Projektmanagement als Beruf? Zu Prozessen und Strategien der Profilierung einer neuen Organisationsfunktion

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-28835
http://hdl.handle.net/10900/47534
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2007
Originalveröffentlichung: http://www.lulu.de/content/870361
Sprache: Deutsch
Fakultät: 6 Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Fachbereich: Soziologie
Gutachter: Seyfarth, Constans (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2007-04-25
DDC-Klassifikation: 300 - Sozialwissenschaften, Soziologie, Anthropologie
Schlagworte: Projektmanagement , Soziologie , Berufssoziologie , Organisationssoziologie
Freie Schlagwörter:
project management , sociology , sociology of occupations and professions , sociology of organizations
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Die zunehmende Unsicherheit in vielen Arbeitsprozessen der modernen Wirtschaft hat dazu geführt, dass Arbeit immer häufiger in der Form von „Projekten“ organisiert wird. Im Zusammenhang damit gewinnt die Aufgabe des „Managements“ von Projekten an Bedeutung: Wie können kontingente projektförmige Arbeitsprozesse so geplant, kontrolliert und gesteuert werden, dass die vereinbarten Ziele, Termine und Kosten eingehalten werden? Mit dem Aufstieg und der Ausdifferenzierung des Projektmanagements als Dauerfunktion wird häufig die Erwartung verbunden, dass sich als Träger für die anspruchsvolle Methodik des Projektmanagements ein eigener Beruf entwickelt. Eine systematische Bearbeitung der Entwicklung des „Projektmanagement“ ist bisher weitgehend ausgeblieben. Diese Lücke schließt die vorliegende berufssoziologische Arbeit. Dazu wird eine mehrstufige Berufsanalytik entwickelt, die als Heuristik für die empirische Analyse dient. Sie geht (1) vom klassischen, ökonomisch akzentuierten Berufsbegriff Max Webers und den daran anschließenden Ablaufmodellen aus und verbindet sie – im Rückgriff auf die Professionstheorie – mit (2) machttheoretischen Ansätzen der Durchsetzung beruflicher Autonomie sowie mit (3) Modellen der Struktur beruflichen Handelns. Die empirische Untersuchungen gelten zunächst der Analyse der Entwicklung des wichtigsten Fach- und Berufsverbands, der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM). Sodann werden die Verberuflichungstendenzen und -strategien in zentralen Funktionsbereichen, v.a. der Softwareentwicklung, aber auch im Bauwesen, in der industriellen Forschung und zum Zweck eines Vergleichs kurz in weiteren Bereichen der modernen Gesellschaft nachgezeichnet. Das praktisch vollständige Fehlen sowohl einer historischen Aufarbeitung des Phänomens als auch systematischer berufssoziologischer Studien legt ein qualitativ und explorativ ausgerichtetes Forschungsdesign nahe. Trotz der Herausbildung eines in den unterschiedlichen Funktionsbereichen der Wirtschaft ähnlich gelagerten Strukturproblems, kann nicht von einer durchgängigen und somit auch nicht von einer einheitlichen Berufsentwicklung gesprochen werden. Die beobachteten Prozesse und Strategien in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen hängen vielmehr von den jeweils geltenden Problem-, Organisations- und Berufsstrukturen ab. In zwei der drei hier im Zentrum stehenden Funktionsbereichen, in der Softwareentwicklung und im Bauwesen, hat sich die Funktion des Projektmanagements zu einem Beruf im sozio-ökonomischen Sinne entwickelt – es haben sich relativ kontinuierliche Karrierechancen für Projektmanager herausgebildet. Die Institutionalisierung des Kompetenzerwerbs hinkt in je unterschiedlichem Ausmaß der ökonomischen Verwertbarkeit dieser zumeist „on the job“ oder in Form von Weiterbildungen erworbenen Kompetenzen im Projektmanagement hinterher. In der industriellen Forschung und ebenso auch in allen weiteren, hier nur kursorisch analysierten Funktionsbereichen der modernen Gesellschaft, ist eine Verberuflichung zumindest bisher weitgehend ausgeblieben. Auch im Hinblick auf die Frage der Kontrolle des Berufswerdungsprozesses zeigen sich in den einzelnen Funktionsbereichen divergente Entwicklungen: im Bauwesen lässt sich eine relativ ‚klassische’ Strategie der Autonomisierung im Sinne einer Professionalisierung beobachten. Der Prozess wird maßgeblich von den Berufstätigen selbst vorangetrieben und gesteuert. Die Etablierung eines eigenständigen Berufs des Projektmanagers geschieht dabei insbesondere in Auseinandersetzung mit dem Beruf des Architekten. Eine gesetzliche Regulierung des Tätigkeitsbereiches bleibt jedoch bis heute aus. Im Kontrast dazu wird der Prozess der Verberuflichung in der Softwareentwicklung gerade nicht primär von den Berufstätigen selbst, sondern wesentlich heteronom von den Unternehmen vorangetrieben. Dieser Fall ist im Hinblick auf eine Generalisierung besonders interessant, da der Beitrag von (Unternehmens-)Organisationen für Berufswerdungsprozesse in der stark auf Professionalisierungsprozesse fokussierten Berufssoziologie bisher stark unterbelichtet und undifferenziert bleibt. Betrachtet man die Strukturen des beruflichen Handelns in den einzelnen Funktionsbereichen, so lassen sich zunächst Ähnlichkeiten mit den Problem- und Handlungsstrukturen klassischer professioneller Berufe erkennen: das im Fall des Projektmanagement vorliegende Steuerungsproblem ist nicht technisierbar sind, sondern kann letztlich nur praktisch und von spezifisch geschulten Projektmanagern bewältigt werden. Gerade dies ist auch der tieferliegende Grund, warum Organisationen fast zwangsläufig auf eine Verberuflichung angewiesen sind – das Problem lässt sich in anderen (Organisations-)Formen nicht adäquat bearbeiten. Eine genauere Analyse zeigt jedoch auch, dass eine Professionalisierung im Sinne der soziologischen Strukturtheorie nicht vorliegt. Diese Zwischenlage der Struktur des beruflichen Handelns des Projektmanagers – und darin liegt eine zweite zentrale Anschlussmöglichkeit für generalisierende Überlegungen – legt eine Erweiterung des berufs- und professionssoziologischen Begriffsapparats nahe. Gerade auch vor dem Hintergrund ähnlicher Diagnosen in Studien zu anderen beruflichen Funktionen und professionellen Berufe wie etwa der Werbung oder der Unternehmensberatung ist für zukünftige Forschungsbeiträge zu prüfen, inwieweit es empirisch fruchtbar ist, von „schöpferischen Berufen“ zu sprechen. Davon ausgehend ergeben sich neue begrifflich-theoretische Perspektiven für die Berufs- und Professionsforschung.

