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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.09.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070902011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907090201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907090201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-02
- Monat1907-09
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Letzte Dep.) > - * Der Kronprinz ist gestern früh nach Potsdam zurückge kehrt. * Staatssekretär Dernburg ist mit seiner Karawane gestern nachmittag gegen 2 Uhr in Tabora nach anstrengenden Mär schen angekommen. * In Gegenwart des Z a r en, der Z a r i n und desKönigsvon Griechenland fand gestern in Petersburg die feierliche Ein weihung der zum Gedächtnis an Kaiser Alexander H., an der Stelle, wo er seinen Tod fand, errichteten Kirche zur Auf- crstehung Christi statt. (S. Letzte Dep.j * Die Haager Konferenz wird voraussichtlich bis zum 21. September dauern, die Unterzeichnung des Schlußprotvkolls dürfte am 28. September erfolgen. * Wie nunmehr feststeht, wird das spanische Königspaar am 18. Oktober in Wien eintreffen. , * Nach einem Telegramm aus Rom weigert sich die i t a l i e n i s ch e Regierung, ein Kriegsschiff nach Marokko zu entsenden, trotz 'wr Bitte her italienischen Kolonie in Tanger. lS. Letzte Dep.j * In Tanger herrscht andauernde Panik. Ein Dampfer, der «eigens gechartert wurde, geht mit zahlreichen Familien nach Algeciras ab. Ein Teil der Europäer wird die Familien nächste Woche abreisen lassen. lS. Letzte Dep.j * Der persische Großwesir wurde, wie auS Teheran ge meldet wird, erschossen. lS. Letzte Dep.j * Gestern ist in Moskau der erste C'holerafall bakterio logisch sestgestellt worden. ' In Kiel gewann gestern der R.-K. „Spor t" - Leipzig im Rad- polvwettspiel den Ehrenpreis des deutschen Kronprinzen gegen den Kieler Bycicleklub. S. Sport.j * Im Sportpark Treptow ist gestern der Schrittmacher Sucher gestürzt. Er hat sich eine Gehirnerschütterung zuge- zvgcn, so daß er in das Krankenhaus Bethanien gebracht werden mußte. lS- Sport.) * In der Prince of Wales Stakes zu Vaden (20 000 .jlj siegte M. Caillaults b. St. „Sourdiu m", das Prinz Herrmann von S a ch s e n - W e i m ar - M em or i a l t12 000 „llj gewann Wein bergs br* St. „Ignis" und in der Großen Badener Handicap- Steeple-Chase l20 000 ^() ging C. Lienarts b. St. „I acasse II" als erste durchs Ziel. — Den Königin Elisabeth. Preis zu Pest (59 000 Kronen) gewann „Bluett e". (S. Sport.j DL- irische Gefahr. (Von unserem Londoner L-Korrespondenten.) Tic zweite parlamentarische Session des liberalen Regimes ist zu Ende. Es war die erste, die unter dem Zeichen des „killin^ tsie eup" stand. Ob der Becher nun voll ist, darüber gibt die Schlußthronrede des ziemlich unnötig bemüßigten Königs keinen Aufschluß. Wenn man diese Thronrede aber mit den kühnen Worten vergleicht, welche Mr. Campbell - Bannerman den Monarchen zu Beginn der Session sprechen ließ, so schwindet noch der letzte mögliche Zweifel darüber, ob die Politik des Becherfüllens konstruktive Staatsmannschaft ist. Die sozialen Re formen sind angeblich auf das nächste Jahr, in Wahrheit sä aalenäss zrraeess vertagt. Als Steuerreformer haben die Liberalen sich von einer überraschend unangenehmen Seite gezeigt: die Einkommensteuer ist dauernd auf Kriegsfuß gesetzt worden. Ter lonservativen Schul politik verdankte der Liberalismus seinen Wahlsieg in den Provinzen, ober in den zwei Jahren, die seitdem verflossen sind, ist