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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.12.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051208022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905120802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905120802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-12
- Tag1905-12-08
- Monat1905-12
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BezugS-PreU In der HauptrxpedMo» oder der« «a-gab«. stelle« aLgeholt: vierteljährlich ^ss L40, bei täglich zweimaliger ZnftAllmg los Hau« vierteljährlich 3^—> Dxch mljere «ms» wärtigen Ausgabestellen and durch di« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich 4-50, sür die übrige» Länder laut ZettungSpret-liste. Redaktion «ud Expedtttonr JohauuiSgass« L Telephon Nr. 15ch Nr. 2L^ Nr. LL7S verltuer NedakttoaZ-vurr«, Berlin 7, Dorothettstraße SS. r«l. I, N^ »S7IL Dre-dner Redaktion» -Durraur Dresden-A^Käuueritzstr. Sch L«l.I,Nr.LSSL. Abend-Ausgabe. MMer Tagelilaü Handelszeitung. Amtsblatt des Hönigl. Land- und des Aönigl. Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizeiarrttes der Lladt Leipzig. Anzeigen-Preis di« »gespaltene P«tttz«tle LS Pf. Fanüüe», LiohauugS- und Ltelle» Anze»g«n SO Pf. Finanzielle Anzeigen. Geschäitsanzeigen unter Text vder an esoaderer Stelle nach Taris. Für da» Erscheinen au bestimmten Lagen u. Plätzen wirb leine Enrauti» übernommen. Anzeigen-Annahme: Augustu-viatz Lcke IohanntSgasse. Die Expedition ist wochentags unuater. roch» > geöffnet o«n irüv 3 dt« wend» 7 llhr. -iltal-Expedttton: Berlin, ^ützowstr. 10 . » Dresden, Marienstr.LT. Druck und Verlag von E. Potz in Leipzig (Inh. Dr. -U. R. L W. «ltnkhardt> Herausgeber: Dr. Liktor Kltnkhardt. Nr. «25. Freitag 8. Dezember 1905. 99. Jahrgang. Var Wichtigste vom rage. * Daß deutsche Kanonenboot „Panther" soll sich in Rio de Janeiro einen internationalen Verstoß haben zu Schulden kommen lassen. (S. Ausl.) * Die kürzlichen Gerüchte von einer Verwun dung des Zaren werden jetzt auf einen angeblich harmlosen persönlichen Zusammenstoß des Zaren mit einem der Großfürsten zurückgeführt. (S. Ausland.) * Der Aus st and der russischen Post- und Telegraphenbeamten scheint zu Ende zu gehen. Ein Teil der Streikenden hat die Arbeit wieder ausge nommen. (S. Ausland.) * In Korea wurde ein Komplott zur Ermordung der koreanischen Minister, welche den Ver trag mit Japan unterschrieben haben, entdeckt. (S. Ausl.) * In London und Umgebung wurden mehrere heftige Erdstöße verspürt. (S. Neues a. all. Welt.) psiilitche cagerr»a«. , Leipzig. 8. Dezember. Wie die Japaner die „offene Tür" verstehen. Wiederholt hat die japanische Regierung versichert, sie werde den Grundsatz der „offenen Tür", d. h. des ehr lichen Wettbewerbes auf den ostasiatischen Märkten respektieren, im Gegensatz zu Rußland, welches eine Politik der Abschließung befolgte. Diese Versicherung darf nian nicht ohne weiteres für bare Münze nehmen. Zunächst entspricht sie in keiner Weise Japans bisheriger Handelspolitik. Es hat seinerzeit keinen Augenblick ge zögert, das erworbene Formosa seinem Zollgebiete einzuverleiben. In den Handelsplätzen dieser Insel brachte es die japanische Verwaltung überdies bald dahin, daß die europäischen Kaufleute ihre Geschäfte aufgaben und sich zurückzogen, weil ihnen durch die Praris der japanischen Bebörden der Lebensfaden unterbunden wurde. Jetzt scheint sich in der M a n t s ch u r e i, an der die Japaner nicht einmal, die Halbinsel Liautung ausge nommen, Besitzrechte haben, eine ähnliche Praxis heraus