Interessenorientierte Jugendarbeit - Orientierung an den Interessen Jugendlicher: Zwischen theoretischem und normativem Anspruch und der Wirklichkeit im sozialpädagogischen Alltag. Am Praxisbeispiel der kommunalen Jugendförderung Ludwigsburg

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-54323
http://hdl.handle.net/10900/47823
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2010
Sprache: Deutsch
Fakultät: 6 Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Fachbereich: Erziehungswissenschaft
Gutachter: Thiersch, Hans (Prof. Dr. Dr. h.c. em.)
Tag der mündl. Prüfung: 2010-12-17
DDC-Klassifikation: 300 - Sozialwissenschaften, Soziologie, Anthropologie
Schlagworte: Offene Jugendarbeit , Lebenswelt , Sozialraum , Partizipation , Ludwigsburg
Freie Schlagwörter: Interessenorientierung , Lebensweltorientierung , Vernetzung , Jugendarbeitstheorie
Youthwork , Participation , Socio-spatial , Life-word-orientation , Interest-oriented
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Der Titel "Interessenorientierte Jugendarbeit" könnte ähnlich dem "weißen Schimmel" als Tautologie enttarnt werden, da sich die Frage aufdrängt, ob Jugendarbeit nicht per se aufgrund ihres zentralen Inhaltes, nämlich der Jugend, immer auch eine an den Interessen Jugendlicher orientierte sozialpädagogische Tätigkeit ist. Obwohl dieser Anspruch selbstverständlich zu sein scheint, bleibt die Frage nach seiner Konkretisierung in der Theorie und Praxis der Jugendarbeit weitgehend offen. Der erste Teil ist als eine theoretische Annäherung an die Frage der Orientierung an den Interessen Jugendlicher in der Jugendarbeit zu lesen, in welchem die Interessen genauer bestimmt werden und deren Verhältnis zu den Bedürfnissen sowie den gesellschaftlichen und entwicklungspsychologischen Kontexten geklärt wird: Interessen werden verstanden als die Befriedigung der von Erich Fromm formulierten Grundbedürfnisse nach Geborgenheit, Kreativität, Identität und Orientierung sowie im Querschnitt des Bedürfnisses nach Anerkennung. Sie konkretisieren sich in den Entwicklungsaufgaben der Neugestaltung sozialer Beziehungen, des Frau- bzw. Mannwerdens, der Entwicklung von Perspektiven sowie des sich (in der Welt) Zurechtfindens vor dem Hintergrund der individualisierten und pluralisierten gesellschaftlichen Verhältnisse. Diese Interessen scheinen auf den ersten Blick unspektakulär: Gleichaltrigengeselligkeit, Räume, Jugendkultur und Partizipation. Sie erweisen sich jedoch bei genauer Betrachtung als vielfältig ineinander verwoben, sind zentral im Jugendalter und damit zentraler Inhalt der Jugendarbeit. In Folge wird der Anspruch der Interessenorientierung in der Theoriegeschichte der Jugendarbeit seit 1960 genauer beleuchtet: Die 1964 unter der Frage "Was ist Jugendarbeit?" veröffentlichten Theorieversuche von C. W. Müller, Kentler, Mollenhauer und Giesecke sind insofern ergiebig, als "Geselligkeit" als unverzichtbarer Rahmen von Jugendarbeit und "Spaß" als wesentliche Kategorie beschrieben werden. Die in den 1970er Jahren entworfenen emanzipatorischen, antikapitalistischen und bedürfnisorientierten Theorieansätze der Jugendarbeit scheinen dagegen offen oder verdeckt wieder politischen Interessen verhaftet zu bleiben. Im Zuge der weiteren Institutionalisierung, Ausdifferenzierung und Professionalisierung der Jugendarbeit findet seit den 1980er Jahren mit den sozialräumlichen, subjektorientierten und lebensweltlichen Theorieansätzen sozusagen eine Entideologisierung der Jugendarbeit statt, im Zuge derer die Interessen der Mädchen und Jungen wieder ins Zentrum der Jugendarbeit rücken. Nach dieser "Spurensuche" wird das Konzept einer interessenorientierten Jugendarbeit vor dem Hintergrund der Lebensweltorientierung skizziert, da das Konzept der Lebensweltorientierung die subjekt- und sozialräumlichen Dimensionen umfassend integriert und sich in seinen Strukturmaximen die Interessen von Mädchen und Jungen am deutlichsten wieder finden. Die zentralen Konzeptbausteine einer interessenorientierten Jugendarbeit lassen sich wie folgt zusammenfassen: die Gesamtjugend als Zielgruppe, die Interessen Jugendlicher als zentraler Inhalt, Partizipation und jugendpolitische Einmischung als umfassendes Arbeitsprinzip sowie die Kooperation und Vernetzung für jugendfreundliche Gemeinwesen als übergeordnetes Ziel. Diese Konzeptbausteine werden am Praxisbeispiel der Jugendförderung in Ludwigsburg genauer im Spannungsverhältnis von Anspruch und Wirklichkeit im Alltag untersucht. Hierzu wird im zweiten Teil nach einem kurzen Portrait der Stadt sowie seiner erwachsenen und jugendlichen BewohnerInnen ausführlich auf die Konzeptentwicklung in den 1990er Jahren eingegangen, da diese zum weiteren Verständnis der heutigen Praxis wesentlich erscheint. Im Weiteren wird die strukturelle Praxis mit ihren Einrichtungen und Ressourcen sowie die Verortung in den kommunalen Verwaltungsstrukturen skizziert. Im dritten Teil richtet sich der Fokus auf die Praxis vor Ort entlang den Erzählungen der Fachkräfte zu den Konkretisierungen der Konzeptbausteine einer interessenorientierten Jugendarbeit in den Ritzen des Alltags. Nach der Beschreibung des Forschungsdesigns kommen einleitend zwei ehemalige Jugendliche in der Ludwigsburger Jugendförderung zu Wort: Sie geben sozusagen im Längsschnitt ihrer erinnerten Erfahrungen Einblicke in die vielfältige Praxis und deren individuelle Bedeutungen und Wirkungen. Im Weiteren illustrieren die Fachkräfte im "Querschnitt" ausführlich die Facetten einer interessenorientierten Jugendarbeit in ihren unterschiedlichen Ausgestaltungen samt den darin verborgenen "Stolpersteinen". Im abschließenden vierten Teil wird der zusammenfassende Bogen von der Begründung einer interessenorientierten Jugendarbeit über deren zentrale Konzeptbausteine hin zu den Konkretisierungen am Beispiel der Ludwigsburger Praxis gespannt. Am Schluss der Arbeit stehen zwei Anmerkungen zur Professionalität einer interessenorientierten Jugendarbeit.

