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Mazadans Erben

Zum Zusammenhang von Minne und Genealogie in Wolframs von Eschenbach Parzival

Mazadan’s Heirs. Minne and Genealogy in Wolfram of Eschenbach’s Parzival

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Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik Aims and scope Submit manuscript

Summary

This essay deals with the idea of minne in Parzival and scrutinizes on the three minne-excursuses as an ongoing discussion about the question whether minne captures humans unwillingly or is grounded in their inner selves. The third excursus presents the concept of inherited predetermination originating in Mazadan’s relationship with the fairy Terdelaschoye and inherited by all of her descendants as a middle way between these two ideas. Minne connected to a genealogically defined group is a counter-model to love service commonly portrayed in Minnesong where generally everyone is included in the army of Venus. In addition, genealogy as an important medieval intellectual concept proves to be a central instrument of the narrator to deal with minne.

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Literatur

  1. Dieses Zitat geistert so fleißig durch die Forschungsliteratur, dass man kaum seinen Urheber ausmachen kann; Sutter, Rolf E.: mit saelde ich gerbet han den gral. Genealogische Strukturanalyse zu Wolframs von Eschenbach Parzival, Göppingen 2003 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 705), S. 15, verweist auf die Dissertation von Schultheiß, Hermann: Die Bedeutung der Familie im Denken Wolframs von Eschenbach, Breslau 1937.

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  2. Przybilski, Martin: »Verwandtschaft als Wolframs Schlüssel zur Erzählten Welt«, in: Zeitschrift für Germanistik 15 (2005) S. 122–137, hier S. 122.

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  3. Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nach der Ausgabe Karl Lachmanns revidiert und kommentiert von Eberhard Nellmann, übertragen von Dieter Kühn, Frankfurt a. M. 1994 (Bibliothek des Mittelalters 8), 455, 13ff. Die Zitate werden im Folgenden verkürzt belegt.

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  4. Mit dieser genealogischen Schwerpunktsetzung reiht sich Wolfram formal in eine literarische Tradition ein, auch wenn er diese Anbindung durch die Komplexität seiner Verwandtschaftskonstruktionen zugleich wieder sprengt. Heinrichs von Veldeke Eneas endet ganz ähnlich, vgl. Heinrich von Veldeke: Eneasroman. Die Berliner Bilderhandschrift mit Übersetzung u. Kommentar hg. von Hans Fromm, Frankfurt a. M. 1992 (Bibliothek des Mittelalters 4), 354, 2ff.: Ich han gesaget rechte / dez herren Enêe geslechte / vnd daz chunne lobisam.

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  5. Ein Vergleich der Verwandtschaftsbeziehungen bei Chrétien und Wolfram findet sich bei Pérennec, René: Recherches sur le roman Arthurien en vers en Allemagne aux XII. et XIII. siècles, Bd. II, Göppingen 1984 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 393).

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  6. Für Bertau lässt der umspannende Verwandtschaftsrahmen den Parzival zu einem »Weltgedicht« werden, vgl. Bertau, Karl: Über Literaturgeschichte. Literarischer Kunstcharakter und Geschichte der höfischen Epik um 1200, München 1983, S. 46. Delabar spricht für das genealogische Netz von einer »symbolischen Ordnung«, vgl. Delabar, Walter: Erkantiu sippe unt hoch geselleschaft. Studien zur Funktion des Verwandtschaftsverbandes in Wolframs von Eschenbach Parzival, Göppingen 1990 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 518), S.76.

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  7. Ich folge hier der Zählung von Sutter (wie Anm. 1), S. 223, der in einem Beiblatt nach S. 154 sämtliche Figuren in verzweigten Stammbäumen zusammenfügt, die durchaus über das Schema von Bertau hinausgehen, vgl. Bertau, Karl: »Versuch über Verhaltenssemantik von Verwandten im ›Parzival‹« (1978), in: ders.: Wolfram von Eschenbach. Neun Versuche über Subjektivität und Ursprünglichkeit in der Geschichte, München 1983, S. 190–240, S. 236f.

