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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.07.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070712028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907071202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907071202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-12
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Abend Ausgabe L. Bezugl-Pret» sür Leipzig und Vorort, durch untere Lrtger und Spediteur« tn» Hau» gebracht: Lu», »ab« t (nur moraen») ui«rtrlttdrlich 3 vt., monatlich I vi.; Lu^,ab« L (morgen» und abend») vterteljthrlich 4.50 M., monatlich l.50 M. Durch di« Poft bezogen (2 mal täglich) innerhalb Deutschland« u der deutschen ftoloaien vierteljährlich 5,25 M., monatlich 1,75 M. -u»ichl. Postdestellaeld, für Oesterreich 9 L SS d, Ungarn 8 L vierteljährlich. Lbonnement-Annabme: Uuguftuävlatz 8, bei unseren Drägern, Filialen. Spediteure» und AnnahmestAen^somie Postämtern und Die einzelne Rümmer kostet 1v Ps» Redaktion und Gxvedtltour Johanniägasse 8. kelephon Nr. 14SS2, Nr. 14S93» Nr. I4SS4. 'eMgerTaMÄ Handelszeitung. Nr. M. Freitag 12. Juli 1907. Anzeigen Preis M Jahrgang Haupt. Filiale verlin: Tarl Duncke., Herzogl. Baqr. Hofbuch handlung, Lützowftraste 10. (Delephon VI, Rr. «S03). für Inserate au« Leipzig und Umgebung di» Sgespallene Detilzeile 25 Ps., finanzielle Anzügen 30 Ps., Reklamen 1 M.; von au»wärt« 30 Ps., Reklamen 1.20 M. vom Lulland <50 Ps., stnanz. Anzeigen 75Ps, Reklamen 1.50 M. Inserat« v. Behörden im amtlichen Teil 40 Pi Beilagegebudr 5 M. p. Lausend ex«. Poi>. gebühr. »eichäst«anzeigen an bevorzugter Stelle ü» Preise erhöht. Rabat« nach Taris Fest erteilt« Austräge können nicht zurück gezogen werden. Für daö Erscheinen an bestimmten Tagen und Platzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen.Annahme: Lugustu«pl-tz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Tkpeditionen de« In- und Auslandes. Das Wichtigste vorn Tage. * Ein Telegramm aus Bodö vom 11. d. M. nachis meldet: Heute abend herrscht zum ersten Male klares Wetter. Die „Hoheu- zollern" geht Freitag früh 6 Uhr in See. Telegrapbenstanon ist bis 1 Udr mittags Sandtorv, dann TromSö, wo das Eintreffen abends 8 Uhr erfolgt. An Bord alles wohl. * Der Dampfer „Olavi" der Hamburg-Amerika-Linie ist gestern abend mit etwa 860 Olsizieren und Mannschaften von Hamburg nach Deutsch-Südwestafrika abgegangen. * Die deutsche Hochseeflotte hat heute früh ihre dieSjäh rige Sommerreise nach den nordischen Gewässern angelreten. (S DtschS. R.) * Der geschäftsführende Ausschuß der freisinnigen Volk-Partei erläßt eine Einladung zu dem vom 12. bis 15. Sep tember in Berlin statifindenven Parteitage. (S. DtschS. R.) * Eine russisch-japanische Verständigung wird auf der Grundlage betrieben, daß' Rußlands Einflußsphäre auf die äußere Mongolei ausgedehnt werden soll, während Japans Machtstellung in der Mantschurei verstärkt w rden soll. (S. Ausl.) * In Perpignan wurde die Aufrechterhaltung der GemeinderatS-Demissionen in Süd-Frankleich beschlossen. (S. Ausl.) Tagesschau. Die Kriegsmarinen der Bereinigten Staaten und Japans. Ungefähr zwei Monate würden vergehen, ehe ein amerikanisches Kriegsschiff — von Zwischenfällen nicht zu reden — von den östlichen Hanpthäfen der Vereinigten Staaten nach der Westküste gelangen könnie, während japanische Kriegsschiffe in etwa 20—25 Tagen diese ainerika- nische Westküste zu erreichen vermöchten. Gewiß eine Tatsache, die den Wunsch der Vereinigten Staaten nach einer starken Flottenstation an der Westküste durchaus gerechtfertigt erscheinen läßt. Welchen Hinter grund die aufaetauchten Nachrichten über den Ankauf der zu Mexiko gehörigen Magdalenenbai durch die Vereinigten Staaten haben, wird sich bald Herausstellen, wenn ein Teil der amerikanischen Kriegsflotte die „Schnelliakeitsprobe" unternimmt. An Zahl von größeren Kriegsfahrzeugen besitzen die Vereinigten Staaten einen noch ziemlich bedeutenden Vorsprung vor Japan. Tie Kriegsflotte der Japaner (nach den neuesten Angaben des „Nauticus"! besitzt zurzeit 12 Linienschiffe (2 im Baus, 10 Panzerkreuzer (5 im Baus, 2 A'üstenpanzerschifse, 2 große geschützte Kreuzer, 13 kleine geschützte Kreuzer sl im Baus, 108 Torpedoboote sl im Baus «und 7 Unterseeboote. Die Vereinigten Staaten zählen 23 Linienschiffe (7 im Baus, 7 Küstenpanzerschiffe, 13 Panzerkreuzer (2 im Baus, 3 große geschützte Kreuzer, 10 kleine geschützte Kreuzer s3 im Boul, 46 Torpedoboote (5 im Baus und 12 Unterseeboote (4 im Baus. Wenngleich die amerikanische Marine an der Vergrößerung ihres Materials mit zäher Kraft gearbeitet hat, so ergeben sich doch manche Mißstände^ die von amerikanischer Seite selbst anerkannt und beklagt werden. Sie betreffen insbesondere die Ausbildung rind Zahl der Ichiffsbesatzungen. Man braucht sich zwar keineswegs das dem japa nischen Admiral Sakamoto unterlegte Urteil zu eigen zu machen, der sich dahin geäußert haben soll: Es sei als sehr zweifelhaft zu betrachten, ob die in der amerika- nischen Flotte dienenden Amerikaner patriotisch genug seien, uim zu kämpfen: die amerikanischen Flottenostizicre ipielten wohl eine bril lante Rolle auf Bällen und wirtschaftlichen Vereinigungen, aber sie seien sowohl bei Manöver» wie im Ernstfall ganz unzulänglich . . . um dennoch nach den eigenen Zugeständnissen der Amerikaner feststellen zu müssen, daß hinsichtlich der Personalverhältnisse im Offizier- und Beamtenkorps der amerikanischen Marine, — vor allem aber auch in der Frage der Rekrutierung der Mannschaften und des Mannschafts ersatzes, vieles zu wünschen bleibt, und sich die amerikanische Marine nach dieser Richtung in einer offenbar recht kritischen Lage befindet. — Der Ostiziersmangel scheint nach den Angaben des Bureau of Navi gation in diesem Frühjahr seinen Höhenpunkt erreicht zu haben. — Auf fällig sind die Schwierigkeiten bei Rekrutierung der Mannschaften, wo durch viele fremde Elemente als Besatzungsmannschaften in die amerika nische Kriegsmarine hineingeroten. wie auch die große Anzahl von Fahnenflüchtigen, deren Zahl sich (ausschließlich der wieder Ergriffenen! im vorigen Jahre auf über 9 Proz. des gesamten Bejatzungsstandes belief. Eine gewisse Besserung der Personalverhältnisse in der amerika nischen Kriegsmarine ist für den Kriegsfall durch die im Vorjahre an genommene Naval Militia Bill erzielt worden, welche für die Flotte eine Reserve an ausgebildeten Offizieren und Mannschaften aus den Miliz- organisotionen der einzelnen Staaten