Abstract
The devil is a famous figure in the medieval discourse on justice and is notoriously reliable in legal actions. Thus he occurs in a story-type which presents the devil as seizing lawyers or judges. In several examples dating from the early the 13th century onward, this story-type seems to discuss the difficult relationship between legal rationality and narrative values. From these stories emerges a small but complete model of law and literature. Their structures reveal a common primary concern: whether judgement on a case solely derived according to the logic of legal rules can also be just (billig) without the influence of narrative patterns. If so, legal thinking would lack a higher tropological sense of what is true. At the very least, the story-type demonstrates what performativity in justice means: to pass a judgment on someone is shown as a speech act similar to praying or cursing. This implies not only that the narration can also become a kind of verdict, but also that the story-type itself has to be judged in a space between law and literature.
Similar content being viewed by others
Literature
Zum Kasusbegriff Jolles, André: Einfache Formen. Legende, Sage, Mythe, Rätsel, Spruch, Kasus, Memorabile, Märchen, Witz, 7., unveränderte Auflage, Tübingen 1999 (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 15), S. 171–199
zum Exempel Moos, Peter von: Geschichte als Topik. Das rhetorische Exemplum von der Antike zur Neuzeit und die ›historiae‹ im »Policratus« Johanns von Salisbury, Hildesheim/Zürich/New York 1988 (Ordo 2), S. 22–39
zu deren Verbindung Bleumer, Hartmut/ Emmelius, Caroline: »Vergebliche Rationalität. Erzählen zwischen Kasus und Exempel in Wittenwilers ›Ring‹«, in: Klaus Ridder/ Wolfgang Haubrichs/ Eckart Conrad Lutz (Hgg.): Reflexion und Inszenierung von Rationalität in der mittelalterlichen Literatur. Blaubeurer Kolloquium 2006, Berlin 2008 (Wolfram-Studien 20), S. 177–204, hier S. 194 f.; sowie der Beitrag von Ute von Bloh in diesem Heft.
Zum Effekt der Unbarmherzigkeit am Beispiel der frühen Faust-Erzählungen siehe Münkler, Marina: »Sündhaftigkeit als Generator von Individualität. Zu den Transformationen legendarischen Erzählens in der Historia von D. Johann Fausten in den Faustbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts«, in: Peter Strohschneider (Hg.): Literarische und religiöse Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, Berlin/New York 2009, S. 25–61, hier S. 30–35.
Zur Billigkeit und zur Gnade zusammenfassend Becker, Christoph: Art. »Billigkeit«, in: 2HRG 1 (2008), Sp. 587–592
Bauer, Andreas: Art. »Gnade«, in: 2HRG 2, 9. Lieferung (2009), Sp. 424–430.
Vgl. Frenschkowski, Marco/ Drascek, Daniel: Art. »Teufel«, in: Enzyklopädie des Märchens 13 (2010), Sp. 383–413, bes. Sp. 387–391; sowie speziell Schnyder, André: Art. »Teufelspakt«, ebd., Sp. 447–455.
Vgl. hier nur zur Orientierung Roskoff, Gustav: Geschichte des Teufels, Bd. 1, Neudruck der Ausgabe Leipzig 1869, Aalen 1967, zu Satan als biblischem Ankläger S. 189 f., 197 f., zum Rechtsanspruch des Teufels in der Patristik S. 225–231, zur Auffassung der Sünde als vertragsförmigem Teufelsbündnis S. 282–286, zur Textgattung der Satansprozesse S. 349–359.
Vgl. zum Paradigma des Belial grundlegend Ott, Norbert H.: Rechtspraxis und Heilsgeschichte. Zu Überlieferung, Ikonographie und Gebrauchssituation des deutschen ›Belial‹, München 1983 (MTU 80).
Vgl. den Begriffsvorschlag von Bleumer, Hartmut: »Teuflische Rhetorik von dem Gericht des Herrn. Verhandlungen zwischen Recht und Literatur–am Beispiel von Ulrich Tenglers ›Laienspiegel‹«, in: Björn Reich/ Frank Rexroth/ Matthias Roick (Hgg.): Wissen maßgeschneidert–Die Geburt des Experten in der Vormoderne, München 2012 (Historische Zeitschrift, Beiheft, in Druckvorbereitung), mit weiterer Literatur.
