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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.02.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980208019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898020801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898020801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-02
- Tag1898-02-08
- Monat1898-02
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Zwar der doktrinäre Liberalis mus, der Deutschland schon so schwere Wunden geschlagen, wie ein Theil der osficiösen Preßstimmen läßt sich absichtlich oder unabsichtlich noch immer von dem Lügengewebe be- thören, da» dicker als je im Lande der Knechtschaft, im sonnigen Ungarn, von einer Lbermüthigen Herrenrasse ge sponnen wird; waö aber in deutschen Gauen nur einiger maßen den politischen Kinderschuhen entwachsen ist, verfolgt mit dem berechtigten Gefühl der Empörung die Ruchlosig keiten, unter denen zwei Millionen Deutsche in Ungarn dem trügerischen Phanton deS magyarischen Einheilsstaates geopfert werden. Freilich „voleuti nou lit injuria", dir Deutschen im eigentlichen Ungarn wagen längst keinen Widerstand mehr, mit einer an Stumpfsinn grenzenden Resignation legen sie die Hände in den Schooß, während rings um die Lohe der nationalen Begeisterung die anderen Völker zum Aeußersten treibt. Für die Ehre deS deutschen Namens in Ungarn kämpfen heute nur noch die Siebenbürger Sachsen, die ge schlossen um die Fahne ihres Bolkslhums sich geschart haben in dem Bewußtsein, daß die Stunde der letzten Entscheidung nahe gerückt ist. Denn der letzte Act deS großen Völkerdramas im Reiche der Stefanskrone ist durch das Gesetz über die Magyari- sirung der Ortsnamen eingeleitet worden. Das hat den Anstoß gegeben, daß die sächsischen Abgeordneten bis auf vier zaghafte Mandatare des Volkswillens auS der Re gierungspartei, wo sie in jahrelangem Dulden Sckmach auf Schmach über sich ergehen ließen, weil sie in arge Täuschung durch Nachgiebigkeit die brutale Gewalt versöhnen zu können glaubten, ausgetreten sind. Der berüchtigte Gesetzentwurf, den eine sächsische Zeitung bezeichnenderweise einen „Banditen streich" nannte, hat die beiden Häuser deö Reichstages Passirt und harrt nur noch der Sanktion durch die Krone. Im EentralauSschuß, der höchsten politischen Vertretung der Sachsen, war von der Partei der streng nationalen „Grünner" der Antrag auf Entsendung einer Massendeputation an deS König» Majestät ringebracht, aber von der noch immer opportunistisch angehauchten Mehrheit als unzeitgemäß adgelehnt worden. Da traten die sächsischen Frauen, denen kein Kenner der Verhältnisse den Vorwurf politischer Vor dringlichkeit machen wird, auf den Plan, um in zwölfter Stunde noch die Rettung zu versuchen. Mit einem Bitt gesuch, für welches in aller Stille 8000 Unterschriften ge sammelt wurden, traten 25 Vertreterinnen der sächsischen Frauen die sauere Fahrt nach Wien an. Wohl haben sie dort in der alten Kaiserstadt seltene Triumphe erlebt, die sie nie begehrt, aber zwischen sie und den Monarchen stellte sich die ungarische Regierung, an deren Beto die Audienz, wie vorauözusehen, gescheitert ist. Von Wien auS haben die tapferen Frauen den ungarischen Ministerpräsidenten Bänffy in Pest aufgesucht, um die Audienz beim König durchzusetzen. „Seine Mazestät macht keine Politik, die besorgt die unga rische Regierung", lautete die selbstbewußte Antwort des ehe maligen Pascha» von Bistritz, die ihm wohl noch einige Ver legenheiten bereiten wird. Schließlich