Inhalte der Kinderbuchdebatte 2013

In Bezug auf unterschiedliche Rassismus- und Diskurstheorien


Hausarbeit, 2015

15 Seiten, Note: 12


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. HistorischerHintergrund

3. SachverhaltderKinderbuchdebatte2013

4. Rasissmus- und Diskurstheorien im Vergleich
4.1. Definition
4.2. StuartHall
4.3. Mark Terkessidis
4.4. Roland Barthes

5. kritische Kinderliteratur in Bezug auf Rassismustheorien
5.1. Astrid Lindgren - Pippi Langstrumpf
5.2. Ottfried Preußler - Die kleine Hexe \ \
5.3. Dr. Heinrich Hoffmann - Der Struwwelpeter \ \

6. Fazit-DiskriminierungsfreieSpracheoder Werktreue?

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit die Kinderbuchdebatte Ende Dezember 2012 aufkam und spätestens Anfang des Jahres 2013 die Schlagzeilen beherrschte, hat sich in der heutigen Kinderliteratur einiges getan

Aus Kinderbuch-Klassikern wurden Wörter oder ganze Satzteile gestrichen, die nicht mehr als politisch korrekt gelten. Einige davon wurden stillschweigend zensiert (http://www.zeit.de/2013/04/Kinderbuch-Sprache-Politisch-Korrekt vom 25.09.2015: 4), andere unter großer Aufruhr debattiert und in Frage ge­stellt. Die folgenden drei Bücher bekamen in der Kinderbuchdebatte mit am meisten Aufmerksamkeit:

Nach Reaktionen von Eltern, Lehrern und anderen Autoren war der Verlag Thienemann mit seiner Ankündigung, man müsse wohl diskriminierende Spra­che in Kinderbuch-Klassikern austauschen, der Auslöser für die langwierige Problematik.

In Otfried Preußlers „Die kleine Hexe“ wurden für die 66. Auflage, anlässlich zu Preußlers 90. Geburtstag, über 70 Änderungen vorgenommen (vgl. http:// www.welt.de/116303210 vom 29.08.2015: Iff.). Begriffe wie ,Negerlein‘ und andere oberflächliche Zuschreibungen von Nationalitäten kommen darin zur Genüge vor. In einem ganzen Kapitel wird erzählt, wie sich alle Kinder als Ne­ger, Chinesenmädchen und Türken verkleiden (Preußler 1957: 86).

In Dr. Heinrich Hoffmanns „Der Struwwelpeter“ wird „Die Geschichte von den schwarzen Buben“ erzählt. Immer wieder taucht die Bezeichnung eines „kohlpechrabenschwarzen Mohrs“ auf (Hoffmann 1970: 6), welche seit gerau­mer Zeit als diskriminierend gilt. Neben der starken Kritik der durchgeführten repressiven Strafpädagogik, welche bei allen Geschichten Hoffmanns vorder­gründig ist, tritt nun noch eine deutliche Ablehnung gegen progressiven Rassis­mus hervor, welcher in der Geschichte vom schwarzen Buben vermittelt wird. In der Kinderbuchdebatte wurden zahlreiche Kritiken gegen weitere Werke der Kinderliteratur erhoben. Unter Anderem auch gegen den Klassiker „Pippi Langstrumpf“ von Astrid Lindgren. Eine deutsche Originalausgabe aus dem Jahr 1946 zu erlangen scheint fast unmöglich. Das von ihr verwendete Wort „Neger“ hatte sicherlich nichts mit ihrer damaligen politischen Einstellung zu tun, sondern vielmehr mit einer unschuldigen Fantasiewelt. Wenn überhaupt könnte man die Welt von vor über 60 Jahren, in welcher Lindgren nur ein Teil war, als rassistisch bezeichnen. Es war normal derartig über dunkelhäutige Menschen zu sprechen. Auch das Pippis weißer Vater ein Negerkönig war, der nur die Insel betreten musste, um direkt als besserer, klügerer und herrschen­dem Mensch gefeiert zu werden, hängt allein mit dem damaligen Gedankengut, Europa sei ein überlegenes Land, zusammen (vgl. http://www.zeit.de/2013/05/ Kinderbuch-Debatte-Neger-Rassismus vom 26.09.2015: 1).

War es Ziel rassistisches Gedankengut an Kinder zu übermitteln oder war es nur eine Vorführung der Welt, wie sie damals zu sein schien? In welcher Lage befanden sich diejeweiligen Autoren und wie stehen oder stünden sie heute zu den Änderungen in ihren berühmten Werken? Ist hier die Rede von einer Zensur, einer Werkszerstörung oder findet nur eine sprachliche Anpassung an die Gegenwart statt?

Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit den drei oben genannten Büchern im Be­zug auf die Kinderbuchdebatte unter dem Motto „Diskriminierungsfreie Spra­che oder Werktreue?“ (vgl. http://www.zeit.de/schulangebote vom 26.09.15). Die ausgewählte Literatur wird auf die Vermittlung rassistischen Gedanken­guts hin reflektiert und auf drei verschiedene Rassismus- oder Diskurstheorien übertragen:

Anhand der Theorie von Stuart Halls rassischen Klassifikationssystem und sei­ner Auffassung von Ausschließungspraxen, lässt sich eine Verbindung zwischen den in den Kinderbüchern debattierten inkorrekten Satzstellen aufbauen (vgl. Hall 1989).

Mark Terkessidis zweifelt ein genetisches Herkunftswissen, welches in Schulen vermittelt wird - eben durch solche Literatur - stark an. Bestimmte, als aus­grenzend wahrgenommene Prozesse führen zum Akt der Entfremdung. Dieses Gefühl der Ausgrenzung wird durch die alltägliche Wiederholung immer weiter verstärkt (vgl. Terkessidis 2004).

Zu guter Letzt wird durch Roland Barthes auf die schwere Bedeutung der Spra­che eingegangen und deren feste Verknüpfung an Freiheit auf der einen Seite und Macht auf der anderen, (vgl. Barthes 1980).

Nach ausführlicher Darlegung der drei Theorien, wird der Sachverhalt der Kin­derbuchdebatte näher betrachtet und erklärt worum es tatsächlich geht. Außer­dem wird in Frage gestellt, ob es sinnvoll ist die heute als rassistisch geltenden Begriffe aus alteingesessener Literatur zu verbannen und sie mit vielleicht weniger passendenjedoch politisch korrekten, Worten zu ersetzen.

Eine analytische Gliederung führt letzten Endes zu keiner einen richtigen Meinung in dieser Problematikjedoch wird ein besserer Überblick der Ge­samtsituation verschafft. Außerdem geht es darum, ob Ansätze der Rassismus- und Diskurstheorien in die Form der angeblich vielen Arten des Rassismus im Kinderbuch passen, beziehungsweise sich die Vorgehensweisen in den Kinder­büchern auf ein klares rassistisches bzw. rassisches Muster übertragen lassen.

2. Historischer Hintergrund

Es mag ungewollt seinjedoch vermitteln die Bücher von Preußler, Lindgren und Hoffmann durchaus ein fragwürdiges Verständnis. Die Beziehung zwischen Herrschenden und Beherrschten wird vermutlich durch Einflüsse der veralteten, aber aufPapier verewigten Sprache aufrechterhalten.

Kolonialrassismus ist weiterhin in vielen verschiedenen Formen politisch, rassisch und kuturell präsent und prägt die Menschheit (vgl. Preiswerk 1981: 37). Durch die fast puppenartige und dinghafte Darstellung anderer Bevölke­rungsgruppen, wird die bereits vorhandene Herabsetzung der unterworfenen Völker weiter verstärkt.,,... auch das Bild von Land, Kultur und Sprache. Die Chrakteristika der betreffenden Rasse - so heißt es immer wieder - können den Vergleich mit dem weissen Vorbild nicht aushalten, das kolonisierte Volk habe keinen Beitrag zur universalen Kultur erbracht, und schliesslich müsse man ständig mit dem Ausbruch seiner tierischen Instinkte rechnen“ (vgl. Preiswerk 1981: 41). Es exisitert daher ein Unterschied in der Erziehung zwischen Kin­dern aus einem wohlhabenden, gehobenen Elternhaus und Kindern aus niede­ren Klassen, die ausgeschlossen werden.

Kinderbücher sind in der Lage als Erziehungsmittel in verschiedene Richtungen zu agieren und sie prägen den Verstand eines Kindes mit am deutlichsten. „Die Literatur kann ideologische Überzeugungen einimpfen“ (vgl. Preiswerk: 1981: 43). Dadurch lernen die Kinder mächtiger Leute, dieses Verhalten anzunehmen und fortzuführen. Gleichzeitig hat die Literatur die Funktion das niedere Volk im Zaum zu halten, ihnen deutlich zu machen, wo sie laut Gesellschaft hinge­hören. Über- und Unterlegenheit ist somit auch in den Köpfen der Kindern - unserer „Hoffnung der Zukunft“ - eingepflanzt. Die Bücher sind selbstverständ­lich von den Überlegenen geschrieben.