Für den narratologischen Ansatz höchst bedenkenswert sind die gegenläufigen Überlegungen von Hübner, Gert: »Eulenspiegel und die historischen Sinnordnungen. Plädoyer für eine praxeologische Narratologie«, in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch (vorauss. 2011, im Druck), dort Anm. 1 die weiteren neueren Anregungen zum Exempelbegriff.
Zum Institutionsbegriff Strohschneider, Peter: »Institutionalität. Zum Verhältnis von literarischer Kommunikation und sozialer Interaktion in mittelalterlicher Literatur. Eine Einleitung«, in: Beate Kellner/ Ludger Lieb/ Peter Strohschneider (Hgg.): Literarische Kommunikation und soziale Interaktion. Studien zur Institutionalität im Mittelalter, Frankfurt a. M. u. a. 2001 (Mikrokosmos 64), S. 1–26
Grimm, Jacob: »Von der Poesie im Recht«, in: ders.: Kleine Schriften. Hg. Eduard Ippel, Berlin 1882, Nachdruck 1965, S. 152–191, hier S. 153.
Vgl. den Hinweis bei Lewis, Robert E.: »The Devil as Judge. The Stricker’s Short Narrative ›Der Richter und der Teufel‹«, in: Edward R. Haymes/ Stephanie Cain Van D’Elden (Hgg.): The Dark Figure in Medieval German and Germanic Literature, Göppingen 1986 (GAG 448), S. 114–127, hier S. 115 f. Nachweise vollständig in: Lemmatisierter Index zu den Werken des Strickers. Bearbeitet von Siegfried Christoph, Tübingen 1997 (Indices zur deutschen Literatur 30), S. 441 f.
Nr. 13 in: Die Kleindichtung des Strickers. Bd. II: Gedicht Nr. 11–40. Hg. Wolfgang Wilfried Moelleken/Gayle Agler/Robert E. Lewis, Göppingen 1974 (Die Kleindichtung des Strickers. Gesamtausgabe in fünf Bänden. Hg. Wolfgang Wilfried Moelleken, GAG 107 II). Die juristischen Spielregeln betont Böhm, Sabine: Der Stricker–Ein Dichterprofil anhand seines Gesamtwerks, Frankfurt a. M. u. a. 1995 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur 1530), S. 24–26.
Uther, Hans-Jörg: The Types of International Folktales. A Classification and Bibliography. Based on the System of Antti Aarne and Stith Thompson, Part II: Tales of the Stupid Orge, Anecdotes and Jokes, and Formula Tales, Helsinki 2004 (FF Communications No. 285), S. 67
Thompson, Stith: Motif-Index of Folk-Literature. A Classification of Narrative Elements in Folktales, Ballads, Myths, Fables, Mediaeval Romances, Exempla, Fabliaux, Jest-Books, and Local Legends, revisited and enlarged edition, Volume Five: L–Z, Copenhagen 1957, S. 40 f.
Für die folgenden Überlegungen werden die Varianten bis ins 17. Jahrhundert berücksichtigt, die der Einfachheit halber nicht nach den jeweils gültigen Textausgaben, sondern nach dem Abdruck bei Röhrich, Lutz (Hg.): Erzählungen des späten Mittelalters und ihr Weiterleben in Literatur und Volksdichtung bis zur Gegenwart. Sagen, Märchen, Exempel und Schwänke mit einem Kommentar, Bd. II, Bern/München 1967, S. 251–278, mit der entsprechenden Nummerierung zitiert werden. Vgl. dazu–stellvertretend für die verschiedenen Publikationen Röhrichs zum Thema–den Kommentar S. 460–471, mit den Hinweisen auf die Komplexität und strukturellen Besonderheiten der Stricker-Variante S. 462. Die Typisierung von Röhrich ist ganz auf der Handlungsebene angesiedelt und wird daher im Folgenden nicht übernommen.
Grubmüller, Klaus: Die Ordnung, der Witz und das Chaos. Eine Geschichte der europäischen Novellistik im Mittelalter: Fabliau–Märe–Novelle, Tübingen 2006, S. 88, dessen Charakterisierung (S. 79–105) die gültige Grundauffassung zu den Strickermären repräsentieren dürfte.