zubilden. Tie Japaner benutzen die gegen die amerika nischen Waren in China sich immer mehr ausbreitende Boykottbewegung dazu, die ihnen lästige ausländische Konkurrenz zu erschweren. Ter Boykott hat auch in der Mantschnrei eine große Ausdehnung angenommen. Da er sich dort speziell gegen den englisch-amerikanischen Tabatvcrschleiß richtet, so hat, wie aus Peking gemeldet wird, die japanische Polizei dienstbeflißen die Plakate der englischen und amerikanischen Tabaksver- täufer beseitigt. Tie Bewegung, die von den Japanern bestens unterstützt wird, hat einen derartigen Erfolg, daß der Agent einer großen Handelsgesellschaft in Niutschwang sich beklagt, daß er keine Abschlüsse mehr machen könne. Tie ganze Boykottbewegung hat, japa nischerseits wenigstens, den Endzweck, die fremde Einfuhr möglichst zurückzudrängen und die eigene Ausfuhr zu heben. Tas soll auch aus dem Tarifwege erreicht werden. Nach den Vorschlägen der vereinigten japanischen Han delskammern sollen Einfuhrwaren, die auch im Jnlande erzeugt werden, u. a. Lokomotiven, Eisenbahnwagen, Tynamos, elektrische Motoren, Fahrräder, Scheibenglas, Seidengewebe, Musselin. Tuch, Papier, Leder, raffi nierter Zucker usw., entweder mit erhöhten Zöllen belegt, oder, falls dies wegen der Verträge nicht tunlich ist, mit entsprechenden Verbrauchssteuern belastet werden. Ferner soll die Ausfuhr japanischer Waren durch staatliche Aus fuhrprämien begünstigt werden. Außerdem verlangen die Handelskammern die Zurückerstattung der Einfuhr zölle für gewisse Rohstoffe bei der Ausfuhr der betreffen den Fabrikate. Zum Schutze der japanischen Industrie dient auch der Passus im englisch-japanischen Bündnisvertrag, daß es in Korea „überwiegende politische, militärische und öko nomische Interessen" zu vertreten habe und diese nach Be lieben geltend machen dürfe. Was die Mantschnrei be trifft, so verlangt Japan in den augenblicklich in Peking stattfindenden Unterhandlungen noch besondere Privilegien für die wirtschaftliche Erschließung der ganzen Mantschurei, die nach einer Meldung der „Times" aus Tokio Konzessionen für den Bau von Eisen- bahnen von Tschangtschun nach Kirin, von Lysinmintin nach Mukden und von Widschu nach Mukden, sowie die Beibehaltung der augenblicklichen Militärposten und Telegraphen und deren Ausdehnung in gewissen Grenzen umfassen. Die Japaner handeln bei alledem im wohlver standenen Interesse ihres Landes, woraus ihnen niemand einen Vorwurf machen kann. Aber man mag hiernach ermessen, was von den Versicherungen der japanischen Regierung, daß sie den Grundsatz des freien, ehrlichen Wettbewerbes auf den ostasiatischen Märkten verfechte, in Wirklichkeit zu halten ist. Blüten der russischen Preßfreiheit. Taß die zarische Negierung die Preßfreiheit einzu schränken sucht, hat die Presse in erster Linie den Aus schreitungen der sozialdemokratischen Parteipresse zu verdanken. So z. B. erließ die neugegründete Zeitung „Makowskaja Gaseta", welche die Interessen der sozial demokratischen Arbeiterpartei vertritt, nach der Meuterei in Sebastopol, und ehe diese unterdrückt war, folgenden Aufruf, welcher als Grundform für alle künftigen Resolutionen dienen soll, und zugleich davon zeugt, welche Blüten die Preßfreiheit in Rußland zeitigt: „Die drohende Bewegung des Proletariats hat der zarischen Regierung den Todesstoß versetzt. Der revo lutionäre Kamps mit dem alten Regime wird durch die nicht minder bedrohliche Agrarbewegung unterstützt. In breitem S traue ergießen sich die Bauernunruhen über das ganze Reich, alle feudalen und leibeigenen Stützen der