Liebeskonzept in Goethes "Heidenröslein" und "Gefunden"


Hausarbeit, 2020

15 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entstehung des „Heidenröslein“
2.1. Das „Heidenröslein“ als Akzeptanz sexueller Gewalt an Frauen?
2.2. Das „Heidenröslein“ als Mahnung?
2.3. Zusammenfassende Bewertung

3. Die Entstehung von „Gefunden“
3.1. „Gefunden“ als Exempel von Behutsamkeit und Verantwortungsübernahme

4. Gegenüberstellung der Gedichte

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Johann Wolfgang von Goethe, 1749 in Frankfurt am Main geboren und 1832 in Weimar gestorben, gilt bis heute als einer der bedeutendsten deutschen Dichter. Zu den bevorzugten Sujets seiner Lyrik zählen Natur und Liebe, die sich nicht selten miteinander verbinden und eine eindeutige Einteilung in Natur- und Liebesgedichte erschweren.

Zwei solcher vermeintlichen Naturgedichte, die auf den ersten Blick von sich gegen das Gebrochenwerden wehrenden Blumen handeln, aber als eine durchaus sexuell gefärbte Begegnung zwischen Mann und Frau ausgelegt werden können, sind das „Heidenröslein“ (1771) und „Gefunden“ (1813).

Dem „Heidenröslein“ wird in neueren Interpretationen oftmals die Verherrlichung oder zumindest schicksalsergebene Akzeptanz sexueller Gewalt an Frauen nachgesagt (vgl. Künzel: 2001, 56). Ein Schwerunkt meiner Arbeit wird es sein, dieser Spur zu folgen und nach Abwägung des Für und Wider eine Bewertung dieser These vornehmen zu können. Anschließend soll das Gedicht „Gefunden“ hinsichtlich des entworfenen Szenarios und Situationsausgangs analysiert und dem „Heidenröslein“ gegenübergestellt werden, um zu sehen, welche Liebeskonzepte in den sich der Blumenmetaphorik bedienenden Gedichte ausgedrückt werden.

2. Die Entstehung des „Heidenröslein“

Die erste Fassung von Goethes Gedicht „Heidenröslein“ ist im Sommer 1771 in Straßburg entstanden und wurde von ihm selbst erstmals in den Vermischten Gedichten im achten Band seiner Schriften von 1789 abgedruckt (vgl. Sauder: 1996, 127). Während seines Studienaufenthalts in Straßburg hat Goethe sich auf Empfehlung Johann Gottfried Herders mit der Sammlung elsässischer Volkslieder beschäftigt, ob das Gedicht allerdings wirklich durch ein gehörtes Volkslied entstanden ist, bleibt bis heute nicht eindeutig geklärt (vgl. Woesler: 2005, 196).

In Sesenheim machte Goethe die Bekanntschaft der Familie des Landpfarrers und verliebte sich in eine von dessen Töchtern, Friederike Brion. Goethe selbst äußert in seiner Autobiografie „Dichtung und Wahrheit“, dass er für Friederike einigen Liedern bekannte Melodien untergelegt habe und diese ein artiges Bändchen ergeben hätten (vgl. Jeßing: 1999, 122). Es ist daher wahrscheinlich, dass das „Heidenröslein“, das zu den sogenannten „Sesenheimer Liedern“ gezählt wird, einem Brief an sie beigelegen hat (vgl. Sauder: 1998, 976).

Darauf, inwieweit sich das Liebesverhältnis zu Friederike Brion für die Deutung des Gedichts fruchtbar machen lässt, werde ich an späterer Stelle zurückkommen. Bereits im Jahr 1773 hat Herder ein dem späteren „Heidenröslein“ sehr ähnliches Gedicht als „Fabelliedchen“ ohne Verfasserangabe in seinem „Auszug aus einem Briefwechsel über Ossian und die Lieder alter Völker“ und anschließend 1779 leicht abgewandelt unter dem Titel „Röschen auf der Heide“ in den „Volksliedern“ mit der Bemerkung „aus mündlicher Sage“ abgedruckt (vgl. Burdorf: 2015, 52). Ob Goethe diese mündliche Quelle dargestellt hat, bleibt jedoch offen, da beide Dichter die Urheberschaft zu ihren Lebzeiten nicht eindeutig geklärt haben. Der deutsche Germanist Erich Trunz hält es für durchaus möglich, dass Herder das „Heidenröslein“ mündlich von Goethe, der seinen Freunden öfter Gedichte vorgetragen hat, hörte und es in dem Wissen um die Anlehnung an ein Volkslied in seine Sammlung aufgenommen hat. Eben aus diesem Grund, die Anlehnung an ein gehörtes Volkslied, könnte es sein, dass beide Dichter die Eigenleistung dieses Gedichts als gering einschätzten und es keiner von ihnen eindeutig für sich veranschlagt hat (vgl. Trunz: 1999, 510).

Als möglichen Ausgangspunkt für das erwähnte „Röschen auf der Heide“ wird zudem der 34. Brief aus Samuel Richardsons Briefroman „Clarissa Harlowe“ gehandelt, in dem Lovelace Clarissa als sein „Rosen=Knöspchen“ (Richardson, 1748, 385) bezeichnet und Belford davor warnt, diese Rose abzubrechen (vgl. ebd., 386), es dann aber letztlich selbst tut.

Herder hat sich mit seinen Gedichten „Das Rosenknöspchen. Lovelace an Belford“ und „Die Blüthe“ auf die Richardsons-Stelle bezogen, die die Symbolik des Rosenbrechens aufgreifen und dem „Röschen auf der Heide“ vorangehen (vgl. Althaus: 1999, 167f).

Als Anregung für den Refrain von „Heidenröslein“ als auch Herders „Die Blüte“ gilt ein neunstrophiges Volkslied aus dem Jahr 1602, das in der Liedersammlung „Bluom und Außbund Allerhandt Außerlesener Weltlicher/Züchtiger Lieder und Rheymen“ des Paul van der Aelst erschienen ist und über den Refrain „Rößlein auf der Heyden“ verfügt (vgl. Woesler: 2005, 196). Da Herder ein Exemplar dieser Liedersammlung besessen hat, ist es möglich, dass Goethe diese bei ihm gesehen und daraus Inspiration für sein Gedicht geschöpft hat. Ebenso ist aber auch ein gehörtes elsässisches Volkslied, das sich nicht bis in unsere heutige Zeit erhalten hat, als Inspirationsquelle denkbar (vgl. Erich Trunz: 1999, 509).

2.1. Das „Heidenröslein“ als Akzeptanz sexueller Gewalt an Frauen?

Die folgende Darstellung soll sich zunächst den Interpretationen jüngeren Datums anschließen, in denen das „Heidenröslein“ oft als Verherrlichung oder zumindest Akzeptanz sexueller Gewalt an Frauen ausgelegt wird, die gewissermaßen im Prozess männlicher Sozialisation enthalten sei.

Das Gedicht „Heidenröslein“ besteht aus drei Strophen zu je sieben Versen, von denen jeweils die letzten beiden („Röslein, Röslein, Röslein roth / Röslein auf der Heiden“) einen Kehrreim bilden und der zweite Vers („Röslein auf der Heiden“) in jeder Strophe wiederholt wird. Damit wird das bereits im Gedichttitel angesprochene „Röslein“ zum Mittelpunkt. Das Versmaß ist durchgängig ein drei- bzw. vierhebieger Trochäus, wodurch einerseits dem melodischen Charakter des Volksliedes, andererseits der aufgeregten Stimmung des Knaben Rechnung getragen wird. Der Rhythmus des Trochäus wird häufig einem Herzschlag ähnelnd beschrieben (vgl. Trochäus, o. D.) und eignet sich daher gut, um die Erregung des Knaben beim Aufeinandertreffen mit dem „Röslein“ zu transportieren.

Am Ausgangspunkt der Interpretation steht die These, dass das „Röslein“ metaphorisch für eine Frau steht, das vermeintliche Naturgedicht wird also als Aufeinandertreffen einer männlichen und einer weiblichen Person ausgelegt. Mit der Gleichsetzung von Rose und Frau wird auf eine lange Tradition in der Literatur zurückgegriffen, denn sie findet sich bereits in der Vagantenlyrik und dem Minnesang des Mittelalters (vgl. Röhrich: 1990, 123).

Sowohl der Diminutiv „Röslein“ als auch die Etablierung der Rose in der Dichtung als Frühlingsblume und somit Zeichen der Jugend, legen ein junges Alter des Mädchens nahe (vgl. Künzel: 2001, 57). Ein weiteres Indiz für das junge Alter stellt die Beschreibung „jung und morgenschön“ (Z.3) dar, da das Mädchen offenbar erst am Anfang ihres Lebens steht beziehungsweise ihre Weiblichkeit soeben erst erwacht ist.

[...]

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Details

Titel
Liebeskonzept in Goethes "Heidenröslein" und "Gefunden"
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1,7
Jahr
2020
Seiten
15
Katalognummer
V1182543
ISBN (eBook)
9783346604156
ISBN (Buch)
9783346604163
Sprache
Deutsch
Schlagworte
liebeskonzept, goethes, heidenröslein, gefunden
Arbeit zitieren
Anonym, 2020, Liebeskonzept in Goethes "Heidenröslein" und "Gefunden", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1182543

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