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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.12.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051204025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905120402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905120402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-12
- Tag1905-12-04
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tu d«r Hauptexpedttio» »Ser der« A^geb»' stell« abgeholt: »ierteljährttch ^tL-th bei täglich Meimalig« Zustellung Ms Hass vierteljährlich ^ss S.—. Durch uni er» aus- wärtigeo Ausgabestell« und durch di« Post bezog« für Deutschland uud Oesterreich vierteljährlich -.SO, stir die übrig« Länder laut ZeitmigäpreiUltste. Nedaktto« und LxpedMosr Johaunt-gaffe 8. Tüchchuu «r. ISS^ Nr. SLS. «r. 117» -Serltner Redakttous-Vu««»: verku XVk 7, Dorotheeustratz« 8L. Tel. I. «r. «7L vre-duer «edaktt»»- -lvurruu: Drr-d«^U. «ärmerttzstr. T«t.1,Nr.-L88. Abend-Ausgabe. WpMtr.TlWMÜ Handelszeitung. Amlsvkatt -es ÄNnigl. La«-- «uv -es HSnigk. Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates «n- -es VoNzeiamtes der Lla-t Leipzig. d», S^mll— PeM»»«» » VÜ und Stella» >»a^« «» Pt. Wuanziell» Au^ß»«, »«ichästSaupeig« Meter Text oder au dchuud« Säelle auch Darst. Für daS Eriche«»« au beftUmnt« Lagen u. PlLtz« wirb leis« Sauautt« überuomm«. SuguituSvlatz ih Eck» JahiuutSgasi«. Di« Expedition ist Wochentag» ueaveterbrvchen geSffuet oou irüh 8 bis adaudS 7 llhr. Fillah-Expedtttuv: vartt». Lützmvftr. 1L « « v»»d«a,»ari«-r.8< Druck und Tierlag dou E» Volz tu Leipzig V-ch. 0e. B, «. » ». «Uukhardy. Herausgeber: vr. Viktor KNnkhardt. Nr. 617. / vsr Aicbklgrie vom rage. * Gestern nachmittag starb inBcrlin der General stabsarzt der Armee Professor Dr. Leuthold, der Leibarzt des Kaisers. * Der „Times" zufolge kehren der König. Bal four und Campbell-Banner man heute sämt lich nach London zurück. Man erwartet, daß die Balfoursche Regierung heute ihr Ende finden wird und daß Campbell-Bannerman heute oder morgen die Geschäfte übernehmen wird. * InKiew kani es zwischen mcutcrndcnSo I- daten und einer Volksmenge einerseits und treu gebliebenen Truppen zu einem Kampfe, bei dem 70 Tote und 300 Verwundete auf dem Platze blieben. (S. Ausland.) * In Philadelphia wurde in das Eisenbahn-Coupe, in welchem der Präsident Roosevelt saß, beim Passieren des Zuges ein schweres Eisen st ück ge- schleudert. Es wurde niemand verletzt. (G. Ausl.) * Die japanische Regierung hat Rußland er sucht, die diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen. pslikircke cagerrcdau. Leipzig, 4. Dezember. Sächsische Straßen-Demonstrationen. Vor 14 Tagen hat die sächsische Sozialdemokratie den ersten Versuch gemacht, die Kundgebungen für ein allge meines, gleiches, direktes und geheimes Wahlrecht über den Rahmen der Volksversammlungen hinaus aus die Straßen zu verlegen, sich dort in öffentlichen Demonstrationen zu ergehen. Dieser erste Versuch geschah vor allem in Leipzig. Aber nur die sozialdemokratische Parteibrille konnte in ibm eine großartige Kundgebung sehen. Von der halben Million Einwohner, die unsere Großstadt zählt — demonstrierten 10—1LOOO Männer und Frauen, indem sie in harmloser Weise durch di« Straßen zogen, ebenso ruhig und gelassen von den Leipziger Polizeimann!chaften begleitet. Zu Ruhestörungen kam eS nicht. Nicht einmal zu Verhaftungen. Jetzt — zwei Wochen später haben in Chemnitz und Dresden ebenfalls Demonstrationen stattgefunden. Der gestrige Tag sah sie. Im sächsischen Teil unseres BlatieS wird näheres darüber unter Chemnitz, Plauen und Dresden