zarischen Selbstherrschaft werden weggeschwemmt. Doch in den letzten Tagen sind der Regierung noch furchtbarere An- zeichen erstanden. Tie Revolte der Kronstadter Matrosen ist unterdrückt und schon beginnt die Unzufriedenheit und die Gärung in zwei Marincequipagen in Petersburg. Tic Unzufriedenheit des Militärs wird, wenn nicht heute, so mcrgen in ossenen Aufstand übergeben. Gerüchte raunen, daß die ganze Manlschurische Armee revoltiert, und im Süden brennt die Revolution in Hellen Flammen. Tie ganze Flotte, alle Landtruppen in der Krim haben sich er hoben. Sebastopol ist schon in den Händen unserer auf ständischen Kameraden. Der Tag des entscheidenden Kampfes naht. Angesichts dessen beschließt idiese oder jene Arbeiterversammlung) sich unter Führung der sozial demokratischen Arbeiterpartei ernst zum entscheiden den Kampfe für die Lolksherrschaft, für die demokra tische Republik gegen die zarische Regierung vorzubereiten und fordert die Soldaten und alle, die sür eine unbe schränkte Volksherrschast stehen, auf, sich ihr anzuschlie- ßen. Wir wollen bereit sein, unsere Kameraden, die Sol daten und Matrosen zu unterstützen. Es lebe der rücksichtslose Kampf des Proletariats, der Bauern und der Armee gegen die zarische Regierung! Es lebe der bewaffnete Aufstand! Es lebe die demokratische Republik!" Derartige aufreizende Auslassungen, die gleichbe deutend mit einer Proklamierung des bewaffneten Auf ruhrs sind, kann die russische Negierung nicht ruhig ins Land hinauSgehen lassen. Keine Regierung der Welt würde das dulden, und daß sich die russische die Mög lichkeit wahren will, Aufforderungen zur Revolution in der Presse zu unterdrücken, wird man durchaus begreif lich finden. ES ist nur zu fürchten, daß sie bei diesem Bestreben zu weit geht. Verlautet doch schon, daß sie eine Bestimmung treffen will, die jede Krill k der Ne gierung verbietet I Auch soll dem Minister des Innern und anderen Beamten die Machtvollkommenheit zugeslanden werden, Zeitungsdruckereien zu schließen. Wenn auch diese Bestimmungen ohne Zweifel nur provisorischer Art sind, so stehen sie doch im Gegensatz zu dem Sinne des Manifestes und können nur mit Mißtrauen gegen die ehrlichen Absichten der russi schen Regierung erfüllen. Ter Preßgefetzentwurs liegt bereits dem Reichsrat vor. Hat er wirklich eine Gestalt, die den in die Lefsentlichkeit gedrungenen Meldungen entspricht, so soll, falls der Entwurf Gesetz wird, nach einem Beschluß des Petersburger Verbandes zum Schutze der Preßfreiheit diese auf eigene Faust dnrchgeführt werden. Wie das die Verleger und Redakteure machen wollen, ist uns allerdings, angesichts der doch immer noch erheblichen Machtmittel des Staates, etwas schleierhaft. Ein Zeitungsstreik wäre zwecklos und der Regierung sicherlich nur sehr willkommen. Was die Sozialdemokratie verschweigt. Tic sozialdemokratische Presse weist in finanzpoli tischen Erörterungen darauf hin, daß im Neichshaus- haltsetat sür 190ti »nieder Hunderte von Millionen Mart für die deutsche Wehrkraft gefordert werden. Sie vergißt nur, mitzuteilen, welcher Staat überhaupt in der Lage ist, ohne eine genügende Wehrkraft auszukommen, und vergißt ferner, darauf hinznweisen, daß diese Hunderte von Millionen doch der deutschen Erwerbstätigkeit und nicht zum geringsten Teil unseren Arbeitern zugute kommen. Tie Summen verschwinden doch nicht, sondern bleiben im Lande. Tie Sozialdemokratie hat aber noch niemals eine Rechnung darüber aufgemacht, welche Summen im Neichshaushaltsetat für die Arbeiter und die gering besoldeten Beamten direkt außergewöhnlich