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Studien zu Hugo van der Goes

Simon, Anna

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Abstract

Im Zentrum der Arbeit steht der niederländische Maler Hugo van der Goes (um 1435–1482, tätig in Gent und Ouderghem), der u. a. durch den Bericht eines Zeitgenossen über seinen schweren Nervenzusammenbruch Berühmtheit erlangte. Diese für das späte Mittelalter bzw. die frühe Neuzeit sehr ungewöhnliche Quelle zur Persönlichkeit des Künstlers wird im Rahmen der Einleitung diskutiert, wobei zwei Aspekte besondere Berücksichtigung finden: Einerseits der Umstand, dass der Bericht im Kontext der Melancholia-Diskussion des frühen 16. Jahrhunderts entstand; andererseits das überraschend große Wissen des Autors auf dem Gebiet der Psychiatrie (beispielsweise war er sich bewusst, dass eine depressive Neigung angeboren sein kann). Der Text legt daher nahe, dass die psychische Krise des Malers in einen Persönlichkeitswandel überging, welcher sich teilweise wohl auch mit den bemerkenswerten stilistischen Veränderungen in seinem Werk in Verbindung bringen lässt. Im zweiten Kapitel wird eines von Hugos Hauptwerken, das sog. Wiener Diptychon, einer detaillierten inhaltlichen und formalen Analyse unterzogen. Seine Ikonografie wird dabei mit drei Texten in Verbindung gebracht: mit Lorenzo Vallas gegen Mitte des 15. Jahrhunderts verfasstem Dialog über die Freiheit des menschlichen Willens („De libero arbitrio“), der mit der Sündenfall-Thematik des Diptychons zusammenzuhängen scheint; und mit Mathias Emichs 1472 erschienener Bearbeitung der Genovefa-Legende – bei der Heiligen, die ursprünglich auf der Rückseite des Sündenfalls zu sehen war, dürfte es sich nicht um Geneviève, die Schutzheilige von Paris, sondern um die altdeutsche Sagenheldin handeln; Am interessantesten erscheint jedoch Hesekiels Prophezeiung des Untergangs der Stadt Tyrus (Hesekiel 26-28), da sich diese biblische Geschichte mit den historischen Ereignissen der 1470er Jahre in Bezug setzen lässt: Im ersten Teil wird Tyrus mit dem Garten Eden verglichen, der auf dem linken Flügel des Diptychons zu sehen ist, während im zweiten Teil der Tod des Herrschers von Tyrus und der Untergang seines Reiches beweint werden – dies könnte eine Erklärung dafür sein, dass auf dem rechten Flügel eine Beweinung dargestellt ist. Zudem wird Tyrus in der Bibelstelle mit einem prächtigen Schiff verglichen, der mitten auf dem Meer in zwei Teile bricht, worin man eine Parallele zum allmählichen Zerfall der burgundischen Niederlande ab 1477 sehen kann. Dieser ikonografische Kontext macht es wahrscheinlich, dass das Diptychon gegen Ende des Jahres 1477 von Erzherzog Maximilian I. von Habsburg und seiner Frau Maria von Burgund bestellt wurde. In der Ikonografie des Diptychons könnten somit die Machtansprüche des Hauses Habsburg-Burgund gegenüber Frankreich zum Ausdruck kommen. Tatsächlich wurde das Werk aufgrund seines Stils von vielen Forschen in die späten 1470er Jahre datiert. Diesen stilkritischen Befund bestätigen auch die im Anschluss an die ikonografische Analyse durchgeführten, systematischen Vergleiche mit anderen Arbeiten Hugos und mit Werken seiner Zeitgenossen. Das Thema des dritten Kapitels ist die „Werkgruppe Hugo van der Goes“. Abschnitt 3.1 beschäftigt sich mit dem künstlerischen Verhältnis zwischen Hugo van der Goes und dem sog. Meister der Houghton-Miniaturen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage, ob drei Miniaturen aus dieser Werkgruppe dem Tafelmaler zugeschrieben werden können: zwei Miniaturen im „Huth-Stundenbuch“ („Heimsuchung Mariä“ und „Disputatio der heiligen Barbara“ in der British Library, London) und ein Einzelblatt mit der Darstellung der „Verkündigung an die Hirten“ (Getty Museum, Los Angeles). Insbesondere die Farbigkeit, die Maltechnik, die Figurentypen, die dramatische Gestaltung der Szenen sowie nicht zuletzt ihre Raumauffassung machen die Autorschaft Hugos sehr wahrscheinlich. In Abschnitt 3.2 werden stilkritische Argumente für eine Ausgliederung des „Monforte-Altars“ aus der sog. Kerngruppe vorgebracht. Dieses Gemälde galt bisher als das einzige erhaltene Frühwerk des Malers, obwohl seine stilkritische Beurteilung vor der letzten Restaurierung eigentlich nicht möglich war. Insbesondere die wärmere Farbigkeit des Bildes und die Maltechnik sind untypisch für Hugo van der Goes. Darüber hinaus spricht u. a. auch die Ausdruckslosigkeit der Hände gegen die Urheberschaft Hugos. Nicht zuletzt wäre mit der Abschreibung ein wesentliches Problem gelöst, nämlich das der stilistischen Entwicklung: Sie verliefe dann relativ konsequent – die in die mittleren 1470er Jahre zu datierenden Werke zeigen den deutlichen Einfluss Rogier van der Weydens und Dirk Bouts' d. Ä., während sich der Maler um 1480 von der Tradition emanzipiert; ab zirka 1478 werden die Figuren immer monumentaler gestaltet, die Gewandbehandlung ist natürlich, zudem zeichnen sich die Spätwerke durch eine stärkere Lokalfarbigkeit und eine charakteristische „aquarellhafte“ Farbharmonie aus. Das letzte Unterkapitel befasst sich daher eingehender mit der stilistischen Entwicklung des Malers. Die Werke der „Kerngruppe“ werden in zwei Gruppen geordnet: Bei der früheren Werkgruppe (Portinari-Altar, Bonkil-Flügel) dürften große Teile der malerischen Ausführung auf Werkstattmitarbeiter zurückzuführen sein, während die Spätwerke (Hirtenanbetung, Marientod, Wiener Diptychon usw.) vermutlich fast alle ausschließlich vom Hauptmeister gemalt wurden. Im Rahmen dieses Kapitels wird also nicht nur eine „Händescheidung“ vorgenommen, sondern auch eine Feinchronologie erarbeitet, wobei die Analyse der Raumdarstellung besondere Berücksichtigung findet. Es zeigt sich, dass Hugo van der Goes den Raum mit Hilfe von imaginären Raumebenen gestaltet, die nicht nur (bild-)parallel verlaufen, sondern sich auch krümmen oder einander in verschiedenen Winkeln überschneiden können.

Document type: Dissertation
Date: 2015
Supervisor: Prof. Dr. Nils Büttner
Version: Primary publication
Date of thesis defense: 4 July 2014
Date Deposited: 18 Jun 2015 09:47
Faculties / Institutes: University, Fakulty, Institute > Stuttgart, Staatliche Akademie der Bildenden Künste
DDC-classification: Painting
Controlled Keywords: Goes, Hugo van der
Subject (classification): Artists, Architects
Painting
Countries/Regions: Benelux
Collection: Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart