiones, sed falsae opiniones des actione virtutum, per quas coelum scandimus. 51 Wie wichtig es ihm war, dass der Lehrstoff in optimaler sprachlicher Form vorlag und dass die Rezipienten über ausreichende Sprachkenntnisse verfügten, legt Valla in den Proemia zu den drei Versionen der Dialecticae disputationes dar, wenn er die in den Elegantiae vorgebrachte Kritik an der Terminologie der scholastischen Theologie und Philosophie am scholastischen Aristotelismus entfaltet. 52 Eine zentrale Rolle kommt dabei der Rezeption des Aristoteles in mittelalterlichen lateinischen Übersetzungen zu, die nicht verlässlich seien. Denn sein Werk sei „corrupte“ übersetzt worden, und zudem gebe es im Griechischen Formulierungen, die im Lateinischen nicht angemessen wiedergegeben werden könnten. Aristoteles, dem er überdies seine Vollkommenheit als Philosoph abspricht, 53 konnte so nicht angemessen studiert werden. 54 Ein Beispiel par excellence für die praktische Anwendung seiner historisch-philologischen Methode ist seine Untersuchung des Constitutum Constantini, die er in seiner Rede De falso credita et ementita Constantini donatione darlegte. 55 Sie ist nicht nur als ein Schritt von höchstem Belang in der Geschichte der katholischen Kirche und Theologie zu bewerten, sondern läutete auch die ‚historische Urkunden- und Quellenkritik auf philologischer Basis’ ein. 56 Die Echtheit des Constitutum Constantini 57 war bereits zuvor, unter anderm 1433 von Nicolaus von Kues, infrage gestellt worden. Valla überführte das Dokument der Fälschung anhand einer paläographischen Untersuchung der Handschrift und einer philologischen Analyse der 51 Vgl. ders., Elegantiae, Praefatio, lib. IV, S. 119f. 52 Vgl. Valla, Retractatio, Proemium, S. 4f. 53 Vgl. ebd., S. 5 oder auch ders., Repastinato, Proemium, S. 363. 54 Vgl. ders., Retractatio, Proemium, S. 5. Widerstände, die eine Revision des aristotelischen Textcorpus mit sich bringen würde, deutet Valla bereits im Proemium des ersten Buches seiner ersten Version der Dialecticae disputationes, der Repastinatio, an, vgl. S. 362. 55 Siehe hierzu auch die kritische Analyse zu Vallas Untersuchung von Giovanni Antonazzi, in: Antonazzi, Lorenzo Valla e la polemica sulla Donazione di Costantino, Roma 1985, S. 71-104. 56 Vgl. Horst Rüdiger, „Die Wiederentdeckung der antiken Literatur im Zeitalter der Renaissance“, in: Herbert Hunger, Die Textüberlieferung der antiken Literatur und der Bibel, Zürich 1961, S. 511-580, S. 555. 57 Zur Entstehung des Constitutum siehe Antonazzi, S. 13ff.; die Declamatio Vallas erschien erst im Jahr 1506 im Druck. Ulrich von Hutten publizierte eine zweite Auflage im Jahr 1518 als ein politisches Manifest, Ambitionen und Gier der Römischen Kirche anklagend. Gemäß Eric Saak spielte dieses Werk für einen Freund von Huttens und namhaften Augustiner, Martin Luther, eine Rolle von höchstem Belang in seiner Haltungsfindung gegenüber dem Papsttum; siehe Eric L. Saak, High Way to Heaven. The Augustinian Platform between Reform and Reformation, 1292-1624, Leiden - Boston - Köln 2002, S. 627; vgl. auch Carlo Ginzburg, History, Rhetoric and Proof, Hanover - London 1999, S. 55; Rüdiger, S. 554. Philologie, Übersetzungen und das Dekret Inter sollicitudines zur Vorzensur (1515) 207 historischen Sprachformen; er wies Anachronismen und Inkohärenzen nach. 58 Diese Methode, die Echtheit eines Dokuments zu überprüfen, entspricht seiner historisch-philologischen Orientierung. Darüber hinaus mag er sich an Quintilians Ausführungen über die gerichtliche Beweisführung und die Absicherung von Beweismitteln inspiriert haben. 59 Indem sich die Philologie, an die spätmittelalterliche Auseinandersetzung mit der referentiellen Beziehung zwischen verba und res anknüpfend, weiterentwickelt, wirkt sie sich auch auf die humanistische Praxis des Übersetzens aus. Die Worte der Übersetzung sollen nun philologisch exakt gewählt werden, sodass die Aussage so getreu wie möglich wiedergegeben wird. Die dazu notwendige Analyse des Textes fußt auf der grammatischen Kenntnis der Sprache sowie des kulturellen und historischen Kontextes. 60 Valla leistet auch auf dem Gebiet der Übersetzung Pionierarbeit. 61 Er lässt es sich nicht nehmen, das Neue Testament in der Version 58 Vgl. Ginzburg, History, Rhetoric, and Proof, S. 56 und 65; Rüdiger, S. 554; vgl. dazu auch Wolfram Setz, Lorenzo Vallas Schrift gegen die Konstantinische Schenkung, Tübingen 1975, S. 80. 59 Vgl. Ginzburg, History, Rhetoric, and Proof, S. 64f.; vgl. hierzu auch Camporeale, Lorenzo Valla. Umanesimo e teologia, S. 102f., 105f.; Valla übernahm aus dem fünften Buch der Institutio drei Kapitel in die Dialecticae disputationes, vgl. Repastinatio dialectice, liber II. 18-20: II.18: De ‘probatione artificiali’ (Quintilian, V.viii), II.19: De ‘signis’ (Quintilian, V.ix), II.20: De ‘argumentis’ (Quintilian, V.x.) oder Retractatio totius dialecticae, liber II. 20- 22. Camporeale, Umanesimo e teologia, S. 89; Marcus F. Quintilianus, Ausbildung des Redners, Zwölf Bücher, lat./ dt., hg. und übersetzt von Helmuth Rahn, Erster Teil, Buch I- VI, Darmstadt 1972, siehe lib. V, etwa cap. 5: das Aufdecken von Anachronismen erwähnt Quintilian zur Überführung gefälschter Urkunden (tabulae): „[…] si tempora non congruunt, si vel anticedentia vel insequentia tabulis repugnant.“ oder cap. 8 über die Beweismittel, cap. 9 über die Einteilung der Beweisführung in signis, argumentis, exemplis und die folgenden Kapitel zur näheren Darstellung derselben. Vgl. hierzu auch Valla über den Nutzen der Institutio oratoriae, Repastinatio, II.17, S. 499: „Qua de re Quintiliani scripta necessario simul ac libenter, tanquam Achillis armarturam nostro operi induamus, non modo imviolabilem, verum etiam speciosissimam.” Ginzburg führt Vallas Ansatz, einen Text auf diese Weise zu überprüfen, dagegen auf die sprachlichen Normierungsbestrebungen des Humanismus zurück. Doch erübrigt sich diese Frage im Fall Vallas letztlich, denn er bediente sich der Institutio oratoriae bereits für seine erste, heute verschollene Abhandlung De comparatione Ciceronis Quintilianique, um die strenge ‚Dogmatik’ des Ciceronianismus, wie sie die Humanisten des päpstlichen Hofes vertraten, zu hinterfragen. Ginzburg, History, Rhetoric, and Proof, S. 62; vgl. hierzu das Exzerpt aus einem Brief von Antonio Beccadelli (il Panormita) an Carlo Marsuppini aus dem Jahr 1428 und die Interpretation Camporeales, in: Camporeale, Lorenzo Valla. Umanesimo e teologia, S. 90. 60 Vgl. hierzu ebenfalls Ginzburg über Leonardo Brunis Verständnis von der Aufgabe des Übersetzers, in: Ginzburg, History, Rhetoric, and Proof, S. 65. 61 Damit betrat Valla gemäß Bentley „virgin territory“, vgl. Jerry H. Bentley, Humanists and Holy Writ. New Testament Scholarship in the Renaissance, Princeton 1983. Vgl. hierzu etwa auch Realencyclopädie, S. 40-43; oder Heinrich Denifle, „Die Handschriften der Bibel-Correctorien des 13. Jahrhunderts“, in: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters, Freiburg 4 (1888), S. 263-311, S. 266: Emendationen, die zuvor von Cassiodorus, Alkuin, Theodulf von Orléans, Lanfranc von Canterbury oder Haimon Jennifer Helm 208 der Vulgata einer sprachlichen und damit letztlich ebenfalls sachlichen Revision zu unterziehen. Dabei geht er der Bedeutung einzelner Begrifflichkeiten und Formulierungen im ursprünglichen Gebrauch der griechischen wie der lateinischen Sprache nach und klärt Kasusfunktionen und syntaktische Konstruktionen. 62 Hierzu konsultiert er griechische und lateinische Kodizes: 63 Es handelt sich um mehrere griechische Kodizes des Neuen Testamentes, die er nicht näher bestimmt, 64 um Exegesen, etwa der Kirchenväter Ambrosius und Augustinus, und weiterhin beispielsweise um Werke von Homer, Aristoteles, Demosthenes, Quintilian, Cicero, Terentius Varro, Vergil und Lucan in der Originalsprache. Außerdem bemerkt Valla, dass das Matthäus-Evangelium ursprünglich in hebräischer Sprache verfasst war, 65 und das bedeutete, dass hier überdies Fehler einzukalkulieren waren, die aus der Übertragung vom Hebräischen ins Griechische herrührten. Am Ende legte er zwar keine Übersetzung des Volltextes vor, aber die analytischen Annotationes in Novum Testamentum, die er Papst Nikolaus V. widmete, für den er dann als Sekretär tätig war. Wie Humanismus und Reformation im 16. Jahrhundert in einen Zusammenhang geraten, macht Silvana Seidel Menchi anschaulich. Sie zeigt, dass italienische Theologen in den zwanziger Jahren die „Sprachgewandtheit der Häretiker“ fürchteten und beklagten: Es gelinge ihnen durch von Hirschau vorgenommen worden waren oder die so genannten Correctoria Biblica. Denifle führt das Bestreben, etwa im 13. Jahrhundert in Frankreich die Vulgata zu korrigieren, auf die Erkenntnis zurück, dass der Text durch Abschriften verändert worden war und von der ursprünglichen Version abwich. Aufschlussreich ist ebenso: Augustinus, De doctrina christiana libri IV, rec. et praefatus est Guilelmus M. Green, Vindibonae 1963, lib. II, speziell, II. 9 und 34ff.: Schon Augustinus behandelte die Übersetzung, speziell der Heiligen Schrift, mit der Übersetzung verbundene Schwierigkeiten, etwa die Übertragung von Redeweisen, sprachlichen Eigentümlichkeiten, die Interpretation von Zeichen und ihren Mehrdeutigkeiten, sowie die Rezeption von Übersetzungen in seiner De doctrina christiana. Er ist der Ansicht, dass zum besseren Verständnis der Heiligen Schrift ihre Texte in der Sprache, aus der sie übersetzt wurden, zu konsultieren sind und daher die Kenntnis der hebräischen und griechischen Sprache notwendig ist. Im Kontext von Vallas Untersuchung zum Neuen Testament ist festzuhalten, dass auch Augustinus betont, dass die lateinischen Versionen des Neuen Testamentes den griechischen weichen müssten, wenn etwas in ihnen unklar erscheint, 62 Siehe hierzu den Widmungsbrief von Erasmus von Rotterdam, Splendidissimo atque ornatissimo viro Christophoro Fischero, Protonotario apostolico, ac Pontifici iuris doctori, in: Valla, Annotationes in Novum Testamentum, ex diversorum utriusque linguae codicum collatione annotationes, cum primis utiles, in: ders., Opera omnia, S. 801-803, S. 802 oder auch Realencyclopädie für protestantische Theologie und Kirche, in dritter und verbesserter Auflage, hg. von D. Albert Hauck, Bd. 3: Bibelübersetzungen - Christenverfolgungen, Leipzig 1897, S. 45. 63 Valla, Annotationes in Novum Testamentum, S. 803. 64 Vgl. auch ebd., S. 842. 65 Ebd., S. 803; vgl. hierzu auch Hieronymi presbyterii libri de viris inlustribus, hg. von. Carl Albrecht Bernouilli, Freiburg/ Br. 1895, III/ S. 9 oder Eusebius von Caesarea, Kirchengeschichte, hg. und eingeleitet von Heinrich Kraft, übersetzt von Philipp Haeuser, München 2 1981, III.24.5-6. Philologie, Übersetzungen und das Dekret Inter sollicitudines zur Vorzensur (1515) 209 Rhetorik, das breite Publikum für sich einzunehmen. Diese Sprachgewandtheit sollte später zu einem „polemischen Argument“ gegen die Reformatoren, ja zu einem Topos werden. 66 Außerdem monierten italienische Theologen, dass die Reformationsbewegung, indem sie sich vor allem auf die Heilige Schrift als Wahrheitsquelle stütze statt auf die katholische Dogmatik, die Philologie an die Stelle der Theologie setze. 67 So machte etwa Egidio da Viterbo Erasmus in seiner Schrift Racha zum Vorwurf, die Evangelien über die Grammatik erklären zu wollen; die Grammatik indes könne nicht zum rechten Verständnis eines heiligen Textes beitragen. 68 Die Grammatik wurde also, so Seidel Menchi, von italienischen Theologen als Instrument religiöser Subversion betrachtet. 69 Schon Valla hatte erfahren müssen, dass die kritisch-philologische Beschäftigung mit der Heiligen Schrift durchaus problematisch war. Poggio Bracciolini hatte ihn deshalb kritisiert. Er hatte jedoch in der Vulgata nur das gesehen, was sie war: die Übersetzung eines heiligen Originals. Welche Folgen Vallas Methode und ihre exemplarische Anwendung zeitigte, 70 wird unter anderm an Erasmus von Rotterdam deutlich. Vallas Verdienst um die Arbeit an der Vulgata würdigend, gab er die Annotationes in Novum Testamentum im Jahr 1505 in Druck und versuchte daran anknüpfend die griechische Version des Neuen Testamentes zu normieren. Mit Blick auf Reuchlins Bemühungen um den Erhalt hebräischer Bücher sowie auf seine hebräischen Studien insgesamt, erscheint in diesem Zusammenhang dann interessant, dass Erasmus in seinem den Annotationes vorangestellten Widmungsbrief die Bedeutung der hebräischen Bibel für das rechte Verständnis der griechischen Versionen des Neuen Testamentes betont, insbesondere da er hierzu aus dem kanonischen Recht zitiert. 71 Valla hatte den Anstoß zum Erwachen einer neuen „philologischen Gelehrsamkeit des Neuen Testamentes“ gegeben, die sich in der Edition von Texten, ihrer Übersetzung und Kommentierung eindrücklich fassen ließ. 72 Diesem philologischen Bibelhumanismus ging es zunächst nicht um die theologische Doktrin, sondern weitmehr um die Textgestalt selbst. 73 Doch da sich die sprachlichen Studien auch auf die Interpretation auszuwirken 66 Vgl. Seidel Menchi, S.46. 67 Vgl. ebd., S. 47-50. 68 Vgl. ebd., S. 49f.; Seidel Menchi zitiert in diesem Zusammenhang ebenfalls einen aufschlussreichen Passus aus der Verurteilung von Erasmus durch die Sorbonne, vgl. ebd., Anm. 57. 69 Siehe ebd., S. 49. 70 Vgl. hierzu Kessler, S. 26. 71 Siehe Erasmus von Rotterdam, S. 803; Erasmus verweist hier auf Augustinus, vgl. dazu: Decretum Magistri Gratiani, editio Lipsiensis secunda post Aemilii Ludovici Richteri, ad librorum manu scriptorum et editionis Romanae fidem recognovit et adnotatione critica instruxit Aemilius Friedberg, Ex officina Bernhardi Tauchnitz, Lipsiae 1879, Decreti prima pars dist. IX. c. VI; vgl. hierzu etwa auch Augustinus, De doctrina christiana, lib. II. 72 Siehe Bentley, S. 5; Kessler, S. 26. 73 Siehe Bentley, S. 3. Jennifer Helm 210 begannen, entbrannten darüber bald rege Diskussionen, 74 sodass die neuen Übersetzungen ins Visier der geistlichen Autorität gerieten. Griff diese daraufhin zu repressiven Maßnahmen, wird darin nicht nur die Tragweite dieser historisch-philologischen Methode offenbar, sondern es zeigt sich auch, dass die Übersetzung ebenfalls ein Mittel der Zensur sein konnte, um die Aussage eines Originaltextes bewusst zu modellieren. Das Thema der Tagung Übersetzung: Ursprung und Zukunft der Philologie? lädt, indem es als Frage formuliert ist, dazu ein, das darin aufgezeigte Verhältnis von Übersetzung und Philologie zu hinterfragen. Aus der Bulle Inter sollicitudines lässt sich zunächst ablesen, dass die Römische Kirche in der Übersetzung, speziell von arabischen, chaldäischen (aramäischen), hebräischen und griechischen Texten, eine Bedrohung für die katholische Rechtgläubigkeit sah. In geistesgeschichtlichem Kontext erklärt sich das vor allem dadurch, dass die Entwicklung einer kritisch-philologischen Methode im Quattrocento, die an die spätmittelalterliche Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen res und verba anknüpfte, dazu beitrug, dass Humanisten der Überlieferung antiker und mittelalterlicher Texte kritisch begegneten und deshalb vorliegende Übersetzungen revidierten, darunter solche, die von der Römischen Kirche zu Autoritäten erklärt worden waren. So war es hier also die Philologie, in der Humanisten die Zukunft der Übersetzung sahen. Doch da diese sich durch das intensive Studium und die Übersetzung fremdsprachiger Texte verbesserte und weiterentwickelte, ist das Verhältnis zwischen Philologie und Übersetzung auch als ein fruchtbares Ineinander zu begreifen. Darüber hinaus wurde aus dieser kritisch-philologischen Methode ein neues Wissenschaftsverständnis geboren, das wissenschaftlichen Disziplinen Raum für geistige Emanzipation schuf. In Sorge um die Reinheit des katholischen Glaubens, aber auch um ihre Autorität versuchte die Römische Kirche, dieser Entwicklung mit der Einführung der Vorzensur Einhalt zu gebieten, obgleich sie viele Humanisten in ihren eigenen Reihen hatte. 74 Siehe hierzu auch Seidel-Menchi über den Topos der „Sprachgewandtheit der Häretiker“, S. 50, Anm. 61: „Wenn allerdings die Unterscheidung zwischen Inhalt und Form eine Abstraktion ist, wenn Denken und Sprache sich gegenseitig bedingen, dann ginge der Topos von der Sprachgewandtheit der Häretiker über die Form hinaus und beträfe auch die Inhalte der Reformationsbewegung [...]” Philologie, Übersetzungen und das Dekret Inter sollicitudines zur Vorzensur (1515) 211 Bibliographie Alberigo, Giuseppe, „Sul Libellus ad Leonem X degli eremiti camaldolesi Vincenzo Querini e Tommaso Giustiniani”, in: Humanisme et Église en Italie et en France méridionale (XVe siècle - milieu du XVIe siècle), sous la direction de Patrick Gilli, Rome 2004, S. 349-359. 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Marie-Luce Demonet Aligner textes originaux et traductions du XVI e siècle Il s’agit de réfléchir à la pratique de la traduction à la Renaissance et d’évoquer des solutions pour publier (en ligne) des versions bilingues ou multilingues de textes dans leurs transcriptions originales. Ce procédé pourrait constituer une sorte de futur pour des traductions que nous qualifierons de “patrimoniales“. L’étude de la dispositio des éditions bilingues publiées au XVIe siècle apporte des informations supplémentaires sur ce qui est déjà connu de la fidélité très relative au texte original, tout en ouvrant des perspectives méthodologiques par la lecture contrastive d’un texte présenté en deux langues. Les essais éditoriaux de l’époque pourraient être exploités en recourant au balisage en langage XML et selon les recommandations de la Text Encoding Initiative. 1 Traductions horizontales et verticales Les représentations médiévales de textes bilingues offrent des modèles horizontaux ou verticaux, qui se retrouvent à la Renaissance. La présentation horizontale a eu ses adeptes et les traductions des textes sacrés peuvent être présentées dans un sens ou dans l’autre: elles sont souvent démarquées par un changement de caractères, ce qui était devenu beaucoup plus facile depuis le développement de l’imprimerie. Pour la présentation verticale des traductions, en colonnes parallèles, le modèle le plus prégnant est certainement aussi celui des Bibles et psautiers polyglottes (d’abord les psautiers bilingues, puis la Bible d’Alcalá, avec la paraphrase qui déborde sur les marges), mais le parallélisme établi entre la version hébraïque et les autres montre à l’œil nu que cette langue est nettement plus dense. À l’intérieur de la colonne, les versets sont souvent marqués par des alinéas, voire numérotés, ce qui sert de repère comme dans les versions bilingues des poèmes strophiques. On connaît aussi la présentation par listes de mots, qui, alphabétiques ou non, servent à établir des correspondances ou des équivalences entre les langues depuis des temps anciens et lentement élaborés au cours du Moyen Age. Les lexiques bilingues ou multilingues se multiplient à la Renaissance et la disposition verticale des dictionnaires prépare le lecteur à cette équivalence par euidentia non seulement des termes un à un, mais aussi de leur 1 www.tei-c.org. Marie-Luce Demonet 214 synonyme, de leur définition ou de leur paraphrase. Dans un dictionnaire polyglotte comme celui de Calepino (entre 1502 et 1636), on lit à la fois des descriptions de type encyclopédique et des équivalences de termes dans un nombre de langues qui est allé jusqu’à onze. La question de savoir si les dictionnaires polyglottes sont vraiment utilisables se pose toutefois et l’on sait que, sur le plan cognitif, la limite de gestion de telles correspondances, dans le cadre utilitaire de l’apprentissage des langues, est de quatre ou cinq idiomes simultanément. La pierre de Rosette présente les versions du texte les unes au-dessous des autres. La disposition horizontale ne disparaît pas à la Renaissance, mais elle est fortement concurrencée par la présentation verticale, qui permet d’aligner plus précisément les deux textes et de les mettre comme on dit “en regard“. Il me semble toutefois que les deux méthodes se séparent parce qu’elles correspondent plus nettement à deux pratiques différentes: la traduction horizontale interlinéaire, ou par petits segments qui se suivent, est une commodité pour celui qui compose sa traduction. Beaucoup d’élèves ont ainsi rempli l’espace entre deux lignes de leur traduction laborieuse. Un exemplaire des Académiques de Cicéron, publié chez Wechel en 1556 et récemment acquis par la Bibliothèque Nationale de France, présente ainsi une traduction manuscrite en français (l’écriture est du XVIe siècle), qui attend d’être attribuée 2 . Mais c’est rarement cet agencement qui est offert au lecteur, surtout si le traducteur prétend lui enseigner l’une ou l’autre langue. L’éditeur en particulier veut toucher un lectorat à qui l’on fait croire qu’il va apprendre sans peine l’italien, le français ou l’allemand, et même en lisant des romans. D’autres modèles utilitaires sont en circulation: s’ils ne sont pas toujours alignés en deux colonnes qui se font face, les vocabulaires des marchands, les colloques commerciaux bilingues, les prières des missionnaires, témoignent de cette spatialisation rudimentaire présentant l’équivalence des langues. Il s’agit de voir autant que de lire, pour apprendre à communiquer immédiatement. Sur le plan cognitif, le travail du cerveau n’est pas identique dans la perception successive de deux textes en langue différente, car le “saut“ d’une colonne à l’autre établit non seulement une comparaison mais aussi une contamination des deux idiomes, contamination qui se voudrait naturelle. Cet alignement en colonnes avait déjà, au XVIe siècle, ses balises, son “tagging“ en quelque sorte, souvent implicite et limité par les variations dans 2 Cicéron 1556. La traduction interlinéaire en français est incomplète et comprend des commentaires en latin. L’IRHT (Institut de Recherche et d’Histoire des Textessection de l’humanisme, CNRS) développe un programme d’identification des écritures manuscrites humanistes à partir d’un échantillonnage et de la reconnaissance automatique de formes. Voir http: / / www.irht.cnrs.fr/ recherche/ humanisme.htm. Aligner textes originaux et traductions du XVI e siècle 215 la ponctuation. On peut essayer d’en établir les repères qui excèdent naturellement les limites du mot et doivent tenir compte de la locution. Mot, diction, “fraze“ et période Une traduction humaniste “littérale“ comme celle de Barthélemy Aneau traduisant les emblèmes d’Alciat en français par exemple (1549) est rarement du mot à mot et peut s’attacher à rendre les “dictions“ et les constructions spécifiques à la langue sans pratiquer ni l’amplification ni la réduction, manipulations encore fort courantes au XVIe siècle. Le mot “dictionnaire“ lui-même possédait un sens beaucoup plus large qu’aujourd’hui en français (celui de Wörterbuch) puisqu’il signifiait tout autant un répertoire de manières de parler qu’une liste de mots. C’est ainsi que Montaigne déclare: “j’ai un dictionnaire tout à part moi“, pour commenter l’expression “passer le temps“, qu’il interprète à sa façon, tout hédoniste, de jouir de l’instant en se l’appropriant quand il est bon et en le laissant passer quand il est mauvais. 3 Les “vrais“ dictionnaires de Robert Estienne sont nourris de ces “dictions“, ces “frazes“ (c’est le terme utilisé par Montaigne dans le même passage), tournures dont le lexicographe établit des listes parfois fort longues. Or la prise en compte de la fraze comme unité sémantique est capitale dans les textes théoriques portant sur la traduction à la Renaissance, car elle constitue une unité de sens de niveau supérieur à celui du mot et elle est difficilement indexable: pour “passer le temps“, l’unité sémantique dominante peut être “passer“ ou “temps“. Palsgrave (1530) donne des équivalents de ces frazes françaises et anglaises, car il a bien compris que le problème de la traduction dépassait celui du lexique. 4 L’appréhension théorique du niveau syntaxique sera cependant longue à venir: presque absente des grammaires du temps, la syntaxe n’apparaît que dans ces effets, l’ordre des mots et dans les chapitres concernant des parties du discours comme les prépositions et les conjonctions. 5 Souvent les traducteurs ont noté l’impossibilité de traduire ad verbum, et l’on a souligné cette opposition entre verbum et sententia ou intentio à la Renaissance, Glyn Norton en particulier. 6 Mais, si le verbum est assez facile à délimiter, la sententia a une extension beaucoup plus large: elle s’appuie non seulement sur les dictions et les frazes, mais aussi sur l’énoncé tout entier et sur une interprétation d’ensemble. Les principes de la traduction moderne se mettent progressivement en place pendant cette période, par deux mouvements qui se rejoignent: la traduction ad verbum inclut de plus en plus les tournures, idiotismes et manières de parler car ces syntagmes sont 3 Montaigne 1965: 1111. 4 Demarolle dans Brucker 1997: 250 sqq. 5 Colombat 1999: 427 sqq. 6 Norton 1984. Marie-Luce Demonet 216 reconnus comme faisant partie du sens littéral, et la traduction secundum sententiam se réduit de plus en plus à l’horizon raisonnable de la phrase au sens de période, “sentence“ en anglais ou Satz. Au-delà, il s’agit d’adaptation ou d’imitation. Dans tous les cas qui concernent des corpus traduits en français, il faudrait distinguer entre les traductions “révérentes“ du latin ou du grec, pour lesquelles la réflexion théorique s’élabore à l’époque, et les traductions produites à partir des langues vernaculaires ou du néolatin, dont la liberté est encore beaucoup plus grande, entre un littéralisme qui s’autorise de calques audacieux (notamment d’italien en français, comme celle du Cortegiano par Jacques Colin) 7 et une “réduction“ qui paraphrase ou résume de façon drastique: telle est la traduction du Songe de Poliphile par Jean Martin (qui dit lui-même en avoir amendé une autre), publiée en 1546: il réduit d’un bon tiers la taille du texte original, et la révision de cette traduction par Béroalde de Verville en 1600 accentue souvent cette distance par ses propres retouches, bien qu’il restitue certains passages supprimés. 8 Le latin médiéval, quand il bénéficie de traductions en vernaculaire, est à peu près ignoré et même volontairement passé sous silence dans nombre de textes humanistes qui se gardent bien d’avouer leur source: ce sont plagiats d’usage, et autorisés. Le cas de la traduction-plagiat relève aussi de la poétique de l’imitation lorsqu’il s’agit de textes littéraires. 9 L’alignement des textes ne se justifierait que lorsque le texte-source bénéficie d’une certaine autorité, comme pour le texte sacré dans ses éditions humanistes et savantes, et les nombreux cas de la littérature antique grecque et latine, qu’elle soit en prose ou en vers. Les livres “utiles“ comme les recueils de lieux communs peuvent aussi être bilingues et en disposition parallèle. Montrer sa traduction en regard montre à la fois une certaine humilité par rapport au texte-source et une certaine audace, car le lecteur peut en vérifier, à tout moment, la fidélité. Les traductions alignées verticalement offrent une sorte de visualisation de ces tâtonnements autour de la restitution de la sententia sans trop s’écarter du verbum, parce que, précisément, l’alignement du texte sur deux colonnes face à face dévoile et trahit la manipulation. La traduction “impossible“ et le prétendu génie des langues Les traductions, et à plus forte raison les traductions parallèles au textesource, postulent un élément commun qui est le même dans toutes les langues et pour toutes les nations: c’est, dans le triangle sémiotique, le niveau des “concepts“, “les conceptions, & intelligences de l’esprit“ comme dit Du Bellay au tout premier chapitre de la Deffence et Illustration de la langue 7 Colin 1537. 8 Beroalde de Verville 1600. 9 Voir nos remarques sur la gradation du plagiat à la Renaissance dans Demonet 2008. Aligner textes originaux et traductions du XVI e siècle 217 française. 10 Ces pathemata en tè psuchè sont les images mentales universelles extraites de l’ensemble des particuliers, fondement de la théorie de la connaissance selon Aristote (Peri Hermeneias, I, 1), plus que selon Platon. Aristote ne postule pas l’existence réelle de ces images, même si elles sont souvent appelées “idées“ dans la terminologie syncrétiste de la Renaissance. Images abstraites des choses et présentes dans l’esprit ou dans la phantasia, elles sont communes à tous les hommes et rendent la traduction possible. Les recueils d’emblèmes sont de ce point de vue une sorte de corpus parallèle relié par les picturae qui jouent le rôle, très approximatif, des concepts. Pourquoi Du Bellay accuse-t-il les traducteurs de trahison et semble-t-il ainsi contredire ses positions théoriques en présentant la traduction comme impossible? Cette apparente inconséquence vient d’une fréquente erreur de lecture du passage où il parle du “Genius“ des Latins, le “je ne sais quel Esprit“ inaccessible dans une autre langue. 11 On sait que dans la Deffence la traduction blâmée est celle des “poètes“ (anciens) et des chefs-d’œuvre reconnus: il n’empêche que Du Bellay a mis le doigt sur un problème que les traducteurs ont deviné avec la restitution de ces frazes ou manières de parler, “phrases“ et “propriétés“ étant expressément rapprochées par Thomas Sébillet dans son Art poétique français de 1548, sans que l’on sache exactement (pas plus que chez Du Bellay) s’il s’agit de la langue ou du style particulier à un auteur. 12 L’un et l’autre ont pris conscience de ce qu’ils appellent les propriétés d’un idiome, comme chez Etienne Dolet, Jean Martin, Olivétan traducteur de la Bible et Robert Estienne dans ses dictionnaires: les frazes constituent, avec l’ordre des mots, la présence ou non d’articles, le système morphologique des verbes, des propres de la langue française comme on parle du “propre“ de l’homme. Le propre est ce qui n’appartient qu’au seul sujet, partout et toujours, car c’est l’un des “prédicables“ de Porphyre, qui permet de construire une définition. Le “toujours“ d’une langue est toutefois limité par l’usage qui s’impose avec le temps contre la norme. Cette coutume s’impose insensiblement dans la langue et la différencie de ses langues-soeurs: sinon, elles devraient toutes avoir la même grammaire. Cette force constitutive de l’usage est particulièrement visible pour les langues romanes riches de faux amis et d’idiotismes. Peut-on pour autant parler d’une conscience du “génie de la langue française“? Alors que le mot génie n’est pas attesté en français avant les années 1580, beaucoup d’auteurs d’articles portant sur la traduction font comme s’il était ancré dans les esprits, en donnant Du Bellay comme garant: or il s’agit d’un anachronisme encouragé par un article de Marc Fumaroli et 10 Du Bellay 1549: a iiij r°. 11 Du Bellay 1549: b iij r°: „à cause de ceste divinité d'invention que [les Poètes] ont plus que les autres, de ceste grandeur de style, magnificence de motz, gravité de sentences, audace et varieté de figures, et mil'autres lumieres de poësie: bref ceste energie, et je ne scay quel esprit, qui est en leurs ecriz, que les Latins appelleroient genius.“ 12 Sébillet 1990: 146. Marie-Luce Demonet 218 par un volume appelé précisément Génie de la langue française. 13 Pourtant l’ouvrage d’Henri Meschonnic (Et le génie des langues ? ) qui contient un important article de Jürgen Trabant remet le terme dans son contexte historique et les travaux de Franz Josef Meissner avaient très sérieusement étudié l’historique du terme. 14 C’est improprement que l’on a antidaté l’expression “génie de la langue“ attestée seulement en 1635 dans le milieu de l’Académie française. Du Bellay utilise le mot “Genius“, encore teinté de son sens mythologique de “bon ange“, pour définir “cette energie et je ne sais quel Esprit“ (le spiritus, le souffle) qui anime non la langue, mais les chefs-d’œuvre de la poésie, auxquels les traducteurs ont l’imprudence de vouloir s’attaquer. En attribuant à Du Bellay l’invention du génie des langues à partir de son “je ne sais quoi“, on transfère le problème de l’inspiration littéraire à une langue tout entière, ce qui était effectivement dans l’air du temps. Jacques Peletier du Mans parle de son côté du “naturel“ de la langue, comme s’il traduisait le concept cicéronien d’ingenium, l’ensemble de propriétés inscrites dans le patrimoine génétique des idiomes. 15 Cette idée est énergiquement réfutée par Du Bellay lui-même car elle induit un eugénisme linguistique: les Langues ne sont nées d’elles mesmes en façon d’Herbes, Racines, & Arbres: les unes infirmes, & debiles en leurs espéces: les autres saines, & robustes, & plus aptes à porter le faiz des conceptions humaines. 16 Le naturel d’une langue correspond à son “caractère“: il renseigne sur la différence, mais ne la hiérarchise pas, 17 car la référence à la nature sent la barbarie et la facilité. La nature de la langue française, c’est une coutume élaborée progressivement à partir des concepts communs à tous les hommes, une évolution historique et civilisée de l’énoncé qui culmine avec la création d’un ordre des mots “naturel“, sujet + prédicat, et la présence de ces frazes qui résistent au mot à mot ne peuvent être traduites que par d’autres frazes tout aussi idiomatiques: elle correspondraient, sur le plan génétique, aux “caractères acquis“ si l’on accepte cette sorte de darwinisme. La comparaison naturaliste, qui fait de la langue un corps et un tout, est elle-même corrigée par la métaphore du bâtiment que l’on reconnaît dans l’expression de Du Bellay, la “ruinée fabrique de ces langues [anciennes]“, 18 en écho négatif à ce que Rabelais appelle “la gloire de l’éternelle fabrique de 13 Fumaroli 1994, passim ; Monferran 1997. 14 Trabant 2000: 80 ; Meissner 1979: 312-315. 15 Peletier du Mans 1990: 262. 16 Du Bellay 1549: a iiii r°. 17 Olivétan et Robert Estienne (selon Millet 1997: 374) rapprocheraient le génie de la langue française de ceux de l’hébreu et du grec, plus que du génie latin, mais ils n’emploient pas le terme. 18 Du Bellay 1549: c 5 v°. Aligner textes originaux et traductions du XVI e siècle 219 notre vulgaire“. 19 La langue est comprise à la fois comme un corps biologique, créé et évolutif, et comme un bâtiment qui se construit avec le temps. Les deux ingrédients de la nature et de la culture sont présents dans la notion d’usage, mélange de nature et de coutume linguistique, à partir d’un fonds commun de concepts plus ou moins concentrés dans le lexique et “visibles“ par les images mentales. Ainsi, on se met à définir les langues comme si elles étaient des peuples individualisés avec leurs tempéraments et leurs mœurs, ce qui est confirmé par l’explication “climatique“ des idiomes, subtilement exposée par Juan Huarte après les intuitions de Charles de Bovelles qui lui-même les tenait d’Augustin et de Dante. 20 Même si la traduction court en vain après la singularité esthétique irremplaçable du poème, elle peut en revanche tenter de saisir l’ingenium de la langue (sa nature et son habitus) naïvement confondu avec l’ingenium du peuple qui la parle. Bref et franc selon les topoi de la rudesse gauloise, l’idiome des Français leur ressemble car ces qualités sont aussi des propriétés du peuple: Jean Martin peut ainsi se féliciter d’avoir adapté Colonna à la “brièveté française“ du temps de François 1 er en le réduisant sensiblement et Béroalde de Verville l’habille plus tard à la mode d’Henri IV. Lorsqu’on met les textes en regard, c’est précisément cette différence de nature qui devrait être visible par l’euidentia résultant de l’alignement des corpus. Apprentissage des langues et éditions bilingues La pratique des éditions parallèles, qui se développe avec la diffusion de l’imprimé et des littératures européennes à la Renaissance, semble imitée de la présentation des textes anciens et sacrés: sa transposition aux univers linguistiques des langues vernaculaires donne un certain lustre à ces nouveaux textes-sources, et signale en même temps que le lustre lui-même se vulgarise. Relativement rares au XVIe siècle, et tardives (du moins en France), elles peuvent être interprétées à l’inverse, dans le sens d’une valeur ajoutée: l’un des textes qui a donné lieu à un grand nombre d’éditions polyglottes en vernaculaire est un roman, l’Historia de Antonio y Isabel, de Juan de Flores, traduit en français par Gilles Corrozet en 1546, à partir de l’original espagnol et de sa version italienne, et après une première traduction française de 1529. Elle donne lieu ensuite à de multiples éditions bilingues, trilingues et même quadrilingues: ce cas été bien étudié par Maria Colombo Timelli et montre que ces éditions pouvaient être justifiées par l’existence d’un marché et donc, de 19 Cinquiesme Livre (1564: Prologue, 8). On ignore la date exacte de composition de ce livre, mais le Prologue, qui semble avoir été un „brouillon“ du Prologue du Tiers Livre, serait antérieur à 1546, et donc à la Deffence. 20 Huarte 1575 ; Bovelles 1973, passim. Marie-Luce Demonet 220 profits. 21 La valeur ajoutée se traduit, stricto sensu, en espèces sonnantes et trébuchantes. L’argument mis en avant est celui de l’apprentissage facile des langues: on le trouve dès la page de titre de l’édition italo-française du Cortegiano, traduit (ou plutôt retraduit, après la première version de Jacques Colin en 1537) par Gabriel Chapuys et dans ce titre de 1585 (1579 pour la première édition): Le Parfait courtisan… es deux langues, respondans par deux colonnes, l’une à l’autre, pour ceux qui veulent avoir l’intelligence de l’une d’icelles. De la traduction de Gabriel Chapuys Tourangeau. La préface de Chapuys ne fait pas allusion à cette présentation parallèle: elle mentionne en revanche que certains voudront recourir à la “vieille traduction“ et le traducteur leur répond: “A leur bon commandement; chacun n’est tenu lire que ce qui lui plaist“. 22 Cette disposition serait alors une preuve de la supériorité de sa traduction sur celle de Colin (ce qui est d’ailleurs tout à fait exact) car le lecteur pourra en juger lui-même. Les textes parallèles entrent ainsi dans le cadre de la dispositio au sens rhétorique car elle met devant les yeux, ponit ante oculos, la traduction élégante et actualisée. La colonne italienne est intérieure, en italiques assez serrées, la française extérieure en romain, ce qui prend plus de place. On voit tout de suite que Chapuys introduit des phrases-paragraphes dans les deux textes. Des blancs les isolent, car le traducteur a pu amplifier sa traduction en utilisant des binômes synonymiques ou des périphrases: forza est traduit par exemple par “force et vigueur“; temperanza est développé en “formez au patron et modele de ses vertueuses actions“, mais l’inverse peut se trouver aussi. 23 Ce sont en fait des paragraphes complètement artificiels: ils vont d’un point à un autre dans le texte original la plupart du temps et correspondent à des “phrases“ au sens moderne. La leçon d’Etienne Dolet a porté ses fruits, non seulement dans ses célèbres recommandations de La Manière de bien traduire une langue en une autre, de 1540, mais aussi dans le Traité de la ponctuation qui contient ses idées sur la période et sur la proposition. Il affirme explicitement que les segments qui les composent sont “communs à toutes les langues“. 24 Pourtant la traduction de Colin 25 , beaucoup plus littérale, truffée de néologismes et d’italianismes, voire de régionalismes, opère un découpage par la ponctuation qui ne correspond pas aux principes de Dolet alors que celui-ci écrit une préface pour la deuxième édition de 1538 en déclarant qu’il l’a revue, dénigrant ainsi l’édition concurrente (et encore plus archaïsante) publiée à Lyon chez Denis de Harsy l’année précédente. 21 Colombo Timelli 1997. 22 Chapuys 1585: - 5 r°. 23 Chapuys 1585: 12. Au paragraphe suivant, „carico alle mie forze disuguale“ est traduit par „que je ne puis supporter“. 24 Dolet 1540. 25 Michèle Lorgnet (1994: 74 sqq) a comparé les deux traductions sur le plan des figures mais non du lexique. Aligner textes originaux et traductions du XVI e siècle 221 La présentation des textes de 1537 et 1538 est très compacte: il n’y a aucune segmentation en paragraphes, mais les “chapitres“ sont clairement séparés par les lettres ornées, distinction hiérarchique qui disparaît dans le texte de Chapuys découpé en autant de “stances“ de traduction. Une comparaison alignée des versions de Colin et Chapuys, avec le texte original, ferait mieux apparaître la correspondance de certains termes. Au chapitre 17, Colin traduit par “fatrouilleries“ (des fatras) les novelluze, ces “nouveautés à la mode“ que sont les danses et divertissements, terme employé par un grossier homme de guerre et fort peu courtisan: Chapuys lui préfère “barbouilleries“, 26 traduction qui convient moins bien à des danses. Colin ne recompose pas les phrases, touche très peu à l’ordre, dans un respect du texte qui trahit souvent une incompréhension manifeste. 27 Le texte italien-français de 1574 d’Aurelio et Isabel, en vis-à-vis sur deux pages séparées, présente un découpage rationnel et efficace. 28 La correspondance est établie presque ligne à ligne: la première et la dernière ligne se regardent au mot près. Le découpage des sections de chapitre est le même. En revanche, le découpage intérieur aux paragraphes est différent, du fait de l’usage divergent de la ponctuation: la traduction française suivrait les recommandations de Dolet, mais pas la version italienne. Une période commençant par “Hora questo per ispediente“ (ligne 7), est segmentée du côté italien en clauses délimitées par des deux-points: le traducteur a séparé la protase de l’apodose par une ponctuation forte, un point, ce qui permet de reprendre son souffle avant “toutefois“. Cette divergence, plutôt en faveur du traducteur, révèle une conception sensiblement différente du rythme de la période. Cela est d’autant plus manifeste lorsqu’on regarde l’original espagnol, et que l’on observe l’édition de 1596, espagnole-française (la version française n’est que peu changée): on voit que la séparation entre protase et apodose correspondait en fait à deux phrases différentes, d’autant plus marquées par la présentation que l’impression va à la ligne. Le traducteur français a préféré le rythme de l’original espagnol. Du parallélisme d’époque à la notion de “corpus alignés“ Ces observations sur la segmentation de la phrase peuvent servir aux projets de publication d’éditions plurilingues en ligne. L’apparition des éditions bilingues à la Renaissance encourage à utiliser les possibilités de confrontation entre texte et traductions, à les organiser en corpus polyglottes 26 Colin 1538: 26 v° ; Chapuys 1585: 64. Fatrouiller, mot assez rare, se lit chez Rabelais au Cinquiesme Livre (chap 27, 1564: 131) dans un sens „libre“ de „farfouiller“ ou de „patouiller“. Il se trouve aussi chez Molinet, Geoffroy Tory, Roger de Collerye, et dans le sens de bavarder. 27 Par exemple, Colin traduit indignata par „desdaignée“ (1538: 19 v°), ce qui, pour une dame courtisée, n’est pas adéquat… Chapuys rétablit „indignée“. 28 Flores 1574: 8-9. Marie-Luce Demonet 222 et à en systématiser l’exploitation permise par le traitement informatique. Pour cela, il faut que les textes soient disponibles en mode texte, et très peu le sont à l’heure actuelle pour cette période qui constitue pourtant un atelier de choix pour l’histoire des pratiques de traduction. Ensuite, il faut savoir ce que l’on veut en faire et encoder d’une manière qui soit utile à tous, interprétable par les navigateurs et récupérable en “open source“. L’alignement informatisé des textes permet de faciliter la recherche immédiate du texte original correspondant, ou dans l’autre sens, car les segments auront le même numéro dans tous les textes. À l’intérieur des segments numérotés, il est possible de baliser le lexique, les différences notables et les interventions du traducteur, de façon à pouvoir les récupérer ensuite sous forme de listes. Cette annotation spécifique, qui fait entrer une assez grande part de subjectivité, constitue la toute dernière étape de la comparaison automatisable. La finesse de l’encodage des modifications opérées par le traducteur dépend entièrement de l’objectif recherché et peut difficilement être normée, le “changement de signification“ étant particulièrement délicat puisqu’il fait intervenir l’appréciation variable du chercheur. Il s’agit encore moins d’encoder des “stylèmes“, sur lesquels les spécialistes devraient déjà s’entendre. Le cas de Jean Martin est caractéristique de la difficulté, non seulement à attribuer un texte à un traducteur pour lequel nous avons déjà d’autres traductions attestées, mais encore à juger de ce que peut être un “bon“ traducteur et un traducteur “honnête“. Certains lui attribuent la traduction du Roland Furieux de l’Arioste, lui trouvant des “facettes de pure poésie“ 29 qui feraient la différence avec les autres, mais de nouvelles solutions ont été proposées ces dernières années: Jacques Vincent (J. Balsamo), Denis Sauvage (M. Huchon), Jean des Gouttes (Toshinori Uetani). 30 Les spécialistes de la traduction à la Renaissance ont souvent travaillé par auteur ou par domaine, étudiant de façon très détaillée le degré de fidélité, d’inventivité lexicale, d’appropriation stylistique ou de créativité, posant cette question fondamentale: “ce traducteur est-il un auteur“? Ces discussions pourraient s’appuyer sur une présentation éditoriale grâce à un outil de visualisation des textes et des éléments linguistiques sélectionnés. Une solution assez simple en apparence consiste à délimiter des segments numérotés, qui correspondent idéalement aux phrases-paragraphes de Chapuys. Cette segmentation permet d’envisager non seulement des textes isolés, mais un ensemble de traductions qui formeraient corpus. Or une branche de la linguistique actuelle s’intéresse tout particulièrement aux corpus parallèles et développe des outils pour en systématiser l’alignement. Celui-ci a pour objectif d’extraire automatiquement des lexiques bilingues, souvent en sciences, en droit ou dans les textes 29 Lorgnet 1999: 206. 30 Uetani 2008. Aligner textes originaux et traductions du XVI e siècle 223 administratifs. À notre connaissance, cette possibilité ne semble pas avoir été exploitée pour les textes anciens, 31 car il faut d’abord aligner les textes selon des normes homogènes avant de leur appliquer un traitement textométrique. La constitution d’un tel corpus permettrait sans doute de découvrir des équivalences linguistiques qui ne sont pas proposées par les dictionnaires. Beaucoup de linguistes travaillent sur l’automatisation de la traduction, qui représente un marché considérable. Ils cherchent à tirer parti de ces “corpus parallèles“, dont les “corpus alignés“ sont un cas particulier. Maintenant que l’informatisation des textes a fait de notables progrès grâce à l’adoption du langage XML, il est intéressant de voir ce que le philologue peut en faire en utilisant les ressources du Traitement Automatique du Langage (TAL). Seraient ainsi remplacés les tableaux de correspondances sous Word ou Excel qui font apparaître en gras ou en italiques les transformations opérées par le traducteur. Une nouvelle visualisation pourrait être appliquée à la mise en évidence des traductions-plagiats, lorsqu’un auteur utilise sans le dire un texte d’autrui écrit en une autre langue, d’une façon suffisamment littérale pour que l’on puisse parler d’emprunt non identifié; ou lorsqu’un traducteur prétend effectuer une nouvelle traduction, alors qu’il ne fait que toiletter la précédente (les exemples en sont très nombreux), et la comparaison, lorsqu’elle doit s’effectuer sur un texte entier, est particulièrement fastidieuse. Beaucoup de nos collègues l’ont fait pour tel ou tel texte, mais leurs résultats ne peuvent pas être partagés dans une présentation en traitement de texte. Le principe exposé ici consiste à mettre en commun ces nombreuses comparaisons de textes en leur proposant un format commun, une sorte de “feuille de style“ pour traductions alignées, que celles-ci existent déjà à l’époque dans les éditions bilingues, ou que l’on choisisse de les mettre en regard. Il est sage de se limiter d’abord à l’alignement de phrases: aligner les mots étant déjà difficile avec des corpus modernes, 32 il l’est à plus forte raison avec des corpus publiés dans des états anciens de langue, non régularisés. Pour les traductions de la Renaissance, l’entreprise semble irréalisable de façon automatique, étant donné la malléabilité des phrases et la mobilité du lexique, ne serait-ce que par ces fameux binômes synonymiques pratiqués en français. L’absence de régularisation directe signifie que les transcriptions respectent les graphies et la ponctuation originales sans modernisation; si l’on commence à moderniser, il faut le faire pour tous les textes, sources et cibles, et ce long travail élimine ensuite les possibilités de comparer des graphies et remet en cause les segmentations originales. L’expérience montre que la prétendue restitution de la 31 Se fondant sur les expériences réalisées dans les années 1980, Michèle Lorgnet (1999: 196, n. 6) éloigne d’emblée cette méthodologie. 32 Voir Zimina 2004. Marie-Luce Demonet 224 ponctuation ne va pas de soi, et plusieurs spécialistes de Rabelais et de Montaigne, par exemple, sont incapables de se mettre d’accord sur la modernisation de la ponctuation. En revanche, des textes régularisés en utilisant le balisage TEI pourraient tirer parti de la double présentation du texte. Comment segmenter? À condition que le point soit considéré comme un repère acceptable pour la segmentation du texte-source, l’alignement de phrase est automatisable, avec une validation manuelle si nécessaire. Il est efficace pour les langues modernes avec un taux de réussite élevé (98,5% quand il n’y a pas d’omission), 33 mais l’alignement lexical est beaucoup plus difficile. Le balisage des segments s’effectue en plaçant au niveau du point la balise adéquate selon les recommandations de la TEI: , comme “segmentation“ 34 . Un élément <s> ne peut pas en contenir un autre et implique que le précédent a été achevé: le texte entier doit être balisé de cette façon et il y a une référence unique pour cette portion de texte. Il est indépendant du lignage original, qui peut varier d’une édition à l’autre: la balise <lb> (linebreak) et celles qui correspondent au paragraphe (<p>) et à la page (pb) sont maintenues, comme on peut le voir sur l’exemple ci-dessous, mais l’alignement ne tiendra compte que des balises <s> et les requêtes de même. Il faut bien distinguer ce qui relève de l’affichage éditorial et les codes qui permettent la recherche multi-colonnes. 35 Tous les segments ont un numéro et un code, ce qui permet de constituer une topographie biou multi-textuelle. On a vu que le découpage de la phrase était rarement identique à celui de l’original. Il faut donc choisir de segmenter le texte original selon une édition déterminée, de laquelle on partira toujours, pour bénéficier d’un système fixe de référence. La segmentation de la traduction devra être attentive à la correspondance des phrases qui peuvent être sous-segmentées ou au contraire amplifiées. Elle suppose un travail d’expert: s’il est assez long, il a l’avantage de pouvoir être réutilisé par autrui. 33 Véronis 2000. 34 Pour une description de la balise <s>, voir les TEI Guidelines (février 2008), chapitre 16. 35 Le consortium TEI travaille actuellement à la gestion et à l’affichage par les navigateurs des textes en colonnes. C’est une étape importante dans l’évolution des bases de données que l’adaptation aux interfaces exigées par le Web: elle se distingue très nettement des traitements automatiques effectués dans des systèmes non ouverts. La gestion des césures de fin de ligne, indispensable si l’on veut respecter la présentation originale, n’a été que tout récemment résolue par la création d’une nouvelle balise. Aligner textes originaux et traductions du XVI e siècle 225 Exemple d’alignement tout théorique (et non validé par la TEI! ) pour la traduction du Songe de Poliphile: Hypnerotomachia, 1499, chapitre 1 (avec lignage restitué), éd. M. Pozzi (en ligne sur „Liber“, projet Manuzio) Traduction de J. Martin (1546) révisée par Béroalde de Verville, 1600 (prochainement en ligne sur BVH) [...] <p> <s n="007">In quella medesima hora che gli colorati fiori dal veniente figliolo di<lb/ >Hyperione, el calore ancora non temeano nocevole.</ s> <s n="008"> Ma delle fresche la<lb/ >chryme de Aurora irrorati et fluidi erano et gli virenti prati.</ s> <s n="009"> Et Halcyo-<lb/ >ne sopra le aequate onde della tranquilla Malacia et flustro mare, ad gli sa<lb/ >buleti litori appariano di nidulare.</ s><s n="010"> Dunque alhora che la dolente Hero<lb/ >a ii<lb/ > </ p> <p> ad gli derosi littori el doloroso et ingrato decessio del natante Leandro<lb/ >caldamente sospirava.</ s><s n="011"> Io Poliphilo sopra el lectulo mio iacendo, opportuno amico del corpo lasso, niuno nella conscia camera familiare essen-<lb/ >do, se non la mia chara lucubratrice Agrypnia, la quale poscia che me-<lb/ >co hebbe facto vario colloquio consolanteme, palese havendoli facta la<lb/ >causa et l’origine degli mei profundi sospiri, pietosamente suadevami al<lb/ >temperamento de tale perturbatione.</ s><lb/ >... [segments 1 à 6 non traduits] <p> <s n="007">Faisant plusieurs desseins, je remuois mes imagina- <lb/ >tions, & me retournois en mon lict, sans repos, plein de con<lb/ >tinuelles inquiétudes, ce que je continuay long temps, & mes- <lb/ >mes jusques au point que le Soleil n'avoit pas encor assez <lb/ >avancé ny ses quatre chevaux ny son chariot pour repren-<lb/ >dre la route à revenir sur nostre hémisphère: </ s><s n="010"> C'estoit <lb/ >possible à l'heure que jadis la triste Héro conduisoit son désiré Leandre, qui retournoit de ses consolations amoureuses, <lb/ >un peu devant l'instant que les avantcoureurs du jour qui sont autour des gemeaux viennent espandre cette douceur qui endort ceux qui ont veillé.</ s><s n="011"> Adoncques sollicité de mes pensées n'ayant prés de moy que ma chere <lb/ >Agrypnie qui me consoloit au pris que la pitié l'esmouvoit, oyant mes douloureux<lb/ >souspirs, je luy déclarois mes angoisses, & elle me donnoit conseil de patienter <lb/ >en mes afflictions; à quoy me pensant disposé elle me laissa seul consumer les der- <lb/ >nieres minutes, que j'avois à veiller, durant lesquelles je discourois à part moy.</ s><lb/ > </ p> Marie-Luce Demonet 226 Naturellement, l’affichage de la page sur le navigateur est “propre“ et ne montre pas les codes. En revanche, le système de visualisation 36 permet de faire en sorte que, lorsqu’on glisse la souris sur un segment, on voit apparaître son numéro, et un clic permet d’aller sur le segment correspondant dans l’autre colonne. Dans le cas présent, plusieurs segments de l’original ont été concaténés en un seul par le traducteur (7-8-9). Une autre commodité de ce type d’encodage est de pouvoir comparer deux traductions différentes, ou deux états de la même traduction, comme dans le cas de Jean Martin et de l’adaptation de Béroalde, ou entre Colin et Chapuys. Le même encodage peut aussi servir à comparer deux éditions d’un même texte, suffisamment différentes pour que la double saisie en vaille la peine. Les développements actuels du consortium TEI, qui établit des protocoles pour différents types de texte, laissent espérer une adaptation particulière aux traductions. La dimension collaborative et internationale de ce travail a l’avantage du partage des solutions et de discussions ouvertes avec les usagers. L’alignement, outil d’analyse de la traduction-plagiat Le néolatin serait à mettre dans le même ensemble, sauf que la méconnaissance de l’original par le lecteur est moins certaine: la traduction peut être de connivence, par exemple lorsque Marot traduit de façon relativement fidèle “L’oraison contemplative devant le Crucifix“, dont l’original latin était dû à son contemporain Nicolas Barthélemy de Loches, bien connu au moment de la circulation du texte dans les années 1520. 37 La pièce précédente de l’Adolescence clementine en revanche, avoue la traduction pour “Les tristes vers de Beroalde“, et on ignore les raisons de cette différence de traitement. Le cas d’une traduction-plagiat en latin, à partir d’un texte en langue vernaculaire est en revanche beaucoup plus rare, étant donné le statut inférieur accordé au deuxième. Voici pourtant un passage extrait du De litteris pereuntibus Libellus, d’un certain Martin Simon, rencontré par hasard, et qui suscite quelques échos d’un texte français bien connu: Martin (ou Maturin) Simon, De litteris pereuntibus Libellus (1618: 157) Montaigne, Essais, III, 6, “Des coches“ (texte de 1595; 1965: 908) <s n="1">Mundus noster novum alium nuper retexit (& quis affirmare audebit illum fratrum suorum ultimum esse, cum tot annos a <s n="1">Nostre monde vient d'en trouver un autre (et qui nous respond si c'est le dernier de ses freres, puis que les Dæmons, les 36 Ce système sera accessible grâce à une plate-forme de visualisation développée par le laboratoire AVIZ de l’INRIA (dirigé par Jean-Daniel Fekete). Elle permet de visualiser les régularisations et les listes qui ont été marquées dans le ou les textes. 