herg<sgebqn werden. Mir »vollen ihr einige Fingerzeige nach diese, Richtung geben. Zunächst kommen oabei die Summen in Betracht, die das Reich für die Arbeiterver- sichernng ausgibt. Hier muß es zunächst als Arbeitgeber Beiträge für die Kranken-, Unfall- und Invalidenversiche rung zahlen. Diese Betrüge sind für 1906 wieder um Hnnderttausende gesteigert. Nach dem Etatsanschlage dürften sür diesen Zweck von der Heeresverwaltung rund l,2 Millionen Mark, von der Marineverwaltung 0,8 Millionen Mart und von der Post- und Telegraphen verwaltung O.ki Millionen Mark verausgabt werden. Tiefe drei, allerdings hauptsächlich dabei ins Gelvicht fallenden Verwaltungen würden demgemäß bereits 2,0 Millionen'Mark für die staatliche Versicherung der Arbeiter anfzulvendeu haben. Rechnet man dazu die Ausgaben der anderen Verwaltungen, so kommt man aus eine Summe von rund 3 Millionen Mart. Ter Reichs zuschuß zur Invaliden- und Altersversicherung beträgt jetzt bereits über 50 Millionen Mark, die Ausgaben für das Reichs-Versicherungsamt über 2 Millionen Mark. Danach belaufen sich die Ausgaben des Reiches für die bisherige staatliche Arbeiterversicherung jetzt bereits auf über 55 Millionen Mark. Für die in Aussicht genommene Witwen- und Waisenversicherung ist in den Etat für 1906 eine Ausgabe von 17 Millionen Mark eingestellt. Dem gemäß würden sich für das kommende Jahr rechnungs mäßig die Ausgaben des Reiches allein für die Arbeiter versicherung bereits auf iiber 72 Millionen Mark be laufen. Für Nrbeiterwohlfahrtszwecke werden bekannt lich weitere Millionen ausgegcben. Hier wollen »vir nur einige Summen aufführen. Tie Militärverwaltung zahlt etwa 1,7 Millionen Mark Unterstützungen, Teue rungszulagen usw., die Marineyerwaltung sür Wohl fahrtszwecke, Arbeiterspeisehäuser usw. 0,3 Millionen Mark, die Post- und Telegraphenvcrwaltung 1 Million Mark für Unterstützungen. Kurz, auch in dieser Richtung ist schließlich ein ganz erkleckliches Sümmchen sest m stellen, das direkt den Arbeitern und Untcrbeamten zi gute kommt. Man wird die laufenden Summen, die das Reich jährlich für die Arbeiter und Untcrbeamten außergewöhnlich ausbringt, aus rund 75 Millionen Marl schätzen dürfen. Taß sich diese Summe auch im Etat befindet, verschweigt die sozialdemokratische Presse regel mäßig. Umsomehr Anlaß liegt für die bürgerliche Presse vor, es hervorzuheben. veutscsies Ueiüh. Leipzig, 8. Dezember. * Tie Rede Bülows. Im Gegensatz zu der franzö- fischen Presse, die sich über die Rede Bülows etwas empfindlich zeigt, wurde diese, wie heute aus Paris ge meldet wird, in den Wandelgängen der Kammer nicht un günstig besprochen. Tie Deputierten, die mit Rouvier Fühlung haben, zeigten sich durchaus nicht beunruhigt, wenngleich bemerkt wurde, daß der gegen Frankreich an geschlagene Ton um eine Kleinigkeit freundlicher hätte sein können. — In der Presse herrscht der erregte Ton vor. „L i b e r t 6" schreibt: Fürst Bülow hat Geschichte gemacht ohne Taten, ohne Tatsachen, ohne Text; uns bleibt nur übrig, für die Wahrheit zu sprechen. — Die royalistische „Gazette de France" sagt, in diplo matischer Form sei die Rede des Reichskanzlers eine deutliche und formelle Aufforderung an die französische Republik, sich abermals vor Deutschland zu demütigen. * Ter drutsch-bulgarischc Handelsvertrag ist soeben im Bundesrat zur Annahme gelangt, und zwar wird, wie der Handelsvertragsvcrein erfährt, der bulgarische neue Einfuhrtarif bereits am 14. Januar (1. Januar russi schen Stils) in Kraft treten. Der Vertrag sieht zirka 180 Ermäßigungen und Bindungen des