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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980210028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898021002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898021002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
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Größere Schriften laut unserem drei«. «erzeichuiß. Tabellarischer und Zifsernsatz nach hüherem Tarif. Eytra »Beilagen (gefalzt), aar mit de» Morgen - Ausgabe, ohne PostbesSrderuaz) ^l W.—, mit Postbesörderung ^l 7L—. Aunahmeschlvt für Anzeigen: Nbeud-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. vtorg« ».Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. vrt den Filialen und Annahmestellen je ei« halb« Stund« frühe«. Anzeige« find stet« an di« Gxpeditio» zu richte». Drilü und Verlag von E. Pol» t» Leipzig 82. Jahrgang. Donnerstag den 10. Februar 1898. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. Februar. Die gestrige Sitzung de« Reichstag«, die fast ganz von einer fruchtlosen, aber um so gereizteren handelspolitischen Debatte auögesüllt wurde, hat den extremen Agrariern von der Art de« Grafen Kanitz eine nicht unwichtige Lebre gebracht. Sie hätten allerdings schon jüngst, als die „Hamb. Nachr." entschieden gegen den im ReichötagS- wahlkreise Homburg-Kusel unterlegenen Candivaten der Berliner Leitung des Bundes der Lanvwirthe, Lucke-PaterS- bansen, und für seinen von Nationalliberalen und gemäßigten Mitgliedern deS Bundes ausgestellten Kandidaten Schmilt- Neichenbach Partei nahmen, sich sagen müssen, daß Fürst Bismarck weder mit ihrem ganzen agitatorischen Treiben, noch mit ihren Protesten gegen neue Tarif verträge einverstanden sei; aber um sich das nicht sagen zu müssen, stellten sie die Behauptung auf. die betreffende Aeußeruug der „Hamb. Nachr." gebe unmöglich die Ansicht des Fürsten wieder, der sicherlich ganz anders denke. Vom ältesten Sohne deS Fürsten, dem Abg. Graf Herbert Bismarck, mußten sie nun gestern erfahren, wie der Fürst wirklich denkt. Graf Herbert trat allerdings dem Grafen Kanitz, nachdem dieser die bestehenden Handelsverträge auf das Schärfste kritisirt und bezüglich der Zukunft Forderungen aufgestellt hatte, die jede Rücksicht alif Handel und In dustrie vermissen ließen, nicht direct gegenüber; er wandte sich vielmehr gegen die Auslassungen des Abg. Richter über die Handelspolitik deS Altreichskanzlers nnd tadelte kaum minder scharf, al« Graf Kanitz eS gethan hatte, den Mangel an Umsicht und Energie, der bei den letzten VertragSverhandlungen sich bemerkbar gemacht und die vom Fürsten Bismarck getroffenen Vorbereitungen unbenützt gelassen habe; aber er betonte auch, daß die jetzige Regierung auf dem rechten Wege sei, wenn sie bei ihren handelspolitischen Vor bereitungen die Bedürfnisse aller productiven Stände kennen zu lernen suche, um Alle in gleicher Weise berücksichtigen und schützen zu können: „DaS große Verdienst, das der Finanz minister Miguel im preußischen Landtage dem Fürsten Bismarck vindicirte, daß er die starken Pferde der Industrie und Landwirthschaft zusammenzubinden verstanden habe, muß das Ziel werben, daS wir erstreben. Wir wollen durchaus keine einseitige Interessen vertretung, sondern fühlen uns vollkommen ebenso wie Herr Richter als Vertreter der Gesammtheit, aber an erster Stelle der nationalen Arbeit." DaS ist eine deutliche Absage an die von Herrn Lucke-Patershausen ver tretene Richtung im Bunde der Lanvwirthe und eine eben so deutliche Stellungnahme für die von Herrn Schmitt- Reichenbach und seinen nationalliberalen Wählern und Freunden vertretene Anschauung, auf deren Boden allein die von vr. Miquel so oft und warm empfohlene „Sammlung" sich vollziehen kann. Ob die Herren, die diese Lehre empfangen haben, sie auch beherzigen werden, ist freilich noch sehr fraglich. Wenigstens verlautet, daß sie im Wahlkreise Homburg-Kusel eine große Agitation gegen den neugewählten Abg. Schmitt in Scene setzen wollen. Auf den Fürsten Bismarck werden sie sich dabe, freilich nicht berufen können. — Die Berathung deS Flottengese tzeS und deS Marine-Etats wird in der Bndgetcommission am Montag beginnen, da das gelammte BegründungSmaterial jetzt vorliegt. Der Abg. vr. v. Ben nigsen, der die Theilnahme an diesen Berathungen seiner Zeit in Aussicht gestellt hatte, ist bereit- zu der gestrigen Sitzung der Commission eingetroffen. Das letzte Jahr vor Ablauf der Legislaturperiode des Reichs tags ist reich mit Ersatzwahlen zum Rrtchstage ge segnet gewesen. Drei sehr interessante Ersatzwahlen stehen kurz vor dem Schluffe der Legislaturperiode noch bevor, nämlich 1) für den VII. wiirttembergischen Wahlkreis, 2) für den I. w e i m a ri s ch e n Wahlkreis, und 3) für den II. ba dischen Wahlkreis. Der Vertreter des erstgenannten Wahl kreises ist gestorben, die Mandate der Abgeordneten von Weimar und Donaueschingen sind von der Commission für ungiltig er klärt worden. Um jedes der drei Mandate wird sich ein sehr heißer Kampf entspinnen, denn in allen drei Fällen haben die letzten Mandatsinhaber nur eine knappe Majorität gehabt. Freiherr von Gllltlingen wurde im wiirttembergischen Wahlkreise Colw mit einer Mehrheit von noch nicht ganz 900 Stimmen gewählt, die Mehrheit in Donaueschingen für vr. Merz betrug gar nur ein Dutzend Stimmen, und in Weimar hatte sowohl bei den allgemeinen Wahlen von 1893, wie bei der nothwendig ge wordenen Ersatzwahl der freiconservative Bewerber einen schweren Stand, denn in diesem Wahlkreise verfügen die radicalen Par teien über sehr starke Minderheiten. Alle drei Wahlen werden dadurch von besonderem Interesse sein, daß sie unter dem Zeichen der Marinevorlage erfolgen. In zwei von diesen Wahlkreisen, nämlich in dem wiirttembergischen und in dem weimarischen Kreise, werden dem flottenfreundlichen Bewerber schroffe Gegner der Marinevermehrung als gefährliche Con currenten gegenübertreten; im Donaueschinger Wahlkreise ist es das Centrum, das in der Flottenfrage bekanntlich eine dubiose Rolle spielt. In allen drei Wahlkreisen werden mithin die Wähler darüber zu entscheiden haben, ob sie einen sicheren An hänger der Marinevermehrung wählen wollen oder nicht — vorausgesetzt, daß die Wahlen vor der Entscheidung über die Marinevorlage stattfinden. Ist dies nicht der Fall, so ist es jedenfalls zu bedauern, daß drei Stimmen, die sonst mit Sicher heit zu Gunsten der Marinevorlage abgegeben worden wären, in Wegfall gekommen sind. Man kann ja bei der Haltung des Centrums nicht wissen, ob man diese 3 Stimmen wird entbehren können. Gegen die auffallende Beteiligung deS preutzischen Ge sandten beim vatican an einem von den „deutschen" Ultramontanen in Rom am letzten Geburtstage Kaiser Wilhelm's II. veranstalteten Feste, bei dem absichtlich der Toast auf den König vo n Italien unterlassen wurde, nimmt auch die italienische Presse Stellung. „Handelte es sich", so schreibt der „Don Chisciotti", „lediglich um die deutschen klerikalen, so könnte man sich mit der Erwägung zufrieden geben, daß es ihnen an Anstand fehle. Was soll man aber über die Handlungsweise Sr. Excellenz des preußischen Gesandten beim Vatikan, Otto v. Bülow, sagen? Das Unter bleiben des Trinkspruches auf den König von Italien bei der Kaisergeburtstagsfeier unter dem Präsidium des preußischen Gesandten muß als ein Protest gegen Italien und seinen Souvrrain aufgefaßt werden. Es ist unnütz, einzuwenden, daß Herr v. Bülow nicht beim Quirinal, sondern beim Vatikan beglaubigt sei, denn daraus müßte ja gefolgert werden, daß es ein Recht, gegen den König von Italien zu pro- testiren, etwa auch für die Gesandten Deutschlands in Stockholm oder Bukarest gäbe. Der Umstand, daß Her^ v. Bülow zur Pflege der Beziehungen zwischen der Berliner Regierung und dem Papst berufen ist, kann ihn unmöglich der Eigenschaft eines Vertreters eines Italien und dem italienischen Herrscherhause befrrundteten Souverains entkleiden." Mit Recht wird ferner anläßlich dieses Entgegenkommens des Vertreters der preußischen Regierung gegen die Ultramontanen daran erinnert, daß es bis jetzt der Conferenz der deutsch-evangelischen Gei st- lichen Italiens verboten war, in der „heiligen Stadt" ihre Berathungen zu Pflegen, und daß der evangelische Botschafts- prediger nur als „Gast" dieser Conferenz beiwohnen durfte — aus Rücksicht auf den Papst, der für diese Rücksicht durch die Canisiusencyclica in seiner Weise quittirk hat. Man darf nun wohl erwarten, daß die n a t i o n a l l i b e r a l e Fraktion des preußischen Abgeordnetenhauses mit der Einbringung des Antrages auf Aufhebung der preußischenGesandtschaftbeimVatican sich be eilen werde; er bietet die günstigste Gelegenheit, das mindestens seltsame Verhalten des jetzigen Gesandten am 27. Januar zu beleuchten. Auch der gestrige Verbandlungstag im Zolaprocetz, welcher die Vernehmung der wichtigsten Zeugen, des Generals Boisdeffre und des früheren Kriegsministers Mercier brockte, bat von Neuem gezeigt, daß die Negierung fest entscklossen ist, daS Dunkel, welches über der Affaire Dreyfus ruht, nicht zu zerstreuen. General BoiSdeffre brauchte nicht erst zu erklären, ein Staatsgebeimniß sei in Frage, das wußte man schon längst. Wäre es nickt so, weshalb die Geheimhaltung und die Beugung deS NechtS? Ebenso brauchte Weber ec noch General Mercier zu versichern, sie seien von der Schuld DreyfuS' durchaus überzeugt, das hatten sie vorher schon wiederholt gesagt. Neu war nur die Ent hüllung Boisdeffre's über die unglaublich plumpe nnd wenig ehrenhafte Art, wie die Regierung die Kaltstellung des Obersten Picqnart zu motiviren sucht. Er litt nach Bois- deffre'S Aussage an einer „fixen Idee" und um den Geistes kranken zu heilen, gab man ihm die Mission nach — Tunis. Tbatsächlich fürchtete die Regierung Picquart's Feuer eifer, den wahren Schulbigen zu entdecken und so eine Wiederaufnahme des DreyfnSprocesseS herbeizufübren — dies die fixe Idee" PicquertS — und deshalb sandte mau ihn nach Afrika, möglichst weit von dem Schauplatz einer fragwürdigen Justiz. Auch Zola suchen seine Feinde als von fixen Ideen befallen und als unzurechnungsfähig hinzustellen. War daS schon abgeschmackt, so ist die Wiederholung dieses Manövers durch BoiSbiffre geradezu absurd. Bon der Vernehmung Mercier'S halten wir uns am allerwenigsten versprochen und wir haben uns uicht geirrt. Er bestritt, jemals erklärt zu haben, daß kein Schriftstück dem Kriegsgericht ohne Wissen deS Angeklagten Dreyfus mitgetheilt worden sei, verweigert aber dann jede Aussage, ob ein solches tbatsächlich existirt oder nicht. Ueber diesen Cardinalpunct ist also auch gestern nichts Positives festgestellr worden, wenn auch, wie gesagt, kaum mehr ein Zweifel walten kann. Trug somit die Verhandlung auch gestern den Charakter einer nichts weniger als amüsanten Iustiz- comödie, so wurde sie während deS Verhörs des Generals Gonse geradzu zur Farce. Der hohe Militair ließ sich in hochfahrendem Tone gegen den Vertheidiger Zola's, Labori, eine Ordnungswidrigkeit zu Schulden kommen und der Generalanwalt verjagte darauf Labori die verlangte Genug- tbuung! Das war ein großer Fehler dieses Regierungs mannes. Seinen Eifer, die Republik zu retten, werben die Feinde der DreyfuSsache ihm vielleicht hoch anrechnen, daß er aber so weit ging, die Würde des Gerichts vor einem Ver treter der bewaffneten Macht in schwächlicher Devotion preiszugeben, wirb ibm sehr verargt werden, und lauter denn je werden sich die Stimmen erheben, welche vor einem Ueber- bantnehmen der militairischen Gewalt, der Autorität des Säbels in der freien Bürgerrepublik warnen und die Re gierung und ihre Helfershelfer beschuldigen, daß sie der Diktatur vorarbeiten. Die Scene, die sich an den Zwischen fall Gonse schloß — furchtbarer Tumult und Räumung des Saales — entsprach nur dem Verhalten deS Gcneral- anwaltS und war die Quittung der öffentlichen Meinung über daS sonderbare Verhalten dieses Wählers deS Rechts, auf das ein um so ungünstigeres Lickt fällt, als General Gonse hinterher selbst zugestand, zu weit gegangen zu seiu. Unter diesen Umständen kann man eS nur begreiflich finden, wenn die Sympathien für Zola und die Sache, die er ver tritt, in weiterem Wachsen begriffen sind und daß auck da- Ausland kein Hehl aus seiner Begeisterung für den uner schrockenen Mann macht. Vor einer Unklugheit möchten wir aber doch dringend warnen. Die DreyfuS-Angelegenheit und die damit in Verbindung stehende Affaire Zola berührt Deutschland praktisch nickt. DaS kann aber nicht ver hindern, baß der Muth Zola's außerordentliche Bewunderung auch in Deutschland erregt. Jedenfalls bat man in Deutsch land ganz gewiß weder Neigung noch Anlaß, den tapferen Kämpfer für dieWahrheit zu schäbigen.DaS geschiebtaber,wenn, wie gemeldet wird, in Mainz an öffentlichen Stellen Listen zu einer Sympathiekundgebung für Zola auSgelegt werden. Man sollte doch wissen, daß man die Stellung Zola's seinen durch die DreyfuS-Affaire geradezu in Raserei versetzten Landsleuten gegenüber nur erschwert, wenn man in Deutschland in einer ostentativen Weise für ihn Partei nimmt, um so mehr, als ja die Franzosen noch immer in dem Wahne befangen sind, daß Dreyfus mit Deutschland in Verbindung gestanden hat. Man wird darum in Frankreich in einer von deutscher Seite ausgehenden Sympathiekund gebung sür Zola nur die Bestätigung des Verdachtes sehen, daß man in Deutschland alle Anhänger von Dreyfus auch als Anhänger und Freunde Deutschlands ansiebt. Die Folge davon wird sein, daß man in Paris Zola alS einen Prussien verschreit, was bekanntlich in Frankreich niemals ein Kosename war und eS jetzt erst recht nicht ist. Es kann deshalb den guten Leuten in Mainz, in Frankfurt a. M. und in Trier — auck aus diesen beiden letzteren Städten sind mit zahlreichen Unterschriften versehene Sympathietelegramme an Zola abgegangen — nur gerathen werden, im Interesse ihres Helden die Sympathiekundgebung nicht abzusenden. Damit werden sie auch im Interesse Deutschlands handeln, denn wenn man sich auch vor dem französischen Pöbel nicht zu fürchten braucht, so braucht man ihn doch auch nicht durch übereifrige Kundgebungen auszureizen. Der Friede muß jedem Deutschen denn doch noch höher stehen als DrevfuS und selbst als Zola. Zum Mindesten ist zu wünschen, daß daS Beispiel der Mainzer keine weitere Nachahmung findet. Die englische Thronrede hat eine Ueberraschung ge bracht: Sie erwähnt Chinas, über daS man doch eine, wenn auch nock so zurückhaltende Aeußerung erwartet batte, mit keiner Silbe. Dieses Schweigen ist eine neue Be stätigung der Tbatsache, daß England in der ostasiatischen I Action eine Niederlage erlitten bat, die um so blamabler ist, I als seine Staatsmänner jetzt selbst erklären, daß Niemand I England provocirt, daß eS somit keinerlei Veranlassung hatte, FeirLlletsn. Alice. I2j Roman von I. Lermina. Nachdruck »erboten. Sie glaubte, Vaucroix würde in einen Wuthanfall ausbrechen, doch merkwürdigerweise blieb er ganz ruhig und versetzte nur: „Hören Sie mich an! Ich könnte Ihnen den Hals mit beiden Händen zudrücken.... Sie würden nicht um Hilfe rufen; warum, wissen Sie wohl am besten! Doch ich bin ein vernünftiger Mensch, der Abscheu vor Gewaltthaten hat: darum wollen wir lieber ruhig sprechen .... Sie glauben, Ihrem Gatten zu dienen, doch Sie richten ihn zu Grunde . . . Die Erklärung dafür ist sehr einfach .... Sie wissen — behaupten Sie nicht das Gegentheil — daß wir, Ihr Gatte und ich, eine etwas ge fährliche Operation gemacht haben, die nur zur Hälfte geglückt ist. Jeder hat ein paar Hundert Louis bekommen, und da» ist nur eine Bagatelle .... Ich habe lange Zähne und kurz und gut, ich habe meinen Antheil bereit« verzehrt. — Um das Verlorene wieder zu gewinnen, habe ich gespielt, und jetzt habe ich keinen Pfennig in der Tasche ... Ich komme nun nicht etwa, um Clairac das fortzunehmen, was ihm gehört, er hat es sich verdient, das ist nur recht und billig. Aber ich weiß, daß er mich nicht in dieser Verlegenheit lassen wird, klebrigen» will ich ihn nicht lange aufhalten. Ich habe von Paris gerade genug, und dann kann auch die Luft hier vielleicht unangenehm für mich werden. Ich will mich irgendwo verstecken und dazu brauche ich einige Louisdor». Von wem soll ich sie nun fordern, wenn nicht von meinem vortrefflichen Freunde Clairac? Er würde mir zürnen, wenn ich einen Anderen darum bitten würde; da» versteht sich. Wenn er sich zufälligerweise weigern sollte, wa» natürlich eine ganz unmögliche Vermuthung von meiner Seite ist, — so würde ich ihm auieinandersehen, daß man mich unter Umständen auf der Landstraße vor Hunger sterbend finden könnte und zwar würde mich die Polizei finden, die von Natur au» recht indiScret ist und sich am Ende unser annimmt. Ich brauche mich Wohl nicht näher zu erklären, nicht wahr? Wa» ich brauche, find gerade zehn Louisdor». Sir sehen, ich bin bescheiden. Geben Sie mir da» Geld und ich sage Ihnen mit dem größten Vergnügen Adieu. Clairac mag im Himmel oder in der Hölle sein, ich kümmere mich nicht darum! — Nun, wie steht'» mit dem Gelbe?" Alice empfand ein« gewiss« Erleichterung: Sr wollt« nur Geld haben, dann versprach er fortzugehen und zu verschwinden. Zehn Louis! Aber sie hatte sie ja nicht! Kaum wenige Thaler blieben ihr, die sie sich für den äußersten Nothfall bewahrt hatte. Schnell eilte sie an den Schreibtisch, der einst ihrem Vater gehört hatte, öffnete eine Schublade und sagte: „Das ist Alles, was ich besitze, nehmen Sie es sich." Mit diesen Worten reichte sie ihm dreißig Francs; doch er stieß sie zurück und versetzte: „Sie wollen sich wohl über mich lustig machen? Dreißig Francs, das ist gerade so viel, wie ein blanker Knochen für einen Hund. Spielen Sie doch nicht mir gegenüber die Naive! Sie müssen doch irgendwo Louisdors versteckt haben! Also machen Sie schnell oder ich schwöre Ihnen bei Gott, daß ich hier Alles kurz und klein schlage, bis ich Geld gefunden habe." Trotz ihrer Energie begann Alice zu zittern. Die Scene in Neuilly stand ihr plötzlich vor Augen, die beiden ermordeten Frauen, und unwillkürlich lief sie zum Fenster, um es zu öffnen und um Hilf« zu rufen. Plötzlich stieß sie einen dumpfen Schrei aus. Dem Hause gegenüber standen auf dem Trottoir zwei Männer, unbeweglich und aufmerksam; den Einen erkannte sie sofort, es war der Criminolbeamte Lacour, der ebenfalls seine Fährte verfolgte und das Haus der Frau beobachtete, die vor den Enthüllungen der Frau Benoit eine so große Furcht gehabt hatte. Alice hatte begriffen. Tonlos wandte sie sich zu Vaucroix um und rief ihn mit energischer Geste an'» Fenster. Er that, als wenn er diese Pantomime nicht bemerkte, und sagte, daß er Geld haben müsse, alles Andere gehr ihn nichts an; doch jetzt murmelte sie mit kaum vernehmbarer Stimme: „Die Polizei." Vaucroix blickte durch's Fenster, unterdrückte «inen Fluch und rief dann wüthend: „Die Hallunken!" Alic« nahm die Franc», die zur Erde gerollt waren, auf, reichte sie ihm und sagte: „Nehmen Sie da» und entfliehen Sie schnell! Sie sollen Geld bekommen, ich schwöre e» Ihnen. Ich werde meinem Mann schreiben und ihm Alle» erklären!" „Fliehen!" rief Vaucroix unentschlossen, „da» ist leicht gesagt. — Aber wenn diese Hallunken mich verfolgen; ich weiß allerdings, daß ich kräftig bin und sie von mir abschütteln würde, aber wie viel find ei denn? Sie sind mir gefolgt, diese Lumpen, und doch habe ich erst kurz vorher einen der Ihrigen von der Sünde der Indiskretion curirt." „Hören Tie mich an", d«rsetzt« Alice, „ich weih rin Mittel. Oben auf der Treppe befindet sich ein Fenster, das auf einen langen Gang hinaussührt, von dort könnte man die Nachbar dächer erreichen." Vaucroix machte eine abweisende Bewegung. „Ich danke, den Hals möchte ich mir doch nicht brechen; lieber schlage ich die Burschen zu Boden." Er steckte das Geld in die Tasche und fuhr fort: »Ich gehe jetzt, aber nehmen Sie sich in Acht; ob ich nun gefangen werde oder nicht, allein will ich nicht büßen; Ihr Mann, das sage ich Ihnen unter uns, macht sich über uns Beide lustig. Ich sage Ihnen, er soll mich aus der Patsche ziehen oder es ergeht ihm schlimm und wenn ich auf den Gr^veplah komme, so sorge ich auch dafür, daß ich noch einen Begleiter habe." Alice, die ganz entsetzt war, hörte nicht mehr auf ihn und nur die letzten Worte ließen sie erzittern. „Aber ich sage Ihnen doch, ich stehe für Alles! Fliehen Sie, ich beschwöre Sie! Lassen Sie sich nicht fangen; haben Sie eine Waffe?" „Diese Waffe genügt", versetzte Vaucroix grinsend und zeigte seine riesigen Fäuste. Entschlossen ging er auf die Thür zu, die die junge Frau öffnete, dann beugte sie sich über die Treppe und sagte: „Es ist Alles ruhig. Gehen Sie, gehen Sie schnell!" Mit der Gebärde eine» Faustkämpfers krampfte Vaucroix seine Aermel in die Höhe. Zwei Männer waren in der That nicht geeignet, ihm Furcht einzuflößen. Zur größeren Vorsicht fuhr er