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Der Satiriker Lukian von Samosata als Namenspatron der Luciane in Goethes Roman Die Wahlverwandtschaften

Luciane in Goethe’s novel Die Wahlverwandtschaften as a namesake of the satirist Lucian of Samosata

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Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Durch die Namensidentität mit Lukian von Samosata und dadurch, dass sie vom Erzähler mit Figuren der komisch-satirischen Literatur verglichen wird, wird der Name Luciane in Goethes Wahlverwandtschaften sprechend. Er deutet darauf hin, dass die betreffenden Kapitel als Satire gelesen werden können. Da sich dort gewisse Motive aus der vorhergehenden Romanhandlung wiederholen, können sie als satirische Auseinandersetzung damit verstanden werden.

Abstract

Due to her kinship in name with Lucian of Samosata, and owing to the fact that the narrator compares her to characters from satirical literature, the name Luciane in Goethe’s Wahlverwandtschaften becomes an aptronym. It suggests that the relevant chapters may be read as a satire. Since certain motifs that have appeared in previous chapters are repeated there, the Luciane plot can be understood as a satirical assessment of the preceding plot.

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Notes

  1. Zu den Namen der Hauptfiguren siehe u.a. Heinz Schlaffer, »Namen und Buchstaben in Goethes ›Wahlverwandtschaften‹«, in: Norbert W. Bolz (Hrsg.), Goethes Wahlverwandtschaften, Kritische Modelle und Diskursanalysen zum Mythos Literatur, Hildesheim 1981, 211–229. Norbert Oellers, »Warum eigentlich Eduard? Zur Namen-Wahl in Goethes ›Wahlverwandtschaften‹«, in: Dorothea Kuhn, Bernhard Zeller (Hrsg.), Genio huius loci, Dank an Leiva Petersen, Wien, Köln, Graz 1982, 215–234. John M. Ellis, »Names in Faust and Die Wahlverwandtschaften«, Seminar, A Journal of Germanic Studies 1/1 (1965), 25–30.

  2. U.a. Andreas Grimm, »Auf das Leben bezügliche und vom Leben abgezogene Maximen«, in: Helmut Hühn (Hrsg.), Goethes ›Wahlverwandtschaften‹: Werk und Forschung, Berlin 2010, 137–148, hier: 139, 141. Hans Jürgen Geerdts, »Goethes Roman ›Die Wahlverwandtschaften‹. Die Hauptgestalten und Nebenfiguren in ihrer Grundkonzeption«, in: Ewald Rösch (Hrsg.), Goethes Roman ›Die Wahlverwandtschaften‹, Darmstadt 1975, 272–306, hier: 305.

  3. Oellers (Anm. 1), 218 und Leonard A. Willoughby, »Name ist Schall und Rauch: On the Significance of Names for Goethe«, German Life and Letters 16 (1963), 294–307, hier: 303.

  4. Oellers (Anm. 1).

  5. Wolf Kittler, »Goethes Wahlverwandtschaften: Sociale Verhältnisse symbolisch dargestellt«, in: Bolz (Anm. 1), 243 und Nils Reschke, »Das Kreuz mit der Anschaulichkeit – Anschauung über/s Kreuz. Die Lebenden Bilder in den ›Wahlverwandtschaften‹«, in: Helmut J. Schneider, Ralf Simon, Thomas Wirtz (Hrsg.), Bildersturm und Bilderflut um 1800. Zur schwierigen Anschaulichkeit der Moderne, Bielefeld 2001, 112–143.

  6. Ebenfalls bei Reschke (Anm. 5), 133. Die Verbindung von Luciane mit Luzifer, in der Doppelbedeutung als Satan und Lichtbringer (Morgenstern), auch schon bei Walter Benjamin (Walter Benjamin, »Goethes Wahlverwandtschaften«, in: Ders., Gesammelte Schriften, hrsg. Rolf Tiedemann, Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a. M. 1974, 123–201, hier: 193).

  7. Zur Verbindung des Teuflischen mit dem Unwetter im Volksglauben siehe »Wind«, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Berlin, New York, IX (1941/1987), Sp. 630–655 und »Wettergespenst« (ebd.), Sp. 520–523. Zum Wetter als Charakteristikum Lucianes siehe Heather Merle Benbow, The Beginnings of Modern Gendered Discourse in Late Eighteenth-Century Germany: Literary, Philosophical, and Popular Portrayals of Female Orality, Lewiston 2009, 140f.

  8. Johann Wolfgang von Goethe, Die Wahlverwandtschaften, hrsg. Joseph Kiermeier-Debre, München 1999, 227. Zitate nach dieser Ausgabe künftig nur mit Seitenzahl.

