Abstract
Philologists have often discussed the elaborate metaphorical use of sunlight in the songs of the Middle High German ›Minnesänger‹ Heinrich von Morungen as a characteristic of his art since he uses it to describe the power, violence, and beauty of the beloved vrouwe. However, the extent to which the motif of shadow functions as contrast and emphasis for Morungen’s programmatic use of light has never been considered as a subject for investigation so far. This paper outlines some initial ideas concerning the importance of shadow in the oeuvre of Morungen. Firstly, all of the relevant verses will be analyzed and arranged according to their typological order. Finally, the question will be discussed whether the famous schate in Morungen’s Narzisslied (MF 145,1) can be interpreted as ›shadow‹ similarly to the other verses in question. This final approach implies a close philological reading of both the third stanza of Morungen’s Narzisslied and various comparable passages in other Middle High German texts.
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Literatur
Einen Überblick zu Werk und Lebenssituationen Heinrichs von Morungen bietet Tervooren, Helmut: Art. »Heinrich von Morungen«. In: 2VL 3 (1981), Sp. 804–815.
Huber, Christoph: »Ekphrasis-Aspekte im Minnesang. Zur Poetik der Visualisierung bei Heinrich von Morungen mit Blick auf die Carmina Burana und Walther von der Vogelweide«. In: Martin Baisch/ Beatrice Trinca (Hg.): Der Tod der Nachtigall. Liebe als Selbstreflexivität von Kunst. Göttingen 2009, S. 83–104, hier S. 95.
Vgl. Fortmann, Dieter: Studien zur Gestaltung der Lieder Heinrichs von Morungen. Bamberg 1966.
Vgl. Kasten, Ingrid: Frauendienst bei Trobadors und Minnesängern im 12. Jahrhundert. Zur Entwicklung und Adaption eines literarischen Konzepts. Heidelberg 1986.
Vgl. Leuchter, Christoph: Dichten im Uneigentlichen. Zur Metaphorik und Poetik Heinrichs von Morungen. Frankfurt a.M. 2003.
Vgl. Irler, Hans: Minnerollen–Rollenspiele. Fiktion und Funktion im Minnesang Heinrichs von Morungen. Frankfurt a.M. u. a. 2001. Die Sonnen- und Lichtmetaphorik wird z. B. behandelt auf S. 53 und S. 94. Das erste Unterkapitel lautet »Im Schatten Reinmars–im Lichte der Forschung: Morungen zwischen Mittelalter und Moderne« (S. 11–18).
Vgl. Müller, Jan-Dirk: »Heinrich von Morungen: Mir ist geschehen als einem kindelîne (MF 145,1)«. In: GRM 60 (2010), S. 3–26, etwa S. 23 f.
Kellner, Beate: »Gewalt und Minne. Zu Wahrnehmung, Körperkonzept und Ich-Rolle im Liedkorpus Heinrichs von Morungen«. In: PBB 119 (1997), S. 33–66.
Vgl. Dorsch, Friedrich: Psychologisches Wörterbuch. 9., vollständig neu bearbeitete Aufl. Bern/Stuttgart/Wien 1976, S. 270.
Vgl. Bieler, [Ludwig]: Art. »Schatten«. In: Hanns Bächtold-Stäubli (Hg.): Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 9. Berlin/New York 1987, Sp. 126–142. Behandelt werden u. a. die Aspekte: Schatten als Proprium des Körpers und der Seele des Menschen, ›Schattenbuße‹, ›Schattenrecht‹, ›Schattenorakel‹.
Zur Überlieferung der Werke Morungens vgl. u. a. Heinrich von Morungen: Abbildungen zur gesamten handschriftlichen Überlieferung. Hg. Ulrich Müller. Göppingen 1971; Heinrich von Morungen: Lieder. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Text, Übersetzung, Kommentar von Helmut Tervooren. 3. Aufl. Stuttgart 2003, S. 13 f. (im Folgenden werden für Texte Morungens die Übersetzungen Helmut Tervoorens angegeben); Gesamtverzeichnis Autoren/Werke. Heinrich von Morungen. In: http://www.handschriftencensus.de (20.03.2015).
Vgl. etwa: Sedlmayr, Hans: Die Entstehung der Kathedrale. Freiburg i. Br. 1993, S. 147 f.
Shojaei Kawan, Christine: Art. »Schatten«. In: Rolf Wilhelm Brednich (Hg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Berlin/New York 2004, Bd. 11, Sp. 1237–1242, hier Sp. 1237.