Vgl. entschieden Grubmüller, Klaus: »Zum Verhältnis von ›Stricker-Märe‹ und Fabliau «, in: Emilio González/ Victor Millet (Hgg.): Die Kleinepik des Strickers. Texte, Gattungstraditionen und Interpretationsprobleme, Berlin 2006 (Philologische Studien und Quellen 199), S. 173–187, hier S. 177; ders., Ordnung (wie Anm. 15), S. 91
anders Fischer, Hanns: Studien zur deutschen Märendichtung, 2., durchgesehene und erweiterte Auflage besorgt von Johannes Janota, Tübingen 1983, S. 51, mit der Klassifi zierung als negative Mirakel bzw. als Sondertyp der Teufelserzählung.
Zum Problem des Epimythions im Märe allgemein, mit der voraufgehenden Forschung, das Votum für seine interpretatorische Rehabilitierung als finale Bekräftigung einer moralisch-exemplarischen Lesart von Millet, Victor: »Märe mit Moral? Zum Verhältnis von weltlichem Sinnangebot und geistlicher Moralisierung in drei mittelhochdeutschen Kurzerzählungen«, in: Christoph Huber/ Burghart Wachinger/ Hans-Joachim Ziegeler (Hgg.): Geistliches in weltlicher und Weltliches in geistlicher Literatur des Mittelalters, Tübingen 2000, S. 273–290.
Daraus abgeleitet die Interpretation des Märes mit Blick auf die curiositas bei Nix, Matthias: »Der neugierige Richter«, in: Matthias Meyer/ Hans-Jochen Schiewer (Hgg.): Literarisches Leben. Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters. Festschrift für Volker Mertens zum 65. Geburtstag, Tübingen 2002, S. 619–625.
Für die Exemplifizierung der superbia hatte sich zuvor Ragotzky, Hedda: Gattungserneuerung und Laienunterweisung in Texten des Strickers, Tübingen 1981 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 1), S. 128–133, ausgesprochen.
So auch Holznagel, Franz-Josef: »Von diabolischen Rechtsbrechern und gesetzestreuen Teufeln«, in: Nikolaus Henkel/ Martin H. Jones/ Nigel Palmer (Hgg.): Dialoge. Sprachliche Kommunikation in und zwischen Texten im deutschen Mittelalter. Hamburger Colloquium 1999, Tübingen 2003, S. 159–173, der zur Bestätigung der geistlichen Lesart auf die Überlieferungskontexte des Textes verweist (170–172).
Vgl. am paradigmatischen Fall des Klugen Knechts Grubmüller, Klaus: »Schein und Sein. Über Geschichten in Mären«, in: Harald Haferland/ Michael Mecklenburg (Hgg.): Erzählungen in Erzählungen. Phänomene der Narration in Mittelalter und Früher Neuzeit, München 1996 (Forschungen zur Geschichte der älteren deutschen Literatur 19), S. 243–257, hier S. 256 f., der seine grundlegende Einsicht in die metapoetische Textur des Erzählten für seine eigene Geschichte der Gattung Märe (Die Ordnung, der Witz und das Chaos, wie Anm. 15) nicht umgesetzt hat.
Vgl. zu den Mechanismen des Fluchens insgesamt in historischer Hinsicht den Band von Friedrich, Peter/ Schneider, Manfred (Hgg.): Fatale Sprachen. Eid und Fluch in der Literatur- und Rechtsgeschichte, München 2009 (Literatur und Recht), hier bes. die einleitende Skizze von Friedrich, Peter/Schneider, Manfred: »Einleitung. ›Sprechkrafttheorien‹ oder Eid und Fluch zwischen Recht, Sprachwissenschaft, Literatur und Philosophie«, S. 7–19; sowie die instruktive Sammlung mittelalterlicher Fallbeispiele durch Schwerhoff, Gerd: »Blasphemische Flüche und die Kunst der Selbstdarstellung«, ebd., S. 93–119. Vgl. den Hinweis auf den rechtlich bindenden Charakter der Rede des Richters bei Ragotzky, Gattungserneuerung (wie Anm. 18), S. 130, kritisch zu ihrer Einschätzung als Beschwörung des Teufels Nix, »Der neugierige Richter« (wie Anm. 18), S. 622.
