Siegfried im höfisch-archaischen Raum in der 2., 3. und 6. Aventiure des Nibelungenlieds


Seminararbeit, 2016

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Forschungsstand

3. Siegfried im höfisch/archaischen Raum: 2., 3. und 6. Aventiure

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Siegfriedfigur ist eine zentrale Figur des Nibelungenlieds, die auf verschiedene, teilweise widersprüchliche Weise dargestellt wird und deren Einbettung in die höfische Gesellschaft nicht immer reibungslos vonstatten geht. Stattdessen findet ein ,,kontrastierendes Spiel von Minne/Modernität und Heroik/Archaik statt"1. Siegfried wird einerseits in einer höfisch angelegten Welt konturiert, andererseits werden immer wieder archaische Aspekte der Figur hervorgehoben, die scheinbare Widersprüche darstellen und ihre Kohärenz weniger durch logisch-kausale Zusammenhänge als durch motivische Dopplung erlangen. Es soll untersucht werden, inwiefern in der zweiten, dritten und sechsten Aventiure eine Ambivalenz höfischer und archaisch-mythischer Elemente in Bezug auf die Siegfriedfigur besteht und auf welche Weise diese Elemente im Erzählkontext konturiert werden. Während Siegfried in der zweiten Aventiure in den höfischen Kontext eingebunden und als höfischer Ritter stilisiert wird, verändert sich sein Verhalten in der dritten Aventiure zum archaischen hin, sodass er einen Konflikt mit dem Wormser Hof provoziert, bevor eine erneute Wendung zum Höfischen vollzogen wird. Archaische und höfische Elemente stehen sich ambivalent gegenüber, sowohl in Hinblick auf Siegfried als auch in Betrachtung der Gesamtsituation. In der sechsten Aventiure tritt der höfische Raum wieder in den Vordergrund, aber auch mythische Elemente sind in den Text eingebunden.

Im Folgenden wird zunächst einmal der Forschungsstand kurz dargestellt. Danach wird die Einführung der Siegfriedfigur in der zweiten Aventiure in Bezug auf höfisierende Elemente thematisiert, bevor die dritte Aventiure und die darin vorkommenden Spannungen zwischen archaischen/mythischen/heroischen und höfischen Darstellungen Siegfrieds untersucht werden. Schließlich wird auch die sechste Aventiure in den Blick genommen, bevor das abschließende Fazit folgt. Ein Schwerpunkt liegt auf der Darstellung Siegfrieds in der dritten Aventiure.

2. Forschungsstand

In der Forschung werden verschiedene Theorien hinsichtlich der Interpretation des Nibelungenlieds diskutiert. Unter anderem werden paradigmatisches und syntagmatisches Erzählen gegenübergestellt.2 Peter Strohschneider hingegen nähert sich der Thematik des Nibelungenliedes unter dem Aspekt des Systems der Brautwerbung an und zeigt dadurch auch Dissonanzen hinsichtlich der Siegfried Figur auf.3 Ein weiterer Aspekt des Nibelungenliedes ist die kalkulierte Unbestimmtheit, die von Jan-Dirk Müller thematisiert wird. Dabei geht es um ,,Erzählstrategien [], die nicht auf Klarheit, sondern auf Ambiguität zielen"4 und eine prinzipielle Offenheit einiger Stellen des Textes. Außerdem nimmt Müller Bezug auf eine doppelte Jugendgeschichte Siegfrieds und grenzt die Erzählung Hagens von der Einführung Siegfrieds durch den Erzähler ab, indem er von unterschiedlichen Erzählinstanzen ausgeht und das vermittelte Wissen kontrastiert.5 Armin Schulz hingegen setzt sich mit Kohärenz und der Frage, auf welche Weise diese erzielt wird, auseinander. Dabei stellt er fest, dass die Kohärenz des Textes nicht auf kausale Linearität beschränkt werden kann und die ,,Erzähllogik kontiguitär"6 ist.7 Mit dem ,,widersprüchlich anmutende[n] Nebeneinander heroischer und höfischer Elemente"8 beschäftigt sich Julia Zimmermann in einem Aufsatz.

Gemeinsam ist all diesen Ansätzen, dass sie Ambivalenzen und Dissonanzen in der Darstellung der Figuren feststellen und auf unterschiedliche Weise versuchen, den Text zu deuten und die Erzähltechnik logisch zu erklären. In Hinsicht auf die Siegfriedfigur scheint eine grundlegende Problematik zu bestehen, den Einschub mythischer und archaischer Momente in den höfischen Kontext zu begründen und den scheinbar fehlenden Kausalzusammenhang einiger Passagen des Textes in Hinblick auf alternative Möglichkeiten von Kohärenz zu untersuchen.