Zitiert werden die Lieder Morungens hier und im Folgenden nach: Des Minnesangs Frühling. Unter Benutzung der Ausgaben von Karl Lachmann und Moriz Haupt, Friedrich Vogt und Carl von Kraus, bearb. von Hugo Moser und Helmut Tervooren. 38, erneut revidierte Aufl. Mit einem Anhang: das Budapester und Kremsmünsterer Fragment. Stuttgart 1988. Im »Narzisslied« vergleicht sich der Sänger bekanntermaßen mit einem Kind, daz wîsheit unversunnen / sînen schaten ersach in einem brunnen / und den minnen muoz unz an sînen tôt (MF 145, 22–24). Eine nähere Betrachtung und Übersetzung dieses Abschnitts im Kontext der gesamten Strophe folgt weiter unten in Abschnitt 3. Leider kann ich nicht auf die Ergebnisse der Salzburger Tagung zum »Narzisslied« im Februar 2011 eingehen, da der erwartete Tagungsband bei Abgabe dieses Beitrags noch nicht vorlag: Kern, Manfred u. a. (Hg.): ›beste wunne–niuwe clage‹. Das Narzisslied Heinrichs von Morungen als Paradigma des Minnesangs. Beiträge des Internationalen Symposiums des Interdisziplinären Zentrums für Mittelalterstudien und des Fachbereichs Germanistik der Universität Salzburg, 24. bis 26. März 2011.
Vgl. Goethe, Johann Wolfgang: Götz von Berlichingen, Erster Aufzug, Gottfrieds Schloss. In: Ders.: Berliner Ausgabe 7, Dramatische Dichtungen III. 2. Aufl. Weimar/Berlin 1972, S. 25.
Zitierte Ausgabe: Hartmann von Aue: Der arme Heinrich. Hg. Hermann Paul. Neu bearbeitet von Kurt Gärtner. 17. durchgesehene Aufl. Tübingen 2001.
Als solches Abbild und damit als ein Phänomen der Immersion betrachtet Witthöft das »Narzisslied « ausführlich. Vgl. Witthöft, Christiane: »Der Schatten im Spiegel des Brunnens. Phänomene der Immersion in mittelalterlichen Tierepen und Fabeln (Reinhart Fuchs)«. In: LiLi 167/42 (2012), S. 124–146, hier S. 135 f.
Zitierte Ausgabe: Das mittelhochdeutsche Gedicht vom Fuchs Reinhart nach den Casseler Bruchstücken und der Heidelberger HS Cod. pal. germ. 341. Hg. Georg Baesecke. 2. Aufl. besorgt von Ingeborg Schröbler. Halle a.d.S. 1952. Die unpräzise Übersetzung von Karl-Heinz Göttert lautet: »Er entdeckte nämlich einen Schatten darin« (Heinrich der Glîchezære: Reinhart Fuchs. Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch. Hg., übersetzt und erläutert von Karl-Heinz Göttert. Stuttgart 1976), ich würde: »Er sah darin seinen ›Schatten‹« übersetzen. Die Übersetzung von schate lasse ich hier und in der Folge offen, indem ich nhd. ›Schatten‹ in Anführungsstrichen quasi als Platzhalter für die Erörterungen unten lasse. Vgl. die ausführliche Interpretation der Spiegelung des Fuchses in diesem Text durch Witthöft (wie Anm. 23).
Zitierte Ausgabe: Boner: Der Edelstein. Hg. Franz Pfeiffer. Leipzig 1844. »Als er in die Mitte des Bachs lief, sah er den ›Schatten‹ des Fleisches, das er in seinem Maul trug.« (Übersetzung M.K.).
Zitierte Ausgabe: Der Stricker: Verserzählungen II. Mit einem Anhang. Der Weinschwelg. Hg. Hanns Fischer. 4., durchgesehene Aufl. besorgt von Johannes Janota. Tübingen 1997. »Da erkannte man in dem Gewässer ganz und gar den ›Schatten‹ der Ritter und auch die Farbe ihrer Pferde« (Übersetzung M.K.).
Zitierte Ausgabe: Konrad von Würzburg: Die Legenden, Teil 1. Silvester. Hg. Paul Gereke. Halle a. d. S. 1925.
Zitierte Ausgabe: Die Lieder Neidharts. Hg. Edmund Wießner, fortgeführt von Hanns Fischer. 5., verbesserte Aufl. Hg. Paul Sappler. Mit einem Melodieanhang von Helmut Lomnitzer. Tübingen 1999. Der Passus lautet nach meinem Verständnis: »Derartige Qualen kann die Liebe wunderlich viele bereiten–feuchte Augen und nach dem Feuchtsein rotverweinte. Auf diese oder jene Weise bewirkt sie dies durch vielerlei Ursachen.«
Zitierte Ausgabe: Hartmann von Aue: Iwein. Text der siebenten Ausgabe von G.F. Benecke, K. Lachmann und L. Wolff. Übersetzung und Nachwort von Thomas Cramer. 4., überarbeitete Aufl. Berlin/New York 2001. Der Passus lautet in der Übersetzung von Cramer: »Sie wurden tiefrot vor Scham, als er ihnen seine Aufwartung machte, und die Augen wurden ihnen trübe und feucht während der Zeit, da er bei ihnen saß.«
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Kirchhoff, M. Trübe Wolken, trübe Augen. Schatten im Werk Heinrichs von Morungen. Z Literaturwiss Linguistik 45, 83–97 (2015). https://doi.org/10.1007/BF03379912
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