bulgarischen Geueraltarifes vor. Deutscherseits sind im wesentlichen etwa dieselben Zugeständnisse, wie gegenüber Rußland und Rumänien, gemocht morde» Ter Handelsvertrags- verein (Berlin, W. 9, Köthener Straße 28/29, I.) er teilt Interessenten auf Wunsch nähere Auskunft über die Einzelheiten des neuen Vertrage?. * Von der Volkszählung. Dessau: 54658 (50600), Straßburg i. E.: 167 342 (l5lv4l), Stettin 230 578 (210 680), Mainz 90 210 (83 345). — Ein überralchcnde» Reiullat bat die VolkS;äblung in Rixdorf ergeben. Nack» der vorläufigen Zusammenstellung des Magistrat» beträgt die Einwobi>er;ahl 152 858. Dies bedeutet gegenüber der Zählung von 1900 eine Vermehrung um 69 Proz. In welchem rapiden Anwachsen Rixdorf begriffen ist, zeigen folgende Zablen: 1871 baue Rixdorf 8138 Einwohner: 1875: 15 328, 1880: 18 723, 1885:22 785, 1890:35 702, 1895:59 945, 1900:90 422, 1905: 152 858 Einwohner. — Schöneberg, das nur 140 932 Einwohner, einschließlich Militär, zählt, wird dadurch von Rixvors um rund 12 000 Personen überflügelt, während eö bei der Volkszählung 1900 noch rund 4000 Personen mehr als Rixdorf zählte. — Cbarlotkenburg besitzt nach dem vorläufigen Ergebnis 286 634 Einwohner. * rie Fürsorge der Regierung für den Mittelstand er scheint besonders bei der geplanien Quittungssteuer in recht eigenariigem Lichte. Wie der „Fr. Deutschen Pr." ein Leder fabrikant aus Berlin schreib!, bal er monatlich gegen 50 Quittungen, die fast alle auf Beträge über 20 aber unler 50 lauten. Der Einsender würde deshalb zirka 60 jährlich sür diese neue Steuer zu entrichten haben. Das ist bei seinem Einkommen von ziria 2000-L jährlich eine direkte Einkommeiisteuerbelastung von drei Prozent. Eine derartige Steuer wird als um so ungerechter empfunden, als der Qnittungoslempel ein Fixstempel ist und Quittungen von mehreren tauiend Mark nur dieselben Abgaben zu entrichten Feuilleton. dlur di« liesst >»t selig, ckie lllickarstsnck nach ihrem (Asst liberrvültigt, und lhn nach ihrem Liefen ordnet, sei's such unter Pein und üeld. U«ln»e. Aus dem Berliner Kunstlebe«. Liebermann. Erst seit wenigen Jahren mischen sich in den Chorus der Anerkennung und Bewunderung, die Max Liebermann ge- widmet werden, stärker und öfter Stimmen des Einspruchs, »a, deS lebhaften Widerspruches. Kein deutscher Mater der Gegenwart verfugt über eine so «roße, so geschlossene und wovlorgguisierte Gefolgschaft wie dieser. Keiner hat eine io homogene und einflußreiche Schule zu bilden und keiner dem Kunstleben einer maßgebenden deutschen Stadt jo ent scheidend seinen Einfluß aufzuprägen vermocht, wie Lieber mann. Wenn manche Kritiker, die den Mann nicht mögen, blind aus Ihn loSpolterten, so ist das eine Torheit. Derartige Erfolge kann man nicht ignorieren, man muß sie erklären. Lie müssen ihren Grund haben, und »war müssen sie ihn auch in Eigenschaften haben, die der Künstler selbst besitzt. Bei der heutigen Lage des deutschen Kunstiebens ist e» gar nicht möglich, Liebermann zu umgehen. Die umfassende Ausstellung von Arbeiten seiner Hand auS den letzten fnm Jahren, die gegenwärtig bei Eassirer veranstaltet ist und die seinen Stil in voller Entwicklung zeigt, gibt mir Veranlassung, die Eigenschaften und Leistungen dieses Malers einmal im Zusammenhänge zu betrachten AlS der entscheidende Zug in Liebermanns geistiger Phy- signomie erscheint mir seine Energie. „Willen will ich in einem Bilde sehen", hat Böcklin einmal gesagt. Wenn Kunst werk« allein nach dieser Forderung bewertet werden dürften, so ist Liebermann ein ganzer Künstler. In allen seinen Ge- mälden