  9. Willoughby (Anm. 3), 294.

  10. Siehe Johann Wolfgang Goethe, Faust, hrsg. Albrecht Schöne, Frankfurt a. M. 1994, 65, Z. 1338ff.

  11. Wieland gab Lukians Werke heraus (Christoph Martin Wieland, Lucians von Samosata Sämtliche Werke, Bde. I‑VI, Leipzig 1788f.), und er lässt den Dichter als literarische Figur im Streitgespräch mit Peregrinus Proteus im gleichnamigen Werk auftreten. Goethe selbst kam schon früh mit Lukian in Kontakt, nämlich durch seinen Hebräischlehrer, wie er in Dichtung und Wahrheit berichtet (Johann Wolfgang Goethe, Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, hrsg. Klaus-Detlef Müller, Frankfurt a. M. 1986, 141–143).

  12. Christian August Vulpius, Die Saal-Nixe. Eine Sage der Vorzeit, Leipzig 1795.

  13. Zum ersten Mal in Petrons Satyricon überliefert. (Petronii Arbitri Satyricon Reliquiae, hrsg. Konrad Müller, München 2003, 117–120).

  14. Auffällig ist, dass die Saalnixe, eine Erzählung von Christian Vulpius, genannt ist und nicht das Donauweibchen, ein Singspiel von Friedrich Hensler, welches wahrscheinlich nach Vulpius’ Erzählung geschrieben wurde. Vulpius’ Saalnixe tritt nämlich nur zweimal in einer Verkleidung auf, wohingegen das Donauweibchen in elf verschiedenen Gestalten erscheint. Allerdings hatte Vulpius Henslers Operntext für die Weimarer Bühne bearbeitet und wieder in »Saalnixe« umbenannt, wobei er auch die Namen der Protagonisten durch jene aus seiner Erzählung ersetzte (Andreas Meier [Hrsg.], Christian August Vulpius: Eine Korrespondenz zur Kulturgeschichte der Goethezeit, Bd 1: Brieftexte, Berlin 2003, 177 [Einleitung]). Für eine Lesart des Donauweibchens als Gesellschaftssatire siehe Anita Aichinger, Donauweibchen küssen besser – Karl Friedrich Henslers romantisch-komisches Volksmärchen als Spiegel der Gesellschaft an der Wende zum 19. Jahrhundert, Wien 2010.

  15. Carl Friedrich Flögel, Geschichte der komischen Literatur, Liegnitz, Leipzig 1784, I, 294. Siehe hierzu und zu Lucianes obengenanntem »Geist des Widerspruchs« Müller im Gespräch mit Goethe: »Nicht leicht habe ich seine [Goethes] Proteus-Natur sich in alle Formen zu verwandeln, mit Allem zu spielen, die entgegengesetztesten Ansichten aufzufassen und gelten zu lassen, anmuthiger hervortreten sehen.« (Wolfgang Herwig [Hrsg.], Goethes Gespräche. Eine Sammlung zeitgenössischer Berichte aus seinem Umgang auf Grund der Ausgabe und des Nachlasses von Flodoard Freiherrn von Biedermann, Zürich, Stuttgart 1972, III, 610).

  16. Dass er dabei ein langobardisches Grabmal statt des karischen zeichnet, stellt eine weitere in der Reihe der Fehlleistungen der Romanfiguren dar (vgl. Peter von Matt, »Nachwort zu den Wahlverwandtschaften«, in: Johann Wolfgang von Goethe, Die Wahlverwandtschaften, Zürich 1996, 400). Interessant wäre es, der Frage nachzugehen, was für eine Funktion die Bemerkung des Erzählers, dass die Skizze eher einem langobardischen als einem karischen Monument gleiche, übernimmt. Lässt es sich bestimmen, welches Grabmal der Architekt zeichnet? Ist es vielleicht gar jenes in der Grabkirche von Otto dem Großen, welches Goethe selbst aus dem Kopf zeichnen konnte? (Carl Friedrich von Both, »Ein Besuch bei Goethe und Knebel in Jena«, in: Herwig [Anm. 15], 204.).

  17. Petron (Anm. 13), 117.

  18. »Νεκρικοὶ ∆ιάλογοι 24«, in: Luciani Opera, IV, Libelli 69–86, hrsg. Matthew D. Macleod, Oxford 1987, 213–215.

  19. Marcus Valerius Martialis, Epigrammata, hrsg. Wilhelm C. Heraeum, David R. Shackleton Bailey, Stuttgart 1990, spect.1.

  20. Benbow (Anm. 7), 139.

  21. Zu Lucianes Gesellschaftskritik vgl. Hans Reiss: »Ihre Kritik an der Gesellschaft ist spöttisch und scharf, aber nicht unberechtigt.« (Hans Reiss, »Mehrdeutigkeit in Goethes Wahlverwandtschaften«, Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 14 [1970], 366–396, hier: 382).