schaffen soll. Ofsizicrkorps und Mannschaft der japanischen Flotte stehen unbestreitbar auf der Höhe ihrer Aufgaben. Ter Krieg >mit Rußland hat ihnen eine hervorragende Schulung gegeben, deren Vorteile sie auch auszunützen sich bestreben, um sowohl an Schisfsmaterial wie an Per sonal sich eine erstklassige Flotte zu erhalten. Ter Andrang zur Marine ist hinsichtlich der Mannschaften wie sür das Ofsizierkorps in Japan ungemein groß und lebhaft, so daß die Marineverwaltung mit Leichtigkeit eine Auslese unter den allerbesten Elementen treffen kann. So wurden z. B. im Jahre 1906 von 2981 Offiziersanwärtern nur 180 angestellt, obwohl 597 allen Anforderungen vollkommen genügt hätten. Zur Frage der Teuerungszulagen. Einer unserer Abonnenten sendet uns folgende Worte zu dem in Nr. 189 der „Leipz. Neuesten Nachr." behandelten Thema: .Wie schasst man Mittel für Teuerungszulagen an unsere mittleren und unteren Beamten?" Die Ausdehnung der „widerwärtigsten" Steuer, der Erb schaftssteuer auf Ehegatten und Abkömmlinge, kann bei der jetzigen Mehrheit der sächsischen Landtagsabgeordneten in der nächsten Session ebensowenig auf Gegenliebe rechnen, als die daraus bezügliche Re gierungsvorlage in den Jahren 1897/98 Entgegenkommen gefunden hat, obschon diese Ausdehnung nicht bloß dem Staate eine neue Einnahme- guelle erschließen, sondern vor allen Dingen auch die Kontrolle sür dis Richtigkeit der Deklarationen zur Einkommensteuer und für die Richtig- keil der Veranlagung dazu erheblich verbessern würde. Letzteres um deswillen, weil die Staatsbehörde nicht bloß dann, wenn Minderjährige als Miterben in Frage kommen und"wenn Erbschaftssteuer wegen der Beteiligung von Deszendenten oder Scitenverwandten als Miterben zu erheben ist, sondern in allen Erbfällen Veranlassung hat, Einsicht in die Grüße der Verlaisenschast zu nehmen. Dahingegen ist der sächsische Landtag in seiner jetzigen Zusammen- jetznng möglicherweise dafür zu gewinnen, «n anderer Beziehung einen größeren Vorteil aus den Erbschaften als bisher zu ziehen: nämlich in dem Fall, wenn der Erblasser letztwillig nicht verfügt hat, also gesetz liche E ,olge eintrcten muß und als gesetzliche Erben, abgesehen von Urahnen, nur Seitenocrwandte der vierten bez. fünften Ordnung, asto Personen in Frage kommen, die der Erblasser möglicherweise nicht ein mal dem Namen nach gekannt bat. Für diesen Fall ist es unbedenklich, die Vermutung ausznstellen, der Erblasser habe den Staat als Erben berufen wollen, und gesetzlich zu bestimmen, daß in solchem Falle der Staat den Nachlaß zu erhalten bat. Durch eine gesetzliche Bestimmung dieser Art würde einmal das Nachlaßgericht der ost recht mühevollen und verantwortungsreichen Feststellung der Seitenverwandten der vierten bez. fünften Ordnung überhobenssein, es würde dabei auch in pekuniärer Hinsicht der Staat nicht schlecht sich stehen. Sollten im Hinblick auf die Bestimmung in § 1928 des Bürgerlichen Gesetzbuches Bedenken gegen oie Zulässigkeit einer landesgesetzlichen Bestimmung der gedachten Art be gründet sein, so dürsten der Reichstag usw. für eine entsprechende Aen- dcrung der Vorschriften in W 1928 flg. des Bürgerlichen Gesetzbuches ge wiß zu haben sein. Erbfälle dürsten überdies noch in anderer Art für den Staat nutz bar zu machen sein. Das sächsische Kostenyesetz enthält nämlich zwar für die Vermittelung der gerichtlichen Erbauseinanderl'etzung Sätze, die nach dem Betrag der Teilungsmasse abgestuft sind, sie enthält aber keine nach der Höhe des Objekts testgestellten Sätze sür Testamentsbekanut- machüngen und für Erbscheine. Die hierfür geordneten Gebührensätze stellen sich auf nur 1—5 .kl bez. 2—30 .kl: während nach dem Vorgang der Reichsgesetze Preußen und andere deutsche Staaten insbesondere für Erbscheine nach dem Objekt geordnete Gebührensätze haben und danach beispielsweise in Preußen für einen Erbschein, der mehrere Millionen zum Gegenstand hat, mehrere Tausend Mark zu berechnen sind. Das sächsische Gerichtskostengesetz vom 21. Juni 1900 enthält nach dem Obj-lt geordnete Gebührensätze sür Grund- und Hypothekensachen. Warum nicht auch sür Erbscheine, wie Preußen? Hier sind die Mittel zur nötigen Ausbesserung der Gehälter, mindestens der sächsischen Justiz beamten, und ihrer Gleichstellung mit denjenigen der Verwaltungs beamten zu finden. Sie bedürfen nur der entschlossenen Hebung. Zeituirgsstinrineii. Ueber die Spannung zwischen den Vereinigten Staaten und Japan liegen noch mehrere bemerkenswerte Preßstimmen vor. Die „Birmingham Daily Post" schreibt: Es kann als eine der kleinen Ironien des internationalen Lebens betrachlel werden, daß auf der Friedenskonferenz eine Macht laut ihren Anti-Militarismus verkündet uns doch zu gleicher steit eine bemerkenswerte Marine-Demonürotion ins Werk setzt. Die Macht beißt: Bereinigte Staaten von Amerika; die Demon- siration kann nichts anderes bedeuten, als: wir wollen die Oberherrschast im Pacific-Ozean behallen. Der „Philadelphia Record* äußert sich: Anstatt eines Zeichens der Stärke wird Japan die ganze Geschichte als Schwäche ausfassen. Die „Washington Post* behauptet: Unsere Flotte im Pacinc-Ozean soll keine Drohung für Japan fein, aus genommen Japan selbst sucht einen Streit. Die „Evening Post" (New Aork) bemerkt: Bei uns wird wieder einmal ein altes journalistisches Rezept für Kriegs erklärungen vermcht. Sowohl Japan als Amerika besitzen »ine Anzahl gewissen loser Zeliungen. aber wir sind den Japanern nicht nur in der Zahl, sondern auch in der teuflischen Art überlegen, die unbedeutendsten Vorgänge so aufzu- baulchen, daß unseren Lesern ganz blutig vor Augen wird. Wir haben lchon einmal eine lolche Beriode, 1895—1898, ourchgemacht. Die gelbe Pr«sse errang schließlich ihren größten Triumph durch das Heraujbeschwören des Krieges mit Spanien; ein Triumph, der sür den „gelben Journalismus" aber zugleich die größte Schande bedeutete. Deutsches Reich. Leipzig, 12. Juli. * Die deutsche Hochseeflotte. Der Ehef der Hochseeflotte, Admiral Prinz Heinrich, Hal befohlen, daß die gesamte Kampfflotte heute den Hafen verlassen und das Sommermanöver antreten soll. Außer den beiden Geschwadern und Aufklärungsschiffen gehen zwei Depeschenboote, die Dienstjacht des Prinzen Heinrich „Earmen", die erste und zweite Schulflottille, sowie die Tender „Blitz" und „Pseil" mit. — Tiese gc- waltige Flotte fährt direkt nach den nordatlantischen Gewässern und führt im Gebiet der englischen Shetlands-Inseln und der dänischen Faroer Inseln Hebungen im Flottenverbande aus. Vom 20. bis 28. Juli ankern die Kriegsschisse in Bergen, Molde und Drontheim. Die 22 Hocy- seetorpedoboote gehen am 25. Juli südwärts und treffen vor Helgoland ein. Drei Tage später folgen die Schlachtschiffe und Kreuzer. Die Flotte manövriert mit Helgoland als Stützpunkt bis zur Mitte August: ein großes imposantes Flottenmanöver unter den Augen des deutschen Kaisers bildet den Abschluß der umfangreichen Hebungen. Die Flotte kehrt dann durch den Kaiser Wilhelm-Kanal nach Kiel zurück. Feuilleton. Die Frau und das Buch, das sind Feinde. Heinrich Mann. * Die Heiligen. Bon Ren 6 Schickele fStraßburg). Sehr viele Heilige sind liebenswert und ebenso bewunderungs würdig wie irgendein Held und Künstler, der unsere Empfindsamkeit verfeinert und vie Menschheit um vorbildliche Abenteuer bereichert hat. Man weiß wie sehr Goethe den hl. Philipp von Neri, seinen Pa tron, hochschähte. Er war stolz aus ihn. Dieser Heilige ist einer der größten Humoristen, die die Welt gekannt hat. Kein Spaßmacher. Sein Humor war eine dämonische Begabung, die ihn aus den Wegen der Seele vorwärtsführte, etwas wie ein Brand, den er schwang, und in dessen Licht er die Menschen erkannte. Er hatte in der Lächerlichkeit eine kostbare Prüfung erkannt, vielleicht sogar eine Tugend. Wenn er seinen gelehrten Mönchen besah!, mit ihrem ganzen Küchcngeschirr durch die Straßen Roms zu ziehen und diese Umzüge zu wiederholen, so glaubte er sie in der Nachfolge des gedemvtigten, angespieenen Christus aufs eindringlichste zu unterrichten. Die häßlichste, un- seelischste Sünde ist die Eitelkeit — konnte man ihr besser begegnen, als so, wie der hl. Philipp von Neri es anzustellen pflegte? Einmal schickte man ihn, damit er die Heiligkeit einer Nonne prüfe, die schon in ganz Rom eine große Verehrung genoß, und deren Rus zu den päpst- lichen Ohren gedrungen war. Es regnete, der Heilige ritt ein Maul- tier, das bei iedem Tritt den Schmutz der Straße aufspritzen ließ, die Stiefel des Reiters waren dick mit Kot bedeckt. Er brachte sie in diesem Zustand bis ins Sprechzimmer des Klosters, das die heilige Nonne beherbergte, und als die Braut Christi mit frommen Gebärden vor ihm «rschien, hielt er sie ihr hin. Bat, sie möge ihn von diesen Kotklumpen befreien. Sie wich entsetzt zurück. Das genügte ihm. Er ging in den Vatikan und sagte, es sei nichts. Er habe wohl eine Dame wie viele andere, aber keine Heilige getroffen. Der Papst und die Kardinäle lachten aus vollem Hals, immerhin erkannten sie die Richtig keit keiner Methode an. Auf den heiligen Bajazzo fiel dieses Lachen wie Geißelhiebe hernieder; es entfachte das himmlische Feuer in seinem Herzen: in seiner Zelle verharrte er stundenlang in verzückter Andacht vor dem Bild des Gekreuzigten. Als Cesalpino und zwei andere berühmte Chirurgen die Autopsie des hl. Philipp von Neri vornahmen, fanden sie, daß die niederen Organe atrovhwrt waren; daS Herz aber hatte sich derart erweitert, daß «S, um Platz zu haben, «ine Rippe zurückgedrängt und sich eine Art künstlicher Höhlung erschlossen hatte. Dieselbe Hypertrophie des Herzens fand sich bei der HI. Magdalenade Pazzi. Ihr erschien Christus und zeigte sein Herz. Von diesem Augenblick an mußte sie, um „die Feuersbrunst zu beschwichtigen, die sie verzehrte", ihre Kleider