spricht sich diese Willenskraft auS, die ihn auch in hohem Grade zur organisatorischen Tätigkeit befähigte. Wenn eine spätere Zeit den Künstler Liebermann erheblich geringer schätzen sollte, als man heule geneigt ist. daS zu tun — und ich glaube, daß eine Umwertung de» Urteils über ihn in diesem Sinne nicht ausbleiben wird —, so wird er doch als Organisator de» modernen Berliner Kunstlebens immer seine Stellung behalten. Wie er hier die Künstler seiner Partei zusammenzubringen und zusammenzuhalten, wie er die Aus stellungen seiner Gruppe zu organisieren und zu beherrschen, wie er endlich die öffentliche Meinung zu beeinflussen ver stand: das ist eine organisatorische Leistung hohen Ranaes. Es scheint mir, daß schon heut manche, wenn sie den Künstler Liebermann rühmen, im Grunde mehr den Organisator meinen und bewundern. Denn Energie besitzt eine magne tische Anziehungskraft: und Liebermann weiß zudem sehr genau, was er will. Klarheit des Geistes erscheint mir als ein fernerer konstitutioneller Zug seines Wesens. Die gejstige Atmosphäre Liebermanns ist nüchtern und dünn, aber sie ist klar: und Klarheit ist und bleibt nun einmal ein unentbehr liches Element unseres geistigen Leben». Lange wandern wir voller Freude und Erhebung in den Zaubergarten der Phan tastik — aber die Stunde kommt, wo man ein unabweislicheS Bedürfnis noch geistiger Klarheit empfindet, so wie man sich nach frischer Lust sehnt, wenn man lange in einem ge schlossenen Zimmer sich ausgehalten hat. versetze man sich nun in jene Zeiten zurück, wo eine junge Kunst in Deutschland gegen den Akademismus revoltierte, und wo da« Reue, da» man suchte und ersehnte, von einer Wolke von Schlagworten, Forderungen und Wünschen umnebelt war. In diese Gärung und Unklarheit tritt ein Mann von klarem und zielbewußtem Wollen hinein. Seine Gedanken waren sich komme darauf noch zurück) nicht originell, nicht groß oder tief, aber kurz: es waren durchau» verständliche und anwendbare Forde rungen und Formeln. Und aar aus die unglücklichen Kunst- novczen. die hei der Haltlosigkeit unsere» künstlerisch.« Schul- weien» qar bald in völlige Verwirrung gesetzt sind und nicht aus noch ein willen, mußte die Klarheit und praktische Brauch- barkeit der Lieffermannlcben Formeln in hohem Grade an ziehend wirken. So ist es begreiflich, daß gerade dieser Mann einen so großen Kreis von Freunden und von künstlerischen Gefolgsmännern um sich sammelte. Andere Altersgenossen, Uhdc z. B., waren ihm an geistigem Reichlum, an künstle rischer Originalität unzweifelhaft überlegen, aber Lieber mann verstand sein Kapital besser zu verwalten. Liebermann hat von Natur eine gute, ja sogar eine unge wöhnlich gute Beobachtungsgabe. Das heißt: seine Beob achtungsgabe ist nur innerhalb einer bestimmten Grenze leistungsfähig. Sie erstreckt sich nämlich ausschließlich aus die große Gesamterscheinung der Natur. Er hat keinerlei Verständnis für da» Detail. Mit dem ihm eigentümlichen trivialen Radikalisjnus hat er den schon vor ihm wiederholt, z. B. von Delacroir, ausaeiprocl)enen Gedanken, daß Malen und Zeichnen Auslassen oedeute, dabin gedeutet, daß diese Kunst des Auslassen» identisch »ei mir der völligen Aus merzung des Detail». Er begreift nicht, daß im Kunstwerke die großen Züge der Natur nur durch das Detail und an dem Detail verständlich und glaubhaft werden. Nicht di« Aus merzung des Details ist dir Ausgabe de» weisen Künstler», sondern die Herstellung des Gleichgewichts zwischen den großen Zügen d«S Naturbildcs und dem Detail so daß diese beiden Elemente einander hallen, tragen