37 Marot 1538: xxvi r°. Aligner textes originaux et traductions du XVI e siècle 227 Sybillis, & a nobis ignoratus fuerit) non minorem, neque minus plenum altero, sed tamen tam rudem et impolitum, ut in rudimentis pietatis, & rerum omnium nostrarum edocetur. <s n="2"> Ante 60 annos ignorabat quid essent litterae, quid librae, quid pondera, quid numeri, quid vestimenta, quid segetes, quis vina. <s n="3"> Adhuc nudus in gremio, & sinu matris natura indulgentissimae delitescebat […]. <s n="4"><s n="5"> Mundus universus, (quae fatuitas) in paralysim incidet membro uno invalidus, altero vigens, et florescens. Sybilles, et nous, avons ignoré cettuy-cy jusqu'à c'est heure ? ) non moins grand, plain, et membru, que luy: toutesfois si nouveau et si enfant, qu'on luy apprend encore son a, b, c: <s n="2"> Il n'y a pas cinquante ans, qu'il ne sçavoit, ny lettres, ny poix, ny mesure, ny vestements, ny bleds, ny vignes. <s n="3"> Il estoit encore tout nud, au giron, et ne vivoit que des moyens de sa mere nourrice. <s n="4"> Si nous concluons bien, de nostre fin, et ce Poëte de la jeunesse de son siecle, cet autre monde ne fera qu'entrer en lumiere, quand le nostre en sortira. L'univers tombera en paralysie: l'un membre sera perclus, l'autre en vigueur. Les lecteurs de Montaigne auront reconnu la traduction en latin du célèbre passage du chapitre des Essais, “Des Coches“, seulement travesti par la langue. Nulle mention de Montaigne dans l’ouvrage, alors que les Essais ont visiblement servi de réservoir à plusieurs des arguments développés par l’auteur pour montrer la décadence des lettres. C’est un bon exemple de traduction-plagiat, mais on peut aussi considérer que le plagiat est une forme particulière de traduction. Feuilleté par curiosité alors que nous consultions l’édition de Francfort de 1618 du Quod Nihil Scitur de Francisco Sanchez à la bibliothèque de Strasbourg, il figure à la suite de ce monument sceptique 38 . La personnalité de l’auteur est évoquée dans une édition de Francfort (1716), préfacée et amplement annotée par Hermann ab Elswich, qui élucide de nombreuses sources pour ce passage, mais ignore les Essais 39 . Ce Martin ou Maturin Simon était un jurisconsulte français, estimable semble-t-il. S’il 38 L’ensemble, sur l’exemplaire de la Bibliothèque nationale, est intitulé De Multum nobili et prima universali scientia quod nihil scitur, deque Literarum pereuntium agone... libelli singulares duo, comme s’il s’agissait du même auteur. Sur l’exemplaire de Strasbourg, le nom de Sanchez a été ajouté à la main sur la page de titre du Quod nihil scitur, mais il y a bien une page de titre séparée pour le 2 e traité. Le nom de Maturin Martin y est imprimé, estropié ensuite par Moreri en Saturnin Simoni car il le croyait italien. Un traité De Poenitentiae ritu in vetere ecclesia, dispunctiunculae (sic) est signé Maturino Simonio, Angers, s. e., 1621 (BnF), et n’éclaire guère l’identité de cet auteur. 39 Simon 1716: l’éditeur le place dans la lignée des Alciat, Baudoin, Duaren, Cujas, Hotman, et signale une controverse avec le père Pétau (préface). Marie-Luce Demonet 228 n’avait pas une conscience particulière de la propriété intellectuelle ni du balbutiant droit d’auteur, il est indéniable cependant qu’il a fait un travail de traducteur dans ce texte que son éditeur luthérien considère comme possédant quelques lumières, malgré son “fanatisme papiste“. En effet, l’idéologie (sinon le papisme) apparaît dans le résultat de la traduction, comme lorsqu’il ajoute “in rudimentis pietatis“, alors que Montaigne explique que les Indiens d’Amérique sont à bien des égards infiniment plus pieux que nous. Une fois le texte des Essais balisé et segmenté dans sa version la plus complète (1595), l’alignement de la traduction-pirate peut s’effectuer rapidement avec les balises proposées et faire apparaître les modifications; on peut ensuite baliser celles-ci manuellement et les récupérer sous forme de listes et de concordances. Pour un ouvrage comme celui-ci, où la traduction semble ponctuelle et mélangée à de nombreux autres emprunts, la méthode est sans doute trop lourde pour être appliquée à un seul chapitre. Mais l’application de la segmentation et de sa numérotation est en elle-même instructive, même pour un court passage, révélant ajouts et manques, mettant en évidence les choix lexicaux et permettant un double affichage satisfaisant. Ainsi les corpus alignés, humanistes ou modernes, philologiques ou futuristes, qui pourraient faire penser à un encadrement rigide du texte, offrent au contraire des possibilités de “conférence“ multilingue des textes et des traductions. Tout ce qui résiste à l’alignement pourrait-il relever du génie des langues, de l’auteur ou du traducteur ? faut-il proposer une balise <genius> comme “génie“, universelle, qui n’aurait qu’exceptionnellement un correspondant dans le texte d’en face ? Plus modestement, il paraît déjà important que notre appréhension des textes puisse être partagée dans le travail collaboratif des archives ouvertes, ce qui est un atout majeur pour l’appréciation du dialogue des langues dans l’histoire. Aligner textes originaux et traductions du XVI e siècle 229 Le Parfait Courtisan…, Paris, N. Bonfons, 1585, BnF, Gallica (traduction G. Chapuys) Marie-Luce Demonet 230 Références Béroalde de Verville 2008: François Béroalde de Verville, Tableau des riches inventions… qui sont representées dans le Songe de Poliphile, Paris, M. Guillemot, 1600. http: / / www.bvh.univ-tours.fr (mode image et transcription) et Gallica (mode image). Bovelles 1973: Charles de Bovelles, Liber de differentia vulgarium linguarum, et Gallici sermonis varietate, Paris, R. Estienne, 1533; Colette Demaizière trad. et ed., Paris, Klincksieck, 1973. Castiglione: voir Colin et Chapuys Chapuys 1585: Le Parfait courtisan… es deux langues, respondans par deux colonnes, l’une à l’autre, pour ceux qui veulent avoir l’intelligence de l’une d’icelles. De la traduction de Gabriel Chapuys Tourangeau, Paris, Nicolas Bonfons, 1585. Gallica. Cicéron 1556: M. Tul. Ciceronis Academicarum quaestionum secundae editionis, liber primus, Paris, C. Wechel, 1556, Léger Du Chesne ed, BNF rés P X 510 (5). 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Norbert Greiner Die Anfänge des deutschen ‚Regietheaters’ - der adaptierende Umgang mit Much Ado about Nothing von Wieland bis Goethe Die Wege und Abwege des „Regietheaters“ füllen seit geraumer Zeit die Feuilletons der deutschen Presse, sogar der Bundespräsident hat sich eingeschaltet, um ein „originaltreues“ Klassikertheater bittend. Insofern kam die Anfrage, ob ich zu diesem Symposium etwas beizutragen hätte, willkommen - erlaubt die Fragestellung doch, die Anfänge des deutschen Theaters und die bürgerlichen Grundlagen der Bühnenbearbeitungen in den Blick zu nehmen und an den schon von Thomas Mann 1907 in seinem „Versuch über das Theater“ betonten Unterschied von Drama und Theater zu erinnern. Einer der darin entwickelten Grundgedanken bestand aus dem Hinweis, dass das Theater ohne die Dichtung bestehen könne. Das Wesen des Theaters sei seine „Sinnlichkeit“, worunter er nicht zuletzt die unmittelbare „Augenscheinlichkeit“ und damit die flüchtige Gegenwärtigkeit des Theaters verstand. Der stets unmittelbare, aber daher auch flüchtige Charakter des Theaterereignisses habe recht wenig mit Literatur zu tun: „Die Aufführung ist das Kunstwerk, der Text ist nur eine Unterlage.“ 1 Insofern stellt sich auch die Frage nach dem Treueverhältnis bei einem Dramentext anders als bei einem literarischen Werk. Die Aufführung muss den Zuschauer in seiner zeitgenössischen Eingebundenheit in Konventionen und Normen des Geschmacks im Auge behalten, die seine Aufnahmefähigkeit und -bereitschaft stärker regeln als bei der verweilenden Lektüre eines Textes. Auch ist die Gebundenheit des Theaterereignisses, welches ja stets ein soziales und öffentliches Ereignis ist, an die Tendenzen des öffentlichen Geschmacks höher zu veranschlagen als bei der Lektüre eines Textes, selbst wenn dieser einen provozierenden Gestus verrät. Eine an der zeitgenössischen Theaterästhetik ausgerichtete Inszenierungspraxis war daher seit jeher die Richtlinie des fortschrittlichen, heute als klassisch rezipierten, deutschen Theaters. Es gibt eine eminente Tradition des theatralen Umgangs mit Texten und Traditionen, der recht leicht zu entnehmen ist, dass immer dort, wo es zu Höhepunkten der Rezeption oder besonders interessanten und folgenreichen Formen übersetzerischer Aneignung von fremdkulturellen Impulsen kommt, es selten oder nie um „Originaltreue“ ging, sondern stets um einen lebhaften Dialog zwischen den Kulturen, der 1 Thomas Mann, „Versuch über das Theater“, in: Essays I. 1893-1914. Große kommentierte Frankfurter Ausgabe Bd. 14.1 (Frankfurt/ M., 2002), 123-168, hier 154. Norbert Greiner 234 sich aus den changierenden Textverständnissen und Textbearbeitungen ergab - ein Dialog, dessen Positionen sich gerade aus den unterschiedlichen theatralen Realisierungen des vermeintlich selben Textes ableiten lassen. Ein Blick sowohl auf die Theaterals auch die Übersetzungspraxis des 18. Jahrhunderts würde dies leicht belegen können. Dafür ist hier nicht der Rahmen. 2 Es sei aber an zwei bekannte Phänomene erinnert, die im gegebenen Zusammenhang ein neues Gewicht bekommen und meine These zu erläutern helfen. Voltaires berühmte Übersetzung des Hamlet-Monologs bezeichnet den Ausgangspunkt der bewussten, poetologisch motivierten Shakespearerezeption auf dem Kontinent. Seine Übersetzungsstrategien für dieses kleine Unternehmen bestimmten das Vorgehen nachfolgender Übersetzer: Ersetzung des Blankverses durch Alexandriner, also durch die Versform der französischen Tragödie; Anhebung der Diktion des Textes durch Auslassung drastischer Bilder und Begriffe; Verschärfung der kritischen Bemerkungen gegenüber Obrigkeit und Klerus. 3 Das besagt: In dieser frühen Phase Voltaires, in der die Bewunderung für die neue Dramaturgie überwiegt, übersetzt Voltaire aus Respekt vor Shakespeare nach den Maßstäben des französischen Theaters seiner Zeit. Das wird bemerkenswert erst unter dem Gesichtspunkt, dass er später das Gegenteil macht, nämlich wörtlich, wir würden sagen: „originalgetreu“, übersetzt. Nachdem nämlich Voltaire begriffen hatte, dass er mit seiner Shakespeareverehrung die Grundlagen seiner eigenen Theaterästhetik untergraben hatte, wandte er sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts gegen Shakespeare und die zunehmende Shakespeareverehrung in Frankreich und Deutschland. In seinem anonym veröffentlichten Appell à toutes les nations de l’Europe des jugements d’un écrivain anglais versucht er, mit einer ebenso witzigen wie boshaften Inhaltsparaphrase dieser Tragödie, alle als „Fehler“ dieser Dramaturgie geltenden Eigenheiten des Textes besonders hervorzuheben und das Werk in seiner Geschmacklosigkeit bloßzustellen. Dieser Zweck erst veranlasst ihn, 2 Vgl. zur Übersetzungsgeschichte von Shakespeares Dramen im 18. Jahrhundert Norbert Greiner, „Shakespeare und seine Übersetzer“, in: Albert Glaser und György M. Vajda, Hrg., Die Wende von der Aufklärung zur Romantik 1760-1820, Comparative History of Literatures in European Languages 14 (Amsterdam, 2001), 613-632; zur Übersetzung von Komik im 18. Jahrhundert ders., „Lach- und Sprachkulturen: Soziokulturelle Varianten bei der Übersetzung englischer Lustspiele ins Deutsche im 18. Jahrhundert“, in: Fritz Paul u.a., Hrg., Europäische Komödie im übersetzerischen Transfer (Tübingen, 1993), 25-48; mit besonderer Berücksichtigung Shakespeares und der Übersetzung Wielands ders., „The Comic Matrix of Early German Shakespeare Translation“, in: Dirk Delabastita und Lieven D’Hulst, Hrg., European Shakespeares. Translating Shakespeare in the Romantic Age (Amsterdam und Philadelphia, 1993), 203-217; sowie zu den historischen und ästhetischen Grundlagen „originaltreuer“ bzw. „freier“ Übersetzungen ders. Übersetzung und Literaturwissenschaft. Grundlagen der Übersetzungsforschung (Tübingen, 2004). 3 Vgl. Arnold Miller, „Voltaire’s Treason: The Translation of Hamlet’s Soliloquy“, in: Michigan Germanic Studies 15 (1989), 136-159, hier 149. Der adaptierende Umgang mit Much Ado about Nothing von Wieland bis Goethe 235 eine wörtliche Übersetzung des ehemals frei übersetzten Hamlet-Monologs zu verfassen. 4 Voltaires Übersetzungen sind nicht nur Belege für die sich wandelnden Akzente seines Shakespearebildes. Viel interessanter für uns ist die Tatsache, dass Voltaire, wenn er Shakespeare herabsetzen möchte, diesen wörtlich übersetzt; dass er aber, als er ihn lobend als Musterbeispiel für eine neue Möglichkeit der Tragödie vorstellen wollte, diesen adaptierte. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts holte Deutschland im Wesentlichen nach, was in Frankreich geschah. Lessings darüber hinausgehende Positionen apropos Shakespeare sind bekannt. Bei Lessing geht es allerdings nicht um die Frage von Übersetzung oder Adaptation, sondern um poetologische Prinzipien. Ebenso bekannt sind die Prinzipien der von Lessing geforderten und durch Bodmer angeregten Übersetzung Wielands. Wieland übersetzt den Text so wörtlich wie ihm möglich, aber seine kritischen und im Verlauf der Arbeit immer zahlreicher werdenden Anmerkungen verraten, dass auch er sich eine unbearbeitete Fassung auf der Bühne nicht vorstellen konnte. Fünf Bereiche sind es, die er an Shakespeare zu bemängeln hatte: die Verstöße gegen die Wohlanständigkeit; das Unlogisch-Irrationale; die gegenüber dem aufklärerischen Sprachstil als schwülstig empfundene Metaphorik und Bildersprache; die Wort- und Witzspiele, die den guten Geschmack in moralischer und stilistischer Hinsicht verletzten; und schließlich das Ineinander von Hoch und Niedrig, von Ernst und Spaß. 5 Allein, nichts wäre falscher, als in diesem Über- 4 Vgl. Isabelle Landy-Houillon und Maurice Menard, Hrg., Burlesques et formes parodiques dans la literature et les arts (Tübingen, 1987), 497 und Theodore Besterman, „Voltaire on Shakespeare”, in: Studies on Voltaire and the Eighteenth Century 54 (Genf, 1967), 119ff. Das gleiche gilt dann im Übrigen auch für seine Übersetzung der Brutusrede aus der 3. Szene des II. Aktes von Julius Cäsar, dem zweiten Stück, das neben Hamlet Voltaires besondere Aufmerksamkeit hervorrief. Dies führte zu einer Übersetzung der ersten drei Akte des Julius Cäsar, die er dem Kommentar einer Corneille-Ausgabe hinzufügte, die er zu jener Zeit herausgab. Auch diese Übersetzung gibt vor, einschließlich des Blankverses, eine genaue Wiedergabe des Originaltextes zu liefern. Die Genauigkeit geht dabei soweit, dass eben jene Stellen, die als Verstoß gegen die klassizistische Ästhetik bewertet wurden, in aller Deutlichkeit hervortreten. Insofern schließt diese Übersetzungsstrategie an die „wörtliche“ Übersetzung des Hamlet-Monologs, also an die zweite Übersetzung des Hamlet-Monologs, an. 5 Sehr häufig verfährt der Übersetzer, wenn er auf ein Wortspiel mit eindeutig sexuellen Untertönen, auf Passagen oder ganze Dialoge von „abstoßender Immoralität“ stößt, radikal. Er lässt sie aus. Manchmal entschuldigt er sich für diese Auslassung und führt sie auf mangelndes übersetzerisches Vermögen zurück. So heißt es an einer Stelle: „Die Antwort der Beatrix hierauf dreht sich um Wortspiele, die sich nicht übersetzen lassen.“ Ein andermal kommentiert er ein Bettgeplänkel zwischen Liebenden: „Der Scherz liegt hier in einem Wortspiel, das in der Übersetzung verloren geht.“ An anderer Stelle wird er deutlicher. Gröbere, obszönere Wortspiele rufen seine Entrüstung hervor: „Margarete füllt indessen diese kleine Szene mit großen Lobeserhebungen des Brautkleides, und mit etlichen etwas freien Scherzen und Wortspielen aus, die vollkommen in dem Charakter einer impertinenten alten Kammerjungfer sind.“ Und später: „ Man muss hier sowohl einige zweideutige Scherze, […], als einen kleinen Monolog […], weil es unmöglich ist, sie in irgendeine Sprache zu übersetzen.“ So geht es durchgängig weiter. Norbert Greiner 236 setzungswerk und in dieser Übersetzungsstrategie eine Exzentrizität zu sehen, die eine Ausnahme bleibt. Kein Geringerer als Lessing, dessen Zeitgenossen an Wielands Übersetzung herummäkelten, urteilt im fünfzehnten Teil der Hamburger Dramaturgie über Wielands Übersetzung weitgehend positiv. Erst bei Eschenburg finden wir den unbedingten Bezug auf das Original, frei von jeder normativen Auslese. Alle Wielandschen Auslassungen wurden ergänzt. Er scheute weder vor dem thematisch Anstößigen zurück, noch vor den bis dahin bemäkelten stilistischen Eigenheiten, wie Wortspielen, Sprachwitz, Derb-Komischem. Das Vorgehen Eschenburgs darf als erster Versuch gewertet werden, das Original auch formal als verbindlich zu betrachten. 6 Aber was leistet diese Wörtlichkeit und Originaltreue? Vor dem Kunstsinn der Theaterschaffenden und der Dichter hielt Eschenburg jedenfalls nicht Stand. Deshalb fiel auch besonders Schillers Kritik heftig aus. In einem Brief an Schlegel vom 11. März 1796 spricht er von einem „Erzphilister“, dem „traurige[n] Eschenburg“, dessen Werk sich auszeichnet durch „prosaische Dürre“ und „leblose Steifheit“. 7 Wieder haben wir einen merkwürdigen Befund: Zwar wird mit der Originalnähe nicht mehr der Zweck verfolgt, Shakespeare zu denigrieren; aber die Originaltreue ist alles andere als willkommen. Auf der Bühne trägt der Dichter Wieland mit seinen adaptierenden Übersetzungen den Sieg vor dem philologisch wesentlich versierteren und genaueren Eschenburg davon. Schließlich, und das ist mein zweiter Hinweis auf die allgemeinen Rahmenbedingungen, sei in diesem Zusammenhang an Lessings Empfehlung für den Umgang mit englischen Komödien erinnert. Grundsätzlich empfahl er den deutschen Bühnen diese Komödien als Vorbilder, wenn auch mit einer entscheidenden Einschränkung: Die englische Manier in diesem Punkte [der Handlungsführung] zerstreuet und ermüdet uns; wir lieben einen einfältigen Plan, der sich auf einmal übersehen läßt. So wie die Engländer die französischen Stücke mit Episoden erst vollpropfen müssen, wenn sie auf ihrer Bühne gefallen sollen; so müssten wir die englischen Stücke von ihren Episoden erst entladen, wenn wir unsere Bühne glücklich damit Hier beklagt er ein „jämmerliches Wortspiel“, dessen Auslassung er begründet. Dort entschuldigt er sich für einen Übersetzungsversuch: „Der Übersetzer nimmt, wie man ihm auch ohne diese Protestation verhoffentlich zutrauen würde, an diesen und ähnlichen profanen Einfällen […] keinen Anteil; […] Das Schlimmste daran ist, dass diese Späße profan und frostig zugleich sind.“ Vgl. Greiner, „Comic Matrix…“, 207-209. 6 Vgl. Jürgen Wertheimer, „’So macht Gewissen Feige aus uns allen’: Stufen und Vorstufen der Shakespeare-Übersetzung A.W. Schlegels“, in: Roger Bauer, Hrg., Das Shakespeare-Bild in Europa zwischen Aufklärung und Romantik (Bern, Frankfurt/ M. u.a., 1988), 201-225, hier 204. 7 In: Hansjürgen Blinn, Hrg., Shakespeare-Rezeption. Die Diskussion um Shakespeare in Deutschland, 2 Bde. (Berlin, 1982), Bd. II, 38. Der adaptierende Umgang mit Much Ado about Nothing von Wieland bis Goethe 237 bereichern wollten. Ihre besten Lustspiele eines Congreve und Wycherley würden uns, ohne diesen Aushau des wollüstigen Wuchses, unausstehlich sein. 8 Wie ein solcher Aushau aussehen konnte, zeigt ein Blick auf Much Ado About Nothing, deren Transduktionsprozess besonders facettenreich ist. Diese Komödie bot sich vor allem an, da sie - neben dem Merchant of Venice - noch am ehesten den Gattungserwartungen der zeitgenössischen Komödienpoetik entsprach: Das Figurenensemble ähnelt im Grunde dem Ideal der bürgerlichen Kleinfamilie oder lässt sich leicht darauf zurechtstutzen, und das zentrale Handlungsmotiv - Werbung einer Gattin und Planung einer Ehe - entspricht dem geläufigen Handlungsmotiv eines jeden bürgerlichen Stücks, sei es Lust- oder Trauerspiel. Johann Jakob Engel, Der Vermählungstag Mit Johann Jakob Engels Stück Der Vermählungstag entstand bereits Ende der siebziger Jahre eine Bearbeitung für die Bühne, die vermutlich am 20. September 1779 in Schröders Hamburger Theater uraufgeführt wurde. 9 Schon die Skizze des Handlungsverlaufs lässt die wesentlichen Bearbeitungsmerkmale erkennen: Es gibt nur eine Handlungslinie, nämlich die geplante Hochzeit zwischen dem Grafen Claudio und Laurana, der Tochter des Leonato. Gestrichen ist demnach der zweite und den Geist der Komödie eigentlich bestimmende Handlungsstrang um Benedick und Beatrice. Benedick entfällt ganz, Beatrix spielt als „Kammermädchen des Fräuleins“ 10 die Rolle, die Margaret in Shakespeares Komödie als Beteiligte an der Intrige einnimmt. Hier spielt Beatrix in vollem Wissen die Intrige mit Borachio mit, da dieser sie mit der Drohung erpresst, deren Liebesverhältnis offen zu legen und Beatrix damit zu entehren. Der eigentliche Intrigant ist wie bei Shakespeare Don Juan, der allerdings aus enttäuschter Liebe zu Laurana und aus Eifersucht auf Claudio handelt. Laurana wird öffentlich entehrt, obwohl dem gutherzigen General (! ) Pedro frühe Zweifel an der Berechtigung der Vorwürfe kommen. Sein Menschenbild hat keinen Platz für eine Ehrlosigkeit, wie sie die Intrige nahelegt. Auch Leonato findet schnell zu väterlicher Solidarität mit der Tochter zurück. Die Komödie endet mit der 8 Gotthold Ephraim Lessing, Hamburgische Dramaturgie, 12. Stück, 9. Juni 1767, in: Lessings Werke, hg. Kurt Wölfel (Frankfurt/ M., 1967), Bd. II, 172. Meine Hervorhebung. 9 Zu jener Zeit war Engel noch Gymnasiallehrer, der sich mit Stücken in der Nachfolge Emilia Galottis versuchte. Er bewegte sich in den angesehenen Schauspielerkreisen um Ekhof und Iffland, verfasste eine durchaus beachtete Schrift über die Schauspielkunst (Ideen zu einer Mimik, 1785/ 86) und war 1787-1794 Oberdirektor des Berliner Nationaltheaters. Mit seinem in Schillers Horen erschienenen Roman Herr Lorenz Stark (1795/ 1796) erzielte er mehr als nur einen Achtungserfolg. Vgl. Ernst Leopold Stahl, Shakespeare und das deutsche Theater (Stuttgart, 1947), 108. 10 Johann Jakob Engel, Der Vermählungstag, in: J. J. Engels Schriften. Bd. V (Berlin, 1803), 189-314, hier 189. Norbert Greiner 238 durch Lauranas Ohnmacht entfachten Reue von Beatrix und deren Geständnis. Wir sehen: Der höfisch-spielerische Geist der shakespeareschen Komödie nebst ihren dunklen Untertönen ist gestrichen. Die sich bei Shakespeare als Lustgesellschaft à la Castigliones Il Cortegiano inszenierende Hofgesellschaft, deren Kommunikationsmodell des „skirmish of wit“, die Frivolität der Geschlechterbeziehungen - sie alle fallen Engels Einrichtung zum Opfer. Es fehlt, mit anderen Worten, das, was in den frühen Übersetzungen und Editionen ohnehin den Unmut der Zeitgenossen erregt hatte, sei es aus Gründen der Schicklichkeit, sei es aus Gründen des guten Geschmacks. Es fehlt auch das Gespann Dogberry und Verges und die daraus hervorgehende karikaturistische Komik der unteren Gesellschaftsschichten, die aus slapstick, Malapropismus, Anakoluthen und Ähnlichem ihren esprit bezieht. Das Stil- und Witzverständnis des 18. Jahrhunderts macht sich durchgängig geltend: Eine klare, von allen Ambiguitäten und Anzüglichkeiten freie Sprache, ohne Anstößigkeit und befreite Heiterkeit, ohne Spiel und Scherz, konstituiert einen bürgerlichen Lebensraum, in dem Subordination und Sittsamkeit die sentimentalisierte Grundlage für die Entfaltung eines bürgerlichen, bisweilen spießbürgerlichen Familienlebens abgeben. In diesem Geist werden die Figuren ganz unter den Bedingungen des bürgerlichen Rührstücks entwickelt. Nicht nur Laurana/ Hero muss sich als angemessene Partie erweisen, auch Claudio hat den Maßstäben des „Neuen Mannes“ zu genügen. So frohlockt der Vater: „Ist nicht der Mann, den meine Tochter gewählt hat, einer der würdigsten, einer der zärtlichsten Männer? “(193). Überhaupt bildet zartes Empfinden füreinander das Leitmotiv aller rührseligen Beziehungen. Lauranas Wesen entspricht in jeder Hinsicht der zarten Grafenseele, und dieser nimmt sie entsprechend wahr: „So empfindlich! So tugendhaft-zärtlich! Wie ist doch meine ganze Seele von ihr bezaubert! “(201). Die „holde, die ungekünstelte Güte“ (204), die ihn bei ihr beeindruckt, zeigt zugleich, wie wenig Platz es für eine shakespearesche Beatrice gab, für jene starke, intelligent-witzige und souveräne Frau, die sich der gesamten Männerwelt und deren Maßstäben von Männerfreundschaft und Ehre zu widersetzen wusste. Nicht minder empfindsam gestaltet sich der Männerbund. Immer wieder beteuert der eine gegenüber dem anderen „Liebe“, „Rücksicht“, geradezu penetrante vorausdenkende Sorge um des anderen Glück. Dies geschieht nicht unter den scherzhaften Vorzeichen, die die Männerdialoge bei Shakespeare regeln, sondern in der betulich-ernsten Diktion glaubhafter Versicherung. Die gleiche Rücksichtnahme obwaltet in den zwischengeschlechtlichen Beziehungen. Laurana/ Hero steht - scheinbar - nicht unter väterlicher Bevormundung; die Utopie der freien bürgerlichen Familie, die auf freiwilliger Subordination aus Einsicht gründet, erreicht ihren Höhepunkt in der umständlichen Proklamation des „freien Geschenks“, das sie dem Grafen mit ihrer Einwilligung in die Ehe macht. Die Formel des bürgerlichen Der adaptierende Umgang mit Much Ado about Nothing von Wieland bis Goethe 239 Glücks kann aber nur aufgehen, wenn der sich unterwerfenden Tochterliebe (deren Freiwilligkeit wir getrost als vorauseilenden Gehorsam deuten dürfen) die pflichtbewusste Vaterliebe zur Seite gestellt wird, deren „Zärtlichkeit“ die Tochter wortreich bezeugt. Und doch: Bei aller bekundeten Gefühlsseligkeit wird in den Beziehungen nichts weniger getraut als dem Gefühl. Mäßigung in Allem ist die Losung. „Freude“, so bekennt der Vater, habe sich in der „Einfalt“ (194) zu zeigen - eine kühne Umdeutung der komplexen Freudenrhetorik im Botenbericht zu Beginn der shakespeareschen Komödie. Das gnadenlos sentimentalisierte Menschenbild vom moralgesteuerten Individuum lässt nicht einmal einen ernsthaften Komödienkonflikt zu: Selbst wenn der Fehltritt der Protagonistin ausgemacht zu sein scheint, werden dem Drang nach Vergeltung, ganz gegen die Vorlage, die Tugenden von Großmut und Rücksicht (gegenüber dem Vater) gegenübergestellt. Geboten scheint, „daß auch die Beschimpfung, die du ihr drohest, weniger sie, als dich selbst verunehren müsste“ (239), dass des Weiteren „der Vater immer noch Vater bleiben“ wird (240) und Rücksicht verdient, und dass „das Vergnügen der Grossmuth“ und „die Wollust der Freundschaft“ genügend Kompensation für die erlittene Enttäuschung darstellen. In diesem Katechismus der Mäßigung findet auch die Liebe einen gebührenden Platz: Aller Übel Anfang ist nämlich eine unkontrollierte, bedingungslose Liebe: „Du liebst zu sehr, um recht glücklich zu lieben“, warnt der väterliche Freund. „Du liebst mit einem Ungestüm - mit einer Hitze, mein Freund - um dereinst ihr Tyrann aus ichrem Liebhaber zu werden.“ (205) Das Stück liefert geradezu den Beweis für diese kleinbürgerliche Liebespsychologie - und Pedro entbietet dem Publikum hier die dazugehörige Interpretation. Es ist leicht zu erkennen, wie sehr in der expliziten Ausführung der bürgerlich-familialen Ideologie, in der allgemeinen Anlage der Handlung und in den Einzelheiten der Figurenrede, jene Rührkomödie entsteht, für die dann in den neunziger Jahren die populären Dramen Kotzebues repräsentativ werden. Engel blieb erfolglos. Über die Bühnengeschichte seiner Bearbeitung ist nicht viel bekannt, und das heißt in aller Regel, dass sie nicht sehr viele Inszenierungen erlebt haben dürfte. Aber sie wird uns auf eine andere Weise wieder begegnen. Friedrich Ludwig Schröder, Viel Lärmen um Nichts Denn ein gutes Jahrzehnt nach Engels Bearbeitung entstehen gleich zwei weitere Adaptationen dieser Komödie, Friedrich Ludwig Schröders Viel Lärmen um Nichts und Heinrich Becks Die Quälgeister. Beide Bearbeitungen erlebten im Oktober 1792 ihre Uraufführung, im Abstand von einer Woche: Becks Bearbeitung am 18. Oktober in Mannheim, Schröders Bearbeitung am 26. Oktober in Hamburg. Beide Bearbeitungen verlegen wie Engel die Handlung auf Norbert Greiner 240 deutschen Boden und geben den Figuren Namen, die dem sozialen Milieu der Duodezstaaten angepasst sind. Gemeinsam ist beiden Bearbeitungen ebenfalls die Vereinfachung des Handlungsverlaufs, allerdings weniger radikal als bei Engel. Schröders „Schauspiel in 5 Aufzügen, nach Shakespeare“ existiert nur in einer handschriftlichen Fassung. 11 Seine Komödienbearbeitung fällt in eine Zeit, in der die große Phase der Shakespeareinszenierung beendet war. Die zweite Direktion Schröders in Hamburg konnte nicht mehr an die großen Shakespeareinszenierungen aus der ersten Direktionszeit anknüpfen. Seine Bearbeitung von Viel Lärm um Nichts war der einzige Theatererfolg der zweiten Direktion in Sachen Shakespeare. Im Folgenden sei die Art der Bearbeitung kurz in ihren wesentlichen Profilen skizziert. Wie schon bei Engel macht auch Schröder mit dem „Aushau“ der Handlung ernst. Er strafft, stellt zur Verdeutlichung um. Die gesamte Exposition, die bei Shakespeare viel witzigen Dialog einnimmt, wird bei ihm in einem kurzen Gespräch zwischen den beiden weiblichen Protagonistinnen, hier Gabriele (Hero) und Albertine (Beatrice), vorweggeschickt. Entsprechend der Reduzierung der Nebenhandlung fallen auch die beiden Liebesfallen für Benedick/ Breitenau und Beatrice/ Albertine kürzer aus. Anstelle der mehrfachen Intrigen, die Shakespeares Don John inszeniert, gibt es hier durch den Baron Grottau nur die eine Hauptintrige. Diese wird allerdings in ausführlichen Dialogen vorher besprochen und erwogen, so dass dem Zuschauer nichts entgehen kann. Ebenfalls ausgebaut sind die Tölpelszenen mit den Wachleuten, und zwar handwerklich meisterhaft. Die typisch shakespearesche Wortkomik mit Malapropismen und der auf Inkongruenz des figuralen Selbstverständnisses basierenden Komik ist vorhanden und um einiges bereichert. Die große Theatererfahrung Schröders schlägt sich hier nieder. Das deutsche Theater zeigt sich keineswegs mehr in den Kinderschuhen, sondern bekundet, was es von Shakespeare und von englischer Komik gelernt hat. Was ist durch diese szenische Neueinrichtung verloren bzw. gewonnen? Wir werden vergeblich suchen nach den komplizierten epistemologischen Themenkomplexen, die Shakespeares Komödie aufwirft. Aus nothing ist tatsächlich nur noch „Lärm“ geblieben, nichts mehr von dem aus dem komplizierten Wortspiel zwischen nothing und noting, also dem „Nichts“ und der „Wahrnehmung“, und den sich ergebenden Fragen nach den Möglichkeiten des Wahrnehmens und Erkennens von Wirklichkeit hinter der höfischen Inszenierung. Nichts ist auch geblieben von der sich darin andeutenden Hofkritik. Die „ernsten“ Beiklänge dieser Shakespeare-Komödie sind von den Bearbeitern nicht gesehen oder nicht gewollt. Es bleibt auf der Handlungsebene das Gerüst einer Handlung, das sich auf geradezu perfekte Weise für die Darstellung eines häuslichen Konflikts innerhalb der Gattungsgrenzen der Komödie eignet. Damit entspricht die so 11 Friedrich Ludwig Schröder, Viel Lärmen um Nichts, Ein Schauspiel in 5 Aufzügen, nach Shakespeare. Manuskript. Theater-Sammlung Nr. 1379 der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (Hamburg, 1792). Der adaptierende Umgang mit Much Ado about Nothing von Wieland bis Goethe 241 eingerichtete Komödie Shakespeares vollkommen den Gattungserwartungen, die das zeitgenössische Theater und das zeitgenössische Publikum an die neue bürgerliche, sentimentale Komödie stellte. Es ist daher keineswegs überraschend, wenn die (Um-)Deutungen der Figuren mit dieser Tendenz im Einklang stehen. Bereits die einleitende Bühnenanweisung verrät bei aller Unscheinbarkeit die Veränderung, die sich im Hinblick auf das gesellschaftliche Milieu des Figurenensembles ergibt: Sie lautet: „Zimmer. Gabriele sizt bey einer weiblichen Arbeit.“ (Ms. 1). Sowohl die Verrichtung einer häuslichen Arbeit, als auch die Betonung ihres weiblichen Charakters wären für Hero und Beatrice vollkommen unangemessen gewesen. Die Szene hat sich auf den ersten Blick erkennbar von einer imaginären sizilianischen Hofgesellschaft in ein wohlhabendes Haus des deutschen Kleinadels mit erkennbaren Zügen der Verbürgerlichung oder doch „Sentimentalisierung“ verlagert. Das Auftreten der Damen entspricht im Allgemeinen und im Einzelnen ihres Tuns und ihrer Rede dem sozialen Milieu eines deutschen Kleinstaates und dem geistigen Milieu des empfindsamen Bürgertums im ausgehenden 18. Jahrhundert. Beatricens/ Albertines Witz ist geblieben an jenen Stellen, wo er intellektuell ist, die sexuellen Anspielungen sind getilgt oder erheblich gemildert, entsprechend gemäßigt fällt der Spott über die Ehe und die Kläglichkeit des männlichen Geschlechts aus. Was bei Shakespeare als Charakterisierung Heros ausreichen muss, nämlich dass sie „modest“ ‚schicklich’ sei, gerät bei Schröder zum elaborierten bürgerlichen Tugendkatalog Gabrieles: Schönheit, Unschuld, Sanftmut, Güte, die dem Liebenden „noch hundertmal reizender als vor unserer Abreise“ erscheinen. (Ms. 7). Daher bot es sich an, von Engel jene entscheidende Ergänzung zu übernehmen, die im shakespeareschen Text keinerlei Vorlage hat - die Zustimmung zur Ehe seitens des Vaters nur unter der Voraussetzung, dass die Tochter ihrerseits aus freien Stücken zustimmt. In Shakespeares Komödie liegt der Reiz ja gerade in dem auffälligen Unterschied des Entwurfs zweier Frauenbilder, im Unterschied zwischen Heros Gehorsam und Beatricens Widerspenstigkeit. Bei Schröder, wie auch zuvor bei Engel, repräsentieren die beiden Frauen keine unterschiedlichen Entwürfe weiblicher Identität. Hero/ Gabriele gibt das Musterbild einer „guten“, d.h. gehorsamen, daher glücklichen, daher zu belohnenden Tochter in der Utopie der heilen bürgerlichen Familie. 12 Natürlich wird die Fiktion der filialen Freiheit sofort wieder zurückgenommen, zeigt sich doch, dass die Tochter mit ihrer Freiheit gar nichts anzufangen weiß und beim Vater um Rat sucht, so dass er „ihren Wunsch“ in Worte fasst: Die in der Fiktion von der bürgerlichen Familie gedachte Symbiose von filialer Freiheit und väterlichem Wunsch kann deutlicher nicht zutage treten. 12 Heding/ Leonato […] Aber wie Du weißt - ich bin kein Vater wie andre. Du sollst ganz Deine Freiheit haben. […] Wenn Du einen Rathgeber brauchst, so such ihn in Deinem Herzen, sonst nirgends. […] Ich verstehe - ich soll Dir helfen, Dein Herz zur Sprache zu bringen. Sehr gern! - Sprich dann! liebst Du den Grafen? Liebst Du ihn zärtlich? - Ja, wenn Du schweigst Pause - (Ms., 15) Norbert Greiner 242 Diese Neuverhandlung weiblicher Identität im Rahmen sozialer Rollenzuweisungen findet dann ihren Höhepunkt am Schluss der Komödie, wenn es zu einer Wiedervereinigung des durch die Intrige getrennten Liebespaares kommt. Hier folgt Schröder wiederum wörtlich der Vorlage Engels. Während bei Shakespeare bekanntlich die Wiedervereinigung nicht frei ist von Ambiguität oder gar Zynismus - zweimal wird die Tochter „vergeben“ -, bedarf es hier keinerlei Versteckspiels, um Claudio/ Graf von Diemen von den Vorzügen Heros/ Gabrieles zu überzeugen. Weit über die wieder gewonnene Ehre (und den wieder gewonnenen Geliebten) hinaus liegt auch ihre eigentliche „Genugthuung“ darin, „daß er nie das Vergnügen empfinden soll, welches ich izt genieße, erlittenes Unrecht verzeihen zu können.“ (Ms. 78). Ähnlich moralisiert sind die Männerfiguren. Zur gehorsamen Tochter gehört als Komplement der treusorgende Vater. Bei Shakespeare bezieht die Kirchenszene IV.1 ihr problematisches bis tragisches Potential nicht nur aus der zynisch inszenierten Rache Claudios, sondern aus der nicht weniger problematischen Verwerfung der Tochter durch den Vater. Bei Schröder besinnt sich der Vater sogleich eines Besseren, erwägt die Möglichkeit einer Intrige von Vornherein, und stellt sich in völliger Umdeutung des Shakespeareschen Textes hinter die Tochter. 13 Graf Heding, der Vater des Opfers, ist hier weniger Graf als idealer Hausvater, wie er bei Lessing oder Diderot nicht besser hätte konzipiert werden können. Die anderen Männerfiguren in seinem Kreise vervollständigen den Reigen bürgerlicher Männertugend. 14 Ein sorgfältig gesponnenes Netz von Feinfühligkeit, gegenseitiger Rücksicht und grundsätzlichem Wohlwollen hat in der Schröderschen Bearbeitung die Auflösung des komödiantischen Konflikts von langer Hand vorbereitet. Ganz wie bei Engel beginnt es mit der Warnung des väterlichen Freundes, des Generals Graf von Heerenberg (Don Pedro), an seinen Schützling Graf von Diemen (Claudio), er möge bei aller Liebe und Glückseligkeit sein Schicksal nicht allein dem Gefühl überantworten. Das grundsätzliche Misstrauen in die Macht der Gefühle und die dadurch zu befürchtende Unterdrückung (bürgerlicher) Rationalität durchzieht die Bearbeitung leitmotivisch. Schröder übernimmt diese Umschreibung wörtlich 13 Heding. Nun denn! - Ist sie unschuldig, so soll sie sehen, daß sie noch einen Vater hat. Ich will ihr Rache schaffen, und wenns mit meinem Blute wäre! Meint der Elende weil ich schon grau werde, weil ich schon zittre - […] Sie soll Rache haben, oder ich will nicht leben. Den letzten Blutstropfen soll es aus meinem Herzen pressen, eh ich mein Kind verlasse. Er kennt mich nur schlecht, der Verräther! Kommen Sie. (Ms., 62). 14 Im Übrigen ist auch selbst der Intrigant dadurch verbürgerlicht, dass er nicht etwa wie in der elisabethanischen Vorlage das Böse per se ohne weitere Motivierung repräsentiert, sondern ebenfalls psychologisiert wird. Menschliches Handeln entspringt der menschlichen Seele, ist also grundsätzlich psychologisch zu erklären. Baron Grottau, des Generals Halbbruder, hasst und intrigiert, weil er selbst um Gabriele geworben hatte und von dieser verstoßen worden war. Sein Tun entspringt einer psychologischen Frustration, für die es wenn schon kein Allheilmittel, so doch zumindest eine plausible Erklärung gibt. Der adaptierende Umgang mit Much Ado about Nothing von Wieland bis Goethe 243 von Engel. 15 Das Heilmittel für alles ist die Mäßigung! Wer das Maßvolle preisgibt, begibt sich in Gefahr und läuft Gefahr, andere ins Unglück zu bringen. Diese Uminterpretation kulminiert schließlich in dem wortreich kommentierten Verhalten des Generals während der Kirchenszene, in welcher der General zur Rücksicht auf den Brautvater ermahnt. Wiederum greift Schröder auf Engel zurück, weitet die Anleihe aber noch aus. 16 Der General stellt sich - wie schon der Vater - ohne weitere Prüfung der Sachlage auf die Seite der Verstoßenen im Namen der zitierten Tugenden. Und er legt als überzeugendstes Argument sogar seine Freundschaft in die Waagschale der Argumente, indem er den Schützling wählen lässt zwischen seiner Gunst und der Rache an Gabriele. Schröder vollzieht damit endgültig den Schritt von der großen Weltbühne des elisabethanischen Volkstheaters in die geistigen Verhältnisse eines deutschen Duodezstaates, eines solchen jedenfalls, wie ihn sich die subalternen Bürger gern denken würden. Es ist keine Frage, an wen diese Botschaft des Theaters gerichtet ist. Der Bürger nicht als Edelmann, sondern der Bürger als Menschenfreund! Bei aller Nähe zu Shakespeare und aller Wörtlichkeit in der Übernahme der Eschenburgschen Übersetzung gelingt es Schröder, durch Kürzungen, geringfügige Umstellungen, Auslassungen und allerdings Ergänzungen an wenigen, aber entscheidenden Stellen, Shakespeares Komödie zu verbürgerlichen im Geiste der sentimentalen Komödie. 17 Schröders Stück war im Gegensatz zu Engel erfolgreich, weil er es verstand, die meisterhafte shakespearesche Dramaturgie zu nutzen für die theatralen Bedingungen und die theaterästhetischen Anliegen seiner Zeit. Engel bot „nur“ eine Adaptation, Schröder schuf eine Bearbeitung „nach Shakespeare“ in einem vertieften Sinne eines Konzeptes von Regietheater: in einer Mischung aus wörtlicher Umsetzung und Aneignung. 15 „Warum solt’ ich Ihnen meine Gedanken verhehlen! - Sie lieben zu sehr, um recht glücklich zu lieben. Sie lieben mit einem Ungestüm, mit einer Hize -, um dereinst aus ihrem Liebhaber ihr Tyrann zu werden.“ (Ms., 31). 16 General. Er kann sie verwünschen, er kann sie verstoßen; aber er kann die Bande der Natur nicht zerreißen. Haben Sie die Folgen Ihrer Rache bedacht? Haben Sie bedacht, daß die Unglückliche den edelsten Vater hat? daß Sie diesem Vater den Tod schwören, der Sie heute mit Freudenthränen als seinen Sohn umarmte? der vielleicht mit seinen ersten Gedanken heute Gott bittet - […] Du kennst Dich selbst nicht; Du kennst Dein Herz nicht. Laß sehen ob auch das Vergnügen der Grosmuth; ob auch die Wollust der Freundschaft für Dich dahin sind! Laß michs sehen, und wähle! Wähle zwischen Deiner Rache und Deinem Freunde. (Ms., 49). 17 Es würde sich lohnen, diese Skizze der bürgerlichen Ideologie in den Bildkomplexen, Motivketten und explizit ausformulierten Normen zu vergleichen mit dem wohl berühmtesten und erfolgreichsten Stück der bürgerlichen Unterhaltungsliteratur, mit Kotzebues 1789, also wenige Jahre vorher entstandenem Stück Menschenhaß und Reue. (Auch dort die Stichworte empfindsame Innerlichkeit, Großmut, Großmut im Verzeihen, Verzicht auf Rache, Großzügigkeit und Selbstlosigkeit, Zurückführung der zwischenzeitlich desintegrierten Familie in ihren Idealzustand, Tradition des empfindsamen Familiendramas und der comédie larmoyante). Norbert Greiner 244 Heinrich Beck, Die Quälgeister Damit aber nicht genug. Der wirkliche Erfolg sollte Heinrich Becks Bearbeitung vorbehalten bleiben, die im Gegensatz zu Schröder mit Die Quälgeister einen neuen Titel wählte. Becks Bearbeitung ist zwar in wesentlichen Zügen mit Schröders Bearbeitung zu vergleichen, 18 aber dort, wo sie von Schröders Bearbeitungstendenzen abweicht, in mancherlei Hinsicht noch viel interessanter als Schröder. Und diese Abweichungen erklären vermutlich den noch größeren Erfolg, der Beck mit seiner Bearbeitung beschieden war. Auch die große Mannheimer Shakespeare-Ära war ca. 1791 zu Ende gegangen. Danach hatte Dalberg keine weitere Shakespearetragödie mehr inszeniert und nun Becks Komödienbearbeitung das Feld überlassen. Beck war ein erfahrener Mann des Theaters. Er hatte in allen kleineren und 18 Dass allerdings Becks Bearbeitung Shakespeare um einiges näher stehe als die Schrödersche, wie Stahl behauptet, kann ich nicht nachvollziehen (Stahl, op. cit., 111). Im Gegenteil ist bei Schröder zu sehen, wie eng er bei den von Shakespeare übernommenen Szenen an Eschenburgs Übersetzung bleibt; Beck nimmt sich insgesamt, auch bei der Ausgestaltung der Dialoge, mehr Freiheiten im Sinne einer auf deutsche Verhältnisse, und das heißt vor allem auch Gattungsverhältnisse, eingerichteten Bearbeitung. Wir würden im Gegenteil für die Schrödersche Bearbeitung urteilen, dass es sich hier um eine in Schröders Verständnis shakespeare-nahe Inszenierung einer Shakespearekomödie handelt, die freilich ebenso erhebliche Eingriffe aufweist wie die länger zurückliegenden Inszenierungen der Shakespeareschen Tragödien in Hamburg. Beck geht es von vornherein, wie es auch die Wahl eines anderen Titels nahe legt, um ein anderes Stück, das auf Shakespeare beruht. Daß Stahl und der von ihm zitierte Hoffmann (Paul F. Hoffmann, Friedrich Ludwig Schröder als Dramaturg und Regisseur. Schriften zur Gesellschaft für Theatergeschichte, Band 52, Berlin, 1939) die beiden Bearbeitungen niemals einem Vergleich unterzogen haben, verrät Stahls abschließendes Urteil: „Höchstwahrscheinlich haben Schröder und Beck ihre Meinungen über die gleichzeitig und unabhängig voneinander vorgenommenen Bearbeitungen ausgetauscht.“ (Stahl, 111). Weder trifft der Begriff des Austauschs das tatsächliche Verhältnis beider Texte zueinander, noch kann davon die Rede sein, dass beide „unabhängig voneinander vorgenommen“ worden sind. Das Verhältnis dieser beiden Bearbeitungen ist tatsächlich viel komplizierter. Zwischen beiden Texten gibt es deutliche intertextuelle Bezüge. Beide greifen neben der Übersetzung Eschenburgs auch auf die Adaptation Engels zurück, Schröder in umfangreicherem Ausmaß. Bei beiden aber finden sich wörtliche, über mehrere Seiten hinausreichende, Übereinstimmungen, die es weder bei Shakespeare bzw. bei Eschenburg noch bei Engel gibt, dafür aber bei Schröder und bei Beck. Diese Tatsache erlaubt nur einen Schluss, nämlich dass zwischen Schröder und Beck ein intensiver Austausch stattgefunden haben muss, der mehr als nur ein allgemeiner Meinungsaustausch war, sondern zumindest auch ein Austausch der Textversionen umfasst hat. Bei einer zeitlichen Nähe der Uraufführungen und der gleichzeitigen großen geographischen Distanz zwischen Hamburg und Mannheim ist dieser Befund außerordentlich bemerkenswert. Es wird sich nicht mehr klären lassen, ob Beck von Schröder oder Schröder von Beck abhängig ist. Auch findet sich bei Beck nicht alles, was sich an Ergänzungen bei Schröder, und bei Schröder nicht alles, was sich an Änderungen bei Beck finden lässt. Beide waren im Übrigen bekanntlich gut in die Theaterszene ihrer Zeit eingebunden. Der adaptierende Umgang mit Much Ado about Nothing von Wieland bis Goethe 245 größeren Shakespearerollen gespielt. Er galt als enger Freund Ifflands und auch Schillers. Nahezu alle Ausführungen über Schröder die allgemeinen Bearbeitungstendenzen betreffend gelten auch für Beck, so dass wir uns auf diejenigen Profile beschränken können, die ihn von Schröder unterscheiden. Der Text fällt kürzer aus, aber auch insgesamt organischer und zusammenhängender. Beck erstellt eine geschickte Collage aus weitgehend wörtlicher Übernahme der Übersetzung Eschenburgs und eigenen Ergänzungen, die bis hin zu ganzen Szenen reichen. Das Geschick Becks liegt vor allem darin, dass diese Ergänzungen nicht künstlich hinzugefügt wirken, sondern sich dem Text nahtlos einfügen, dem Original zugehörig scheinen. Der Collagecharakter ist an kaum einer Stelle erkennbar. Beck „radikalisiert“ auf eine unter dem Gesichtspunkt der Theaterwirksamkeit gelungene Weise die Eindeutschung, indem er auch deren ideologische Momente hervorhebt. Von Beginn an, schon in Abwesenheit, wird der Landesfürst („Prinz“) als eine Art aufgeklärter Tyrann, als treu sorgender Landesvater dargestellt, den man als Lichtgestalt erregt erwartet: „Freut Euch, Mädchen! Wir werden ihn bald sehen! Es wird ihm auch lieb seyn, wieder vaterländische Luft zu athmen.“ 19 Die Armee habe, so berichtet der Bote in Gestalt des prinzlichen Kammerdieners, nicht viele verloren, „denn der Prinz bekümmerte sich um alles“, worauf der General erfreut feststellt: „Daran erkenne ich ihn wieder! Groß als Feldherr und als Mensch.“ (4) Wichtig ist nicht die Plausibilität der Handlung - wie ein sich um alles kümmernder Prinz den Tod seiner Soldaten im Krieg verhindern kann, wird vernünftigerweise nicht weiter bedacht -, wichtiger ist das ideologische Sentiment: eine Mischung aus Vaterlandsstolz und einer diffus bleibenden Menschlichkeit. Dieser Ansatz wird konsequent verfolgt. Die Bitte Claudios/ Major von Strahls an den Prinzen, er möge sein Urteil über die gewählte Geliebte sprechen, wird bei Beck nur Anlass zu einem sehr viel ausführlicheren Gespräch über die Prinzipien von tugendgeleiteter Herrschaft. Diese Stelle lohnt es, im Ganzen zitiert zu werden. Strahl. Prinz! drey Feldzüge hindurch bewunderte ich den Helden in ihnen! itzt liebe ich den Menschenfreund im Helden. Prinz. Mein lieber Strahl! Heldenruhm ist süß, Fürstenwürde wohl wünschenswerth! doch Beydes möchte ich nicht, ohne ein Herz für Freundschaft, Liebe und Menschlichkeit! Strahl. (beugt sich mit Ehrfurcht und Innigkeit über seine Hand) Prinz. Ich will ihnen einen Zug erzählen, der ihnen das sehr bekräftigen wird. Als das Dankfest über unseren großen Sieg gefeyert wurde; der Donner des Geschützes, das Gebeth - die martialische 19 Heinrich Beck, Die Quälgeister. Deutsche Schaubühne, 6. Jahrgang, Band 11 (Augsburg, 1794), 4. Norbert Greiner 246 Andacht so vieler Tausende! ich fühlte mich feyerlich hoch erhaben! Es that mir wohl! Bald nachher bey einer kleinen Aktion sah ich einen feindlichen Soldaten in seinem Blute liegen: ein Anderer unverwundet kniete neben ihm, und versuchte, das strömende Blut mit seinem Tuche zu stillen. Ein Hussar jagte vorbey, und schwang schon den Säbel über ihn. Er wehrte sich nicht, behielt den Säbel im Munde, hielt mit einer Hand die Wunde zu, die andere auf die Brust gelegt, bot er seinen Kopf dar, und bath nur für den Verwundeten. Es war seyn Freund - ich geboth dem Hussaren, ihn zu schonen, den Verwundeten zu verbinden und auf des Freundes Pferd bringen zuhelfen. Die Thräne des Dankes, die über seinen Knebelbart rollte! - die rührende Freude! O Strahl, hier hob mein Herz sich höher, als bey Siegesgeschrey und Danklied. Strahl. (trocknet die Augen) […] (15 - 16; meine Hervorhebungen) 20 Beck kennt sein Publikum. Patriotismus verbindet sich mit pseudo-aufgeklärter, empfindsamer Menschlichkeit. Es konstituiert sich ein ideologisches Umfeld, in dem sich das moralisch freie Individuum offenbar frei von Standesbeschränkungen entfalten kann, weil anstelle von Stand und Rang die aufgeklärte bürgerliche Tugend des moralischen Menschentums getreten ist. Das ist natürlich der Geist des Mannheimer Theaters, der fortschrittliche Geist, der nicht nur Shakespeare, sondern auch Schillers Räuber auf die Bühne gebracht hatte. So sehr die Bearbeitungstendenzen dem Zeitgeist geschuldet sind, sind sie doch zugleich modern und aufgeklärt. Erkennbares dramaturgisches Geschick, fortschrittlicher Zeitgeist 20 Keine Gelegenheit wird ausgelassen, diese Tendenz zu verstärken. Es zeigt uns auch, dass es sich hier nicht um eine einzelne Stelle handelt, die gewissermaßen zufällig in den Text hineingeraten ist, sondern eine konsequent durchgehaltene Bearbeitungstendenz. Wenn nach der Ehestiftung zwischen Hero/ Claudio Beatrice/ Isabelle mit dem Prinzen flirtet und bei Shakespeare nach der Existenz eines Bruders fragt, den sie heiraten könnte, wird bei Beck aus dem Bruder ein Feind. Sie stilisiert sich selbst zur Widerspenstigen, um auf diese Weise in einer Liaison, einer ehelichen Verbindung mit den Feinden, dem Vaterland zu helfen. Dies ist nicht nur witzig, sondern stellt eine interessante Verschärfung ihrer emanzipierten Rolle dar. In konsequenter Fortführung dieser Metapher bietet der Prinz ihr dann auch nicht spielerisch die Ehe an, sondern beweist - wiederum spielerisch natürlich - seine Bereitschaft „zum Tode“ (31). Es geht uns um Isabelles Antwort: Sie, mein Prinz? - Oh Sie stehen außer der Grenze der Zaubergewalt - die gute Fee berührte mich noch einmal mit dem Stabe, und sprach: „Leider vermag ich nicht den ganzen Zauber zu vernichten; doch soll Dein Stachel seine Kraft verlieren gegen einen Mann, der Hoheit, Tapferkeit und Menschenliebe vereinigt! “ - Prinz Amadis! Der Zauber ist gelöst. (verbeugt sich mit Grazie und hüpft ab.) (31, meine Hervorhebung) Das Selbstbewusstsein, mit dem Beck hier auch gewissermaßen metadramatische Elemente ins Spiel bringt, verdient unsere Aufmerksamkeit. Die Anspielung auf eine andere Shakespearefigur, nämlich auf Katherine in The Taming of the Shrew, ist unverkennbar. Und diese Anspielung ergibt ihren Sinn, war doch The Taming of the Shrew die zweite und letzte vor allem durch Adaptationen gut bekannte und als Stoff auf deutscher Bühne weit verbreitete Shakespearekomödie. Der adaptierende Umgang mit Much Ado about Nothing von Wieland bis Goethe 247 und das Erfolgsrezept der sentimentalen Unterhaltungsdramatik sind miteinander verknüpft - eine alles andere als unglückliche Verbindung. Ebenso interessant ist die schon bei Schröder zu beobachtende Aufwertung Heros/ Emilies, die bei Beck noch viel weiter geht. Sie ist nicht, oder wenigstens nicht nur, die unterwürfige Tochter, sondern eine selbstbewusste Frau, die sich freilich im Rahmen der zeitgenössischen Schicklichkeitserwartungen entfaltet. In der Kirchenszene deutet Beck wirklich um, geht auch gegenüber Schröder eigene Wege. Beck inszeniert nicht Heros/ Emilies Zurückweisung, sondern konfrontiert sie gleich zu Beginn mit den Vorwürfen. Er macht aus ihr eine starke Frau, die sich aus Ehre und Empörung weigert, sich gegenüber den Männern bezüglich der gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu rechtfertigen. Emilie. (sucht sich zu sammeln; darauf spricht sie mit großer Würde, im Auge Thränen, und zunehmender Energie) Ich kann mich rechtfertigen, und werde es, da, wo mich Rechtfertigung nicht entehrt. Diesem Manne (auf Strahl) werde ich nichts erwiedern. Daß er zweifeln, sein Ohr der schändlichen Verläumdung öffnen konnte; dieß erspart mir die Erniedrigung, mich vor ihm zu vertheidigen. Ich fühle den Werth einer schuldlosen Seele; und die Pflicht, einen Gegenstand (auf Strahl sehend) zu fliehen, der auf eine so grausame Weise meine Ehre und mein Herz zertreten wollte. (sie geht mit Feuer ab) (101; meine Hervorhebungen). Zu dieser Frau passt es noch besser als bei Engel und Schröder, dass sie am Ende das größte Glück im Großmut der Verzeihung erblickt. (121). Diese und ähnliche Stellen zeigen, wie schwer es ist, zwischen aufgeklärter Empfindsamkeit und kitschiger Unterhaltungsliteratur die Grenze zu bestimmen. 21 Noch einmal: Der Geist seiner Bearbeitung oszilliert zwischen 21 Zahlreiche weitere Kleinigkeiten könnten uns das hier erarbeitete Profil bestätigen. Beatrice verlangt von vornherein Beweise bezüglich der Anschuldigungen, und das Fehlen der Beweise lässt auch die Beschuldigungen von vornherein in einem Licht des Zweifels erscheinen. Beweise und Vernunft werden immer wieder von den Frauen eingeklagt. Nicht von Benedick. Wenn bei Shakespeare noch die prekäre Männerfreundschaft zwischen Benedick und Claudio im Mittelpunkt steht, rücken nunmehr die in Andeutung emanzipierten, zumindest aber souveränen und starken Frauen in den Mittelpunkt. Auch in diesem entscheidenden Punkt ist Beck weit entfernt von Engel und ziemlich weit entfernt von Schröder. In diesem Zusammenhang will es uns gar nicht mehr überraschen, dass ausgerechnet Isabelle am Ende der Komödie nun fast schon das Lob der Ehe singt. Isabelle. (mit komischem Zorn) Ungezogener Mensch! er sündiget erschrecklich auf meine Barmherzigkeit los. Noch gestern hatte er sich mit Versen bewaffnet, und bombardirte fürchterlich auf mein Herz los! aber vergebens! Indeß - weil er an Emiliens Ehre seine arme ehrliche Haut riskiren wollte - mag es drum seyn. (reicht ihm mit komischer Gravität die Hand zum Küssen hin). (121 - 122). Die starke Frau „nimmt“ sich den schwachen Mann, der seine Hausaufgaben erfüllt hat. Bemerkenswert. Sie spricht das Lob der Ehe im Rahmen der bürgerlichen Ideologie der Familie, wir wissen, dass es eine utopische Ideologie ist, aber es war dem 18. Jahrhundert vorbehalten, sie zu formulieren. Beck dramatisiert sie, und darin liegt seine Leistung. Die ideologische Ausrichtung am Zeitgeschmack erweist sich als erstaunlich Norbert Greiner 248 den fortschrittlichen Tendenzen seiner Zeit und den sentimentaleskapistischen Tendenzen der theatralen Unterhaltungsliteratur der 90er Jahre. Aber eben dies macht den Reiz dieser Bearbeitung aus und erklärt ihren Erfolg. Es handelt sich keineswegs nur um eine billige Konzession an den Unterhaltungsgeschmack der Zeit, sondern um einen erstaunlichen Text, der eine gelungene Balance zwischen den schlichten ideologischen Kategorien der Unterhaltungsliteratur, dem aufgeklärten Geist seiner Zeit und der Meisterschaft des theatralischen Handwerks findet. Schon Schröders Bearbeitung galt als erfolgreich. Die Quälgeister aber sind in Mannheim bis nach 1839, in Berlin bis 1835 regelmäßig gespielt worden. Das Stück gehörte demnach jahrzehntelang zu den beliebtesten Shakespeare-Komödienbearbeitungen. Wir wissen, glaube ich, warum. Goethe und das Weimarer Hoftheater Wenn nun Goethe für das Weimarer Hoftheater auf Becks Quälgeister zurückgreift, so besagt diese Wahl, dass Beck vor dem ästhetischen Urteil Goethes und Schillers standhält. 22 Das Urteil ist umso bemerkenswerter, als in den 26 Jahren (1791-1817), in denen Goethe das Theater leitete, nur zwölf Originale und Bearbeitungen Shakespeares gezeigt wurden. Darunter gab es nur zwei Komödien, den Kaufmann von Venedig und Die Quälgeister. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Von den 230 Stücken Kotzebues wurden unter Goethes Leitung immerhin fast 90 gespielt, von Iffland noch elf. Dagegen machen sich die 12 Shakespeare-Stücke gering aus. Ansonsten zeigen die zahlreichen anderen europäischen Dramatiker, wie sehr man um einen vorbehaltsfreien europäischen Spielplan bemüht war und den Goetheschen Gedanken der Weltliteratur auch auf der Bühne realisiert sehen wollte. Die Prinzipien Weimars waren gegen zwei unterschiedliche Gegner gerichtet. Zunächst wandte sich Goethe gegen die herrschende Praxis auf deutschen Bühnen, die durch das Übergewicht eines gänzlich trivialisierten, rührseligen und affirmativ-sentimentalen Rührstücks gekennzeichnet war. Freilich war er auch auf dieses Stückangebot angewiesen, „da das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums durch das eigentliche Kunstdrama allein emanzipiert. Die Umdeutung wiegt im Vergleich mit Engel umso mehr, der ja gerade diesen potentiell schon bei Shakespeare angelegten Zug getilgt hatte. 22 Es dürfte nicht ohne Interesse sein, dass Schröder und Beck schon vor Goethes Übernahme der Theaterleitung in Weimar eine gewisse Rolle gespielt haben. Von Schröder sind zwei Besuche in Weimar bekannt: Im April 1791 las er Anna Amalia Szenen aus Hamlet und Lear vor. Zuvor hatte er im Winter 1790/ 91 für einige Wochen in Weimar gastiert, u.a. mit Hamlet, und wurde von Anna Amalia, Herder und Goethe als guter Schauspieler gerühmt. Möglicherweise steht die Auflösung des gerade erst erneuerten Vertrags mit Bellomo über die Leitung des Theaters und die Übertragung der Oberleitung auf Goethe unmittelbar mit diesen Eindrücken in Zusammenhang. Der adaptierende Umgang mit Much Ado about Nothing von Wieland bis Goethe 249 nicht befriedigt werden konnte.“ 23 Zum anderen richtete er sich gegen die „herrschende Unart der Zeit, im Ästhetischen unbedingt und gesetzlos sein zu wollen und willkürlich zu phantasieren“, was man unter dem Begriff des Dilettantismus fasste. Das war auf die Romantiker gemünzt. 