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  8. Der art bezeichnet laut Schwietering, Julius: »Natur und art«, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 91 (1961/2) S. 108–137, hier S. 117ff., die natürliche Anlage eines Menschen, die innerhalb einer Familie oder eines Geschlechts konstant weitergegeben wird und die Personen auf ein bestimmtes Verhalten festlegt. In einem kosmologischen Sinn ist der Mensch über seinen art mit dem Überpersönlichen seines Geschlechts verbunden und in die gesamte Schöpfung einbezogen. Vgl. auch die Begriffserklärung von Bumke, Joachim: Die Blutstropfen im Schnee. Über Wahrnehmung und Erkenntnis im »Parzival« Wolframs von Eschenbach, Tübingen 2001 (Hermaea N.F. 94), S. 81f.

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  9. Vgl. beispielsweise Storp, Ursula: Väter und Söhne. Tradition und Traditionsbruch in der volkssprachlichen Literatur des Mittelalters, Essen 1994 (Item 2), vor allem S. 61ff.

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  10. Müller-Römheld, Walter: Formen und Bedeutung genealogischen Denkens in der Dichtung bis um 1200, Phil. Diss. Frankfurt 1958.

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  11. Bartsch, Karl: »Die Eigennamen in Wolframs ›Parzival‹ und ›Titurel‹«, in: Germanistische Studien 2 (1875) S. 114–159.

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  12. Damit ist die reflektierende Spekulation über das Phänomen Minne gemeint, nicht das Geschlechterverhältnis in seiner konkreten Ausfaltung auf der Handlungsebene, das von der Forschung ausführlich beachtet wurde, wie die breite Literaturliste in dem Einführungsband von Bumke zeigt, vgl. Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl. Stuttgart/Weimar 2004 (Sammlung Metzler 36), S. 158–160.

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  13. Vgl. hierzu und zum Folgenden Wolf, Norbert R.: »Die Minne als Strukturelement im Parzival Wolframs von Eschenbach«, in: Euphorion 64 (1970) S. 59–74, hier S. 68ff, oder Emmerling, Sonja: Geschlechterbeziehungen in den Gawan-Büchern des »Parzival«. Wolframs Arbeit an einem literarischen Modell. Tübingen 2003 (Hermaea N.F. 100), vor allem das Kapitel »Wolframs neue Minnekonzeption«, S. 187ff. Eine sehr differenzierte Sicht bietet Wiegand, Herbert Ernst: Studien zur Minne und Ehe in Wolframs Parzival und Hartmanns Artusepik, Berlin/New York 1972 (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker 173), der S. 129ff. die Minneexkurse analysiert.

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  14. Nellmann, Eberhard: Wolframs Erzähltechnik. Untersuchungen zur Funktion des Erzählers, Wiesbaden 1973, S. 143.

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  15. Dewald, Hans: Minne und »sgrâles âventiur«. Äußerungen der Subjektivität und ihre sprachliche Vergegenwärtigung in Wolframs ›Parzival‹, Göppingen 1975 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 158), S. 93, beharrt darauf, dass es sich auch in der Blutstropfenepisode um eine reguläre triuwe minne handelt. Er erklärt jedoch nicht, warum sich der Erzähler im Exkurs so negativ und klagend über diese Minneversunkenheit äußert. Auch jüngere Positionen wie die von Emmerling (wie Anm. 18) sehen die kontrollierte, auf triuwe beruhende Minne als Wolframs Antwort auf den höfischen Minnezwang — eine These, die nur dann zu halten ist, wenn man die Minneleidenschaft Gawans gänzlich negativ bewerten will.

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  16. Vgl. Haug, Walter: »Parzival ohne Illusionen«, in: ders.: Brechungen auf dem Weg zur Individualität. Kleine Schriften zur Literatur des Mittelalters, Tübingen 1995, S. 125–139, hier S. 139: »Das Zelt wird nun zwar diskret zugeschlagen, doch sei immerhin die Frage erlaubt, ob da am Ende nicht noch einmal der alte Gahmuret unter der Bettdecke hervorschaut. Und warum auch nicht?«.