Vgl. allgemein zu diesem Mechanismus im Fischerschen Märencorpus bewusst vorterminologisch, weil mit der traditionellen Gattungsfrage vermischt, aber prinzipiell erhellend, die Korrelation der hier noch in Parenthese gesetzten Vorbegriffe von ›Fall‹ und ›Geschichte‹ bei Ziegeler, Hans-Joachim: Erzählen im Spätmittelalter. Mären im Kontext von Minnereden, Bispeln und Romanen, München 1985 (MTU 87), bes. S. 39, 211–231, 455 f.
Vgl. Hagby, Maryvonne: man hat uns fur die warheit … geseit. Die Strickersche Kurz erzählung im Kontext mittellateinischer ›narrationes‹ des 12. und 13. Jahrhunderts, Münster u. a. 2001 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 2), S. 204–207.
Zum Erzähltyp insgesamt auch der detaillierte Nachvollzug der Handlungsabläufe, indes unter der Prämisse einer weitgehend gleichartigen Strukturierung bei Caesarius und beim Stricker, Slenczka, Alwine: Mittelhochdeutsche Verserzählungen mit Gästen aus Himmel und Hölle, Münster u. a. 2004 (Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit 5), S. 112–137.
Abweichend vom Textabdruck bei Röhrich, Erzählungen (wie Anm. 14) wird im Folgenden zitiert nach der abweichenden, maßgeblichen Ausgabe von Hilka, Alfons (Hg.): Die Wundergeschichten des Caesarius von Heisterbach. Dritter Band. Die beiden ersten Bücher der Libri VIII Miraculorum. Leben, Leiden und Wunder des Heiligen Engelbert, Erzbischof von Köln.–Die Schriften über die Heilige Elisabeth von Thüringen, Bonn 1937 (Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 43, 3).
Vgl. Fuhrmann, Manfred: »Die Fiktion im Römischen Recht«, in: Dieter Henrich/ Wolfgang Iser (Hgg.): Funktionen des Fiktiven, München 1983 (Poetik und Hermeneutik 10), S. 413–415.
Zu Begriff, Wahrheitsanspruch und Funktion vgl. Auerbach, Erich: »Sermo humilis«, in: ders.: Literatursprache und Publikum in der lateinischen Spätantike und im Mittelalter, Bern 1958, S. 25–63.
Vgl. zur ›formativen Funktion‹ des exemplarischen Erzählens im Rechtsbuchkontext Heinzle, Joachim: »Der gerechte Richter. Zur historischen Analyse mittelalterlicher Literatur«, in: ders. (Hg.): Modernes Mittelalter. Neue Bilder einer populären Epoche, Frankfurt a. M. 1999, S. 266–294, 274 f., 280. Zum Material zuvor Ott, Norbert H.: »Bispel und Mären als juristische Exempla. Anmerkungen zur Stricker-Überlieferung im Rechtsspiegel-Kontext«, in: Klaus Grubmüller/L. Peter Johnson/Hans-Hugo Steinhoff (Hgg.): Kleinere Erzählformen im Mittelalter. Paderborner Colloquium 1987, Paderborn u. a. 1988 (Schriften der Universität-Gesamthochschule-Paderborn. Reihe Sprach- und Literaturwissenschaft 10), S. 243–252.
Vgl. Stolleis, Michael: »Juristenbeschimpfung, oder: Juristen, böse Christen«, in: Theo Stammen/ Heinrich Oberreuter/ Paul Mikat (Hgg.): Politik–Bildung–Religion. Hans Maier zum 65. Geburtstag, Paderborn u. a. 1996, S. 163–170; Herberger, Maximilian: Art. »Juristen, böse Christen«, in: HRG 2 (1978), S. 481–484.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Bleumer, H. Vom guten Recht des Teufels. Kasus, Tropus und die Macht der Sprache beim Stricker und im Erzählmotiv »The Devil and the Lawyer« (AT 1186; Mot M 215). Z Literaturwiss Linguistik 41, 149–174 (2011). https://doi.org/10.1007/BF03379969
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF03379969