24 Seine Grundsätze führten bekanntlich zu einer Rückbesinnung auf das klassische Theater der Antike. Als Gegenentwurf zur platten Alltäglichkeit grenzte Goethe die Bühne ab als einen „festlichen Bezirk“ und stilisierte das Theater zu einem Tempel der Musen. Das Erhabene betraf auch den Schauspielstil und die „musikalische“ Deklamation. In diesem Zusammenhang die Entscheidung für Die Quälgeister zu begründen, fällt nicht leicht. Denn in der thematischen Zurichtung und der psychologischen Motivation der Figuren entsprach Beck ja ganz dem alltäglichen Zeitgeschmack, gegen den man sich richtete. Aber er erfüllte natürlich andererseits die gemeine Publikumserwartung, die für den benötigten Kassenerfolg ausschlaggebend war. Neben Kotzebues Erfolgsdramatik kam mit Beck die erfolgreichste Adaptation eines fremdsprachigen Stücks auf die Bühne, welche darüber hinaus den Vorzug hatte, dass die szenische Bearbeitung, also die Verknappung der Handlung und die Vereinheitlichung des Schauplatzes und der Zeit, der in Weimar eingerichteten neuen Bühnenform des sukzessiven Verwandlungstheaters gut entsprach. Shakespeares für eine Simultanbühne mit raschen Schauplatzwechseln ausgerichtete Dramaturgie hätte auf dieser Bühne ohnehin bearbeitet werden müssen. Ob Becks Bearbeitung auch den neuen Zielen Goethes und Schillers entsprach, ist schwer zu entscheiden. Insgesamt widmeten sie sich kaum der Komödienpoetik, es finden sich nur vereinzelte Äußerungen dazu. Im letzten Jahrgang der Propyläen (1800) klagt Schiller über einen Mangel an Intrigen-Lustspielen und die Auflösung jener ursprünglichen Komödienstruktur durch das Rührstück. 25 Er regte sogar ein Preisausschreiben an, um diesem Mangel abzuhelfen, was Clemens Brentano zu seiner ganz in Shakespeares Geist stehenden Komödie Ponce de Leon veranlasste, die allerdings vor den kritischen Augen der Juroren keine Gnade fand. Immerhin aber zeichnet sich die Richtung ab, in der man sich auch eine Reform der Komödie vorstellte. Aus einigen Bemerkungen Goethes geht ferner hervor, dass er sich an der Commedia dell’arte orientierte und für die Komödie insgesamt eine groteske Spielweise favorisierte, die im Zusammenhang mit dem Maskenspiel seines Theaters, der (komischen) Stilisierung der Typen und dem Stil eines „reinen ästhetischen Scheins“ zu sehen sind. 26 Ob die freie Ausarbeitung etwa der Tölpel-Szenen bei Beck noch dieser Erwartung standhielten, wollen wir offen lassen. Unbeantwortet muss auch die Frage 23 Dieter Borchmeyer, Weimarer Klassik. Portrait einer Epoche (Weinheim, 1994), 363. 24 Borchmeyer, 358. Zitiert aus: Schema zur Gartenkunst. Vgl. auch Ausführungen gegen regellose Phantasie in Schillers Gedicht „An Goethe … Mahomet“, 376. 25 Borchmeyer, 373. 26 Ebda., 381. Norbert Greiner 250 bleiben, ob die Idealisierung der Herrschergestalt zum edlen, hilfreichen und guten Menschenfreund schon jenen Wunsch Goethes andeutet, die durch die Revolution zerstörte Adelskultur in einer neuen ästhetischen Gesittung „aufzuheben“. 27 Huesmann weist auf den zeitlichen Kontext der Premiere am 8. November 1796 hin. Die Komödie war Teil einer Gesamtplanung, in deren Rahmen King John, Hamlet, Henry IV, Schillers Don Carlos, Großkophta, Die Räuber und Clavigo und Lessings Minna von Barnhelm und Emilia Galotti gespielt wurden. 28 Zumindest zu den letzten beiden Dramen passt Becks Bearbeitung vorzüglich, ja, vielleicht ist die Nähe zu ihnen größer als die Nähe zu Shakespeare. Was immer die Beweggründe gewesen sein mögen, das erfolgreiche Stück des geschätzten Theatermannes Beck in den Spielplan aufzunehmen, es ist damit ein zeitgenössisches Urteil gesprochen: Es hatte vor den Augen der Weimarer Theatermacher Bestand. Regietheater und Übersetzungspraxis Und wo bleibt der Respekt vor Shakespeare? Nun, nach Goethes Geschmack hatte es davon schon viel zu viel gegeben - bei ihm selbst und den neuen Shakespeareromanen der Romantik. „Shakespeare und kein Ende“ lautet der etwas resignierte Titel einer Schrift aus dem Jahr 1813/ 1816, in dem er der shakespeareschen Dramatik zwar seinen Respekt bezeugt, ihr aber gleichzeitig auch bescheinigt, man sehe ihr an, dass sie noch in den Kinderschuhen steckte. 29 Sollte die Bearbeitung Becks als Versuch gelten, Shakespeare dramaturgisch an die Schuhgröße der Weimarer Klassik anzupassen? Goethe jedenfalls wählte nicht Shakespeare, sondern das Becksche „Shakespeare-Projekt“, wie es das heutige Regietheater nennen würde. Vielleicht hat Beck ja für Goethe nur vorweg genommen, was jener z.B. mit Romeo und Julia gemacht hat: Diese Tragödie wurde um mehr als ein Drittel gekürzt, durch neue Texte ergänzt und am Schluss erheblich verändert. Angekündigt wurde sie als „Trauerspiel in fünf Aufzügen, nach Shackespear [! ] und Schlegel, von Goethe.“ 30 Das Theater hat eine andere Aufgabe, als ein „philologisches“ Wächteramt für Klassiker zu sein. Es hat - ganz banal - allabendlich dem Unter- 27 Vgl. ebda., 373. 28 Heinrich Huesmann, Shakespeare-Inszenierungen unter Goethe in Weimar. Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse, Bd. 258, 2. Abhandlung (Wien, 1968), 39. 29 Von der „Unvollkommenheit der englischen Bühne“ ist da die Rede, die die „Kindheit der Anfänge“ bezeuge. Johann Wolfgang Goethe, „Shakespeare und kein Ende! “, in: Werke, Bd. 6 (Frankfurt/ M., 1966), 228. 30 Huesmann, 156; vgl. auch Thomas Zabka und Adolf Dresen, Dichter und Regisseure: Bemerkungen über das Regietheater. Antworten auf die Preisfrage der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vom Jahr 1993 (Göttingen, 1995), 20f. Der adaptierende Umgang mit Much Ado about Nothing von Wieland bis Goethe 251 haltungswunsch des Publikums stattzugeben, im Guten wie im Schlechten. Es ist verdammt zum schnellen Erfolg, und es muss im Streben nach den höchsten Zielen eben die jeweiligen ästhetischen Ziele seiner Zeit im Auge behalten. Denn als sinnfälliges Stück Leben gründet es nicht auf Texte, sondern auf Aufführungen. 31 Seine flüchtige Gegenwärtigkeit verpflichtet es auch zum nachhaltigen Bezug auf Gegenwärtiges. Das Weimarer Hoftheater verfuhr also nicht anders als viele der viel gescholtenen Regietheaterprojekte der heutigen Zeit; oder mit anderen Worten: Das Regietheater von heute hat seine honorigen Wurzeln in der seit dem 18. Jahrhundert entwickelten und von Goethe in Weimar zu einer Hochzeit gebrachten Inszenierungspraxis der Vergegenwärtigung, die sich aus den medialen Voraussetzungen des Theaters ergeben. Das Weimarer Regietheater entschied sich aus gutem Grund für die freie Bearbeitung einer Shakespeare- Komödie durch Heinrich Beck. 31 Ich greife einen Gedanken aus einem unveröffentlichten Vortrag meines germanistischen Kollegen Jörg Schönert, Hamburg, auf. Earl Jeffrey Richards Übersetzen zwischen Erkennen und Wiedererkennen in der romanischen Philologie: Joseph Bédiers Nachfolger übersetzen Christine de Pizan In dem Vorwort zur englischen Übersetzung seines Meisterwerks und Klassikers der romanischen Philologie Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter zitiert Ernst Robert Curtius den englischen Literaturkritiker George Saintsbury, „Ancient without Modern is a stumbling block, Modern without Ancient is foolishness utter and irremediable.“ Diese Interdependenz des Alten mit dem Modernen, die wohl gemerkt nur in der Moderne stattfinden kann, beschreibt die doppelte Aufgabe der Philologie, historisch bewusst und gleichzeitig zeitgemäß zu sein und somit die grundsätzliche Spannung, mit der sich die Philologie seit August Boeckh in seiner Encyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften (1877; 1886) auseinander gesetzt hat und die darin besteht, die Aufgabe der Philologie von der der Philosophie zu unterscheiden: die Philosophie, so Boeck, beschäftige sich mit Begriffen und mit dem Erkennen (gignoskein, cognitio), während die Philologie das zufällig Vorhandene durchleuchte und mit dem Wiedererkennen (anagignoskein, recognitio) arbeite. Es bleibt vorerst dahin gestellt, ob cognitio und recognitio manchmal eher eine projectio sind, denn beim Übersetzen meint man oft etwas zu erkennen oder wieder zu erkennen, was sich im Nachhinein als Wunschdenken herausstellt. Der übersetzte Text ist nicht eigenständig, sondern „intertextuell“ per definitionem. Er ist zwangsläufig in einer Art Mischsprache verfasst, die in dem Spannungsfeld zwischen Original- und Zielsprache entsteht und in dieser Verkoppelung - einer wahren mariage de convénience - des „zufällig Vorhandenen“ des Modernen mit dem „zufällig Vorhandenen“ des Alten. Die heterogene Natur jeder Übersetzung ist und bleibt eine Provokation, denn sie entsteht aus der Asymmetrie zweier Sprachen und wirkt vermittelnd zwischen beiden. Diese eher plakativen Hinweise auf Curtius und Boeckh bekommen eine neue Bedeutung im Lichte der viel jüngeren Auffassung Paul Ricœurs, daß die Übersetzung gleichzeitig einen travail de mémoire und einen travail de deuil bedeutet („Défi et bonheur de la traduction,“ 1997, jetzt abgedruckt in: Sur la traduction, 2004). Mit dieser Hervorhebung Ricœurs möchte ich den enormen Korpus an theoretischen Schriften über Übersetzungstheorie nicht ignorieren, sondern die Tatsache hervorheben, daß sich das Ricœur’sche Modell als besonders hilfreich (und auch als dem Geist Boecks und Curtius’ überraschend analog) herausstellt, wenn man Joseph Bédiers Übersetzung des Chanson de Roland, die wohl die bekannteste Übersetzung aus der Feder Earl Jeffrey Richards 254 eines Romanisten darstellt, mit den englischen, französischen, deutschen und italienischen Übersetzungen der Livre de la Cité des Dames von Christine de Pizan vergleicht, Übertragungen, die ihrerseits als die erfolgreichsten Übersetzungen in der Romanistik der letzten fünfundzwanzig Jahre gelten dürfen. Ricœurs Vorschlag, Übersetzung als travail de souvenir und travail de deuil zu betrachten, liefert den besten Zugriff zu den Problemen, die immer wieder bei Übersetzungen aufgeworfen werden, denn eine Übersetzung versucht gleichzeitig, das kulturelle Gedächtnis zu retten, weil die Unwiederbringlichkeit des Originals eine Trauerarbeit bedeutet. Da Trauerarbeit bekanntlich eine Verinnerlichung des Verlorenen bedeutet, sieht man sogleich, daß die Probleme bei der Bewertung einer Übersetzung um die Natur dieser Verinnerlichung in der Gegenwart kreisen um das historische Bewusstsein, das eine Übersetzung voraussetzt. Ricœur hat sich darin nicht festgelegt, in welchem Verhältnis Erinnerungsarbeit zur Trauerarbeit steht. Bei Bédiers Übersetzung wird man feststellen, daß eine wohl versteckte Trauerarbeit überwiegt, bei den Übersetzungen von Christine dagegen eine Erinnerungsarbeit. Im Jahre 1921 hat Bédier sein Chanson de Roland veröffentlicht. Bis Anfang der 1980er Jahre wurde sie über 250 Mal neu aufgelegt. Die Übersetzung entstand unter dem Eindruck des ersten Weltkrieges und setzt teilweise in versteckter Form Bédiers rabiate antideutsche Polemik der Kriegsjahre fort. Wir befinden uns hier in der Epoche, in der man Jeanne d’Arc ausgerechnet fünf Jahrhunderte nach ihrem Tod heilig gesprochen hatte, d.h., in einer Zeit, in der la bourgeoisie bien-pensante im Mittelalter eine Parallele zum Trauma des ersten Weltkriegs suchte - und sie selbstredend auch fand. Travail de mémoire, travail de deuil? Bédiers Roland-Übersetzung erfüllt zweifelsohne beide Kriterien. Der springende Punkt ist hierbei nicht, ob Bédiers Nationalist war - er war es zweifelsohne - sondern was seine eigentliche Absicht in der Roland-Übersetzung war, denn wie Alain Corbellari und Pierre Jonin bereits überzeugend dargelegt haben, 1 ist die Übersetzung Bédiers als eigenständiges Werk zu betrachten, das sich von der Abhängigkeit zum Original gelöst hat. Während Corbellari diesen Zustand eher begrüßt, würde ich gerade hier ein Problem sehen, denn Bédiers bürgerliche Instrumentalisierung des Mittelalters hat spätere Forschungen auf der Suche nach den Anfängen einer bürgerlichen Kultur im Spätmittelalter irregeführt. Hören wir erst Bédiers eigene Erläuterungen: J’ai voulu sauver dans ma traduction cette qualité souveraine du vieux maître, la noblesse. Comment y parvenir? Tant d’éléments de sa syntaxe, après huit siècles 1 Pierre Jonin (Hg.), La Chanson de Roland, Traduction, préface, notes et commentaire (Paris: Gallimard, 1979): S. 30; Alain Corbellari, Joseph Bédier, écrivain et philologue (Genf: Droz, 1997) und Alain Corbellari „Traduire ou ne pas traduire: le dilemme de Bédier, À propos de la traduction de la Chanson de Roland“, Vox Romanica 1997 : 63-83. Joseph Bédiers Nachfolger übersetzen Christine de Pizan 255 écoulés, sont tombés en désuétude! Tant de termes de son vocabulaire ont péri, ou, ce qui est pire, survivent, mais détournés de leur sens premier, affaiblis ou avilis! Je n’ai tenté d’en restaurer aucun : ce qui est mort est mort. Archaïser selon les procédeés usuels eût été courir les périls du style marotique, dont le moindre est d’accumuler les disparates. Pour répondre à l’effort du poète par un effort qui ressemblât au sien, j’ai évité dans ma traduction les mots récents, comme il évitait les mots bas. Exception faite, il va sans dire, pour les termes techniques qui désignent des choses d’autrefois, armes, vêtements, monnaies, coutumes, etc., j’ai essayé de n’employer que des mots et des tours bien vivants encore, mais qui, persistant tous dans notre usage, pussent tous se prévaloir de très anciens titres, plus anciens que la Renaissance. Une telle gageure méritait d’être tentée; mais elle était difficile à soutenir, et, je ne le sais que trop, j’ai maintes fois gauchi. (Corbellari, 1997b: 64) Corbellaris Kommentar lautet dahin gehend, daß Bédiers Versuch, Archaismen zu meiden, ihn zu einem latenten Widerspruch zwischen seiner Ablehnung des Künstlichen und seinem Wunsch, nur Worte zu benutzen, die nachweislich historisch begründet sind, geführt habe. Daß sich Bédier dennoch bewusst war, daß Archaismen zwar unwiederbringlich sind, aber dennoch in einer Übersetzung verwendbar, darf als sein grundsätzlicher philologischer Standpunkt gelten: eine recognitio, die für die Philologie typisch ist. Wichtig ist vor allem Bédiers Hinweis, j’ai évité dans ma traduction les mots récents, comme [le poète de la Chanson de Roland] évitait les mots bas. Diese Einstellung greift auf eine weitere Grundsatzposition Bédiers zurück: die Entstehung der chansons de geste ginge auf eine Kooperation von allen sozialen Schichten in der Entstehung dieser Werke zurück - eine Kooperation, die die Einheit des Vaterlandes, l’unité de la patrie bereits im Mittelalter bezeugt: Laïcs et clercs ont travaillé à les constituer, chevaliers, marchands, bourgeois, poètes de métier, gens du peuple et gens d’église, dans l’église, autour de l’église, sans qu’il soit à l’ordinaire possible de discerner l’apport de chacun. (IV: 427) Diese Annahme erklärt die Form der Sprache, die Bédier mit so großem Erfolg für seine Übersetzung gewählt hat, und verrät gleichzeitig die tiefe Verwurzelung Bédiers in der bourgeoisie bien-pensante. Seine Übersetzung war in der Tat erheblich zeitgemäßer, als er zugibt. Auf Bédiers Einstellung zu Archaismen kann man jedoch erst zurückkommen, nachdem man sich mit dem viel bedeutenderen Problem seines Leitprinzips des Aufrechterhaltens oder der „Rettung des Adels“ auseinandergesetzt hat, weil er in diesem Vorhaben vollkommen und wohl unbewusst unter dem Einfluss des Mediävismus von Jean-Baptiste La Curne de Sainte-Palaye stand. Die neuzeitliche Vorstellung über den Adel im Mittelalter geht auf Sainte-Palayes Werk, moires sur l’ancienne Chevalerie, consideree comme un Établissement politique & militaire (2 e éd. [Paris: Duchesne, 1759-81], 3 v.) zurück, das bei der Kanonbildung für das französische Mittelalter richtungweisend war. Sainte-Palaye ist zu verdanken, daß seit Ende des 18. Jh.s die Ritterromane eines seit Jahrhunderten in Vergessenheit ge- Earl Jeffrey Richards 256 ratenen Chrétien de Troyes und deren angebliche Tugenden plötzlich das Mittelalterbild Frankreichs dominierten. Seine Zwecke legte Sainte-Palaye bereits auf der ersten Seite seines Werks offen: L’objet que je me propose est de donner une juste idée de l’ancienne Chevalerie, & de faire connoître la nature & l’utilité d’un établissement qui, regardé maintenant comme frivole, fut néanmoins l’ouvrage d’une politique éclairée, & la gloire des Nations chez lesquelles il étoit en vigueur. 2 Die Rezeption dieses Grundgedankens im Laufe des 19. Jahrhunderts führt direkt zu Bédier. Bédiers Einstellung zur noblesse, die vor allem durch seine Wortwahl aufrechterhalten werden soll, entspricht der kompensatorischen Funktion des Roland-Stoffes schlechthin: man weiß z.B., daß der Pseudo-Turpin bereits im 13. Jahrhundert dem flämischen Adel eine idealisierte fiktive Welt ritterlicher Macht vorgaukelte, die der Adel nostalgisch herbeisehnte. 3 Bédiers Position zum Rolandslied war unmissverständlich: er sah das Werk als nationales Epos, das von einem einzigen unbekannten Dichter komponiert wurde. Obwohl er selbst betont hat, daß die chansons de geste in den Jahrzehnten am Ende des elften Jahrhunderts vor dem ersten Kreuzzug entstanden seien und, daß die Kirche als Wiege der chansons de geste gelten muss, lehnt er eine nachweisbare Verbindung des Rolandsliedes zur lateinischen Kultur des Mittelalters ab. Dennoch ist ausgerechnet dieses Leitprinzip der Rettung des Adels aus zwei Gründen daher fraglich, erstens, weil seine neuzeitliche Hervorhebung des Adels die recht lebhafte historische Polemik über Geburtsadel und Tugendadel ignoriert, die im Spätmittelalter wieder aufflammte, und zweitens, weil es das eigentliche politische Plädoyer der Oxforder Version des Rolandlieds verkennt. Die spätmittelalterliche Polemik um den Geburtsadel findet man unter anderen in den Werken von Guillaume Peyraut (Guillelmus Peraldus, gestorben ca. 1275, Summa de vitiis und Summa de virtutibus, Standardwerke für Dominikaner und Franziskaner, überliefert in jeweils 500 bzw. 300 Handschriften 4 ), Jean de Meung (Roman de la Rose), Dante (Convivio, IV), Cecco d’Ascoli (L’Acerba), und, last but not least, Christine de Pizan. Diese Polemik fand an einer interface of languages in contact statt, an einer Schnittstelle zwischen der lateinsprachigen theologischen Kultur und der Volkssprache. Diese Schnittstelle als literaturhistorisches und sprachhistorisches Ereignis stellt die gesamte „höfische Literatur“ in den Schatten. Das Beispiel von 2 Angeregt durch die schwärmerische knabenhafte Idealisierung der Tempelritter von Sainte-Palaye hat François Raynouard (1767-1836) im Jahre 1805 ein Drama zum Thema Les templiers geschrieben, das ihm später die Ernennung zur Académie française auf Vorschlag Napoléons brachte. Und im Jahre 1817 hat der gleiche François Raynouard seine Anthologie Choix des poésies originales des troubadours veröffentlicht, die angeblich Goethe veranlasst hatte, Friedrich Diez die Erforschung der Provençal zu empfehlen. 3 Gabrielle M. Spiegel, Romancing the Past: The Rise of Vernacular Prose Historiography in Thirteenth-Century France (Berkeley: University of California Press, 1993), S. 81-86. 4 Die Auseinandersetzung über die wahre Natur des Adels findet man in dem Teil De educatione principum, I, ch. 4-5, bei: www.corpusthomisticum.org/ xre1.htm zugänglich. Joseph Bédiers Nachfolger übersetzen Christine de Pizan 257 Guillaume Peyraut ist bezeichnend: seine Werke dienten als Textvorlagen für Prediger, die oft von einem lateinischen Original ausgehend in der Volkssprache predigten, eine historisch-konkrete Situation, die dazu geführt hat, daß manche handschriftliche Predigtsammlungen oder sermonnaires viele Beispiele an so genannte textes farcis überliefert haben. Die textes farcis als Schriftgattung sind ansonsten am besten bekannt in den großen Fabliaux-Sammlungen (Paris BnF, f fr 287, BnF, f fr 19152), oder in religiösen Parodien (parodies sacrées), die mit la fête des fous assoziiert werden, d.h. Texte, die an der Schnittstelle zwischen Schriftlichkeit (Latein) und Mündlichkeit (Volkssprache) entstanden sind, und zwar eine in beide Richtungen sehr durchlässige Schnittstelle, der zahlreiche Neologismen im Lateinischen und Latinismen in der Volkssprache entsprangen. Diese Schnittstelle definiert den historischen und sozialen Zusammenhang, in den man Latinismen in der Volkssprache und auch die relatinisation der Volkssprache stellen muss. Die entsprechende Schnittstelle in der Oxforder Version des Chanson de Roland wird wohl durch ein oft übersehenes Detail in der handschriftlichen Überlieferung des Werkes definiert: nämlich die Tatsache, daß die Handschrift Digby 23 ein Kompositum ist, das zunächst den Text der lateinischen Übersetzung durch Chalcidius des Timäus von Platon und dann erst den Text des Rolandlieds präsentiert. Die Augustiner in der Saint Mary of Oseney Abbey, eine der vier wichtigsten Abteien Oxfords, und in ihren Beziehungen zur Universität Oxford vergleichbar mit dem Verhältnis der Abbaye de Saint Victor in Paris zur Sorbonne, haben die zwei Texte relativ früh in einem Band verbunden. 5 Dieses rezeptionshistorische Faktum wirft die Frage auf, ob die zeitgenössischen Leser (oder Hörer) des Rolandlieds in dem Ansporn zum Kampf zwischen Christen und Heiden eine Parallele zu dem im Timäus beschriebenen Krieg zwischen Athen und Atlantis sahen. Andrew Taylor hat in einem Grundsatzaufsatz, „Was there a Song of Roland? “ Speculum 76 (2001): 28-65 genau dargelegt, wie der Oxforder Roland der performance-Situation eines Klosters entspricht (S. 65, „a bellicose Christian poem, suitable for reading aloud in the refectory or the hall“). Diese Feststellung entspricht wiederum den Ergebnissen der Forschung von Hans-Erich Keller, daß der Oxforder Roland engste Beziehungen zum Abt von Saint-Dénis aufweist. Die erste Zeile des Rolands sagt, Carles li reis, nostre emperere magnes: dieser Latinismus magnes/ magne/ maigne verweist bekanntlich auf ein implizites Plädoyer, das die französische Monarchie mit der kaiserlichen Krone in Verbindung bringt, wie es auch später im Werk heißt: La coronne de France doit estre si avant,/ Que tout autre roi doivent estre a li apendant (14f.). Inzwischen weiß man dank der Forschung von Hans-Erich Keller, daß das altfranzösische Rolandslied aus der Umgebung von Suger an der Abtei Saint-Denis entstand, und zwar mit einer klar rekonstruierbaren politischen Absicht, die 5 K. Sarah-Jane Murray, „Plato’s Timaeus and the Song of Roland: Remarks on Oxford Bodleian MS Digby 23,” Philological Quarterly 83 (2004): 115-26. Earl Jeffrey Richards 258 geschwächte Macht der Kapetinger zu stärken. Der Oxforder Roland greift zwar auf frühere Versionen zurück, ist aber selbst ein neues Werk, dessen Bedeutung Keller folgendermaßen erläutert: „Ce nouveau poème visait clairment à rehausser la tragédie de Roland par un drame centré autour de Charlemagne, afin de promouvoir les intérêts des Capétiens formulés par Suger. Il faut donc répéter [(...) que] la version d’Oxford de la Chanson de Roland reflète la quintessence de l’esprit national du royaume capétien vers le milieu du XII e siècle, dont le Saint-Denis de Suger était l’âme. “ 6 Wie ist Bédiers Übersetzung, die unumstritten als eigenständiges literarisches Meisterwerk gelten muss, in diesem historischen politischen Zusammenhang zu bewerten? Corbellari weist durch eine sorgfältige lexikalische Analyse nach, daß Bédier interessanterweise eine „Osmose“ zwischen Altfranzösisch und Neufranzösisch anstrebte, die auf einer Art polysémie diachronique basiert (S. 81). Die sprachhistorische Osmose, die Corbellari beschreibt, bewegt sich natürlich nur in eine Richtung, wie es bei Osmose immer der Fall ist, und lässt sich in Bédiers Übersetzung von prodom veranschaulichen. Die Kompliziertheit jeder Übertragung von prodom beruht auf der Konfusion bzw. der historischen Verschmelzung zwei lateinischer Etyma, PRODE (nützlich, vorteilhaft, vgl. PRODESSE ) und PRUDENS (behutsam, vorsichtig), weshalb die französische Übersetzung das neufranzösische prud’homme als eine synonymie fâcheuse de certain bourgeois ridicule zu vermeiden sucht. Aus diesem Grund übersetzt Bédier prodom zwar dreimal mit prud’homme, aber fünfmal mit preux und viermal mit vaillant. Dennoch setzt Bédiers polysémie historique eine sprachliche Insularität des Französischen voraus. Bédier benutzt mit einem meisterhaften, gekonnten Fingerspitzengefühl Archaismen in seiner Übersetzung, meidet aber dafür Latinismen, wie z.B. seine Übertragung von Carles li reis, nostre emperere magnes, als Le roi Charles, notre empereur, le Grand zeigt. Der travail de mémoire bleibt aus sprachlicher Sicht an dieser Stelle unvollständig, denn es sollte nicht nur an Roland le preux erinnert werden, sondern auch daran, daß sich viele mittelalterliche Texte im Spannungsfeld zwischen Latein und Volkssprache bewegten, wie z.B. La cantica delle creature des Heiligen Franz von Assisi als Muster für die Rhetorik der Franziskaner es veranschaulicht, und wie Gerhard Rohlfs es zwingend belegt hat in seinem Vom Vulgärlatein zum Altfranzösisch. Falls der Latinismus im Liedanfang nicht klar genug herausgestellt wurde, schließt das Oxforder Roland aber jedenfalls mit einer wahren Fanfare von Latinismen: ci falt la geste que Turoldus declinet, eine Zeile, die Bédier in der Originalsprache gelassen hat, wohl als sprachliche Rückkoppelung zum Mittelalter. Daß viel Tinte um die Bedeutung dieser einen Zeile geflossen ist, weiß jeder. 1885 meinte Pio Rajna, „gesta significa, o sicuramente, 6 Hans-Erich Keller, „La Chanson de Roland: poème de propagande pour le royaume capétien du milieu du XII e siècle,” in Autour de Roland, Recherches sur la chanson de geste (Paris/ Genf: Champion/ Slatkine, 1989): 79-107, Zitat S. 107. Joseph Bédiers Nachfolger übersetzen Christine de Pizan 259 o con grande probablilità, una cronaca scritta e latina“ und wies z.B. auf die Parallelität zwischen geste Francur und gesta Francorum 7 hin. 1895 stellte Gaston Paris fest, „la forme latine Turoldus fait aussi difficulté.“ 8 Streitig bleibt zwar, ob que im Sinne des lateinischen quia übersetzt werden sollte, oder ob sich declinet auf den schlechten Gesundheitszustand des Turoldus bezieht, oder schlicht und einfach „vortragen“ bedeutet (meine persönliche Vermutung ist, daß dies eine Verwechselung zwischen declamare and declinare sein könnte…). Unstreitig dagegen ist die erzielte latinisierende Wirkung der Schlusszeile - Heinrich Berger hat bereits 1899 in seiner Studie der Lehnwörter im Altfranzösischen von der „Unvolkstümlicheit“ von decliner gesprochen. 9 Kann, soll oder muss eine Übersetzung diesem Schnittstellencharakter Rechnung tragen, sowohl als travail de mémoire wie auch als travail de deuil? Das Risiko liegt darin, daß der wohl provokative Charakter der Sprache des Originals in der Übersetzung teils nivelliert wird, teils „homogenisiert“ wird, teils dem anderen, späteren „Erwartungshorizont“ des Publikums der Übersetzung angeglichen wird. Bereits 1936 hat Giuseppe Chiri in seiner Untersuchung L’epica latina medioevale et la Chanson de Roland folgende Bilanz gezogen: „La Chanson de Roland non deve più essere considerata come una manifestazione improvvisa et indipendente nel quadro della letteratura medioevale, ma si collega nel modo più stretto con la letteratura epica latina che l’ha preceduta“ (S. 349). Man kennt ebenfalls die lange Polemik um die Frage, ob der Roland-Dichter von Vergil beeinflusst wurde. Jetzt steht der Konnex zum lateinischen Mittelalter durch die Zugehörigkeit des Oxforder Rolands zur Abtei Saint-Dénis endgültig fest. In der Übersetzung Bédiers wird jedoch diese Verbindung zur mittellateinischen Kultur ausgeblendet, d.h., die sprachlich Heterogenität des Originals verschwindet in einer militanten selbstbewussten Einsprachigkeit. Die Kritik, die hier angebracht scheint, ist, daß die Erinnerungsarbeit an Roland, die Bédier mit seiner Übersetzung leistet, auf den ursprünglich politischen Zusammenhang der Machtkrise der Kapetinger zwischen 1160 und 1170 verzichtet, um aus dem Werk ein nationales Epos zu machen - ein völlig anachronistisches Vorhaben, das jedoch dem Zeitgeist entsprach. Mit dieser Übersetzung wurde hauptsächlich Trauerarbeit um den ersten Weltkrieg geleistet, mit Roland und Olivier als Vorgänger der Opfer des sinnlosen Grabenkrieges. Was bedeutet der wohl unvermeidliche Verlust der Latinismen zugunsten des Erhalts von einigen französischen Archaismen? Die Antwort hier wird nicht überraschen: Bédier hat das Rolandlied verbürgerlicht, ge- 7 Pio Rajna, „Contributi alla storia dell’epopea, III : Ci falt la geste que Turoldus declinet,” Romania 14 (1885): 105-415; Zitat, S. 407. 8 [Gaston Paris], „Chronique, ” Romania 24 (1895) : 632. 9 Heinrich Berger, Die Lehnwörter in der französischen Sprache ältester Zeit (Leipzig: Reisland, 1899), S. 97. Earl Jeffrey Richards 260 nau wie er früher die Fabliaux auch verbürgerlicht hatte, und diese Verbürgerlichung bringt uns nicht näher an das Original, wie man normalerweise bei einer Übersetzung erwartet. Ein kurzer Exkurs über die Fabliaux ist in diesem Zusammenhang hilfreich, um zu sehen, wie folgenschwer Bédiers Verbürgerlichung in beiden Fällen ist. Er sah in den Fabliaux die Anfänge einer bürgerlichen Literatur Frankreichs. In dieser Hinsicht folgt er dem Fabliaux-Herausgeber, Anatole de Montaiglon, der im Jahre 1872 die fabliaux getrennt von den contes dévots veröffentlicht hatte. Fast alle späteren Fabliaux-Forscher gehen davon aus, die Handschriften beinhalten heterogene Texte, die nur zufälligerweise in den gleichen Handschriften überliefert wurden. 10 Auf diese Weise entstand plötzlich eine „bürgerliche“ Literatur des Mittelalters, die ohne Rücksicht auf die zwei herrschenden Diskurse des Mittelalters - Theologie und Jurisprudenz - zu beurteilen ist. Die Fabliaux-Handschriften, die auch textes dévots mit einem ausgeprägten marianischen Charakter und das weit verbreitete Wunder des Theophil beinhalten, wurden für das gleiche Pariser Universitätspublikum verfasst, das das rasche Aufkommen anderer Wundererzählungen der Mutter Gottes in der Volksfrömmigkeit des späten 13. Jahrhunderts miterlebt hatte, die von Volkspredigern auf der Straße vorgetragen wurden. Dazu kommt noch die Tatsache, daß die Straßenprediger in Paris nicht nur die Wunder der Mutter Gottes erzählten, sondern auch die Taten von Charlemagne, Roland und Olivier, wie ein Beobachter berichtete: Solent gesta Caroli, Rolandi et Oliveri referri ad animandum audientes. 11 Der Roland-Stoff wurde zum Teil an der gleichen Schnittstelle überliefert, wie die Fabliaux, und es handelt sich um Texte, die in einem universitären und nicht in einem bürgerlichen Milieu entstanden und die wohl in erster Linie in der Tradition der heiligen Parodie, etwa la fête des fous, zu lokalisieren sind. Klassische marianische Verehrungen vermischen sich in den Fabliaux-Handschriften mit Texten, die ungehemmt weibliche Genitalien sprechen lassen, aber eine klar erkennbare satirische Absicht gegenüber dem weltlichen Klerus haben. 12 10 Dans toutes ces publications (...) il est entré bien des pièces qui ne sont des fabliaux à aucun titre. Miracles et contes dévots, chroniques historiques rimées, Lais, petits Romans d’aventures, Débats, Dits, pièces morales, tout ce qui se rencontrait d’ancien et de curieux. (...) Maintenant il convient forcément d’être plus sévère au point de vue de genre, et si l’on s’occupe des fabliaux, de s’en tenir à ce qui est le vrai Fabliau, c’est-à-dire à un récit, plutôt comique, d’une aventure réelle ou possible, même avec des exagérations, qui se passe dans les données de la vie humaine. Tout ce qui est invraisemblable, tout ce qui est historique, tout ce qui es pieux, tout ce qui est d’enseignement, tout ce qui est de fantaisie romanesque, tout ce qui est lyrique ou même poétique, n’est à aucun titre un Fabliau. (...) Il est plus naturel, bourgeois si l’on veut. (Bd. 1, S. vii-viii). 11 Zitiert bei Edmond Faral, „A propos de la Chanson de Roland: Génèse et signification du personnage de Turpin,“ in La technique littéraire des chansons de geste (Paris: Champion, 1959), S. 277-78. 12 Wenn man einen kurzen Überblick der Inhalte in der wichtigen Fabliaux-Handschrift, Paris BnF f fr 837, sieht man gleich, wie dieser Textauswahl von vornherein eine klare Provokation der bürgerlichen Moral des 19. Jahrhunderts bedeutet: Joseph Bédiers Nachfolger übersetzen Christine de Pizan 261 Die marianische Wundererzählungen, ohne Basis in den Evangelien, haben Thomas Aquinas um 1270 veranlasst, sie als fabulas ignotas abzuqualifizieren, die ein Prediger besser ignorieren sollte. Er duldete sie allerdings gezwungenermaßen, es sei denn, sie lösten ein scandalum aus. 13 Aquinas wurde bei den fabliaux und den damit verbundenen marianischen Wundererzählungen weder von deren vocabulaire grivois noch von deren angeblich proto-dekonstruktiver Infragestellung der Sprache irritiert, sondern durch ihre Instrumentalisierung der Volksfrömmigkeit schlechthin. Diese Instrumentalisierung der Volksfrömmigkeit war eine beliebte Taktik der Franziskaner in ihren Reformbestrebungen. Hier lag der eigentliche, der historische Skandal für den strengen Dominikaner Thomas. Bédiers Publikum wollte sowohl im Rolandslied wie in den Fabliaux die Anfänge der bürgerlichen Literatur sehen und nicht ein Plädoyer für die Machtstärkung der Kapetinger, und auch keine Schnittstelle zwischen Latein und Französisch, zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit, zwischen institutionalisierter Liturgie und Volksfrömmigkeit. Daher setzt die bürgerliche Rückeroberung des Rolandstoffes fast programmatisch den Verlust der Latinismen in Bédiers Übersetzung voraus. Aus ähnlichem Grund stand 65. Du con qui fu fez a la besche (f. 170ra-va) 66. Li ABC Nostre Dame (f. 170va-171va) 67. Li jugemenz des cons (f. 171va-172va) 68. La Patre nostre glosee (f. 172va-173rb) 69. Pardon de foutre (f. 173rb-vb, Fragment) 70. La proiere de Nostre Dame (f. 174ra-rb, Fragment) (...) 75. La Patre nostre du vin (f. 177rb-vb) 76. O intemerata en françois (f. 177vb-178rb) (...) 79. Les neuf joies Nostre Dame (f. 179rb-180rb) 80. Hue Archevesque, De larguece et de debonereté (f. 180rb-181ra) 81. Ordres de Paris (f. 181ra-vb, Rutebeuf) 82. Les XXIII manieres de vilains (f. 182ra, fragment) 83. Le Salu d'amors et complainte (f. 182ra-va) 84. De la damoisele qui ne pooit oïr parler de foutre (f. 182va-183ra) (...) 121. Du vit et de la couille (f. 215rb-vb) 123. L’Ave Maria en françois (f. 216rb-217ra) Da man inzwischen weiß, daß eine dieser Handschriften kurz nach 1278 von einem oder zwei Schreibern transkribiert wurde, liegt es auf der Hand, daß die Texte hier (inklusive einige textes farcis), die in einem universitären und nicht bürgerlichen Milieu entstanden, sind in erster Linie in der Tradition der heiligen Parodie, etwa la fête des fous, zu lokalisieren, und wohl in zweiter Linie direkt in dem Zusammenhang der Streiten an der Pariser Universität in den 1270er Jahren, und indirekt in dem Zusammenhang des sich anbahnenden Kontroverse um das Unbefleckte Empfängnis Mariens zu verstehen sind, in dem das Unbefleckte Empfängnis stellvertretend das Emblem der erwünschten Reformen der Kirche - die Wiederherstellung ihrer Reinheit - stand. 13 De 6 articulis, (1271), q. 3 ad arg: Si autem ab aliquo sit praedicatum, non arbitror esse necessarium quod revocetur, nisi forte ex hoc populo scandalum sit exortum; et tunc non deberet ut erroneum reprobari, sed ut incertum exponi. Earl Jeffrey Richards 262 Bédier ebenfalls unter dem Argumentationszwang, die vermeintliche Obszönität in einem Sechstel der überlieferten Fabliaux als Ausdruck des esprit gaulois zu klassifizieren, der strikt vom esprit bourgeois zu trennen sei. Daher hat der Verlust der Latinismen bei Bédier, der möglicherweise anfänglich als bestenfalls eine stilistische Lappalie erscheint, jedoch weitreichende Konsequenzen. Ein bürgerliches Publikum in Frankreich bekam am Anfang der zwanziger Jahre den Roland, den es wollte, zum gleichen Zeitpunkt, als es ebenfalls eine frisch heilig gesprochene Jeanne d’Arc bekam. In Bédiers Übersetzung hatte das Publikum zweifelsohne Erinnerungsarbeit und Trauerarbeit leisten können, aber eher im Hinblick auf das Leiden des ersten Weltkrieges. Bédiers Übersetzung zeigt, wie leicht eine Übersetzung das Original aus dessen ursprünglichen Zusammenhang herausreißen kann und zu anderen Zwecken instrumentalisieren kann. Das gleiche Risiko läuft man mit den neuzeitlichen Übersetzungen des Livre de la Cité des Dames, dessen publizistischer Erfolg in etwa vergleichbar mit dem von Bédiers Roland ist. Die zwei Kriterien, travail de mémoire, travail de deuil treffen hier ebenfalls vollkommen zu. Als meine englische Übersetzung 1982 erschien, galt die „Wiederentdeckung“ eines Klassikers der women’s history als Sensation. Viele ForscherInnen haben sofort eine Art Trauerarbeit aufgerufen, daß Christine erst jetzt einem breiten Publikum zugänglich gemacht wurde (die Rezensionen in der Tagesausgabe der New York Times, der New York Times Book Review und der Londoner Times Literary Supplement haben eine Kettenreaktion ausgelöst). Um den Erwartungshorizont der Übersetzung zu verdeutlichen, muss ich die näheren Umstände der Übersetzung kurz erläutern: die Übersetzung habe ich als Assistent am Lehrstuhl für Komparatistik hier in Münster 1978 bis 1981 fertig gestellt, und zwar als Vertiefung meiner Forschungsinteresse in franko-italienischen Literaturbeziehungen des späten Mittelalters und zur gleichen Zeit, als ich meine Forschungsbibliographie zur Rezeption der Werke von Ernst Robert Curtius verfasste. In dieser Zeit lernte ich auch Heinrich Lausberg kennen, zumal wir beide morgens um die gleiche Zeit fast den gleichen Fußweg Richtung Domplatz hatten, er zur Messe im Dom, ich zum Institut). Der New Yorker Verlag, für den ich die Übersetzung vorbereitet hatte, ist ein kleines Haus, das auf literarische Übersetzungen spezialisiert ist, und z.B. Werke von Paul Celan, Nazim Hikmet und Breyten Breytenbach veröffentlicht. Die Mitbegründerin des Verlags, Karen Braziller, die die Übersetzung betreut hat, hatte zur gleichen Zeit als Lektorin eng mit Joyce Carol Oates zusammengearbeitet - soviel muss zum zeitgenössischen amerikanischen Erwartungshorizont schon gesagt werden. Bédier konnte, als er seine Übersetzung veröffentlicht hat, auf eine politische Instrumentalisierung des Roland-Stoffes, die über 80 Jahre alt war, zurückblicken. Die Lage bei Christine war vollkommen anders, und zwar Joseph Bédiers Nachfolger übersetzen Christine de Pizan 263 durch das vernichtende Urteil Gustave Lansons. 14 Christine galt als langweilige Pedantin und damit war die wissenschaftliche Diskussion beendet. Die Grundsatzfrage war damals: War Christine Feministin? Ich habe die Frage bejaht und mich dabei auf Gustav Gröbers Urteil von 1908 berufen, als er Christine „die erste Frauenrechtlerin“ Frankreichs nannte. Natürlich war mir klar, daß Christine als Feministin zu bezeichnen, eine Provokation war. In dieser Hinsicht muss man die Kritik des bekannten Mediävisten der University of Chicago, Peter Dembowksi, näher betrachten: In light of the present day interest in feminism, [Richards’] desire to stress the timeliness of Christine’s message for the 1982 reader is understandable. Indeed such an attitude is not unreasonable in a translator, but it can occasionally embarrass a philologist. Thus in commenting on Part 3, R[ichards] declares that [it] “is perhaps the most foreign to the contemporary sensibility to see the Virgin Mary as the culmination of the New Kingdom of Femininity” (269). He is right, especially if one excludes from “contemporary sensibility” the Catholic and Greek Orthodox views, but such comments create problems for a student of Christine’s thought. First of all, it implies that other fundamental aspects of her thought are not quite as “foreign.” For me, e.g., her theologically-centered view of Justice is rare even in the Catholic circles of our times. Second, and more important, the very term “feminism” in its 1982 guise, applied to her ideology, forces the serious reader to apologize for some of her views. 15 Ich gebe Dembowski darin recht, daß eine zu zeitgemäße Übersetzung dem Philologen peinlich sei. Und so kehren wir zurück zum eingangs zitierten Wort des George Saintsbury: „Ancient without Modern is a stumbling block, Modern without Ancient is foolishness utter and irremediable.“ Daß sich Christine als Verfechterin für la cause des femmes - ihre Übersetzung für Boccaccios causa mulierum, und, wie ich meine, ihr Terminus für Feminismus - sah, und diese Position unter den Schutz der Mutter Gottes stellt, ist Fakt. Ein marianisch fokussierter Feminismus war nicht nur 1982, nicht nur 2007, sondern auch im 15. Jahrhundert eine Provokation, und so stehen die Übersetzerinnen und Übersetzer von Christine vor der Herausforderung, den modernen Feminismusbegriff theologisch, und zwar marianisch, zu erweitern, etwa im Sinne des Stichwortes in meiner Mutter Haus sind viele Wohnungen. Bedeutet dies einen Feminismus der Unterwürfigkeit? Immerhin betet Christine: Nous te saluons, Royne des Cieulx du Salut ... Supplie humblement a toy tout le devot sexe des femmes. Und Christine 14 Gustave Lanson, Histoire de la littérature française (Paris: Hachette, 1912), S. 166-167: Ne nous arrêtons pas à l’excellente Christine Pisan, bonne fille, bonne épouse, bonne mère, du reste un des plus authentiques bas-bleus qu’il y ait dans notre littérature, la première de cette insupportable lignée de femmes auteurs, à qui nul ouvrage sur aucun sujet ne coûte, et qui pendant toute la vie que Dieu leur prête, n’ont affaire que de multiplier les preuves de leur infatigable facilité, égale à leur universelle médiocrité. Il faut l’estimer, étant Italienne, d’avoir eu le cœur français, et d’avoir rendu un dévouement sincère et désintéressé aux rois et au pays dont longtemps les bienfaits l’avaient nourrie; le cas n’est pas si fréquent. 15 Peter F. Dembowski, Book Review: Christine de Pizan, The Book of the City of Ladies, trans. Earl Jeffrey Richards, Romance Philology 39 (1985-86): 125-128. Earl Jeffrey Richards 264 wiederholt die Formel pour le devot sexe des femmes an zwei anderen Stellen in ihrem Werk (Oroison Notre Dame und Sept psaulmes allégorisés). So kommen wir noch einmal zum Begriff einer Schnittstelle zwischen Latein und Französisch zurück. Le devot sexe des femmes ist eine fast wörtliche Übertragung eines Gebets aus dem mittelalterlichen Officium für das Fest Mariä Himmelfahrt: Beata Dei Genetrix Maria… ora pro populo, interveni pro clero, intercede pro devoto femineo sexu: sentiant omnes tuum juvamen, quicumque celebrant tuam assumptionem. 16 Devotus hat hier den im christlichen Latein üblichen Sinn von pius, nicht die Bedeutung von fidelis, oboediens, submissus (vgl. TLL, V,1: 883-885; Ps.-Hil., „mulier omni continentia et passione devota“). Das Problem hier ist grundsätzlich Folgendes: ohne Konnex zur mittellateinischen Kultur im konkreten, sprachlichen Sinne sind Missverständnisse in einer Übersetzung von Christine, wie vom Rolandslied, vorprogrammiert. Wie gut können wir das Altfranzösische ohne diese Schnittstelle verstehen? Schauen wir zunächst auf die Übersetzung von Droiture, eine der drei allegorischen Gestalten, die vor Christine erscheinen, um ihr einen Ausweg aus ihrer Verzweifelung zu bahnen. Was bedeutet Droiture, die unterschiedlich als „Rectitude“, „Rechtschaffenheit“ und „Rettitudine“ übersetzt wird? 17 Tobler- Lommatzsch definiert droiture als Gerechtigkeit, Recht, Anspruch, das einem Gebührende, Gebühr, gesetzmäßige Abgabe, Almosensteuer, Zubehör, und ausnahmsweise hilft diese Definition nicht viel weiter. Die Beispiele, die Godefroy dagegen gibt, sind hilfreicher: droiture kommt häufig in Charta vor, und scheint sich auf vertraglich, oder durch Verhandlungen oder durch königliches Dekret gesichertes Recht zu beziehen, wobei zu betonen ist, daß man zwischen droit und droiture unterscheidet - somit hat man einerseits ein Recht oder Rechte und anderseits eine…droiture. 18 Da Christines eigener persönlicher Schriftduktus an 16 Zwei Texte des Gebets sind zugänglich im Web: http: / / www.lib.latrobe.edu.au/ MMDB/ MusicDBDB/ jps-newSearch.php? t1=Ora+pro+populo,+interveni+pro+. 17 S. meine Aufsätze zu diesem Problem, „Le concept de Droiture chez Christine de Pizan et sa pensée politique, ” in L’analisi linguistica e letteraria (Facoltà di lingue e letterarie straniere, Università Cattolica del Sacro Cuore), Anno VIII (2000), 1-2, S. 305-314; „Christine de Pizan and Medieval Jurisprudence,” Contexts and Continuities, Proceeding of the Fourth International Colloquium on Christine de Pizan (July 2000), Hg. Angus J. Kennedy et al. (Glasgow, University of Glasgow Press, 2002), S. 747-766; und „Justice in the Summa of St. Thomas Aquinas, in Late Medieval Marian Devotional Writings and in the Works of Christine de Pizan,” Christine de Pizan, Une femme de science, une femme de lettres, Hg. Juliette Dor und Marie-Élisabeth Henneau (Paris: Champion, 2008), S. 95- 113. 18 Que les yglises d’Engleterre aient lor dreitures franches et enterines et plenieres (Gr. Charte de Jean sans terre, Cart. de Pont-Audemer, f° 8= 1,Bibl. Rouen.); au derriens par bonnes gens entendimes lor droiture et reconnumes que nos n’aviens droit en totes ces choses, et quitames entierement au desseurdis abbes et couvent de Signi a tos jors totes les droitures, les signeries que nos aviens et poiens avoir en l’abbeie de Signi et en totes les granges et les terreurs (1247, Cart. de Signy, Arch. Ardennes.); nos n’am porons panre ne issues ne autres choses fors nos dretures de toutes les choses qu’il tanront (1247, Cart. de Champagne, Richel. l. 5993, f° 342d.); toutes les drotures qu'il avoient en la cité de Besençon (1253, Ch. de J. de Bourg., Arch. J 247, pièce 37 [35]); la souveraine devision de la droiture des personnes est tele que tuit Joseph Bédiers Nachfolger übersetzen Christine de Pizan 265 einen in Rechtskanzleien gebrauchten Duktus stark erinnert, weil sie wohl als junge Witwe ihren Lebensunterhalt als Schreiberin dort verdient hatte, geht man ebenfalls davon aus, daß sie mit dem juristischen Wortschatz ihrer Zeit bestens vertraut war. Vor Christine hat lediglich ein einziger Schriftsteller, Philippe de Mézières, eine allegorische Gestalt namens Droiture, allerdings nur in einer sehr begrenzten Nebenrolle, auftreten lassen, und wie man Droiture bei ihm zu übersetzen hätte, bleibt dahingestellt. Der Sprachgebrauch im reinen volkssprachlichen Bereich zeigt, daß wir es bei droiture nicht mit einem lateinischen Subtext oder Intertext zu tun haben, sondern mit einem juristischen Phänomen, das unmittelbar dem Rechtsalltag, und zwar aus dem Gewohnheitsrecht, entspringt. Christine präsentiert eine Troika, Raison, Droiture, Justice, die an eine ähnliche Troika in juristischen Allegorien, wie z.B. im Templum Justitiae des Placentinus erinnert, Ratio, Justitia, Aequitas. 19 Zusätzlich zu dieser Tradition juristischer Kommentare, die an der Universität in Bologna gepflegt wurde, an der Christines Großvater väterlicherseits als Jurist tätig war, und deren Lektüre Christine dem französischen König auch empfohlen hat, kann es als nachgewiesen gelten, daß Christine mit den Passagen in der Summa Theologiae des Thomas von Aquin gut vertraut war, in denen der Doctor angelicus den Begriff lex naturalis bespricht (I, ii, qu. 91). 20 Ist Droiture eine mögliche Übersetzung von Aequitas? Während Justitia als lex æterna galt, wurde Aequitas als lex positiva verstanden, d.h., als die Gesetze, die jede Kultur für sich im Laufe der Zeit geschaffen hat. Jeder Herrscher verfügte laut dieser spätmittelalterlichen juristischen Tradition bei der Auslegung eines Gesetzes über einen gewissen Spielraum, der als æquitas bezeichnet wurde. Der Begriff lebt in der französischen Rechtskultur als équité weiter. Es wäre für Christine durchaus möglich gewesen, Équité statt Droiture zu nehmen. Dies hat sie nicht getan. Sollte der Eindruck entstanden sein, daß ich selbst trotz einer mittlerweile über dreißig Jahre langen Beschäftigung mit Christine nicht genau weiß, wie home sunt ou franc ou serf (Institutes, Richel. 1064, f° 3a.); Conselz a esté mis par nostre establisement que li creancier ne soient empaiechié de porsievre lor droiture (Institutes, Richel. 1064, f° 23b.); cil qui sunt sozmis a autrui droiture n’ont paz pooir de faire testament (Institutes, Richel. 1064, f° 27b.); exceptez les drouitures a l’abey de mont S. Mich. (XIII e s., Franchise de Guernerie, Arch. Manche, Mont S. Michel.); Tenroit teil reliet et tel droiture de ces biens qu’il hat de ses autres fiez (1285, Cart. du Val St Lambert, Richel. l. 10176, f° 11a.). 19 Der lateinische Begriff æquitas wird normalerweise ins Deutsche als „Billigkeit“ übersetzt, und die lateinische Formel „bonum et æquum est“ - abgeleitet vom ersten Satz des Corpus civilis „jus est ars boni et æqui“ - liegt hinter dem deutschen Ausdruck „es ist recht und billig“ und dem Fränzösischen „il est bon est juste,“ aber die Formel ex bono et æquo eher als „d’après l’équité“ übertragen, als ob der justinian’sche Intertext dahinter verschwunden wäre. 20 Dante übersetzt in Convivio IV, ix, 8 den berühmten Anfangssatz von Justinians Digesta, jus est ars boni et æqui: „e però è scritto nel principio del Vecchio Digesto : La ragione scritta è arte di bene e d’equitade,“ eine Übersetzung, deren Übertragung von jus als ragione scritta an den deutschen Ausdruck Schriftrecht erinnert. Earl Jeffrey Richards 266 Droiture zu übersetzen ist, so kann ich in aller Offenheit coram publico sagen: Dieser Eindruck ist zutreffend. Die deutsche Übersetzung „Rechtschaffenheit“ gefällt mir am besten, denn sie enthält den Sinn einer Praxis, die „Recht schafft“, und dieser Sinn entspricht dem Gebrauch von droiture in den überlieferten Texten aus Charta von Städten und Klöstern, die ihre droiture schriftlich fixieren wollten. Das Beste, was ich vorzuschlagen habe, ist, daß Christine hier eine Meditation über die Natur der Gerechtigkeit für Frauen anstellt, die auf die Notwendigkeit einer neuen sozialen Praxis hinweist. In der Geschichte der französischen Literatur hat Christine de Pizan, und nicht Jean-Jacques Rousseau, als erste die Reflexion zum Begriff droit in Gang gesetzt. Und ihre Überlegung beruht auf einem theologisch gewagten, äußerst provokativen Vorschlag, Maria als Königin der Gerechtigkeit neben Jesus als rex justitiae zu betrachten. Die Provokation hier besteht in der Tatsache, daß im Mittelalter der alttestamentarische Priesterkönig Melchisedech als figura Christi verstanden wurde, und sein Name als „König der Gerechtigkeit“ gedeutet wurde. Der Ausschluss der Frauen vom Priesteramt geht auch heute noch zum Teil auf den Begriff des Ordens Melchisedech zurück, der Priester und König in sich vereint. Aus diesem Grund ist bei allen theologischen Autoren des Mittelalters die Teilung der Zuständigkeiten Mariens und Jesu gestochen scharf: er ist rex justitiae, sie regina misericordiae. Christine erinnert ebenfalls daran, daß die Urkirche erst aus Frauen bestand, nachdem die Apostel weggegangen waren, mit der unausgesprochenen Implikation, daß Maria wohl die erste Priesterin war - ein Argument, dem von der Amtskirche bis heute vehement widersprochen wird. Christine will, daß ihre Stadt Frauen aus allen sozialen Schichten zugänglich ist, deren Tugend ihnen Zutritt zur Stadt gewährt. Dieses Argument wird sehr deutlich in der Geschichte von Griselda in der Cité des Dames, in der Christine in deutlichen Unterschied zu Petrarca und Boccaccio den Gegensatz zwischen der bäuerlichen Abstammung Griseldas und der blaublütigen Herkunft des Ehemanns, des Markgrafen von Saluzzo viel stärker betont, und zwar in der unverkennbaren Absicht, die Antithese Tugendadel/ Blutadel, die Guillaume Peyraut in seinen Handbüchern für Prediger bereits thematisiert hat und einem breiten Publikum vorgestellt hat, noch deutlich hervorzuheben. Aus hermeneutischer Sicht würde man von einer Verschmelzung des Erwartungshorizonts des modernen Publikums mit dem Horizont Christines sprechen, vorausgesetzt natürlich, daß man den Horizont Christines annähernd korrekt rekonstruiert hat. Christine ist auch Moralistin im besten Sinne - für sie hat eine tugendhafte Lebensweise, und nicht geschlechtliche Identität Vorrang vor allem anderen, und dementsprechend betont sie: Cellui ou celle en qui plus a vertus est le plus hault, ne la haulteur ou abbaissement des gens ne gist mie es corps selon le sexe mais en la perfeccion des meurs et des vertus. Dies e Aussage ist auf den ersten Blick täuschend harmlos formuliert in Anbetracht der Tatsache, daß sie unmissverständlich der thomistischen Lehre widerspricht, daß die Frau eher ein Zufallsprodukt der Natur sei. Auch wenn die hervorragende deutsche Übersetzung Margarete Zimmermanns Droiture am besten wiedergibt, ist leider ein einziger schwerwiegender und unvermeidlicher Verlust in der deutschen Übersetzung zu verzeichnen, und Joseph Bédiers Nachfolger übersetzen Christine de Pizan 267 ich hoffe, daß unsere Berliner, ehemals Münsteraner Kollegin mir diese Beobachtung gestattet, die auch auf persönliche Gespräche mit ihr zurückgeht. Man kann das altfranzösische Wort dame ins Deutsche schlicht und einfach nicht mit „Dame“ übersetzen. Im Englischen greift man zur guten alten lady zurück (vom angelsächsischen hlæfdige „Brotkneterin“), obwohl sehr lange mit dem Verlag in New York diskutiert wurde, ob „lady“ für Feministinnen zu herablassend wirken würde. So konnte man mit den bereits vorhandenen Ressourcen der Zielsprache die Antithese femme/ dame relativ mühelos übertragen. In Italien hatte man das zusätzliche Problem, daß Federico Fellinis Film Città delle donne aus dem Jahre 1980 das neuzeitliche semantische Feld verkompliziert hat. Um die ursprüngliche Unterscheidung femme/ dame ins Italienische zu übertragen, um Christines Polemik gegen den Geburtsadel (und gegen die darauf aufbauende patriarchalische Ordnung) hinüberzuretten, hat Patricia Caraffi nach einer sehr philologisch orientierten Korrespondenz mit dem Verlag auf den Gallizismus dama zurückgegriffen mit dem entsprechenden Titel Città delle dame. Warum ist diese Klarstellung wichtig? Man denke an Ricœurs Auffassung der Übersetzung als travail de mémoire, travail de deuil: Christines Polemik hat einen juristischen und theologischen Hintergrund, der uns einfach verloren gegangen ist, aber ihr selbstverständlich sehr präsent war. Nach der französischen Revolution hat man das Grand Couvent Saint-Jacques der Dominikaner niedergerissen. Dort wurde der rechte Arm von Thomas Aquinas seit 1370, kurz nach Christines eigener Ankunft am nah gelegenen königlichen Hof, als Reliquie in einer eigens hierfür gebauten königlichen Nebenkapelle nicht nur den Gläubigen, sondern jedem Studenten der theologischen Fakultät zur Schau gestellt. Da die literarische Kultur Frankreichs bis zur Revolution fest in der Hand der Kirche war, 21 ist nicht zu unterschätzen, wie viele Generationen von Klerikern vor dieser Reliquie ihre theologische Kultur bekommen haben. Heute steht an gleicher Stelle der gediegene neo-klassizistische Bau der juristischen Fakultät der Sorbonne und nicht einmal eine schöne Messingplakette erinnert an die materielle Basis einer in der Revolution zerstörten und endgültig verloren gegangenen theologischen Kultur. Es handelt sich in diesem Fall nicht nur um eine archéologie du savoir, sondern um eine archéologie universitaire parisienne…. Was lehren uns alle diese Übersetzungen? Oder, um Curtius zu paraphrasieren, 22 was wird hier für das Verständnis geleistet? Übersetzungen sind vor allem erst dann interessant, wenn sie darin scheitern, das Original in der Zielsprache adäquat wiederzugeben. Dies kann nur eine historisch vorgehende 21 Robert Darnton, „The Facts of Literary Life in Eighteenth-Century France,” in The Political Culture of the Old Regime, Hg. Keith Baker (Oxford, 1987), S. 261-291. 22 In seinem Aufsatz „Antike Rhetorik und Vergleichende Literaturwissenschaft“ (jetzt abgedruckt in: Gesammelte Aufsätze [Bern: Franke, 1960], S. 18-19) plädiert Curtius auf der Basis der antiken Rhetorik (in diesem Fall, ob der spanischen Kultismus oder agudeza aus „der spanischen Wesensart“ erklärt werden könne), und kommt zu einem vernichtenden Urteil über die Verwendung von nationalen Klischees in der Literaturwissenschaft. Sein letzter Satz ist hier von Interesse: Für das Verständnis ist damit nichts geleistet. Earl Jeffrey Richards 268 Philologie feststellen, auch wenn es gleichzeitig und zwangsläufig eine Selbstkritik der Philologie bedeutet. Ein Text kann, muß aber nicht übersetzt werden, d.h. ein Original in seiner eigenen Historizität braucht keine Übersetzung. Die Übersetzung kann dennoch bei der Aufdeckung dieser Historizität eines Werkes hilfreich sein, bei dem Wiedererkennen von dem, was im Werk „zufällig vorhanden“ ist. Während Bédiers Roland-Übersetzung hier stellvertretend für die Anfänge der romanischen Philologie steht, stehen die verschiedenen Übersetzungen von Christine de Pizan für deren Zukunft, und beide erfüllen die Aufgabe einer Erinnerungs- und Trauerarbeit. Diese Sachlage ist jedoch das Gegenteil der Situation, die Marie de France in dem berühmten Prolog ihrer Lais beschrieben hat. Sie war der Meinung, daß sich die Alten absichtlich obskur ausgedrückt haben, damit spätere Generationen von Schriftstellern diese dunklen Passagen mit Hilfe ihres eigenen Geistes ergänzen und somit klären können. Sie bezog sich dabei auf den Prolog der Institutiones von Priscian. 23 Der berühmte Satz des Priscian auctores quanto sunt iuniores, tanto perspicaciores wird in diesem Zusammenhang zitiert und sofort in Bezug mit dem Topos der „Zwerge auf den Schultern von Giganten“ (pigmaei gigantum humeris impositi plusquam ipsi gigantes vident) gesetzt, der zum ersten Mal von John of Salisbury im Metalogicon erwähnt wird und Bernhard de Chartres zugeschrieben wird. Ein fatales Missverständnis hat sich hier eingeschlichen, denn die auctores, auf die sich Priscian bezieht, und die zunehmend scharfsichtiger werden, sind nicht die moderneren Schriftsteller, wie wohl Marie de France meint, sondern die Grammatiker, d.h., die Philologen: maxime vetustissima grammatica ars arguitur peccasse, cuius auctores, quanto sunt iuniores, tanto perspicaciores („es erweist sich, daß sich die älteste Grammatik sehr geirrt hat, deren Vertreter je jünger desto scharfsichtiger sind“). Wir Philologen sind, sozusagen, die echten Zwerge auf den Schulten der Giganten, aber dafür können wir auch weiter sehen. 23 Mortimer J. Donovan, „Priscian and the Obscurity of the Ancients,“ Speculum 36 (1961), 75-80; S. 76: „While Priscian is writing about ancient grammarians, Marie is writing about ancient writers, whatever their subject matter“ Vgl. auch Leo Spitzer, „The Prologue to the Lais of Marie de France and Medieval Poetics,” Modern Philology 41 (1943): 96-102; nachgedruckt in: Leo Spitzer, Romanische Literaturstudien 1936-1956 (Tübingen: Niemeyer, 1959): .3-14. Lea Marquart Gérard de Nervals Faust-Übertragung - Ein Dichter als Übersetzer Nur selten konnten Übersetzungen im Lauf der Literaturgeschichte an den Ruhm des Ursprungstextes anschließen, schon gar nicht, wenn dieser selbst eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur war. Im 19. Jahrhundert gelang es jedoch dem französischen Dichter und Journalisten Gérard de Nerval, eine so perfekte und so inspirierte französische Übersetzung von Johann Wolfgang von Goethes Faust I zu publizieren, daß er deswegen nicht nur unter seinen Zeitgenossen größtes Ansehen genoß, sondern sogar eine umfangreiche französische Faust-Rezeption - zumindest mit- - auslöste, die bis weit ins 20. Jahrhundert hinein reichte und auf verschiedensten Gebieten der Kunst wirksam war. 1 Bis heute hat Nervals Übersetzung nichts von ihrem Ruhm eingebüßt, wird im Gegenteil noch in modernen Ausgaben 2 verlegt und auf französischen Bühnen gespielt. Nerval, der sich sowohl für Goethe als auch für den Faust-Stoff begeisterte, hat diese Übersetzung, die erstmal 1828 erschienen war, 3 zeit seines Lebens mehrfach umgearbeitet und verbessert; an Faust II wagte er sich jedoch nur in Auszügen, 4 weswegen seine Bedeutung für die französische Übersetzungsgeschichte zu schwinden begann, als Henri Blaze de Bury 1840 die erste komplette Faust I und II-Übersetzung publizierte. 5 In der Folge sollen die verschiedenen Versionen von Nervals Faust-Übersetzung vorgestellt und 1 Die französische Faust-Rezeption im 19. Jahrhundert, die bisher in der Forschung weitgehend unbeachtet blieb, ist Gegenstand meiner fertiggestellten, aber noch nicht publizierten Dissertation. 2 Vgl. etwa die Studienausgabe von Larousse, die sich auf Nervals Fassung stützt und lediglich Faust II ergänzt und komplettiert: Johann Wolfgang von Goethe: Faust I et II. Traduction de Gérard de Nerval, revue et complétée. Édition présentée et annotée par Évelyne et Jean-Pierre Frantz. Paris: Larousse, 2004. 3 Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Tragédie de Goëthe. Nouvelle traduction complète, en prose et en vers, par Gérard [de Nerval]. Paris: Dondey-Dupré, 1828. 4 Johann Wolfgang von Goethe: Faust de Goethe, suivi du second Faust. Traduction par Gérard de Nerval. Paris: Gosselin, 1840. Der Text dieser Ausgabe wurde 1969 neu verlegt und dient im Folgenden als Textgrundlage für diese Fassung der Übersetzung: Johann Wolfgang von Goethe: Faust et le second Faust. Traduction de Gérard de Nerval. Texte établi avec relevé de variantes et notes par Maurice Allemand. Préface, chronologie et indications bibliographiques par Maurice Marache. Paris: Éditions Garnier Fréres, 1969. 5 Johann Wolfgang von Goethe: Le Faust de Goethe. Traduction complète précédée d’un essai sur Goethe, accompagnée de notes et de commentaires, et suivi d’une étude sur la mystique du poème; par M. Henri Blaze. Paris: Charpentier, 1840. Lea Marquart 270 verglichen werden. Für die Interpretation entscheidend ist dabei das Selbstverständnis des Dichters als Übersetzer. Der 1808 in Paris geborene Gérard Labrunie, der das Pseudonym Nerval erst als Schriftsteller annahm, behauptete zeit seines Lebens, deutsche Verwandte zu haben. In der Schule lernte er Deutsch und später Schwäbisch, jedoch wie eine klassische Fremdsprache, weshalb sich ihm das Deutsche auch in späteren Jahren nur in geschriebener Form erschloß. Wahrscheinlich schon 1836, spätestens 1838 reiste er erstmals nach Deutschland, besuchte von Straßburg kommend Baden-Baden, Karlsruhe und Frankfurt. 1840 fuhr er nach Wien, erlitt dort allerdings einen ersten krankheitsbedingten Wahnsinnsanfall und mußte nach Paris zurückkehren. Nach einem weiteren schweren Anfall bereiste er 1854 letztmals Deutschland, kam nach Stuttgart, Nürnberg, Bamberg und Baden-Baden. Von dort schrieb er am 31. Mai 1854 einen Brief an seinen Vater, in dem er betont, wie wichtig ihm seine Übersetzertätigkeit immer gewesen sei: Je vais m’occuper un peu de littérature allemande à Stuttgart qui est un centre intelligent. C’est toi qui m’avais appris cette langue, je te dois donc le peu de gloire que j’ai retiré de mes traductions. Mais j’oublie facilement, ce qui arrive assez aux hommes chez qui l’imagination est plus forte que la mémoire et dans le cas même où mon talent d’invention pourrait s’affaiblir plus tard, l’allemand me serait une ressource sérieuse, soit comme traduction soit comme enseignement ou critique littéraire. 6 Aus diesem Brief läßt sich deutlich herauslesen, daß sich Nerval auch und vor allem als Dichter sah, schließlich aber erkannt zu haben glaubte, daß er mehr Ruhm als Übersetzer denn als Dichter erworben hatte. Auch wenn dies sicherlich aus heutiger Sicht nicht zutreffend ist, da man seine dichterische Größe nicht leugnen kann, so hat er sich doch mit seiner Faust-Übertragung auch als Übersetzer einen festen Platz in der französischen Literatur- und Übersetzungsgeschichte gesichert. In Frankreich wurde Faust - lange vor Nerval - erstmals bekannt durch Germaine de Staëls De l’Allemagne von 1814. 7 Sie widmet zunächst dem Dichter Goethe ein ganzes Kapitel, bezeichnet ihn als Inbegriff und Repräsentanten der deutschen Dichtung schlechthin und vergleicht ihn in seiner Bedeutung immer wieder mit Denis Diderot: Goethe pourrait représenter la littérature allemande toute entière, non qu’il n’y ait d’autres écrivains supérieurs à lui, sous quelques rapports; mais seul il réunit tout ce qui distingue l’esprit allemand, et nul n’est aussi remarquable par un genre 6 Gérard de Nerval: Correspondances. In: Œuvres complètes. Bd. 3. Paris: Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade), 1993, S. 859. Zurück aus Deutschland lebte Nerval zunächst mittellos in Paris und erhängte sich schließlich mit 46 Jahren in der Nacht vom 25. auf den 26. Januar 1855 in der Pariser Innenstadt. 7 Germaine de Staël: De l’Allemagne. Paris: Garnier-Flammarion, 1968. Gérard de Nervals Faust-Übertragung - Ein Dichter als Übersetzer 271 d’imagination dont les Italiens, les Anglais ni les Français ne peuvent réclamer aucune part. 8 Schon an dieser Stelle mischt sich Bewunderung für Goethe mit Kritik. Ähnlich ambivalent bewertet Staël auch seine Werke, die sie in der Folge ausführlich darstellt. Das gesamte 23. Kapitel von De l’Allemagne widmet sie Faust. Sie stellt das Drama in die Tradition der Puppenspiele und erwähnt, auch andere Autoren hätten sich mit dem Stoff beschäftigt; namentlich nennt sie lediglich Gotthold Ephraim Lessing. Die Struktur von Goethes Tragödie sei so diffus, so Staël, daß das Werk in Zeiten des Chaos entstanden sein müsse. Der Held des Dramas ist ihrer Meinung nach nicht die Titelfigur, sondern der Teufel: „Le diable est le héros de cette pièce.“ 9 Sie erkennt zwar Mephistos Ironie und Zynismus, sieht in ihm aber dennoch die Verkörperung des Bösen. Eine erste Gesamtwertung nimmt Staël vor, wenn sie behauptet: „C’est le cauchemar de l’esprit que cette pièce de Faust, mais un cauchemar qui double sa force.“ 10 Auch hier vermengt sie wieder Ablehnung mit Bewunderung, denn soviel Kritik sie an der Struktur und dem Personal der Tragödie äußert, so sehr ist sie sich dennoch bewußt, daß Faust weit über diese Einwände erhaben ist - und daß, obwohl der Protagonist sämtliche menschlichen Schwächen in sich vereine: Faust rassemble dans son caractère toutes les faiblesses de l’humanité: désir de savoir et fatigue du travail; besoin du succès, satiété du plaisir. C’est un parfait modèle de l’être changeant et mobile dont les sentiments sont plus éphémères encore que la courte vie dont il se plaint. 11 In der Folge übersetzt Madame de Staël einzelne kurze Passagen des Dramas in Prosa, die sie allerdings oftmals in falscher Reihenfolge kombiniert. Die Übertragungen werden durch kurze Kommentare und noch knappere Zusammenfassungen der Handlung ergänzt, die die einzelnen Verse verbinden. Schließlich wagt sich Staël an eine Gesamtdeutung und -beurteilung des Dramas und kommt zu dem Schluß, daß Goethe zwar die Variabilität der deutschen Sprache genial genutzt habe, daß er damit aber geschmackliche Grenzen übertreten habe, ohne daß ein Grund dafür erkennbar wäre. Sie geht sogar so weit, Goethe zu unterstellen, er habe nicht nur die Grenzen der Sprache, sondern auch die der Gattungen überschritten, und behauptet, Faust sei „ni une tragédie, ni un roman“ 12 . Das Drama lasse sie mit einem merkwürdigen Gefühl zurück, sie empfinde für den Titelhelden am Ende der Tragödie durchaus kein Mitleid. Sie schließt ihre Analyse mit den Worten: 8 Ebd., Bd. 1, S. 189. 9 Ebd., Bd. 1, S. 343. 10 Ebd., Bd. 1, S. 345. 11 Ebd., Bd. 1, S. 345. 12 Ebd., Bd. 1, S. 366. Lea Marquart 272 La pièce de Faust cependant n’est certes pas un bon modèle. Soit qu’elle puisse être considérée comme l’œuvre du délire de l’esprit ou de la satiété de la raison, il est à désirer que de telles productions ne se renouvellent pas. 13 Dieser Schlußsatz ist charakteristisch für Staëls Kommentar und Interpretation: Sie bewundert Goethe und sein Drama, stellt aber fest, daß weder der Dichter ihren Vorstellungen noch sein Werk den Regeln der Kunst, die sie bei ihrer Analyse anwendet, entsprechen. Ihre Vorstellung von Literatur ist von der französischen Klassik geprägt, weshalb sie formale und inhaltliche Unregelmäßigkeiten generell verurteilt. 14 Dennoch erahnt sie die Größe Goethes und seiner Tragödie, versucht diese also immer wieder hervorzuheben, muß aber schließlich erkennen, daß Faust nach ihren Vorstellungen ein Ausnahme-, aber kein regelmäßiges Drama ist. Nach diesen anfänglichen Mißverständnissen hatten die ersten Übersetzungen große Mühe, das französische Publikum für Goethes Tragödie zu begeistern. Trotz im Großen und Ganzen gelungenen Leistungen konnten die ersten beiden Übertragungen von Alexandre Stapfer 15 und Louis Clair Beaupoil, Comte de Sainte-Aulaire 16 , beide aus dem Jahr 1823, Faust in Frankreich nicht popularisieren. Dies erreichte erst der damals zwanzigjährige Nerval, der 1828 seine erste Faust-Übersetzung publizierte, noch unter dem Pseudonym Gérard. Er wurde dafür nicht nur von seinen Zeitgenossen gelobt, sondern auch von Goethe selbst, der sich darüber laut Johann Peter Eckermann am 3. Januar 1830 geäußert haben soll: Er selbst hatte derweil die neueste französische Übersetzung seines Faust von Gérard zur Hand genommen, worin er blätterte und mitunter zu lesen schien. Die erwähnte Übersetzung von Gérard, obgleich größtentheils in Prosa, lobte Goethe als sehr gelungen. „Im Deutschen, sagte er, mag ich den Faust nicht mehr lesen; aber in dieser französischen Übersetzung wirkt alles wieder durchaus frisch, neu und geistreich.“ 17 Sicherlich beruht ein Teil des Lobes auf dem Stolz Goethes, sein Werk in französischer Sprache, der Sprache, „in der vor funfzig Jahren Voltaire geherrscht hat“ 18 , in Händen zu halten. Und dennoch bezeichnete er die Übersetzung als „sehr gelungen“ und wählte gerade sie aus, um seine Tragödie 13 Ebd., Bd. 1, S. 367. 14 Siehe hierzu etwa: John Isbell: The First French ›Faust‹: ›De l’Allemagne’s‹ ›Faust‹- Chapter (1810-1814). In: French Studies: A Quarterly Review 45 (1991), S. 417-434, hier S. 418 und S. 433. 15 Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Traduit de l’Allemand par A[lbert] Stapfer. In: Ders.: Œuvres dramatiques de J.-W. Goethe, traduites de l’allemand, précédée d’une notice biographique et littéraire sur Goethe. Paris: Bobée, 1823. Bd. 4. 16 Johann Wolfgang von Goethe: Faust, tragédie. Traduit par le Comte de Sainte-Aulaire [Louis-Clair Beaupoil]. Paris: Imprimerie de Fain, 1823. 17 Johann Peter Eckermann: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Hrsg. von Heinrich Hubert Houben. Leipzig: Brockhaus, 8 1909, S. 305. 18 Ebd. Gérard de Nervals Faust-Übertragung - Ein Dichter als Übersetzer 273 in fremder Sprache zu lesen - und nicht eine der beiden vorausgegangenen Versionen. 19 Die von Goethe so gelobte Übertragung des Faust I durch Gérard de Nerval fand in der Forschung große Anerkennung, jedoch begann vor allem die Germanistik, auf ihre zahlreichen Schwächen hinzuweisen. So schreibt etwa Lawrence R. Schehr: „Il faut relever le problème, évident chez Nerval, d’un manque de sensibilité vis-à-vis de certaines particularités de la langue allemande, et en particulier, les préfixes séparables.“ 20 Nicht um diese Fehler und Schwächen soll es jedoch in der Folge gehen, sondern darum, die Charakteristika der bedeutenden Übersetzung herauszuarbeiten, die Entwicklung, die sich in den verschiedenen Fassungen äußert, nachzuzeichnen, und daraus Nervals Übersetzungsverständnis abzuleiten. Nerval übertrug das Drama 1828 größtenteils in Prosa, was in der Forschung meist positiv vermerkt wird, vor allem da durch die unterschiedlichen metrischen Systeme im Deutschen und Französischen eine angemessene Versübertragung kaum möglich ist. Eine achtseitige Einleitung dient Nerval gleichermaßen zur Rechtfertigung der eigenen Übersetzung als auch zur Interpretation des Faust I. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern publizierte er seine Übersetzung nicht in einer teuren Gesamtausgabe, sondern in einer für jeden interessierten Leser erschwinglichen Einzelausgabe. Sein Ziel ist eine möglichst originalgetreue Übersetzung. Verweise auf den Faust-Mythos, auf die Wahrhaftige Historia von Widman und auf Friedrich Maximilian Klingers Roman Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt 21 lassen vermuten, daß Nerval über umfangreiche Kenntnisse des Stoffs verfügte. 22 Auf eine Interpretation verzichtet der Übersetzer weitgehend, empfiehlt den Lesern vielmehr die Lektüre von Madame de Staëls De l’Allemagne 23 . Seine eigenen Thesen beziehen sich lediglich auf den Protagonisten, am Rande 19 Dieses Lob ging den französischen Nerval-Verehrern offenbar nicht weit genug, weshalb sie Gespräche mit Eckermann aus dem Jahr 1827 fingierten - womit die Erfindung schon als solche gekennzeichnet ist, erschien die Übersetzung doch erst 1828: „›Cette traduction est un véritable prodige de style. Son auteur deviendra un des plus purs et des plus élégan[t]s écrivains de France.‹ - Et il ajouta: ›Je n’aime plus le Faust en allemand, mais, dans cette traduction, tout agit de nouveau avec fraîcheur et vivacité. Il me passe par la tête des idées d’orgueil, quand je pense que mon livre se fait valoir dans la langue de Bossuet, de Corneille et de Racine. Je vous le répète, ce jeune homme ira loin …‹“ (Aristide Marie: Gérard de Nerval: Le Poète - L’Homme. D’après des manuscrits et documen[t]s inédits. Paris: Hachette, 1914, S. 33). 20 Lawrence R. Schehr: Le ›Faust‹ de Nerval: Poésie et vérité. In: Romanic Review 81 (1991), S. 146-163, hier S. 148. 21 Friedrich Maximilian Klinger: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg: Johann Friedrich Krile, 1791. 22 Lediglich mit der Behauptung, Palma Cayet habe Widmans Werk, dessen Wahrhaftige Historia erst 1599 erschien, bereits 1561 übersetzt, irrt er; Palma Cayet hat im übrigen diese Version gar nicht übersetzt, sondern das Faustbuch von 1587. Vgl. Pierre-Victor Palma-Cayet: L’histoire prodigieuse du Docteur Fauste. Publié avec introduction et notes par Yves Cazaux. Genf: Slatkine, 1982. 23 Nerval 1828 (Anm. 3), S. VII. Lea Marquart 274 auch auf Margarete. Faust sei nach seiner Auffassung durch sein Streben nach Wissen und Unsterblichkeit zumindest zeitweise gottgleich; erst als der Himmel ihm beides verweigere, wende er sich der Hölle zu, suche dort Unterstützung. Zerstört werde sein Traum durch die Liebe zu Margarete. Nerval sieht aus diesem Grund Don Juan und Byrons Manfred als Parallel- Figuren zu Faust an: Alle drei scheiterten an der Liebe zu einer Frau; Margarete jedoch sei den anderen Frauenfiguren überlegen, auch - oder gerade - weil sie eine ganz normale Frau sei, eigentlich nicht zur Dramenheldin tauge. Das Ende der Tragödie empfindet Nerval als Unterbrechung, da die Höllenfahrt Fausts, die ebenso rührend wie der Tod Margaretes sein könnte, nicht mehr geschildert wird. 24 Abgesehen von dieser knappen Einleitung und dem Vermerk dreier Errata bleibt die Übersetzung im Folgenden unkommentiert. Der größte Teil der Tragödie ist in Prosa übertragen; lediglich die als gesungen oder als singbar markierten Passagen, sowie die „Zueignung“, der „Walpurgisnachtstraum“ und einige kürzere Abschnitte sind in Versen übersetzt. Generell sind die Prosaübersetzungen wesentlich gelungener als die metrischen Passagen; sie enthalten zudem bedeutend weniger Fehler und entfernen sich zumeist nicht weit vom Original. Metrische Passagen weisen dagegen oftmals nur geringe Nähe zu Goethe auf und unterscheiden sich auch formal erheblich davon. Exemplarisch sei in der Folge die Übersetzung der „Zueignung“ analysiert. Sie ist ein Beispiel für die freie und umdeutende Übertragung, die Nervals Faust vor allem in den metrischen Passagen charakterisiert: Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, Venez, illusions! … au matin de ma vie, Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. Que j’aimais à fixer votre inconstant essor! Versuch’ ich wohl, euch diesmal festzuhalten? Le soir vient, et pourtant c’est une douce envie, Fühl’ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? C’est une vanité qui me séduit encor. Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten, Rapprochez-vous! … c’est bien; tout s’anime et se presse Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; Au-dessus des brouillards, dans un monde plus grand, Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert Mon cœur, qui rajeunit, aspire avec ivresse Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert. Le souffle de magie autour de vous errant. Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage, Des beaux jours écoulés j’aperçois les images, Und manche liebe Schatten steigen auf; Et mainte ombre chérie a descendu des cieux; Gleich einer alten, halbverklungnen Sage Comme un feu ranimé, perçant la nuit des âges, Kommt erste Lieb’ und Freundschaft mit herauf; L’amour et l’amitié me repeuplent ces lieux. Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage Mais le chagrin les suit: en nos tristes demeures, Des Lebens labyrinthisch irren Lauf, Jamais la joie, hélas! n’a brillé qu’à demi. … Und nennt die Guten, die, um schöne Stunden Il vient nommer tous ceux qui, dans d’aimables heures, Vom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden. Ont, par la mort frappés, quitté leur tendre ami. Sie hören nicht die folgenden Gesänge, Cette voix qu’ils aimaient résonne plus touchante, Die Seelen, denen ich die ersten sang; Mais elle ne peut plus pénétrer jusqu’aux morts; Zerstoben ist das freundliche Gedränge, J’ai perdu d’amitié l’oreille bienveillante, Verklungen, ach! der erste Widerklang. Et mon premier orgueil, et mes premiers accords! Mein Lied ertönt der unbekannten Menge, Mes chants ont beau parler à la foule inconnue, Ihr Beifall selbst macht meinem Herzen bang, Ses applaudissemens ne me sont qu’un vain bruit, Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet, Et sur moi, si la joie est parfois descendue, 24 Ebd., S. IX ff. Gérard de Nervals Faust-Übertragung - Ein Dichter als Übersetzer 275 Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet. Elle me semblait errer sur un monde détruit. Und mich ergreift ein längst entwöhntes Sehnen Un désir oublié, qui pourtant veut renaître, Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich, Vient dans sa longue paix secouer mon esprit; Es schwebt nun in unbestimmten Tönen Mais, inarticulés, mes nouveaux chants peut-être Mein lispelnd Lied, der Äolsharfe gleich, Ne sont que ceux d’un luth où la bise frémit. Ein Schauer faßt mich, Träne folgt den Tränen, Ah! je sens un frisson: par de nouvelles larmes, Das strenge Herz, es fühlt sich mild und weich; Le trouble de mon cœur soudain s’est adouci; Was ich besitze, seh’ ich wie im Weiten, De mes jours d’autrefois renaissent tous les charmes, Und was verschwand, wird mir zur Wirklichkeit. 25 Et ce qui disparut pour moi revit ici .26 Die „Zueignung“ wurde von Goethe wahrscheinlich im Jahr 1797 verfaßt, als er die Arbeit am Faust wieder aufnahm. Das Ich der Zueignung trägt daher deutliche Züge des Dichters - und ist doch durch das angesprochene Ihr von ihm losgelöst. 27 Wie auch im „Vorspiel auf dem Theater“ reflektiert Goethe in der „Zueignung“ über die folgende Dichtung und widmet die Tragödie verstorbenen Freunden, für die er einst gedichtet hatte. Die Rezeption durch ein fremdes Publikum scheint dem Ich eigentlich unangenehm, dennoch entschließt es sich zur Fertigstellung und Preisgabe der Tragödie. 28 Die „Zueignung“ besteht aus vier Stanzen, von denen sich jede aus acht Elfsilblern zusammensetzt, wobei je auf drei Kreuzreime ein Paarreim folgt. Nerval übertrug die „Zueignung“ im kreuzgereimten Alexandriner. Für die Charakterisierung seines Selbstverständnisses als Übersetzer ist vor allem bedeutsam, daß er die hellenistische Metaphorik in christliche Bildlichkeit umwandelt. 29 Das lyrische Ich der „Zueignung“ ruft die „schwankenden Gestalten“ nicht an, auch wenn es über deren Erscheinen beglückt scheint. Der Dichter wirkt eher passiv, wird von der Erinnerung an frühere Zeiten überwältigt und schließlich zum Vortrag der ehemals gedichteten Gesänge überredet. Nerval verändert den Charakter des lyrischen Ichs, indem er einfache Feststellungen durch Imperative übersetzt, so daß der Dichter bei ihm die Erscheinungen heraufbeschwört. Aus der die Zueignung einleitenden Feststellung „Ihr naht euch wieder“ wird die Aufforderung „Venez illusions! “. Was zu Beginn an einen antiken Musenanruf erinnert, wandelt sich schnell in ein christliches Bild: Die „lieben Schatten“ steigen bei Goethe - hellenistischen Vorstellungen folgend - herauf, wohingegen sie bei Nerval - christlichem Gedankengut verpflichtet - vom Himmel hinabsteigen. Aus der alten Sage Goethes wird ein aufloderndes Feuer, auch das „Geisterreich“ der vierten Strophe verschwindet. Den Bezug zur antiken Mythologie stellt Nerval 25 Johann Wolfgang von Goethe: Faust: Der Tragödie erster Teil. In: Ders.: Werke, Kommentare, Register. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. München: Beck, 16 1996. Bd. 3 (Dramen I), S. 7-145. Hier Zueignung, V. 1-32, S. 9. 26 Nerval 1828 (Anm. 3), S. 3f. 27 Peter Michelsen: Im Banne ›Fausts‹. Zwölf ›Faust‹-Studien. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2000, S. 11. 28 Ebd., S. 10. 29 Martha Langkavel: Die französischen Übertragungen von Goethes ›Faust‹. Ein Beitrag zur Geschichte der französischen Übersetzungskunst. Straßburg: Trübner, 1902, S. 42. Lea Marquart 276 jedoch an anderer Stelle her: Er versieht den Titel „Zueignung“ mit dem Hinweis, Goethe habe diese wohl verstorbenen Freunden gewidmet, wobei er das Nomen „mânes“ verwendet, das die verstorbenen Seelen in der römischen Religion bezeichnet. 30 Neben dieser metaphorischen Umdeutung enthält die Übertragung zahlreiche Ungenauigkeiten und Mißverständnisse, die zwar Rückschlüsse auf Nervals Deutschkenntnisse, nicht jedoch auf sein Selbstverständnis als Übersetzer zulassen. Sie erschweren eine intertextuelle Bewertung der Übersetzung insofern, als man oftmals nicht zwischen Mißverständnis und willlentlicher Veränderung unterscheiden kann. Insgesamt orientiert er sich bei der Übertragung der „Zueignung“ in jedem Fall mehr an der Zielals an der Ausgangssprache. Dies zeigt sich bereits an der Wahl des Alexandriners, aber auch am Versuch, möglichst klare französische Sätze zu bilden, die sich oftmals erheblich vom Original entfernen. Die Umdeutung der Metaphorik weist auf eine die Reproduktion überlagernde eigene Schöpfung hin, da Nerval nicht nur Gegebenes übernimmt, sondern es teilweise erheblich verändert. Er versucht, den Originaltext mit dem französischen Verständnis und der französischen Sprache in Einklang zu bringen. Eine Analyse der gesamten Übersetzung von 1828 führt zur Erkenntnis, daß man generell zwischen Prosa- und Verspassagen unterscheiden muß. Sobald Nerval metrisch übersetzt, orientiert er sich vor allem an den Anforderungen des Französischen und geht teilweise sehr frei mit dem Original um. Er formt neue Verse, die sich nur inhaltlich auf die deutsche Tragödie beziehen; er analysiert Goethes Dichtung und verändert sie immer wieder nach seinen eigenen Vorstellungen. In den Prosapassagen dagegen hält er sich sehr viel enger an die deutschen Vorgaben, reproduziert den Text vielmehr als ihn zu verändern. Auch wenn die Umwandlung von Versen in Prosa an sich einen produktiven Akt darstellt, scheint Nervals Ziel in diesen Passagen Absorption, nicht Transformation zu sein. Die Übersetzung genügt insgesamt seiner Zielsetzung im Vorwort: Er wollte eine möglichst originalgetreue Übersetzung verfassen; im Vordergrund stand dabei die Bewunderung Goethes und der Wunsch, den Worten des Dichters gerecht zu werden - auch wenn manche Passagen, etwa die „Zueignung“einen anderen Eindruck erwecken. Im Nachhinein betrachtet nimmt Nervals Faust-Übersetzung von 1828 vor allem deswegen eine Sonderstellung ein, weil sie viele Künstler dazu anregte, sich mit Goethes Tragödie auseinanderzusetzen und eine eigene Version des Stoffes zu liefern. Diese historische Bedeutung läßt die Übersetzung trotz ihrer Fehlerhaftigkeit auch aus moderner Sicht so unangreifbar erscheinen, daß sie bis heute immer wieder verlegt wird - obwohl sicherlich 30 Nerval 1828 (Anm. 3), S. 3: „On pense que Goëthe adresse cette Dédicace aux mânes de quelques amis qu’il perdit avant la publication de son poème.“ (mânes = âmes des morts, dans la religion romaine. Vgl. Le Petit Robert.) Gérard de Nervals Faust-Übertragung - Ein Dichter als Übersetzer 277 manche neuere Übersetzung, deren Verfasser nicht, wie Nerval, eigene dichterische Ambitionen hatte, im Detail korrekter ist. Nervals Version will vor allem Goethe vermitteln, hat aber zugleich einen hohen Anspruch an die eigenen dichterischen Fähigkeiten, so daß die Fassung zugleich durch das dichterische Können ihres Verfassers und durch das Genie des Originals geprägt ist. Sie ist die Übersetzung eines Dichters, nicht eines Linguisten oder Übersetzungswissenschaftlers. In der zeitgenössischen Presse fand diese Übersetzung von 1828 trotz der allgemeinen Bewunderung auch kritische Stimmen, wobei ein anonymer Rezensent Nerval vorwarf, sich zu sehr am Original orientiert und den Text zu wenig entsprechend den Anforderungen der französischen Sprache verändert zu haben. 31 Aus wissenschaftlicher Perspektive stellt eine solche Rezension jedoch ein großes Lob dar, denn was kritisiert wurde, ist aus moderner Sicht besonders lobenswert. Zudem ist die Rezension geprägt von einem Un- und Mißverständnis des Faust, der pauschal als unverständlich bezeichnet wird. Dieses Vorurteil prägt selbst eine Äußerung von Théophile Gautier im Vorwort einer Neuauflage der Werke Gérard de Nervals 1868. Gautier schreibt - und folgt damit einem klassischen Vorurteil gegenüber der deutschen Sprache: „Le style de Gérard était une lampe qui apportait la lumière dans les ténèbres de la pensée et du mot. Avec lui, l’allemand, sans rien perdre de sa profondeur, devenait français par la clarté.“ 32 Auch Gautier unterstellt der Originaldichtung und der deutschen Sprache im Allgemeinen, sie sei unverständlich und wenig klar - ganz im Gegensatz zur französischen Sprache. Nur Nerval konnte es folglich gelingen, zugleich das Genie Goethes ins Französische zu übertragen und verständlich zu sein. In seiner Histoire du Romantisme, die Gautier 1874 publizierte, betont er ebenfalls die besondere Bedeutung Nervals für die Romantik und geht dabei auch speziell auf Faust ein. Über jede Kritik erhaben sei diese Übersetzung demnach durch die Wertschätzung Goethes, die zuvor erläutert wurde. 33 Die Übersetzung von 1828 beschäftigte Nerval sein ganzes Leben lang: die erste Bearbeitung erschien 1835. 34 Ihr folgte 1840 eine Version, die zusätzlich Auszüge aus Faust II enthielt. 35 Schon 1850 wurde die nächste 31 Ch.: ›Faust‹, tragédie de Goethe, nouvelle traduction complète, en prose et en vers, par Gérard. In: Revue encyclopédique ou analyse raisonnée des productions les plus remarquables dans la littérature, les sciences et les arts, par une réunion de membres de l’institut, et d’autres hommes de lettres 37 (1828), S. 524f. 32 Théophile Gautier: Gérard de Nerval. In: Gérard de Nerval: ›Faust‹ et le ›second Faust‹ de Goethe. Suivis d’un choix de ballades et de poésies. Paris: Lévy, 1868, S. I-XXVII, hier S. V. 33 Siehe: Théophile Gautier: Première rencontre. In: Ders.: Histoire du romantisme. Suivie de notices romantiques et d’une étude sur la poésie française de 1830-1868. Paris: Charpentier, 1874, S. 1-13, hier S. 6f. 34 Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Nouvelle traduction complète, en prose et en vers, par Gérard [de Nerval]. Paris: Dondey-Dupré, 1835. 35 Siehe Anm. 4. Lea Marquart 278 Fassung publiziert, diesmal jedoch wieder ohne Faust II. 36 Diese letzte Version wurde schließlich 1852 erneut verlegt. 37 Die Ausgabe von 1840 enthält den kompletten dritten und Teile des ersten und fünften Akts von Faust II; sie - und nicht die erste Fassung von 1828 - wurde zur gängigsten französischen Faust-Übersetzung des 19. Jahrhunderts. 38 Die nicht übersetzten Passagen des Faust II ersetzte Nerval durch Kommentare, die er auch in die letzte Fassung von 1850 übernahm. Neben diesen Ergänzungen bearbeitete er seine Faust I-Übersetzung, verbesserte Fehler und wandelte Verspassagen in Prosa um. Außerdem fehlt in allen Ausgaben nach 1828 die „Zueignung“ komplett. 39 Die Vorworte der Ausgaben von 1840 und 1850 sind teilweise identisch, 40 das von 1840 enthält lediglich eine ausführliche Analyse der Handlung, die 1850 wieder fehlt. Sie beweisen ein besseres Verständnis des Werks und eine größere Distanz zum Genie Goethes, das der junge Nerval allzusehr bewunderte. Nerval bezieht sich nicht mehr auf das Urteil von Staël, das 1828 noch prägend, 1840 jedoch deutlich überholt war, sondern versucht einen eigenen Interpretationsansatz. Er vergleicht Goethes Faust mit dem von Marlowe und beschreibt das Genie des Weimarer Dichters als die Fähigkeit, Lösungen für unlösbare Widersprüche zu finden, die dennoch in sich logisch sind: „Ce poète a donné à tous les principes en lutte une solution complète qu’on ne peut pas accepter, mais dont il est impossible de nier la logique savante et parfaite.“ 41 Trotz seiner großen Bewunderung für Faust I - dem, wie er schreibt, vielleicht außergewöhnlichsten Werk seiner Zeit, vergleichbar etwa Dantes Divina Comedia und den antiken Epen - erkennt er den Wert des Faust II nicht, hält das Werk für dichterisch wenig gelungen und glaubt, daß es keine große Popularität erreichen werde. 42 Mit Faust II habe Goethe die für den Leser nachvollziehbaren Sphären der Literatur verlassen und sei in Gegenden gelangt, die von der Literatur nicht mehr wiedergegeben werden könnten: Dans le premier Faust, cette forme existe pure et belle, la pensée critique en peut suivre tous les contours, et la tendance vers l’infini et l’impossible, vers ce qui est 36 Johann Wolfgang von Goethe: Faust: poème dramatique. Suivi d’études sur les poètes allemands. Traduit de l’allemand par Gérard de Nerval. Précédé de la légende populaire de Johann Faust, l’un des inventeurs de l’imprimerie. Illustré par Ed. Frère. Paris: J. Bry aîné, 1850. 37 Johann Wolfgang von Goethe: Faust, traduit de l’allemand par Gérard de Nerval, précédé de ›La légende populaire de Johann Faust, l’un des inventeurs de l’imprimerie‹. In: Les veillées littéraires illustrées 7 (1852), Heft 2. 38 André Dabezies: Le mythe de Faust. Paris: Librairie Armand Collin, 1972, hier S. 130. 39 Nerval 1969 (Anm. 4), Kommentar, S. 343f. 40 Beide Vorworte sind im Neudruck von 1969 enthalten. Der Anfang stimmt jeweils überein, der zweite Teil unterscheidet sich erheblich. Die moderne Ausgabe druckt daher vom Vorwort von 1850 nur den zweiten Teil ab und verweist für den Beginn auf den ersten Teil desjenigen von 1840. Siehe Nerval 1969 (Anm. 4), S. 8-21 bzw. 8-11 und 22. 41 Nerval 1969 (Anm. 4), S. 8. 42 Ebd., S. 9. Gérard de Nervals Faust-Übertragung - Ein Dichter als Übersetzer 279 au-delà de tout, n’est là que la rayonnement des fantômes lumineux évoqués par le poète. Mais quelle forme dramatique, quelles strophes et quels rythmes seront capables de contenir ensuite des idées que les philosophes n’ont exposées jamais qu’à l’état de rêves fébriles? 43 Am Ende des Vorworts von 1840 fügt er daher an, er habe Faust II nur deswegen nicht komplett übersetzt, weil einige Passagen gänzlich unverständlich seien. Diese unverständlichen Abschnitte seien schon dem Erfolg des Werks in Deutschland abträglich gewesen, machten aber eine Übersetzung vollkommen unmöglich. 44 Im Vorwort von 1850 begründet Nerval das Fehlen jeglicher Übersetzungen aus Faust II schließlich damit, daß das Drama weder den literarischen Wert des Faust I erreiche, noch direkt an die Handlung des ersten Teils anschließe. Das Vorwort von 1840 enthält zusätzlich eine Interpretation des ersten Teils der Tragödie. Nicht mehr Mephisto, wie noch 1828, steht dabei im Zentrum des Interesses, sondern der Protagonist. Als eine der Kernszenen der Tragödie rühmt Nerval die Schlußszene, in der die geistig verwirrte Margarete die Hilfe der Hölle ablehnt: Là, se passe cette scène déchirante et l’une des plus dramatiques du théâtre allemand, où la pauvre fille, privée de raison, mais illuminée au fond du cœur par un regard de la mère de Dieu qu’elle avait implorée, se refuse à ce secours de l’enfer, et repousse son amant qu’elle voit par intuition abandonnée aux artifices du Diable. 45 Diese beiden Vorworte beweisen ein eigenständiges Vorgehen Nervals, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung - anders als 1828 - ein bedeutender Schriftsteller und Übersetzer war. Er hat sich von der zu seiner Zeit üblichen Interpretation des Faust gelöst, die er seit 1828 mitgeprägt hatte, und gibt sein eigenes Verständnis des Werks wieder. Auch die große Verehrung Goethes ist einer nüchterneren Sichtweise gewichen, die es Nerval erlaubt, seine Kritik an Faust II zu äußern. Über sein übersetzerisches Vorgehen äußert er sich nicht mehr, auch wenn Exaktheit weiterhin sein oberstes Ziel zu sein scheint. Faust II überträgt er auch deshalb nicht komplett, weil er sich nicht sicher war, ob sein lückenhaftes Verständnis des Textes zu einer angemessenen Übertragung ausreichte. Tendierte die Ausgabe von 1828 streckenweise noch zu Transformation, sind 1840 deutliche Veränderungen in Richtung Absorption zu erkennen. Eher auf Transformation läßt dagegen der Umgang mit Faust II schließen. Mit Hilfe von Zwischentexten verbindet Nerval die einzelnen Ausschnitte, auf die sich seine Übersetzung beschränkt, gelangt dabei jedoch nicht über die bloße Inhaltszusammenfassung hinaus. Zudem beschränkt er sich auf die zum Verständnis wesentlichen Elemente, verknappt etwa die „Klassische Walpurgisnacht“, bei Goethe weit mehr als tausend Verse, auf 43 Ebd., S. 10. 44 Ebd., S. 21. 45 Ebd., S. 13. Lea Marquart 280 nicht einmal zwei Seiten. Insgesamt ersetzen diese Analysen - entgegen Nervals Meinung - die Lektüre der gesamten Tragödie keinesfalls. Sie geben nicht einmal die Handlung wieder und vermitteln keinerlei Eindruck der formalen und stilistischen Qualitäten des Faust II. Nerval rechtfertigt sein übersetzerisches Vorgehen, indem er sich ein ästhetisches Urteil erlaubt, das aus philologischer Sicht kaum zulässig ist: Notre travail se trouve ainsi complet, et l’examen analytique, reliant entre elles les grandes parties qui se correspondent, explique les scènes d’intermède et d’action épisodique, fort diffuses et fort obscures pour les Allemands eux-mêmes. 46 Abschließend ist festzustellen, daß es Nervals Ziel war, seine Übersetzung des Faust I dem Original so weit anzupassen, wie es ihm möglich war. Die Tendenzen zu eigenen dichterischen Veränderungen und Umdeutungen, die 1828 noch erkennbar sind, verschwinden immer mehr und treten hinter einer korrekten Übertragung des Textes zurück. Dem widerspricht lediglich der Umgang mit Faust II: Hier entscheidet Nerval nach seinem eigenen und dem französischen Geschmack. Allerdings erkennt er 1850, daß eine Teilübersetzung mit Kommentar nicht zu rechtfertigen ist, da er eine geschmackliche Vorentscheidung bei der Auswahl der zu übersetzenden Passagen treffen mußte. Insofern ist der Entschluß, Faust II komplett zu streichen, wieder ein Schritt in Richtung Absorption statt Transformation. Nerval wird in der letzten Version seiner Übersetzung zwar nicht dem Gesamtwerk gerecht, dafür aber wenigstens dem ersten Teil. Neben diesen verschiedenen Fassungen der Faust-Übersetzung hat Nerval schon 1827 47 eine Versübersetzung der „Kerker“-Szene publiziert, die es nun abschließend im Vergleich zu den späteren Versionen vorzustellen gilt. In der wichtigsten Fassung von 1828 überträgt er die Szene wortgetreu in Prosa, abgesehen von kleineren und niemals gravierenden Fehlern orientiert er sich am Original und vermittelt dieses angemessen. 1840 nahm er geringfügige Verbesserungen vor, veränderte die Übertragung jedoch im Wesentlichen nicht. 48 Erhebliche Veränderungen sind jedoch in der frühen Version von 1827 erkennbar. Zu beachten ist hierbei, daß er nur die letzte Szene übersetzt, ohne vorher den Handlungszusammenhang herzustellen. Hiermit erklärt sich, weshalb er die Szenenanweisungen durch kurze Texte ersetzt, die dem Leser, der die Tragödie möglicherweise nicht kannte, die Geschehnisse verständlich machen sollen. So beginnt die Übertragung mit dem Hinweis: „Faust, avec l’aide de Méphistophélès, pénètre dans la prison de Marguerite; cette jeune fille infortunée est plongée dans le sommeil.“ 49 Im Zusammen- 46 Ebd., S. 192. 47 Gérard de Nerval: La dernière scène de ›Faust‹. In: Mercure du dix-neuvième siècle 17 (1827), S. 577-581. 48 Im Anhang an diesen Aufsatz findet sich eine synoptische Darstellung der „Kerker“- Szene in den Fassungen von 1827 und 1828. 49 Nerval 1827 (Anm. 47), S. 577. Gérard de Nervals Faust-Übertragung - Ein Dichter als Übersetzer 281 hang des Stücks wäre eine solche Erklärung vollkommen unnötig, da dem Leser sowohl bekannt ist, daß Faust von Mephisto begleitet wird, als auch daß Margarete wegen mehrfachen Mordes im Gefängnis sitzt und auf ihre Hinrichtung wartet. Der größte Unterschied zu den späteren Fassungen besteht darin, daß Nerval die ganze Szene in Verse überträgt. Zudem hat sie formal und inhaltlich streckenweise nur noch geringe Ähnlichkeit mit dem Original. Er streicht und ergänzt, wann immer und was immer ihm beliebt. Der Leser erfährt an keiner Stelle von dem toten Kind, das Margarete und Faust gemeinsam hatten. Margaretes Schuld wird so um einen nicht unbeträchtlichen Teil verringert, die Tragik ihres Schicksals gesteigert. Daß sie auch am Tod ihrer Mutter eigentlich nicht schuld ist, wird schon in den ersten Versen von Faust betont: „Tout son crime pourtant fut une douce erreur …“ 50 Nerval konzentriert sich ganz auf das Schicksal Margaretes, das er möglichst tragisch und rührend darzustellen sucht. Dennoch streicht er mit dem Schluß der Szene auch ihre Erlösung. Weist diese Übersetzung schon inhaltlich nur geringe Parallelen zum Original auf, so sind die wörtlichen und formalen Ähnlichkeiten noch geringer; von einer wörtlichen Übersetzung kann meist keine Rede sein. Nerval reduziert den Inhalt auf ein Minimum und ergänzt dann nach Belieben Beschreibungen von Margaretes Leid oder ihren Höllenvorstellungen. Aus ihrer Replik „Was steigt aus dem Boden herauf? | Der! der! Schick’ ihn fort | Was will der an dem heiligen Ort? | Er will mich! “, die er 1828 originalgetreu übersetzte, werden 1827 die Verse: „Que vois-je? loin d’ici! c’est l’ennemi de Dieu: | Il vient pour me ravir … chassez-le du saint lieu! … | Quand il parle, ô terreur! ses lèvres convulsives | Vomissent tout l’enfer ….“ 51 Nerval überträgt hier die ersten beiden Verse korrekt, fügt dann an, um wen es sich handelt - um den Feind Gottes - und baut schließlich die teuflischen Visionen Margaretes aus. Da sich die Übersetzung oftmals sehr weit vom Original entfernt, ist es kaum möglich, eventuelle Fehler ausfindig zu machen. Es ist nie eindeutig klar, ob Nerval etwas mißverstanden oder es aus ästhetischen und geschmacklichen Gründen verändert hat. Ein grober Verständnisfehler ist lediglich am Ende der Szene erkennbar, wenn Margarete sagt: „Heinrich! Mir graut’s vor dir.“ Nerval überträgt die Replik mit den Worten „Faust, je subis mon sort; le tien … me fait horreur.“ 52 Jedoch bemitleidet Margarete Faust nicht wegen seines Schicksals, sondern sie ängstigt sich in seiner und Mephistos Nähe, da sie seine Verbindung zu teuflischen Mächten erkannt hat. Insgesamt ist die Übersetzung von 1827 kaum als Vorstufe derjenigen von 1828 zu erkennen. Auch Nervals Verhältnis zu Goethe ist 1827 ein grundlegend anderes als nur ein Jahr später. Diente ihm das Original 1827 50 Ebd. 51 Goethe, Kerker, V. 4601ff., S. 144. Und: Nerval 1827 (Anm. 47), S. 581. 52 Goethe, Kerker, V. 4610, S. 145. Und: Nerval 1827 (Anm. 47), S. 581. Lea Marquart 282 nur als Inspiration für eine davon weitgehend unabhängige französische Version - eine „belle infidèle“ fast -, so war sein Ziel 1828 eine möglichst angemessene Übersetzung von Goethes Original. Intertextuell bewertet überlagert die Produktion die Reproduktion 1827 deutlich, Nerval schafft einen eigenen Text, der sich nur lose auf das Original bezieht. Ob er sich an der Ziel- oder an der Ausgangssprache orientiert, läßt sich dabei nicht mehr entscheiden. Auch ob seiner Übersetzung eine kritische Analyse zugrunde liegt, ist nicht mehr zu beurteilen. Eindeutig nimmt Nerval jedoch geschmackliche Veränderungen vor: Margaretes Schicksal wird nicht nur tragischer, wenn der Mord an ihrem Kind gestrichen wird, sondern auch ihre Tugend bleibt in größerem Maße erhalten als bei Goethe. Die Fassung von 1827 ist folglich mehr Nachdichtung als Übersetzung. Insgesamt läßt sich im Lauf der verschiedenen Versionen von Nervals Faust-Übersetzungen feststellen, daß sich sein Verständnis als Übersetzer im Lauf der Zeit erheblich gewandelt hat. 1827 sieht er sich noch als Dichter, der sich mehr an seinen eigenen Vorstellungen orientiert als an denen Goethes. Bereits 1828 wandelt sich diese Haltung und er dient mehr dem Genie des Weimarer Dichters als seiner eigenen dichterischen Begabung. Im Lauf der Jahre bemüht er sich sogar, alte Fehler zu verbessern, um dem Original noch gerechter zu werden. Erst beim Versuch, den Faust II zu übersetzen, mischt sich wieder ein dichterisches Selbstverständnis in die Auseinandersetzung mit Goethe. Zwar scheitert er vor allem an den Schwierigkeiten der Dichtung, verbrämt dies jedoch als ästhetisches Urteil. Er gibt nicht zu, dem Werk nicht gewachsen zu sein, sondern behauptet, es aus ästhetischen und geschmacklichen Gründen abzulehnen. Bei der Bewertung von Nervals Selbstverständnis als Dichter bzw. Übersetzer muß man zudem seine schöpferische Auseinandersetzung mit Faust einbeziehen. Bereits 1827 versuchte er sich an einem eigenen Faust, 53 der Fragment geblieben ist, da er darin versuchte, Goethes mit Klingers Faust zu mischen, eine Konstellation, die nicht gelingen konnte, da die beiden Dichter zu unterschiedlich mit dem divergenten Stoff umgingen, als daß eine Kontamination hätte gelingen können. Hinzu kommen zwei Dramen, Léo Burckart 54 und L’imagier de Harlem 55 , in denen Nerval intertextuelle Verweise auf Goethes Faust einbaut, ohne jedoch Faust-Adaptionen im eigentlichen Sinn zu schreiben. An diesen dichterischen Auseinandersetzungen mit dem großen Vorbild zeigt sich, daß Nerval sich selbst durchaus als Dichter verstand, dem es seiner Meinung nach zustand, sich mit dem Genie Goethes zu 53 Gérard de Nerval: Fragment d’un ›Faust‹ (1827). In: Ders.: Œuvres complètes. Paris: Gallimard (Bibliothèque de la Pléiade), 1989. Bd. 1, S. 248-262. 54 Gérard de Nerval [en collaboration avec Alexandre Dumas père]: Léo Burckart. In: Ders.: Léo Burckart. L’imagier de Harlem. Hrsg. von Jacques Bony. Paris: Flammarion, 1996, S. 41-260. 55 Gérard de Nerval [en collaboration avec Joséph Méry]: L’imagier de Harlem. In: Ders.: Léo Burckart. L’imagier de Harlem. Hrsg. von Jacques Bony. Paris: Flammarion, 1996, S. 261-422. Gérard de Nervals Faust-Übertragung - Ein Dichter als Übersetzer 283 messen und seinen eigenen Faust zu schreiben. Letztlich scheiterte er daran jedoch. Sowohl bei dem Dichter als auch bei dem Übersetzer Nerval läßt sich erkennen, daß er zwischen Bewunderung und Hochachtung für Goethe und dem eigenen dichterischen Selbstverständnis schwankte. Er konnte sich zeit seines Lebens nicht entscheiden, ob er vor allem dem Weimarer Dichter huldigen oder vor allem sein eigenes Können beweisen wollte. Aus heutiger Perspektive siegte der Dienst am Original, denn was heute vor allem noch von Nerval als Faust-Dichter bzw. -Übersetzer geblieben ist, ist seine zwar fehlerhafte, aber geniale, da inspirierte Faust-Übersetzung, deren Ruhm bei den Zeitgenossen erst zu schwinden begann, als 1840 die erste komplette Übersetzung beider Teile von Henri Blaze de Bury erschien. Nervals Übersetzung schließlich war es, die die französische Faust-Begeisterung auslöste. Er inspirierte Hector Berlioz zur Komposition von acht Faust-Liedern, 56 die zwar nie - bis heute nicht - aufgeführt wurden, die der Komponist aber 1846 in seine bis heute relativ populäre dramatische Legende La damnation de Faust 57 umarbeitete. Für die Nerval-Übersetzung begeisterte sich Berlioz vor allem, weil er darin eine romantische Vermittlung des Originals vorfand, die seinem eigenen romantischen Kunstverständnis entsprach. Erst am Ende seines Lebens hat Nerval seine Rolle wahrscheinlich richtig eingeschätzt, wie der zu Beginn zitierte Brief an seinen Vater beweist: Neben seinen großen Verdiensten als Dichter ist er auch als der französische Faust- Übersetzer schlechthin in die Literaturgeschichte eingegangen, denn ihm ist es als einzigem gelungen, die komplexe Dichtung angemessen zu übertragen. 56 Hector Berlioz: Huit scènes de Faust. In: Ders.: New Edition of the complete works, Bd. 5. Hrsg. von Julian Rushton. Kassel/ Basel/ Tours/ London: Bärenreiter, 1970. Welchen Eindruck vor allem Nervals Übersetzung auf den jungen Komponisten machte, beweist ein Auszug aus Berlioz’ Memoiren: „Je dois encore signaler comme un des incidents remarquables de ma vie, l’impression étrange et profonde que je reçus en lisant pour la première fois le Faust de Goethe traduit en français par Gérard de Nerval. Le merveilleux livre me fascina de prime abord; je ne le quittai plus; je le lisais sans cesse, à table, au théâtre, dans les rues, partout. Cette traduction en prose contenait quelques fragments versifiés, chansons, hymnes, etc. Je cédai à la tentation de les mettre en musique, et à peine au bout de cette tâche difficile, sans avoir entendu une note de ma partition, j’eus la sottise de la faire graver … à mes frais. Quelques exemplaires de cet ouvrage publié à Paris sous le titre de: Huit scènes de Faust, se répandirent ainsi“ (Hector Berlioz: Mémoires. Hrsg. von Pierre Citron. Paris: Flammarion, 1991, S. 148). 57 Hector Berlioz: La damnation de Faust. In: Ders.: New Edition of the complete works. Hrsg. von Julian Rushton. Kassel/ Basel/ London/ New York: Bärenreiter, 1986. Bd. 8b. Lea Marquart 284 Gérard de N ERVAL : La dernière scène de ›Faust‹. In: Mercure du Dix-neuvième Siècle 17 (1827), S. 577-581. Johann Wolfgang von G OETHE : Faust. [Ins Französische übertragen von Gérard de N ER VAL .] Paris: Dondey-Dupré, 1828, S. 300- 312. Faust, avec l’aide de Méphistophélès, pénètre dans la prison de Marguerite; cette jeune fille infortunée est plongée dans le sommeil. F AUS T . D ANS ce séjour d’effroi souffre celle que j’aime, Et c’est moi qui sur elle attirai l’anathème; Tout son crime pourtant fut une douce erreur … Je tremble d’approcher … Un sentiment d’horreur … Oh! ne balançons plus, hâtons sa délivrance, Chaque instant de retard ajoute à sa souffrance. Marguerite! M ARGUERITE , se réveillant. On m’appelle … il faut déjà mourir … Déjà! F AUST . Rassure-toi, je viens te secourir. M ARGUERITE , égarée et ne le reconnaissant pas. Prends pitié de mon sort si ton cœur est sensible; Hélas! je suis si jeune, et la mort est terrible … J’ai passé d’heureux jours, ils sont loin maintenant; J’ai vu tout mon bonheur fuir avec mon amant; Car je fus jeune aussi: c’est ce qui m’a perdue; Ma couronne de fleurs s’est flétrie et rompue; Je vois que tout cela n’est que songe, qu’erreur … (Faust détache ses chaînes.) Mais pourquoi me saisir avec cette fureur? Que t’ai-je fait? pourquoi vouloir agir en maître? … Je ne te connais point … ni ne veux te connaître. F AUST . (A part.) Ciel! comment l’arracher à cet égarement? (Haut.) Je viens briser tes fers; c’est moi! c’est ton amant! Je te supplie … (Il se met à genoux.) Cachot F AUS T , avec un paquet de clefs et une lampe, devant une petite porte de fer. Je sens un frisson inaccoutumé s’emparer lentement de moi. Toute la misère de l’humanité s’appesantit sur ma tête. Ici! ces murailles humides … voilà le lieu qu’elle habite, et son crime fut une douce erreur! Faust, tu trembles de t’approcher! tu crains de la revoir! Entre donc! ta timidité hâte l’instant de son supplice. (Il tourne la clef. On chante au-dedans.) Ma mère, la catin, Qui m’a tuée, Mon père, le coquin, Qui m’a mangée, Et ma petite sœur, qui m’a jeté dans l’eau, Où je deviens un bel oiseau: Vole! vole! vole! F AUST , ouvrant la porte. Elle ne doute pas que son bien-aimé l’écoute, qu’il entend le cliquetis de ses chaînes et le froissement de sa paille. (Il entre.) M ARGUERITE se cachant sous sa couverture. Hélas! hélas! les voilà qui viennent. Que la mort est amère! F AUS T , bas. Paix! paix! je viens te délivrer. M ARGUERITE , se traînant jusqu’à lui. Es-tu un homme? tu compatiras à ma misère. F AUS T . Tes cris vont éveiller les grades! (Il saisit les chaînes pour les détacher.) M ARGUERITE . Bourreau! qui t’a donné ce pouvoir sur moi? tu viens me chercher déjà, à minuit! Aie compassion de moi, et laisse-moi vivre. Demain, de grand matin, n’est-ce pas assez tôt? (Elle se lève.) Je suis pourtant si jeune, si jeune, et je dois déjà mourir! Je fus belle aussi, c’est ce qui causa ma perte. Le bien-aimé était près de moi, maintenant il est bien loin; ma couronne est arrachée, les fleurs en sont dispersées… Ne me saisi pas si brusquement! épargne-moi! que t’ai-je fait? Ne sois pas insensible à mes larmes: de ma vie je ne t’ai vu. F AUST . Puis-je résister à ce spectacle de douleur? Gérard de Nervals Faust-Übertragung - Ein Dichter als Übersetzer 285 M ARGUERITE , s’agenouillant aussi. Oh! oui prions les saints ensemble, Que pour nous protéger notre voix les rassemble! Qu’ils chassent les démons par des signes sacrés; Car près de cette porte, au pied de ces degrés … Je les vois … Entends-tu de l’infernal empire Et les cris de triomphe, et l’effroyable rire … Il nous attend, il s’ouvre … Ah! la terre a frémit! F AUST , à haute voix. Marguerite! M ARGUERITE , attentive. C’était la voix de mon ami! A son accent si doux, ah! je l’ai reconnue; Elle s’est fait entendre à mon âme éperdue Du milieu de ces cris qui me glaçaient d’effroi … Il ne peut être loin. F AUST . Marguerite! c’est moi! M ARGUERITE . C’est toi! mais je m’abuse…oh! non, j’en suis certaine; C’est toi! plus de chagrins, plus de maux, plus de chaîne, Tu viens pour me sauver: eh bien! je suis tes pas … Mais je suis faible encor, soutiens-moi de ton bras… Ah! nous sommes sauvés! … à la fin je respire! … A notre liberté tout me semble sourire. Dieu! quedesouvenirsdansceschamps,danscesbois! … Tiens, ici je te vis pour la première fois; Là, mes aveux naïfs ont payé ta tendresse; Là, tu reçus hier ma première caresse … F AUST . Viens, échappe à la mort, quittes ces lieux … M ARGUERITE . Pourquoi? Mon ami, j’aime tant à rester avec toi! F AUS T , s’arrachant à ses embrassemens. Au nom de cet amour, hâte-toi de me suivre, Ou ton refus tous deux au supplice nous livre; Hâte-toi! M ARGUERITE . Dieu! ta main semble me repousser; Ta bouche, comme hier, ne sait plus m’embrasser; Dis-moi, quels souvenirs, quelles peines secrètes Rendent tes baisers froids et tes lèvres muettes? M ARGUERITE . Je suis entièrement en ta puissance; mais laissemoi encore allaiter mon enfant. Toute la nuit je l’ai pressé contre mon cœur; ils viennent de me le prendre pour m’affliger, et disent maintenant que c’est moi qui l’ai tué. Jamais ma gaîté ne me sera rendue. Ils chantent des chansons sur moi! c’est méchant de leur part! Il y a un vieux conte qui finit comme cela. A quoi veulent-ils faire allusion? F AUST , se jetant á ses pieds. Ton amant est à tes pieds, il cherche à détacher tes chaînes douloureuses. M ARGUERITE , s’agenouillant aussi. Oh! oui, agenouillons-nous pour invoquer les saints! Vois, sous ces marches, au seuil de cette porte … c’est là que bouillonne l’enfer! et l’esprit du mal, avec ses grincemens effroyables … quel bruit il fait! F AUST , plus haut. Marguerite, Marguerite! M ARGUERITE , attentive. C’est la voix de mon ami! (Elle s’élance, les chaînes tombent.) Où est-il? je l’ai entendu m’appeler. Je suis libre! Personne ne peut me retenir, et je veux voler dans ses bras, reposer sur son sein! Il a appelé Marguerite, il était là, sur le seuil. Au milieu des hurlemens et du tumulte de l’enfer, à travers les grincemens, les ris des démons, j’ai reconnu sa voix si douce, si chérie! F AUST . C’est moi-même! M ARGUERITE . C’est toi! oh! redis-le encore! (Le pressant.) C’est lui! c’est lui! Où sont toutes mes peines? où sont les angoisses de la prison? où sont les chaînes? … C’est bien toi! tu viens me sauver … Me voilà sauvée! - La voici la rue où je te vis la première fois! voilà l’agréable jardin où Marthe et moi nous t’attendîmes. F AUST , s’efforçant de l’entraîner. Viens! viens avec moi! M ARGUERITE . Oh! reste! reste encore … j’aime tant à être où tu es! (Elle l’embrasse.) F AUS T . Hâte-toi! nous paierions cher un instant de retard. M ARGUERITE . Quoi! tu ne peux plus m’embrasser? Mon ami, depuis si peu de tems que tu m’as quittée, déjà tu as désappris à m’embrasser? Pourquoi dans tes Lea Marquart 286 Tu veux avec effort t’échapper de mes bras … Qui m’a ravi ton cœur? tu ne me réponds pas! F AUST . Peux-tu douter de moi? Tu m’es toujours plus chère. Mais viens, fais quelques pas, c’est ma seule prière! M ARGUERITE . Tu détaches mes fers, tu t’approches de moi … Faust, à mon seul aspect ne sens-tu pas d’effroi? Sais-tu ce que je suis? F AUST . Viens, la nuit est moins sombre. M ARGUERITE . Vois le long de ces murs se dessiner une ombre: C’est celle de ma mère; ah! mon bras criminel Fit prendre á sa faiblesse un breuvage mortel … Chassons ce souvenir de mon âme flétrie; Mon ami, donne-moi ta main, ta main chérie, Contre mon cœur! Que vois-je? elle est humide … ah dieux! … Ah! je sais…C’estdusang…unsangbienprécieux… F AUST . Laisse-là le passé, le passé … que j’abhorre: Tu me ferais mourir. M ARGUERITE . Non, tu dois vivre encore; J’attends de ton amour un service nouveau: Car, sans toi, qui voudrait m’élever un tombeau? Deux autres sont encor confiés à ton zèle: Dans le premier ma mère, et mon frère auprès d’elle; Moi, quelques pas plus loin…personne près de moi… Ah! j’espérais un jour reposer avec toi; Mais c’eût été trop doux, je n’y dois plus prétendre. F AUST . Tu m’aimes! à mes vœux pourquoi ne pas te rendre? Viens! M ARGUERITE . Dehors? F AUST . À la vie. M ARGUERITE . Oh! non, c’est au trépas, La justice divine y veille sur mes pas; Et même … en ce moment … Quel bruit! je crois entendre …. bras suis-je si inquiète? … quand naguère une de tes paroles, un de tes regards m’ouvraient tout le ciel, et que tu m’embrassais à m’étouffer. Embrasse-moi donc; ou je t’embrasse moi-même! (Elle l’embrasse.) O Dieu! tes lèvres sont froides, muettes. Ton amour, où l’as-tu laissé? qui me l’a ravi? (Elle se détourne de lui.) F AUST . Viens! suis-moi! ma bien-aimée, du courage! Je brûle pour toi de mille feux; mais suis-moi, c’est ma seule prière! M ARGUERITE , le fixant. Est-ce bien toi? es-tu bien sûr d’être toi? F AUS T . C’est moi! viens donc! M ARGUERITE . Tu détaches mes chaînes, tu me reprends contre ton sein … comment se fait-il que tu ne te détournes pas de moi avec horreur? - Et sais-tu bien, mon ami, sais-tu qui tu délivres? F AUS T . Viens! viens! la nuit profonde commence à s’éclaircir. M ARGUERITE . J’ai tué ma mère! Mon enfant, je l’ai noyé! il te fut donné comme à moi! oui, à toi aussi. - C’est donc toi! … je le crois à peine. Donne-moi ta main. - Non, ce n’est point un rêve. Ta main chérie! … Ah! mais elle est humide! essuie-la donc! il me semble qu’il y a du sang. Oh! Dieu! qu’astu fait? cache cette épée, je t’en conjure! F AUST . Laisse-là le passé, qui est passé! Tu me fais mourir. M ARGUERITE . Non, tu dois me survivre! Je vais te décrire les tombeaux que tu auras soin d’élever dès demain; il faudra donner la meilleur place à ma mère, que mon frère soit tout près d’elle, moi, un peu sur le côté, pas trop loin cependant, et le petit contre mon sein droit. Nul autre ne sera donc auprès de moi! - Reposer à tes côtés, c’eût été un bonheur bien doux, bien sensible! mais il ne peut m’appartenir désormais. Dès que je veux m’approcher de toi, il me semble toujours que tu me repousses! Et c’est bien toi pourtant, et ton regard a tant de bonté et de tendresse. F AUST . Puisque tu sens que je suis là, viens donc! M ARGUERITE . Dehors? F AUST . A la liberté! M ARGUERITE . Dehors, c’est le tombeau! c’est la mort qui me guette! … Viens! d’ici dans la couche de l’éternel repos, et pas un pas plus loin. - Tu t’éloignes! ô Henri! si je pouvais te suivre! Gérard de Nervals Faust-Übertragung - Ein Dichter als Übersetzer 287 Sur la place déjà le peuple vient m’attendre … La cloche de la mort a trois fois résonné; Pour mon triste départ le signal est donné. On me bande les yeux … et, pour faveur dernière, Au pied de l’échafaud, j’achève ma prière … M’y voici! c’en est fait! …la glaive! …le bourreau … Ah! le monde est déjà muet comme un tombeau. F AUST . Tu le peux! veuille-le seulement, la porte est ouverte. M ARGUERITE . Je n’ose sortir, il ne me reste plus rien à espérer, et, pour moi, de quelle utilité serait la fuite? Ils épient mon passage! Et puis! se voir réduite à mendier, c’est si misérable, et avec une mauvaise conscience encore! C’est si misérable d’errer dans l’exil! et d’ailleurs ils sauraient bien me reprendre. F AUST . Je reste donc avec toi! M ARGUERITE . Vite, vite! sauve ton pauvre enfant! va, suis le chemin le long du ruisseau, dans le sentier, au fond de la forêt, à gauche, où est l’écluse, dans l’étang. Saisis-le vite, il s’élève à la surface, il se débat encore! sauve-le! sauve-le! F AUST . Reprends donc tes esprits; un pas encore, et tu es libre! M ARGUERITE . Si nous avions seulement dépassé la montagne! Ma mère est là, assise sur la pierre. Le froid me saisit à la nuque! Ma mère est là, assisse sur la pierre, et elle secoue la tête, sans me faire aucun signe, sans cligner de l’œil, sa tête est si lourde, elle a dormi si long-tems! ... Elle ne veille plus! elle dormait pendant nos plaisirs. C’étaient là d’heureux tems! F AUST . Puisque ni larmes ni paroles n’opèrent sur toi, j’oserai t’entraîner loin d’ici. M ARGUERITE . Laisse-moi! non, je ne supporterai aucune violence! Ne me saisis pas si violemment! je n’ai que trop fait ce qui pouvait te plaire. F AUST . Le jour se montre! … mon amie! ma bien-aimée! M ARGUERITE . Le jour? oui, c’est le jour! c’est le dernier des miens: il devait être celui de mes noces! Ne va dire à personne que Marguerite t’avait reçu si matin. Ah! ma couronne! … elle est bien aventurée! … Nous nous reverrons, mais ce ne sera pas à la danse. La foule se presse, on ne cesse de l’entendre; la place, les rues pourrontelles lui suffire? La cloche m’appelle, la baguette de justice est brisée. Comme ils m’enchaînent! comme ils me saisissent! Je suis déjà enlevée sur l’échafaud, déjà tombe sur le cou de chacun le tranchant jeté sur le mien. Voilà le monde entier muet comme le tombeau! Lea Marquart 288 F AUST . Ciel! pourquoi suis-je né? M EPHISTOPHELES , entrant. Venez, voici l’aurore! Cessez de vains retards qui vous perdraient encore. M ARGUERITE . Que vois-je? loin d’ici! c’est l’ennemi de Dieu: Il vient pour me ravir … chassez-le du saint lieu! … Quand il parle, ô terreur! ses lèvres convulsives Vomissent tout l’enfer … F AUST , cherchant à l’entraîner. Viens, il faut que tu vives! M ARGUERITE . Non. F AUS T . Il faut surmonter un puéril effroi. M ARGUERITE . O justice de Dieu, je m’abandonne à toi! M EPHISTOPHELES , à Faust. Viens! viens! ou je te livre à la mort avec elle. M ARGUERITE . Mon Dieu, je t’appartiens! Anges, troupe immortelle, Sauvez-moi! de l’enfer combattez la fureur …! (Des soldats entrent et l’entraînent au supplice.) Faust, je subis mon sort; le tien … me fait horreur! F AUST . Oh! que ne suis-je jamais né! M EPHISTOPHELES se montre au dehors. Sortez! ou vous êtes perdus. Que de paroles inutiles! que de retards et d’incertitudes! Mes chevaux s’agitent, et le jour commence à poindre. M ARGUERITE . Qui s’élève ainsi de la terre? Lui! lui! chasse-le vite; que vient-il faire dans le saint lieu? … C’est moi qu’il veut. F AUST . Il faut que tu vives! M ARGUERITE . Justice de Dieu, je me suis livrée à toi! M EPHISTOPHELES , à Faust. Viens! viens! ou je t’abandonne avec elle sous le couteau! M ARGUERITE . Je t’appartiens, père! sauve-moi! Anges, entourez-moi, protégez-moi de vos saintes armées! … Henri! tu me fais horreur! M EPHISTOPHELES . Elle est jugée! V OIX d’en haut. Elle est sauvée! M EPHISTOPHELES , à Faust. Viens à moi! (Il disparaît avec Faust.) V OIX du fond, qui s’affaiblit. Henri! Henri! Giovanni Dotoli Traduction et humanisme: Les traductions de l’italien en français au XVII e siècle Dans mon répertoire Les traductions de l’italien en français au XVII e siècle, que j’ai réalisé en collaboration avec Valeria Pompejano, Paola Placella Sommella et Vito Castiglione Minischetti 1 , dans le cadre d’une recherche internationale pluriuniverstaire, qui va du XVI e à la fin du XIX e siècle, j’ai prouvé une présence constante de l’Italie en France au XVII e siècle, avec un changement de “zone”. Si la présence de la littérature italienne diminue au fur et à mesure, les sciences humaines tout court, la religion, les Beaux-Arts, les sciences et les techniques ont une présence très forte. Une donnée me paraît capitale: sur un total de 1245 notices répertoriées, 426 concernent les quarante dernières années du siècle, c’est-à-dire 34.21%. Le commerce épistolaire entre les intellectuels de France et d’Italie s’étend sur le siècle entier. Les thèses opposées de Boileau et de Madame de Sévigné à l’égard du charme du Tasse entrent dans le grand débat du siècle et de toute l’époque: le premier parle de “clinquant du Tasse”(Satire, IX) et la deuxième affirme: “Le clinquant du Tasse m’a charmée”. Le cri de Boileau entre dans les “relations internationales” du classicisme: “Laissons à l’Italie / De tous ces faux brillants l’éclatante folie” 2 . Au XVII e siècle, le mythe de l’Italie est bien vivant. La France ne fait que l’adapter à ses nouvelles conditions politiques, psychologiques, historiques, spirituelles, en un mot, à sa nouvelle vision du monde. Si les données sur l’italianisme en France au XVII e siècle sont évidentes, pourquoi, à partir de la seconde partie du siècle jusqu’aux années 1960, a-ton réduit et modifié la présence réelle de l’Italie en France au siècle de Louis XIV? Pourquoi voit-on l’influence de l’Italie comme une maladie, avec tous ses défauts de ‘baroquisme’? Comment les données de mon répertoire se concilient-elles avec une situation critique si opposée à la réalité? 