erklärte der wenig Schiffsproviant einst und jetzt. Bon Hermann Greiling. Nachdruck verdrtm. Der erbittertste Feind, mit welchem die Seefahrer in früheren Zeiten zu kämpfen hatten, war der Scorbut. Besonders Die jenigen, welche nach den Meeren des Nordens segelten, waren dieser tückischen Krankheit schonungslos preisgegeben. Eine Ueberwinterung im Eise des Nordens kostete meist einem großen, ja, oft dem größten Theile der Mannschaft das Leben. Die Geschichte der Reisen und Entdeckungen hat uns die Schilderung geradezu verzweifelter Krankheitsbilder bewahrt. Gelähmt am Körper, stumpf an Geist, lagen die unglücklichen Matrosen fiebernd und schauernd auf ihrem dürftigen Lager, mit schmer zenden Gliedern und geschwollenen Schenkeln. Die Krankheit begann mit einer unbezwinglichen Schlafsucht, einer gewissen Trägheit und Muthlosigkeit. Beim Erwachen fühlen sich die Patienten bleischwer in allen Gliedern. GaS Gesicht bekommt ein grünliches Aussehen. Je mehr sich — so beschreibt ein Arzt die Krankheit — der Mensch dieser Trägheit und Müdigkeit über läßt, desto sicherer und schneller ergreift ihn die Krankheit. Er fühlt dann eine eigenthümliche Steifheit, besonders in den Knien, hier und da zeigen sich grünlich« Flecke, die nicht schmerzen, aber härter als das umliegende Fleisch sind. Allmählich werden die Augen trübe, der Rand des Zahnfleisches schwillt an, wird bläulich und blutet leicht, der Athem wird übelriechend. Auf diesem Puncte bleibt die Krankheit stehen, wenn nicht ungünstige Umstände ihre weitere Entwickelung fördern. Im zweiten Stadium tritt holzähnliche Härte und Steifheit der Lenden- und Wadrnmuskeln ein, welch« auch beim stärksten Drücken keine Vertiefung mehr zeigen. Heftige Gliederschmerzen treten auf, die Unterschenkel, oft auch die Knie, schwellen an, dunkelblaue Flecke zeigen sich, Geschwüre entstehen im Mund«, die» Augen und Augenlider schwellen an, das ganze Gesicht bekommt ein wahrhaft schauderhaftes Aussehen. Die Athmung geht immer mühsam,r, der Kranke steht entsetzliche Schmerzen aus. Die Haut ist kalt und trocken. Vielfach tritt der Brand dazu, und der arme Befallene stirbt eine» schrecklichen Tode». Und was da» Schlimmste ist: der Kranke behält in den furchtbarsten Qualm sein freie» Bewußtsein, er ist nur niedergeschlagen und Sleichglltig. Die Mannschaften der Schiffe waren in früherer Zeit oft Doch,« und Monate hindurch von der gräßlichen Krankheit be« galante Gewalthaber, baß er die Bittschrift übernehmen wolle, ob „sie aber in die Hände Seiner Majestät gelangen werde, könne er nicht unbediiiat bejahen". So geschehe» im ersten Jahre des zweiten Millenniums, das vor Jahresfrist der staunenden Welt die Entwickelung deS modernen Ungarn in blendendstem Lichte gezeigt bat. Wer da meint, dieses trübe Bild der magyarischen Freibeit, von dem in der großen Welt so viel geflunkert wird, entspreche nickt der Wirklichkeit, lese die in der Wiener „Neuen Freien Presse" erschienene Be richtigung, durch welche die von ministerieller Seite inspirirlen Nachrichten über den Empfang der sächsischen Frauen deputation bei Bänffy demenlirt werden. Wer übrigens die ungarische Freibeit in vollen Zügen genießen will, dem empfehlen wir einen längeren Aufenthalt in diesem durchaus orientalischen Lande, dessen Verwaltung dem kranken Mann im äußersten Osten Edre machen würde. Einen greifbaren Erfolg werden die sächsischen Frauen demnach schwerlich Heimbringen, aber der Empfang, der zu Hause ihrer wartet, wird die Welt trotz allem Geifer, den die magyarischen Zeitungen über sie spritzen, belehren, daß sie nicht die „Anschauungen einer unbedeutenden Minorität vertreten", wie sich Bänffy auszudrücken beliebte, sondern daß daS ganze sächsische Volk hinter ihnen steht voll Dank für die wackere That, die dem sächsischen Namen zum Ruhme gereicht. Indessen schreitet daS Werk der Magyarisirung rüstig fort. Nicht nur an tobte Sachen legt der unbändige Cbau- vinismuS seine frevle Hand, schon giebt eS einen vom Inner minister bestätigten „Magyarisirungsverein", der in schamloser Weise zur nationalen Apostasie aufsordert. Diesem gesellschaftlichen Unternehmen macht nun in letzter Zeit die Regierung offen Concurrenz. Den Reigen hat wieder der Jnnerminister eröffnet mit einem Erlaß an alle Municipal- behörden, die „Eingaben, welche sich aufNamensmagyarisirungen beziehen, außer der Re'he zu erledigen", damit das gute Werk ja keine Verzögerung erleide. Denkt man da nicht unwillkürlich an da» Wort des konservativen BaronS Senney „von der asiatischen Wrtbschast" oder an die. „verlotterte Inlelliaenz und daS schwache Volk", Weiche d Führer der UnabhangrgkeitSpartei, Gabriel Ugron, in ehrlichem Be- kenntniß seinem Volk zum Vorwurf machte, wenn als die höchste Aufgabe der Verwaltung, hinter der alle andern öffentlichen Agenden zurückstehen müssen, von einem Mitglied der Regierung der nationale Seelenfang ausgegeben wird? Nachdem die magyarischen Preßorgane — denen sich die deutsch geschriebenen Blätter der Hauptstadt würdig an reihen — mit süßester Heuchelmiene den beneidenSwerthen Nationalitäten Ungarns da» bedauerliche Schicksal der Polen und Franzosen in Deutschland, der Deutschen in Rußland vor die Augen halten, geht der Versucher in Gestalt höherer Beamten de» Post- und Eisenbahnwesens auf leisen Sohlen unter den kleineren Bediensteten um und manch' ein armer Teufel, dem geradezu mit Entlassung und anderen schönen Aussichten gedroht wurde, hat in den letzten Tagen seinen ehrlichen deutschen Namen geopfert. Die Schamlosigkeit der That wird nur noch übertroffen von der Naivetät, mit der der „Druck von oben" geleugnet und al» eine harmlose Auf forderung zur Namensänderung im „Interesse de» Dienstes und de» GemeinbewnßlseinS" dargrstellt wird. Sobald di« Regierung durch die Beseitigung der Ausgleichs schwierigkeiten freie Hand erhält, stehen den Deutschen in Ungarn noch andere schone Ueberraschungen bevor. Da ist z. B. die schon längst angeküudigte BerwaltuugSreform, welche den fallen. Es war etwas Selbstverständliches, daß nur ein Theil der Bemannung das Vaterland wiedersah, wenn es sich um längere Reisen handelte. So brachte Vasco da Gama von 160 Portugiesen, mit denen er zur Eroberung Indiens aus gezogen war, nur 56 wieder in die Hrimath zurück, obwohl er ausschließlich warme Gegenden durchreiste. Für Polarfahrer betrachtete man das Uebel als unvermeidlich. Ist doch der Scorbut bei den Bewohnern der Polarländer heimisch und eine häufige Todesursache bei den Eskimos. Als die Hauptursachen des Krankheitsausbruches unter den Matrosen müssen bezeichnet werden: die Kälte, die ungenügenden hygieinischen Einrich tungen auf den alten Segelschiffen, die Muthlosigkeit und Lange weile, die sich der Leute wahrend der langen Polarnacht be mächtigt, die wenig genügend« Beschäftigung und Unterhaltung, vor Allem aber die mangelhafte Nahrung, welche den Matrosen früherer Zeiten zu Gebote stand. EingesalzeneS Fleisch, schlechter Schiffszwieback und stinkendes Wasser trugen in erster Linie die Schuld am