die Schulfrage keinen Schritt vorgerückt. Den Religionslehrcrn der Nonkonformisten hat man kurz vor parlamentarischem Torschluß auf konstitutionell nicht ganz einwandfreie Weise wenigstens die Honorarzahlung gesichert. Etwas mehr hatte man doch auch nach der Kriegserklärung an das Oberhaus erwartet. Die Durchführung des Kampfes mit den Lords war ebenfalls für die laufende Session versprochen. Und jetzt macht das bestunterrichtete liberale Organ bereits eine Andeutung, als sollte der Kampf möglichst bis ans Ende der nächsten Session oder gar darüber hinaus verschoben werden. Von der mit großem Trompetengeschmetter angekündigten durchgreifenden Landreform ist auch nur ein Schatten übrig geblieben, die small boläinxs-^at für England, von der man nicht mit Unrecht sagt, sie sei vom Oberhaus deshalb angenommen worden, weil es der Regierung außerordentlich gepaßt hätte, sie durch fallen zu sehen. Es ist eine ganz lächerliche Behauptung der Radikalen, daß damit die letzte Spur deS LandlordiSmus in England getilgt. Die schottische Landreform ist ganz stecken geblieben. Das Stückchen Landreform, das in Irland auf die liberale Jnitia- tivr zurückgeht, ist auf die Evicted Tenants-Bill zusammcngeschrumpst. Dieses Gesetz für die Abfindung exmittierter Pächter ist auch nur am vorletzten Tage durch einen Kompromiß mit den Lords flott geworden. ES ist das einzige Gesetz, das Mr. Birrel, der Totengräber liberaler Legislatur, wie er sich selbst genannt hat, bisher zustande brachte. Früher wurde dies Gesetz als „Friedensbotschaft an Irland" bezeichnet. Dieselbe „Official Gazette", welche die königliche Sanktion des Gesetzes brachte, veröffentlichte aber auch die Verhängung des Belagerungszu standes über sechs irische Grafschaften. Am Abend der Veröffentlichung wurden in Irland 200 Bauern wegen Viehwegtreibung und ihr Führer Mac Kenna, dessen Regenschirm bei den dazu gehörigen Kämpfen mit der Polizei als Marschallstab gedient hatte, verhaftet, obwohl Mac Kenna Parlamentsmitglied ist. Am Tage nach Parlamentsschluß wurde dcr Belagerungszustand in zwei weiteren Grafschaften verkündet, und die Verhaftungen im engeren Kreise dcr Organisation des Sinn Jein und der Anti-Grazierbewegung fortgesetzt. So endet die nächst der Ober- bauSreform wichtigste gesetzgeberische Aktion des Liberalismus. DieS sind die Folgen der „kleinen" Home-Rule-Vorlage Birrels und ihrer Ablehnung durch die Dubliner Nationalkonvention. Der Mißerfolg dcr irischen Politik der Liberalen ist wahrscheinlich das schlimmste Defizit der Sessicn. Tenn nachdem das Liebäugeln mit dem Sozialismus und die Steuerpolitik den rechten, Whiggistischen Flügel der Partei stark ver ¬ stimmt, müssen die Gewaltmaßregeln, denen man jetzt in Irland ent gegengeht, den Rest des radikalen FlügelS ernstlich vor den Kopf stoßen, den der Bankrott der liberalen Schulpolitik noch nicht entfremdet hatte. Und die irische Bewegung ist im Begriffe, viel weitere und be wegtere Kreise zu ziehen, als bisher. Die Evicted Tenants-Bill wird von den Iren als gänzlich unge- nügcnd bezeichnet. Der „englische Landlordismus hat die Bill er dolcht", so lautet die Parole. Und der „englische Landlordismus" ist das rote Tuch für die Iren. Mr. Redmond kündigte als Ergebnis der Evicted Tenants-Bill eine „ernste und gefährliche Bewegung" an, und Mr. Mac Kenna erläuterte diese Phrase bei seiner Verhaftung dahin, daß der plötzliche Umschlag in der liberalen Politik die Revolution zur Folge haben werde. Der Umschlag ist zweifellos. Im März ließ die liberale