3. Siegfried im höfisch/archaischen Raum: 2., 3. und 6. Aventiure

3.1 Höfisierung in der 2. Aventiure: Darstellung Siegfrieds als höfischer Ritter

In der zweiten Aventiure wird Siegfried als Königssohn am Xantener Hof eingeführt und seine adelige Stellung und der höfische Kontext werden hervorgehoben. Bereits in Strophe 19, der zweiten Strophe der zweiten Aventiure wird allerdings ein unbestimmter Raum geschaffen, der später in der dritten Aventiure durch Hagens Erzählung mit Siegfrieds Abenteuern gefüllt wird, die in der zweiten Aventiure noch nicht konkretisiert werden: er versuochte vil der rîche durch ellenthaften muot. / durch sînes lîbes sterke er reit in menegiu lant ( Nibelungenlied, Str. 19). 9 Außerdem wird Siegfried als mutig, tapfer, kampfgewandt und schön charakterisiert (vgl. Nibelungenlied, Str. 19-20). Dadurch wird in den Vordergrund gerückt, dass Siegfried über die Qualitäten eines höfischen Ritters verfügt.10 Auch seine höfische Erziehung und seine hervorragenden Eigenschaften werden betont und damit seine Position am Hof hervorgehoben. Ebenso genießt er hohes gesellschaftliches Ansehen und erfreut sich großer Beliebtheit. Im weiteren Verlauf der zweiten Aventiure wird die Schwertleite Siegfrieds thematisiert und in diesem Kontext auch die Großzügigkeit der Herrscherfamilie dargestellt. Der Begriff der milte (Nibelungenlied, Str. 39) ist kennzeichnend für diese bedeutende Herrschertugend. (vgl. Nibelungenlied, Str. 25-39).

Die Schwertleite stellte als feierliche Übergabe der Waffen an junge Adlige, die wehrfähig geworden waren, eine Tradition dar, die mit der Vorstellung des Rittertums verbunden war und somit stark in den höfischen Kontext integriert war. In der zweiten Aventiure werden das Fest, dass die Schwertleite begleitet, die Freigiebigkeit der Gastgeber und die Ritterspiele dargestellt, die Schwertübergabe selbst wird allerdings nicht direkt beschrieben, sondern bleibt vage.11

Die Pracht des Hofes wird übermäßig groß dargestellt und die höfischen Tugenden immer wieder in den Vordergrund gestellt, wodurch ein Idealbild des Hofes und der Siegfriedfigur gezeichnet wird. Die herausragende Position Siegfrieds wird auch darin deutlich, dass die rîchen herren ( Nibelungenlied, Str. 40) ihn anerkennen. Siegfried jedoch lehnt eine Machtübernahme zu Lebzeiten seiner Eltern ab, was sowohl seine Demut gegenüber seinen Eltern widerspiegelt als auch die Möglichkeit für seine Reise ins Nibelungenland und seine Werbung um Kriemhilt eröffnet, da ihm dies vermutlich als König nicht möglich gewesen wäre.

[...]


1 Ehrismann, Otfried: Nibelungenlied. Epoche - Werk - Wirkung. München 1987, S. 116.

2 vgl. Schulze, Ursula: Das Nibelungenlied. Stuttgart 1997, S.132.

3 vgl. Strohschneider, Peter: Einfache Regeln - komplexe Strukturen. In: Nibelungenlied und Nibelungenklage. Neue Wege der Forschung. Hrsg. von Christoph Fasbender. Darmstadt 2005, S. 48-82.

4 Müller, Jan-Dirk: Spielregeln für den Untergang. Die Welt des Nibelungenliedes. Tübingen 1998, S.145.

5 vgl. Ebd., S. 125-132.

6 Schulz, Armin: Fremde Kohärenz. Narrative Verknüpfungsformen im Nibelungenlied und in der Kaiserchronik. In: Historische Narratologie - mediävistische Perspektiven. Hrsg. v. Harald Haferland u.a. Berlin u.a. 2010 (Trends in medieval philology; 19), S. 352.

7 vgl. Ebd., S.344.

8 Zimmermann, Julia: Überlegungen zur buchepischen Komposition der Jugendgeschichten von Siegfried und Hagen im ,Nibelungenlied'. In: Deutsche Literatur und Sprache im Donauraum. Internationale mediävistische Konferenz, Olmütz 5.5. - 7.5. 2005. Hrsg. v. Christine Pfau. Olomouc 2006, S. 64.

9 Es wird folgende Textausgabe zugrunde gelegt: Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach der Handschrift B. hrsg. von Ursula Schulze. Ins Neuhochdeutsche übersetzt und kommentiert von Siegfried Grosse. Stuttgart 2015, Str.19, V.2-3.

10 vgl. Schulze 1997, S. 14.

11 vgl. Ebd., S. 148.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Siegfried im höfisch-archaischen Raum in der 2., 3. und 6. Aventiure des Nibelungenlieds
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Germanistisches Institut)
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
13
Katalognummer
V1169877
ISBN (eBook)
9783346580917
ISBN (Buch)
9783346580924
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Siegfried, Nibelungenlied, Avenriure, höfisch-archaischer Raum
Arbeit zitieren
Katharina Düsterwald (Autor:in), 2016, Siegfried im höfisch-archaischen Raum in der 2., 3. und 6. Aventiure des Nibelungenlieds, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1169877

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