mit der Hand in die Tasche, aus der er ein scharfge schliffenes Messer hervorbrachte. Dann fing er an, langsam die Treppe hinunterzusteigen. In demselben Augenblicke ließen sich auf der Treppe Schritte hören, es stieg Jemand herauf. Alice, die athemlo» auf der Treppe lauschte, packte Vaucroix beim Arm, zwang ihn, wieder hinaufzusteigen und murmelte: „Man wird Sie verhaften! Kommen Sie, kommen Sie!" Erstaunt und verdutzt, leiste Vaucroix keinen Widerstand. Doch auch der Mann, der die Treppe hinaufstieg und der kein Anderer als Davidot war, hatte di« von Alice gesprochenen Worte gehört. Infolge des Schmutzes der Seine, der noch an ihm klebte, un erkennbar und wüthend, daß er sich wie ein Anfänger in eine so plumpe Falle hotte locken lassen, war er, um die Kleidung zu wechseln, nach Hause zurückgekehrt, al» er auf der Treppe die Gestalt de» elenden Verbrechers erkannte, der ihn eben zu tödten versucht hatte. Wie ein Wahnsinniger war er ihm nachgeeilt, doch Alice kam ihm zuvor. Auch sie befand sich in jener nervösen Aufregung, die die Kräfte verdoppelt und riß Vaucroix zu sich heran, der, diesmal von wildem Schrecken ergriffen, ihr in schnellen Sätzen über die Treppe folgte. Bei diesem wilden Galopp rannten alle Drei über den ersten und zweiten Stock und schließlich kam die erste Gruppe mit einem Vorsprung von mehreren Metern unter den Dächern an, wo Alice mit schnellem Griff ein kleines Guckfenster öffnete; doch Vaucroix wich mit einer Gebärde des Entsetzens zurück. „So fliehen Sie doch!" rief Alice. In diesem Augenblick erschien Davidot's Kopf, es handelte sich nur um Sekunden. „Fliehen Sie!" wiederholte die junge Frau. Mit ihrer kleinen Hand, in der sie plötzlich die Stärke von drei Männern fühlte, stieß sie den Banditen auf die äußere Terrasse hinaus. Der Mann verschwand, und sie schloß das Fenster. Davidot stand neben ihr. Er stürzte nach der Stelle, durch die der Verbrecher seine Flucht genommen hatte, doch Alice ließ die Lampe fallen, die sofort erlosch, und klammerte sich mit aller Kraft, die ihr innewohnte, an das Fenster. Der Criminalist suchte sie fortzudrängen, und es spielte sich nunmehr in der Dunkelheit ein stummer Kampf ab. Alice fühlte, wie ihre Hände nachließen, schon öffnete Da vidot das Fenster und schwang sich auf den Sim», da stöhnte die junge Frau: „Nein, nein, Gnade, verhaften Sie ihn nicht!" Halb ohnmächtig hatte sie sich an die Wand gelehnt und fühlte nicht mehr die Energie, zu kämpfen oder zu bitten. Einige Minuten verflossen, dann tauchte wieder der Schatten Davidot's auf, der in dem Dunkel noch schwärzer erschien. Er war allein. Alic« sah ihn, begriff Alles, und «in Schrei de» Triumphes löste sich von ihrer Brust. Jetzt packte sie Davidot mit starkem Griff beim Handgelenk und zwang sie, die Treppe wieder hinunter zu steigen. Sie leistete keinen Widerstand und trotz der entsetzlichen Aufregung, in der sie war, empfand sie eine ungeheure Freude, daß sie sich sagen könnt«, Vaucroix sei nicht verhafttt worden und würde infolge dessen nicht sprechen. Plötzlich klangen die Worte an ihr Ohr: „Ihr Gatte ist einer der Mörder von Neuilly." Davidot hatte diese furchtbaren Wort« gesprochen; er hatte sie in da» erste Zimmer ihrrr Wohnung gestoßen, sie auf die Knie geworfen und fuhr nun, sich über sie neigend, fort: „Ich war zu dumm! Wie Sie sich über mich lustig gemacht haben. Doch ich wollte nicht» hören, nicht» begreifen . . . Ihr
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