Regierung die Coercion-Bill, welche ihr in Irland verstärkte Polizeirechte gab, und vor allen Dingen das Waffentragen verbot, vcr- fallen. Als die Einschüchterung der Weidelandpächter und Viehzüchter begann, die man die Anti-Grazierbewegung nennt, sprach Mr. Birrel als Staatssekretär für Irland im Parlament das unverant wortliche Sentiment aus, man könne den irischen Bauern ihre Gewalt taten nicht verübeln. Inzwischen hat in Belfast das Militär auf die irischen Dockarbeiter geschossen, die „Proklamation" der acht Grafschaften kündigt eine Massenverstärkung der Polizei an; bei den Anti-Grazier- attentaten bat sich die Polizei aber bereits machtlos gezeigt; Militär ist die nächste Instanz, an die appelliert werden wird, aber nach den Vor gängen in den achtziger Jahren, nach der damaligen irischen Boykott bewegung zu urteilen, fragt es sich, ob das Militär in Irland mit Nutzen zu verwenden ist. Der Liberalismus möchte heute gern gladstonischer sein, als der große alte Pilot in seinem letzten Ministerium war. Niemand denkt daran, daß der Liberalismus das fünfundzwanzigjährige Jubiläum einer in der irischen und der inneren englischen Politik Gladstones ent scheidenden Session feiern kann. Die Session 1882 war auch die zweite Vollsession einer liberalen Aera; auch in ihr kam es aus dem Anlaß einer ungenügenden Landbill, so sehr diese von den Parteipropheten si ls John Bright gefeiert wurde, zum endgültigen Bruch zwischen dem Libe. ralismus und dem Parnellismus, wie man die damalige irische Be wegung bezeichnen muß. Auch damals hatte man die Coercion-Bill außer Kraft gesetzt, um später sogar an die Aufhebung der Habeaskorgus- akte denken zu müssen, da man selbst mit 70 000 Mann Militär auf der grünen Insel nicht mehr auskam, ja, das Feniertnm und die Landliga unter O'Donnovan Nossas Leitung ihre Verbrechen Praktisch unge straft nach England ausdehnten und dort das liberale Bürgertum in Schrecken setzten. Die Prozesse gegen die kleineren parlamentarischen Führer blieben wirkungslos, und schließlich wußte selbst Gladstone sich nicht anders zu helfen, als daß er mit Parncll im Gefängnis von Kil- meinham einen Friedeuspakt schloß, den er sogleich verleugnete, der ihm aber doch den letzten Rest von Vertrauen aüf dem rechten, wie dem linken Flügel seiner Partei kostete, und praktisch das Ende dcr liberalen Aera einleitete. Alle Fehler der Gladstoneschen Politik hat man getreulich nachgemacht. Zum Pakt mit den „Jnvincibles" von heute wird man auch noch gelangen. Aber heute gibt es keinen Parnell, sondern nur Tuodezausgaben von ihm; und zwar deren mehrere, so daß der Wert eines solchen Paktes für die Befriedung Irlands fraglich ist. Auf der anderen Seite genießt Campbell Bannerman in der Partei nicht den Einfluß Gladstones, der nach einer so bedenklichen Session die Partei noch drei Jahre zusammen und am Ruder hielt. Die Anarchie in Ir land hat einstweilen dem rechten Flügel des Kabinetts wieder das Neber» gewicht gegeben. Die Radikalisierung des Kabinetts, welche dem Libe ralismus allein auf einige Zeit Einheit und Kraft geben könnte, ist vor läufig unmöglich geworden. Damit ober wächst die Unzufriedenheit und die zentrifugale Tendenz in der Partei. Deutschland, Frankreich und di- Reichslands. Man schreibt uns: Tie amtlichen Beziehungen zwischen Deutsch land und Frankreich haben sich in der letzten Zeit zweifellos nicht un erheblich gebessert. Wie verkehrt es jedoch wäre, hieran weitansgreisende Hoffnungen zu knüpfen, lehrt die Haltung einer französischen Zeit schrift, welche der Verständigung Frankreichs mit Deutschland grund sätzlich das Wort redet, des Organs „L'Europe Nouvelle". Im August heft des genannten Blattes nämlich steht an leitender Stelle ein Aufsatz des Generals Grandin, „Krieg und Elsaß-Lotbringcn" überschrieben. Der Verfasser Predigt darin den Franzosen die Pflicht der Rück forderung Esaß-Lothringens in einer Sprache, deren Schärfe und Bitter keit — um keine stärkeren Ausdrücke zu gebrauchen — 86 Jahre nach dem Frankfurter Frieden fast in Erstaunen setzen muß. Die bezeich- nendsten Stellen der Ausführungen des Generals Grandin lauten wört lich folgendermaßen: „Der Kaiser von Deutschland versäumt keine Gelegenheit, eine Höflichkeit zu bekunden, von der er glaubt, daß sie das Vorspiel eines künftigen amtlichen und feierlichen Besuches in Paris sein werde; ober die französische Volksseele ist noch nicht darauf vorbereitet, diese Erniedrigung auf sich zu nehmen, und niemals wird es im Sinne einer Versöhnung etwas Tatsächliches geben, solange Elsaß-Lothringen in Ketten liegt; eine neue feierliche Anerkennung des Frankfurter Vertrages, von der zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung jüngst «in Gerücht ausgesprengt war, würde einen ungeheueren Zorn er regen. Um den barbarischen Akt der Losreißung Elsaß-Lothringens zu rechtfertigen, hat man manchmal gesagt, doß diese Provinzen in ihrer Vergangenheit Beziehungen zu Deutschland hatten, und daß ihre Rückgabe an Deutschland im Jahre 1871 nur den Wiener Frieden von 1814 vollendete, um schlecht gezogene Grenzen zu berichtigen und dem intermittierenden Hange Frankreichs zur Rheingrenze end gültig ein Ende zu machen. Man könnte ebensogut daran erinnern, daß die Franche-Comte beim Tode Karls V. unter spanischer Herr schaft lebte, und sie von Frankreich wegnehmen . . . Etliche Deutsche, die um jeden Preis die Annexion des Elsasses entschuldigen wollen, verraten doch, daß sie im Gewissen einige Scham über diesen Diebstahl empfinden, der 1870 von einer Militärpartei gefordert wurde, die trunken war von ihren Erfolgen und die Kriegsbräuche um ein Jahr hundert zurückschranbte, indem sie das grausame System der Geiseln onwandte und Freischaren füsilierte, die das Recht batten, als Krieg führende behandelt zu werden, weil sie offen eine Uniform trugen." General Grandin erwähnt dann die Jriedensbestrcbungen der Haager Konferenz und fährt fort: „Tie Völker, die versuchen sollten, den Raub Deutschlands von 1870 zu sanktionieren, würden sich der Acchiuna durch die Zivilisation aussetzcn, und ein Frankreich, welches die Feigheit beginge, die Elsaß- Lothringer. die Sühnopfer für unsere Kurzsichtigkeit, für immer Preis- zngebcn, würde das Schicksal Polens verdienen und reis sein zur Teilung. Frankreich, es ist wahr, ist aus verschiedenen Gründen . . jetzt nicht imstande, mit Gewalt die Provinzen wieder zu nehmen, die ihm mit Gewalt entrissen worden sind, aber Frankreich wird nicht ewig schlafen, und das wenigste, was cs tun kann, ist: nicht zu ver. zichten auf die Zurückforderung seiner Rechte und auf die geschicb:- lich zivilisatorische Sendung, von der es in der ganzen Welt so viel Beweise gegeben hat." General Grandin stellt des weiteren den Ursprung des Krieges von 1870 und die Knechtschaft, unter der die Elsaß-Lothringer angeblich seufzen, im Sinne der französischen Legende dar und eröriert schließlich die „Lösung" der elsaß-lothringischen „Frage". Nach seiner Meinung kann sie in der Weise erfolgen, daß die Reichslande uns abgekauft oder neutralisiert oder gegen eine französische Kolonie umgetauscht werden. „Frankreich", endet der Verfasser, „kann heute unverdiente Schläge ver gessen, aber die Unverletzlichkeit seiner Grenzen und die Herausgabe oder die Neutralisierung Elsaß-Lothringens würden der Preis dafür sein: das ist die erste und unverjährbare Pflicht aller Franzosen. Vivo l'^Issov-I-orruinv toujours ckrsrujsiso!" Mit solcher Anschauung muß einstweilen als mit einem Grundtone der französischen Volksstimmung immer noch gerechnet werden. Deutsches Reich. Leipzig, 2. September. -r- Erhöhung der königlichen Zivilliste? Nach einem in Dresden verbreiteten Gerücht, das auch in einige auswärtige Blätter über gegangen ist, soll von dem im nächsten Monat zusammentretenden Land tage eine Erhöhung der königlichen Zivilliste gefordert werden. Wir haben von dem Gerücht bisher keinerlei Notiz genommen, da wir es für unzutreffend halten. Freilich sind uns dafür ganz andere Gründe maßgebend, als der „Dtsch. Tagesztg.", die sich in diesem Falle mal wieder als gründliche Kennerin der sächsischen Verfassung ouf'pielt, aber mit ihren Leistungen nur gründlich blamiert. Das Bündlervlatt erklärt nämlich, eine Erhöhung der Zivilliste des Königs könnte nur nach einem Thronwechsel von dem verfassungsmäßig dann zusammen tretenden außerordentlichen Landtage beschlossen werden. Das ist falsch. Allerdings stellt § 22 Abs. 1 der sächsischen Verfassung den Grundsatz auf, daß die Zivilliste des Königs mit den Ständen „auf die Dauer seiner Regierung" vereinbart werden soll. Im Absatz 2 desselben Pa ragraphen aber heißt es wörtlich: Diese Summe ist als Aequivalcnt für die den Staatskassen auf die jedesmalige Tauer der Regierungszeit des Königs überwiesenen Nutzungen des königlichen Domänengutes zu betrachten und kann während der Regierungszeit des Königs weder ohne dessen Zu stimmung vermindert, noch ohne die Bewilligung der Stände vermehrt . . . . werden. Mit anderen Worten: die Zivilliste wird durch Vertrag zwischen dem König und der Volksvertretung festgesetzt, und zu Abände rungen dieses Vertrages ist, wie bei jedem anderen Vertrag auch, die Zustimmung beider Kontrahenten erforderlich. Demgemäß muß der Landtag zu einer Erhöhung der Zivilliste, deren Möglichkeit ausdrück lich offen gelassen ist, seine Zustimmung geben. Diese Auffassung ist auch bei Beratung der Verfaßungsurkunde vom 4. September 183l so wohl bei der Regierung, als auch bei den Ständen maßgebend gewesen, wie ein Blick in die betreffenden Verhandlungsberichte zeigt. Daß aber dem kommenden Landtage eine Vorlage über Erhöhung der Zivilliste zugeben sollte, halten wir für sehr unwahrscheinlich. Ter Zeitpunkt wäre jedenfalls sehr ungünstig gewählt. Wenn sich auch die Finanzlage Sachsens in den letzten Jahren wesentlich gebessert bat, so sind doch die Folgen der Watzdorfschen Finanzwirtschajt noch nicht ganz überwunden. Manche dringende Ausgabe hat unter dem Drucke dcr Notwendigkeit zurückgestellt werden müssen, und zurzeit weiß die Ocsfcntlichkeit noch nicht, ob oder wie weit die Steuerzahler von dem bis Ende dieses Jahres bewilligten 25prozentigen Steuerzuichlag ent- lastet werden können. So lange eine solche Verminderung der Steuern noch nicht möglich ist, dürfte auch eine Erhöhung der königlichen Zivil liste im Lande keinen Anklang finden. Gewiß sind die Ansprüche an die Zivilliste nicht gering. Nach L 22 Abs. 5 der Verfassung sind von ihr zu bestreiten: „die Schatullengeldcr des Königs und seiner Gemaylin, die Unterhaltungs- und Erziehungskosten seiner Kinder, die Gehälter aller königlichen Hofbeamten und Diener, die künftig auszusctzeudcn Pensionen derselben, sowie ihrer Witwen und Kinder, der gesamte Auf wand für die Hofhaltung, den Stall, die Hofjagd und die dazu gehörigen Inventaricn, den katholischen und evangelischen Hofgottesdieust, für letz'.cren nach Höhe des seitherigen Beitrags, die Hofkapelle uns Hof theater, die Unterhaltungskosten der nach 8 17 dcr Verfassung dem Könige zur freien Benutzung bleibenden Schlösser, Paläste, Hof gebäude und Gärten, endlich alle hier nicht erwähnten ordentlichen oder außerordentlichen Hofausgabcn, deren Bestreitung nicht ausdrücklich au»' das Staatsbudget gewiesen ist." Gleichwohl glauben wir, daß der Finanzminister nach den bitteren Erfahrungen, die er im Juli 1902 bei dcr Beratung der Zivilliste des inzwischen verstorbenen Königs Georg im Landtage gemacht hat, kaum Lust haben dürfte, eine neue Erhöhung dcr Zivilliste vor dem Lande zu vertreten. Wenn das oben erwähnte Gerücht andeutet, die Erhöhung werde begründet werden mit den An forderungen der Hoftheater an die Zivilliste, so sei demgegenüber darauf hingewiejen, daß bauliche Veränderungen keinen Grund zu einer dauernden Hinaufsetzung der Zivilliste abgeben können. Es wäre vielmehr zu überlegen, in welcher Weise die Einnahmen aus den Ein trittsgeldern sich steigern und die Ausgaben (eventuell durch Zusammen legung von Stellen) sich verringern ließen. Falls aber die Erhöhung der Wobnungsgeldzuschüsse an die Beamten das Motiv zur Erhöhung dcr Zivilliste abgeben sollte, so sei darauf hingewiesen, daß erst mii dem 1. Januar 1904 die Zivilliste um 50 000 auf 3 550000 .< erhöht worden ist, und zwar mit Rücksicht auf die den Holbeamten zu gewähren den Wohnungsgeldzuschüsse. Machen sich hier weitere Erhöhungen aus Gcrechtigkeitsgründen notwendig, so ergibt sich die weitere Notwendig, keir, diese Erhöhungen durch Ersparnisse an anderen Posten dcr könig lichen Hofhaltung auszuglcicbcn. Bei der persönlichen Einfachheit und Schlichtheit des Königs und seiner Familie dürfte es übrigens auch den: Träger der Krone selbst nur peinlich erscheinen, wenn vom Lande die Erhöhung der Ausgaben für den Hof verlangt werden sollte. Schon aus diesem Grunde halten wir es für ausgeschlossen, daß zurzeit eine Voilage an die Stände gelangt, die von den Liberalen und der äußersten Linken sicher abgelchnt werden würde und die auch dann einen fatalen Eindruck im Lande machen müßte, wenn es gelingen tollte, sic mit Hilfe der Rechten dnrchzudrückcn. Gern wallen wir dem Könige geben, was des Königs ist. aber auch hier gilt das Sprichwort, daß jeder sich strecken muß nach seiner Decke. * Religion und Politik. Bei dem Empfang im königlichen Schlosse in Münster i. W. zeichnete der Kaiser, wie der Wests. Merk." berichtet, u. a. die Bischöic von Münster und Paderborn in seiner Unterhaltung besonders aus. Den Bischof von Münster fragte er nach der Größe und Seelcnzahl seiner Diözeie. AIS der Bischof in seiner Antwort auch die große Zunahme der politisch widerstrebenden Elemente in Westfalen be klagte, soll der Kaiser etwa erwidert baden: „Ta muß die Religion besten!" — Wir würden einen solchen Ausipruch für überaus bedenklich halten, denn nach ihm wäre die Religion ein Mittel im Dienst politischer Zwecke. Tas würde die Religion ihres wahren WeienS völlig ent kleiden Wo mau die Religion in den Dienst politischer, überhaupt „weltlicher" Zwecke gestellt hat, hat man ihr steig geschadet.
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