öffnen oder sich in endlosen Worten ergehen, die wie Gesänge waren. . . Die hl. K a t h a r i n a von Genua glaubte eine Wunde in der Brust zu haben. Tie legte ihre Hand aus das jagende Herz, um es zu heilen. Achtzehn Monate nach ihrem Tod wurde sie ausgegraben. Ihr Körper war unberührt. Die Haut hatte eine gelbe Färbung, aber über dem Herzen war sie noch ganz rot. . . Auch der hl. Franz von Sales und die hl. I e a n n e de Chantre errictsteten in ihrem Körper diese übermächtige Herrschaft des Herzens, die den Tod des übrigen Organismus überlebte. . . Für den heutigen Physiologen be- deutet das kein Wunder mehr. Aber da wir nun wissen, daß eine stetig wiederkehrende Erregung der Seele den Organismus bis zu einem gewissen Grad verändern kann, — sind die Heiligen deshalb weniger rührend, die ihr Herz wie eine Monstranz aus Blut und Feuer in ihren Händen trugen? Gibt es in der Literatur etwas Achnliches wie den süßen Blutrausch, in dem die hl. Katharina von Siena ihr Leben verbrachte, nachdem Christus ihr erschienen war und sein Herz mit dem ihren vertauscht hatte? So sehr litt sie Inbrunst um diese mystische Liebe, daß sie eines Tages glaubte, ihr Herz sei von oben bis unten geborsten. „II ssnxrik' o unn clolee." Ihr Blut war ebenso süß und feierlich wie das des Sieneser Malers Simone Martini, dessen Gestalten wie ein Hauch einer ekstatischen Seele auf einen Spieael aus schwerem Golde ist. Es ist die eine Familie. Hier ist das grausame, blutige Trecento zur Mustk einer mystischen Hochzeit ge worden. So manches Jahrhundert, so mancher Seelenzustand wird zu einer Landschaft, auf der sich die Gestalt eines Heiligen in verklärten Um rissen abzeichnct. Sie hat eine seltsam innige Gemeinschaft mit den Jahreszeiten dieser Berge und Täler, dieser Ebenen, dieser Städte, und ihr Herzschlag ist eins mit ihnen. Sie sind beinah Naturgott, besten, diese Heiligen, einfach wie eine Blüte, unvergänglich wie die schönste Stunde, die wir dort gelebt haben. Ich habe in diesen Tagen die „Briese der hl. Katharina von Siena"*) durchblättert und den unmäßigen Drang des Tre cento empfunden, in Bildern, denen nichts vom Unzulänglichen des körverlichen Geschehnisses anhaftet, weil sie nur den reinen Seelen geholt eines Abenteuers versinnbildlichen, wie ein Bild, eine Musik, wie eine kleine Anekdote. „Harret aus", schrieb Katharina an ihren Beichtvater Raimondo da Capua, „auf daß wir das Blut vergießen sehen mit süßem und liebendem Verlangen. Schon habe ich begonnen, ein Haupt in meine Hände zu empfangen, das mir süßen Trost bereitete." Und sie erzählt die Gr'chickste dieses „ersten Hauptes", die wie eine Legende klingt. Es war das Haupt eines jungen Ritters, Nicola Tuldos, der von den Reformatoren zum Tode verurteilt war. „Am Morgen vor dem Schall der Glocke begab ick mich zu ihm. ... Er sagte: Bleibe bei mir, und verlasse mich nicht, so sterbe ich zufrieden. Und er stützte sein Haupt aus *> „Die Briese der heiligen Katharina von Siena. Ausgewähst, eingelcitet und deutsch herausgegeben von Annette Kolb. Verlag von Julius Zeitler, Leipzig 1906." meine Brust. Ta fühlte ich eine tiese Freude, und einen Geruch seines Blotes, und cs war nicht ohne einen Geruch des meinen, das ich wünschte zu vergießen für den süßen