Mathematische Modelle zum Parasitenerwerb bei der Onchozerkose des Menschen

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-30175
http://hdl.handle.net/10900/49080
Dokumentart: Buch
Erscheinungsdatum: 2002
Originalveröffentlichung: Auch als gedruckte Dissertation an der Univ. Tübingen erschienen: US 102.136
Sprache: Deutsch
Fakultät: 7 Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Fachbereich: Sonstige - Biologie
DDC-Klassifikation: 570 - Biowissenschaften, Biologie
Schlagworte: Parasitologie , Onchozerkose , Epidemiologie , Mathematisches Modell , Statistik
Freie Schlagwörter: Mathematische Modellierung
Parasitology , Onchocerciasis , Epidemiology , Mathematical modeling , statistics
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Teil A1: Stochastic models for aggregation processes beschreibt stochastische Modelle, wie sie für das Gruppierungsverhalten des Parasiten formuliert werden müssen. Die Modelle bauen hierarchisch auf einem Parameter q auf, der die Wahrscheinlichkeit angibt, mit der ein Objekt (ein Parasit) eine neue Gruppe (ein Onchozerkom) bildet. Anhand eines Partitionsprozesses lässt sich über diesen Parameter eine binominalverteilte Gruppenanzahl pro Habitat (Anzahl der Knoten pro Mensch) vorhersagen. Es wird daraus eine neue Verteilung für die Zahl der Objekte pro Gruppe (Zahl der Parasiten pro Knoten) hergeleitet und gezeigt, dass sie gegen eine geometrische Verteilung konvergiert, wenn die Zahl der Objekte im Habitat gegen Unendlich strebt. Im Hinblick auf die Datenanpassung sind varianzerhöhende Annahmen erforderlich, so dass das Modell durch zwei Varianten erweitert wird. Einerseits lässt sich annehmen, dass die Bildungswahrscheinlichkeit q zwischen den Wirten gemäß einer Betaverteilung streut, andererseits könnte es auch möglich sein, dass q von der Gruppengröße abhängt. Trotz der Unterschiedlichkeit dieser Annahmen konvergieren beide Modelle zu einer Waring-Verteilung für die Zahl der Objekte pro Gruppe, wenn die Zahl der Objekte im Habitat gegen Unendlich strebt. Theoretisch ist also aufgrund einer zu fordernden, zusätzlichen Variabilität nicht entscheidbar, ob die Varianz durch eine gewichtete Gruppenattraktivität oder durch eine streuende Bildungswahrscheinlichkeit erklärt werden muss. Teil A2: A stochastic model for the aggregation of Onchocerca volvulus in nodules ist die Anwendung des in A1 beschriebenen Modells auf den Knotenbildungsprozess von O. volvulus. Die aus den Daten geschätzte mittlere Bildungswahrscheinlichkeit von µq=0.4 lässt darauf schließen, dass eine weibliche Larve 4 (L4) während ihrer etwa einjährigen Entwicklung zum adulten Parasiten eher dazu tendiert, in ein bereits bestehendes Onchozerkom einzuwandern als ein neues Onchozerkom zu bilden. Die biologische Begründung hierfür ist unklar und wirft die Frage auf, ob der weibliche Parasit durch die Tendenz zur Aggregation einen Vorteil erlangt. Das Modell wird basierend auf einer heterogenen Bildungswahrscheinlichkeit angepasst und es ist nicht entscheidbar, ob die alternative Erklärung, gegeben durch eine mit der Knotengröße zunehmende Attraktivität gegenüber einer L4 (s.o.), nicht auch zutreffen kann. Ungeachtet dieses verbleibenden Erklärungsbedarfs sind damit die Verteilungen für die Zahl der Knoten pro Wirt und für die Zahl adulter weiblicher Parasiten pro Knoten charakterisiert und können in der unter B2 dargestellten simulationsbasierten Schätzung des Parasitenerwerbs implementiert werden. Wichtige Anwendungen findet das für den Knotenbildungsprozess von O. volvulus entwickelte Modell in der Diagnostik und der retrospektiven Auswertung von Palpationsdaten, da nun von der Zahl palpierter Knoten auf die zu erwartenden Verteilungen der Parasitenlasten geschlossen werden kann. Diese Möglichkeit zur Extrapolation wird ein wichtiges Werkzeug für die Auswertung weiterer Palpationsdatensätze werden, deren Informationsgehalt bislang, trotz oft großer Stichprobenumfänge, nur selten ausgeschöpft wird. Teil B1: The interpretation of age-intensity profiles and dispersion patterns in parasitological surveys ist eine Übersicht zu Regulationsmechanismen und deren Einfluss auf die Verteilungen von Parasitenlasten, wie man sie aus Querschnittsuntersuchungen erhält. Im Einzelnen handelt es sich um die Darstellung der Prozesse i) altersabhängige Exposition, ii) parasiten-induzierte Wirtsmortalität, iii) Heterogenität in der Wirtspopulation, iv) "geklumpte" Infektion, v) dichteabhängige Parasitensterblichkeit und vi) dichteabhängiger Parasitenerwerb, wie er in B2 modelliert wird. Die Arbeit