Entstehen de» Leidens, das sofort zu weichen beginnt, wenn die Patienten in ander« günstigere Lebensverhältniffe ein treten, wenn abwechselungsreiche Nahrung, frisches Fleisch und Wasser zu Gebote stehen. Soll es doch eine Eigenart der Krank heit sein, daß die Kranken in ihren Träumen immer frisches Wasser und frische Kräuter sehen, und beim Erwachen ganz unglücklich sind, daß Alles nur Täuschung gewesen. Worin bestand denn der Proviant der damaligen Schiffe? Frische» Wasser gab es nur am Anfang der Reise, ebenso frische» Fleisch. Eine Anzahl Thiere, wie Schweine, Ziegen und Hühner, wurden wohl mitgenommen, indeß vor der Er findung der Dampfschiffe dauerten di« Reisen lange, und Stationen zur Erneuerung der Vorräthe und des Wasser» gab es bei Weitem nicht so viel wie jetzt. So sahen sich denn die Seefahrer schon nach wenigen Wochen auf die übliche haltbare Schiffskost, da» scharfe Pökelfleisch, den harten Zwieback, die steinfesten Hülsenfrüchte und das immer mehr faulende Wasser angewiesen. Bis zu einer gewissen Zeit gab es nicht einmal Kaffee, Thee, Kartoffeln und Wurst. Die Kunst, das Wasser möglichst lange frisch zu erhalten, verstand man nicht. So blieben denn geistige Getränke und die sogenannten Antiscorbutika der einzige Trost der muthigen Fahrer während der langen Abwesenheit. Zu den Antiscorbutiten gehören vor allen Dingen Kresse, Löffelkraut, Senf, Mrerrrttig, Zwiebeln, Lauch und verschiedene Kohlarten; auch Eitronen, Apfelsinen und Obst thun gute Dienste. Leider vermochte man Früchte auch nur eine ver- hältnißmäßig kurze Zeit frisch zu erhalten. Wie bat sich seitdem da» ganze Bild verändert! Der Scorbut ist jetzt em« seltene Krankheit geworden, die höchsten» bei Reisen säcksischen Städten, die sich beute eines geregelten Haus haltes erfreuen, den letzten Rest der freien Selbst- beslimmung confisciren wird. Demselben Geist des politischen WegelagererthumS entstammt auch die beabsichtigte Verstaatlichung der Genieindesorstc, die beute den kostbarsten Besitz der autonomen sächsischen Gemeinden umfassen, ein Gesetz, welches den bedenklichsten Eingriff in die Sphäre des PrivalreckteS bedeutet. Daneben soll ein neues Miltelsckul- gesey die pflichtvergessenen Nationalitäten durch das Mittel des Geschichtsunterrichts in „patriotischem" Geiste erziehen, und auch die nicktniagyarischen Geldinstitute, welche den Sachsen einen nanihasten Theil ihrer kulturellen Bedürfnisse decken Helsen, sollen durcheilte strengeControle der Staatsgewalt ihrem idealen Zwecke entfremdet werden. So geht es in tollem Taumel vorwärts Schlag auf Schlag, Gesellschaft, Presse und Negierung sind von einem wahren Hexensabbat!, erfaßt, wie sich ja auch Bänffy offen als Bundesgenossen der äußersten Linken gegeben hat mit den Worten „wir streben doch beide nach demselben Ziele, nur sind der Ne gierung gewisse Rücksichten auserlegt, die Sie als radical- nationale Partei nicht zu beobachten brauchen". Sollte es da nicht an der Zeit sein, dem magyarischen Uebermutb, der den deutschen Namen sort und fort schändet, zwei bedeutungs volle Worte, die an schwere Niederlagen des Magyaremhums erinnern, ins Gedächtnis; zu rufen? Sie heißen MohäcS und Vilägos. Lin freisinniger Muster-Politiker. 