berichtet. Sie sind nicht so harmlos verlaufen wie die vor 14 Tagen. Zwar in Chemitz und Plauen kam es nur zu einigen Verhasiuiigen, aber in Dresden ging die Polizei mit der blanken Waffe gegen die demonstrierenden Massen vor, und Blut floß auf beiden Seiten. Damit haben diese Straßendemonstrationen einen ernsteren Charakter gewonnen. Wer trägt die Schuld daran? Vergleicht man den friedlichen Verlauf der Demonstra tionen in Leipzig, Plauen, Chemnitz auf der einen, und den tumultuarischen, blutigen Verlaus in Dresden aus der anderen Seite, so ist die Antwort unschwer zu finden. In Dresden haben auf beiden Seiten, Polizei und Menschenmassen sich von einer leicht begreiflichen Erregung binreißen lassen — in den anderen Städten behielt man kaltes Blut und sah die Sache sogar zum teil von der humoristischen Seite an. (S. Bericht aus Chemnitz.) DaS ist erklärlich. Dresden ist erst vor acht Tagen der Schauplatz jener trostlosen Landtags- Verhandlungen gewesen, bei denen unsere Regierung, trotzdem sie selbst die Ungerechtigkeit des bestehenden Wahl rechts anerkennt, ihren völligen Mangel an Ini tiative eingestanden hat, um eine Verbesserung des Wahlrechts herbeizuführen. Sie hat vor der Fraktion deS Herrn Opitz kapituliert. Höchstens seine völlig unbrauchbaren Vorschläge, mit Hilfe der noch nicht bestehenden Arbeits- Montag 4. Dezember 1905. 89. Jahrgang. kammern den Arbeitern eine gesicherte Vertretung im Landtag zu geben, will das Ministerium Metzsch in Betracht ziehen für eine Reform. Kein Wunder, daß eine solche Politik die Arbeitermassen auf daS höchste erbittert Kat. Und ihr gestriger Versuch, gerade vor dem Hause des Ministerpräsidenten zu demonstrieren und ihre erregten Rufe gegen die Namen Metzlch und Opitz sind darnach nur zu erllärUch. Dazu kommen augenscheinlich Mißgriffe von Seiten der Dresdner Polizei. Schon die vorherige Mitteilung an die lozialdemokramcbe Führer, man werde nötigenfalls mit allen Mitteln die Demonstrationen verhindern, war gewiß gut gemeint, aber es war in diesem Falle doch nur Oel in da« Feuer gegossen. Ebenso dann daS Vorgehen mit der blanken Waffe. Auf der ankeren Seite trifft aber die sozialdemo kratischen Massen ein schwerer Vorwurf, der das Vorgehen der Polizei während der Demonstrationen auch wieder in einem anderen Lichie erscheinen läßt. Wenn wir die Deman- stration gegen Metzich und Opitz begreiflich finden, ohne baß man sich damit auch schon für dieses politische Attionsmittel als Verteidiger auswirst — die Person des König« mußte unter allen Umständen außer halb dieses gefährlichen Spiels bleiben Die Polizei keiner Residenz- und Hauptstadt darf es dulden, daß demonstrierende Massen vor daS Schloß des Monarchen ziehen. Das ist und bleibt ein unveräußerlicher Gundiah innerhalb eines monarchinben Staatswesens. Hier kann es nur scharfe, schärfste Zurück weisung geben. Und wenn den sozialdemokratischen Massen da« nicht von eigener Erkenntnis aus klar ist, dann muß es ihnen mit den Mitteln der Staatsgewalt beigebracht werden. Daß dabei die bewaffnete Macht dann immer noch im Auge zu behalten hat, daß die blanke Waffe nur Mit äußerster Zurückhaltung zu gebrauchen ist, ist gewiß als Richlichnur festzustellen. Aber sie kann an jenen Grundsatz nichts ändern. Nun ist in Dresden Blut geflossen. Eine Tatsache, die schwer wiegt. Mö^e sie zur rechten Stunde Vie rechte Lehre geben auf beiden ^seilen. Möge die Staats gewalt sich vergegenwärtigen, daß Nervosität in bewegten Zeiten eine schlechte Konstitution der Machthaber verrät, daß ruhiges Blut und Vertrauen auf das eigene Volk bessere Eigenschaften sind, als übel angebrachte Schneidigkeik. Möge aber auch die Sozialdemokratie Vernunft «»nehmen. Mrt solchen Straßenremonstrationen ertrotzt man ein »esfireS Wahlrecht nicht. Man stärkt mit ihnen nur die politische Reaktion. Und wenn die berühmte lozialdemolratische Dis ziplin nicht so weit reicht, daß sie nicht derartige De monstrationen wie die vor dem lönigstchen Schloß zu hindern im Stande ist — dann kann sich die Sozialdemokratie nicht wundern, wenn gegen die von ihr geführten Massen mit den Machtmitteln des Staates eingcschritten wird. Tas Urheberrecht. Der Gesetzentwurf, betreffend das Urheber recht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, der dem Reichstage heute zugegangen ist, hat folgende Hauptbestimmungen: Die Urheber von Werken der bildenden Künste und der Photographie werden nach Maßgabe dieses Gesetzes geschützt. Bauwerke und gewerbliche Erzeugnisse gehören, soweit sic künstlerische Zwecke verfolgen, zu den Werken der bildenden Künste, desgleichen auch Entwürfe für Bauwerke und voll gewerblichen Erzeugnissen. Als Werke der Photographie gelten auch solche Werke, welche durch ein der Photographie ähnliches Verfahren hergestellt werden. Wer ein Werk der bildenden Künste oder der Photographie nachbildet, gilt für das von ihm hervor gebrachte Werk als Urheber. Bei Sammelwerken gilt der Herausgeber als Urheber. Bei anonymen Werken gilt der Verleger als Urheber. Ueber Beiträge für Zeitungen und Zeitschriften darf der Urheber anderweitig verfügen, falls der Verleger nicht das ausschließende Recht zur Ver vielfältigung und Verbreitung erhalten sollte. Der Urheber hat die ausschließliche Befugnis, das Werk zu verviel fältigen, gewerbsmäßig zu verbreiten. Als Vervielfälti gung gilt auch die Nachbildung und das Nachbauen. Bei Bildnissen einer Person ist dem Besteller gestattet, das Werk zu vervielfältigen. Zulässig ist die Vervielfältigung von Werken, die sich bleibend an öffentlichen Straßen oder Plätzen befinden. Bildnisse dürfen nur mit Ein willigung des Abgebildeten verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden. Dies Verbot gilt bis zehn Jahre nach dem Tode des Abgebildcten, insofern die Ange hörigen nichts anderes bestimmen. Bildnisse ans dem Bereiche der Zeitgeschichte, Abbildungen, Landschaften, Aufzügen, Versammlungen usw. unterliegen dieser Beschränkung nicht. Die Dauer des Schutzes dauert bis 30 Jahre nach dem Tode des Urhebers. Der Schutz des Urheberrechts an einem Werke der Photographie endigt mit dem Ablaufe von 15 Jahren seit dem Erscheinen des Werkes. Wer sich Rechtsverletzungen in bezug auf dieses Gesetz zuschulden kommen läßt, ist zu Schadenersatz ver pflichtet und kann außerdem noch bis zu 3000 bestraft werden. Wer ohne Erlaubnis des Abgebildeten sein Bild ausstellt, wird bis zu 1000 bestraft. Die Strafverfol gung tritt auf Antrag ein. Die übrigen Strafbestim mungen ähneln denjenigen der anderen Urheberrechte. In der Begründung wird u. a. ausgeführt: Eine völlige urheberrechtlicheGleichbehandlung der Werke der Photographie mit denen der bildenden Künste wird nicht beabsichtigt. Denn zwischen beiden liegt ein wesent licher innerer Unterschied darin, daß die Photographie nicht frei schafft, sondern Vorhandenes auf mechanischem Wege bildlich wiedergibt. Deshalb hat der Entwurf bei Bemessung der Dauer der Schutzfrist für die Werke der Photographie besondere Normen aufgestellt. Im übrigen sollen für beide Gebiete die gleichen Bestimmungen gelten. Einzelne Vorschriften sollen die ideellen und persönlichen Interessen des Schöpfers eines Werkes in weitergehen dem Maße gegen Mißbrauch schützen. Für beide Gebiete ist neu eine Einschränkung der Befugnisse des Urhebers durch Einführung eines Schutzes des Abgebildeten gegen öffentliche Schaustellung des Bildnisses. Das Fiasko des englischen Flottenbefnchs in New York. AtS vor Wochen der Besuch deS englischen Krcnzergeschwaders in amerikanischen Häsen angesetzt wurde, erregte die Kunde bei den Anglo-Amerikanern und ihren Freunden große Freude. Heute ist Katzrnjammerstimmung der verfrühten Begeisterung gefolgt. Die „New ?)ork Sun" und die „New York Times", deren Liebe- dienerei um Englands Gunst nur von ihrem Haß, mit dem sie Deutschland beehren, übertroffen wird, sind durch die Aufnahme, welche die angelsächsischen Vettern in New York sanden, derartig ernüchtert worden, daß die an die „Flottenverbrüderung" geknüpften Zukunstspläne, deren Basis eine Allianz der „stammverwandten Völker" bildete, bis auf weiteres als aufgegeben zu betrachten sind. Die Aufnahme der britischen Gäste war geradezu unhöflich, doch mag der Leser sich selbst eine Meinung an der Hand folgender Tat sachen bilden. Die Stadt New Park wandte nicht einen roten Cent zum Empfang ihrer Gäste auf. Ist diese stille Verweigerung einer An- slandspflicht bezeichnend für die allgemeine Volksstimmung, so ver focht das „Evening Journal" in leidenschaftlicher Weise die Ansicht, daß keine Gelder aus öffentlichen Mitteln für solchen Zweck zur Ver fügung gestellt werden dürsten, es appellierte an das Ehrgefühl der „ge schworenen Feinde Englands", der Irlich-Amerikaner, und ging soweit, den Kommandeur der Besuchsflotte während seiner Anwesenheit in New Aork in unflätiger Weise anzugreifen. Es nannte ihn einen „faulen Tagedieb", einen „Parasiten" und „Hofgünstling". Ob Prinz Louis sich Lurch die taktlosen Angriffe jenes Preßorgans hat ver stimmen lassen, ist nicht bekannt geworden, doch darf man das wohl annehmen, da er sonst wohl nicht die Aeußerung getan haben würde, „daß seine Flotte die Stadt New Aork schneller in einen Schutthaufen verwandeln könne, als es seinem Koch möglich sei, einen Eierkuchen zu backen". Der größte Teil der New Parker Presse bemächtigte sich dieser Bemerkung und verarbeitete sie leitarttkelnd. Dem Prinz« wurde bedeutet, daß, wenn e« das Schicksal fügen sollte, daß er einmal mit weniger sreundschafttichen Gesühlen auf seinem Ge schwader sich der Hudsonmündung nähere, er eines „wärmeren" Empfanges als er ihn heute erhalten, sich gewiß halten dürfe. Louis von Battenberg war bitterlich böse über diese unfreundlichen Kommentare zu seiner Aeußerung. Er erklärte, daß der Bericht erstatter die ganze Angelegenheit in ein schiefes Licht gerückt hab«, denn er, der Prinz, habe erst aus die Frage: „Was, glauben Hoheit, wäre die Folge, wenn Ihr Geschwader jetzt Feuer auf die Stadt eröffnen sollte" in der arigesührten scherzhaften Form geantwortet. Zu diesen Mißklängen gesellte sich noch eine irisch-amerikanische Protestversaynnlung, in welcher man vor der sehr wenig aussichtsvollen Möglichkeit einer Allianz der Ber einigten Staaten und England warnte. Zudem veranlaßte noch das unverschämte Benehmen einer Anzahl micht ganz nüchterner Polizisten, welche auf dem Flaggschiff des Prinzen zur Aufrecht erhaltung der Ordnung unter den bürgerlichen Besuche« komman diert waren, den Kapitän deS Kriegsschiffe-, sich beschwrrdesührend an den New Parker Polizeipräfekten zu wenden. Die Intermezzo werden wohl bewirken, daß der Union Jack sich sobald nicht wtcher zum Zwecke eines Verbrüderung-festes in Uncle Sams Has« blicken läßt. Selbstverständlich schweigt sich die englisch« Presse über da- Maldeur au«. Im Ignorieren ihr unbequemer Tatsachen ist st« j« eben so groß, wie in der Erfindung unwahrer Nachricht« oder der Entstellung von Vorgängen zum Nachteil Dentschland-. Deutsches Keich. Leipzig, 4. Dezember. * Parlamentarische Nachrichten. Die Audienz de» Reichstagspräsidenten beim Kaiser wird voraussichtlich ani kommenden Donnerstag stattfinden. * Zur Flottenvorlage. Aus Bunzlau wird ge meldet: Der niederschlesische Parteitag der Freisinnigen nahm nach Erklärungen von Müller-Sagan eine Reso lution an, worin es heißt: Der Parteitag vertraut, daß die Partei unter Wahrung des Budgetrechts und der Parteitraditionen von den Flotten- und Steuervorlagen das Notwendige und Erreichbare bewilligen werde. * Hochschulkämpfe. Aus Darmstadt meldet unf ein Privattelegramm: Die Vertreter der konfessionellen Verbindungen der Technischen Hochschule legten gegen die projektierte Neubildung eines Studentenausschusses unter Ausschluß der katholischen Verbindungen Protest bei dein Senate ein. Wie das „Darmst. Tagebl." mit teilt, wird der Senat dem Protest entsprechen und den neuen Ausschuß nur als nichtkonfessionellen Studentenausschuß anerkennen. — Zu dem Jenaer Hochschulstrcit liegt die Nachricht vor, daß der heute zu veröffentlichende Senatsbeschluß, entgegen früherer Meldung, in allen Punkten zu Gunsten der russischen Studenten lauten werde. * Auf der Mandatssuchl. Dr. Hahn, der Direktor deS Bundes der Landwirte, ist, wie die „Nat.-Ztg." meldet, eifrig auf der Suche nach einem Wahlkreis, der ihm günstigere Chancen bietet als der 19. hannoversche, der ihm bei den letzten Wahlen etwas unsanft den Stuhl vor die Türe gesetzt hat. Er ist zwar in feinem alten Wahl kreis von den Konservativen, Bündlern und Antisemiten schon jetzt wieder gegen den nationalliberalen Abgeord neten Dr.Böttger als gemeinsamer Kandidat für die nächste Neichstagswahl proklamiert worden. — Vorsichtshalber hat er sich aber noch einen zweiten Wahlkreis von der Bundcsleitung „reservieren" lassen, den Wahlkreis Mar burg. Herr Bruhn, der antisemitische ReichstagSabgeord- nete, der in diesen Tagen in dem Wahlkreise weilte, um Feuilleton. dlicht, rvie auch früher schon, ciieser ocker jener einzelne, sondern die öllenschheit sehnt sich nach ckem dlicht8, nach Vernichtung. Oie« iss das einrig denk bare Lnde von dem dritten und letzten 8tadium der Muston. ll. von stonmsn». Religiöse Kunst von heute. lAuSstellung der Wiener Sezession.) Wien, Ende November 1905. Der Einfall einer Darbietung moderner religiöser Kunst, den di« diesjährig« Ausstellung der „Sezession" in Wien zur Ausführung gebracht hat, ist gewiß fruchtbar und anregend, denn zu allen Kultur- und Lebensformen der Zeit steht die Kunst in notwendiger Beziehung. Allerdings wer den ihr nur dort die höchsten Leistungen gelingen, wo diese Lebensformen selbst innerlich einer Weiterbildung und Er neuerung fähig find. Die bildende Kunst braucht zu ihrer Betätigung menfchliche Lebensformen, deren gegebene Um riss« sie seelisch belebt, mit „Stimmung" erfüllt und über das Zeitliche erhebt. Der Religion, dem „Aufschwung" des inneren Dasein-, mußt« sie darum besonders nahesteyen. Je nach dem wesentlichen Ziel der Organisation, durch welche ein« Mass« zum nationalen Ganz« wird, bestimmt sich auch alle Kunst, die daS organisierte Leben der Nation zum Gegenstand hät. wie sie eben zu aller Zeit vom Leben ernährt und befruchtet wirb. Bei den menschlichen OrganiiationS- formen handelt «S sich um zweier!«'. „Zwecke". Der erste ist der einer materiellen Organisation der Masse zu tunlstbster Sicherung des äußeren Daseins: daraus entsteht der Staat. Der zweite ist der einer geistigen Organisation zur Besrie- bimtvo der seelisch«, höheren Bedürfnisse der Gesamtheit: daraus entsteht zunächst die Zeremonie, der Ausdruck höherer Ideen und Wünsche des Volkes, die „Religion", der Kultus. Beide Organisationszwecke, der politische und der seelische, durchdringen einander, und für jede Kultur ist eine beson dere Mischung, ein besonderes Gradverhältnis der beiden primitiven Elemente bezeichnend. Der Katholizismus stellte nun für das ganze Mittel- alter die ausschließlich« und einzige geistige Organisations form der Gesellschaft dar, er entwickelte darum ein Leben, das nicht bloß neben der politischen und soziale» Organi sationsform des Staates stand, sondern diese völlig durch drang, ja beherrschte und unterjochte, alle sozialen Bildungen bestimmte und mit der Ausformung einer mysteriösen, ge meingültigen, dramatisch-mufikalisch-bildnerischen Zeremonie alle Künste aus sich heraus hervorrief, befruchtete, erneute, wie schließlich auch das Kunstschaffen des Altertums in allen seinen Aeuherunaen durch die Glaubenswelt, den Mythos und seine Wandlungen erzeugt worden ist. Nun bleibt es aber für die Entwickelung jeder Kultur, im weiteren Sinne jeder Nation charakteristisch, daß ihre Organisationsformen sich allmählich gliedern, vereinzeln, vertiefen, differenzieren. Don den zwei primitiven: Staat und Kirche schnüren sich, wie bei der Zellbildung im Wachstum der organischen Körper, immer neue untergeordnete, nur lose bedingte ab: cs entwickeln sich Stände, Klassen, Berufe auf der Seite der materiellen Organisation, und auf der- Seite der seelischen werden die Künste, die Wissenichaften, di« geistigen Impulse überhaupt von der Kirche gelöst und streben als Selbstzwecke nach eigenem Leben. Die Kultirformen, ursprünglich streng gebunden und in der religiösen Zeremonie beschlossen, werden frei und mannigfach, die materiell differenzierten Organi- iationsgebilde ziehen die frei gewordenen Oraanisotlons- 'ormen der Künste an und geben ihnen Gelegenheit zu viel fältiger Betätigung. Die Kirche aber, die äußere Form und Stätte des Glaubens, ist durch di« innere Begrenzung ihrer Lehre an ein bestimmte- Ritual gebunden und umfaßt die Gesamtheit nicht mehr; denn deren religiöser Charakter und transzendentale« Bedürfnis hat sich gleichfalls von der pri- mitiven OrqanisationSform der Kirch« emanzipiert, ver- innerlich». Die Zeremonien, die Kirchen, da« Priestertum bedeuten nicht mchr den ausschließlich herrschende« a»ifti««« Inhalt des nationalen Lebens. Die Frömmigkeit hat ihren Massencharakter, ihren umfassenden vereinigenden Typus verloren und ist — wo es sich um wahre, zeitgerechte Kultur und Entwickelung handelt — persönlich, individuell, Sache des Einzelempfinoens geworden. So gibt die Kirche als solche — und darum handelt es sich ja hei religiöser Kunst zunächst — der Kunst von vornherein nur mehr einen sach lich, materiell und geistig begrenzten Kreis von Aufgaben und Betätigungen, einen überkommenen, traditionell unan tastbaren Formen- und Motivenschatz, ein festgelegtes Zere moniell, waches kein« Erneuerung duldet. Wenn heute in manchen Ländern die moderne Kultur, die Steigerung und Kraft der Einzelpersönlichfeit noch nicht weit genug gediehen sind, so daß die Kirche als Organisations form der Masse ihre Herrschaft behauptet, so darf man darum nicht glauben, daß sie der Kunst ausreichende, zeitlich ent- sprechende, der neuen Seele gemäße Ausgaben bieten kann. Denn ihr Inhalt, ihre Form, ihre Zeremonie und die Ur sache ihrer Macht über die Gemüter liegt gerade nicht darin, daß sic sich entwickelt und der Zeit