1 Giovanni Dotoli - Valeria Pompejano, Paola Placella Sommella - Vito Castiglione Minischetti, Les traductions de l’italien en français au XVII e siècle, Fasano - Paris, Schena - Presses de l’Université de Paris-Sorbonne, 2001. 2 Mme de Sévigné, Correspondance, texte ét., prés. et ann. par R. Duchêne, Paris, Gallimard, 1972-78, 3 vol., II, p. 499, lettre du 23 juill. 1677; Boileau, Art poétique, chant I er , in Œuvres complètes, par A. Adam, textes ét. et ann. par F. Escal, Paris, Gallimard, 1966. Giovanni Dotoli 290 Jean Balsamo fixe bien les termes de cette maladie, dans un chapitre de ses Rencontres des muses 3 : L’italianisme était ainsi le principe qui allait permettre d’expliquer toutes les décadences. […] Conçu comme l’influence destructrice descendant d’un astre funeste, l’italianisme est le terme général qui désignait une sorte de trouble du goût ; prolongeant les effets d’une mélancolie, dont les Français du XVI e siècle voyaient les cas les plus graves en Italie, cette maladie se serait diffusée en France même 4 . L’Italie infléchirait la tradition nationale, ferait oublier le goût français, introduirait la corruption des mœurs et du langage, selon la vieille thèse d’Henri Estienne. Elle serait le symbole du mauvais goût et de la décadence. En 1898, Joseph Texte oppose “l’art de plaire des Italiens, fondé sur la pureté du style et les grâces du langage orné, à l’art de persuader des Français, fondé sur la force de la doctrine et l’abondance de la raison 5 . Dans un article de 1985, Jean Balsamo toujours, fixe pour le XVII e siècle les mêmes questions que pour le XVI e , en partant d’un concours que l’Académie française lance en 1851 sur le sujet suivant 6 : “Rechercher les traces de l’influence que la littérature et le génie de l’Italie exercèrent sur les lettres françaises au XVI e siècle et dans une partie du XVII e , et en montrant les rapports et les différences des deux peuples, indiquer ce que gagna le génie français à se rapprocher surtout de l’Antiquité“. Il précise justement que l’on confond les deux notions d’“influence italienne” et d’“italianisme” 7 . En analysant les thèses d’E. J. B. Rathéry et de E. Arnould 8 , Jean Balsamo souligne avec lucidité toutes les contradictions de la tradition critique sur l’image négative de l’Italie: italianisme comme “un fait historique”; influence positive sur toute la société française, mais négative “surtout dans le milieu précieux”; amour de l’Art pour l’Art ; préférence de “l’élégance aux rigueurs de la pensée”; “primat de l’hédonisme sur les valeurs morales”, et donc du delectare sur le docere ; attention pour la poésie et donc l’imagination et non pour “le travail méthodique de la pensée 3 J. Balsamo, Les rencontres des muses. Italianisme et anti-italianisme dans les lettres françaises de la fin du XVIe siècle, Genève - Paris, Slatkine, 1998, p. 10-15, „Une France malade d’Italie“. 4 F. Brunetière, La maladie du burlesque, „Revue des Deux Mondes“, 14 août 1906, p. 667- 86. 5 J. Balsamo, Les rencontres de muses […], cit., p. 14. Pour J. Texte, De l’influence italienne dans la Renaissance italienne, in Etudes de littérature européenne, Paris, 1898, p. 25-56. 6 J. Balsamo, La „virtuosité inutile“ ou les origines d’une malentendu: l’Italianisme en France (1600-1660) vu par le XIX e siècle, in La France et l’Italie au temps de Mazarin, Actes du 15 e colloque du CMR 17, Grenoble 25-27 janv. 1985, textes rec. et publ. par J. Serroy, Grenoble, Presses de l’Univ. de Grenoble, 1986, cit., p. 312. 7 Ibid., p. 311. 8 E. J. B. Rathéry, Influence de l’Italie sur les lettres françaises depuis le XIII e siècle jusqu’au règne de Louis XIV, Paris, Firmin Didot, 1853; E. Arnould, De l'influence exercée par la littérature italienne sur la littérature française. Essais de théorie et d'histoire littéraire, Paris, Durand, 1858. Les traductions de l’italien en français au XVII e siècle 291 et du jugement”, grande marque de la culture française. L’italianisme apparaît comme une notion commode pour mettre en valeur “l’Italie du XVII e siècle” en tant qu’“image de la décadence”. Pour la critique de la deuxième moitié du XIX e siècle, l’Italie n’est qu’une terre de “médiation culturelle et géographique” vers l’Antiquité classique. La translatio du début du XVII e siècle est le moment critique. L’équation marinisme-préciosité-goût italien traverse le XVII e siècle entier, jusqu’à la critique historique de la deuxième moitié du XIX e siècle, pour déboucher petit à petit vers les ouvertures de Jules Marsan, Charles-W. Cabeen, René Bray, Henri Busson, René Pintard, enfin sur les thèses magistrales de Marc Fumaroli, Cecilia Rizza, Daniela Dalla Valle, Jean Balsamo et de tous les grands théoriciens de la nouvelle vision du baroque 9 . Désormais la situation critique est claire. Derrière cette image négative de l’Italie, bourrée de contradictions et de prises de position sans références réelles, il y a le “projet” de donner à la France la primauté culturelle et politique en Europe. L’anti-italianisme se marie parfaitement avec les programmes de Richelieu et de Louis XIV. Grâce à l’Italie, la France se branche sur l’Antiquité, en est la continuatrice directe, à l’époque moderne. Même “les notions de machiavélisme et de politique italienne”, avec “tant de fond de lieux communs et d’arguments anti-italiens de la propagande des Guerres de Religion” 10 , s’axent sur la perception de l’image négative de l’Italie moderne, surtout pendant la Fronde. La culture italienne serait “le double négatif de la culture française” 11 . Jean Balsamo conclut, précisément 12 Le XIX e siècle créait donc la notion d’italianisme pour justifier ce “mauvais goût“ des productions françaises du premier XVII e siècle. Il prenait pour l’imitation naïve d’un modèle étranger ce qui était au contraire l’effort sinon cohérent, du moins conscient de soi d’une affirmation autonome. La masse traductrice de l’italianisme en France confirme le “projet” français que je viens de définir. La traduction est une conquête pour donner à la France et à sa langue la primauté. La comparaison est toujours à l’avantage de la France. Ce sont “les ressources de la langue d’accueil” 13 qui importent: c’est déjà la thèse de Pierre de Deimier, dans son Académie de l’Art poétique, parue en 1610 14 . Ce mouvement est déjà très évident à la fin du XVI e siècle 15 . La brièveté française est l’opposé de la prolixité italienne. L’Italie a ruiné l’archétype stylistique des Anciens. Elle est pour l’asianisme, tandis que la 9 C. Rizza, Etat présent des études sur les rapports franco-italiens au XVII e siècle, in L’italianisme en France au XVIIe siècle, Actes du 8 e congrès de la Société française de littérature comparée, Grenoble-Chambéry, 26-28 mai 1966, par G. Mirandola, préf. de L. Sozzi, suppl. au n. 12 de „Studi Francesi“, 12, 2, 1968, p. 13-15. 10 J. Balsamo, La „virtuosité inutile“ ou les origines d’un malentendu […], cit., p. 315. 11 Ibid., p. 316. 12 Ibid. 13 J. Balsamo, Les rencontres des muses […], cit., p. 105. 14 Paris, J. de Bordeaux, 1610, p. 213. 15 J. Balsamo, Les rencontres des muses […], cit., p. 150. Giovanni Dotoli 292 France s’achemine au fur et à mesure sur la ligne de l’atticisme, selon les meilleurs écrivains grecs et romains. En effet, le traducteur de l’italien en français reconnaît la supériorité de l’italien, par le seul choix de le traduire. Mais la partie n’est pas toujours gagnée. Boileau est obligé de parler d’“écrits obscurs” et d’“inconnu Caloandre” 16 , pour la traduction de Georges de Scudéry du Colloandro de Giovanni Ambrosio Marini parue en 1668 17 . L’italianisme du XVII e siècle est donc à revoir, sur la base de la réalité. Le savoir des Italiens pénètre la France au XVII e siècle aussi Ce n’est pas une question d’habitude, selon la thèse de Rathéry, mais de vision du monde, de la Méditerranée au Canal de La Manche. Comment continuer à centrer l’analyse sur “le clinquant du Tasse”, en l’opposant à “l’or de Virgile”? Encore une fois, le XVII e siècle français apparaît comme un grand laboratoire, où se croisent différents fleuves, notamment ceux de la fantaisie (l’asianisme italien) et de l’ordre (l’atticisme français). La transition de la première partie du siècle ne correspond pas à la réalité des choses. C’est la pluralité du siècle qui est sous nos yeux, ce qui est parfaitement en ligne avec la pluralité des genres que l’on traduit de l’italien en français. Mes recherches prouvent le langage du dialogue et de l’ouverture, de l’intérêt et de la réflexion. Elles nous poussent à mettre de côté les âges d’or et les relations de causalité. Le recours à l’Italie se révèle tel qu’il est: un élément providentiel pour donner à la littérature de Louis XIV la marque solaire, contre les poètes fades et burlesques, ces Italiens maniéristes et symboles de décadence. La vision du XVII e siècle français est riche et complexe. Regardons les choses sans blocages et sans lieux communs. Nous ne pouvons plus accepter les choix d’un Tamizey de Larroque, qui, à la fin du XIX e siècle, justifie sa négligence pour la correspondance entre Chapelain et Giovanni Battista Marino par le fait qu’elle n’offre pas “de véritable intérêt pour l’histoire de la littérature française” 18 . Au XVII e siècle, le modèle italien et le français cohabitent en un dialogue fructueux, à travers les très nombreuses traductions de la Péninsule vers la France, où se marient parfaitement l’Antiquité et la modernité. L’hostilité de tels secteurs de la société, par exemple d’un Père Bouhours, à l’égard de l’Italie (et de l’Espagne), a une fonction “politique”. Les liens entre les deux langues, de l’italien vers le français, le prouvent à tout moment. C’est pourquoi le Père Bouhours craint une invasion du “ridicule” italien et qu’il est obligé d’écrire avec détermination 19 : 16 Boileau, Le lutrin, ch. V, in Œuvres complètes, cit., p. 215. 17 G. A. Marini, Le Calloandre fidelle, trad. de l’Italien par Monsieur de Scudéry, Paris, D. Thierry, 1668. 18 J. Balsamo, La „virtuosité inutile“ ou les origines d’un malentendu […], cit., p. 311. 19 D. Bouhours, Les entretiens d’Ariste et d’Eugène, prés. par F. Brunot, Paris, A. Colin, 1962, p. 45. Les traductions de l’italien en français au XVII e siècle 293 Ne faut-il pas confesser après cela que si l’Espagnol est propre à representer le caractere des Matamores, l’Italien semble fait pour exprimer celuy des Charlatans? Le François est exempt de tous ces defauts, il garde un juste temperament entre ces deux langues; comme il n’a rien de la gravité orgueilleuse de l’une, il n’a rien aussi de la puerilité et des badineries de l’autre. Par conséquent, “La langue françoise est comme les belles rivieres, qui enrichissent tous les lieux par où elles passent; qui sans estre ni lentes, ni rapides roullent majestueusement leurs eaux, et ont un cours toûjours égal” 20 . Au naturel des Français s’opposent les expressions fleuries et brillantes des Italiens 21 : Car cette langue ne pouvant donner aux choses un certain air qui leur est propre, elle les orne, et les enrichit autant qu’elle peut. Mais ces ornements, et ces enrichissements ne sont pas de veritables beautez. Toutes ces expressions Italiennes si fleuries et si brillantes, sont comme ces visages fardez qui ont beaucoup d’éclat, et qui n’ont rien de naturel. Il est vray que ces belles expressions ont dequoy surprendre, et mesme quelquefois dequoy plaire; mais après tout, ce sont de fausses beautez: et pour peu qu’on ait les yeux bons, on ne s’en laisse pas éblouïr. Il s’agit d’une Manière de bien penser, selon le titre d’un ouvrage de Dominique Bouhours 22 . “Connaître c’est traduire”, écrit Charles Brucker pour le Moyen Age 23 . Je pense que cette affirmation vaut aussi pour la période qui va du début du XVI e siècle à la fin du XVII e . La culture passe de l’Italie en France (et de France en Italie) et d’un âge à l’autre (de l’Antiquité à l’actualité), à travers la langue d’arrivée. Un coup d’œil à la table des matières du livre si précis de Roger Zuber nous donne les signes du réel: “Renaissance du genre (avant 1625)”, “Ascension du genre (de 1625 à 1640)”, “Apogée du genre (vers 1640)”, “Crise du genre (de 1645 à 1652 environ)”, “Disparition du genre (après 1653)” 24 . Sur un plan général, je trouve que ce parcours pourrait être juste, mais, encore une fois, mes recherches parlent la langue de la réalité. Au cours du siècle, la traduction de l’italien en français ne s’arrête jamais. D’ailleurs, est-il bien vrai qu’avant 1625 il y aurait un “déclin de la traduction” 25 ? Je suis d’accord plutôt avec Jean Balsamo, qui écrit 26 : “La 20 Ibid., p. 9. 21 Ibid., p. 34. 22 D. Bouhours, La manière de bien penser dans les ouvrages de l’esprit, Paris, Vve de S. Mabre- Cramoisy, 1687. 23 Ch. Brucker, Avant-propos à Traduction et adaptation en France à la fin du Moyen Age et à la Renaissance, Actes du colloque organisé par l’Univ. de Nancy II, 23-25 mars 1995, éd. par Ch. B., Paris, Champion, 1997, p. 7. 24 R. Zuber, Les „belles infidèles“ et la formation du goût classique, postface d’E. Bury, Paris, A. Michel, 1995, p. 507-13. 25 Ibid., p. 21 et suiv. 26 J. Balsamo, Les rencontres des muses […], cit., p. 93. Giovanni Dotoli 294 France de la fin du XVI e siècle était un pays de traducteurs”. Ce même critique nous rappelle qu’en 1577, le traducteur Blaise de Vigenère écrit 27 : Tant un chacun se monstre aspre et boüillant à mettre la main à la plume; pour le regard principalement des traductions où il n’y a personne qui vueille demeurer arriere, et qui par maniere de dire ne s’efforce d’y teindre et ensanglanter son glaive. Au XVII e siècle, la traduction est un genre à tous les effets, qui se lie à ce que de nos jours nous appelons la sociologie de la littérature, dans son acception la plus vaste, des oeuvres religieuses aux oeuvres scientifiques. Sous la poussée de la marche de la langue française, la traduction de l’italien en français gagne au fur et à mesure plus d’espace. Nicolas Faret écrit le 4 mai 1626, dans une lettre à Méziriac 28 : Cet ouvrage a esté le premier par qui l’on a commencé de connoistre que nostre langue pourroit un jour acquerir assez de force et de beauté, pour atteindre à l’excellence de la Grecque et de la Latine. Enthousiasme excessif? Je crois que non. Petit à petit, la traduction gagne de nouveaux domaines. Ainsi Godeau, Guez de Balzac, Conrart, Chapelain, Antoine Arnauld, Lancelot, Gilbert de Godefer, Guillaume Colletet, Gaspard de Tende, sieur de L’Estang, le Père Bouhours, Antoine Furetière, François Mangot, Saint-Evremond, font l’éloge des traductions et de la traductologie. Le prestige des traducteurs est immense. Faut-il rappeler les projets de l’Académie française dans le domaine de la traduction? Les pratiques traductrices sont à la mode. Les textes liminaires des traductions aussi, de l’italien en français, sont pleins d’observations, de conseils, de justifications, de prises de position 29 . C’est qu’au fond tout le monde est bien conscient que les affirmations suivantes d’Arnauld et Lancelot sont essentielles 30 : Parler est expliquer sa pensée par des signes que les hommes ont inventés à ce dessein. On a trouvé que les plus commodes de ces signes étaient les sons et les voix. Mais parce que ces sons passent, on a inventé d’autres signes pour les rendre durables et visibles, qui sont les caractères de l’écriture. Au seuil de sa traduction du chant XXXII du Roland furieux de l’Arioste, Etienne de La Boétie crie la difficulté et la gloire réduite de toute traduction, “car tourner d’une langue estrangere / La peine est grande et la gloire est 27 Ibid. et B. de Vigenère, La décadence de l’Empire grec par Nicolas Chalcondyle athénien, Paris, Chesneau, 1577, f. F 2v°. 28 N. Faret, Recueil de lettres nouvelles dédiées à Mons. le Cardinal de Richelieu, Paris, T. Quinet, 1634, 2 vol., I, p. 254. 29 Voir G. Guellouz, Du bon usage des textes liminaires. Le cas d’Amelot de La Houssaye, in La traduction au XVII e siècle, dir. par S. G., „Littératures classiques“, 13, oct. 1991, p. 261-75. 30 A. Arnauld - C. Lancelot, Grammaire générale et raisonnée, Paris, reproduction Paulet, 1969, p. 7. Les traductions de l’italien en français au XVII e siècle 295 légère” 31 . En effet, quelles règles faut-il suivre? Quelle méthode d’approche doit utiliser le traducteur? J’aime citer cette vision extraordinaire d’Antoine Furetière, dans sa Nouvelle Allégorique 32 : A la gauche combatoient les Traductions en grand nombre, et divisées en plusieurs Corps; dont le premier marchoit sous Ablancourt Capitaine Magnifique, qui leur avoit donné des habits neufs faits à la mode, qu’il avoit taillez et rognez à sa fantaisie. Quelques autres obeissoient aux Capitaines Gyri [sic], Vaugelas et Charpentier, dont la sévérité avoit rendu les troupes moins licencieuses; de sorte que sans ceder aux autres en dignité, elles les surpassoient en justesse. Les derniers marchoient sous les Capitaines Vigenere et Baudouin qui pour les avoir voulu trop grossir et lever à la hâte, avoient esté obligez d’y enrôller plusieurs Drilles, dont les habits étoient déchirez en beaucoup d’endroits. Le champ des traducteurs se répartit en trois zones: ceux qui embellissent le texte, à la Nicolas Perrot d’Ablancourt, les traducteurs qui suivent le texte mot à mot, à la Vaugelas, à la Louis Giry et à la François Charpentier, et les traducteurs libres à la Blaise de Vigenère et à la Jean Baudoin. Tous sont contraires à l’invention tout court. En 1672, Charles Sorel est clair, dans son traité De la connoissance des bons livres 33 : La Prose qui est bonne et bien faite n’a que des libertez reglees; la longueur de ses periodes doit estre accommodée au sujet que l’on traite, et à la lenteur ou à la promptitude des mouvemens nécessaires. On prend garde encore que toutes les parties en soient bien sonantes et bien compassées. Fidélité au texte et sens de l’esthétique marchent de pair. Les traités sur la traduction confirment ces thèses. Je rappelle ceux de Gaspard de Tende, sieur de L’Estang, Règles de la traduction ou moyens pour apprendre à traduire de latin en françois, tirées de quelques-unes des meilleures traductions du temps , et surtout les règles de la traduction fixées par le soi-disant Cercle de Miramion et par Port-Royal, dont les textes ont été publiés sous la direction du regretté Luigi de Nardis, en 1991 35 . Trois éléments sont de toute évidence, au cours du siècle entier: le respect du texte, le plaisir du livre et de la parole et le sens d’un idéal commun, dans 31 E. de La Boétie, A Marguerite de Carle sur la traduction des Plaintes de Bradamante au chant de Loys Arioste, in Oeuvres complètes, éd. par P. Bonnefon, Bordeaux - Paris, 1892, p. 251- 56. La traduction est aux p. 257-64. Voir Montaigne, Les Essais […], par P. Villey, Paris, PUF, 1965, III, 13, p. 1069. 32 A. Furetière, La nouvelle allégorique ou Histoire des derniers troubles arrivez au Royaume d’éloquence, Paris, P. Lamy, 1658, p. 70-71. 33 Ch. Sorel, De la connoissance des bons livres, Amsterdam, H. et Th. Boom, 1672, p. 204-05. 34 Paris, Damien Foucoult, 1660. Voir M. Ballard, Gaspard de Tende: Théoriecien de la traduction, in La traduction en France à l’âge classique, Lille, Presses Univ. du Septentrion, 1996, p. 42-61. 35 Regole della traduzione, testi inediti di Port-Royal e del „Cercle de Miramion“ (metà del XVII secolo), a cura di L. de Nardis, Napoli, Bibliopolis, 1991. Contient des textes de: Antoine Le Maistre, Robert Arnauld d’Andilly, T. B. (ms. N.A.F. 1554 de la Bibl. Nat. de France), Aignan de Beauharnais, sieur de Miramion, [André? ] Berruyer, Louis-Isaac Le Maistre de Sacy, Gaspard de Tende, Thomas Guyot, dit le Bachelier. Giovanni Dotoli 296 un équilibre pluriel qui, encore une fois, est la marque de ce laboratoire qu’est le XVII e siècle. Nous pouvons parler d’une “fidélité substantielle à l’original” 36 , même quand le texte d’arrivée semble s’en éloigner, sur la base du rappel à l’usage, à la grâce, au naturel et à l’élégance. Antoine Le Maistre résume bien les règles de toute traduction, de l’italien en français aussi 37 : Ce qui est necessaire à un Traducteur pour bien traduire: 1. La sagesse et le jugement. 2. L’intelligence des choses qui sont traitées dans le discours qu’on a traduit. 3. Le raport qu’elles ont entre elles. 4. La science de tous les preceptes de la Rhetorique touchant l’Elocution. 5. La connoissance de l’esprit et du Genie des 2 langues, celle dont on traduit et celle en laquelle on traduit. Du raport et de la ressemblance ou difference qu’elles ont entre elles. 6. La parfaite connoissance des beautez de la langue en laquelle on traduit. 7. La science des Regles de la Traduction […]. 8. Grand usage […]. 9. Raports et differences entre la langue Latine et la francoise […]. Pour les traductions du XVII e siècle, plus que les paroles compte le sens 38 . Ecoutons un spécialiste intransigeant, Jean Chapelain, dans une lettre qu’il adresse à un autre spécialiste de la même catégorie, Pierre-Daniel Huet 39 : On ne le tirera jamais du fort où il s’est retranché, ni de sa hardie pratique, estant affermi dans la maxime que le traducteur qui veut estre leu et estimé doit suivre le génie de chaque langue, prendre le sens de son autheur, et le refondre pour luy faire avoir la forme qui le peut rendre agreable sans rebuter le lecteur par une fidelité degoûtante, verbum verbo reddendo, qui fait perdre toutes les graces de l’original pour n’y avoir pas d’autres equivalantes. Et il pretend n’estre despourveu d’authorités pour cela chés les anciens. Nous nous retrouvons donc sur l’axe du plaisir, du talent, de la fidélité et de la compréhension. Pour Pierre-Daniel Huet, le traducteur, qu’il appelle recensior, doit suivre cette règle essentielle 40 : Le meilleur modèle de traduction est celui où le traducteur s’attache très étroitement à la pensée de l’auteur, puis aux mots mêmes si les possibilités offertes par les deux langues le permettent, et enfin où il reproduit le style personnel de l’auteur autant que faire se peut, s’appliquant seulement à le présenter fidèlement, sans le diminuer par aucune suppression ni l’augmenter d’aucune addition, mais dans son intégrité et le plus ressemblant possible en tous points. Autour de ces règles s’ouvre tout un débat sur la “distance” entre le texte original et le texte traduit, notamment sur l’adaptation et l’embellissement. Faut-il faire “chanter” le texte d’arrivée, selon la belle image d’Henri 36 Ibid., p. 17. 37 A. Le Maistre, Régles de la traduction, […], a cura di L. de Nardis, in Ibid., p. 45. 38 Ibid., p. 31. 39 J. Chapelain, Lettres, par Ph. Tamizey de Larroque, Paris, Imprimerie Nationale, 1880- 83, 2 vol., II, p. 212. Cit. in E. Bury, Bien écrire ou bien traduire: Pierre-Daniel Huet théoricien de la traduction, in La traduction au XVII e siècle, cit., p. 252. 40 P.-D. Huet, De interpretatione libri duo, quorum prior est de optimo genere interpretandi, alter, de clariis interpretibus, Paris, S. Cramoisy, 1661, p. 13, cit. in E. Bury, Ibid., p. 260. Les traductions de l’italien en français au XVII e siècle 297 Meschonnic? Où doit s’arrêter la liberté du traducteur? Quelle est la limite de l’infidélité? C’est que le traducteur du XVII e siècle connaît bien les dangers qui l’attendent. La Mothe Le Vayer est obligé d’admettre 41 : [Les traductions sont] comme du vin que l’on tire de son premier vaisseau; d’où si on le verse dans des bouteilles, quelque soin qu’on y apporte, il ne laisse pas de s’affoiblir, à cause que ses esprit s’evaporent, et se dissipent insensiblement […]. Il en est souvent comme de ces vins transvasez, dont le plus spirituel s’evapore en passant d’un vaisseau à un autre. Toute traduction serait menacée par le goût de l’exactitude, et naturellement par la gratuité de l’œuvre d’art et la nécessité de conquérir le lecteur, et, au fur et à mesure que le siècle avance, par le sens de la clarté, les raisons de la composition et l’art de l’éclaircissement. “Traduttore” ”traditore”, encore une fois! Le traducteur de l’italien en français s’interroge sur les incertitudes de son métier. Il a conscience de ses faiblesses et des contraintes que lui impose le texte. Antoine Le Maistre résume bien “en quoy consiste l’excellence d’une traduction” 42 : 1. En ce qu’elle soit tres fidelle mais pour le sens seulement ; de quelle sorte on reussit le plus sans sortir du sens. 2. En ce qu’elle soit tres claire. 3. En ce qu’elle soit tres elegante pour les paroles et pour les figures. 4. En ce qu’elle soit tellement francoise qu’on la puisse prendre pour un discours naturel francois. 5. En ce qu’elle soit plus belle que l’original si l’original n’est pas excellent pour le style et pour l’elegance. Où il faut monstrer qu’il est permis d’ajouster diverses beautez pour le style à l’original quoy que l’on n’y doive rien ajouster pour le sens. Mais le traducteur ne doit jamais oublier “d’estre fidelle et litteral” 43 , même quand il… imite l’original. François Ogier tente l’impossible pour concilier traduction et imitation chez Guez de Balzac 44 : Il est besoin de remarquer qu’il y a bien de la différence entre imiter, et dérober les Anciens; entre pratiquer leur Art et se servir de leur ouvrage mesme. L’imitation est tousjours louable, lors qu’elle est accompagnée d’industrie, lors que nous choisissons un excellent patron pour l’imiter, que nous l’imitons en ses plus excellentes parties. L’imitation-traduction gagne l’auréole d’un prix. Les embellissements sont nécessaires, surtout pour traduire un texte de l’italien en français, à cause de 41 La Mothe Le Vayer, Opuscules, 1 ère partie, De la lecture de Platon [1643], in Œuvres, nouv. éd. rev. et aug., Dresde, M. Groell, 1656-59, 14 parties en 7 vol, II, 2, p. 16. 42 A. Le Maistre, Régles de la traduction, cit., p. 47. 43 R. Arnauld d’Andilly, Remarques sur la traduction françoise, ms. 6041 de la Bibl. Nat. de l’Arsenal de Paris, a cura di L. Linguiti, in Regole della traduzione, cit., p. 59. 44 Fr. Ogier, Apologie pour Monsieur de Balzac, Paris, P. Rocolet, 1628, cit. in E. Bury, Postface à R. Zuber, Les „belles infidèles“ […], cit., p. 496. Giovanni Dotoli 298 la différence prétendue entre ces deux langues, l’une allant vers la fantaisie et l’autre vers l’ordre. En 1640, dans la préface à sa traduction de la Stratonica de Luca Assarino, Claude de Malleville admet 45 : Les Français qui écrivent d’un style plus net et plus fort, ne peuvent souffrir dans la disette même de leur langue cette ennuyeuse répétition de mots qui est familière aux Italiens dans l’abondance de la leur. Ils ne peuvent souffrir ce petit jeu de paroles, et cette puérile antithèse de termes où ceux-ci se portent continuellement. La plupart affectent une métaphore qu’ils opiniâtrent si fort et qu’ils poussent si avant qu’elle dégénère en galimatias, et d’un ornement de l’oraison font un deffaut de l’orateur. De cette extrémité ils passent en une autre qui n’est plus supportable, ils ne conçoivent le plus souvent qu’à demi, se contentent d’ébaucher une pensée, et de toucher légèrement une passion qu’il faudrait manier. En ceci, j’accuse le général plus que je ne fais le particulier, ce sont des vices du terroir plutôt que de celle des habitants […]. En cette version vous le trouverez non seulement purifié, mais encore infiniment embelli. Toutes les fois qu’il s’échappe son traducteur le retient; et lorsqu’il demeure en chemin, il le pousse jusqu’au bout de la carrière, et lui fait achever la course qu’il a commencée. Enfin il n’est plus ce qu’il était, mais il est ce qu’il devait être, et ce qu’il eût été lui-même en sa propre langue si la multitude ne l’eût emporté. Le traducteur de l’italien en français améliore et embellit. Qu’importe s’il trahit le texte? Il cherche “les termes intelligibles et propres, plutôt que les ambigus et les figurés”, pour des raisons de “bienséance”, contre la dégénération du “galimatias”, de l’“extravagant” et du “ridicule” 46 . Ainsi le traducteur est-il parfois obligé de réduire le texte, pour l’accommoder aux exigences de sa langue 47 : On a taché de donner à la copie toutes les beautés de l’original ; mais quelque soin qu’on ait pris de la rendre fidèle, on a été obligé d’adoucir certains endroits qui n’auraient pas eu les mêmes agréments en notre langue, plus sérieuse et moins libre que l’italienne. Un Jean Mairet choisit la voie de l’imitation: son Grand et dernier Solyman ou la mort de Mustapha 48 , tiré du Solimano de Prospero Bonarelli della Rovere, est une véritable recréation. La Fontaine sera sur la même ligne, dans ses Fables et dans ses Contes, et Boileau de louer les inventions de son ami, contre toute “traduction sèche et triste”. Le traducteur, dit-il, crée un autre “original” 49 . A ce propos, Furetière est catégorique, aux entrées Traduction et Traduire de son Dictionnaire: 45 C. de Malleville, Préface à L. Assarino, La Stratonica, Paris, A. Courbé, 1640. 46 J. Baudoin, préface à G. B. Manzini, La Crétidée, Paris, A. de Sommaville, 1643. 47 Chevalier de Mailly, préface à G. Loredano, La vie d’Adam, Paris, E. Couterot, 1695. 48 Paris, A. Courbé, 1639. 49 E. Bury, Postface à R. Zuber, Les „belles infidèles“ […], cit., p. 502. Les traductions de l’italien en français au XVII e siècle 299 Traduction. f. f. Version d’un livre, ou d’un escrit, d’une langue en une autre plus connue. Les traductions ne se doivent point faire de mot à mot, mais par des equipollences […]. Les anciennes traductions passent maintenant pour barbares. Traduire. v. act. Tourner quelque escrit, quelque livre en une langue plus connuë, plus facile à entendre que celle de l’original. Au fond, c’est toujours le lecteur qui décide, parce que toute traduction “doit être agréable d’elle-même” 50 . Sur la base de la théorie de l’équivalence des langues 51 , les éditions bilingues constituent un cas très intéressant. Elles ne rentrent pas uniquement dans les méthodes “modernes” pour l’enseignement de la langue italienne, mais elles ont au fur et à mesure pour but de prouver la supériorité de la langue française. L’italien est un moyen pour nourrir le français. Ses richesses deviennent les richesses du français qui, à partir des années 1660, accomplit son parcours d’anoblissement. La traduction de l’italien devient un élément de culture et de formation, dans tous les domaines. L’édification du monument de la langue française se termine par des éloges tels ceux du Père Bouhours 52 , que je suis obligé de répéter: La langue françoise est comme les belles rivieres, qui enrichissent tous les lieux par où elles passent; qui sans estre ni lentes, ni rapides roullent majestueusement leurs eaux, et ont un cours toûjours égal. Désormais cette langue est le symbole de la perfection des Anciens modernes, les Français. L’italien n’est plus le point essentiel de la comparaison 53 : La langue Françoise est une prude; mais une prude agreable, qui toute sage et toute modeste qu’elle est, n’a rien de rude ni de farouche. C’est une fille qui a beaucoup de traits de sa mere, je veux dire de la langue Latine. Je n’entends pas par la langue Latine, la langue qu’on parloit au temps de Neron, et sous les autres Empereurs qui le suivirent: j’entends celle qu’on parloit au temps d’Auguste, dans le siecle de la belle Latinité: et je dis que nôtre langue dans la perfection où elle est, a beaucoup de rapport avec la langue Latine de ce temps-là. Pour peu qu’on les examine toutes deux, on verra qu’elles ont le mesme genie et le mesme goust: et que rien ne leur plaist tant qu’un discours noble, et poli, mais pur, simple, naturel, et raisonnable. La justification est claire. L’italien embellit, enfle, vise au plaisir et aux belles peintures, ne respecte pas la nature. Le coup final de Bouhours est symbolique du parcours linguistique du XVII e siècle: l’italien vise au plaisir et non à la ressemblance des formes. Fantasque et capricieux, il n’imite pas la nature, en ayant recours à l’artifice. “Toutes ces expressions Italiennes si 50 Abbé Antoine Torche, Au lecteur précédant Il Pastor fido. Le berger fidelle traduit de l’original de Guarini en vers françois, Paris, T. Quinet, 1964-66. 51 Voir D. Mercier, La problématique de l’équivalence des langues aux XVII e et XVIII e siècles, in La traduction en France au XVII e siècle, cit., p. 63-81. 52 D. Bouhours, Les entretiens d’Eugène et d’Ariste, cit., p. 44-45. 53 Ibid., p. 45. Giovanni Dotoli 300 fleuries et si brillantes, sont comme ces visages fardez qui ont beaucoup d’éclat, et qui n’ont rien de naturel“ 54 . Selon Bouhours, la défaite de l’italien et le triomphe de la langue française ne pouvaient s’accomplir que “sous le règne du plus grand monarque de la terre” 55 , Louis XIV. C’est que “la langue Françoise est peutestre la seule, qui suive exactement l’ordre naturel, et qui exprime les pensées en la maniere qu’elles naissent dans l’esprit” 56 . Mais l’italien aura contribué énormément à ce processus, à côté du grec et du latin. Les traducteurs de l’italien en français, tous, ceux des oeuvres littéraires aussi bien que ceux des oeuvres paralittéraires, savent qu’ils participent de la construction d’un modèle de langue, d’un idéal et d’une nouvelle littérature. La traduction se révèle “un vecteur essentiel des savoirs et des formes” 57 . Désormais la déclaration de la supériorité de l’italien appartient à l’histoire d’autrefois. On ne dira plus que 58 : S’il est aujourd’huy en propos de discourir de la guerre, des factions, d’une cavallerie, d’une infanterie, d’une escuyerie, des armes, voire de l’amour, et généralement de toutes choses graves et ordinaires, les plus beaux traicts des plus disertes langues qui se veulent faire ouïr, sont en pluspart espuiséz dans les propres facultéz de l’Italie. Au maximum, le traducteur ajoutera une “Table des mots difficiles” et une grammaire de la langue italienne, ainsi que le fait le Sieur Des Roziers, le traducteur de la Stratonica de Luca Assarino et de la Cleopatra de Giovanni Battista Manzini, en 1651, sous le titre très beau, Le rozier de la langue italienne . Ainsi la forêt du XVII e siècle s’enrichit-elle de chemins et de clairières. Le risque d’affirmations générales sans preuves s’éloigne. La construction d’une synthèse critique avance petit à petit. La pluralité du XVII e siècle se fait jour. “Le poids des habitudes s’efface” 60 . En particulier, des perspectives nouvelles s’ouvrent sur l’italianisme, les rapports entre la langue italienne et la langue française, la vision européenne de la culture, l’histoire de la traduction et son rôle dans la constitution de l’idéal classique. Pour l’italianisme au XVII e siècle en France se présentent des pistes insoupçonnées. La perspective d’ensemble nous dit que l’italianisme va bien au-delà de la Renaissance, et qu’il traverse le XVII e siècle français en 54 Ibid., p. 34. 55 Ibid., p. 74. 56 Ibid., p. 38. 57 E. Bury, Postafce à R. Zuber, Les „belles infidèles“ […], cit., p. 504. 58 E. Du Tronchet, Lettres missives et familières, Paris, N. Du Chemin, 1569, préface. 59 Voir A. M. Scaiola, Bibliografia [des traductions des romans italiens du XVII e siècle en français ], in Il romanzo barocco tra Italia e Francia (studi, saggi, bibliografie, rassegne), a cura di M. Colesanti, Roma, Bulzoni, 1980, p. 37-40. 60 J. Balsamo, La rencontre des muses […], cit., p. 10. Les traductions de l’italien en français au XVII e siècle 301 rompant le schéma classique traditionnel. Elle nous conduit donc au-delà du machiavélisme, du marinisme et de toute tendance mystique. Nous comprenons qu’il faut rompre les clichés traditionnels, pour retrouver l’osmose réelle entre l’Italie et la France. L’histoire de la pensée, de la science et de la littérature prend un autre chemin. Le bouleversement des visions négatives sur l’Italie révèle toute la richesse d’un dialogue qui reste un modèle pour l’Europe. La révision des schémas critiques s’impose. La connaissance des rapports italo-français se précise. Certains impératifs tombent. Mais il faut retourner à la poussière des archives, relire les correspondances et les manuscrits oubliés. Tâche difficile, mais fascinante. Les muses italiennes et les françaises se rencontrent encore une fois. L’italianisme ne peut plus être une solution commode pour condamner tout élément “négatif” du XVII e siècle. Il ne faut plus confondre le modèle et le mythe italiens 61 , mais il faut toujours se rendre compte que nous sommes en face d’une situation riche et complexe, qui touche tous les domaines de la société. Plus que parler de dernière étape de l’italianisme à tel ou tel moment, il faut considérer préalablement ses changements au cours du siècle. Selon les époques, il touche tous les éléments de la société française. En ce qui concerne les rapports entre les deux langues, l’italien et le français, la recherche est encore bien loin de la vérité. Les spécialistes ont repéré que “sur un corpus de 1330 italianismes, quelque 220 […] sont pourvus de datation remontant au XVII e siècle”, selon Mariagrazia Margarito 62 . Je crois qu’une recherche approfondie, grâce aussi aux traductions que nous venons de cataloguer, nous conduirait bien au-delà de ces chiffres, par exemple dans le domaine des beaux-arts. Le Dictionnaire des lettres françaises. XVII e siècle écrit que “le vocabulaire français, surtout pendant la première moitié du XVII e siècle, s’est enrichi de quelques centaines de mots importés d’Italie” 63 . Il a tout à fait raison. Je suis conscient des difficultés d’une recherche de ce type, mais l’informatique nous aidera à ne plus procéder au hasard, sur l’axe d’une osmose évidente entre les deux lexiques. Et il reste à vérifier si, pendant la seconde partie du siècle, il y aurait eu un déclin de la langue italienne au profit de la langue française. Par exemple, le Théâtre Italien de Gherardi prouve le contraire. Bien sûr, il ne faut pas se limiter à la recherche dans les corpus linguistiques du XVII e siècle. Les dictionnaires de Furetière, de Richelet et de l’Académie française ne suffisent pas. Mais, malgré tout effort, nous ne récupérerons que quelques bribes de l’italien vers 61 J. Balsamo, La „virtuosité inutile“ ou les origines d’un malentendu [… ], cit., p. 315-16. 62 M. Margarito, Italianismes de la langue française au XVII e siècle, in Il Seicento francese oggi. Situazione e prospettive della ricerca, atti del convegno iunternazionale di Monopoli, 27-29 mai 1993, a cura di G. Dotoli, Bari - Paris, Adriatica - Nizet, 1994, p. 139. Voir l’Annexe, p. 152-55. 63 Dictionnaire des lettres françaises, sous la dir. du cardinal Grente, Le XVII e siècle, par A. Pamphilet, L. Richard et R. Barroux, éd. revis. […] sous la dir. de P. Dandrey […], Paris, Fayard - Libr. Génér. d’Edition, 1996, p. 611. Giovanni Dotoli 302 le français: la parole orale nous échappera presque totalement, même si les manuscrits et les textes imprimés de la Commedia dell’Arte pourront nous ouvrir des perspectives nouvelles. Le troisième élément que je voudrais souligner est l’ouverture européenne. Il me semble que Cecilia Rizza pose la question de façon exemplaire 64 : Le problème de l’influence italienne en France au XVII e siècle a commencé à trouver sa plus correcte interprétation du moment où on l’a inséré dans le tableau plus vaste de l’histoire de la culture et de la civilisation, selon une perspective qui n’intéresse pas seulement nos deux pays, mais l’Europe tout entière. Stoïcisme et humanisme dévot, érudition et science, préciosité et marinisme, libertinage et baroque, ce sont des définitions qu’on aurait tort d’enfermer dans les limites étroites d’une expérience nationale […]. Une fois retrouvée cette perspective, que je crois la seule valable et fructueuse, le rapport entre la France et l’Italie non seulement acquiert toute sa signification culturelle, mais devient un des axes sur lesquels s’oriente la vie intellectuelle de l’Europe. Ainsi les contradictions se clarifient-elles et l’axe de l’italianisme en France et en Europe trouve de nouvelles dimensions. Les traductions confirment ce qui revient des voyages vers l’Italie, de la circulation du livre de l’Italie vers la France, des mentalités européennes qui portent la marque de la civilisation italienne. Il est temps d’écrire une histoire culturelle de l’Europe en partant de l'Italie. Dominique Fernandez ne le fait-il pas merveilleusement pour l’art baroque, en commençant par Lecce, pour arriver à Saint-Pétersbourg, dans son ouvrage La perle et le croissant. L’Europe baroque de Naples à Saint-Pétersbourg 65 ? Cecilia Rizza nous invite à “fouiller les archives et les bibliothèques de France et d’Italie”, à “enrichir nos dossiers du plus grand nombre possible de documents concernant les rapports entre les cultures de ces deux pays, sans jamais oublier, cependant, qu’ils ne représentent qu’un aspect de ce vaste mouvement d’idées et d’hommes qui parcourt l’Europe en ce siècle”, à regarder de plus près l’italianisme de La Fontaine et de Molière, à voir ce que représente l’Italie pour le classicisme, enfin à analyser la place de la France en Italie au XVII e siècle, en nous invitant à la plus grande “prudence” 66 . L’Europe du XVI e et du XVII e siècle est un continent de traductions. Sans les traductions de l’italien en français, il n’y aurait pas de classicisme, au moins tel que que nous le connaissons. Ainsi la France ouvre-t-elle la littérature au grand public aussi. La transplantation italienne s’enracine à tel point que souvent on ne reconnaît plus la source d’origine. Un mythe se défait: au XVII e siècle la France est ouverte aux littératures nationales des autres pays, d’Italie, d’Espagne et d’Angleterre (le rôle réel de Shakespeare reste encore à étudier! ). Et si on ne traduit pas tel ouvrage important de l’italien, c’est qu’il appartient au cercle restreint des intellectuels, qui connaissent tous la langue de la Péninsule. A 64 C. Rizza, Etat présent des études sur les rapports franco-italiens au XVII e siècle, cit., p. 18. 65 Paris, Plon, 1995, photographies de Ferrante Ferranti. 66 C. Rizza, Etat présent des études sur les rapports franco-italiens au XVII e siècle, cit., p. 19. Les traductions de l’italien en français au XVII e siècle 303 travers les textes italiens, la France s’ouvre à un public plus large. C’est en ce sens que le témoignage de Georges de Scudéry, traducteur de Giovanni Battista Manzini, est important 67 : Et si tous les François entendoient l’Italien, mon labeur seroit inutile. Mais comme ceux qui ne peuvent avoir les Originaux du Raphaël, et du Titan, sont bien aises d’en avoir au moins des copies, j’ay pensé que ceux qui n’ont point d’intelligence de cette langue estrangere ne seroient pas si faschez de voir en la leur, les premieres productions de cet excellent esprit. L’opération traduisante de l’italien en français au XVII e siècle acquiert toute son importance. La typologie des rapports se précise. Notre point de vue rétrospectif nous aide à fixer la place de l’Italie sur le plan de l’enseignement, de l’Eglise, de la politique, de la littérature et de la science. Michel Ballard et Lieven d’Hulst se demandent, à propos de l’insistance sur les “belles infidèles” 68 : Une telle représentation relève en réalité d’une rhétorique complaisante qui privilégie l’expression dominante transmise de génération en génération jusqu’à nos jours au détriment des complexes réalités de l’histoire. Celles-ci méritent désormais un examen systématique, qui s’ouvre à des savoirs théoriques et à des pratiques encore inexplorées, de même qu’à des thèmes plus “classiques“ mais reconsidérés à la lumière d’une interrogation de type interdisciplinaire. Le répertoire des traductions de l’italien en français de 1600 à 1700 nous aide à relancer la recherche historique sur la traduction au XVII e siècle. Les intuitions de Franco Simone, Enea Balmas, Cecilia Rizza, Daniella Dalla Valle, René Bray, Jacques Scherer, Marc Fumaroli, Arnaldo Pizzorusso, Jean Balsamo, trouvent des confirmations essentielles. Il ne nous reste qu’à travailler, sur les traces de la leçon de ces maîtres, à la recherche “des documents et des pièces d’appui” 69 . Une évidence est certaine: au XVII e siècle la France se révèle le pays de la médiation entre les langues et les cultures de l’Europe, contre toute hypothèse d’une culture fermée. L’expression “passer les monts” est toujours valable, “car aujourd’hui encore, les monts subsistent…” 70 , malgré internet. Pour nous connaître mieux, nous, les Italiens et les Français, il faut que nous passions les monts, les uns et les autres. 67 G. de Scudéry, Au lecteur précédant G. B. Manzini, Les harangues, Paris, A. Courbé, 1640. 68 M. Ballard - L. d’Hulst, Présentation de La traduction en France à l’âge classique, cit., p. 10. 69 L. Sozzi, L’italianisme au XVII e siècle, cit., p. 665. 70 M. Venard, Conclusion, in Passer les monts. Français en Italie. L’Italie en France (1494-1525), X e colloque de la Soc. franç. d’étude du Seizième siècle, textes, ét. rev. et publ. par J. Balsamo, Paris - Fiesole, Champion - Ed. Cadmo, 1998, p. 420. Carmen Rivero Iglesias Filología y Traducción en la España y Alemania del siglo XVIII Pretenden analizarse, en el estudio que sigue, las relaciones entre Filología y Traducción en el XVIII hispanogermano para mostrar el contraste existente entre una Alemania en la que ambas disciplinas se fusionan y una España en la que aparecen enfrentadas. Para ambas naciones es la traducción, en esta centuria, fundamental. Por un lado, Alemania se encuentra en un contexto de búsqueda de una literatura nacional, para cuyo definitivo establecimiento se apoya en la traducción de obras clásicas y modernas, fundamentalmente, inglesas y francesas. España, por su parte, trata de despertarse del letargo cultural del Barroco tardío y modernizarse hasta llegar a un nivel acorde al desarrollado por las ciencias europeas. Para ello se defiende la enseñanza de idiomas extranjeros y la traducción al castellano de las obras fundamentales. Sin embargo, pronto surgirán en España reacciones contrarias a una excesiva apertura del país a aquella Europa dieciochesca en plena ebullición cultural. Sobre todo a partir de la Revolución Francesa y de la ocupación del trono de José Bonaparte se recrudece el rechazo a lo francés en favor de lo nacional. El modelo cultural del que España había bebido había llevado, según los ilustrados españoles, a una deformación de la tradición, responsable, en último término, de la decadencia española, con lo que era necesario reorientar el rumbo de la nación a través de la vuelta a los clásicos grecolatinos y al antiguo esplendor del Siglo de Oro. Esas relaciones con Europa, de carácter reaccionario en España, integrador en Alemania, determinarán, entre otros factores y como se verá a continuación, una relación entre Filología y Traducción de carácter antagónico en ambos países. Nos ocuparemos, en primer lugar, de la traducción en España cuya consideración, en consonancia con un contexto histórico y cultural que rechaza lo extranjero, es eminentemente negativa. Ya el Padre Isla hablaba de los traductores de libros franceses como “la mayor peste que ha infeccionado nuestro siglo” 1 . Para el jesuita, los traductores, salvo raras excepciones, no hacen otra cosa que corromper la lengua española. La labor del traductor sería, según el autor del Fray Gerundio, la de descubrir los tesoros culturales de la cultura antigua siguiendo el modelo de “los hombres de mayor estatura en la república de las letras”: Cicerón, Quintiliano o Julio César, que enriquecieron la lengua latina con las traducciones de obras griegas; San 1 Isla [1960: 159] Carmen Rivero Iglesias 306 Jerónimo y la Vulgata; Santo Tomás, cuyas traducciones de Aristóteles se encuentran al mismo nivel, para Isla, que su Summa Theologica 2 . Sin embargo, este tipo de traducción positiva o enriquecedora prácticamente no existe, para el religioso, en el XVIII español: Así, pues, soy de dictamen que un buen traductor es acreedor a los mayores aplausos, a los mayores premios y a las mayores estimaciones. Pero, ¡qué pocos hay en este siglo que sean acreedores a ellas! Nada convence tanto la suma dificultad que hay en traducir bien como la multitud de traducciones que nos sofocan. Y, ¡cuán raras son, no digo ya las que merezcan llamarse buenas, pero ni aun tolerables! En los tiempos que corren es desdichada la madre que no tiene un hijo traductor. Hay peste de traductores, porque casi todas las traducciones son una peste. 3 Las traducciones son, textualmente, una “peste” porque, si no son la causa última de la decadencia de la lengua española, sí contribuyen de forma definitiva a la difusión del proceso de deterioro, concluye Isla 4 . Incluso Fernández de Moratín, perseguido por afrancesado, critica duramente las traducciones de esa multitud de pedantones, copleros ridículos, literatos presumidos, críticos ignorantes, autores de tanta traducción galicada, tanto compendio superficial, tantos versecillos infelices que ni hemos inspirado ni hemos visto. 5 Para los ilustrados españoles es fundamental conservar la primitiva pureza del idioma. En el Eusebio de Montengón, se alaba Toledo por la “pureza del lenguaje de los nacionales” en contraste con otros territorios donde priman las mezcolanzas con las lenguas inglesa y francesa 6 . El padre Isla describe, asimismo, de forma satírica al personaje de don Carlos que “hacía la cortesía a la francesa, hablaba el español del mismo modo afectando los rodeos, los francesismos y hasta el mismo tono, dialecto o retintín con que le hablan los de aquella nación” 7 . Su presentación ante el magistral es caricaturesca: Yo soy furiosamente francés, aunque nacido en el seno del reino de León. Yo tengo el honor de venir a presentar a usted mis respetos y mis agradecimientos. Yo soy don Carlos Osorio, a quien usted tuvo la bondad de favorecer tanto con sus cartas de recomendación que sería yo el más ingrato de todos los hombres, si no publicara altamente que a ellas es a quien debo la dicha de haber tenido la felicidad de haber ganado mi proceso. Yo, monsieur... 8 El grado de ridiculez de la figura de don Carlos aumenta sus proporciones puesta en contraste con la del magistral quien, 2 Isla [1960: 159] 3 Ibid. 4 Isla [1960: 159-160] 5 Moratín [1973: 53]. 