Zusammenfassung
Der Aufsatz versucht, die Vier Gedichte sowohl in ihrem inneren Zusammenhang als auch im Blick auf ihren historischen Kontext zu erschließen. Dabei zeigt sich, daß dieser letzte Beitrag Ingeborg Bachmanns zur Lyrik zugleich eine wichtige Stellungnahme zur kunsttheoretischen Diskussion der sechziger Jahre über den “Tod der Kunst” und die soziale Funktion der Dichtung darstellt.
Abstract
The essay tries to explain the Vier Gedichte both in their internal relationship and in their historical context. By doing this it shows that Ingeborg Bachmann’s last contribution to lyric poetry must be considered as an important comment on the theoretical discussions of the sixties that centered on the “death of arts” and the social function of poetry.
Literatur
Bernd Witte, “Ingeborg Bachmann,” Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen genwartsliteratur, hrsg. Heinz Ludwig Arnold (1978), S. 8.
Christa Bürger, “Ich und wir: Ingeborg Bachmanns Austritt aus der ästhetischen Moderne,” Text und Kritik, Sonderband Ingeborg Bachmann (1984), S. 7–27, hier S. 18f.
Hans Höller, Ingeborg Bachmann: Das Werk. Von den frühesten Gedichten bis zum “Todesarten”-Zyklus (1987), S. 182, 189.
Kurt Bartsch, Ingeborg Bachmann, Sammlung Metzler, Bd. 242 (1988), S. 128–134.
Sigrid Weigel, “‘Ein Ende mit der Schrift. Ein andrer Anfang’: Zur Entwicklung von Ingeborg Bachmanns Schreibweise,” Text und Kritik, Sonderband Ingeborg Bachmann (1984), S. 58–92, hier S. 79.
Peter Beicken, Ingeborg Bachmann (1988), S. 153. — Es mag offen bleiben, ob dieses Mißverständnis nicht auch durch die Anordnung in der Werkausgabe gefördert wird, die “Keine Delikatessen” unter Verletzung der Chronologie ans Ende der Bachmannschen Lyrik rückt. Vgl.
Ingeborg Bachmann, Werke, hrsg. Christine Koschel, Inge von Weidenbaum, Clemens Münster, 4 Bde. (1978), I, 172f., 660. Nach dieser Ausgabe wird im folgenden mit Angabe von Band und Seitenzahl zitiert.
Vgl. Karl Markus Michel, “Ein Kranz für die Literatur,” Kursbuch, H. 15 (1968), 169–186; Hans Magnus Enzensberger, “Gemeinplätze, die Neueste Literatur betreffend,” ebd., 187–197. — Zur Kontroverse um diese Ausgabe des Kursbuches vgl. auch die Erwiderung von
Heinrich Vormweg, “Ein Leichenschmaus,” Merkur, 23 (1969), 206–210.
Ute Maria Oelmann, Deutsche poetologische Lyrik nach 1945: Ingeborg Bachmann, Günter Eich, Faul Celan (1980), S. 75.
Ingeborg Bachmann, Wir müssen wahre Sätze finden: Gespräche und Interviews, hrsg. Christine Koschel und Inge von Weidenbaum (1983), S. 25.
Daß damit ein zentrales Strukturprinzip der Bachmannschen Lyrik berührt wird, zeigt — mit Blick auf einen anderen Teil des lyrischen Œuvres — die eindringliche und bestechende Analyse von Jörg-Ulrich Fechner, “Ingeborg Bachmanns ‘Lieder auf der Flucht’: Kommunikative und interpretatorische Signale im hermetischen Gedichtzyklus,” Arcadia, 21 (1986), 62–77.
Hans Werner Henze, Ariosi per soprano, violino e orchestra (1964). Das Erscheinungsjahr der Partitur weist auf die Zeit zurück, in der die Erstfassung von “Enigma” entstanden sein dürfte.
Vgl. aber Peter Horst Neumann, “Ingeborg Bachmanns Böhmisches Manifest,” Gedichte und Interpretationen, Bd. VI, hrsg. Walter Hinck (1984), S. 84–91, hier S. 88f.: “Zugleich aber ist in Prag Jänner 64 die böhmische Hauptstadt sehr deutlich auch ein Ort politischer Erfahrung, und diese politische Erfahrung bleibt untrennbar mit der privaten verbunden Das letzte Wort ist eine polit-geographische Vokabel.” Dagegen hat Ingeborg Bachmann bei ihren Lesungen darauf beharrt, daß das von ihr entworfene Böhmen “mit den Zeitereignissen… überhaupt nichts” zu tun habe (IV, 479).
Vgl. IV, 479f. und den Interviewentwurf Ingeborg Bachmanns, den Kurt Bartsch, Ingeborg Bachmann, S. 132f. zitiert. — Die zahlreichen Shakespeare-Anspielungen, die dem Text, wie es bereits in “Enigma” zu beobachten ist, den Charakter einer Zitatencollage verleihen, in der sich die Kunst selbstreferentiell auf andere, bereits vorgeformte ästhetische Zeugnisse bezieht, sollen hier nicht im einzelnen philologisch nachgewiesen werden. Vgl. dazu näher Erich Fried, Ich grenz noch an ein Wort und an ein andres Land: Über Ingeborg Bachmann — Erinnerungens einige Anmerkungen zu ihrem Gedicht ‘Böhmen liegt am Meer’ und ein Nachruf (1983), S. 5–10.
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Kaulen, H. Zwischen Engagement und Kunstautonomie Ingeborg Bachmanns letzter Gedichtzyklus Vier Gedichte (1968). Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 65, 755–783 (1991). https://doi.org/10.1007/BF03396390
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF03396390