Abstract:

Increasing uncertainty in many work processes of the modern economy gives rise to the organization of work in the form of projects. In this context, the task of “managing” projects gains in importance: How is it possible to plan and control contingent work processes in order to maintain agreed goals, deadlines, and costs? The advancement and the differentiation of project management as a permanent function gives rise to the expectation that a new and separate profession may develop. To the present day, there is no systematic research on the development of “project management” as a profession. The present study, located in the field of sociology of occupations and professions, closes this gap. Initially, as a heuristic for the empirical analysis, a multi-level theoretical approach is developed: (1) it starts with the classical, economically accented term of occupation of Max Weber and related process models. With recourse to theories of professionalization, this ideal typical model is connected with (2) the power approach and the question of achieving professional autonomy as well as with (3) approaches which focus on the structures of professional action. The empirical studies start with the analysis of the development of the most important professional association of project management in Germany, the Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement (GPM). Subsequently, tendencies and strategies of professionalization in main functional areas are reconstructed: the main focus lies on software development, construction engineering and industrial research, which are, for purposes of comparison, are complemented briefly with further areas of modern society. The almost complete lack of historical analyses of the phenomenon as well as systematic studies in the field of the sociology of occupations and professions suggests a qualitative and explorative research design. In spite of a similar structural problem in the different functional areas of the economy, there is no integrated or unitary occupational development. In fact, the observed processes and strategies in different economic areas are dependent on the particular problem, organizational and professional structures. In two of the three focused functional areas, software development and construction engineering, the function of project management has developed to an occupation in a socio-economic sense – career opportunities have been formed. However, the acquisition of competences in project management is much less institutionalized – they are mostly gained „on the job“ or in the form of short training programs – than their economic utilization. In the functional area of research and development, but also in all other functional areas of modern society, to the present day, project management has not even yet developed into an occupation in a basic Weberian sense. Concerning the question of control of the professionalization process, we can, again, observe divergent developments in the different functional areas: in construction engineering the central actors follow a “classical” strategy of autonomization in the sense of professionalization. The process is mainly pushed and controlled by the professionals themselves. In order to gain recognition as a separate profession in the system of professions, project management has to stand up to architecture. However, legal regulation of the claim of jurisdiction could not yet be enforced. By contrast, the professionalization process in software development is furthered less by the professionals themselves but rather heteronomical by corporations. Concerning generalization, this case is especially interesting, because the contribution of (corporate) organizations on processes of professionalization is still not yet sufficiently researched in the existing literature. Looking at the professional action structures in the different functional areas, in the first instance, there are similarities with the problem and action structures of classical professions: the problem of control which can be observed for project management cannot be fully technisized, but can only adequately dealt with practically and by specifically trained project managers. This is the reason why organizations are almost inevitably dependent on professionalization – the problem cannot be dealt with adequately using other (organizational) forms. However, a detailed analysis shows, that we cannot speak of a professionalization in the sense of the sociological structural model [strukturtheoretischer Ansatz]. This intermediate position of the action structure of the project manager – and this is a second central finding which can provide direction for further research – suggests an extension of the existing terms and concepts in the sociology of occupations and professions. Especially against the background of similar results of studies of other occupational functions and professions like advertising or consulting it should be considered in how far it might be empirically fruitful to speak of “creative occupations”. Therefrom, new conceptual and theoretical perspectives for the research on occupations and professions will result.

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