6 Montengón [1984: 788] 7 Isla [1960: 148] 8 Isla [1960: 151]. Filología y Traducción en la España y Alemania del siglo XVIII 307 aunque estaba más que medianamente versado en la lengua francesa, haciéndola toda la justicia que se merece, era muy amante de la suya propia, bien persuadido a que para maldita cosa necesita las ajenas, teniendo dentro de sí cuanto ha menester para la copia, para la propiedad, para la hermosura y para la elegancia (…) 9 Cadalso se plantea en la número XLIX de sus Cartas marruecas cuál puede ser la causa de esta actitud de abandono frente a la lengua propia, se cuestiona, en definitiva, la razón por la que la lengua compañera del imperio, antaño tan valorada, se ha convertido, en el presente del siglo XVIII en una de las menos apreciadas. La causa reside, para el ilustrado, en la pérdida de sus antiguas características de “laconismo, abundancia y energía”. Mientras que los franceses han hermoseado su idioma los españoles lo han desfigurado. (…) Los traductores e imitadores de los extranjeros son los que más se han lucido en esta empresa. Como no saben su propia lengua, porque no se sirven tomar el trabajo de estudiarla, cuando se hallan con alguna hermosura en algún original francés, italiano o inglés, amontonan galicismos, italianismos y anglicismos con lo que consiguen lo siguiente: defraudan el original (…), añaden al castellano mil frases impertinentes, lisonjean al extranjero, haciéndole creer que la lengua española es subalterna a otras, alucinan a muchos jóvenes españoles, disuadiéndoles del indispensable estudio de su lengua natal 10 . Pero no sólo se le atribuye a la traducción la responsabilidad máxima en el proceso de deterioro de la lengua española sino, más aún, en el de decadencia de su tradición. El padre Isla es de la opinión de que la perversión del ejercicio de la traducción tiene su origen en las costumbres. Establece, a este respecto, una analogía entre las mujeres latinas, que toman como modelo la cultura griega, y las mujeres españolas, que se orientan según el modelo francés, afectando el aire extranjero en todas sus acciones y movimientos: en el hablar, en el vestir, en el cantar, en el reír, etc. para evitar aparentar ser vulgares. Los causantes de la difusión de estas perjudiciales modas reside, según el ilustrado, en los traductores, tanto entonces como en su siglo XVIII 11 . La deformación de las costumbres y un público lector que no sabe discernir lo bueno de lo malo hallan, entonces, perfecta correspondencia con la extensión de traducciones llenas de desaciertos y francesismos. Si las traducciones sólo contribuyen al fomento de las malas costumbres, lo más adecuado sería eliminarlas, pues el acervo cultural español supliría con creces esta carencia. Esta es la propuesta que Cadalso pone en sus Cartas marruecas en boca no sólo de Gazel sino también de Nuño: Y en fin, concluyo que, bien entendido y practicado nuestro idioma, según lo han manejado los maestros arriba citados, no necesita más echarlo a perder en la 9 Ibid. 10 Cadalso [2000: 125] 11 Isla [1960: 164] Carmen Rivero Iglesias 308 traducción lo que se escribe, bueno o malo, en lo restante de Europa; y a la verdad, prescindiendo de lo que han adelantado en física y matemática, por lo demás no hacen absoluta falta las traducciones. 12 Por lo demás, lo más que llegaría a conseguir el traductor con su labor, según el ilustrado español, sería “una siniestra idea del autor extranjero” 13 . Para traducir correctamente se postula como absolutamente necesario el conocimiento de la lengua propia, de la extranjera, de la materia sobre la que versa la obra traducida y de las costumbres de ambas naciones. De aquí surge, según Cadalso 14 , y de nuevo adoptando la voz crítica de Gazel, la imposibilidad de la traducción; las comedias de Moliére, ejemplifica, no podrán gustar sino en Francia y las letrillas satíricas de Góngora no lo harán sino en España, por muy perfectas que sean sus composiciones. Cadalso se muestra tajante al respecto y cree, en definitiva, que “ninguna traducción es capaz de dar verdaderas ideas de la excelencia de un original, y ni aun siquiera de las medianas hermosuras” 15 . La traducción deteriora el idioma, corrompe las costumbres y no puede igualar al original; esta es la perspectiva desde la que los ilustrados se acercan a esta disciplina en la España del siglo XVIII. En la misma línea que Cadalso, Feijoo 16 añade una nueva dificultad más a la labor traductológica con el distanciamiento temporal entre original y traducción, lo que provoca que la carga semántica de algunos vocablos varíe, dando lugar, en este sentido, a traducciones erróneas. Según el autor del Teatro Crítico, la traducción desfigura siempre en algo el original, sobre todo, cuando los rasgos de la lengua origen y la lengua meta son llamativamente distintos o la materia tratada encuentre poca o ninguna proyección en la lengua a la que se pretende traducir 17 . Mayans 18 , por su parte, se remite a Juan de Valdés “que propone varias excelentes reglas y selectos ejemplos para la traducción”, así como a Cervantes, para quien la traducción, exceptuando la de las lenguas clásicas, no era otra cosa que un tapiz flamenco del revés donde las figuras no se ven con la misma nitidez que en el haz 19 . La verdad de esta visión de la traducción se confirma ya, para Mayans 20 , en las mismas traducciones del Quijote, pues, según el erudito, no se da ninguna que iguale al original. Mayans, como también el padre Isla, comparte con Cervantes la idea de que la traducción horizontal no exige tanto ingenio como la de una lengua clásica, apareciendo, así, desde esta perspectiva, la traducción vertical como 12 Cadalso [2000: 127] 13 Cadalso [2000: 128] 14 Cadalso [2000: 128]. 15 Cadalso [1999: 8] 16 Feijoo [1773: 166-167] 17 Feijoo [1928: 31-44]. 18 Mayans [1984: 322]. 19 Don Quijote, II, 62, p. 1144. 20 Mayans [1984: 287-288]. Filología y Traducción en la España y Alemania del siglo XVIII 309 mucho más meritoria. El XVIII español está tan concentrado en conservar lo nacional y librarse de las perjudiciales influencias extranjeras que no parece extraño que la traducción horizontal sea vista con recelo ni que las reflexiones teóricas acerca de la traducción no sean más que de carácter descriptivo. El fin de la traducción se ve orientado, en este sentido, a servir a la Filología en el enriquecimiento de la lengua y en el establecimiento de un canon que permita evolucionar una tradición presente, desvelando sus orígenes y su corrupción, para hacerla cambiar. La valoración de la traducción es plenamente ilustrada y de carácter crítico debiendo ser aplicada sólo a aquellos textos que contienen lo decisivo. La labor del traductor exigiría, por tanto, una labor previa de selección de los textos esenciales, es decir, aquellos que han de recuperarse para hacer volver una tradición deformada como la española, a su pureza originaria, aquellos a los que, aplicando la razón, nos permitan conocer lo universal a través de lo particular. Por este motivo buscan los ilustrados españoles la vuelta a los clásicos grecolatinos, a las fuentes originales de la civilización porque, por el camino, la tradición española se ha dejado corromper, se ha distorsionado, se ha extranjerizado, se ha afrancesado. Los ilustrados proponen nuevos modelos, nuevos empeños, nuevos afanes para que la nación española recupere el esplendor de antaño. Es evidente que si la traducción se orienta al establecimiento de los textos fundamentales, surgirán automáticamente dos tipos de traducción, la positiva y la negativa, siendo negativas, en el contexto español, las malas traducciones francesas, responsables de la corrupción de las costumbres, y positivas, las orientadas a la recuperación de los clásicos antiguos. Con la misma intención se favorecen las reediciones de los clásicos del Siglo de Oro pues remiten a una España cuya tradición se mantiene castiza pues aún no ha sido deformada por las influencias exteriores y, sobre todo, por el lastre del modelo francés. Mientras la estrategia española vuelve los ojos al pasado, la germana se asienta con fuerza en el presente; escoge lo esencial del modelo ofrecido por las dos potencias culturales de la Europa del momento, Francia e Inglaterra, y reconcilia los opuestos creando un modelo propio. La traducción horizontal es considerada, en este contexto, un mecanismo de avance mientras que en España lo es de retroceso. Alemania mira a Europa mientras España se recluye en sí misma y mira hacia dentro. Esta actitud de apertura al exterior característica del XVIII alemán favorece el proceso de avance de la cultura y confiere al siglo una complejidad y riqueza inexistente en una España que ve su futuro en el retorno al pasado. Cuatro movimientos recorren esta centuria en territorio germano: Ilustración, Sturm und Drang, Clasicismo y Romanticismo. Si la traducción hace posible la llegada de las nuevas ideas que, a su vez, son sometidas a reflexión para dar lugar a otras nuevas; si la traducción, en otras palabras, ayuda a asentar los cimientos de la evolución de la cultura nacional, se exige una metodología precisa y concreta que guíe tan útil disciplina. Carmen Rivero Iglesias 310 Gottsched compara la labor del traductor con la del pintor que copia un original y, a medida que lo hace, descubre las grandezas del mismo. Sería, así, el traductor, una especie de Pierre Menard borgiano, un aguzado lector que descubriría lo que cualquier otro pasaría por alto. De esta manera, el traductor, señala el teórico alemán, “roba a su original el arte de hablar así y sin darse cuenta se posesiona de la capacidad y destreza de pensar de idéntico modo y de dar a su pensamiento la misma expresión que su predecesor” 21 . Gottsched introduce, con ello, la exigencia de una identificación entre autor y traductor pero, a pesar del tinte romántico que podría sugerir esta distinción, el preceptista alemán se mantiene puramente ilustrado. La utilidad de esa adquisición del pensamiento del autor es la de aprender una serie de reglas que el traductor nunca habría aprendido de forma autodidacta. La traducción es un instrumento para el aprendizaje a través de la imitación de las obras maestras, de las obras esenciales y supone, desde esta perspectiva, un instrumento esencial de avance intelectual. Contribuye, además, al enriquecimiento de la lengua, constituyendo, en consecuencia, un útil ejercicio en la formación del individuo. Así lo señala Breitinger en 1740: Muchos otros, antes que yo, han considerado la traducción ejercicio extremadamente útil a través del que se puede adquirir, sin ser consciente de ello, la capacidad de pensar con exactitud y de explicar los propios pensamientos con vigor y conveniencia. Plinio el Joven elogió esto de la referida labor en la carta novena del libro séptimo (...) Por eso, este ejercicio se ha considerado, en todas las épocas, un instrumento agradable a través del que se puede fomentar la riqueza de una lengua y difundir, de la forma más segura, el buen gusto en la elocuencia. 22 La tarea del traductor no es, en absoluto, sencilla, pues este debe enfrentarse a tres dificultades fundamentales: en primer lugar, debe tener el buen gusto necesario para escoger una obra esencial y comprenderla en su globalidad 23 . Además, debe tener la capacidad de expresar forma y contenido exactamente del mismo modo que en el original; el traductor debe tomar en consideración cada palabra y no dejar ningún contenido que vaya asociado a 21 Gottsched [1745: 751]: Er stiehlt, so zu reden, seinem Originale die Kunst ab, und erwirbt sich unvermerckt eine Fähigkeit und Geschicklichkeit, eben so zu dencken, und seine Gedancken eben so auszudrücken, als sein Vorgänger gethan hat. 22 Breitinger [1740: 137-138]: Viele andere haben vor mir das Übersetzen für eine hochnützliche Übung angesehen, dadurch man sich unvermerkt eine Richtigkeit fertig zu denken, und seine Gedanken mit guten Vorteil und Nachdruck zu erklären, erwerben kann. Der jüngere Plinius hat dieses von besagter Arbeit in dem neunten Briefe des siebenden B. Mit folgenden Worten gerühmt (…) Man hat deswegen diese Übung zu allen Zeiten für ein becquemes Mittel gehalten, wodurch der gute Geschmack in der Beredsamkeit am sichersten fortgepflanzt, und der Reichtum einer Sprache befördert werden kann. 23 Breitinger [1740: 142] Filología y Traducción en la España y Alemania del siglo XVIII 311 ellas y ha de hacerlo, además, con el mismo estilo y grado de claridad 24 . El arte de traducir no puede ser, según Breitinger, una traslación de signos pues cada lengua tiene un carácter que la singulariza con respecto a las demás 25 . Por ello, en ocasiones, al traductor le resulta difícil expresar los contenidos en la lengua meta como en el original, lo que dignifica aún más la tarea del traductor. Hasta tal punto llega esta dignificación que el siglo XVIII alemán se revela especialmente fecundo en la traducción tanto a nivel teórico como práctico, en primer lugar, porque los intelectuales más destacados ensayan la traducción de obras tanto clásicas como modernas y, en segundo, porque contribuyen a su impulso y desarrollo con significativas aportaciones traductológicas 26 . La traducción goza, pues, de la consideración de sano, loable y útil ejercicio intelectual. Por ello Breitinger le dedica un apartado extenso en su obra teórica fundamental, Critische Dichtkunst, obra en la que, grosso modo, rechaza la imitatio a favor de la inventio abogando por la fantasía creativa en detrimento de la imitación fiel de la naturaleza propugnada por Gottsched. Y si el valor de la obra no está en la imitación de la naturaleza sino en el genio poético de su autor, es lógico que el valor de la traducción tampoco lo esté en la mera imitación sino en la captación de esa originalidad del autor concentrada en su genio. Por ello se exige del traductor la inmersión dentro esa fantasía creativa, sólo accesible mediante la congenialidad con el autor. Para Gottsched esa capacidad de pensar como el autor era más bien equivalente a sujetarse al mismo sistema de reglas que el autor en su composición. Breitinger margina las rigurosas reglas del preceptista alemán en favor de la fantasía y señala como labor primordial del traductor, tras la cuidadosa elección del texto, el “encontrarse en el mismo estado en el que se encontraba el autor original” y “mediante la expresión adecuada, hacer que la fantasía de los lectores participe de la del autor” 27 . También para Gerstenberg, y como expone en sus Briefe über Merkwürdigkeiten der Literatur escritas entre 1766 y 1770, debe el traductor trasladarse por completo a la situación del escritor y llevar de la mano al lector traduciendo de forma literal el espíritu y el pensamiento del escritor, de su pueblo y de su tiempo, además de la lengua, el estilo, y el genio propio del autor 28 . 24 Breitinger [1740: 139] 25 Breitinger [1740: 143] 26 Vega [2004: 46] 27 Breitinger [1740: 142]. 28 Gerstenberg [1890: 305-306]: Alle Ausdrücke des Originals, welche den Geist und die Denkungsart des biblischen Verfassers, oder seines Volks, oder seines Zeitalters characterisiren, mu der Überse er buchstäblich übertragen, wenn er treu seyn, und mich völlig in der Lage des Schrifstellers verse en will. Carmen Rivero Iglesias 312 De igual modo insistirá Herder en sus Fragmentos en 1767 en que el traductor debe trasladarse a las circunstancias del autor aunque esto no baste por sí solo: ¡Ojalá hubiera traductores que no se limitaran tan solo a estudiar al autor para trasladar el sentido del texto original a nuestra lengua, sino que además encontraran su voz característica y se trasladaran al carácter de su estilo; que expresaran con corrección los rasgos auténticamente distintivos, la expresión y el colorido del original, su carácter preponderante, su genio y la naturaleza de su composición! 29 El traductor, según Herder, debe acercarse al autor y mostrárnoslo tal como es 30 . Esta forma de enfocar la traducción chocaba diametralmente con el gusto francés que depositaba el mérito de la traducción en la adaptación de las obras originales al contexto cultural del lector. Señala el filósofo alemán a propósito de la traducción de Homero que Los franceses, demasiado orgullosos de su gusto nacional, lo aproximan todo a este, en lugar de acomodarse al gusto de otra época. Homero debe acudir como un vencido a Francia y vestirse según su moda para no ofenderles a la vista; debe dejarse quitar su venerable barba y su sencilla indumentaria; se ve obligado a adoptar costumbres francesas y allí donde asoma su grandeza rústica, se burlan de él como si fuera un bárbaro. Por el contrario, nosotros, pobres alemanes, casi sin público y sin patria, todavía sin tiranos de un gusto nacional, queremos verle tal como es. 31 Bürger señala en 1789 que lo ideal en la traducción de un clásico es que la misma traducción sea capaz de trasladar al lector al tiempo en el que escribe el autor, haciéndole olvidar, incluso, que lo que tiene delante es una traducción y creando la ilusión de que “en la dulce locura por un tiempo pasado, se ha conjurado el que Homero, el viejo Homero, haya escrito su original en la misma lengua en la que se redacta la traducción (…)” 32 . Muy 29 Herder [1827: 55] Wenn sich Übersetzer fänden, die nicht blo ihren Autor studierten, um den Sinn der Urschrift in unsere Sprache zu übertragen, sondern auch seinen unterscheidenden Ton fänden, und die sich in den Charakter seiner Schreibart se ten, uns die wahren unterscheidenden Züge, den Ausdruck und den Farbenton des fremden Originals, seinen herrschenden Charakter, sein Genie und die Natur seiner Dichtungsart richtig ausdrückten 30 Herder [1827: 56] 31 Herder [1827: 57]: Die Franzosen, zu stolz auf ihren Nationalgeschmack, nähern demselben alles, statt sich dem Geschmack einer anderen Zeit zu becquemen. Homer muss als Besiegter nach Frankreich kommen, sich nach ihrer Mode kleiden, um ihr Auge nicht zu ärgern; sich seinen ehrwürdigen Bart, und alte einfältige Tracht abnehmen lassen; Französische Sitten soll er an sich nehmen, und wo seine bäurische Hoheit noch hervorblickt, da verlacht man ihn, als einen Barbaren. - Wir armen Deutschen hingegen, noch ohne Publikum beinahe, und ohne Vaterland, noch ohne Tyrannen eines Nationalgeschmacks, wollen ihn sehen, wie er ist. 32 Citado y traducido por Vega [2004: 229] Filología y Traducción en la España y Alemania del siglo XVIII 313 parecido es el juicio de Wieland en cuanto a la traducción de los clásicos latinos. La clave está en entender perfectamente al autor “de tal manera que el lector alemán tenga que pensar lo mismo que los romanos han hecho ante las palabras del original” es lo que define, según el ilustrado alemán, una traducción meritoria 33 . Para la traducción, entonces, es necesaria la elección de los textos fundamentales y la fidelidad al original que sólo se consigue en plenitud mediante la empatía o congenialidad entre autor y traductor al que debe recrear en sus facetas individual y social. La traducción ideal, desde este punto de vista, postularía una fusión perfecta entre autor y traductor produciéndose, de este modo, una ilusión óptica en el lector que ya no conseguiría distinguir entre original y traducción. La traducción se valorará, siguiendo este criterio, conforme a su parecido con la muestra y la traducción perfecta no será sino una reproducción del original que no puede darse sin que el traductor se introduzca en la fantasía del autor. La congenialidad entre autor y traductor aparece como garante de la posibilidad de la traducción, pues, siempre que se dé una fusión entre ambos, podrá alcanzar esta la perfección del original. El llegar al autor y hacer posible su acceso al lector requeriría, según Herder, abundantes anotaciones y comentarios del traductor que se ha trasladado a un pasado que quiere reconducir al presente. El lector, señala Herder, está dispuesto “a hacer ese viaje con el traductor si este quiere llevarnos a Grecia y mostrarnos los tesoros que él mismo ha encontrado” 34 . Otro argumento que asegura la posibilidad de la traducción lo aporta Breitinger apoyándose en la plena confianza en la razón. Esta orienta al traductor para encontrar la expresión adecuada en la lengua meta y dado que, según el pensador, existe una correspondencia unívoca entre la lengua origen y la meta, la razón del traductor ideal siempre encuentra la expresión correspondiente en la lengua a la que traduce. Las lenguas consisten, para Breitinger, en medios de comunicación de pensamientos y si los objetos que se someten al pensamiento son iguales para toda la humanidad, que la verdad tiene un carácter único y que las facultades intelectuales humanas están sujetas a parámetros más o menos parecidos, cabe deducir que la Humanidad gozará de una relativa similitud de pensamiento. El pensamiento humano, por tanto, siempre será susceptible de ser traducido. En resumidas cuentas, y tras este proceso de acercamiento del autor al traductor, la traducción debe, según Breitinger, 33 Ibid, p. 237 34 Herder [1827: 57]: Und die beste übersetzung kann dies (…) nicht erreichen, wenn nicht Anmerkungen und Erläuterungen in hohem, kritischem Geiste dazu kommen. Wir wollten gern mit dem Übersetzer diese Reise tun, wenn er uns nach Griechenland mitnähme, und die Schätze zeigte, die er selbst gefunden. Carmen Rivero Iglesias 314 expresar los mismos conceptos y pensamientos, en exactamente el mismo orden, conexión y coherencia, que encuentra en la muestra delante de sí, con expresiones igual de consistentes aunque con signos equivalentes ya asimilados, cotidianos y conocidos para el pueblo de manera que la representación de los pensamientos mediante los dos sistemas de signos produzcan una misma impresión en el espíritu del lector. 35 Pero la traducción exige, según el teórico suizo, una labor previa por parte del traductor, que constituye los cimientos de su trabajo; la de elegir los textos fundamentales. La traducción es, pues, un ejercicio intelectual digno y útil, porque comporta riqueza para la lengua y porque establece un canon literario adecuado que conduce al avance y progreso culturales. Observamos, en conclusión, una valoración antagónica de la traducción en el XVIII alemán y español derivada, en primer lugar y como se señalaba en la introducción del presente trabajo, de contextos histórico culturales asimismo antagónicos. La traducción de lenguas modernas no podía considerarse, en una España que vuelve sus ojos al pasado, sino perjudicial para la Filología al haber instituido, por un lado, un canon literario erróneo responsable de la deformación de la cultura nacional y haber contaminado, asimismo, aquella lengua castellana, antaño compañera del Imperio, ahora en consonancia con una España definida por Cadalso 36 como el “esqueleto de un gigante”. Mientras España creía ver el progreso en la conservación de los valores tradicionales, Alemania, por el contrario, adopta en este siglo XVIII una postura dialéctica en lo que a la recepción de la cultura se refiere, obteniendo de dos modelos antagónicos la superación de ambos en la síntesis. En la filosofía, el racionalismo francés y el empirismo inglés son conciliados en el idealismo alemán. En cuanto a la literatura, el debate entre la validez del modelo inglés o el francés es sintetizado por Goethe y Schiller en el Clasicismo alemán. Alemania importa la cultura foránea para constituir la base de la propia y la traducción se revela en este aspecto fundamental. Las distintas circunstancias culturales que experimentan ambos países derivan en una relación de carácter opuesto entre Filología y Traducción. En España, por una parte, la Traducción no cumple en absoluto las funciones que le son encomendadas: establecer un canon literario adecuado y contribuir al desarrollo de la lengua. La Filología española, por su parte, tampoco aporta una metodología científica concreta y precisa a la que pueda sujetarse la Traducción sino que las referencias a ella son más bien de 35 Breitinger [1740: 139]: Von einem Übersetzer wird erfordert, dass er eben dieselben Begriffe und Gedanken, die er in einem trefflichen Muster vor sich findet, in eben solcher Ordnung, Verbindung, Zusammenhang, und mit gleich so starken Nachdruck, mit anderen gleichgültigen bei einem Volk angenommenen, gebräuchlichen, und bekannten Zeichen ausdrücke, so dass die Vorstellung der Bedanken unter beiderlei Zeichen einen gleichen Eindruck auf das Gemüt des Lesers mache. 36 Cadalso [1985: 55-56] Filología y Traducción en la España y Alemania del siglo XVIII 315 carácter descriptivo negativo y se heredan del Siglo de Oro. Los ilustrados españoles atribuyen a las traducciones la decadencia de la lengua y esta es, a su vez, la responsable del establecimiento de un canon literario erróneo, fiel reflejo de la perversión de las costumbres. Para volver a armonizar las relaciones entre Filología y Traducción los ilustrados españoles proponen orientar la traducción a los clásicos grecolatinos, lo que permitiría volver a unos orígenes desde los que es posible reconducir la cultura española que aún no ha sido contaminada. En un contexto en el que se intentan revalorizar a toda costa los valores nacionales, se observa una fuerte tendencia de asociación de la traducción horizontal al afrancesamiento y, con ello, a la decadencia española. Ha de volverse a los tiempos de esplendor, a los clásicos grecolatinos y a la magnificencia del Siglo de Oro. La cultura foránea se importa en Alemania, por el contrario, para constituir la base del desarrollo de la propia, con lo que es lógico que la traducción juegue un papel fundamental. Filología y Traducción se unen en perfecta simbiosis. La Traducción, en primer lugar, enriquece la lengua. No sólo se propone como ejercicio para mejorar la competencia lingüística sino que, en el contexto germano, la traducción es la mejor contribución a la lengua alemana. Buen ejemplo de ello había dado ya de ello la gran aportación de Lutero a la lengua alemana con su traducción de la Biblia en el siglo XVI. Por otra parte, los traductores alemanes establecen un canon literario adaptado a las inquietudes intelectuales del siglo con lo que lejos de deformarse la tradición, esta se enriquece, evoluciona y progresa. La labor del traductor es, en este sentido, de gran mérito pues, en primer lugar, sienta las bases de la cultura propia. Por otra parte, con la identificación entre autor y traductor, se equipara el mérito intelectual de la labor de ambos. De un lado, la Traducción aporta riqueza a la Filología y esta, a su vez, se nutre de ella. Una tarea filológica tan elevada como la traducción no puede dejar de ser sometida a reflexión científica, a estudios metodológicos que permitan codificar las reglas para una traducción lo más perfecta posible. Filología y Traducción se unen en la Alemania del siglo XVIII en una relación perfectamente armónica. El contexto cultural reaccionario con respecto al exterior en España, abierto a Europa en Alemania; el fracaso, en España o éxito, en Alemania, de las funciones de la Traducción, orientada, en último término, a la Filología, determinan, en definitiva, una valoración negativa de la traducción en España que sumirá al país en un largo letargo cultural y una valoración positiva en Alemania donde la disciplina contribuye al desarrollo de la Filología y de la cultura alemana que brillará en este siglo XVIII en todo su esplendor. Carmen Rivero Iglesias 316 Bibliografía Breitinger, J. J., Critische Dichtkunst, Stuttgart, Metzler, 1966 [1740]. Cadalso, J., Cartas Marruecas, Madrid, Castalia, 1985. Cadalso, J., Cartas marruecas, Barcelona, Crítica, 2000. Cadalso, J., Suplemento a Los eruditos a la violeta, Madrid, Alfar, 1999. Cervantes, M. de, Don Quijote de la Mancha, Barcelona, Crítica, 1998. Feijoo, B. J. 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A., Textos clásicos de teoría de la traducción, Madrid, Cátedra, 2004. Arno Gimber Die Übersetzung von Unamunos Werken als kulturelle Praxis im deutsch-spanischen Kulturaustausch Spätestens seit in den Geisteswissenschaften von den cultural turns die Rede ist, 1 kommt auch der Übersetzungsforschung innerhalb des weiteren Feldes des Kulturaustauschs und des Kulturkontakts ein neuer Stellenwert zu. Dabei eröffnet die Beschäftigung mit Übersetzungen auch Philologen und Kulturwissenschaftlern neue Arbeitsbereiche, da die Prozesse der Übertragung von Texten von einer Sprache in eine andere als kulturelle Tätigkeiten zu verstehen sind, die die Einbindung dieser Texte in weitreichende außertextliche Beziehungen voraussetzen. Übersetzungen stehen nicht am Anfang und nicht am Ende von Transferbewegungen, sondern sind als Vehikel auf dem Weg zur produktiven Rezeption, d.h. der Konsolidierung fremden Kulturguts in der eigenen Kultur zu sehen. Ich stelle die Idee der Prozesse oder der Wege vor die der Ergebnisse, und in Übereinstimmung mit der Methode des Kulturtransfers basiert mein Vorgehen in diesem Beitrag auf drei Schritten: Erstens soll der Grund für die Selektion von Texten in einer bestimmten historischen Konjunktur und - zweitens - ausgehend von gesellschaftlichen Institutionen die Vermittlung dieser Texte von einer in die andere Kultur erklärt werden. Erst dann wären noch in der gebotenen Kürze mögliche Rezeptionsergebnisse zu erwähnen. 2 1 Deutsch-spanische Affinitäten Zunächst muss geklärt werden, warum in bestimmten historischen Situationen in einer nationalen Gemeinschaft Texte aus einer fremden Sprache und Kultur den eigenen vorgezogen werden, oder warum zumindest ein großes Interesse an ihnen besteht. 3 Im vorliegenden Fall lautet die Frage, warum in Deutschland um 1920 den Texten Miguel de Unamunos eine immer größere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Dabei müssen, bevor die Übersetzungen selber zur Sprache kommen, die Akteure und Institutionen abgehandelt werden, die die Rezeption möglich machten. In unserem Fall 1 Bachmann-Medick 2006. 2 Die Kulturtransfer-Forschungen wurden von Michel Espagne und Michael Werner erstmals 1987 in den Annales ESC vorgestellt. Vgl. dazu auch Lüsebrink 2003: 307-328. 3 Lambert 1993: 87. Arno Gimber 318 waren es Geisteswissenschaftler, Romanisten, von denen die Transferbewegungen ausgingen und die sich Unamuno als Vermittler anboten. Die Gesellschaftskrise in Deutschland nach der Kriegsniederlage von 1918 braucht nicht näher erläutert zu werden. Wegen der zumindest von vielen als solche empfundenen Demütigung durch den Versailler Vertrag von 1919 kann in Deutschland und Österreich von einer nationalen Depression, einer Art kollektiver Identitätskrise die Rede sein. Nach den Transfertheorien von Michel Espagne und Michael Werner, aber auch nach den Feldtheorien von Bourdieu, wendet sich eine Nation in einer solchen Situation nach außen, um neue Impulse und Möglichkeiten einer Lösung aus der Krise zu suchen. Der Erzfeind Frankreich konnte für viele Deutsche keine Referenz mehr sein, auch nicht die übrigen Kriegsgegner. 4 Spanien hingegen verhielt sich im Ersten Weltkrieg neutral und erweckte deshalb unter vielen Deutschen starke Sympathien. Und außerdem kommt hinzu, dass das Land nach dem Verlust seiner letzten Kolonien, Kuba und den Philippinen, im Krieg von 1898 gegen die USA und dann bis hin zum Marokkodebakel von 1921 seine eigenen Krisen zu bewältigen hatte, sodass Parallelen, die als Mechanismen der Identifikation verstanden werden können, leicht zu konstruieren waren. So richtete sich z.B. schon 1920 der Wiener Schriftsteller und Journalist Martin Brussot mit der Bitte an Unamuno, ihm für seinen Sammelband zum Thema Renacimiento de pueblos derrotados einen Beitrag zu schicken. 5 Hierin ist ein gemeinsamer Nenner und eine Voraussetzung für das Interesse am Kulturaustausch zu sehen. Dass Unamuno in diesem Prozess eine herausragende Rolle spielte, hängt u.a. mit seiner internationalen Projektion während des Exils, in das ihn die Diktatur Primo de Riveras zwang, zusammen. Er nutzte es zu Vortragsreisen etwa nach Frankreich. Kurt Tucholsky traf ihn in Paris und berichtete 1924 in der Weltbühne über einen Vortrag des spanischen Intellektuellen: Er [Unamuno] spricht von der Historie des spanischen Staatsstreichs; von den alten Marokko-Niederlagen, die bis auf das Jahr 1898 zurückgehen; von den habsburgischen Königsphantasien Alfons des Dreizehnten, der - wie jener Karl - davon träumte, in seinem Reich die Sonne nicht untergehen zu sehen; von der völligen Verantwortungslosigkeit, mit der er reagierte. Verantwortung? „Si j‘en ai une! “ hat er einmal gesagt. Er spricht von der größenwahnsinnigen Kaste des spanischen Militärs, unter denen sich Analphabeten befänden; er spricht von den Verfolgungen, denen die Intellektuellen dort ausgesetzt sind und davon, daß sich die Deutschfreundlichkeit in Spanien eigentümlicherweise in den rechtsgerichteten Kreisen fände. (Tucholsky 1985: 496f.) 4 Natürlich ist Vorsicht vor einer zu schemenhaften Darstellung geboten, führt man sich zum Beispiel den nicht zu leugnenden Einfluss der USA auf das kulturelle Leben in der Weimarer Republik vor Augen. 5 Ribas/ Hermida 2002: 101. Die Übersetzung von Unamunos Werken als kulturelle Praxis 319 Es wäre ein Leichtes, diese Sätze auf die deutsche Situation zwischen 1914 und 1919 und bis 1924 zu übertragen. Tucholsky sprach die deutschen Leser an, indem er durch das spanische Beispiel die eigene Krise rekonstruierte: In den Fantasien Wilhelms II. sollte auch im deutschen Reich die Sonne nicht untergehen. Seine Verantwortungslosigkeit und der Größenwahn der preußischen Militärkaste gehörten zu den Hauptvorwürfen der deutschen Kriegsgegner. Nach Thomas Bräutigam (1997) stand die deutsche Romanistik, nach dem Ersten Weltkrieg als Wissenschaft des Erzfeindes Frankreich suspekt geworden, unter einem Rechtfertigungsdruck. Auf der Suche nach neuen Positionen bereiteten namhafte Romanisten die Hinwendung zu Spanien auf Universitätsebene vor. 6 An erster Stelle muss Walter von Wartburg genannt werden, obwohl er die Kehrtwendung weg von der Galloromanistik eigentlich nie mitmachte. In einem bezeichnenden Brief richtete er sich schon 1920 an Unamuno mit der Bitte, seine Werke übersetzen zu dürfen. Er sollte dann auch der erste sein, der 1924 den Roman Abel Sánchez im Aargauer Tagblatt veröffentlichte. Karl Vossler wandte sich in den Zwanzigerjahren am entschiedensten und dauerhaftesten der spanischen Kultur zu. Ich zitiere, zunächst gar nicht im Zusammenhang mit Unamuno, aus einem Vortrag aus dem Jahr 1922 mit dem Titel „Vom Bildungswert der romanischen Sprachen“: Denn der spanische Geist, der eine überseeische Welt erobert hat, ist derselbe, der im Mittelalter die schwersten, zähesten Glaubenskriege bestand und der im Zeitalter der Reformation die strenge Zucht, den Gehorsam und die Unterordnung in Europa vertrat. Er trägt, wie kein anderer in der Romania, die Kennzeichen der Mannhaftigkeit. Die Ehre, der Dienst, der Gehorsam, die Kühnheit, die unbedingte, schmelzende zarte und heftigste Hingabe an eine Idee, der düstere Ernst und dessen echter Bruder, ein goldener, tiefer, harmloser Humor, das alles findet sich in der spanischen Geschichte und Dichtung mit einer Gewalt und Größe ausgedrückt, wie man es in Italien und Frankreich nicht wieder findet. (zit. nach Bräutigam 1997: 28) Vossler konstruierte hier Affinitäten zwischen der deutschen und der spanischen Nation, denn der angeblich spanische Geist wird in seinem Essay mit deutschen Wertvorstellungen wie Mannhaftigkeit, Ehre, Dienst, Gehorsam und Kühnheit in Übereinstimmung gebracht. Seine Absicht war es wohl, die kulturellen Schranken zwischen Deutschland und Spanien niederzureißen. Er entwarf somit ein Fremdbild, das den Operationsrahmen für die nun einsetzenden Übersetzungsaktivitäten aus dem Spanischen bildete. Aber auch Ernst Robert Curtius, der bekanntlich die kriegsbedingte Abkehr von Frankreich nicht mitmachte, schuf die Voraussetzungen für den Transfer der neueren spanischen Literatur (und neben Unamuno schrieb er 6 Laut Bräutigam 1997: 23ff. ist die Tendenz schon 1919 zu beobachten, als Fritz Lejeune in der Zeitschrift für französischen und englischen Unterricht einen Artikel mit dem Titel „Was sind uns die spanisch redenden Länder nach dem Kriege? “ veröffentlichte. Arno Gimber 320 z.B. auch über Ortega y Gasset und Pérez de Ayala) nach Deutschland. In einem Artikel von 1924 mit dem Titel „Spanische Perspektiven” suchte auch er die Parallelen in der Entsprechung von spanischer und deutscher Krise: Was uns heute beansprucht: volkliche und geistige Erneuerung nach äußerem Zusammenbruch, das hat, wenn auch in viel kleinerem Maßstabe und auf Grund einer ganz anderen Vorgeschichte, das Lebensproblem Spaniens seit einem Vierteljahrhundert gebildet. (zit. nach Bräutigam 1997: 32) Curtius ist die Verbreitung von Miguel de Unamunos Del sentimiento trágico de la vida in Deutschland zu verdanken. In der Neuen Zürcher Zeitung vom 8. Oktober 1925 stellte er Unamunos Begriff des Tragischen und seine Ideen von der Unsterblichkeit vor, wie er sie dem Essay, zu dessen Übersetzung er noch im gleichen Jahr das Vorwort schrieb, entnahm. Er behauptete, der Glaube des Spaniers sei zwar weit entfernt von dem weisheitsvoll verklärten eines Goethe, von dem enthusiastisch schwärmerischen eines Jean Paul, von dem mystisch brennenden eines Novalis. Nicht Weltharmonie ist des Spaniers Grundgefühl, sondern Antinomie, schmerzhafte Spannung, Tragik. (Curtius 1950: 240) Und genau dieses tragischen Gefühl, das im Denken und Fühlen der Menschen in der Weimarer Republik eine wichtige Rolle spielte und nach Curtius die Voraussetzung dafür bot, aus einer Situation des Niedergangs wieder einen Aufstieg zu wagen, wurde laut Gumbrecht (2003) mit keinem Land so sehr in Verbindung gebracht wie mit Spanien. Es trat nicht nur im Essay Del sentimiento trágico de la vida zutage, sondern laut Ludwig Pfandl in einem Brief an Unamuno vom 20. Februar 1924 auch in den Romanen des Philosophen und Schriftstellers: „Las novelas son, a mi humilde parecer, unas verdaderas tragedias.“ 7 Auf diesem Weg fiel die Einbindung der deutschen in die fremde, spanische Denkform nicht schwer. 2 Übersetzungen als interaktives soziales Geschehen Der Beweggrund für das Interesse an Unamuno und für die jetzt einsetzenden Übersetzungen sollte bis hierher klar geworden sein: es ging hauptsächlich um ein Gefühl von Tragik, mit dem sich viele Deutsche nach dem Ersten Weltkrieg identifizieren konnten. Unamunos Del sentimiento trágico de la vida wurde in eine letztendlich doch fremde Denkform eingebunden, sehr unterschiedliche Denkmuster konnten miteinander verflochten werden. 8 Das tragische Lebensgefühl wurde von Paul Adler, allerdings unter dem Pseudonym Robert Friese, noch vor 1920 übersetzt. Adler entstammte einer 7 Ribas/ Hermida 2002: 292. 8 Um dieses tragische Lebensgefühl bei Unamuno zu verstehen, müssten z.B. auch Einflüsse aus den Werken Schopenhauers, Kierkegaards oder Bergsons in Erwägung gezogen werden. Vgl. dazu Ribas 2007: 93. Die Übersetzung von Unamunos Werken als kulturelle Praxis 321 jüdischen Familie aus Prag und stand dem katholischen französischen Schriftstellerkreis um Paul Claudel nahe. Selber hatte er einen Roman (Die Zauberflöte) und mehrere Erzählungen (Elohim, Nämlich) veröffentlicht. Schon am 15. August 1913 bat er Unamuno in einem Brief um Texte, 1915 schickte ihm dieser dann Del sentimiento trágico de la vida zu. Unamunos Parteinahme für Frankreich im Kontext des Ersten Weltkriegs, die er auch in seinen Briefen an Adler klar zum Ausdruck brachte, führte allerdings schon bald zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden. Naiv versuchte Adler Unamunos Einwände gegen Hoffmann von Fallerslebens Deutschlandlied zu entkräften, indem er die Ausschließlichkeit in „über alles in der Welt“ damit rechtfertigte, dass der Dichter nur einen Reim für die viel wichtigere Idee, die im „zusammenhält“ ausgerückt wird, benötigte. Der Briefwechsel brach in diesem Zusammenhang ab, aber Adler führte die Arbeit an der Übersetzung von Del sentimiento trágico zu Ende und bot sie deutschen Verlagen, wie er es formulierte, als „Trostbuch“ 9 an. Auch an diesem Ausdruck ist zu erkennen, welche Funktion Unamuno für die Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg eventuell einnehmen konnte. Vergleicht man die Übersetzung mit dem Original, so erkennt man sofort die Tendenz, Unamunos philosophische und allgemein gehaltene Beobachtungen zum tragischen Lebensgefühl zu personifizieren. Adler distanzierte sich vom Diskurs der Völker und stellt einen rein persönlichen Existenzialismus heraus, was als eine wichtige Umdeutung der Absicht Unamunos gewertet werden kann. Das Gefühl der Tragik nimmt einen anderen Stellenwert ein, wie etwa die Auslassung im folgenden Vergleich deutlich zeigt: Todo lo que en mí conspire a romper la unidad y la continuidad de mi vida, conspira a destruirme y, por lo tanto, a destruirse. Todo individuo que en un pueblo conspira a romper la unidad y la continuidad espirituales de ese pueblo, tiende a destruirse como parte de ese pueblo. ¿Qué tal otro pueblo es mejor? Perfectamente, aunque no entendamos bien qué es eso de mejor o peor. ¿Qué es más rico? Concedido. ¿Qué es más culto? Concedido también. ¿Qué vive más feliz? Esto ya ...; pero en fin, ¡pase! ¿Que vence, eso que llaman vencer mientras nosotros estamos vencidos? Enhorabuena. Todo eso está bien, pero es otro. Y basta. Porque para mí, el hacerme otro, rompiendo la unidad y la continuidad de mi vida, es dejar de ser el que soy, es decir, es sencillamente dejar de ser. Y esto no; ¡todo antes que esto! (Unamuno 1990: 8) Alles, was also meine Einheit und meine lebendige Dauer aufzuheben trachtet, alles das trachtet auch, mich selbst, und damit sich selbst aufzuheben. Ich für mein Teil will nicht meine Einheit, meinen lebendigen Zusammenhang aufheben. Ich will nicht künftig nicht mehr sein, der ich bin, das heißt einfach, nicht mehr sein. Das nicht, alles andere eher als das! (Unamuno 1925: 15) Es gab noch andere Interessenten an möglichen Übersetzungen der Werke Unamunos ins Deutsche. Im Juni 1915 schrieb ein gewisser Alfred Hess, während des Ersten Weltkriegs in Barcelona ansässig, nach Salamanca: 9 Ribas/ Hermida 2002: 81: “como libro consolador”. Arno Gimber 322 „Acabo de traducir esta obra [Del sentimiento trágico de la vida] y como Vd. comprendera [sic! ] bien es de importancia para mi [sic! ] saber lo mas pronto posible, para poder impiezar [sic! ] la coreccion [sic! ] de la traducion [sic! ].” 10 Hess‘ Version sollte nicht veröffentlicht werden. Das Problem war wohl, dass er mit keinem deutschen Verlag in Kontakt stand, wogegen Adler sich in der Literaturszene sehr gut auskannte. Trotzdem schickte Unamuno Hess seinen Roman Niebla, aber auch damit hatte er kein Glück. Hess übersetzte wohl mehrere Kapitel daraus, aber wir verlieren seine Spuren nach dem Ersten Weltkrieg ebenso wie Unamuno, der sich 1920 in einem Brief an Walter von Wartburg über Hess’ Schweigen beklagte. Auch von Wartburg bat Unamuno, wie schon erwähnt, um die Erlaubnis, einige seiner Schriften zu übersetzen. Er war der erste und begründet sein Interesse damit, dass Spanien in den deutschsprachigen Ländern kaum bekannt sei. Und in Unamuno zeige sich das spanische Wesen am eindeutigsten: „Nadie representa de manera tan pura y verdadera el espíritu de la nación española.” 11 Von Wartburg hatte aber mit den philosophischen Schriften Schwierigkeiten und beschloss, Abel Sánchez zu übersetzen. Nach der Veröffentlichung des Romans in Fortsetzungskapiteln 1924 im Aargauer Tagblatt musste er die Rechte an den Münchner Verlag Meyer & Jessen abtreten. Dabei erhielt Wartburg von Unamuno in einem Brief vom 6. Oktober 1920 als erster das Versprechen: „Conservo la propiedad literaria de mis obras para conceder o no el derecho de traducción y desde luego queda usted autorizado para ello. De condiciones financieras no hablemos nada por ahora, ya que lo que me interesa es ser conocido en esos países.“ 12 Dank der Tätigkeit eines weiteren Vermittlers, Otto Buek, interessierte sich Mitte der 20er-Jahre der Münchner Verlag Meyer & Jessen für Unamunos Werke. Buek, ein 1873 in Sankt-Petersburg geborener Übersetzer, Herausgeber und Journalist, lebte in Berlin und war mit namhaften Dichtern aus den Kreisen des Expressionismus befreundet. Johannes R. Becher widmet ihm das Gedicht „Gebet im Winter 1915/ 16“. Er galt außerdem als Anhänger Hermann Cohens, und in dieser Beziehung liegt vielleicht über eine Verbindung zu Ortega y Gasset das Interesse an Spanien begründet. Er war durch seine Sprachkenntnisse und sein Studium der Philosophie, Mathematik und Chemie vielseitig gebildet. Auf Unamuno wurde er erst 1924 aufmerksam, eben als dieser sich durch seine Vortragsreisen aus dem Exil in Europa einen Namen machte. Meyer & Jessen kaufte die Übersetzung des Essays Del sentimiento trágico de la vida und veröffentlichte ihn im Herbst 1925, und zwar unter dem Titel Das tragische Lebensgefühl - Bueks Vorschlag, obwohl Adler, der Übersetzer, und Auerbach, der Verleger, die Variante Die Tragik des Lebens vorgezogen hätten, weil dieser Titel nach ihrem Dafürhalten mehr Leser hätte anziehen 10 Ribas/ Hermida 2002: 148. 11 Ribas/ Hermida 2002: 341. 12 Ribas/ Hermida 2002: 36. Die Übersetzung von Unamunos Werken als kulturelle Praxis 323 können. Kommen wir in dem Zusammenhang noch einmal auf einen der Hauptgedanken meiner Ausführungen, zur Tragik als Schlüsselwort der Epoche zurück. Schon unter Heranziehung von Hitlers Mein Kampf, ein Jahr nach Das tragische Lebensgefühl veröffentlicht, kann Gumbrecht (2003: 409) das Phänomen deuten: Über den Begriff der Tragik gelang es dem Diktator, Schuld- und Verantwortungszuschreibung der Deutschen nach dem ersten Weltkrieg zu übertünchen und gar zu leugnen. Wenn er das Schicksal der unglücklichen Opfer (gemeint sind die Deutschen) als tragisch bezeichnete, entzog er der menschlichen Handlung die eigene Kontrolle und somit die Verantwortung. Andere Instanzen sind dann für die Katastrophe verantwortlich. Genau dieses Gefühl spielte in der Weimarer Republik eine wichtige Rolle und wurde laut Gumbrecht (2003: 410) mit keinem Land so sehr in Verbindung gebracht wie mit Spanien. In der griechischen Tragödie wie beim Stierkampf bringt die Konfrontation mit einem überwältigend starken Gegner dem Einzelnen die eigene Ohnmacht zum Bewusstsein, während es ihm dennoch gelingt, durch Bewahrung besonders intensiver Präsenz Kraft und Würde an den Tag zu legen. Zwischen 1925-1930 erschienen zahlreiche Übersetzungen von Unamunos Werken bei Meyer & Jessen. Neben Adler (Das tragische Lebensgefühl) und von Wartburg (Abel Sánchez) übersetzte hauptsächlich Otto Buek. 13 Oswald Jahns, der sich im Mai 1924 als „Doctor en Filosofía en la Facultad de Berlin y pensionado actualmente en España“ 14 mit der Bitte an Unamuno richtete, eine Auswahl seiner Werke übersetzen zu dürfen, trug die erste der Tres novelas ejemplares bei. Jahns kündigte außerdem an, dass er Amor y pedagogía ins Deutsche übertragen wollte. Bis heute blieb der Roman unübersetzt. San Manuel Bueno Mártir erschien erst im Jahr 1961 als San Manuel der Gute in der Version von Doris Deinhard bei Insel. Frieden im Krieg. - Ein Roman aus dem Carlistenaufstand wurde 1929 im Volksverband der Bücherfreunde, einer Art Büchergilde des Berliner Wegweiser-Verlags, veröffentlicht, was auf einen großen Absatzmarkt des Werkes schließen läßt. Die Theaterstücke Unamunos fanden trotz der Bemühungen Bueks keine Aufnahme in Deutschland. Soweit aus dem Briefwechsel zwischen Buek und Unamuno hervorgeht, wurde eine Übertragung von El otro am 5. September 1930 im Radio Leipzig gelesen. Auerbach kündigte in einem Brief an Unamuno aus dem Jahre 1927 eine Inszenierung von Ein ganzer Mann (Nada menos que todo un hombre) im Berliner Theater am Zoo an, es kam allerdings 13 Interessant ist in diesem Zusammenhang noch am Rande, dass bei Meyer & Jessen die Bezahlung des Übersetzers höher war als die des Autors. Jener erhielt von Auerbach 7% des Gewinns aus dem Verkauf, dieser nur 5%. Zumindest galt diese Abmachung für die ersten Übersetzungen, Don Quijote und Das tragische Lebensgefühl, später zahlte man auch Unamuno 7%. Die meist verkauften Werke waren Tante Tula und Agonie des Christentums. 14 Ribas/ Hermida 2002: 163. Arno Gimber 324 nicht zur Aufführung. Die erste mir bekannte Übersetzung des Stückes stammt von Wilhelm Muster aus dem Jahr 1989. Zwischen November 1925 und März 1926 wurden vom Tragischen Lebensgefühl 792 Exemplare verkauft. In einer Werbeanzeige des Verlags in der Literarischen Welt vom 29. Januar 1926 sind verschiedene Kommentare über das Buch zu lesen, u.a. von Hermann Hesse: „Es war Zeit, daß dieser kühne und phantastische Spanier endlich auch in Deutschland bekannt gemacht wird. Er gehört zu den seltenen modernen Denkern, die alle Freuden und Leiden des Denkens gekostet haben, ohne doch zu Intellektuallisten zu werden.” Heinrich Mann, der 1927 übrigens ausführliche Artikel zu Tante Tula im Berliner Tageblatt und in der Frankfurter Zeitung veröffentlichte, kommentierte: „Ich habe nichts so starkes seit langer Zeit aufgenommen. Hier ist endlich einmal wieder die Leidenschaft bis zum Letzten, die Erkenntnis bis sie tödlich wird. Die berauschende Gefährlichkeit des Lebens fühlbar, man weiß, wozu man liest (und lebt).” Der französische Nobelpreisträger und Vermittler im deutsch-französischen Konflikt, Romain Rolland, brachte die Problematik auf den Punkt: „Unamuno ist ein Heros des Geistes, der tragische und leidenschaftliche Denker, der seinem Volk in den Augen der Welt wiederum zu neuem Ansehen verholfen hat” 15 , - so wie dies in Deutschland durch seinen Essay eben auch passieren sollte, liest man zwischen den Zeilen. 3 Rezeptionsergebnisse Die nächste Frage wäre nun die nach den Resultaten dieser intensiven Übersetzerarbeit. Ganz bestimmt gehören dazu Reaktionen wie die des nicht näher bekannten Doktor Paul Plauts, der die Psychologie schöpferischer Menschen erforschte und Unamuno, nachdem er seine Romane gelesen hatte, 1928 einen Fragebogen zuschickte. 16 Aus den in Salamanca aufbewahrten Briefen an Unamuno aus Deutschland geht hervor, dass sich Zeitungs- und Zeitschriftenherausgeber nach 1925 zunehmend für Texte von Unamuno interessierten. 1928 sollte er z.B. einen Beitrag für einen von Ernst Leopold Stahl herauszugebenden Goethe-Band schreiben, 1929 bat die Zeitschrift Das Tagebuch Unamuno über Auerbach um einen Artikel über die politische Wende in Spanien. Unamuno kam diesen Bitten in der Regel nicht nach. Bräutigam (1997: 46) differenziert in seiner Dissertation über die deutsche Hispanistik im Dritten Reich, dass die Hinwendung zu Spanien nach dem Ersten Weltkrieg nicht nur aus der Feindschaft gegenüber Frankreich resultierte. Sie stand auch in dem größeren Zusammenhang der Abkehr der Geisteswissenschaften von Rationalismus, Positivismus, Determinismus und Technizismus. Laut Gumbrecht wurde Spanien als Gegenpol 15 Alle Zitate nach King 1990: 132. 16 Ribas/ Hermida 2002: 298f. Die Übersetzung von Unamunos Werken als kulturelle Praxis 325 zur Künstlichkeit der modernen Kultur verstanden, als europäische Enklave der Eigentlichkeit: „Für viele Reisende bedeutet die Überquerung der spanischen Grenze die Rückkehr in eine nicht entfremdete Welt traditioneller Werte.“ 17 Das kann man in der zeitgenössischen Reiseliteratur leicht nachvollziehen, etwa in Kasimir Edschmids 1927 veröffentlichtem Band Basken, Stiere, Araber. Ein Buch über Spanien und Marroko, bei Alfred Kerr oder bei Arnold Nolden; schon der Titel seines Reisebuchs von 1932 ist bezeichnend: Afrika beginnt hinter den Pyrenäen. Der jetzt immer stärker gefeierte Irrationalismus als Ausweg aus dem Unbehagen an der Moderne, wovon bekanntlich auch die Nazis profitierten, konnte in Spaniens Religionsverbundenheit und seinem mystischen Glauben gefunden werden. Curtius schlägt hier erneut die Brücke zu Unamuno: Unamunos philosophisches Hauptwerk ist das Buch vom tragischen Lebensgefühl. Philosophisch ist das Buch freilich nur im losesten Sinne des Wortes. Philosophie ist für Unamuno nicht begriffliche Erkenntnis, sondern die Entwicklung einer aus dem Lebensgefühl geschöpften und es wiederum bestimmenden Weltanschauung. Leben und Vernunft sind ihm Gegensätze. Alles Vitale ist irrational, alles Rationale antivital. (Curtius 1950: 238) Vitalismus bildet die Opposition zum cartesianischen Rationalismus, was auch in einem zweiten Aufsatz Vosslers mit dem Titel „Die Bedeutung der spanischen Kultur für Europa“ deutlich wird. 18 Vossler schaut erneut bewundernd auf Spaniens glorreiche Vergangenheit, weil er dort einen Gott, einen Glaube und ein Reich erkennt, das von einem Herrscher zusammengehalten wurde. Der Schriftsteller Ganivet, Intellektueller der oben erwähnten Krisenzeit, interessiert ihn, weil „der einen mystischen Haß gegen alles Nützliche, Technische, Amerikanische hegt und den unendlichen Wert der Seele, trotz seiner Sterblichkeit, ja in ihrer Vergänglichkeit selbst verherrlicht.” 19 Und auch der Schriftsteller Reinhold Schneider beschreibt in seinem 1954 unter dem Titel Verhüllter Tag veröffentlichten Tagebuch, wie stark ihn die Lektüre von Unamunos Das tragische Lebensgefühl damals, also 1925/ 26, beeindruckt hatte: Sein [Unamunos] Aufbruch ist Antwort an die Katastrophe, die Spanien am Ausgang des 19. Jahrhunderts erlitten hat. Er hört nicht auf, nach den Ursachen zu forschen, inständig bemüht, das politische Ereignis als ein geistiges und sittliches zu sehen. Niemals leugnet er die Niederlage, weder im Persönlichen noch im Vaterländisch-Geschichtlichen. Er nimmt sie so schwer wie nur irgend möglich. Aber Niederlage bedeutet für ihn so wenig Widerlegung wie für Philipp II. der Untergang der Armada. Sein ganz nervöser und unzerbrechlicher Wille ist darauf gerichtet, die Niederlage fruchtbar zu machen; in der Tiefe des Abgrunds, en el fondo del abismo, das Krongut auszugraben. (Schneider 1984: 257) 17 Gumbrecht 2003: 379. 18 Veröffentlicht 1930 in der Deutschen Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 8, S. 33-60 und 402-417. 19 Zit. nach Bräutigam 1997: 47. Arno Gimber 326 Hierin ist vielleicht die wesentliche Verbindung zwischen Spanien um 1900 und Deutschland in der Weimarer Republik zu sehen. Dem „Vaterländisch- Geschichtlichen“ ins Auge sehen, trotz der Niederlage erhobenen Hauptes zurückblicken, dahinter steht auch eine Geschichtsauffassung, die in der Weimarer Republik allgegenwärtig war. Sie beruhte auf einer Spannung zwischen Vergangenheit und Gegenwart und konnte leicht in eine existenzielle Flucht ins Ewige, ins Zeitlose ausarten. Bei Unamuno ist diese Geschichtsauffassung schon vorgedacht. Die schöpferische Aktivität, die produktive oder ästhetische Rezeption schlägt sich noch vor Hitlers Machtergreifung im historischen Erzählen nieder. In seinem Essay Philipp der Zweite oder Religion und Macht von 1931 thematisierte Reinhold Schneider den Konflikt Philipps II. zwischen Religion als Idee und Macht als Druck der Wirklichkeit. Der König scheiterte nach Schneider, weil er im anbrechenden modernen Zeitalter nicht in der Lage war, die Vielzahl von Weltauslegungen zu ertragen, weil er noch von einer einzigen Wahrheit überzeugt war. Das Problem des Relativismus war auch ein Problem der Weimarer Republik. Schneider projizierte es genauso in das spanische Siglo de Oro zurück wie die Frage nach der Macht, wenn sie in den Händen einzelner konzentriert ist. Das Spanien der Entdeckung und Conquista Amerikas, das grandiose Spanien, das von Karl V. und dann von seinem Sohn Philipp II. regiert wurde, gehört zu den wichtigsten Kapiteln der Weltgeschichte, die jetzt die Aufmerksamkeit erregten und bis in die innere Emigration und ins Exil hinein aktuell blieben. Durch das historische Erzählen über Spanien wurde versucht, der eigenen politischen Krise habhaft zu werden, etwa in der Diskussion um mehr oder weniger modellhafte Führergestalten und ihre Bedeutung für das Staatswesen. 20 1929 ging der Münchner Verlag Meyer & Jessen in der Weltwirtschaftskrise unter, Phaidon in Wien übernahm die Rechte und legt Unamunos Werke erneut auf, jetzt aber mit weniger Erfolg. Von Wartburg machte noch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 12. November 1933 den Versuch, Unamuno dazu zu bewegen, eine Vortragsreise durch Deutschland und die Schweiz zu unternehmen. 21 Er erhielt keine Anwort mehr. Curtius schrieb 1934 anlässlich Unamunos 75. Geburtstag noch einmal einen Text, jetzt in einem doch ganz anderen Ton. Er sprach zwar immer noch von der Europäisierung bei Unamuno, nannte ihn jetzt aber auch den „Erwecker der 20 Folgende Romane, die genau diese Problematik behandeln, sollen hier nur erwähnt werden: Ludwig Huna, Der Goldschmied von Segovia (1929); Bruno Frank, Cervantes (1934); Gerhart Ellert, Karl V. (1935); Franz Zeise, Die Armada. Don Juan de Austria (1936); Arno Dohm, Die Flotte Gottes (1938); Otto A. Hirth, Antonio Pérez und die spanischen Richter (1938); Hermann Kesten, Ich der König: Philipp II (1938); Reinhold Schneider, Las Casas vor Karl V. (1938); Ilse Braun-Leutz, Der Sieger von Lepanto. Ein Roman um don Juan d’Austria (1940). 21 Ribas/ Hermida 2002: 341f. Die Übersetzung von Unamunos Werken als kulturelle Praxis 327 nationalen Kräfte“. Die Situation in Europa analysierend kam er - und hier stand Spanien erneut als Vorbild für Deutschland - zu folgendem Schluss: Aber es ist nun wieder der tausendjährige Genius Spaniens, der diese metaphysische Existenznot umbiegt in einen glühenden Verewigungsdrang. Nicht Nihilismus ist das letzte Wort, nicht verbissener Erdenernst, sondern Aeternismus, der Sturz in das Außerzeitliche. Das Menschentum Unamunos verzehrt sich im brennenden Durst nach der Unsterblichkeit. Die Vernunft muss diese ungestüme Forderung zurückweisen. Der lebendige Mensch könnte aus dem Rationalismus nur die Folgerung des Selbstmordes ziehen. Was bleibt übrig? Der tragische Konflikt muß anerkannt und bejaht werden. Nun wird aus dem Abrund der Verzweiflung eine neue Gewißheit hervorgehen, fähig, unser Leben und Handeln zu tragen. (zit. nach Gumbrecht 2002: 64) Ziel meines Beitrags war es zu zeigen, inwieweit die spanische Kultur in der Weimarer Republik, wie natürlich auch zu jedem anderen möglichen Untersuchungszeitraum, als Interpretations- und Wertungsraum für die eigene Kultur dienen konnte. Kulturen sind über Fremdbilder aufeinander bezogen, und diese Fremdbilder werden u.a. durch Übersetzungen geschaffen. Übersetzungen ermöglichen deshalb den Zugang zum konkreten „Wie“ eines Kulturaustauschs, gehen aus von sprachlichen Kategorien, wiesen aber weit über sie hinaus. Und so wird die Analyse von Übersetzungen und ihres Umfelds zu einem Teil der Kulturwissenschaften. Einen Aspekt möchte ich dabei noch eigens hervorheben. Seit einiger Zeit denken Philologen bezüglich der Frage, was überhaupt den Gegenstand einer kulturhistorischen Betrachtung und Analyse ausmacht, um. Natürlich sind es auch die kulturwissenschaftlichen Analysen von Übersetzungen, aber aus einer neuen Perspektive: Das Interesse entfernt sich von den fertigen Produkten und Ergebnissen und konzentriert sich viel mehr performativ auf die Prozesse und Ereignisse, die erst hinführen zum Resultat. Auch hierin ist ein cultural turn in den Geisteswissenschaften zu erkennen. Arno Gimber 328 Literatur Bachmann-Medick, Doris: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften. Reinbek: Rowohlt, 2006. Bräutigam, Thomas: Hispanistik im Dritten Reich. Eine wissenschaftsgeschichtliche Studie. Frankfurt/ Main: Vervuert, 1997. Curtius, Ernst Robert: Kritische Essays zur europäischen Literatur. Bern: Francke, 1950. Ensberg, Claus: Die Orientierungsproblematik der Moderne im Spiegel der abendländischen Geschichte. Das literarische Werk Reinhold Schneiders. Tübingen: Günter Narr, 1995. Gumbrecht, Hans Ulrich: Vom Leben und Sterben der großen Romanisten. Carl Vossler, Ernst Robert Curtius, Leo Spitzer, Erich Auerbach, Werner Krauss. München: Hanser, 2002. Gumbrecht, Hans Ulrich: 1926. Ein Jahr am Rand der Zeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2003. King, Shirley Mae: Unamuno and Germany. Dis. University of Washington, 1990 [University Microfilms International Ann Arbor]. Lambert, José: „Auf der Suche nach literarischen und übersetzerischen Weltkarten“, in: Arnim Paul Frank, Kurt-Jüren Maaß, Fritz Paul, Horst Turk (eds.), Übersetzen, verstehen, Brücken bauen. Geisteswissenschaftliches und literarisches Übersetzen im internationalen Kulturaustausch. Berlin: Erich Schmidt, 1993, S. 85-105. Lüsebrink, Hans-Jürgen: „Kulturraumstudien und Interkulturelle Kommunikation“, in: Ansgar Nünning und Vera Nünning (eds.), Konzepte der Kulturwissenschaften. Theoretische Grundlagen - Ansätze - Perspektiven. Stuttgart/ Weimar: Metzler, 2003, S. 307-328. Ribas, Pedro/ Fernando Hermida (eds.): Unamuno: Cartas de Alemania. 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Dietrich Briesemeister Zur Entstehung der Neuphilologien in der Auseinandersetzung mit der klassischen Philologie Die Beschäftigung mit der spanischen Sprache und Literatur entwickelt sich in der frühen Neuzeit in mehreren Schüben nach dem Vorbild klassischer Kommentierungsverfahren und -formen, die von den Humanisten beim Umgang mit den überlieferten oder wiederentdeckten griechischen und lateinischen Texten aufgenommen und verfeinert wurden. In Spanien schuf Antonio de Nebrija als grammaticus in Salamanca die philologischen Grundlagen dafür, zunächst mit den Introductiones latinae (Salamanca 1481), einem Lateinlehrbuch, das er für Königin Isabella die Katholische auch mit einer spanischen Übersetzung herausgab (um 1488). Darauf folgte im sogenannten annus mirabilis die Interpretatio dictionum ex sermone latino in hispaniensem (Salamanca 1492), ein etwa 30.000 Wörter umfassendes lateinisch-spanisches Wörterbuch (Interpretacion de las palabras latinas en lengua castellana). Ebenfalls in Salamanca erschien im gleichen Jahr die Gramatica sobre la lengua castellana, die erste gedruckte Grammatik einer europäischen Volkssprache (lengua vulgar). Mit der Ergänzung zum lateinisch-spanischen Lexikon, der Interpretacion delas palabras castellanas en lengua latina (1495? ) steht das für die Bildungsreform notwendige Instrumentarium bereit. Nebrijas lateinische Grammatik und sein Wörterbuch liefern in zahlreichen Auflagen und Bearbeitungen im 16. Jahrhundert zusammen mit der Rhetoriklehre, die ebenfalls auf die Textgestaltung im Romance übertragen wird, das Rüstzeug sowohl für den Lateinunterricht als auch für die Grammatographie und Lexikographie der Tochtersprachen des Lateinischen. 1 Die Missionare beschrieben auch die altamerikanischen Sprachen gemäß der Bauformen und Kategorien des Lateinischen, zum Beispiel Arte y vocabulario de la lengua mexicana oder Arte y diccionario de la lengua mexicana. 2 1 Vgl. Niederehe, Hans-Josef: Bibliografía cronológica de la lingüística y la lexicografía del español (BICRES) desde los comienzos hasta el año 1600 [t. 1], Amsterdam, Phildelphia 1994. [2] 1601-1700, Amsterdam, Philadelphia 1999. Rico, Francisco: Nebrija frente a los bárbaros, Salamanca 1976. 2 Zwartjes, Otto (Hg.): Las gramáticas misioneras de tradición hispánica (siglos XVI- XVII), Amsterdam, Atlanta 2000. Wendt, Reinhard (Hg.): Wege durch Babylon. Missionare, Sprachstudien und interkulturelle Kommunikation, Tübingen 1998, besonders S. 7-129. Alvar, Manuel: Nebrija y estudios sobre la Edad de Oro, Madrid 1997. Niederehe, Hans-Josef: Die spanischen Missionare und das Studium der amerindischen Dietrich Briesemeister 330 Der von Nebrija im Sinn der Politik der Katholischen Könige und mit Hilfe italienischer Humanisten betriebenen Bildungsreform steht in Alcalá unter dem Patronat des Kardinals Francisco Ximénez de Cisneros 3 mit dem Projekt der Polyglottenausgabe die Bibelphilologie zur Seite, die mit ihrer Hermeneutik und Textkritik in der geschichtlichen Entwicklung philologischer Gelehrsamkeit eine herausragende Rolle spielt. Mit der Aufwertung des Status der „lengua vulgar“ sowohl in der Literatur als auch in der Wissenschaft entfaltet sich im Siglo de Oro das Sprachdenken in der Auseinandersetzung mit Nebrija und im Wettstreit mit dem Lateinischen, so daß Bernardo José Aldrete in Del origen i principio de la lengua castellana o romance que oi se usa en España (Rom 1606) feststellen kann, „que la lengua latina no está del todo en nuestro Romance destruida, pues hablando en el congruamente tambien se habla latin“ (Überschrift zu II, cap. VII, p. 186) 4 . Im europäischen Vergleich ungewöhnlich ist die Kommentierung fast noch zeitgenössischer volkssprachiger Dichtungen durch humanistische Gelehrte. Hernán Núñez de Toledo (El Pinciano), Rhetorikprofessor in Alcalá und Gräzist in Salamanca, glossierte Las Trecientas des Juan de Mena (Zaragoza 1490, zahlreiche spätere Ausgaben). Der berühmte Salmantiner Philologe Francisco Sánchez de las Brozas, Verfasser der Minerva, seu de causis linguae latinae (1587) und selbst ein fruchtbarer neulateinischer Dichter 5 , kommentierte ebenfalls nicht nur Menas (latinisierendes) poetisches Werk (Salamanca 1582), sondern auch die Dichtung des Garcilaso de la Vega (Salamanca 1574). Fernando de Herrera gab seiner Garcilaso-Ausgabe (Sevilla 1580) ebenfalls Anotaciones bei; ihm folgte der mit Góngora befreundete Gelehrte Tomás Tamayo y Vargas (Madrid 1622). Diese Kommentierungen in klassischer philologischer Manier unterstützen - wie auch die Lecciones solemnes a las obras de D. Luis de Góngora y Argote des José Pellicer de Salas y Tovar, (Madrid 1630) 6 - die literarische Kanonbildung und die nach Sprachen (16. Jahrhundert), in: Noll, Volker (Hg.): Sprache in Iberoamerika. Festschrift für Wolf Dietrich zum 65. Geburtstag, Hamburg 2005, S. 85-104. 3 Bataillon, Marcel: Erasmo y España. Estudios sobre la historia espiritual del siglo XVI, México, Buenos Aires 1966. Rummel, Erika: Jiménez de Cisneros on the threshold of Spanish Golden Age, Tempe 1999. Aguadé Nieto, Santiago (Hg.): Cisneros y el Siglo de Oro de la Universidad de Alcalá, Madrid 1999. 4 Bahner, Werner: Beitrag zum Sprachbewußtsein in der spanischen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts, Berlin 1956. Terracini, Lore: Lingua come problema nella letteratura spagnola del Cinquecento, Torino 1979. Carrera de la Red, Avelina: El ‚problema de la lengua’ en el humanismo renacentista español, Valladolid 1988. Binotti, Lulcica: La teoría del „Castellano primitivo“: nacionalismo y reflexión lingüística en el Renacimiento español, Münster 1995. 5 Die neulateinische Lyrik in Spanien verzeichnet Alcina, Juan F.: Repertorio de la poesía latina del Renacimiento en España, Salamanca 1995. Gil Fernández, Luis: Panorama social del humanismo español (1500-1800), Madrid 2 1992. Strosetzki, Christoph: Literatur als Beruf. Zum Selbstverständnis gelehrter und schriftstellerischer Existenz im spanischen Siglo de Oro, Düsseldorf 1987. 6 Im Vorwort wendet sich Pellicer „A los Ingenios doctísimos de España beneméritos de la Erudición Latina“ ..Muchos han estrañado que yo tratase de comentar un Poeta Die Neuphilologien in der Auseinandersetzung mit der klassischen Philologie 331 damaligem Verständnis philologische Textauslegung, wie sie üblicherweise klassisch-antiken Texten vorbehalten war. Der Theologe, Bibelexeget, Dichter und Übersetzer Luis de León, Professor an der Universität Salamanca, besorgte 1588 die erste spanische Ausgabe der Obras der Heiligen Teresa de Ávila. 7 Zu einer ähnlich intensiven gelehrten Editionstätigkeit sollte es erst wieder im 18. Jahrhundert in Spanien kommen. 8 Interpretatio - möglichst getreue Wort-für-Wort-Übersetzung zum Zweck eines sicheren und vertieften Textverständnisses -, imitatio - Entlehnung oder Übernahme von Stoff und Form -, sowie aemulatio - selbständige Komposition im rhetorisch-stilistischen und formalen Bereich im Wettstreit mit den Musterautoren und im Bestreben, sie zu übertreffen -, sind die drei Stufen, die im Grammatik- und Rhetorikunterricht jahrhundertelang exerziert wurde. Sie tragen sowohl die poetische Produktion als auch die Translation, die Übersetzertätigkeit. Ein Kennzeichen und Maßstab der eruditio war die Beherrschung des Lateinischen als internationales und überkonfessionelles Verständigungsmittel, das den Zugang zur Respublica Litterata eröffnete. „Die wichtigste inhaltliche Bestimmung, mit der man im 17. Jahrhundert die Gelehrtheit des Poeten zu beschreiben pflegt, ist sein materielles Vielwissen, seine Polyhistorie, bzw. Polymathie.“ (Winfried Barner) Im Folgenden sollen einige neulateinische Übersetzungen spanischer Literaturwerke vorgestellt werden, die als frühe Bemühung um eine Neuphilologie aus dem Geist und nach dem Muster des Umgangs mit klassischen Texten zu verstehen sind, auch wenn die Zahl dieser „altsprachlichen“ Fassungen im Vergleich zur Fülle der Übersetzungen in die neueren Sprachen kaum ins Gewicht fällt. Diese Übersetzungen finden allgemein kaum Beachtung. 9 Es handelt sich dabei keineswegs um gelehrtpedantische Spielereien von Epigonen oder anachronistische Schreibversuche von Schulmeistern. Diese Übersetzungs,übungen’ werden nur vor dem Hintergrund der klassischen Bildungsüberlieferung in Alteuropa verständlich. Die gelehrte wie auch die literarische Kultur, die Respublica Litterarum, blieb bis in das 18. Jahrhundert hinein weitgehend zweisprachig, wenngleich Spannungen und Rivalitäten natürlich wachsen und das Verespañol que vivió ayer, que le conocemos todos“ und verweist zu seiner Entschuldigung u.a. auf den Comendador Griego, Sánchez de las Brozas und Tamayo y Vargas, „que no desdeñaron el comentar las obras de otros, aunque fuesen modernos .“ 7 Briesemeister, Dietrich: Die lateinischsprachige Rezeption der Werke von Teresa de Jesús in Deutschland, in: Spanien aus deutscher Sicht. Deutsch-spanische Kulturbeziehungen gestern und heute. Hg. Harald Wentzlaff-Eggebert, Tübingen 2004, S. 332- 343. 8 Juárez Medina, Antonio: Las reediciones de obras de erudición de los siglos XVI y XVII durante el siglo XVIII español, Frankfurt 1988. 9 Briesemeister, Dietrich: Neulateinische Übersetzungen romanischer Literaturwerke, in: Baasner, Frank (Hg.): Spanische Literatur - Literatur Europas, Wido Hempel zum 65. Geburtstag, Tübingen 1996, S. 59-74, sowie Spanien aus deutscher Sicht, Tübingen 2004, S. 214-227. Dietrich Briesemeister 332 hältnis zwischen universaler Latinität und Nationalliteraturen von Land zu Land unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Übersetzungen bilden ein Sammelbecken polygraphischer Interessen. Sie belegen den spanischen Einfluß in den deutschen Ländern von der Theologie über die Philosophie, das politisch-didaktische Schrifttum, die Geschichtsschreibung bis hin zur Schönen Literatur. Sie hat einerseits eine propädeutische Funktion für die muttersprachige Dichtkunst, andererseits ist sie auch eine Einübung in die Philologie. Schon der Blick auf die im 16. und 17. Jahrhundert verfügbaren Lehr- und Wörterbücher belegt die Vorherrschaft und systematische Grundlage des Lateinischen als Propädeutik und Brücke für den Spracherwerb und Umgang mit Fremdsprachen, die auch in akademischen Vorlesungsverzeichnissen als exoticae linguae (populares) oder linguae peregrinae bezeichnet wurden. Zum Fächerkanon der Universitäten zählten bis gegen Ende der Frühen Neuzeit als wissenschaftliche Disziplinen nur die klassischen und einige orientalische Sprachen. Die Unterrichtung in den modernen Fremdsprachen hingegen war Sprachmeistern übertragen, die zusammen mit den Tanz-, Fecht- und Reitlehrern praktische Kenntnisse zu vermitteln hatten. Daß die romanischen Sprachen ihren Ursprung im Lateinischen haben, erkannten die humanistischen Philologen schon früh. Noch vor der Konstituierung der Romanischen Philologie erhielt der sprachwissenschaftliche Buchbestand in der Bayerischen Staatsbibliothek München die Signatur Linguae Latinae filiolae. Die Institutio breuissima et vtilissima ad discenda prima rudimenta linguae Hispanicae (Löwen 1555) gibt einen älteren Text wieder, den man mit einiger wohlwollender Anstrengung sowohl lateinisch als auch kastilisch lesen könnte. 10 Solche hybriden Kunststücke dienten beim Rangstreit der Nationalsprachen als Nachweis der möglichst weitgehenden „Kongruenz“ mit dem Lateinischen und sollten den kulturellen Führungsanspruch in der Nachfolge Roms untermauern. Andererseits führten Humanisten die Verderbnis (corruptio) des klassischen Lateins - und damit die Entstehung der romanischen Volkssprachen - auf die Einfälle der ‚barbarischen’ Goten in weströmische Herrschaftsgebiete zurück. Lange bevor eine Grammatik des Kastilischen in Deutschland zur Verfügung stand und längst bevor das Katalanische als eigenständige Sprache erkannt wurde, erschienen aus praktischen Bedürfnissen heraus in Perpignan 1502, gedruckt von Johann Rosenbach, ein Vocabolari molt profitos per apendre Lo Catalan Alamany y Lo Alamany Catalan und im europäischen Handelszentrum Nürnberg 1529 ein fünfsprachiges Wörterbüchlein Qvinque lingvarum vtilissimus vocabulista: Latine, Italice, Gallice, Hyspane et Alemanice, valde necessarius per mundum versari cupientibus, dem im Jahr darauf ein 10 Briesemeister Dietrich: Rodrigo de Valdés, S. I. (1609-1682) y la tradición poética en latin congruo y puro castellano, in: Ibero-Amerikanisches Archiv NF 12, 1986, S. 97-122. Wippich-Rohá ková, Katrin: „Der Spannisch Liebende Hochdeutscher“. Spanischgrammatiken in Deutschland im 17. und frühen 18. Jahrhundert, Hamburg 2000. Die Neuphilologien in der Auseinandersetzung mit der klassischen Philologie 333 sechsprachiges Wörterverzeichnis in Augsburg, ein „dilucidissimus dictionarius, mirum quam vtilis, nec dicam necessarius, omnibus linguarum studiosis“, folgte. Das erste von dem Kölner Sprachlehrer Heinrich Doergangk verfasste Spanischlehrbuch (1614) trägt den seit Priscian und Quintilian im Lateinunterricht gebräuchlichen Titel Institutiones in linguam Hispanicam mit dem werbenden Zusatz „admodum faciles, qvales antehac nvnquam visae“. Das Werk basiert wiederum auf einer in Köln 1607 gedruckten lateinischen Fassung der ursprünglich (1597) französisch geschriebenen Grammatik des Spanischen von César Oudin. 11 Die spanischen Lehrmaterialien und Wörterbücher des könglichen Dolmetschers fanden in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts weite Verbreitung. Lateinische Lehrbücher für moderne Fremdsprachen wurden an Ritterakademien, Hohen Schulen, wie dem Mauritianum in Kassel oder dem Collegium Illustre in Tübingen, und geistlichen Kollegien verwendet. Sie erschienen bis in das 18. Jahrhundert hinein vielfach in lateinischer Sprache, zum Beispiel Matthias Kramer, Grammatica et syntaxis linguae hispanicae (Nürnberg, 1711) und Ignaz Weitenauer, Modus addicendi intra brevissimum tempus linguas Gallicam, Italicam, Hispanicam, Graecam, Hebraicam, et Chaldaicam, ut ope lexici libros explicare queas (Frankfurt 1756). Der Jesuit und Polyhistor Weitenauer stellte außer einem Hieronlexicon (für Chaldäisch) sogar ein zwölfsprachiges Lexikon zusammen (Augsburg 1762), das am Schluß Portugiesisch und Syrisch aufführt. Doergangks Lehrbuch bietet Ansätze zu einer historisch-vergleichenden Sprachbetrachtung und kontrastiven Grammatik. Ihm ist eine lange Abhandlung vorangestellt, welche programmatisch die Grundlage und Rechtfertigung des Spanischstudiums aus gegenreformatorischer Sicht erläutert. Es ist eine Art theologischer Linguistik oder politischer Philologie, die ähnlich wie Nebrija die kastilische Sprache als „compañero del imperio“ preist und zum Instrument der zeitgenössischen politisch-weltanschaulichen Auseinandersetzungen macht. Sprache, Philologie, Literatur, Landeskunde und eine glühende Hispanophilie fließen in einem umfassenden religiös-weltlichen Bildungsprogramm zusammen. Aus der These „ex lingua cognoscitur homo“ entwickelt Doergangk eine Seelenstilkunde des homo hispanicus. Er rechnet das Spanische wegen seiner ‚Konformität’ mit dem Latein zur Trinität der heiligen Sprachen (Hebräisch, Griechisch und Latein). Die Freunde der Spanier werden somit zugleich zu Freunden Gottes erklärt, nur die Feinde Gottes hassen auch die Spanier und ihre „wahre“ Sprache, die mit der Lautsymbolik der überwiegend hellen [! ] Vokale a, o und u begründet wird und der gravitas des spanischen Nationalcharakters entsprechen soll. Das Schimpfwort der (protestantischen und politischen) Gegenseite für die Parteigänger der Spanier lautete daher Spaniologi, sich ‚hispanisieren’ (hispanizare) und sinceriren bedeutete für sie: sich bei Verhandlungen 11 Briesemeister, Dietrich: Spanien aus deutscher Sicht. Deutsch-spanische Kulturbeziehungen gestern und heute, Tübingen 2004, S. 429-439. Dietrich Briesemeister 334 verstellen und Abmachungen nicht einhalten, wie es Art der Spanier sei. Da Sprach- und Stilschulung eng mit der sittlichen Bildung zusammenhängen, empfiehlt Doergangk weltliche und geistliche Musterautoren. Im Lektürekanon steht an erster Stelle, als „Hispanorum Cicero“ gefeiert, Fray Luis de Granada mit seiner Übersetzung der Imitatio Christi (zuerst 1536 erschienen). Seine und die zahlreicher anderer geistlicher Autoren auf spanisch verfaßten Erbauungsschriften wurden in der Barockzeit sowohl ins Deutsche als auch für den höheren Klerus und die internationale gebildete Leserschaft ins Lateinische übertragen. Im Titel deutscher Übersetzungen erscheint dabei oftmals auch ein Teil in lateinischer Sprache. Zur Erklärung der spanischen Mystikersprache verfaßte der Jesuit und Professor Maximilian van der Sandt ein eigenes Nachschlagewerk (Elucidatio theologica circa aliquas phrases et propositiones theologiae mysticae, Köln 1631, und Pro theologia mystica clavis, Köln 1640). Mit Antonio de Guevara, dessen Werke ebenfalls in zahlreichen lateinischen und deutschen Ausgaben verbreitet waren, steht ein weiterer europäischer Erfolgsautor auf der Lektüreliste, die geistliche Unterweisung, Fremdspracherwerb und Stilbildung miteinander verknüpft. Bemerkenswert ist dabei die Empfehlung der Celestina als klassisches Literaturwerk. Sie hatte bereits 80 Jahre zuvor in Italien als Begleitlektüre mit Wörterbuch im Spanischunterricht Verwendung gefunden. Ritterbücher, novela sentimental, Schäferromane sowie die Romanzen (cantus lascivi! ) wurden hingegen als sittengefährdend und wertlos verurteilt. Dennoch erfreuten sich der Amadis- und Schäferroman in deutschen Fassungen außerordentlicher Beliebtheit. Die Amadis-Kritik beschäftigte auch gelehrte Kreise, während Anthologien der adeligen Gesellschaft Mustervorlagen für ‚zierliche Orationen’ und Briefe boten. Doergangks philologische Methode ist zu Beginn des 17. Jahrhunderts naturgemäß noch recht schwach entwickelt, sie wird zudem von weltanschaulichen Vorgaben geleitet. Es ist jedoch erstaunlich zu beobachten, daß die Beschäftigung mit der Sprache und den ‚cosas de España’ in Deutschland schon so früh unter dem Anspruch von Vorbildlichkeit, Bewahrung und Restauration betrieben wurde. Sprache, Literatur, Kultur, Wesensart und geschichtliches Wirken der Spanier wurden zu Trägern ewiger Werte stilisiert. Hispanizare - spanisch sprechen, sich mit spanischen Dingen befassen - war nicht nur für Doergangk die vielversprechende Zauberformel der Erneuerung in Krisenzeiten. Als in der Weimarer Zeit der Sprachunterricht durch Wesenskunde und Auslandsstudien reformiert werden sollte und die Romanische Philologie an den Universitäten als Fach längst institutionalisiert war, entdeckte man nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs „die Bedeutung der spanischen Kultur für Europa“ - so der programmatische Titel eines Essays (1929) von Karl Vossler, dem damals führenden Fachvertreter. Und sein nicht weniger prominenter Kollege und Philologe, Ernst Robert Curtius, forderte seinerzeit: „Wenn die Auslandsstudien wahrhaft fruchtbar werden sollen,…dürfen sie nicht bloß Sachkunde sein, sie müssen Seelenkunde werden. Wir brauchen nicht nur Hispanisten. Die Neuphilologien in der Auseinandersetzung mit der klassischen Philologie 335 Wir brauchen vor allem Hispanophile.“ 12 Trotz des wissenschaftlichen Fortschritts der Neuphilologie in dreihundert Jahren nach Doergangk gleichen sich die ideologischen Zielsetzungen für das Studium und die Ansprüche an den Hispanisten (hispanizare lautete das alte Schlagwort) in frappierender Weise. Im Gegensatz zu den meist unkommentiert erscheinenden Übertragungen ins Deutsche gewähren wie bei Doergangks Grammatik die Vorreden zu den lateinischen Fassungen Einblick in Arbeitsweisen und Sprachbewußtsein der Autoren. Ein anschauliches Beispiel bietet hierfür die Scrutinium ingeniorum pro iis qui excellere cupiunt, die Joachim Caesar (mit dem Anagramm Aeschacius Major Dobreboranus), dem ersten deutschen Übersetzer eines Teils des Don Quijote, zugeschrieben wird (zuerst gedruckt in Leipzig 1622). Ihn zog das Examen de ingenios para las sciencias. Donde se muestra la differencia de habilidades que ay en los hombres, y el género de letras que a cada uno responde en particular (1575) des Arztes Juan Huarte de San Juan so sehr an, daß er in ihm den universal gelehrten explorator schlechthin verkörpert sah, der für Theologen, Juristen, Ärzte, Politiker, Philosophen, Forscher und Studierende jedweder Wissenschaft Nutzen bringt. In Frankreich erlebte das Buch 25 Auflagen. Lessing übertrug das Werk unter dem Titel Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften 1752 ( 2 1785). Paradoxerweise hatte Huarte sein Examen de ingenios bewußt auf Spanisch verfaßt, da er sich einerseits in seiner Muttersprache sicherer fühlte, andererseits aber grundsätzlich Zweifel am Nutzen des Lateinstudiums hegte. Die gegenseitige Abneigung der Humanisten und Ärzte bricht hier noch einmal deutlich durch. Caesar glaubte sich in der Lage, das „ingeniosum de ingeniis opus“ trefflicher ins Lateinische denn ins Deutsche übertragen zu können, um so den litteratis in aller Welt dieses wichtige Werk zur Verbesserung der Bildung und Ausbildung junger Menschen zugänglich zu machen. Caesar beruft sich auf Cicero als Vorbild für die Bewahrung der „naturalis pulcritudo“ des Originals. Gleichwohl zieht er die französische und italienische Übersetzung heran, um im Vergleich Textabweichungen und Fehler festzustellen. Der Prolog reflektiert sehr genau die Vorgehensweise des „labor translationis“, des „conatus vertendi“ und „vertendi calor“, wie Caesar das Geschäft des Übersetzens umschreibt und dessen Schwierigkeiten angesichts des damaligen unzureichenden Standes der Lexikographie. Die bemerkenswertesten neulateinischen Übertragungen spanischer Texte gehören in den Bereich der fiktionalen Literatur. Schon bald nach Erscheinen des Romans Euphormionis Lusinini Satyricon (1603/ 1605) von John Barclay, der sich unter anderem den Lazarillo de Tormes und Mateo Alemáns Guzmán de Alfarache zum Vorbild genommen hatte, brachte Gaspar Ens zwei 12 Briesemeister, Dietrich: Der Aufstieg der deutschen Hispanistik (1918-1933), in: Spanien aus deutscher Sicht. Deutsch-spanische Kulturbeziehungen gestern und heute, Tübingen 2004, S. 475-488. Dietrich Briesemeister 336 Schelmenromane ins Lateinische. 1623 kam in Köln Alemáns Guzmán de Alfarache heraus, wobei im barocktypisch manierierten Titel bereits die moralisierende Deutung und religiöse Allegorese des Werkes mitgeliefert und der Untertitel Atalaya de vida humana paraphrasiert wird: Vitae humanae proscenium, in quo sub persona Gusmani Alfaracii virtutes et vitia, fraudes, cautiones, simplicitas, nequitia, divitiae, mendacitas, bona, mala, omnia denique quae hominibus cuiuscumque aetatis aut ordinis evenire solent aut possunt, graphice et ad vivum repraesentantur, omnis aetatis et conditionis hominum tam instructioni quam delectationi dicata. Im Grammatikunterricht der Römer spielte die interpretatio eine Rolle bei der sogenannten enarratio poetarum, aus der sich schon früh die allegorisierende Deutung herausentwickelte, etwa bei der christlichen Umdeutung der klassischen Mythologie oder später in der Emblematik. Ens greift umgestaltend in den Originaltext ein, indem er im Anschluß an das Kapitel VII eine Kurzfassung des Lazarillo einschiebt, der zu Guzmáns Trost von seiner unheilvollen Jugend erzählt. Außerdem übernimmt Ens die von Aegidius Albertinus für seine deutsche Fassung erfundene, erbauliche Auflösung der pícaro-Vita: Guzmán entsagt der Welt und wird Einsiedler. Im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Neuphilologie ist bei Ens weniger der freie Umgang mit der Vorlage bemerkenswert, die nicht den geläufigen Übersetzungsprinzipien entspricht, sondern der Umstand, daß ein zum genus humile zählendes Werk einer lateinischen Übertragung für würdig befunden wird. 13 Schon der berühmte Gräzist und Hebraist Johannes Reuchlin konnte es sich leisten, die Farce Maître Pathelin als Comedia noua que Veterator inscribitur, alias Pathelinus ex peculiari lingua in Romanum traducta eloquium (1512) herauszubringen. Die Geschichten um Till Eulenspiegel oder Reineke Fuchs wurden ebenfalls im 16. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt. Der belehrend-erbauliche Zweck heiligt bei Ens dieses Mittel. Er nahm übrigens 1631 in eine mehrfach aufgelegte Sammlung unterhaltsamer Geschichten auch eine cervantinische novela ejemplar auf, ohne freilich den Namen des Autors des Licenciado Vidriera zu erwähnen: Phantasio-Cratuminos sive Homo vitreus. Die faszinierendste Gestalt an der Schnittstelle zwischen barock-humanistischer Gelehrsamkeit und lateinischer Übersetzungskunst, vorgeführt mit der Celestina und Gaspar Gil Polos Schäferroman Diana enamorada, ist Kaspar von Barth (1587-1658), Philologe, Poet und Protestant, der bereits als Schüler mit lateinischen Übertragungen von Euripides, Homer und Herodot sowie metrischen Psalmenparaphrasen als „monstrum ingenii“ Aufsehen erregte, die Memoires des Philippe de Commynes ins Lateinische übersetzte und sich mit den Origines Hispaniae befaßte (ein Werk, das leider nicht 13 Briesemeister, Dietrich: ‚Hablar en buen romance’ und ‚facete narrare’. Die erste neulateinische Übersetzung des Lazarillo de Tormes, in: Holtus, Günter; Radtke, Edgar (Hg.): Umgangssprache in der Iberoromania. Festschrift für Heinz Kröll, Tübingen 1984, S. 331-342. Lang Brancaforte, Charlotte: Fridericus Berghius’ partial Latin translation of Lazarillo de Tormes and its relationship to the early Lazarillo translations in Germany, Madison 1983. Die Neuphilologien in der Auseinandersetzung mit der klassischen Philologie 337 erhalten ist). In dem Folianten Adversaria (Frankfurt 1624; 1648) 14 , einem in lesewütiger Gelehrsamkeit zusammengetragenen riesigen Zettelkasten, finden sich viele verstreute Anmerkungen zur kastilischen Sprache (Castilianismus genannt) - Etymologie, Phonetik, grammatikalische Besonderheiten Idiotismen - und Literatur. Adversaria, ursprünglich Rechnungsbuch, wurde in Philologenkreisen zum beliebten Titel für kritische Anmerkungen und gelehrte Kommentare. Barth verfügte offensichtlich über gute Spanischkenntnisse, er teilt stolz mit, daß man ihn für einen Spanier gehalten habe und trifft auch die für einen Altphilologen bemerkenswerte Feststellung, daß die spanische Sprache allen anderen modernen Volkssprachen wegen ihrer elegantia, gravitas und proprietas - das sind Kategorien der klassischen Rhetorik - überlegen sei und dem Lateinischen sehr nahe stehe: „idioma retentissimum est Latinitatis“. Die spanische Literatur weise daher auch eine Fülle von Autoren auf, die venustas und utilitas in ihren Werken vereinigen, auch dies sind rhetorisch-stilistische oder literarische Bewertungskriterien. Barth verfolgte das gigantische Vorhaben, eine lateinische Anthologie der Weltliteratur in dreißig Bänden mit dem Titel Milesianorum narrationes herauszubringen, die Liebesgeschichten nach dem Vorbild der Milesiaca des Aristides von Milet umfassen sollte. In diesen Zusammenhang dürfte auch die lateinische Teilübersetzung der Ragionamenti des Pietro Aretino gehören, die Barth nach der spanischen Bearbeitung des Fernando Xuárez besorgte und unter dem Titel Pornodidascalus, seu Colloquium muliebre (1623) herausbrachte, zur Warnung der deutschen Jugend vor teuflischen Versuchungen und verführerischer Liebe bei Kavaliersreisen im Ausland. Die der Celestina (Pornoboscodidascalus Latinus. De lenonum, lenarum conciliatricum, servitiorum dolis veneficiis, machinis plusquam diabolicis, de miseriis iuvenum incautorum qui florem aetatis amoribus inconcessis addicunt, de miserabili singulorum periculo et omnium interitu Liber plane divinus) (Frankfurt 1624) vorangestellte umfangreiche Dissertatio ad lectorem cum animadversariorum commentariolo ist das früheste Zeugnis einer textkritischen Kommentierung und monographischen Abhandlung über ein Werk der spanischen Literatur. 15 Barth, der sich rühmt, die Celestina in nicht einmal zwei Wochen ins Lateinische übertragen zu haben, hält die Tragicomedia für die bedeutendste Schöpfung der spanischen Literatur. Selbst die griechisch-römische Klassik habe nichts Vergleichbares zu bieten, ein „liber plane divinus“ (unvergleichlich, außerordentlich). In der Querelle des anciens et des modernes spricht sich der Philologe, Herausgeber und 14 Chatelain, Jean-Marc: Les recueils d’adversaria aux XVI e et XVII e siècles: des pratiques de lecture savante au style d’érudition, in: Barbier, Frédéric (Hg.): Le livre et l’historien. Études offerts en l’hommage du Professeur Henri-Jean Martin, Genève 1996, S. 169-186. 15 Briesemeister, Dietrich: Die lateinische Celestina. Kommentar und Übersetzung von Kaspar von Barth (1587-1658), in: Spanien aus deutscher Sicht. Deutsch-spanische Kulturbeziehungen gestern und heute, Tübingen 2004, S. 290-295.; sowie ebenda Kaspar von Barth und die Frühgeschichte der Hispanistik in Deutschland, S. 440-459. Dietrich Briesemeister 338 Kommentator zahlreicher antiker und mittelalterlicher Texte für die Modernen aus. Um die Sonderstellung der Celestina hervorzuheben, situiert er sie vergleichend in einer Gattungsgeschichte des Theaters von der Antike bis zur Renaissance und empfiehlt das Werk wie Doergangk als Musterlektüre beim Erlernen des Spanischen, „ad hispanismum hodiernum addiscendum.“ Die Problematik, die Celestina im überkommenen Gattungssystem zu verorten, versucht er dadurch zu lösen, daß er den Begriff lusus in den Titel aufnimmt und das Werk als Lesedrama versteht („ad lectionem vocat et velut spectaculum“). Dem lateinischen Kommentar sind Emendationen im Text sowie Wort- und Sacherklärungen beigefügt. Erstmalig wird damit ein spanisches literarisches Kunstwerk gemäß den Kriterien und Methoden der Klassischen Philologie behandelt und zumindest im Titelvorspann nach dem überkommenen Literaturverständnis in den Dienst der correctio morum gestellt. Der Abstand zur revidierten deutschen Übersetzung der Celestina ist offenkundig, der Christoph Wirsung 1534 ein Streitgespräch zwischen Urbanus und Amusus beigab [über das belehrende Verständnis des Werkes]. 16 Für die Übersetzung von Gaspar Gil Polos Schäferroman Diana enamorada war Barth durch seine intensive Beschäftigung mit der griechischen und römischen Bukolik und dem antiken Roman wohlvorbereitet. 17 Außerdem kannte er wahrscheinlich auch Jorge de Montemayors Diana, die 1619 in deutscher Version erschien. Barths Diana Amore percita erschien bereits ein Jahr nach der Celestina unter dem Titel Erotodidascalus, sive Nemoralium libri V (Hanau 1625) mit Kupferstichen geschmückt. Montemayor und Gil Polo sind für Barth nicht nur als Dichter ebenbürtig („paris genii“ und „egregia ingenia“), sondern ihre Werke stehen auch wie die Celestina den antiken Bukolikern gleichrangig zur Seite. Anstelle von Gil Polos Epístola a los lectores setzt Barth seine eigene Einleitung, die den Roman gegen der Verdacht des Unmoralischen in Schutz nimmt und die obscenitas mancher antiker Autoren kritisiert. Barth verteidigt das spanische Werk gegen die seinerzeit nicht seltene generelle Verurteilung der Romane. An der persönlichen Wende zu einer pietistischen Verinnerlichung forciert Barth die erbauliche und lehrhafte Lesart. Das hindert ihn jedoch nicht daran, die Diana enamorada als „elegantissimum libelllum“ mit einer „egregia compositio“ zu werten. Mit elegantia und compositio kommen wiederum Wertmaßstäbe der klassischen Rhetorik zur Geltung. Ursprüng- 16 Briesemeister, Dietrich: Zu Christoph Wirsungs deutschen Celestina-Übersetzungen (1520 und 1534), in: Spanien aus deutscher Sicht. Deutsch-spanische Kulturbeziehungen gestern und heute, Tübingen 2004, S. 296-301. Kish, Kathleen V.; Ritzenhoff, Ursula (Hg.): Die Celestina-Übersetzungen von Christof Wirsung, Hildesheim, Zürich, New York 1984. 17 Briesemeister, Dietrich: Diana im lateinischen Gewand. Caspar von Barths Übersetzung der Diana enamorada Gil Polos (1625), in: Friedlein, Roger (Hg.): Arkadien in den romanischen Literaturen. Festschrift für Sebastian Neumeister zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2008 (im Druck). Die Neuphilologien in der Auseinandersetzung mit der klassischen Philologie 339 lich sollte der Roman in die Milesische Sammlung eingehen, doch wegen seines Umfangs entschied sich Barth für die selbständige Veröffentlichung. Die Übersetzung sollte im Sinne der aemulatio die spanische Vorlage übertreffen (superare). „Nachahmung durch Übersetzung bedeutete Lebendigkeit … durch die belebende Antike in den Volkssprachen und die der Volkssprachen… durch die belebende Antike.“ 18 Beim Übersetzen kommen Barth wie schon bei der Arbeit an der Celestina die immense Belesenheit, das Gedächtnis und die philologische Beschlagenheit zustatten. Er kannte und verwandte dieselben Formen, Vorbilder und Formeln der klassischen Liebeslyrik, Eklogendichtung, Bukolik und Erzähltechnik wie Gil Polo. Die größere Herausforderung stellen bei der lateinischen Übersetzung die lyrischen Einlagen bei Gil Polo dar, der seine dichterischen Gaben und die Beherrschung traditioneller wie neuer Formen bewußt zur Schau stellt. Barth war zwar als neulateinischer Dichter und virtuoser Verskünstler mit der Anakreontik und der Tradition der Eklogendichtung vertraut. Doch die Vers- und Strophenformen der spanischen Dichtung lassen sich natürlich nicht in der quantifizierenden lateinischen Metrik wiedergeben. Dennoch versucht Barth, die Zahl der Verse einer Strophe zu bewahren, gibt jedoch soneto mit carmen oder cantiuncula, canción mit cantilena und die volkstümliche glosa mit cantio/ expositio wieder. In Frankreich, Deutschland und auch in Spanien waren Übersetzungen von Lyrik im 16. und 17. Jahrhundert immer wieder versucht worden. In Spanien wurden Jorge Manriques Coplas a la muerte de su padre König Philipp II. gewidmet, 19 das berühmte anonyme Sonett No me mueve, mi Dios kursierte unter dem Titel Suspiria Sancti Xaverii, und in Deutschland erschienen die Gedichte der Heiligen Teresa de Avila und des Juan de la Cruz in deren Opera (Köln 1626 bzw. 1630). 20 Barth läßt lediglich das topische Länderlob im Canto de Turia (de amoenitatibus et deliciis Valentinorum cultorum) mit der Begründung aus, daß die darin besungenen Personen im Ausland unbekannt seien. Aus dem topischen Länderlob übernimmt er nur den cantar del marinero. Die lateinische Fassung des Schäferromans Diana enamorada ist nicht nur Ausdruck und Bestätigung der Gleichberechtigung volkssprachiger Literatur mit den Werken antiker Dichter, deren Aneignung als ‚Weltliteratur’ und Bildungsgut in lateinischer Sprache erfolgt, sondern sie bietet zugleich auch ein Modell für Nachahmung und Wetteifer. Martin Opitz verteidigt im Aristarchus, sive de contemptu linguae Teutonicae (1618) zwar die deutsche Sprache, die weder der spanischen, noch der italienischen und französischen 18 Vermeer, Hans J.: Das Übersetzen in Renaissance und Humanismus, Bd. 1, Heidelberg 2000, S. 145. 19 González Rolán, Tomás; Saquero, Pilar: Las coplas de Jorge Manrique entre la Antigüedad y el Renacimiento. Edición y estudio del texto y la traducción latina contenidos en el códcie d.IV.5 de la Biblioteca de El Escorial, Madrid 1994. 20 Briesemeister, Dietrich: Die lateinischsprachige Rezeption der Werke von Teresa de Jesús in Deutschland, in: Spanien aus deutscher Sicht. Deutsch-spanische Kulturbeziehungen gestern und heute, Tübingen 2004, S. 332-343. Dietrich Briesemeister 340 nachsteht, legt jedoch seiner deutschen Übersetzung einiger von Gil Polos Gedichten Barths lateinische Übertragung zugrunde. Der in seiner Zeit berühmte und ungemein fruchtbare klassische Philologe Kaspar von Barth hat mit seinen Übersetzungen, Kommentaren und verstreuten philologischen Anmerkungen als bedeutender Vorläufer der spanischen Sprach und Literaturwissenschaft aus dem Geist spätbarocker Polymathie zu gelten. Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts zeichnet sich dann vor allem an der 1734 gegründeten Universität Göttingen eine institutionelle Stärkung der spanischen Studien ab, auf deren Entwicklung wiederum ein führender Altertumswissenschaftler, Christian Gottlob Heyne, entscheidenden Einfluß nahm durch die Bestellung von Johann Andreas Dieze zum Kustos der Bibliothek. „Die spanische Literatur macht auf unserer Bibliothek ein vorzügliches und herrliches, seltenes Fach aus“, schrieb Heyne 1808. 21 Zur gleichen Zeit beginnt nach der Schließung der Universität Halle 1807 während der napoleonischen Besetzung in Preußen die Umsetzung der Pläne für eine „allgemeine Lehranstalt“ nach den Reformvorstellungen Wilhelm von Humboldts. Er besaß selbst ausgezeichnete Kenntnisse des Französischen, Italienischen und Spanischen 22 - ganz abgesehen von anderen Sprachen, mit denen sich der Sprachwissenschaftler befasste, darunter Baskisch und altmexikanische Sprachen und zeigte auch besonderes Interesse für Spanien als „einer noch unbekannten Nation“, nachdem er das Land wiederholt bereist hatte. An der Berliner Akademie der Wissenschaften befaßte man sich ebenfalls seit dem späten 18. Jahrhundert rege mit sprachwissenschaftlichen Fragestellungen. 23 Obwohl die Bedeutung der französischen und italienischen Sprache, Kultur und Literatur unbestritten war, wurde die Notwendigkeit einer fachlichen Vertretung und systematisch-historischen Erforschung an der Universität zunächst nur von wenigen anerkannt. Die „neulateinischen Sprachen“ (das heißt die romanischen) sollten lediglich aus Gründen ihrer Nützlichkeit im ‚Völkerverkehr’, als Hilfe für andere Wissenschaften bei der Aufnahme des ausländischen Fachschrifttums oder für „ästhetische Zwecke“ und „belletristische Neigungen“ unterrichtet werden. Friedrich August Wolf, mit Goethe und Wilhelm von 21 Eck, Reimer: Entstehung und Umfang der spanischen Büchersammlung der Universitätsbibliothek Göttingen im 18. Jahrhundert, in: Juretschke, Hans (Hg.): Zum Spanienbild der Deutschen in der Zeit der Aufklärung. Eine historische Übersicht, Münster 1997, S. 87-132. Krapoth, Hermann: Die Beschäftigung mit romanischen Sprachen und Literaturen an der Universität Göttingen im 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Lauer, Reinhard (Hg.): Philologie in Göttingen. Sprach- und Literaturwissenschaft an der Georgia Augusta im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert, Göttingen 2001, S. 57-90. 22 Trabant, Jürgen Wilhelm von Humboldt und die romanischen Sprachen, in: ders. (Hg.): Beiträge zur Geschichte der Romanischen Philologie in Berlin, Berlin 1988, S. 27-43. Als Anhang ist diesem Band Risop, Alfred, Die romanische Philologie an der Berliner Universität 1810-1910 (1910) beigegeben, dem ich bei meiner Darstellung folge. 23 Storost, Jürgen: 300 Jahre romanische Sprachen und Literaturen an der Berliner Akademie der Wissenschaften, Frankfurt 2001. Die Neuphilologien in der Auseinandersetzung mit der klassischen Philologie 341 Humboldt befreundet, Verfasser der Darstellung der Altertumswissenschaft nach Begriff, Umfang, Zweck und Wert (1807), schwebte zwar die Einrichtung eines philologischen Seminars vor (in Halle hatte er bereits 1787 ein Seminarium Philologicum gegründet), doch es sollte lediglich der Ausbildung künftiger Latein- und Griechischlehrer an den Gymnasien dienen. 24 In einer Denkschrift über die Organisation des modernen Sprachunterrichts erklärte er 1807 über die Stellung der Lektoren für Fremdsprachen an der Universität: „Als Professoren möchten diese nicht einmal dem Titel nach anzustellen seyn, höchstens müssten sie sich mit dem Doktortitel befriedigen. So hat man’s doch bisher durchaus auf den Universitäten gehalten.“ Trotz dieser Geringschätzung der Bedeutung des Lektorenstandes gab er in Berlin 1818 zur Hochzeit der Cervantes-Begeisterung in Deutschland die Erzählung La tía fingida heraus (als Beilage zum III. Heft der Litterarischen Anstalt in Berlin). Die Abschrift eines Manuskripts war ihm aus Spanien zugesandt worden, nachdem Agustín García de Arrieta diese unveröffentlichte „novela cómica“ gefunden und im Anhang zu seinem Buch El espíritu de Miguel de Saavedra o la filosofía de este grande ingenio veröffentlicht hatte. 1819 beklagte der Kultusminister von Altenstein gegenüber dem Staatskanzler Freiherr von Hardenberg den mangelhaften Zustand des Unterrichts in den lebenden Sprachen. Als Hardenberg auf die Lage der Staatsfinanzen verwies, bestand Altenstein auf seiner Forderung: „Auf Universitäten muß nach meiner Überzeugung der Unterricht in lebenden Sprachen auf einer dem Unterricht in den alten Sprachen analoge Art erteilt und dadurch das Studium der allgemeinen Sprachkunde unterstützt werden.“ 25 Die Anhebung der Ausbildungsqualität für Lehrer der modernen Fremdsprachen stieß aber nicht nur auf innenpolitischen Widerstand mit dem bekannten Hinweis auf fehlende Mittel, sondern auch die Klassischen Philologen selbst wehrten sich in der Philosophischen Fakultät gegen die Errichtung von Professuren für die sogenannte Neuphilologie. Auch der interne Streit um die Stellung der Lektoren begleitet die frühen Ansätze zur Institutionalisierung der Neuphilologie weiterhin. Dank der Sprach- und Exerzitienmeister (Lektoren) hatte die Beschäftigung mit den neueren Sprachen überhaupt erst Einzug in den akademischen Bereich gehalten, längst bevor Lehrstühle da- 24 Seidensticker, Bernd; Mundt, Felix (Hg.): Die Altertumswissenschaften in Berlin um 1800 an Akademie, Schule und Universität, Hannover 2006. Stierle, Karlheinz: Altertumswissenschaftliche Hermeneutik und die Entstehung der Neuphilologie, in: Flashar (Helmut) u.a. (Hg.): Philologie und Hermeneutik im 19. Jahrhundert. Zur Geschichte und Methodologie der Geisteswissenschaften, Göttingen 1979, S. 260-288. 25 Zu welchen Leistungen die sprachwissenschaftliche Forschung seinerzeit schon fähig war, zeigt die Veröffentlichung von Lorenz Diefenbach: Ueber die jetzigen romanischen Schriftsprachen, die spanische portugiesische, rhätoromanische (in der Schweiz), französische, italienische und dakoromanische (in mehreren Ländern des östlichen Europa’s) mit Vorbemerkungen über Entstehung, Verwandtschaft usw. dieses Sprachstammes, Leipzig 1831. Abgesehen von der gesamtromanischen Perspektive ist auch die Reihenfolge der Sprachen beachtenswert. Dietrich Briesemeister 342 für geschaffen wurden. 26 Auch Professuren für ‚Germanistik’ gab es jahrhundertelang nicht, dagegen jedoch für orientalische Sprachen mit einem breiten Spektrum. 27 Die Vermittlung praktischer Kenntnisse im Umgang mit den modernen Sprachen (Konversation, Briefschreiben und Lektürekurse) fand als untergeordnete, nicht wissenschaftliche Tätigkeit nur geringe Wertschätzung. Der spanische Lektor und Bibliothekar in Berlin Alvar Agustín de Liaño beklagte sich auf Französisch bitter über die „vanité des professeurs des sciences supérieures“ und ihre Vorstellungen bezüglich des Gehalts der ‚Lehrbeauftragten’. Die Ankündigung ihrer Kurse erfolgte vielfach unter der Rubrik Recentiorum linguarum doctrina artiumque gymnasticarum exercitatio am Ende der Vorlesungsverzeichnisse. Überraschenderweise beschäftigten sich Professoren verschiedener Fachrichtungen gelegentlich mit den romanischen Literaturen. Wilhelm Uhden, Archäologe, einer der Mitbegründer der Berliner Universität, Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Staatsrat und vorübergehend Leiter der Abteilung für öffentlichen Unterricht im Ministerium des Innern (! ), übernahm beispielsweise die Lectura Dantis. Leopold von Ranke, der 1825 als a.o. Professor für Geschichte berufen wurde, behandelte die Geschichte der italienischen Poesie. Oder Julius Ludwig Ideler, ein Ägyptologe, verfaßte die Geschichte der altfranzösischen Nationalliteratur. Sein Vater, Akademiemitglied, Altertumswissenschaftler und Geograph, gab Handbücher der englischen, französischen und italienischen Sprache und Literatur heraus. 1804/ 1805 besorgte er in Berlin eine Don Quijote-Ausgabe mit spanischen Anmerkungen. Ein letztes Beispiel für diese Universalgelehrsamkeit: Immanuel Bekker, ein klassischer Philologe, dem die monumentale Aristoteles-Ausgabe zu verdanken ist, beschäftigte sich mit altromanischen Handschriften und edierte Fierabras sowie den Versroman Floire et Blancheflor. 28 26 Briesemeister, Dietrich: Sprachmeister und Lektoren im Vorlesungsangebot für die neueren Fremdsprachen an der Universität Jena 1750-1830, Stuttgart 2008, Pallas Athene, Bd. 68 (im Druck) 27 Fürbeth, Frank u.a. (Hg.) Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, Tübingen 1999. Fohrmann, Jürgen; Vosskamp, Wilhelm (Hg.): Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im 19. Jahrhundert, Stuttgart 1994. Danneberg, Lutz; Höppner, Wolfgang; Klausnitzer, Ralf (Hg.): Stil, Schule, Disziplin. Analyse und Erprobung von Konzepten wissenschaftsgeschichtlicher Rekonstruktion, Frankfurt 2005, enthält auch eine Auswahlbibliographie zur Geschichte der Philologien an der Berliner Universität. 28 Für die frühe Querverbindung zwischen Germanistik und Romanistik vg. Baum, Richard: Die Wende in der Philologie: Die Geburt der Sprachwissenschaft aus dem Geiste der Romantik. Jacob Grimm und Friedrich Diez, in: Fürbeth, Frank u.a. (Hg.) Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, Tübingen 1999, S. 221- 240. Lelke, Ina: Die Brüder Grimm in Berlin. Zum Verhältnis von Geselligkeit, Arbeitsweise und Disziplingenese im 19. Jahrhundert, Frankfurt 2005. (Kapitel: Die erfolgreichen Altphilologen - Die machtlosen Germanisten). Die Neuphilologien in der Auseinandersetzung mit der klassischen Philologie 343 Die Berufungspolitik an der Humboldtschen Reformuniversität gestaltete sich schwierig. Einerseits erkennen einige Fakultätsmitglieder die Notwendigkeit fachlicher Spezialisierung und die Aufteilung in Sprach- und Literaturwissenschaft. Karl Lachmann, der zunächst Altphilologe war und dann die philologische Textkritik in der Germanistik begründete, definierte den Gegenstand der neueren Philologie als „alles, was in der provenzalischen, in der französischen, in der italienischen, vielleicht [! ] auch was in der spanischen Sprache geschrieben ist und einen europäischen Einfluß gehabt hat“. Zu beachten ist hier die Reihenfolge und damit die Wertung beziehungsweise das Prestige der europäischen ‚Kultursprachen’. Indem Lachmann auch noch die englische Literatur hinzurechnet, wird die Neuphilologie zum Riesenfach. Romanische und englische Philologie blieben an den deutschen Universitäten in der Tat bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts institutionell unter dem Dach eines Seminars vereint. 29 Das Jahrbuch für romanische und englische Literatur (1859-1876) war das gemeinsame wissenschaftliche Organ. Das Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen wurde 1846 begründet (und erscheint heute noch) mit dem programmatischen Hinweis, daß das Studium der Sprachen und Literaturen der neueren „Culturvölker“ ein wahres Humanitätsstudium sei, damit also der Klassischen Philologie ebenbürtig und ebenso gewichtig. Merkwürdigerweise befürwortete Lachmann die Schaffung einer Dante- und einer Shakespeare-Professur neben dem neuphilologischen Ordinariat. Trotz der zeitgenössischen Begeisterung für Cervantes und Calderón kommt die spanische Literatur jedoch nicht mit einem solchen Privileg zum Zug. Der für die Dante-Professur schließlich auserkorene Dichter Giacomo Leopardi starb 1837, und der Shakespeare-Lehrstuhl blieb vakant. Jahre zuvor wurde zeitweise über Alexander von Humboldt mit August Wilhelm Schlegel verhandelt, er wurde 1818 berufen, ging aber an die im gleichen Jahr gegründete Universität Bonn. Selbst die Berufung von Friedrich Heinrich von Hagen zum a.o. Professor für deutsche Altertumswissenschaft - die Disziplin folgt dem Wolfschen Konzept der klassischen Altertumswissenschaft - war schwer durchzusetzen gegen den Widerstand der Fakultät, zu deren Sprecher sich Schleiermacher aufschwang: Ein neues Studium solle nicht eher als akademischer Lehrgegenstand aufgestellt werden, als bis die „allgemeine Stimme“ sich für diese „Maßregel“ erklärt habe. Der von Friedrich Schlegel zusammen mit dem philosophisch ausgerichteten Altertumswissenschaftler August Boeckh vertretene Philologiebegriff und theoretisch-hermeneutische Ansatz konnte sich gegenüber Lachmanns posi- 29 Christmann, Hans Helmut: Romanistik und Anglistik an der deutschen Universität im 19. Jahrhundert: ihre Herausbildung als Fächer und ihr Verhältnis zur Germanistik und klassischen Philologie, Mainz 1985. Richert, Gertrud: Die Anfänge der Romanischen Philologie und die deutsche Romantik, Halle 1914. Zum Vergleich der Entwicklungen in Nord- und Süddeutschland vgl. Seidel-Vollmann, Stefanie: Die Romanische Philologie an der Universität München (1826-1913). Zur Geschichte der Disziplin in ihrer Aufbauzeit, Berlin 1977. Dietrich Briesemeister 344 tivistischen Prinzipien nicht behaupten. 30 Ludwig Tieck schlug die Berufung nach München auf einen Lehrstuhl für Ästhetik aus. Erst mit der Berufung von Friedrich Wilhelm Schmidt, der aus dem Gymnasialdienst kam, wurde 1830 gleichzeitig mit Friedrich Diez in Bonn, eine tragfähige Lösung gefunden, die insbesondere den Aufschwung der hispanistischen Studien in Berlin begünstigte. Nach dem Rückzug von Victor Aimé Huber (1843-1851) brach sie allerdings auch wieder ab. Huber, dessen Berufung nicht unumstritten war, hatte sich mit einer Untersuchung De primitiva cantilenarum popularium epicarum (vulgo romances) apud Hispanos forma 1844 habilitiert. 31 Sein Doktorand Paul Heyse, späterer Nobelpreisträger, wurde mit einer lateinischen Dissertation Studia Romanensia 1852 promoviert. 1882 wurde Adolf Tobler schließlich als „erster selbständiger Vertreter dieser jetzt mündig gewordenen Wissenschaft“ - nämlich der Romanischen Philologie - von Theodor Mommsen in der Preußischen Akademie der Wissenschaften begrüßt. Mommsen, Professor für Römisches Recht, Alte Geschichte und Herausgeber des Corpus Inscriptionum Latinarum, bescheinigte Tobler das Verdienst, „den alten Bann, als gebe es eine Philologie nur für das Griechische und Lateinische, gebrochen und den großen Gedanken der weltumfassenden und weltenbändigenden Sprachwissenschaft der realen Entwicklung näher geführt“ zu haben. Das bewirkte zwar nicht Adolf Tobler allein und nur in Berlin, aber die Anerkennung aus dem Munde des berühmten Altertumsforschers Mommsen, daß die Romanische Philologie als wissenschaftliche Disziplin ihre Eigenständigkeit erreicht hat und den ihr gebührenden Platz in der Universität einnimmt, markiert einen Meilenstein in der Entwicklung der Neuphilologie. 30 Pfeiffer, Rudolf: Die Klassische Philologie von Petrarca bis Mommsen, München 1982, S. 222-223. 31 Briesemeister, Dietrich: Victor Aimé Huber hispanófila, in: Alemanya - Espanya. Viatges i viatgers entre ficció i realitat, Valencia 2008 (im Druck). Javier García Albero Traducción y Filología: Karl Mager y el Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 1 La aparición de la Nueva Filología en el siglo XIX frente a la Filología Clásica El siglo XIX marca un punto de inflexión sin igual en los estudios de Filología. Por ello, es razonable comenzar nuestro estudio con una pequeña introducción al inicio de este “cisma” filológico ocurrido en el siglo objeto de nuestra exposición. Frente a la dominante y prestigiosa Filología Clásica, dedicada al estudio del latín y el griego con procedimientos ahistóricos, comienza a germinar una Neuphilologie (Nueva Filología) que, respetando e incluso tomando como ejemplo a aquella, pretende iniciar un estudio riguroso de las lenguas y literaturas de las naciones europeas modernas atendiendo a los desarrollos históricos de dichas lenguas y literaturas. No lo tuvo fácil la Neuphilologie; el proceso para la creación y consolidación de los estudios de las nuevas filologías en las universidades alemanas se prolongaría durante casi todo el siglo XIX. En primer lugar, estimamos necesario introducir a un personaje de capital importancia para la aparición de las nuevas filologías y su estudio, y con el que guarda una especial relación el Archiv: Karl W. E. Mager (1810-1858). Bien es verdad que no podemos olvidar de ninguna manera a todos los filólogos que ya desde el siglo XVIII sentaron las bases de la filología moderna, empezando por Johann Gottfried Herder, considerado uno de los padres de la misma, Jacob Grimm como fundador de la filología germánica, Friedrich Diez de la Romanística y tantos otros entre los que sin duda se encontrarían las aportaciones de la escuela de Gotinga, de Friedrich J. Bertuch y su Magazin der spanischen und portugiesischen Literatur, etc. Pero no es nuestra tarea descubrir aquí los inicios de la filología moderna, sino presentar a uno de los impulsores fundamentales de los estudios de la Neuphilologie en las escuelas y universidades alemanas. Se reconoce que Mager pone, con su escrito “Die moderne Philologie und die deutschen Schulen”, la primera piedra para el levantamiento del estudio de las nuevas lenguas y literaturas. Es el editor de la revista Pädagogische Revue y el artículo aparece en el primer número de dicha publicación, en 1840. Cierto es que otros artículos aparecerían en un intervalo de pocos años con el estudio de las nuevas filologías como argumento principal, por ejemplo el de Heinrich A. Keller 1 1 Keller, Heinrich Adelbert (1842) “Inauguralrede über die Aufgabe der modernen Philologie”. Javier García Albero 346 en 1842 o el de Karl F. Elze 2 en 1845. No obstante, estos se basan en gran parte en las ideas de Mager 3 , cuyo escrito mencionado anteriormente continúa considerándose el escrito fundacional más importante de la Neuphilologie. Mager, educado en la tradicional Filología Clásica, entiende que la Filología no puede limitarse a Grecia y Roma, y que los pueblos modernos, sus lenguas y culturas también son dignos de un estudio científico por parte de los filólogos, eso sí, siempre que en su estudio hayan pasado por el griego y el latín. Así, para Mager, la Filología es: “...ein Volk, oder einen Kreis von Völkern, in der Allseitigkeit ihrer Existenz bis auf den Grund ihrer Seele erforscht zu haben” 4 , y diferencia entre tres tipos de Filología, la clásica, la oriental y la moderna, dentro de la cual se incluirían la filología germánica, románica y la eslava. La tarea del filólogo, por su parte, tendrá tres vertientes: “Kritik, Exegese, Theorie der Dichtkunst und Beredsamkeit” 5 . El ensayo de Mager tiene una doble intención: por un lado, impulsar el nacimiento de una nueva filología que deje atrás la hegemonía de las lenguas clásicas y que permita la consideración del estudio de las nuevas lenguas en calidad de Filología y, por otro, avalar el estudio de dichas lenguas en las escuelas alemanas. Como ya habíamos mencionado, es muy interesante para nuestro estudio la estrecha relación existente entre Mager y su Pädagogische Revue y el Archiv, dos órganos con objetivos muy similares y con una mutua observación que quedará patente en las próximas páginas. 2 El Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen La revista Archiv... es creada y editada en 1846 por Ludwig Herrig (1816-1889) y Heinrich Viehoff (1804-1886), si bien el gran artífice de la aparición de dicha revista es el primero de ellos, tal y como reconoce Viehoff en el prólogo al sexto volumen en 1849. El Archiv se convierte así en la primera publicación científica consciente de la denominada Neuphilologie y en instrumento imprescindible para los incipientes Neuphilologen (nuevos filólogos). De su círculo de lectores se originará la asociación “Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen”, hoy todavía en funcionamiento, habiendo sido rebautizada como “Herrigsche Gesellschaft”, en honor al fundador de la revista. Este, como muchos otros filólogos coetáneos, se había formado en los estudios de Filología Clásica, además de en Teología, en Göttingen y Halle y había adquirido 2 Elze, Karl Friedrich (1845) “Über Philologie als System”. 3 Cfr. Christmann, H. H. “Programmatische Texte der frühen Neuphilologie: Mager (1840), Keller (1842, Elze (1845)”, en: Neumann, W. y Techtmeier, B. (1987) Bedeutungen und Ideen in Sprachen und Texten. Berlin, Akademie Verlag, pp. 51-65. 4 Mager, K. “Die moderne Philologie und die deutschen Schulen“, en: Pädagogische Revue, 1 (1840) Bd. 1, p. 8. 