  22. Vgl. Reschke (Anm. 5), 129, Anm. 36. Aeka Ishihara, »Von der Skala der Natur zum evolutionären Vektor: der Zwischenkieferknochen und das Affen-Motiv in der Literatur der Goethe-Zeit«, in: Yoshito Takahashi (Hrsg.), Kulturwissenschaft als Provokation der Literaturwissenschaft, München 2004, 152f. Geerdts (Anm. 2), 304f. Gabrielle Bersier, »›Buchstäblich genommen‹. Zur parodistischen Machart von Goethes ›Wahlverwandtschaften‹«, Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts (1998), 15–35. Ein satirischer Bezug auf einzelne Glieder der Gesellschaft ist ebenfalls vermerkt worden. So ist schon seit dem Erscheinen des Romans versucht worden, den einzelnen Romanfiguren wirkliche Personen als Vorbilder zuzuordnen. Schwartz bemerkt, dass Wilhelm Grimm in der Darstellung der Luciane einen satirischen Seitenhieb gegen die Schauspielerin Caroline Jagemann gesehen habe (Peter J. Schwartz, »Eduard’s Egoitism: Historical Notes on Goethe’s Elective Affinities«, The Germanic Review: Literature, Culture, Theory 76 [2001], 41–68, hier: 57). Heute gilt Emma Hamilton, wie sie in der Italienischen Reise beschrieben wird (Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise, hrsg. Christoph Michel, Hans-Georg Dewitz, Frankfurt a. M. 1993, 352–355), als Vorbild für Luciane (vgl. Reschke [Anm. 5], 129ff. und Norbert Puszkar, »Frauen und Bilder: Luciane und Ottilie«, Neophilologus 73 [1989], 397–410, hier: 404).

  23. Weil die Satire keine eigentliche Literaturgattung darstellt und verschiedene Elemente und Verfahrensweisen als satirisch empfunden werden, wird hier direkt anhand der einzelnen Szenen besprochen, inwiefern diese als Satire gelesen werden können (Zur Problematik der Bestimmung des Satirischen siehe z.B. Gilbert Highet, The Anatomy of Satire, Princeton 1962, 14–23).

  24. Benbow (Anm. 7), 138–144. Claudia Nitschke, »Corporeality and Emotion in Goethe’s ›Die Wahlverwandtschaften‹«, English Goethe Society: Publications of the English Goethe Society 80 (2011), 38–52, hier: 43. Puszkar (Anm. 22), 404f. Reschke (Anm. 5), 132f.

  25. Vielbesprochen ist auch die These, dass es sich bei diesem Bild nicht um eine Familien-, sondern um eine Bordellszene handelt (u.a. Nitschke [Anm. 24], 45, Benbow [Anm. 7], 142, Kittler [Anm. 5], 245, Reschke [Anm. 5], 124f.). Eine Entscheidung in dieser Frage ist hier nicht relevant, da die Betonung der erotischen Wirkung Lucianes ohnehin evident ist.

  26. Im Tagebucheintrag am Ende des siebten Kapitels äußert sich Ottilie sehr emotional gegen Luciane (249).

  27. »Affe«, in: Metzler Lexikon literarischer Symbole, Stuttgart 2008, 8f.

  28. »Wurm«, in: Metzler Lexikon literarischer Symbole, Stuttgart 2008, 430.

  29. Ottilie schreibt nach Pope: »[...] das eigentliche Studium der Menschheit ist der Mensch.« Vgl. Alexander Pope, Vom Menschen, Englisch – Deutsch, hrsg. Wolfgang Breidert, übers. Eduard Breidert, Hamburg 1993, 38ff.

  30. Vgl. auch Reschke (Anm. 5), 132: »Fungiert Luciane [...] als die rechte Hand eines Ex-Soldaten, der seine Schreibversuche an sie richten muss, liefert der Text keinesfalls nur ›artige Gegenbilder‹, sondern bietet seinerseits schon die einigermassen unartige Parodie des Androgynenmythos und der identischen Hand(‑Schrift) des liebenden Lesepaares Ottilie-Eduard.«

    Zum Wörtlichnehmen der Metonymie in der komischen Literatur und besonders als Stilmittel der Parodie vgl. Bersier (Anm. 22), 17.

  31. Vulpius (Anm. 12), 189.

  32. Zur Reaktion Ottilies und Mittlers: 257, Eduards: 302, des Hauptmanns: 312.

  33. Vulpius (Anm. 12), 190.

  34. Vulpius (Anm. 12), 190.

  35. Zuletzt Gabriele Dürbeck, »Zur Monstrosität des Kindes, Altes und neues Wissen in Goethes Wahlverwandtschaften«, Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 45 (2010), 149–165, hier: 154f.

  36. Auf die (Un‑)Möglichkeit einer sexuellen Begegnung zwischen Ottilie und dem Hauptmann weist sonst Friedrich Kittler hin. Friedrich A. Kittler, »Ottilie Hauptmann«, in: Bolz (Anm. 1), 260–275, hier: 260f.

  37. Hans Gerhard Gräf, Goethe über seine Dichtungen. Versuch einer Sammlung aller Äusserungen des Dichters über seine poetischen Werke, Frankfurt a. M. 1901, I, 422.

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Für die Unterstützung und Beratung bei der Publikation dieses Textes danke ich Herrn Prof. em. Dr. Wolfram Groddeck ganz herzlich.

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Zortea, L. Der Satiriker Lukian von Samosata als Namenspatron der Luciane in Goethes Roman Die Wahlverwandtschaften . Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 92, 31–41 (2018). https://doi.org/10.1007/s41245-018-0051-9

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