und deuten Wer jeden Baum eine» Waldes mit peinlicher Treue malt wird un» nie begreiflich machen, daß der Wald ein Unendliche», ewig Bewoate» gleich dem Meere ist: und wer ihn al» dies Unendliche schildern will, ohne uns an den grrianeten Stellen des Gemäldes da» Element, aus dem der Wald sich zusammen setzt, dos Individuum, da» die Gesellschaft des Walde» bildet, glaubffast zu machen, der gleicht einem Manne, der dichten will, ohne di« Wort« der Sprache zu beherrschen, llnzweifel- hast ist, daß der eigentlich deut'che Geist ip der Naturbeob achtun« vom gerade entgegengesetzten Punkte auSgeht. Di« deutschen Künstler sind immer <rusneoongen vom Itudium, vom Verständnis und von der Darstellung de» Details. Ls soll nicht behauptet werden. daß die» durchaus ein Vorzug sei. ober daß e» ihre Natur ist. da» kann nicht bestritten werden. Do» Kind kennt die Natur zuerst und lange nur am Detail und im Detail: e» ist der Ainderzug im deutschen Geiste, der sich in dem Sinn« kür da» Detail und in der Liebe dazu aus prägt. Da» größte deustcbe Genie, Dürer, bat «in ganze« Leben gebraucht, um erst in seinen allerletzten Werken, na mentlich in den Münchner Apostclnguren, endlich das richtige Gleichgewicht zwischen Detail und Äesamterscheinung zu finden. In Liebermanns Natur liegt nichts Kindisches, und ihm fehlt daher auch die Fähigkeit frommen und stillen Schauens, die mit der Kindernatur so eng zusammenhängt. Wenn allen großen Künstlern ein gewisser geheimnisvoller Zug eigen ist. wenn ihre Persönlichkeiten stets eine weite Perspektive, einen tiefen Hintergrund zeigen, so gehen diese Züge Liebermann ab. Er ist ausschließlich Vordcrgruiidssigur, und keines seiner Werke wird uns zwingen, in geistige Tiefe hlnabzu- steigen, keines uns mit der Ahnung von Geheimnissen erfüllen oder unS da» Rauschen verborgener reicher Lebensqucllen vernehmen lassen. Dieser Mangel an Verständnis iür die Proportion ni der Natur maa nun wob! damit zm'ammenhängen, daß Lieber mann übeicknipl der Sinn sür ihr organisches Leben abqeht. Daß sie ein lebendiges Ganze ist, darin eins das andere er- zeugt und bedingt, dafür bat er kein Auge. Der Stamm des Baumes gibt seine Lebensgeschichte wieder, wie das LYesickn die des Menschen: allein Liebermann malt Stämme kurzweg als Hopfenstangen. Das Laubdach de» Waldes hat seinen Aufbau, seine Gliederung, sein eigenes Leben vom ersten Ansatz der Aeste bis zum süngsten Blättchen: bei Liebermann ist es nicht-, als ein breiter grüner Fleck. So kommt es, das» fast in jeder Arbeit dieses Malers sich Partien finden, die deS Lebens völlig entbehren. Man sicht z. B. in dieser AuS- stellung die Skizze zu dem Bildnisse Tr. Bodes, da« aus der längsten Sezeslsion »vor. Die Züge sind lebendig erfaßt, aber die ganze Ohrpartie ist tot wie ans Holz geformt. ?luf dem siildnille zweier sitzender Mädchen hat daS eine zwei Stöcke tast der Beine. L. B. Alberti, einer der großen florentini- chen Theoretiker der Renaissance, forderte vom Kunstwerke, wß bei den Lebendigen jede» Glied lebendig und bei den Toten jede» Glied tot sei. Dieier Forderung — einer beroch- tioten Forderung — genügen Liebermann» Arbeiten nicht Ihm ist die Natur eine Malvorlage, nicht ein organisches und lebendig,« We<en: und »o gelange ich »u dem Schmsse, daß der Mann, dem gemeiniglich em so lebbattes und inniges Natur- geiühl naebgerschmt wird, im Grunde genommen der Natur ohne Liebe und offne innere» Verständnis gegenübersteht. Er Hal Auge und Hai Farb«ng«schrnack, aber keur NaUrrgrfM.
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