Hierbei spielen die Erwachsenen eine wichtige Rolle in der frühen Sozialisie­rung des Kindes. Denn sie übertragen ihre Einstellung auf die Kinder. Entweder verstärken oder widerlegen Kinderbücher die Ansicht der Erziehungsberechtig­ten. Injedem Fall wird früher oder später klar gemacht, an welche Rolle man sich zu halten hat. „(Der Neger) ist in seiner Sittlichkeit ganz auf die weisse Rasse angewiesen [...] Ausserdem ist er hilflos wie ein Kind [...] Diese Hilf­losigkeit mag die notwendige und natürliche Folge zweihundertjährigen Skla­ventums sein.“ (vgl. Preisewerk 1981: 81), eine Ansicht des Schriftstellers John Pendleton Kennedy im 19. Jahrhundert. Selbst in den Schulbüchern wurde bis in die 1960er Jahre weiterhin ein solches Wissen vermittelt, ein derartiger Dis­kurs aufrechterhalten. Auch wenn die Härte dieser Beschreibung mit den Jahren abgemildert wurde und auf die bösartige Barbarei eines Sklavensystems auf­merksam machte, wurde weiterhin der Mythos verbreitet, dass Weiße über den Schwarzen stünden und die Sklaverei ein Profitgeschäft für beide Seiten gewesen sei. Die Weißen hatten ihre billigen Arbeitskräfte für harte Arbeit und die Schwarzen konnten sich mit großer Anstrengung und Glück ihre Freiheit erkaufen.

Menschen sind nicht fehlerfrei, doch sollten Schulbücher nicht ein fehlerfreies, interlektuelles und wertneutrales Verständnis vermitteln?

Kolonialer und genetischer Rassismus sind trotzdem häufig in Kinderbüchern anzutreffen. Grundsätzlich gibt es keine unpolitischen Kinderbücher, da der Autor immer in gewisser Weise beeinflusst ist vom Weltbild. „Die bürgerliche Forderung nach einer Entpolitisierung der Kinderbücher [bedeutet] nichts wei­ter als die Kaschierung ganz spezifischer konservativer Werte und Normen [...]“ (vgl. Preiswerk: 1981: 195).

Somit stünde die ideale Basis für eine Debatte über Anpassungswerte und über­flüssige Werkszerstörung im heimischen Kinderbuch wie auch im Schulbuch bereit.

3. Sachverhalt der Kinderbuchdebatte 2013

Letztendlich hat sich auch nach über 30 Jahren - die Zeit aus der das Zitat stammt - kein richtiger oder falscher Umgang mit solcher Literatur stabilisiert. Die Schulbücher mögen sensibler geworden sein, doch die klassischen Kinder­bücher, konnten sich bisher aufKämpfer auf Seiten der Werktreue verlassen. Ende 2012 kam das hochsensible Thema dann wieder auf.

Die Verfechter verlangen Gleichstellung der Nationen. In dem wichtigsten Medium zur geistigen Identifikation eines Kindes, sollen keine Rassenkonflik­te und Über- oder Unterlegenheiten dargestellt werden. Vielerseits ist es eine längst überfällige Maßnahme, leben wir doch in einem vereinten, weltoffenen Deutschland. Sicherlich wird damit vielen Eltern aus dem Herzen gesprochen, die den Begriffbeim abendlichen Vorlesen, als unangebracht empfinden und dann vielleicht verzweifelt versuchen unpassende Wörter spontan zu ersetzen (vgl. http://www.welt.de/112693617 vom 04.10.2015: 1). Die political cor­rectness sollte wichtiger sein, als ein Kinderbuch. Viele Figuren werden als antisemitisch verstanden. Ein Erwachsener kann zwischen rassistischem Han­deln und diesem, was in Kinderbüchern stattfindet wohl unterscheiden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Inhalte der Kinderbuchdebatte 2013
Untertitel
In Bezug auf unterschiedliche Rassismus- und Diskurstheorien
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Rassismus und Migration in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur
Note
12
Autor
Jahr
2015
Seiten
15
Katalognummer
V352147
ISBN (eBook)
9783668385450
ISBN (Buch)
9783668385467
Dateigröße
847 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rassismus Migration Gegenwartsliteratur Germanistik Kinderbuch Debatte Diskurs
Arbeit zitieren
Sophie Jung (Autor:in), 2015, Inhalte der Kinderbuchdebatte 2013, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/352147

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Inhalte der Kinderbuchdebatte 2013



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden