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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.12.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051205027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905120502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905120502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-12
- Tag1905-12-05
- Monat1905-12
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Änzetgeu-Annahme: Uugustu-platz 8, Ecke Johaaat-gaste. Die LzpedNioa ist wochentags ununterbrochen geöffnet von irüh 8 bis abends 7 Uhr. Filial-Expedition: Berlin, LLtzowstr. lO. » . Dresden, Marienstr. 84. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig (Inh. Or. V, «. L W. «ltakhardt> Herausgeber: 0r. Viktor Kltnkhardt. Nr. 6l9. Dienstag 5. Dezember 1905. 99. Jahrgang. Var Wcdtigrie vom rage. * Herzog Karl Eduard von Sachsen- Koburg und Gotha ist heute vormittag zum Be suche am königlichen Hofe in Dresden eingetroffen. (S. Dresden.) * Ter preußische Landtag wurde heute mit einer Thronrede eröffnet, die Fürst Bülow ver las. (S. Tagesschau.) * Der Landtag für Sachsen-Altenburg wurde heute mittag eröffnet. (S. Deutsch. Reich.) * InRutzla nd ist die Lage immer noch wenig be friedigend. Der Zar soll enttäuscht und über Witte verstimmt sein. Aus verschiedenen Orten kommen wieder Meldungen über M i l i t ä r m c u t e r e i e n. In Kurland wurden mehrere höhere Rcgicrnngsbeamte ermordet. (S. Ausland.) " In Montpellier ist ein Mann in Haft genommen worden, sn dem man den Urheber des Attcn - tats gegen den König von Spanicn in Paris gefaßt zu haben glaubt. fslitirche ragerrcba«. Leipzig, 5. Dr;ember. Tie preußische Thronrede. Heule Mittag ist unter den üblichen Formen der preu ßische Landtag eröffnet worden. Die Thronrede wurde im Auftrag des Monarchen vom Reichskanzler, als dem preu ßischen Ministerpräsidenten, verlesen. Sie konstatiert zunächst eine günstige Gestaltung der Slaatsfinanzen m Folge anhaltenden Aufschwungs des gewerblichen Lebens. Der Staatshaushalt ffir lstoü bält iu Einnahme und Ausgaben das Gleichgewicht. Die Finanzen gestatten, Mittel bereit zu stellen, um die WobnungSgelvzuschüsse der Unterbeamlen nm die Halske zu erhöhen und den leistungsschwachen «chut- verbändeu Beihütfrn zur Aufbesserung der Lehrer- gehälter zu gewähren. Ebenso werden größere Mittel vorhanden jein zum Ausbau des Eisenbahnnetzes, Veresterung der WohnungSverbältuifse der in Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter. Dann geht die Thronrede kurz ein aut die an dieser Stelle schon er örterten Abänderungsvorschläge beim Einkommensteuer gesetz. Fkrner soll ein Gesetz vorgelegt werden, das reu Eigentümern land» und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke die Befugnis zur Fortsetzung einer Berschutduugügr en ze -gewähren soll, um weitere Verschuldung zu verhüten und die Tilgung unwirtschaftlicher Realfchuldeu zu erleichtern. Ebenso werden Maßnahmen vorgeschlagen werden, um den bedenk lichen Folgen der zunehmenden Verwüstung von Privat waldungen vorzubeugen. Es ist weiter in Aussicht ge nommen die alsbaldige Einbringung eines Geletzeulwuies zur Neuregelung des öknapplchaflswelens. Ein Gesetz entwurf zu einem Kreis- und Provinzial- abgadengesetz soll die Reform des Kommunalwesens fortjiihren. Wieder eingebracht wird das Gesetz über die Vorbildung ver höheren Berwaltungsbeamten. Ebenso beabsichtigt die Regierung eine Wahlreform für den Landtag, aber nur in der Richtung, daß übermäßig große Wahlbezirke geteilt werden sollen. Dann w.ist die Thronrede auf da- BolkSschu lunterbaltungSge> etz hin, daS den Zweck verfolgt, die Schulunterhalrung auf der durch die BerjassungSurkunde gewiesenen Grundlage zu regeln. Der letzte Passus der Thronrede endlich berührt die Ost- markenfrage. Sie sagt darüber: Verschiedene Guteverkäufe in der Ostmark haben in letzter Zeit berechtigtes Aussehen erregt. Die Festigung des deutschen Besitzes in Berbinoung mit einer sachgemäßen inneren Kolonisation bitoet eine der ernstesten Ausgaben der Staatsregierung. Sie kann aber nur erfüllt werden, wenn sich die deutschen Besitzer in höherem Grade als bisher ihrer nationalen Pflicht bewußt worden, ibren Besitz treu und zäh zu verteidigen und dein deutschen Volkstum zu erhalten. Die Regierunq Seiner Majestät des Königs vertraut daraus, daß diese Erkenntnis, in der sie sich mit dem Landtag eins weiß, alle Kreise des Deutschtums mehr und mehr durchbringen und mit der Tat bewährt werden wird. Bis auf dielen Appell an die nationale Gesinnung hält sich die Thronrede in der Form einer rein geschäftsmäßigen, nüchternen Auszählung der Gesetzesvorschläge, die die Regie rung den beiden Häusern des Landtages unterbreiten wird. Und unter ihnen befindet sich nicht eine Vorlage, deren Ein bringung nicht erwartet worden wäre. Die Resolution des KlottenvereinS Wir teilten schon die Reiolntion mit, die der Flotten verein in bezug auf die neue Flottenvorlage gefaßt hat. Unter Berufung aus seine bei der diesjährigen Hauptver sammlung in Stuttgart gefaßten Beschlüsse, gestützt auf die Erfahrung des ruisisch-japani'cheu Krieges und in Rücksicht auf den Ernst ter weltpoliliichen Lage bezeichnete es der Verein als seine Ausgabe, dahin zu wirken, daß ter Verein die neue Vorlage nicht nur annimmt, sondern auch über die Forderungen ter verbündeten Regierungen hinaus darauf dringt, daß jährlich mehr Erfatzbauien für die minderwertigen Schisse ausgesührt werden. General Keim führte ta,u in der Sitzung deS Gcsamlveibaudes res FlottenvereinS aus: Die Schlacht von Tmschima hat in nie umzustoßender Weile die schon jrüher vom Staatssekretär von Tirpiy auSgeipcochene Tatsache bestätigt, daß in Leu nächsten Ceekämpsen die Entscheidung nur bei den Linienschiffen liegen wird. In bezug auf Deplacement, Armierung und Größe der Linienschiffe wcrden aus dieser Tat sache in der neuen Flottenvvrlage die richtigen Konstguenzen gezogen. Leider werden aber doch noch iminrr wieder ganz falsche Meinungen über dieses Thema laut, deren Beseitigung dem Flotten-Vereiu nach wie vor obliegt. Hat doch trotz der erwähnten Fortschritte die Flotlenvorluge in de» weitesten Kreisen Enttäuschung, ja sogar in den ftoltenfeiildlicheu Kreisen eine gewiße lleberraschung Hervorgei nie», zumal im Hinblick aus die internationale Lage. Tie Regierung bat den günslinen Augenblick, der dem deutschen Volle bis in die tiesslen Schichten klar gemacht hat, daß über Nacht eine Nation vor die Notwendigkeit gestellt werden lann, ihre Existenz uni dem Schmerle zu verteidigen, .nicht benutzt, um eine Vorlage eiuzudringen, wie sie vom Flollen- verei» schon seil Zähren verlangt wird. Ter Ersatz der minder- werligcu Schiffe geht zu langsam vor sich. Grünte der auswäriigen Politik >s»n<n dirsc Ziirückhiltung, bki ter wir dis tUIL ncch '.3 minderwertige Kriegsschiffe besitzen, nicht brstimmt haben. Auch technische Hinternisse bestehen mchl. Bleiben nur die parteipolitischen Gründe, mit denen aber der Floltenvereiu sich nicht befaßt. Für uns bleibt bestehen, tast ans einem minderwertigen niemals von selblt ein vollwertiges Kriegsschiff wird. An der Geldfrage darf, nachdem die BedürsniSfrage beucht ist, die Sache nicht scheitern. Eine der ersten volksivirljchasttichen Autoritäten bat eist jetzt wieder der Legende widersprochen, als ob das deutsche Volk nicht in der Lage wäre, das Geld für feine Schiffe anszubringen. Wenn es zum Krieg« kommt, entscheidet nicht der tnrzene Steuer,zettel, da enlscheidet der längste Spieß. Beziehungen, die nach den Worten des Kaisers nur korrekt sind, können über Nacht inkorrett werden; den Gefahren, die hierin liegcn, kann man nur durch eine korrekte Rüstung begegnen. Diele mit stürmischem Beifall ausgenommeneu markigen Hauptsätze sanden eingehende sachliche Beleuchtung durch Herrn Gymnasiallehrer Rassow, während die Herren von der Planitz und Professor Freiherr v. Stengel im Ver trauen auf die Negierung eine unbestimmtere Sossung der Resolution besiirworteten. Daß aber in dieser Resolution durchaus lein Mißtrauen gegen die Regierung, speziell die Marine-Verwaltung, liegt, wies überzeugend Landrichter Dr. Stern nach, der sehr treffend erklärte: „Das Recht, der Regierung zu sagen: wir glauben, ihr solltet und könntet mehr svlderu, lassen wir uns nicht beschränken!', Auch der Satz: „Wir sind nicht dazu da, hinter der Regierung herzutrotten, sondern ihr im Volke den Boten zu bereiten" fand in der Versammlung lauten Widerhall. In ähnlichem Sinne sprach Dr. Hopf, während Vopelius, v. Raab, Admiral v. Hollman» und Eichhorn Rücksichten aus die iunerpolilstche Lage und ähnliche Gesichtspunkte für ein Begnügen mit ver Vorlage geltend zu machen fuchleu. Eine durchschlagende Rede res Herrn v. Dürckbeim, der besonder- auf die nationalen Leistungen der Parlamente Frankreichs und Englands hinwieS, einigte die große Mehrheit ver Versammlung aus die Resolution. Ein Charakterbild des Sultans. Mit Rücksicht auf die eigenartige Zähigkeit und diplo matische Finesse, die der Sultan gegenüber dem mit dec Flottendemonstrat ion verbundenen Drucke der Mächte an den Tag legt, ist es von großem Interesse, was ein englischer Diploniat im „Evening Standard" über den Sultan schreibt. Er nennt den türkischen Herrscher einen ungewöhnlichen Charakter, an dem man unwillkür lich seine Freude haben müsse; hLnn in ihm sei ein be stimmter Typus und eine bestimmte Wesensart so rein und prachtvoll ausgeprägt, wie wohl kaum sonst in einer Persönlichkeit. „Die Erscheinung des Sultans", so schreibt der Diplomat, nachdem er ihn bei Gelegenheit einer religiösen Feierlichkeit §um ersten Male gesehen hatte, „überraschte mich, denn ich hatte ihn mir nach ver schiedenen Karikaturen und älteren Bildern ganz anders vocgestellt. Die Gestalt, die ich vor mir sah, war die eines wohlwollend dreinschauenden alten Herrn von Mittelgröße, die vielleicht ein wenig mit den vorgerückten Jahren zur Stärke hinneigt. Sein Bart war voll, ziem lich lang und von brauner Färbung, aber schon sehr stark mit weißen Fäden durchzogen. Er war wie ein englischer Geistlicher in einen langen, schwarzen Rock gekleidet. Sein Benehmen war durchaus nicht nervös, die Art, wie er grüßte, freundlich und väterlich. Später hatte ich dann Gelegenheit, ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber zutreten, und ich muß sagen, alle meine Vorurteile schwanden. Seine ganze Art, sich zu geben, war so liebenswürdig, seine Stimme so weich und biegsam, seine Klugheit schien so groß, seine Absichten klangen so offen nnd ehrlich, daß ich in seiner Gegenwart nur noch mit Mühe an die Bluttaten glauben konnte." Ueber die Auf gabe, die sich der Sultan als Herrscher gestellt, schreibt der Gewährsmann des Blattes: „Als er den Thron bestieg, stellte ec sich zwei großeZiele auf, denen ec un- abtässig nachstreben wollte, einmal als absoluter Herrscher sein großes Reich zn verwalten, und dann all seinen Ein fluß auszubieten, um sich als der echte Vertreter des Pro- vbeten ans Erden, als das Oberhaupt der mohammeda nischen Religion zu erweisen. Die Bande, die den Sultan am festesten mit seinem Volke verknüpfen, sind die des religiösen Fanatismus und des Stolzes auf die ruhm reiche Vergangenheit. An Konstantinopel, der heiligen Stätte türkischer Macht, hängen die Söhne Allahs mit jeder Aaser ihres Herzens, und sollte der Sultan einmal ans seiner Residenz Vertrieben werden, so würde dies wohl ein Auflodern des Volksgeistes und einen zähen Todeskampf der Getreuen des Sultans zur Folge haben. Allmählich bemerkte ich, daß der Sultan in allen Künsten der Verschlagenheit und der List, die die Waffen des Levantiners sind, ein unerreichter Meister sei, und daß niemand genialer das Schachspiel diplo niat i sch er Feinheiten auszuführen verstünde als er, der auf diese Weise sein schwaches Land gegen stolze nnd habgierige Feinde verteidigt. Seine Kunst der Verstellung erreicht den Grad einer wirklich genialen Vollendung." Deutsches Deich. Leipzig, 5. Dezember. * Tie Thronrede des Kaisers bei Eröffnung des Reichs tages ist, wie jetzt bekannt wird, in Japan ungemein freundlich ausgenommen worben. So schreibt der „Kolumin" : Tie Thronrede des Deutsches Kaisers ist eine Aussprache, wie sie jo leicht ihm keiner nachmacht,' sehr geschickt und energisch. Die Stelle über Japan muß unser Volk und unsere Regierung mit Freude und Dankbarkeit erfüllen. Wir versprechen, daß wir die Erwartungen des Kaisers nicht täuschen, uns vielmehr mit aller Kraft den Kulturausgaben widmen werden. Mögen andere der deutschen Politik mißtrauen, wir erklären. daß unsere Regierung und unser Volk D»utschland richtig verstehen, so wie wir von Deutschland richtig verstanden weiden. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern werden deshalb täglich wärmer. Es gereicht uns zu großer Freude, daß die Thron rede uns Anlaß bietet, bas auszusprechen, was wir längst aus sprechen wollten. * Falsche tzdernchie über eine Erkrankung des Kaisers. Unter der herzhaften Ueberschrift: »Ein alter Schwindet in neuer Auflage" ichreibt die „Sübd. Reichskorr.*: „Unter Berufung auf die „Manchester Daily Disvatch" werden aus London im Ausland« Angaben über eine bedenkliche Ärkrauluug Kaiser Wilhelms verbreitet, die nur durch eine von einem englischen Spezialarzt vorzunehmende Operation behoben werben könne, nach dem die deutschen Kapazitäten versagt hätten. Wenn die Operation mißglückte, fei Schlimmes zu befurchlrn. Wir erwähnen Liefe.' nichtswürdige Zeug lediglich de-hatb, weil das „vornehme" Pariser „Journal des TSbatS" sich zu seiner Verbreitung hergegeben har. Im Uebrigen wird man auch üu Auslände gut tun, nicht an die Mär vom tranken Kaiser Wilhelm zn glaube». * Eine neue Verfassung für Slsaß-Lot-riuaeu soll, wenn das „Journal de Colmar" recht berichtet ist, in Aussicht stehen. Danach hat der Reichskanzler dem Bundesrat die Forderung des Landesausschusses von Elsak-Lothriugen betr. die Gleichstellung Elsaß-LothrmgenS mit den andern deut schen Bundesstaaten unterbreitet. Voraussichtlich werden die verbündeten Regierungen einen