anpapt, sich erneut be- freit und steigert — dies eben würde ihre Auslösung in individuelle religiös« Vereinzelung und Sonberbetätigung zur Folge haben —. sondern ihre Ltärke liegt darin, daß sic den zur persönlichen geistigen Lebensführung Unfähigen eine Zuflucht läßt, wo sie den Zauber der altgewohnten, längst vertrauten Formen unpersönlicher Frömmigkeit ruhig, un- beirrt und friedlich genießen können. Wer von den Gläubigen in der „Kirche" würbe in dem Schmuck, in der künstlerischen Gestaltung deS Rituals, des Baues, der Priestergewanoung etwas Neues, Zeitgemäßes. Besonderes sahen wollen. Va den Eindruck der weltabgewandten Ruhe, der Vertiefung in Gebet und Frömmigkeit irgend stöven und revolutionieren könnte? Wer von den wirklich lebensvollen modernen Kunst, lern vermöchte sich aber von allen anderen Einflüssen de- DaseinS. von seinen neuen Einsichten, Mitteln, Auffassungen lo zu befreien, daß er, vor ein« kirchliche Kunstaufgabe ge stellt. sein« Weltlichkeit und Zeitlichkeit abstreifen und die Formen, künstlerisch-religiösen Rituale, Motive und Zwecke mit jener natürlichen Eirflalt und in den Grenzen der nol- wendzgen Tradition schaff«« könnte, wie es hier geboten »trd? U» G-tell« a««r t» »«raana-n« Zeit« felLfwer- ständlichen und natürlichen Naivität wirb eine bewußte und gewollte, an Stelle einer freien, aber nicht hemmend empfun denen Tradition wird eine gewisse Schablone treten, und was früher mit allen Instinkten des religiösen Gemein- gefülkls ersehnt und erreicht wurde, wird jetzt künstlich und im besten Falle raffiniert gemacht weiden- , Die religiöse kirchliche Kunst hat somit dearenzte Ent- wickelungsmbglichkeiten: und wenn auch immerhin eine im ponierende Volksmasse die Formen der Kulte verlangt, so daß die Kirche noch heute bedeutende monumentale Ausgaben stellen kann, wird eine wesentlich moderne, auf dem Gründe des vertieften, persönlichen Einzelempfindens beruhende Kunst diese Ausgaben nicht in ihrem eigenen, neuen Geiste lösen dürfen, ohne daß sich die Kirche in ihrem ganzen Grundcharakter und Traditionsgesühl verletzt wüßte. Künst lerisch fruchtbar werden diese bei allen Aufgaben nur dann und nur dort wirken, wo sie aus einer in Ruhe verharrenden Volkstradition gestellt und von Künstlern übernommen werden, die dieser eigentlich in dem heutigen Kulturgefüge als tiefliegende Schicht einaelagerten Masse noch ganz an gehören National betonte, ländliche Kreise — es gibt solche im katholischen Teile von Deutschland, denn vom Pro testantismus, der als solcher schon eine Verinnerlichung und Individualisierung des Glaubens bedeutet, muß man fast ganz obsehcn, namentlich aber in Oesterreich, da und dort in den GebirgSlänibern, insbesondere jedoch in den slavischen Bauerngebieten. Wo überhaupt ein« alte Volkskunst besteht und sich erhalten kann, ist auch eine religiöse kirchliche Kunst lebendig und entwickelungSfähig geblieben. Anders steift eS freilich mit der religiösen Kunst im weiteren Sinne, von der ober die Ausstellung nicht besonders Zeugnis abzulegen brauchte: sie ist eben immer lebenvig, wo cs religiöses Empfinden gibt. Diese religiöse Kunst kann aber als solche wieder nur individuell wirken, wie sie individuell enfftand; sie löst ein religiöses Motiv, obnc jede Rücksicht aus d,e Formen des KultuS, rein persönlich-künstlerisch Gerade derartige Werk« — die betten ihrer Art —, so vortrefflich sie als starf- empsundcn« Kunfkschöpfunaen sein mögen, würden von der Kirckc wohl meist als Störung und Verletzung her sakralen Bedingtheit und Ruh« -»vllck-«oi-f«n «»erd««.
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