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  17. Roubaud, Jacques: »Généalogie morale des rois-pêcheurs. Deuxième fiction théorique à partir des romans du Graal«, in: Change 16/17 (1973) S. 228–247, vor allem S. 233, vermutet als Hintergrund für die allgemeine Unbestimmtheit der Verwandtschaftsbeziehungen in den französischen Gralromanen ein Inzestgeheimnis. Wenn man Wolframs Verweis auf eine durch Inzest gestörte genealogische Ordnung nicht im Zusammenhang mit einem spezifischen Minnekonzept sehen will, kann man ihn also eventuell als ein Relikt der Stoffgeschichte erklären.

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  18. Über Veldekes Baum ist reichlich spekuliert worden, vgl. den Kommentar von Garnerus zu dieser Stelle: Garnerus, Gisela: Parzivals zweite Begegnung mit dem Artushof. Kommentar zu Buch VI/1 von Wolframs Parzival. (280, 1–312, 1), Herne 1999, S. 118ff. Am wahrscheinlichsten erscheint der frühe Vorschlag von Hofmann, dass sich der boum parallel zu der Bildlichkeit des gepfropften rîs in Gottfrieds von Straßburg Literaturexkurs ganz allgemein auf Veldekes Dichtung bezieht, vgl. Hofmann, Gustav: Die Einwirkungen Veldekes auf die epischen Minnereflexionen Hartmanns von Aue, Wolframs von Eschenbach und Gottfrieds von Straßburg, München 1930, S. 10ff., vor allem S. 14.

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  19. Während die antiken Gottheiten in Veldekes Eneas ganz konkret auf der Figurenebene verankert sind und die Minne als Effekt ihres Handelns beschrieben werden kann, erfordert die Übertragung in einen christlichen Darstellungsraum einige Modulationen, vgl. dazu Schnell, Rüdiger: Causa amoris. Liebeskonzepte und Liebesdarstellung in der mittelalterlichen Literatur, Bern/München 1985 (Bibliotheca Germanica 27), S. 370ff. Auch bei Veldeke ist freilich das Wirken der Minne nicht völlig auf den antiken Götterapparat ausgelagert, sondern es kommt zusätzlich zu einer psychologischen Motivierung, vgl. beispielsweise Wiegand (wie Anm. 18), S. 132ff., oder Stebbins, Sara: Studien zur Tradition und Rezeption der Bildlichkeit in der ›Eneide‹ Heinrichs von Veldeke, Frankfurt a. M. 1977 (Mikrokosmos 3), S. 111f.

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  20. Vgl. etwa den Herzenstauschexkurs in Hartmanns von Aue Iwein, V. 2971ff. Allgemein zu diesem Topos vgl. Ohly, Friedrich: »Cor amantis non angustum. Vom Wohnen im Herzen«, in: ders.: Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, Darmstadt 1977, S. 128–155.

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  21. Zum Lehnswesen vgl. Ganshof, François Louis: Was ist das Lehnswesen?, 6. Aufl. Darmstadt 1983, sowie Spieß, Karl-Heinz: Das Lehnswesen in Deutschland im hohen und späten Mittelalter, Idstein 2002 (Historisches Seminar N.F. 13). Dass die Gattung Minnesang häufig eine Terminologie aus dem Bereich des Lehnswesens nutzt, ist seit Wechsslers Vasallitätsthese bekannt, auch wenn es dabei weniger um die Bindung an Frau Minne als an die Minnedame geht, vgl. Wechssler, Eduard: »Frauendienst und Vasallität«, in: Zeitschrift für französische Sprache und Litteratur 24 (1902) S. 159–190.

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  22. Zur kritischen Perspektive auf die Gattung Minnesang im Parzival vgl. Curschmann, Michael: »Das Abenteuer des Erzählens. Über den Erzähler in Wolframs ›Parzival‹«, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 45 (1971) S. 627–667, vor allem S. 651ff.