Gesetzentwurf über die neue Verfassung Elsaß-Lotbriuaens auLarbeiten, der dem Reichstag noch m der laufenden Session zugebea soll. Dies« Gesetzentwurf werde sich wahrscheinlich rrn Rahme» d«S i» der letzten Session von 12 elsaß-lothringischen Abgeordneten im Reichstag emgebrachten Antrags halten. Diese Abgeord neten haben angesichts der Sachlage darauf ver-icht«, den Antrag aufS neue einzubringen. * Straßendemonstrationerr. Da- sächsische Vorbild wirkt ansteckend. AuS Hamburg meldet uns ein Privat telegramm: Von Seiten der sozialdemokratischen Partei werden auch hier Straßendemonstrationen geplant, die sich gegen die geplante Verschlechterung deS hiesigen Wahlrechts, wie sie die Staat-Vorlage Vorsicht, wenden soll. Als Tag der Demonstration ist der nächste Tonntag in Aussicht genommen. * Parlamentarische Nachrichten. Der „vorwärts ver öffentlicht die 16, von der sozialdemokratischen Partei eingebrachten Initiativanträge im Wortlaut. Dieselben betreffen u. a. Vereinsrecht, 8-Stundentam Schutz der Bauarbeiter, Koalitionsrecht der ländlichen Arbnter, Aufhebung des Majestätsbeleidigungsparagraphen, Haf tung der Automobileigentümer. * Aus Sachsen-Altenburg meldet uns ein Privattele gramm: Der Landtag ist heute mittaa durch Staats minister v. Borries eröffnet worden. Von be sonderen Vorlagen sind zu erwähnen der Lotterievertrag zwischen Preußen und den Thüringischen Staaten und ein Gesetz über die religiöse Erziehung der Kinder, sowie verschiedene Petitionen und Anträge auf Gesetzetabände- rungen. * Ter preußische Lehrertag. Am 2d. d. M. tritt der 3. preußische Lehrertag zusammen, der diesmal wegen der schnlpolitischen Lage besondere Beachtuna verdient. Be- ratungsgegenstände sind erstens das Schulunterhaltunas- gesetz und zweitens aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Besoldungsfrage. Letzteres wird besonders von den Provinzialverbänden Rheinland und Sachsen gewünscht. Die Frage des SchulunterhaltungSgesetzeS in ihrer Ver knüpfung mit der konfessionellen Gestaltung deS preußi schen Volksschulwesens dürfte zu interessanten Debatten und einer entschiedenen Absage an die Mehrheitsparteien und die Schulpolitik des Kultusministeriums führen. Stimmberechtigt sind nur die Delegierten der Provin- zialvcrbände. An den Debatten kann aber jedermann teilnehmen. Die Tagung wird jedenfalls zwei volle Tage beanspruchen. * Der Evangelische Bund hat, wie die „Deutsch- Evangel. Korresp." meldet, auf seiner von Vertretern aller Hauptvereine zahlreich besuchten Gesamtvorstands- sitzuug iu Halle am 30. November und 1. Dezember sich Feuilleton. Feuctz gu5, gefsiigne Keele, l ^Veil Lisyl unck Kerker bricht; Des l-eides jsmmerhöhle ' klemmt seine Freiheit nicht; « l)«3 Orsb, mein Kuhekissen, begrübt sie SKIsverei, s l)s nun cker Strick rerrissen, , So virck cker Vogel frei. j Flein Ohr vernimmt ck«8 Reichen, So mir ru Schiffe ruft, l-spt nun sie Segel streichen! ver Hafen meiner Orust Fisch», cksp ich nicht mehr strancke; Ver llimmel wirkt mein Usus; Wohls»! wir sinck sm vsncke, Steig, miicker Leist, steig aus! Ltiriltlen SllnNuu gegs-urz,. I Wie «trindbergs „Totentanz" entstand.*! Während seines Aufenthaltes in der südschwedischcn Uni- vcrsilätsstodt Lund l18!ti>—99l machte Strindberg die Bc- kannlichaft des jungen schwedischen Lyrikers Emil AlSen, der zweimal in der Woche von Malmö, Ivo er wohnte, herüber- *> Der Verfasser der deutschen Strindbergübcrtragung sen det uus diesen unveröstentlichtcn Aussatz der als Vorbereitung auf das Leipziger Gastspiel der Ztrindberg-Tourneezu gelten bat. kam, uni mit Strindberg zusammen zu fein. Schließlich, im Herbst 1898, kam Kleeu ganz nach Lund, lcidcr nicht frei- willig, sondern weil er sich wegen fortgeschrittener Schwind sucht ins Krankenhaus aufnebmcn lassen mußte. Hier besuchte ihn Strindberg läglich und wurde Zeuge feines langen lang samen TodeSkampfes. Von Tag zu Tag jah er den Körper des Kranken immer mehr znsammcnjchrumpien, die Knochen immer mehr !>ervortrctcu. An einem der ersten Dezember tage kam er gerade ins Zimmer, als der Kranke, ihm ein letz- tes Lebewohl zuuickend, oerichied. Dieses Erlebnis ist der Keim zum „Totentanz"; der Dich ter trug ihn jahrelang mit sich herum, bis er sich zu dem Werke auswuchs, daS wir jetzt besitzen. Jnzwftchen ging Strindberg in seinen historischen Dramen auf, deren erste beiden, „Die Folkunqer" und „Gustav Wasa", er noch in Lund vollendete. Den Sommer 1899 verbrachte er in den Stockholm vorgelagerten Schäreninseln mit der Arbeit an „Erich XIV.", um im Herbst dauernd nach Stock- Holm überzusiedeln. Hier erwartete ihn eine Tbeatersaffon, wie sie selten einem lebenden Dramatiker zu teil wird. DaS „Schwedische Theater" spielte seine ganze Wajatrilogic „Meister Olof", „Gustav Wasa", „Erich XIV.", mit einem Erfolg, dessen Größe man aus der Zahl der Ausführungen in dieser einen Saison ermessen kann: „Meister Olof" 60. „Gustav Wasa" 50, „Erich XIV." 40; berücksichtigen muß man dabei, daß Stockholm nur 300 000 Einwohner hat. Durch dielen Erfolg sah sich das Königs. Dramatische Theater ver anlaßt, eins von den neuen modernen Dramen TtrindbergS, nämlich „Rausch", auszusühren, das cS trotz der vorgerückten Edison noch auf 30 Aufführungen brachte, um dann in den Ferien mit 40 weiteren Ausführungen einen Siegeszug durch die Provinz zu machen „Dies« Saison wird ein Markstein in der Geschichte des schtvchischen Theaters bilden", schrieb damals der Literaturhistoriker Pros. Warburg. Mit einem Schlag war Strindberg aus dem bcstgek-aßten der populärste Mann Schwedens geworden. Er ruble sich in diesem Glück auS und schrieb gemächlicher als sonst, im Lause von sechs Monaten, Winter 18W/1900, seinen „Gustav Adolf". Er glaubte am Ziel zu sein und eine gewisse Ruhe trat ein nach den ungeheuren Aufregungen l,,Jnseriio"!s und Anstrengungen der letzten Jahre. Die historischen Dramen ließ er vorläufig liegen; deren Entwürfe zeigte er mir mit den Worten: „Die schreibe ich, wenn ich recht alt werde"; und ein andermal sagte er: ,.Es ist eine schwere Arbeit, historische Dramen zu schreiben". Er fühlte das Bedürfnis, sich bei modernen Stossen zu erholen. Zunächst ging er an ein Volksstück, das das restaurierte Stockholmer Volkstheater, das Theater deS Südens, einweihen sollte. Der Stoff verstand sich für Strind- berg, das Stockholmer Kind, von selbst: Mittsommer, das charakteristischste Stockholmer Fest; zumal er längst einen Zyklus Spiele für die Feste des Jahres geplant, den er 1898 mit dem Äeihnachtsspiel „Advent" begonnen hatte und mit einem Passionsspiel „Ostern" sortzuführen gedachte. Die Arbeit an „Mittsommer" während des Sommers 1900 ging langsam oon^statten; er mußte die Poesie kommandieren. „Ich habe keine Freude mehr an der Arbeit", klagte er in dieser Zeil; und ein andermal sogar: „In zwei Jahren bin ich sei- tig, habe ich mich ausgeschrieben!" Auf einmal ein Umschwung, Herbst 1900; strömende Pro duktivität, aus dom Innersten heraus. Im Lause weniger Wochen „Ostern" fertig, und unmittelbar daraus, in noch kur- zercr Zeit, „Totentanz" lTcil I>. Tas Geheimnis dieses Um schwungs ivar — Harriet Bosse, Sirindoeras dritte Frau. ,.Jch_babe wieder Freude an der Arbeit", erzählte er glücklich. „Ostern" und „Totentanz" gehören nicht nur zeitlich eng Mammen. „Ostern" war-innerl-alb des Festspielzyklus eher geplant, als ein Kern vorhanden war; den brachten die Oster- 1agcJ900 an denen Strindberg die zehn Jahre alten Akten des Scheidungsprozesses seiner ersten Ehe wieder durcharbei. len muhte. (Gestalt nahm L)steridee dann an, als er in Harriet Bosse die das Ostercvangelium der Erlösung bringende Mädchengestalt der Eleonore sab. So bedeutet „Ostern" ;ür den Dichter den Beginn einer neuen Zeit, einer neuen Jugend: und als Gegenstück dazu wurde „Totentanz" die Abrechnung mit der alten Zeit, mit der Vergangenheit. Ltand tur die Hauptfigur in „Ostern" Harriet Bossc Modell, Io strindberg selbst für die im „Totentanz". Den Horizont beidcr Dichtungen aber gab die transzendentale Welt anschauung ihres Schöpfers: er sah die beiden Hauptacstalten an der Grenzscheide der realen und der irrealen Welt stehen. 'Damit umr „Totentanz" für Strindberg „fertig"; das Niederschreiben war das wenigste. Er kniipite an die Ver gangenheit an und ließ die Gestalt seines Vaters aufersteheu; er knüpfte an die Vergangenheit an und nahm die Technik der Gläubiger auf; „aber ohne deren Intrige", wie er mgtc. Als er die letzte Zeile geschrieben hatte ses l-audelt sich vorläufig nur um den ersten Teils, ging er ans Telephon und klingelte mich an; als ich mich meldete, dar er mich, zn ihm zu kom men: „Ich habe was Neues, was Großes!" Wiener mir dann das Manuskript gab, sagte er: „Ticse vierzehn.üage habe ich was gelitten!" Er begleitete mich hinaus, um irische Luit zu schöpien; es war ein milder, 'terncnklarcr Herbslabeud, 31. Oktober 19t>!. Bei meinem Hans verabschiedete ich mich: „Ich glaube, Sie möchten jetzt allein sein". „Ja, das möchte ich", antwortete er. An dic'em Abend war Augu't Strindberg glücklich, doppelt glücklich: er hatte sich einen ickuveren Alb von der Seele geschrieben, und hatte das Bewußtsein, eine dichterische Tat vollbracht zu haben. In der Nacht las ich das Drama und lmttc die Empfin dung, einer dcr größten Offenbarungen modernen Dichter- geistcs gegenüber zu stehen; zugleich aber auch das Gefühl. Lost das Werk 'ür das heutige THeatervudlikum zu gewaltig sei. Als ich am nächsten Morgen strindberg das iagic, stutzte er; und am Abend bat er mich schriftlich, ihm meine Bedenken betreffs der Ausführung zu schreiben. Ich konnte nur betonen, daß ich den „Totentanz" für eins von seinen genialsten Wer- keu halte, aber gerade deswegen nicht glaube, daß ein heuti ges Tbcaterpublikum reif für ihn sei.*! Mille November !9M verließ ich Stockholm; dannt war uuin Kontakt mit Strindberg unterbrochen, denn brieflich teilt er nch ungern und selten mit. Im Januar werde ich durch ein neues Drama ohne Titel überrascht: ich sehe die Perionen des „Totentanzes" wiederkehren aber die Kinder stnd hinzugekommen: also «ine Fortsetzung! Ich le'e, und der Eindruck ist so stark, daß ich an den Dichter telegraphieren mutz, und zwar: „Entzückt und erschüttert". Am nächsten Taa- ichreibt mir Strindberg. er hätte dos neue Stück aiffangS „Ter 2 anipyr^ nennen wollen , es münc jetzt aber als Ingrediens in den „Totentanz" autgehen. In ,Wochen sind fünf Fahre veraangen; jetzt dürfte das Publikum für den. „Totentanz" eher Verständnis haben. lAnm. d. Vers.)
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