liefert einen Beitrag zu den in den letzten Jahren aufgekommenen Bestrebungen, von aus Querschnittsdaten erhaltenen Streuungsmustern in den Parasitenlasten auf zugrunde liegende Regulationsmechanismen schließen zu wollen. Die für die einzelnen Mechanismen charakteristischen Querschnittsprofile werden gezeigt, gleichwohl wird darauf hingewiesen, dass die Mehrdeutigkeit in der Interpretierbarkeit dieser Profile stark zunimmt, wenn unterschiedliche Mechanismen zusammenwirken. Zur Überprüfbarkeit entsprechender Hypothesen wird ein Computerprogramm bereitgestellt, das Querschnittsprofile für eine beliebige Kombination von Prozessen bei frei zu wählenden Parameterwerten und Stichprobengrößen simulieren kann. Wichtige Erkenntnisse dieser Arbeit betreffen den Mechanismus der parasiten-induzierten Wirtsmortalität. Es wird gezeigt, dass diese, entgegen der Behauptung mancher Feldstudien, praktisch nicht in Querschnittsdaten entdeckt werden kann, es sei denn, es liegt eine ausgeprägte Heterogenität in der Wirtspopulation vor. Die vergleichende Darstellung aller sechs Prozesse zusammen mit dem Computerprogramm sollen den praktisch arbeitenden Parasitologen darin unterstützen, a priori Wissen und Hypothesen an vorliegenden Daten messen zu können. Die Arbeit zeigt ferner auf, dass für die Erklärung der im nachfolgenden Manuskript gezeigten Daten keiner der fünf bislang bekannten Mechanismen geeignet ist. Die Tendenz der mittleren Parasitenlast ließe sich nur erklären, wenn eine unrealistische Form der altersabhängigen Exposition angenommen wird. Der alternativ in dieser Arbeit erstmals vorgestellte Prozess des dichteabhängigen Parasitenerwerbs mit positiver Rückkoppelung erklärt darüber hinaus die vorliegenden Streuungsmuster optimal, vor allem das Auftreten sehr geringer Parasitenlasten in älteren Patienten. Teil B2: Density-dependent parasite establishment suggests infection-associated immunosuppression as an important mechanism for parasite density regulation in onchocerciasis inkorporiert die Ergebnisse der zuvor verfassten Arbeiten und beschreibt die biologisch wichtigste Erkenntnis der Dissertation. Die hier geschilderten Ergebnisse werden durch eine Methodik erhalten, die bislang nur in ihrer theoretischen Machbarkeit vorgestellt wurde. Hierbei handelt es sich um die simulationsbasierte Maximum-Likelihood Schätzung, die eine äußerst flexible Modellanpassung ermöglicht. Diese wird darüber hinaus optimiert, indem nicht nur die theoretische Entstehung der Querschnittsdaten sondern auch die Eigenheiten und Verzerrungen des Studiendesigns simuliert werden. Die entsprechende Vorgehensweise ist im Appendix zu B2 erklärt. Die altersabhängigen Verteilungen der Parasitenlasten, wie sie in den Nodulektomie-Kampagnen in Burkina Faso und Liberia gefunden wurden, verlangen die Annahme eines mit dem Alter zunehmenden Parasitenerwerbs. Üblicherweise wird dies durch eine mit dem Alter zunehmende Exposition erklärt (s. B1). Eine unter dieser Hypothese zuerst durchgeführte Schätzung anhand der Daten ergab jedoch, dass die Exposition linear mit dem Alter zunehmen müsse ein Ergebnis, das der Beobachtung widerspricht. Die Lösung dieses Problems besteht in der Annahme, dass die Zahl der pro Zeit erworbenen Parasiten nicht mit dem Alter, sondern mit der Parasitenlast selbst, zunimmt. Dies stellt einen autokatalytischen Prozess dar, der aufgrund seiner positiven Rückkopplung in biologischer Hinsicht nicht nahe liegend ist, vor allem nicht, weil im klassischen Ansatz eher mit zunehmender Resistenz als mit zunehmender Suszeptibilität gegenüber dem Erreger gerechnet wird. Im Fall der Onchozerkose jedoch ist die biologische Ursache für einen solchen autokatalytischen Prozess durch experimentelle Arbeiten bekannt, die eine infolge der Parasitenbelastung abnehmende Resistenz des Wirtes gefunden haben. Ein derartig dichteabhängiger Parasitenerwerb kann hinsichtlich seines Einflusses bei bestehenden Interventionskampagnen in endemischen Ländern Afrikas von den bisherigen Modellen oder Simulationsprogrammen zur Übertragung und Bekämpfung von Onchozerkose nicht evaluiert werden. Es ist jedoch anzunehmen, dass dieser Mechanismus die Bekämpfung des Parasiten erleichtert, weil die interventionsbedingte Steigerung der Immunkompetenz in der Bevölkerung unterstützend wirkt. Zukünftige Modelle sollten hier untersuchen, ob der Einfluss des dichteabhängigen Parasitenerwerbs wieder Anlass zur Hoffnung gibt, dass Onchozerkose eine eliminierbare und nicht nur kontrollierbare Erkrankung ist.

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