5 Íbid. p. 18. Karl Mager y el Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 347 sus conocimientos de las “nuevas lenguas” de manera autodidacta y mediante estancias en el extranjero, pues en aquel momento todavía no existían las disciplinas de Germanística, Anglística o Romanística, que aparecerían más tarde en parte gracias a sus aportaciones. En el prólogo al primer volumen del Archiv, firmado por los editores, encontramos la idea fundamental de Herrig y Viehoff: consideran, al igual que Mager, con relación a la Filología Moderna als vollkommen festgestellt, und betrachten es ferner als erwiesen, daß das Studium der Sprachen und Literaturen der neueren Culturvölker, wenn es auf die rechte Weise betrieben wird wahres Humanitätsstudium ist, daß in ihm eine reiche Quelle ächt menschlicher Bildung fließt 6 . Así pues, se comienza con la defensa del estudio de las nuevas lenguas y con la justificación de que estas pueden aportar resultados para el avance de las ciencias humanas tan válidos como pudieran ser los aportados por la Filología Clásica, dentro de la cual se considera a la Neuphilologie como de segunda categoría, de lo cual los editores antes mencionados se defienden afirmando: man stütze sich nicht auf eine angenommene Vollkommenheit der classischen Sprachen und Literaturen, als welche zur nothwendigen Folge haben müßte, die ganze moderne Bildung in das Reich des Barbarismus zu verweisen 7 . La tarea de una revista tal será doble. Por un lado, debe consagrarse al avance científico, y por otro, ser un bastión para el estudio de dichas lenguas en la escuela, es decir, se enfrenta a una tarea científica y, al mismo tiempo, pedagógica; debe lograr que el estudio de las nuevas lenguas y literaturas se convierta en un estudio humanístico. Pero ¿cuáles son las nuevas lenguas? En un principio, el Archiv se limitará a los tres Culturvölker relevantes para un estudio humanístico: el alemán, el inglés y el francés, siguiendo así a pies juntillas las observaciones del anteriomente mencionado Mager: nur die Sprachen und Litteraturen derjenigen neueropäischen Nationen auf Schulen gehören, welche in ihrer Gesamtheit die neueuropäische Cultur und Civilisation am besten vertreten (also Deutschland, Frankreich und England) 8 . Así pues, el alemán, el francés y el inglés constituirán el “triunvirato” europeo de las lenguas de prestigio. No obstante, se entiende que los estudios no estarán completamente limitados a dichas lenguas, pues el nuevo filólogo debería conocer y observar las demás lenguas si así quiere ser denominado, pues, como dicen, un filólogo francés no merece ser denominado como tal si no es en realidad un romanista, y el filólogo alemán o inglés no merece tal denominación si no es un 6 Herrig, L. y Viehoff, H. “Vorwort”, en: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 1 (1846), p. 1. 7 “Wünsche für das Studium der neueren Sprachen”, en: Archiv... 4 (1848), p. 226. 8 Mager, Karl, “Ueber Wesen, Einrichtung und pädagogische Bedeutung des schulmäßigen Studiums der neueren Sprachen und Literaturen und die Mittel ihm aufzuhelfen”, en: Gesammelte Werke, Bd. 2, pp. 194-330, aquí p. 215. Javier García Albero 348 filólogo germánico en el sentido más amplio del término. Así, se observa en los diferentes números del Archiv una evolución al ir introduciéndose paulatinamente aportaciones de las demás lenguas, tales como el italiano, el español, el portugués, el vasco, el provenzal, etc. Decíamos anteriormente que la Nueva Filología incluso tomaba como ejemplo a la Clásica. La evidencia más clara de dicha afirmación la encontramos ya en el segundo volumen del Archiv, donde el principal artículo lleva el título de “Der modernen Philologie wird fortdauernde Rücksicht auf die antike empfohlen”, algo que en ningún momento habían negado los nuevos filólogos. El mismo Mager afirmaba: Wir lassen der classischen Philologie, welche Hellas und Latium bewohnt, den Vorrang; ihr, als der Erstgeboren, ist das schönste Erbtheil zugefallen. Auch sei keinem, der sich Philologe nennen will, der Zugang zu einem andern Volke gestattet, er habe denn seinen Weg dahin über Rom und Athen genommen 9 . Como habíamos mencionado anteriormente, y por ello habíamos introducido a Karl Mager, es necesario asociar el Archiv y sus editores a dicho autor. Ya en el segundo párrafo del prólogo al primer volumen del Archiv se nos explica que el concepto de Filología del que se parte es del propuesto por Mager: Wir sehen den Begriff der modernen Philologie nach dem, was Mager, der rüstige Vorkämpfer moderner Schulbildung, darüber gesagt hat... 10 . Poco más tarde, el propio Mager, en una reseña sobre la revista, alabaría la valentía de los editores al publicar una obra tal y aplaudiría el contenido de los dos primeros volúmenes aparecidos. Además, Mager se permite hacer algunas recomendaciones a la nueva publicación, entre las que destaca: ...so scheint es mir, als hätte das Archiv die Pflicht, den heutigen Lehrern der neueren Sprachen und Litteraturen so viel als möglich von dem zu geben, was ihnen die Universität hätte geben sollen 11 . Queda claro que el propósito es la formación de nuevos filólogos que no han podido formarse como tales en la universidad, pues la oferta de nuevas lenguas era todavía muy reducida. Recordemos, por ejemplo, que en Alemania, o mejor dicho Prusia, sólo había dos cátedras de Filología Románica, ocupadas por Diez y Huber 12 . Con la formación de nuevos filólogos se logrará una mejor enseñanza en las escuelas para que, más tarde, estos estudiantes con buena educación pasen a enseñar dichas lenguas en la universidad. Se trata, pues, de edificar la Neuphilologie desde los cimientos, esto es, la escuela. 9 Mager, Karl, “Die moderne Philologie und die deutschen Schulen”, en: Pädagogische Revue, 1 (1840), p. 8. 10 Herrig, L. y Viehoff, op.cit. p. 1. 11 Mager, Karl, “Rezension des Archiv…“, en: Pädagogische Revue, 7 (1846), p. 323. 12 Sobre el papel de la Romanística, en especial de la Hispanística, en el siglo XIX, véase Strosetzki, Ch. (1989) “Die Beschäftigung mit den spanischen Humanisten im Deutschland des 19. Jahrhunderts“, en: Tietz, M. (ed.) Das Spanieninteresse im deutschen Sprachraum. Frankfurt/ M.: Vervuert. Karl Mager y el Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 349 3 Traducción y Filología en el Archiv o Neuphilologie frente a Altphilologie Pocos son los artículos recopilados en el Archiv referentes a la traducción que arrojen algo de luz sobre cuál es el papel de la misma dentro de la filología o su relación con ésta. Deberíamos empezar recordando que el Archiv aparecía con un doble objetivo: uno científico y otro pedagógico o didáctico. Dentro del ámbito pedagógico juega la Traducción un papel muy importante para la formación, entre otros, de los futuros filólogos, tal y como se reconoce en diversos escritos entre los que podríamos mencionar de nuevo al “omnipresente” Mager. Éste propone que los estudiantes reciban en un primer momento las primeras nociones de la lengua en cuestión y que se termine con la composición de textos poéticos y en prosa, pasando por la traducción al alemán de textos en prosa de extensión cada vez mayor, y no, como anteriormente era frecuente, de frases aisladas fuera de todo contexto. Si bien reconoce que la traducción interlineal o palabra por palabra podría ser en un primer instante de gran ayuda, considera que es sólo un primer paso para la traducción final. Desde luego, la práctica de la traducción como medio para el aprendizaje de las nuevas lenguas estará presente tanto como hasta el momento lo había estado y lo seguía estando para el aprendizaje de las lenguas clásicas 13 . Con el plan de estudios aprobado para las escuelas prusianas en 1891, la traducción, tanto directa como inversa, se convierte en punto central para la adquisición de destrezas lingüísticas 14 , no sólo en las lenguas extranjeras, sino también para el enriquecimiento del propio idioma. No hay que olvidar que, además del estudio de las lenguas extranjeras en las escuelas prusianas, se reclamaba una mayor presencia de la lengua alemana en las clases. Hasta ese momento se había hecho mayor hincapié en las lenguas clásicas que en la propia, y así incluso llegó a manifestarlo el mismo Káiser Guillermo II en un discurso en 1890: Wir sollen junge deutsche erziehen, und nicht junge griechen und römer. Wir müssen von der basis abgehen, die jahrhundertelang bestanden hat, von der klösterlichen erziehung des mittelalters, wo das lateinische massgebend war und ein bischen griechisch dazu. Das ist nicht mehr massgebend. Der deutsche aufsatz muss der mittelpunkt sein, um den sich alles dreht 15 . 13 Sirva como ejemplo para las lenguas clásicas el manual de Paul Cauer (1914=1893) Die Kunst des Übersetzens. Ein Hilfsbuch für den lateinischen und griechischen Unterricht. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung. 14 Wendt. G “Neue Bahnen im neusprachlichen Unterricht”, en: Die neueren Sprachen 7 (1899/ 1900), pp. 449-463, aquí p. 452. 15 Recogido en Vietor, W. “Wissenschaft und Praxis in der neueren Philologie”, en: Die neueren Sprachen 7 (1899/ 1900), pp. 1-17, aquí p. 2. Javier García Albero 350 En el Archiv se nos demuestra también la importancia de la traducción como instrumento didáctico de lenguas a través de los programas de cursos ofrecidos en diferentes instituciones de educación secundaria, por ejemplo: “Die ästhetische Uebersetzungskunst. Abhandlung von Kautz. Programm des Gymnasiums in Arnsberg 1847” 16 o “Die Kunst des deutschen Übersetzens. Programm der höhern Bürgerschule in Oldenburg. 1857. 1858” 17 , o las reseñas de los libros y manuales aparecidos para uso en cursos de traducción pedagógica, como por ejemplo “Aufgaben zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Englische, nebst einer Anleitung zu freien schriftlichen Arbeiten. Von Ludwig Herrig.” 18 , “Uebungsbücher zum Uebersetzen aus dem Deutschen in’s Englische, so wie aus dem Englischen in’s Deutsche, herausgegeben von J. Morris” 19 o “Uebungs-Aufgaben zum Uebersetzen aus dem Deutschen in’s Spanische, von J.E.Gomez de Mier (…)“ 20 . Tendremos que recurrir de nuevo a Karl Mager, dada su influencia sobre los editores de la revista, para encontrar los indicios sobre la relación entre filología y la actividad traductiva extraescolar que el Archiv no explicita. En efecto, Mager sí recoge en su escrito cuál debería ser el papel de la traducción dentro de la filología. Si recordamos lo dicho anteriormente, este autor cita entre las tareas del filólogo la crítica, la exégesis y la teoría del arte poético y elocuencia. Sería dentro de la parte exegética donde se situaría la traducción: Dem exegetischen Geschäfte des Philologen schließt sich das Uebersetzen poetischer und prosaischer Kunstwerke an. Daß Uebersetzungen Kunstwerke sind und als solche einen absoluten Werth haben, in ihrer Vollkommenheit aber nur das Werk von Philologen sein können, leugnet wohl keiner, der je Vossens Homer, Schlegel’s Shakspear, Lange’s Herodot u.s.w. mit weniger gelungenen Uebersetzungen jener Autoren verglichen hat 21 . Así pues, la traducción forma parte de la tarea exegética del filólogo y sólo un filólogo puede acometer dicha tarea. Mucho nos recuerdan estas palabras a las de Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, quien en el prólogo a su traducción del Hippolytos de Eurípides, titulado “Was ist Übersetzen? ” y que ha pasado a la Historia como uno de las reflexiones más importantes sobre traducción del siglo XIX, comienza afirmando: “Die Übersetzung eines griechischen Gedichtes ist etwas, was nur ein Philologe machen kann (...)” 22 . Si bien en un primer momento podría haberse pensado que la escisión ocurrida dentro de la Filología podría haber supuesto un cambio de actitudes también en cuanto a la consideración de la Traducción, hemos 16 En: Archiv … 5 (1849), p. 442. 17 Íbid. 24, 1858, pp. 420-427. 18 Íbid. 8, 1851, p. 445. 19 Íbid 31, 1862, pp. 333-334. 20 Íbid 33, 1863, pp. 472-474. 21 Mager (1840), op.cit. p. 22. 22 Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von (1891) “Was ist Übersetzen? ”, en: Rede und Vorträge. Berlin: Weidmannische Buchhandlung, 1913. p. 1. Karl Mager y el Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 351 observado que en realidad las posiciones de los Altphilologen y los Neuphilologen estaban más cercanas de lo que podríamos suponer, como han demostrado los ejemplos de Mager y Wilamowitz. No obstante, si bien ambos reconocen que la traducción es una tarea para filólogos, Wilamowitz no comparte en absoluto la alabanza que leíamos de la traducción de Homero de Voß. En el artículo anteriormente mencionado lanza una dura crítica contra Voß, quizá el más grande de los traductores de obras clásicas al alemán. Tampoco Paul Cauer, autor de otras de las obras de referencia sobre la traducción en el s.XIX 23 , compartirá la opinión de Mager y, aunque con una crítica menos agresiva, se posicionará al lado de Wilamowitz. Pero ¿qué es la traducción? En primer lugar, como hemos observado anteriormente en los títulos de diferentes obras, es común la consideración de la traducción como arte: Die Kunst des Übersetzens (P.Cauer), Die Kunst des Übersetzens in die Muttersprache (G. Lejeune Dirichlet) 24 , Zur Kunst des Übersetzens aus den Französischen (W. Münch), Die Grenzen der Übersetzungskunst (J. Keller), etc. La traducción es la reproducción de un texto compuesto de manera creativa, en el que no aparecen convenciones que podríamos considerar como ‘codificadas’ o ‘estereotipadas’. La traducción, afirma Cauer, al igual que toda actividad artística, “hat seine eigene Kraft auf dem Gebiete des Irrationalen” 25 . Esta consideración de la traducción como arte se prolonga hasta nuestros nuestros días; la discusión acerca de si la traducción puede considerarse realmente una ciencia o no sigue abierta. Mencionemos, por ejemplo, la afirmación de Newmark de que “toda traducción es parte ciencia, parte habilidad, parte arte y parte cosa de gustos” 26 . En una de las pocas reflexiones traductológicas aparecidas en el Archiv 27 se diferencia entre traducción poética y traducción prosaica. Esta pocas veces entraría dentro del ámbito del arte, sería mera paráfrasis y lo más importante sería la fidelidad, que, como afirma el autor, si bien es una virtud, no es en ningún caso arte. En el caso de la traducción de poesía, el autor afirma que el traductor debe reproducir exactamente la forma del texto tal y como la encontró en el original: er muss dieselben Metra, dieselben Rhythmen anwenden, und darf keinen Versfuss hinzufügen, keinen Versfuss davonthun 28 . En este sentido, diferirá de la opinión de Wilamowitz, quien, como hemos visto, lanzaba precisamente esa crítica a la traducción homérica de Voß y se 23 Cauer, P. op.cit. 24 En: Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 150 (1894), pp. 507-518. 25 Cauer, op.cit. p. 7. 26 Newmark, P. (1987) Manual de traducción, Madrid: Cátedra, 1992. 27 Altmann, J. “Aufgaben der Uebersetzungspoesie”, en: Archiv...37 (1865), pp. 11-28 y 149- 168. 28 Íbid. p. 21. Javier García Albero 352 apartaba así también de Mager. Será Wilamowitz el que nos ofrezca una de las definiciones de la traducción más interesantes y explícitas: Es ist kein freies Dichten ( ); das dürften wir nicht, gesetzt wir könnten es. Aber der Geist des Dichters muß über uns kommen und mit unseren Worten reden. Die neuen Verse sollen auf ihre Leser dieselbe Wirkung tun, wie die alten zu ihrer Zeit auf ihr Volk und heute noch auf die, welche sich die nötige Mühe philologischer Arbeit gegeben haben (...). Es gilt auch hier, den Buchstaben verachten und dem Geiste folgen, nicht Wörter noch Sätze übersetzen, sondern Gedanken und Gefühle aufnehmen und wiedergeben. Das Kleid muß neu werden, sein Inhalt bleiben. Jede rechte Übersetzung ist Travestie. Noch schärfer gesprochen, es bleibt die Seele, aber sie wechselt den Leib: die wahre Übersetzung ist Metempsychose 29 . Por lo observado hasta el momento, podemos decir que las pocas reflexiones traductológicas de los nuevos filólogos se diferencian de las de los clásicos, o al menos de los que nosotros hemos tomado como ejemplo, en que estos últimos consideran que la poesía contemporánea no puede reproducir la métrica clásica, mientras los primeros son partidarios de lo contrario. No obstante, en el fondo coinciden al afirmar que la traducción debe mantener el contenido del original e intentar reproducir el tono, el colorido e incluso el aroma del mismo. La traducción será, como afirma Wilamowitz, metempsicosis, una reencarnación en la que cambia al cuerpo pero el alma se mantiene. Nos parecía interesante, dado el tema y el periodo que tratamos, observar también la opinión de los representantes de la Filología Clásica en lo referente a la Traducción. Consideramos de gran interés introducir a los Altphilologen en nuestro escrito por dos razones: la primera, porque así conseguimos en cierto modo ofrecer un panorama filológico-traductológico más completo del siglo XIX y, en segundo lugar, porque son los Altphilologen los que se encargan de mantener viva la discusión traductológica en un periodo, como es la segunda mitad del siglo XIX, escaso en manifestaciones traductológicas 30 . 4 Conclusiones En las anteriores páginas hemos podido analizar la relación entre Filología y Traducción en el siglo XIX tomando como punto de partida la primera revista científica dedicada exclusivamente a la Nueva Filología. Ello nos ha dado la oportunidad de contrastar la postura de los nuevos filólogos, perfilada en el Archiv y en su antecesor o ”guía” Karl Mager, y la de los filólogos clásicos, para lo cual hemos examinado algunos de los textos 29 Wilamowitz-Moellendorff, op.cit. pp. 5-7. 30 Cfr. Vega Cernuda, M. A. (1994) Textos clásicos de teoría de la traducción. Madrid: Cátedra. Karl Mager y el Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 353 traductológicos más significativos de la segunda mitad del siglo XIX, como los de Wilamowitz-Moellendorff y Paul Cauer. De lo anteriormente estudiado podemos decir que la traducción se ve vinculada a la filología en dos ámbitos diferentes: por una parte, la Traducción queda recogida en la parte exegética de la labor del filólogo. Por otra parte, la Traducción, o mejor dicho, la traducción pedagógica, es un instrumento básico para el aprendizaje de las lenguas por parte de los futuros filólogos. En la primera, la traducción es juzgada como un arte, mientras que en la segunda la traducción es un intrumento para la adquisición de destrezas lingüísticas. Con pequeños matices coincidirán las opiniones de los nuevos filólogos y de los filólogos clásicos a este respecto. Si en algo difieren las dos especialidades será, obviamente, en el tipo de traslación, pues en el caso de los Altphilologen se reflexiona sobre la traducción vertical, esto es, de lenguas de prestigio a lenguas por así decirlo vulgares, y en el caso de los Neuphilologen se practica una traducción horizontal, esto es, entre lenguas modernas, y además una traducción intralingüística, pues se trasladan textos del antiguo alemán al alemán moderno 31 . El menosprecio por parte de los primeros a la actividad filológica y traductiva de los segundos con las lenguas modernas ha llegado a recordarnos a la tradicional distinción entre traducción vertical o de prestigio y traducción horizontal o de lenguas ”fáciles”, recogida en la célebre cita quijotesca de los tapices: Me parece que el traducir de una lengua en otra, como no sea de las reinas de las lenguas, griega y latina, es como quien mira los tapices flamencos por el revés; que aunque se veen las figuras, son llenas de hilos que las escurecen, y no se veen con la lisura y tez de la haz; y el traducir de lenguas fáciles, ni arguye ingenio, ni elocución, como no le arguye el que traslada, ni el que copia un papel de otro papel” (Cervantes, Don Quijote de la Mancha. Cap. LXII, Segunda Parte). Como hemos observado, la segunda mitad del siglo XIX es un periodo parco en manifestaciones traductológicas y así se manifiesta también en las diferentes revistas cietíficas dedicadas al estudio de las lenguas modernas. La Neuphilologie retoma en parte un tema que ya había estado presente en discusiones anteriores en alusiones que recuerdan la célebre querella de los antiguos y modernos. Sin tomar partido exclusivista sí que supone una estima de las filologías modernas, consiguientemente, de la traducción de las lenguas modernas, y de los textos clásicos. 31 Véase, por ejemplo, la traducción del Parzival de Eschenbach en nuestra revista: Krüger, E. “Probe einer neuen Uebersetzung Parzivals von Wolfram von Eschenbach nebst Rechtfertigung“, en Archiv… 26 (1859), pp. 25-36. Miguel Ángel Vega Expansión actual de los estudios de la traducción e implosión de las filologías en las universidades españolas: la Traducción, ¿punto omega de la Filología? 1. Un poco de historia El título que el Prof. Strosetzki me asignó cuando hace un año me habló por primera vez del congreso que hoy finaliza, no deja de ser comprometedor, ya que me obliga a tratar una situación de la universidad española que no es del todo satisfactoria. Obviamente puedo acercarme al tema guardando las apariencias o guardando la verdad. Y aquí podría mencionar el dicho que se pone en boca de Aristóteles: Amicus Plato, sed amica veritas. Sinceramente prefiero hacerlo guardando la verdad o lo que yo, modestamente, creo verdad. Y debo decir, y no lo digo por compromiso, que el tema me parece de gran actualidad, dado que desde hace unos 20 años asistimos a un proceso en el que, a medida que crecen y se desarrollan los estudios de la traducción (no solo en interés social, es decir, en número de alumnos sino también en bibliografía e importancia científica 1 ), la Filología sufre un proceso de deterioro social que la condena al ostracismo académico: se reducen dotaciones, se elimina profesorado y especialidades y se evita la motivación del alumnado por los estudios humanísticos. Previsiblemente el proceso boloñés va a hacer, si cabe, todavía más imparable el proceso, no tanto por el proceso en sí mismo, sino porque se está aprovechando la implantanción de la carta de Bolonia para arremeter contra la vigencia ya centenaria de la disciplina filológica. Además, en paralelo a este proceso divergente (de mengua por parte de la filología y de crecimiento por parte de los estudios de la traducción), estos últimos se están desprendiendo del tronco común del que salieron para integrarse en un pandemonium de disciplinas de diversa índole que obligan a una lectura enormemente interdisciplinar de la reflexión sobre la traducción. En efecto, los estudios de la traducción no son 1 Cabe decir que los estudiosos europeos de la traducción, haciendo alarde de una cierta estrechez de miras, desconocen las aportaciones bibliográficas españolas, cuantiosas en cantidad y respetables - más o menos lo mismo que las francesas, alemanas o inglesas - en calidad. España es actualmente el país que manifiesta un mayor interés científico por la traducción. Miguel Ángel Vega 356 ya una rama del tronco filológico, sino una enredadera que absorve savia de diversas disciplinas académicas y saberes de nuevo cuño como son, sobre todo, las denominadas TICs o ”tecnologías de la información y la comunicación“. Si miramos al pasado, constatamos que Traducción y Filología fueron siempre de la mano. En la Antigüedad, Cicerón hizo sus pinos traductores (los discursos de Esquines y Demóstenes) con el objetivo de propagar y difundir el ”estilo ático”, es decir, con un propósito retórico o, lo que es lo mismo, filológico, tal y como confiesa en su de optimo genere oratorum: (...) quoniam Attici nobis propositi sunt ad imitandum (...) Converti enim ex Atticis duorum eloquentissimorum nobilissimas orationes inter seque contrarias. Pero será desde el Renacimiento - más exactamente, desde que Nebrija sacara a la luz pública en la Salamanca de 1492 su Gramática española, creando con ello la moderna ciencia del lenguaje, la Filología 2 -, cuando la traducción empezó a manifestar una dependencia evidente de las ciencias y saberes que constituían el tronco común filológico: su ejercicio derivaba de los progresos y trabajos de la lexicografía, general o especializada, tales como los denominados ”diccionarios muy copiosos” de Jean Pallet 3 o de Nicolas Mez 4 , de los estudios y manuales de morfosintaxis como la Gramática, o instrucción española y alemana (1666) 5 , así como de los estudios de la literatura, bien fuera en forma de exposiciones históricas, bien fuera en forma de discusiones estilísticas tales como la que, por ejemplo, provocarían, primero en Francia y después en el resto de Europa, la célebre querella de los antiguos y los modernos. Por su parte, la evangelización de América estuvo unida a los interesantes trabajos de traducción (la versión de los huehuehtlatolli o ”sabiduría de la vieja palabra” que realizara Bernardino de Sahagún 6 o la traducción del Popol Vuh del dominico P. Ximénez) que surgían de los trabajos filológicos de sus autores. En el ámbito del hispanismo alemán, los trabajos de Fr. Diez, a medio camino entre la literatura y la lingüística (sus Altspanische Romanze o su Grammatik der romanischen Sprachen) derivaron, sin duda, del conocimiento y traducción al alemán de la obra del malagueño Luis José Velázquez de Velasco 7 así como de las propias traducciones y de 2 En este sentido parece que nuestros políticos no se han dado cuenta todavía de la concepción que presidía la obra del erudito lebrijano, a saber, la de que la lengua es compañera inseparable del imperio, es decir, del gobierno en convivencia. 3 Jean Pallet, Diccionario muy copioso de la lengua espanola y francesa/ Dictionnaire tres ample de la langue françoise et espagnole Ausg., Paris: 1604. 4 Nicolás Mez de Braidenbach, Diccionario muy copioso de la lengua Española y Alemana hasta agora nunca visto, Sacado De diferentes Autores con mucho trabajo, y diligencia. Viena: Juan Diego Kürner, 1670. 5 Ver al respecto D. Messner, Los manuales de español impresos en Viena en el siglo XVII. Salzburg: Institut für Romanistik der Universität, 2000. 6 Ver al respecto Miguel León-Portilla, Bernardino de Sahagún pionero de la antropología. México: UNAM, 1999. 7 Luis Velázquez, Los orígenes de la poesia castellana. Málaga: Francisco Martínez Aguilar, 1754; la traducción alemana, bajo el título de Geschichte der spanischen Expansión actual de los estudios de la traducción e implosión de las filologías 357 muchas otras que se emprendieron en la época dorada de la afición hispana de las letras alemanas. A la inversa, los conocimientos filológicos alimentaban nuevas traducciones que hacían de las literaturas nacionales patrimonio común de la humanidad erudita. Así, por ejemplo, la coleccion de romances de Grimm influyó en los intereses ”románicos“ de Diez. E igualmente los trabajos de traducción y la erudición filológica de A. W. Schlegel o del diplomático y mecenas Adolf von Schack, poeta e investigador de la literatura árabe y española, manifiestan una mutua realimentación. A estos vectores filológicos de la traducción venía a añadirse como factor de dependencia filológica de esta disciplina una preceptiva traductológica que derivaba de la preceptiva literaria, tal y como ponen de manifiesto de manera paradigmática las discusiones en torno a las llamadas ”bellas infieles”. También los trabajos de traducción de J. Bertuch (El Quijote de Cervantes y el Quijote de Avellaneda), por ejemplo, incluían implícitamente ya una teoría de la recepción literaria al censurar, con criterios estilísticos propios, pasajes que el traductor consideraba inadecuados a la sensibilidad de la época y de la sociedad que recibía el texto. Por su parte, el clérigo suizo J. Breitinger, en 1740, incorporaba la preceptiva traductora, a la que dedicaba un extenso apartado de más de setenta páginas, a su Kritische Dichtkunst. Incluso, esa teoría de la traducción se hacía explicita en las críticas filológicas de un Herder o un Schlegel. Además, el prestigio de la traducción de las lenguas clásicas (gracias, por ejemplo, a la traducciones de Voss, Cauer o Willamowitz), ejercicio que depende de manera nuclear del saber filológico 8 , ligaba la versión al estudio filolológico, entendido éste como suma de saberes humanísticos que permiten la interpretación integral del texto a partir de la interpretación integral del mundo. Este panorama de interacción mutua cambia con el proceso de aceleración e intensificación de las relaciones internacionales, no solo de orden comercial o político sino también cultural, que inaugura el siglo XX. Goethe parece haberlo previsto, tal y como afirma Manfred Osten en su Goethes Entdeckung der Langsamkeit. La consolidación de imperios multilingüísticos y multiculturales en los que la integración del indígena dependía de una comunicación fluida con los administradores y la metrópoli; las guerras mundiales, que en su desarrollo dependieron de la comunicación interlingüística 9 ; la paz basada en una justicia internacional que exige una Dichtkunst, apareció en Gotinga en 1769 y fue, como bien se sabe, fuente documental imprescindible para los interesados en nuestra literatura. 8 Han sido muy escasos los traductores de lenguas clásicas que no han pertenecido al gremio profesional de los docentes de la Filología clásica: nadie que no hubiera tenido el saber filológico de un García Yebra, p. e., se habría atrevido con la traducción de la Metafísica de Aristóteles. 9 Recuérdese en este contexto el papel que en la disgregación del Imperio Austrohúngaro desempeñaron las ordenanzas lingüísticas de Badeni (1897) que, a través de la babel originada por las mismas, contribuyeron de manera decisiva a la propagación de la Miguel Ángel Vega 358 salvaguarda de los derechos comunicativos de los reos (El juicio de Nürnberg), ya que los juzgadores pueden hablar no solo lenguas sino lenguajes jurídicos distintos; la internacionalización de los procesos económicos y de producción a los que se somete tanto al trabajador bananero de la Fruit Company costarricense como al naviero que los desembarca en los muelles de Nueva York: todos ellos son factores que han llevado a la eclosión de la traducción como saber pragmático y como una necesidad comunicativa marcada por un signo diametralmente opuesto a aquella tradicional Langsamkeit propia de la Filología que propiciaba la reflexión, el estudio, la consideración del valor semántico o incluso etimológico de las palabras, etc. La aproximación de la universidad a las realidades sociales, aproximación impuesta por el desarrollo de los tiempos, hizo que la traducción, tradicionalmente un ”saber hacer” abandonado a la intuición y a los conocimientos aleatorios del traductor (todavía en el vagón de Compiègne uno de los compromisarios alemanes tuvo que improvisarse como intérprete), accediera a los estudios académicos y que ese acceso se realizara bajo el signo de la celeridad. Cuando la traducción llega a la universidad con la creación, en 1934, del primer centro de formación de profesionales - el de Mannheim/ Heidelberg -, lo hace ya desprendida y desposeída de muchas de sus connotaciones filológicas: las necesidades perentorias de comunicación que las expectativas de unos Juegos Olímpicos, los del 36, imponían a una Alemania obligada a la hospitalidad lingüistica, hicieron que solo en un segundo momento se integraran en la Universidad, y dentro de ella, se constituyeran en una rama al margen de la filología. Cuando esto sucedía, ya hacía incluso casi medio siglo que Schlohmann había creado su diccionario plurilingüe, primer intento de emancipar la lexicografía de la Filología y convertirla en una saber tecnológico 10 . Por esos mismos años 30, en Viena, Wüster sentaba las bases de una nueva disciplina, la Terminología, cuyo organigrama más tenía que ver con la mecánica del conocimiento que con la captación valorativa del mismo. Cincuenta años más tarde fueron también los imperativos de un proceso pragmático, a saber, el de la internacionalización que imponía en España el inminente acceso a lo que entonces solo era la Comunidad Económica Europea, los que abrieron en nuestro país las puertas de la formación académica a la traducción a través de la creación del Instituto de Traductores de la Universidad Complutense en 1974 o las Escuelas de Traducción de Barcelona y Granada. La voluntad pragmática con la que nacieron los nuevos estudios en las Escuelas Universitarias, provocó que en la formación furia nacionalista pangermánica y, más tarde, al derrotismo en el interior del ejército cacanio, magistralmente representado por el escritor Lernet-Holenia en su novela Die Standarte. 10 Alfred Schlomann-Oldenbourg, Illustrierte technische Wörterbücher. Bd. 10: Motorfahrzeuge (Motorwagen, Motorboote, Motorluftschiffe, Flugmaschinen). In sechs Sprachen: deutsch, engl., französ., russisch, italien., spanisch. München & Berlin: Oldenbourg, 1910. Expansión actual de los estudios de la traducción e implosión de las filologías 359 de los futuros profesionales se dejaran de lado momentos, vamos a llamarles, ”inútiles” - en sentido aristotélico - y contextuales, tales como el estudio de la historia, de la literatura o de la dimensión diacrónica de la lengua. De esta manera, lo que inicialmente habría podido ser una clara y evidente derivación de la Filología hacia la vida profesional que la habría anclado de manera evidente en la sociedad, derivó por senderos propios en los que pronto se ignoró el planteamiento propio de la Filología. 2. El presente: apuntes sociológicos de una disciplina Huelga decir que la situación a la que a continuación voy a referirme tiene como punto de referencia la situación española, una situación que quizás pueda extrapolarse a la situación de otros países, entre ellos Alemania, extrapolación que, sin embargo, no quisiera realizar. Así pues, a pesar de haberlo hecho con mucha tardanza - tardanza bastante llamativa si se considera que a lo largo de la historia habían existido interesantes precedentes de institucionalización de la actividad: desde la escuela abbassida o las escuelas toledanas a la escuela de lenguas orientales francesa -, la traducción irrumpió con enorme fuerza y con planteamientos propios en los estudios universitarios. Lo que inicialmente fue una derivación práctica de la Filología (de hecho el área de conocimiento a la que se adscribió la nueva disciplina se denominó, bien es verdad que solo por unos pocos años, ”lingüística aplicada a la traducción“); lo que inicialmente se describía en términos puramente filológicos en las obras del francés Mounin 11 o del checo Jiri Levy 12 , pronto se convirtió en una compleja disciplina, un tanto desorientada, para la que incluso tardó en encontrarse una designación universalmente aceptada: ”Estudios de la Traducción“ o Translations Studies, ”Translatología“,”Translémica“,”Traductología“ o, simplemente, ”Traducción e Interpretación“ fueron denominaciones que resaltaban uno u otro aspecto del ejercicio de la traducción. El célebre organigrama de Kiraly (1972) fue un ensayo para fijar una organización de los estudios de la traducción que aún hoy en día se propone como modelo y que, sin embargo, manifiesta alguna laguna importante al no contemplar en su estructura la visión histórica de los estudios. Esta situación de desorientación fue motivada en parte, en opinión del que les habla, no solo por la voluntad de constituir con celeridad un corpus disciplinar propio, sino por el deseo de que éste permitiera una cierta individualización profesional que reportara beneficios de gremio o, incluso, de persona. En ocasiones, la organización de los estudios fue producto de aficionados. En muchos casos, los diseñadores y gestores de los planes de traducción habían tenido muy poco que ver con el ejercicio o la ocupación 11 Mounin, G. (1963). Les problemes théoriques de la traduction. París: Gallímard, 1963. 12 Jiry Levy: Die literarische Übersetzung. Theorie einer Kunstgattung. Frankfurt/ Main: 1969. Miguel Ángel Vega 360 intelectual de la traducción. La obligación de atender a los diversos intereses de gremios que querían sacar su tajada (bien fuera para los estudios de la historia, los estudios clásicos o la lingüística, etc.) hicieron de la planificación de los estudios de la traducción una cuestión de distribución de poder. Afinidades electivas de partido, de sindicato o de especialidad fueron factores determinantes en la constitución de los equipos personales e, incluso, del corpus doctrinal. Así, por ejemplo, en algunas facultades en las que la Filología Románica estaba en decadencia, hubo intentos de introducir como lenguas C lenguas minoritarias como el rumano, y el griego clásico se pretendía mantener como lengua optativa. En la universidad a la que entonces pertenecía el que les habla, se encargó a un triunvirato profesoral el esbozo del plan de estudios: uno de ellos ni siquiera había escrito en toda su vida un artículo y menos traducido; otro no sabía decir una palabra que no fuera en español castizo, y el tercero, más enterado, no había enfrentado en su vida la didáctica de la traducción. En otra universidad cuyo nombre no quiero mencionar, desempeñó un papel importantísimo en el diseño del plan de estudios un colega que, sin tener todavía siquiera el aval de investigación que proporciona el grado de doctor, no conocía ningún idioma que no fuera el materno, lo que ciertamente parecía un contrasentido tratándose de la traducción. Incluso hoy en día, cuando se trata de reestructurar los estudios de la traduccion, se atiende, más que a la formación del futuro profesional, a la conveniencia de mantener un cuerpo de profesores de la ”propia cuerda” (lease facultad, departamento o área de conocimiento). Junto a esto, la provisión de plazas se hizo y se sigue haciendo con alardes de improvisación. El célebre caso de Victor Klemperer, romanista él, quien teniendo que hacerse cargo de un seminario de literatura española en los años 30, emprendió un viaje improvisado a nuestro país para posesionarse de nuestra cultura, sería buen ejemplo de lo que se ha hecho en España en el ámbito de la nueva especialidad. Todavía hoy (quizás hoy más que nunca) se ”habilita“ como profesores titulares para el ejercicio de la enseñanza de la traducción a docentes con pocos años de docencia. Mención aparte merece el hecho de que muchos de los nuevos docentes, creados ex nihilo y provenientes del ámbito filológico, carezcan todavía del aval que da el ejercicio profesional, manifestable, p.e., a través de traducciones, publicadas, en las que pusieran de manifiesto que en su caso ”predicar y dar trigo“ son dos cosas que van de acuerdo. De esa desorientación motivada por intereses de gremio ha derivado el hecho de que la didáctica de la traducción haya tardado tanto tiempo en encontrar una localización administrativa fija en los estudios universitarios. Mientras que, en los años 70, la entonces Comunidad Europea pronosticaba que el mejor alojamiento de los nuevos estudios era el tercer ciclo universitario, los intereses, más o menos creados, del gremio de enseñantes, siempre presentes en la universidad española, lo situaron inicialmente en un primer ciclo (=tres años), solución que pronto se manifestó como insuficiente por el mero hecho de que los organismos europeos se negaban a colocar Expansión actual de los estudios de la traducción e implosión de las filologías 361 profesionales que no tuvieran un grado académico mínimamente digno, a saber, el de la licenciatura, de cuatro o cinco años. A partir de ahí empezó la Babel organizativa: Mientras algunas universidades españolas integraban los estudios de la traducción en unos departamentos específicos, pero en el interior de la tradicional Facultad de Filología o de Filosofía y Letras (las universidades de Alicante, de Valencia o de Castellón, por ejemplo), sin que ello diera pie a atender una mayor dependencia teórica de la ciencia-madre, otras universidades como las de Granada, la Autónoma de Barcelona o Valladolid crearon la más joven de las facultades españolas: la de traducción. Siguiendo una vía propia, la veteranísima Universidad de Salamanca alojó los estudios de la especialidad en una rara ”Facultad de Traducción y Documentación“, uniendo dos disciplinas que, sin ser ajenas, no tienen más común denominador que el ser dos especialidades que responden a necesidades reales de nuevo cuño, aunque no necesariamente complementarias: la segunda, la documentación, tendría una situación ancilar ( omo la podría tener la Lingüística) frente a la traducción, la cual, por su parte, no tendría especial obligación con la documentación. Además, el hecho de que las dos habilidades ”translémicas“, por utilizar un término propuesto por G. Wotjak que incluye la traducción y la interpretación, se hayan metido, a pesar de sus diferentes perfiles aptitudinales y profesionales (la primera orientada a la comunicación escrita y la segunda a la oral) en un mismo cajón de sastre, ha hecho que la nueva especialidad, como conjunto, se haya orientado como saber eminentemente pragmático, lo que, sin embargo, no ha llevado, como en el caso de la Medicina o del Derecho, a un entrenamiento que prolongue la estancia del estudiante en la universidad. Mientras en Alemania, la formación del intérprete difiere en duración (mínimo diez semestres) y cualificación (el perfil profesional es optativo a partir del sexto semestre) de la del traductor, en España el egresado sale supuestamente cualificado con ambas habilidades profesionales adquiridas en una única formación integrada, que no integral, de cuatro años u ocho semestres. A esta situación vinieron a añadirse elementos, vamos a llamarlos, ”cosmovisivos“ del momento. En ese proceso de pragmatización de los estudios de la traducción ha desempeñado un papel importante la ”mitificación y fascinación de la técnica“ que impregna la sociedad moderna y que, por cierto, había recibido un gran impulso en las sociedades totalitarias de la primera mitad del siglo XX. La investigación de la nueva disciplina se orienta hacia temas de escaso componente teórico y de enorme documentación pragmática (con masivo apoyo mecánico) o hacia el dirigismo de la actividad. Así, por ejemplo, no es extraño que en las pruebas de habilitación que dan paso a nuevas ”generaciones“ de profesorado, se presenten trabajos de investigación que, por ejemplo, pretenden, sobre las teorías de tal o cual filósofo francés o americano, ”orientar democráticamente“ la praxis profesional de los traductores. Así, por ejemplo, en vez de reflexionar sobre la naturaleza de la traducción o sobre su función antropológica, se prefiere determinar la manera de proceder ante los problemas concretos de traducción que un texto jurídico Miguel Ángel Vega 362 o técnico presenta... sobre la observación empírica de corpus textuales, es decir, a partir de la observación del comportamiento de muchos otros traductores o redactores, a los que se ha desposeído de su identidad, a saber, de la ”caja negra“ que les permitiera dar cuenta de los motivos que los llevaron a optar por una solución concreta. Con ello se extrapola el ”pensamiento democrático“ (es decir, las decisiones mayoritarias, en este caso lingüísticas) a comportamientos de una realidad que tiene naturaleza y leyes propias, haciendo caso omiso de aquel principio de la latinidad: Caesar non est supra grammaticos. Se hacen imperar criterios de número, no de calidad. De todos son conocidos los errores lingüísticos ”democráticamente“ aceptados que perviven en la cultura y cuya aceptación popular no debería justificar su uso. Por mencionar solo un ejemplo: en español el término ”álgido“ (en, p.e., ”el momento álgido“) tiene una aceptación y un uso generales que van en contra del significado real y etimológico de la palabra. Posiblemente un trabajo de ”lexicografía cuántica“ lo justificaría. Por lo demás, un examen aleatorio de los planes de estudio de nuestras universidades manifiesta las lagunas y efectos derivados de esta situación. Así, por ejemplo, a pesar de que desde hace tiempo se viene hablando de las ”competencias” del traductor y desarrollando modelos cada vez más complicados; a pesar de que en todos ellos se hace referencia a la subcompetencia cultural y temática como uno de los pivotes de la competencia traductora, la preparación y entrenamiento de la misma brilla por su ausencia en el organigrama de los estudios: la preparación cognitiva y cultural del traductor sigue siendo, desde la instauración de la especialidad, la cenicienta de los planes de estudios. Observándolos críticamente, uno tiene la sensación de que en el futuro los ”delitos de la traducción”, la mayoría de los cuales tienen un componente cognitivo, seguirán siendo norma y dando qué hablar y escribir a Julio César Santoyo. Si tomamos el plan de estudios ”tipo” de una universidad española cualquiera, comprobamos que, en el breve espacio de 8 semestres, el futuro profesional tiene que hacerse, en primer lugar, con una serie de habilidades y, en segundo lugar, con una serie de conocimientos (lingüísticos y temáticos) que a todas luces resultan insuficientes, densos y precipitados. Veámoslo más en concreto: 1. En el bloque de conocimientos temáticos se imparten asignaturas tales como Actuaciones Judiciales / Civilización B (alemana, árabe, francesa inglesa)/ Civilización española I y II / Instituciones internacionales / Microeconomía y Macro-economía / Introducción al derecho comunitario / Introducción a las ciencias experimentales / Introducción a la métrica / Relaciones internacionales. Expansión actual de los estudios de la traducción e implosión de las filologías 363 2. Un segundo bloque de materias contempla la formación de habilidades instrumentales: Informática aplicada a la Traducción / REM (Revisión, edición y maquetación textual)/ Proyecto de terminología / Informática / TAO (Traducción automática y asistida)/ Terminología I y II. 3. El tercer bloque se orienta a la adquisición de conocimientos lingüisticos (teóricos y prácticos): LATI (Lingüística Aplicada a la Traducción y la Interpretación) / Lengua española I, II y III. Lengua B: francés/ inglés/ alemán. Lengua C ( francés, italiano/ alemán/ portugués). 4. El cuarto contempla las habilidades propias del traductor: Traducción B-A (alemán, árabe francés e inglés) / Traducción C-A italiano / Traducción A-B (alemán, árabe, francés e inglés) / Traducción A- C italiano/ Traducción A-B Jurídica, económica y comercial (alemán, árabe, francés e inglés) / Traducción B-A Científico-técnica (alemán, francés e inglés) / Traducción A-B Científico-técnica (alemán, francés e inglés) / Traducción A-B Jurídica, económica y comercial (alemán, francés e inglés)/ Traducción A-B Divulgación / Traducción B-A. 5. El último bloque se orienta a la adquisicion de las habilidades interpretativas: Técnicas de Interpretación Consecutiva / Técnicas de Interpretación Simultánea / TPT (Teoría y práctica de la Traducción) / Traducción general neerlandés-español/ Traductología/ Historia de la Traducción e Interpretación / Interpretación de conferencia A-B / Interpretación de conferencia B-A (alemán, francés e inglés) / Interpretación simultánea científico-técnica (alemán, francés e inglés) / Interpretación simultánea económico-jurídica (alemán, francés e inglés) / La profesión del traductor e intérprete. Tal es la oferta de la, a todas luces, insuficiente enseñanza de nuestras universidades en materia de formación de profesionales de la mediación lingüística y cultural, oferta que a continuación pasamos a analizar. Como podemos comprobar, el mayor peso específico de la formación temática hace referencia a contenidos de tipo jurídico, lo que evidentemente viene impuesto por lo que antiguamente los románticos alemanes llamaban die Signatur des Zeitalters, la ”signatura del tiempo”. La paulatina reglamentación de la vida social lo impone. Pero no es menos cierto que estos contenidos deberían ir acompañados Miguel Ángel Vega 364 de contenidos de tipo enciclopédico y cultural que permitieran hacer frente a la casuística cognitiva del texto. Aunque en los últimos tiempos hemos asistido en Europa a una intensificación de los intercambios estudiantiles que, en parte, pueden proporcionar parte de ese conocimiento de las actualidades nacionales, los aspectos diacrónicos de la política, la historia, la lengua, la literatura o el arte, que siempre suponen un estudio sistemático, están mayormente ausentes de los planes de estudio. Omito el hecho de que en muchas universidades españolas, los estudiantes deben añadir como pensum curricular en el mismo lapso de tiempo los estudios de las lenguas autonómicas. El resultado es que, por ejemplo, el estudiante, carente de formación general, a la hora de traduccir un texto de Humboldt, confunda Neapel con Nepal (sic) o, traduciendo el Italienische Reise, haga ”reír a la pata de la mesa” (sic), al no identificar al retratista de Goethe bajo el apellido Tischbein. Además, se observa una carencia importante de momentos filológicos en la formación, como podrían ser la lingüística general, la retórica, la estilística o el estudio de las literaturas, tanto nacional como extranjera, que deben de formar parte del bagaje de todo traductor que se precie, incluso aunque se dedique a la traducción de textos de literatura gris. Personalmente no creo que un traductor sepa dar cuenta correcta de su profesión sin un bagaje de ”autoridades” de su propia lengua, pertrecho que debe haber adquirido a través de la continua lectura y del estudio, al menos somero, de la propia literatura. Aspectos formativos más complementarios, como podrían ser rudimentos de la historia o de la historia del pensamiento, brillan por su ausencia, en el convencimiento de que el perfil que se pretende del futuro traductor es el de un profesional pragmático, casi el de un secretario con lenguas, hábil en solucionar problemas textuales específicos. Añadamos que toda esta situación resulta tanto más paradógica cuanto que el grueso del profesorado de nuestros centros de formación de traductores procede de las facultades de Filología. No es necesario decir que los profesionales de la nueva especialidad se han apresurado a romper sus relaciones con la especialidad madre. Se piensa que la competencia en el uso de herramientas (TICs, documentación online, terminología, todo ello, sobre el principio del famoso ”aprender a aprender” de la nueva didáctica) debe sustituir lo que anteriormente se pretendía que fuera un estudio sistemático y orgánico de toda una serie de disciplinas que formaban parte del entrenamiento cognitivo y que constituían los pertrechos enciclopédicos del filólogo y, por supuesto, del traductor. Indiscutiblemente no es lo mismo la solución de un problema de conocimiento a través de una documentación puntual que la integración de esa solución en un conjunto de saberes jerárquicamente organizados que el traductor previamente posea. Pues bien, a pesar de estos defectos estructurales o quizás precisamente por ello, la nueva especialidad creció como una plaga en el panorama académico. El número de centros se extendió como una mancha de aceite por la geografía académica española hasta el punto de que en cierto momento el Prof. Santoyo llegó a hablar de ”más jaulas que pájaros“ con referencia a los centros de formación de traductores. Quizás hoy en día todas las jaulas se hayan llenado, Expansión actual de los estudios de la traducción e implosión de las filologías 365 pero posiblemente a costa de la calidad y a costa de una utopía: la de un mercado laboral infinito. Al día de hoy son más de una veintena los centros que imparten los estudios de traducción en España: las universidades de Alicante, Barcelona (2), Murcia, Valencia, Valladolid, Salamanca, Córdoba, País Vasco, Madrid (4), Vigo, Sevilla, Málaga, Murcia, Granada, Castellón, Vic, todas han ido introduciendo la nueva especialidad ante las perspectivas nada halagüeñas de la Filología tradicional. En todo caso hay que reconocer que ésta, la Filología, ha sido en parte culpable de la nueva situación, al desatender la necesidad de salir del carácter abstracto a ultranza que obligaba a los futuros profesionales a pasar por el aro de asignaturas con escaso componente profesional. La integración de asignaturas tales como la Lingüística histórica o Dialectología en los planes de formación general, materias que tenían difícil acomodo en la futura praxis profesional del estudiante, aunque esta fuera la de la docencia, rebajaron el perfil profesional del estudiante de Filología. A pesar de ello, el egresado tenía relativamente buen acomodo profesional en actividades generalistas. Sin embargo, con la instauración de los estudios de la Traducción se dio pábulo al mito de que la nueva espacialidad era una Filología práctica orientada exclusivamente al ejercicio profesional. Con ello se realizó un auténtico cambio de paradigma, y desde el primer momento se cambiaron incluso los patrones textuales que servían de entrenamiento de las competencias traductoras. Los planes de estudios dejaron de considerar el ”estudio filológico del texto literario“ y de su traducción y lo sustituyeron por el ”tratamiento del texto especializado“, bien fuera jurídico, técnico o médico. El texto humanista, de historia general o de la cultura, se relegó a la categoría de la optatividad, sin considerar que la casuística comunicativa del texto especializado es muy limitada y que los verdaderos problemas de comunicación (de comprensión y reexpresión del texto) se dan en el texto literario o en el texto generalista. Este cambio de paradigma se dio también en las disciplinas auxiliares y en el modus operandi. La Lexicología y Lexicografía, saberes definitivos en el saber hacer del traductor, cedieron su puesto a la Terminología y el trabajo individual fue sustituido, en aras de la racionalización laboral, por el trabajo en equipo. Y sobre todo, el principio del enciclopedismo, anteriormente postulado inapelable para el ejercicio de la traducción, se sustituyó por otros principios como el trabajo en equipo (equipo de supuestos expertos: terminólogo, redactor, corrector, etc.), principio que no siempre funciona, ya que hay que compaginarlo con otros parámetros laborales, tales como el de la ”reducción de plantillas“ o simplemente con el de ”¿para cuándo dice que lo quiere? “. Reconozco que todos estos males a los que me refiero se curan, sin embargo, con el tiempo, pues justo es decir que a la improvisación inicial seguió una dedicación que va superando los traumas del nacimiento y las crisis de desarrollo. Hoy en día, España es la nación que más títulos de traductología produce, buenos, regulares o malos, pero que testimonian el gran interés por el tema y que paulatinamente van corrigiendo la pobreza inicial. Pero cierto es que la Filología se va borrando del horizonte de la Traducción. Miguel Ángel Vega 366 3. Conclusión Resumiendo, el estado en que se encuentra esta relación materno-filial que existió entra la Traducción y la Filología, cabe decir que está pasando un estado de extrañamiento. Los estudios de Filología, sobre el pecado original de una despragmatización cada mez más escandalosa a la que fueron sometidos, se separaron paulatinamente de las necesidades profesionales de la sociedad y se orientaron a la formación de profesores sin alumnos. Por su parte, los estudios de la Traducción han puesto como horizonte formativo la obtención de un perfil profesional carente de mayores exigencias intelectuales. La inmediatez de las futuras tareas de la ”traducción“, mal llamada, ”profesional“ (y en esta falsa denominación tiene especial implicación la ”teoría alemana“), es decir, la traducción de textos pragmáticos (llámese instrucciones de uso, sentencias judiciales o partidas de nacimiento) se ha impuesto como motivación de la formación del futuro profesional. Fuera de su horizonte queda el estudio de las necesidades intelectuales de la sociedad a la que pertenece. Fuera de su horizonte queda la necesidad que existen en nuestras sociedades de, por ejemplo, traducir para un ”programa de mano“ los Catuli Carmina de Orff, el comentario político de Le Monde para su homónimo español o las guías de turismo cada vez más globalizadas. Fuera de sus horizontes de formación queda el perfil de ese traductor que debe trabajar, mayormente en solitario y con criterios estrictamente filológicos, los 15.000 títulos que al año se traducen en España (7.000 en Alemania) y cuya presencia uno percibe cuando, en la Feria del Libro del Paseo de Coches del Retiro madrileño o en la sede de la FIL de Guadalajara (Méjico), el curioso bibliófilo encuentra que los varios centenares de expositores venden en su mayoría... obras traducidas. Volviendo al título del tema que se nos propuso: ¿Implosión? Sí: implosión de la Filología motivada por la dejadez de unos filólogos que fueron por el camino trillado de la repetición sin buscar nuevas aplicaciones sociales a sus investigaciones y enseñanzas. En la implosión de la Filología hay mucho de rutina y cierta falta de mercadotecnia que habría que corregir. ¿Expansión de los estudios de la traducción? También, por los intereses creados de ciertos gremios académicos, llevados más por el amor propio que por el amor a la ”cosa en sí“. En la explosión de los estudios de la traducción hay mucho de aprovechable e ineludible, pero también muchos elementos espúreos que habría que corregir y reconducir... a la Filología. Para acabar este congreso que tiene lugar en esta ciudad de Westfalia en la que en la Paz entre los comisionados holandeses y españoles se puso la primera piedra para esa Europa más unida y más humanista que hoy disfrutamos - una ciudad y una paz en las que precisamente uno de nuestros clásicos, Saavedra Fajardo, llevó gran parte del peso de la negociación con holandeses, franceses o suecos - quisiera apelar a una reintegración de la nueva especialidad en el seno de la Filología, de la que no debería haber salido. Al mismo tiempo quisiera pedir que la Filología Expansión actual de los estudios de la traducción e implosión de las filologías 367 abandonara planteamientos abstractos a ultranza y que intentara socializar los conocimientos y valores que produce. De esta manera, el Hermes que anuncia esta nuestra reunión podrá constituirse en el intérprete de la sabiduría que Palas representa; de esta manera, el título programático de este Congreso tendría cumplimiento: “la traducción, futuro y horizonte de la Filología”.