Bräutigam Jesus. Und wie das Verlangen in mir wuchs, und ich die Furcht fühlte, die ihn bewegte, sagte ich: Mut, mein süßer Bruder, denn bald wenden wir bei der ewigen Hochzeit sein. Du wirst hinkommcn, getaucht im Blute des gastlichen Sohnes. Und ich werde dich am Richtplatz erwarten. Aus dem Herzen des jungen Ritters wich jede Furcht, er frohlockte und sagte: „Voll Kraft und Freude werde ich hingeben, und es scheinen mir tausend Jahre bis dahin, wenn ich denke, daß Ihr mich dort erwartet." Sie erwartete ihn auf dem Richtplatz. Bevor er kam, kniete sie nieder und legte ihren weißen Hals au; den Block. Sie sah keinen von den vielen Menschen, die umherstanden, sie lag nur da und betete im Rauschen ihres Blutes, dessen Geruch vermischt war mit dem Geruch seines Blutes. Und er kam, wie ein sanftmütiges Lamm: und als er mich sah, lächelte er. Er kniete nieder: und ich entblößte ihm den Hals und beugte mich zu ihm und erinnerte ihn an das Blut des Lammes. Nichts anderes brachten seine Lippen hervor, als: Jesus und Katharina. Und so empfing ich sein Haupt in meine Hände, und sein Auge schloß sich in der göttlichen Güte mit den Worten: ich will. . . . Ta sah ich, klar wie das Licht des Tages, den Gottmenschen, dessen gc- offnere Seite das Blut aufnahm. Und er nahm das Blut des Gerichte- ten im Feuer seiner göttlichen Gnade aus. . . . Und wie er dabin- gejchicden war, ruhte meine Seele in so großem Frieden aus und in wlchem Dufte des Blutes, daß ich mich nicht entschließen konnte, dos Blut wegzuwaschen, das von ihm auf mein Gewand gekommen war..." Wir können erraten, was der junge Ritter sagen wvllre, als er be- uann: „Ich will"., und sein Haupt in die Hände der Heiligen nieder- lonk. Er haste es ihr schon vorher versprochen, als ^ie ihm in der Nacht im Gefängnis ihre Brust schenkte, damit er sein yaupt ausruhe: „Ich will tausend Jahre auf Euch warten." . . Sein Haupt hatte aus ihrer Brust geruht. Die schöne Heilige liebte die Blumen, die Gewässer, die Landschaft und die atmosphärischen Schauspiele des toskanischen Himmels. Sie schickte Freunden Sträuße selbstgepslückter Blumen, sie überschüttete die Kinder mit Küssen. Eine unermeßliche Zärtlichkeit lebte zehrend in ihrem Frauenblut, das sich im höchsten Ueherschwange ihrer Sehnsucht zum weißen Licht der himmlischen Visionen verklärte. Dieses „weiße Licht", von dem alle Heiligen träumten, und das sie im lichten Rausch ihrer Visionen in tiefen Zügen genossen. Die hl. Therese bat versucht, seine Einzigkeit in Worte zu fassen. Die Weiße und der Glanz „über- treffen alles, was man derartiges hienieden ahnen kann. Aber der Glanz blendet keineswegs. Es ist insgesamt eine unaussprechlich rcine und zarte Weiße, eine ureigene Pracht und Herrlichkeit, die den Blick mit unsagbarer Wonne erfüllt, ohne den Schatten einer Ermüdung Ohne einen Schatten der Ermüdung. . . Diese Wollust ist ohne Ende. Nur eine Frau kann sie ganz genießen. Sie ist das auser wählte Geschöpf auch der himmlischen Liebe. Deshalb war die bl. Therese, die große Seelenkundige, dankbar, daß Gott sie zum Weib geschasscn Hobe. Sie glaubte, daß die Männer weniger der „Gnade der Entzückung und der Vereinigung" teilhaftig würden. Sic sag» in
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