4?. Das Muster eines „freisinnigen" Politikers ist der frühere Abgeordnete Dr. H. Dohrn in Stettin. Dieser Herr ist durch daS Verbot der Einfuhr amerikanischen ObsteS, dessen Berechtigung bekanntlich der amerikanische CabinctS- secretair für Ackerbau ausdrücklich anerkannt hat, in seinen manchesterlichen Gefühlen derart gekränkt worden, daß er seine Weisheit der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten konnte und der „Weser-Ztg." die nachstehenden Zeilen schrieb: „Da die Blutlaus berufen scheint, jetzt eine handclspoli» ische Rolle zu ipieler, gestatten Sie mir, darauf aufmerksam zu machen, daß dieselbe in Deutschland seit alter Zeit reichlich vorhanden ist. In unserer Stetliner Gegend ist ihr Vorhanden» sein so gut bekannt, daß der Gartenbauverein seit Jahren die Obslzüchter vor derselben gewarnt und guten Rath gegeben hat, wie ihrer Verbreitung entgegenzutrrten sei. Mir ist ferner aus eigener Anschauung bekannt, daß in der Gegend von Frank» furt a. M., südlich des Main», große Strecken in solchem Maße von der Blutlaus schon vor langen Jahreu befallen waren, daß man die Cultur der Apfelbäume für undurchführbar hielt und gänz lich ausgab. Ter Schrecken vor einer Verseuchung Deutschlands mit Vlutläuien ist meines Erachtens nickt mehr gerechtfertigt, als seiner Zeit die Angst vor dem Coloradokäfer, die vielleicht noch in der Erinnerung lebt. Uebrigens möchte ich bemerken, daß Blutläuse gewöhnlich nicht an den Früchten leben, noch weniger im Innern der Früchte, und daß gedörrte oder gebackene Btutläuse todt sind." Selbst die sreihändlerische „Wes.-Ztg." bemerkt hierzu, eS sei doch festzustellen, „ob die San Iosv-Blutlaus mit der einheimischen identisch ist." Nack der ausführlichen Darlegung des „Reichsanz." ist die San Jos6-Schild laus ein Amerika elgenthümlicher Schädling, der eben nicht identisch ist mit der einheimiscken Blutlaus. Das „Erachten" des Herrn Dr. Dohrn ist angesichts de» Unheils der deutschen Sach verständigen, angesichts der von der Schildlaus in Amerika herbeigefübrten Verwüstungen und angesichts der Bekämpfung der Schildlaus in Amerika durch gesetzgeberische Maßnahmen in kalten Gegenden unter besonders ungünstigen Verhältnissen noch ihr Opfer fordert. Und woran liegt das? Durch die Er findung der Dampfschiffe sind die Seereisen ungeheuer verkürzt worden. Dabei ist die innere Einrichtung der Schiffe eine viel bequemere geworden, die hygieinischen Forderungen der Neuzeit haben Berücksichtigung gefunden. Die Zahl der Stationen, wo die Schiffer frisches Wasser und Nahrungsmittel finden, hat sich bedeutend vermehrt. Außerdem trägt man Sorge für gute Unterhaltung und permanente Beschäftigung der Mannschaft. Vor Allein aber ist die Verpflegung eine ganz andere geworden. Man kann jetzt monatelang auf einem Schiffe reisen, ohne die Landkost im Geringsten zu vermissen. Ja, die Schiffsküchen größerer Dampfer sind so vornehm und reichhaltig ausgestattet wie die Küchen der besten Hotels. Wasser kann man nicht nur öfter erneuern, sondern auch besser aufbewahren, und wenn nöthig destilliren. Im äußersten Falle sind Getränke genug als Ersatz vorhanden. Cacao, Chocolade, Thee giebt es nach Belieben. Milch kann in condensirtem Zustande mitgenommen und lange Zeit aufbewahrt werden. Bier oder Malzextrakt werden in entsprechender Abschließung mitgeführt, Honig, Syrup, Zucker fehlen nicht. Kartoffeln und Obst, Gemüse aller Art, stehen zur Verfügung. Mehl wird fest in Fässer eingestampft, so daß es keine Feuchtigkeit aufnehmen kann. Es steht also Brod und Kuchen jederzeit zu Gebote. Durch Wassrrentziehung conservirt man auch Obst und Kraut, Pilze, Hülsenfrüchte u.s.w. Selbst Eier und Milch lassen sich durch Wasserentziehung haltbar machen und brauchen nur zum Zwecke der Benutzung in Wasser wieder aufgelöst zu werden, und sind dann ebenso nahrhaft und beinahe ebenso schmackhaft wie im frischen Zustande. Die Kunst, das Fleisch zu conserdiren, ist soweit gediehen, daß man den Braten fix und fertig mitnehmen und monate lang aufbewahren kann. Will man ihn speisen, so wird er nur aufgcwärmt. Kälte, Entziehung der Luft, Trocknung u. s. w. gestatten im Ferneren die Mitnahme und Erhaltung frischen Fleisches; außerdem sind alle Arten geräucherte Wurst, Corned- beef u. s. w. vertreten, auch Suppentafeln, um immer eine nahrhafte Suppe, Fleischextract, um jederzeit Fleischbrühe her zustellen. Obst wird getrocknet oder eingemacht mitgcführt. Bier conservirt man durch chemische Mittel, besonders durch Salicylsäure. So giebt es eigentlich fast keine Speise, fast kein Getränk mehr, das seine Dienste bei Seereisen versagt. Fahrten wie z. B. nach Amerika mit den dazu nöthigen neun oder zehn Tagen kommen dabei gar nicht mehr in Betracht. Den größten Triumph für die moderne Schiffsausrüstung bietet die große Nansen'sche Polarexpedition, bei welcher nicht «in einziger der strengster Art nickt nur höchst gleichgiltig, sondern auch bock komisch. Fügen wir hinzu, daß Herr Dr. Dohrn Vorsitzender des Stettiner entom „logischen VereinS ist, so wird die komische Wirkung seine» „Erachten«" noch gesteigert. Miß traut aber Herr Di. Dohrn den deutschen und den ameri kanischen Sackverständigen, dann macht ihn vielleicht die frei- bändlerische „Voss. Ztg." bedenklich, die über die Schildlaus Folgendes schreibt: „Eine Pflanzung, in der sich der ^gpiäiotus perniciosus einmal eingenistet hat, wieder zu säubern, ist so gut wie unmöglich — einmal seiner riesigen Vermehrung und der großen Anzahl von Wirthspflanzen halber, andererseits wegen Mangels an wirk samen Bekämpfungsmitteln. Ja Amerika ist man, nachdem Waschungen der Bäume mit allen möglichen Stossen versucht waren, ziemlich allgemein zur Räucherung der verlausten Pflanzen mit Blausäuregas übergegangen, und schon dieser Umstand beweist, welche Gefahr die San Iosö-Schildlaus mit sich bringt. Da die Räucherung selbst aber wegen der furchtbaren Giftigkeit des Blausäurcgases für Menschen und Thiere sehr gefähr lich ist, so wird sie dort von Leuten ausgesührt, die sie berufsmäßig betreiben. Man spannt um die zu räuchernde Pflanze eia Zelt und entwickelt unter dieser Blausäure aus Cyankalium und Schwefelsäure. Eine solche 2—3 Mal wiederholte Räucherung soll sicher helfen. Die eigentlicke Hrimath de» Schmarotzer» ist nicht bekannt. Zuerst wurde die Schildlau- nach Chile eingefchleppt, von wo sie sich die Westküste entlang nordwärts ausbreitete. In den 80er Jahren trat sie in Californirn auf und verwüstete dort die Obstpflanzungen. Namentlich machte sie sich au Birnbäumen, Pfirsichen, Pflaumen und Pecan» nüssen bemerkbar, und da sie sich zunächst in der Umgebung der Ltadt San Joss verbreitete, so erhielt sie davon ihren Namen. Später kamen Nachrichten über ihr vereinzeltes Vorkommen in den Oststaaten, bi» schließlich unzweifelhaft wurde, daß auch die vier zehn Staaten östlich der Rocky Monntains völlig ver seucht sind." Gelingt eS, mittels des erlassenen Einfuhrverbotes Deutschland vor der Schildlau» zu schützen, so braucht daS freilich auf Herrn Dr. Dohrn keinen Eindruck zu machen. Wie der genannte Herr heute über die Angst vor dem Coloradokäfer spottet, der durch das 1875 erlassene Verbot der Einfuhr von Kartoffeln ferngehalten wurde, so wird er nach einem Menschenalter über die Angst vor der Schildlaus sich lustig machen, wenn es gelingt, diese