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  23. Bloch, R. Howard: Etymologies and Genealogies. A Literary Anthropology of the French Middle Ages, Chicago/London 1983. Vgl. auch ders.: »Genealogy as a Medieval Mental Structure and Textual Form«, in: Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters. Bd. XI/1: Hans Ulrich Gumbrecht, Ursula Link-Heer, Peter-Michael Spangenberg (Hgg.): La littérature historiographique des origines à 1500, Heidelberg 1986, S. 135–156.

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  24. Ich nenne hier für diesen komplexen, auf die logisch strukturierende Funktion konzentrierten Genealogiebegriff, der die Genealogie aus ihren herkömmlichen Grenzen einer historischen Hilfswissenschaft befreit, lediglich die beiden wichtigsten Beiträge, auf die sich auch die nachfolgenden Erläuterungen beziehen: Heck, Kilian/Jahn, Bernhard (Hgg.): Genealogie als Denkform in Mittelalter und Früher Neuzeit, Tübingen 2000 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 80) sowie Kellner, Beate: Ursprung und Kontinuität. Studien zum genealogischen Wissen im Mittelalter, München 2004.

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  25. Vgl. Angenendt, Arnold: »Der eine Adam und die vielen Stammväter. Idee und Wirklichkeit der Origo gentis im Mittelalter«, in: Peter Wunderli (Hg.): Herkunft und Ursprung. Historische und mythische Formen der Legitimation. Akten des Gerda Henkel Kolloquiums veranstaltet vom Forschungsinstitut für Mittelalter und Renaissance der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 13. bis 15. Oktober 1991, Sigmaringen 1994, S. 27–52.

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  26. Auch im Minnesang findet sich freilich die Überzeugung des Sänger-Ich, mehr als alle anderen zu leiden, doch geht die Gattung zunächst einmal davon aus, dass die Minne prinzipiell jeden treffen und in ihren Dienst ziehen kann, vgl. etwa die allgemeine Aufforderung zum Eintritt in den Minnedienst bei Ulrich von Lichtenstein: Frauendienst. Reinhold Bechstein (Hg.), Leipzig 1888 (Deutsche Dichtungen des Mittelalters 6), Lied XVI, wo der Dienst für die Minne zwar den guoten vorbehalten ist, aber keine weiteren Zugangsbeschränkungen hat. Vgl. auch Leich VII des Wilden Alexander, vor allem Versikel 9ff., in: Deutsche Liederdichter des 13. Jahrhunderts. Carl von Kraus (Hg.), Bd. 1: Text, 2. Aufl. Tübingen 1973, S. 16f., der den willigen Minnedienern das Wappenzeichen der Venus verspricht.

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  27. Vergil: Ekloge 10, V. 69. Friedrich Hirtzel (Hg.), Oxford 1900.

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  28. Die düstere Seite der Minneverpflichtung, die mit dem Tod der Ritter im Minnedienst endet, betont Haug (wie Anm. 24). Zum Zusammenhang von Minne und Gefährdung im ritterlichen Minnedienst vgl. auch Ernst, Ulrich: »Liebe und Gewalt im Parzival Wolframs von Eschenbach. Literaturpsychologische Befunde und mentalitätsgeschichtliche Begründungen«, in: Trude Ehlert (Hg.): Chevaliers errants, demoiselles et l’autre: höfische und nachhöfische Literatur im europäischen Mittelalter. Festschrift für Xenja von Ertzdorff zum 65. Geburtstag, Göppingen 1998 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 644), S. 215–243.

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  29. Dass Wolfram sich bemüht, die in der Vorlage angelegten Parallelen zwischen Parzivals Vater und Anfortas zu verdecken, indem er die Entmannung durch den Tod Gahmurets ersetzt, hat Neudeck gezeigt, vgl. Neudeck, Otto: »Das Stigma des Anfortas. Zum Paradoxon der Gewalt in Wolframs »Parzival«, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 19 (1994) S. 52–75, hier S. 63.

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Linden, S. Mazadans Erben. Z Literaturwiss Linguistik 37, 71–95 (2007). https://doi.org/10.1007/BF03379762

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