mittels Les Einfuhrverbotes fernzuhallen. Der mit dem Bacillus des „Nichtsalsfrcihändlerthunis" und der „Unentwegtheit" behaftete Politiker ist und bleibt eben unbelehrbar. Deutsches Reich. *** Leipzig, 7. Februar. Sonnabend, den 12. d. M., findet hier im Hotel de Pologne eine Conferenz in Eisenbahn-Angelegenheiten statt, an welcher zahl reiche höhere Beamte und Officiere aus allen Theilen Deutschlands theilnehmen werden. * Leipzig, 7. Februar. In Stollberg in der Rhein provinz bat, wie wir jüngst mittheilten, ein Caplan sich sittlich über ein bewegliche» Reclamebild entrüstet, daS eine vollständig bekleidete Frau darstellt, die ein kleine» Kind auf den Händen schaukelt; das Kindchen trägt allerdings, da e» eben gewaschen ist, keine Kleidung. Diese» anstößige Theilnehmer erlegen oder auch nur erkrankt ist. Nansen äußert sich in seinem Werke: „In Nacht und Eis" über die wichtige Frage geeigneter Berproviantirung wie folgt: „Auf unserer Berproviantirung wurde selbstverständlich be sondere Sorgfalt verwendet, da darin ohne Zweifel die gefähr lichste Quelle des Scorbuts und sonstigen Elends liegt. . . . Das Resultat unserer Erwägungen war, daß bei langdauernden arktischen Expeditionen die Conservirung von Fleisch und Fisch durch Salzen, Räuchern oder unvollständiges Dörren als mangel haft und verwerflich anzusehen ist. Der leitende Gedanke bei der Berproviantirung muß sein, die Lebensmittel entweder durch sorgfältiges und vollständiges Dörren oder durch Sterilisiren vermittelst Wärme vor dem Verderben zu bewahren. Wonach ich ferner trachtete, war, nicht allein nahrhaften und gesunden Proviant zu bekommen, sondern auch für so viel Abwechselung als möglich zu sorgen." Nansen berichtete dann, daß man Fleisch von allen Sorten in hermetisch verschlossenen Büchsen mitgenommen habe, ferner gedörrte Fische und Fischconserven, die an Bord sehr begehrt waren (besonders Fischpudding und conservirte Makrelen); Kartoffeln, sowohl gedörrte als solche in Büchsen, allerlei conservirtes und gedörrtes Gemüse, gekochtes und gedörrtes Obst, Eingemachtes und Marmelade in Menge; gezuckerte und ungezuckerte condensirte Milch, conservirte Butter, getrocknete Suppen verschiedener Art und viele andere Dinge Außerdem hatten wir viel Mehl zum Backen von frischem Brod." . . . Jedes einzeln« Nahrungsmittel wurde chemisch auf seine Qualität untersucht und sorgfältig verpackt, selbst Brod und getrocknete Gemüse löthete man in Zinkkisten ein, um sie gegen Feuchtigkeit zu schützen. Als Getränke dienten Chocolade, Kaffee, Thee, Milch, Bier, Citronensaft mit Zucker u. s. w. Dabei war daS Schiff vorzüglich construirt und mit allen Errungenschaften der modernen Wissenschaft und Technik aus gerüstet. Alle möglichen Apparate und Instrumente dienten wissenschaftlichen oder anderen Zwecken. Die Thätigkit war streng geregelt, ebenso für Abwechselung und Zerstreuung auf das Beste gesorgt. Man hatte allerhand Spiele, eine Bibliothek und Musikinstrumente an Bord. Sine Zeitung wurde heraus gegeben; man veranstaltete Eoncerte und Aufführungen, und bei besonderen Gelegenheiten gab eS ordentliche Festessen. So verzeichnet Nansen am Geburtstag des EapitainS der „Fram" folgendes Menu: Hühnersuppe, gekochte Makrelen, Rennthier rippen mit gebackenem Blumenkohl und Kartoffeln, Macaroni- Pudding, in Milch gedämpfte Birnen und Bier. Ein solche» Diner im höchsten Norden, nur umgeben von Ei» und Schnee, kann man sich schon gefallen lassen!
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