Abstract:

Just as the term "new innovation", the title "Interest-oriented Youth Work" could be regarded as a tautology, since the question has to be raised whether youth work is not, per se, due to its central stakeholder, i.e. the youth, a socio-educational activity always oriented towards the interests of the youth. Although this prerequisite seems to be self-evident, the question on how exactly this is implemented in theory and practice in youth work remains largely unanswered. The first part is to be understood as a theoretical approach to the question on whether youth work is oriented on the interests of the youth, where the interests are more precisely defined and their relation to the needs as well as the societal and developmental/psychological contexts is explained: Interests are understood as the satisfaction of basic needs, as defined by Erich Fromm, such as comfort, creativity, identity and orientation as well as, in the cross-section, the need for appreciation. They become more specific in the development tasks of the new definition of social relationships, the becoming a woman or a man, the development of perspectives as well as the getting along (in the world) against the background of individualized and pluralized social conditions. At first glance, these interests seem to be unspectacular: peer society, space, youth culture and participation. However, when looking at them more closely, they are interwoven in many ways, are a central aspect of adolescence and, therefore, a central part of youth work. In the following, the prerequisite of the orientation on the youth’s interest is more closely considered in the framework of the theoretical history of youth work since the 60s. The theory approach published in 1964 under the question "What is youth work?" by C.W. Müller, Kentler, Mollenhauer and Giesecke is insofar an extensive resource as "sociability" is described as an essential framework of youth work and "fun" as an essential prerequisite. In contrast, the emancipatory, anti-capitalist and demand-oriented theory approaches developed in the 70s seem to – either open or hidden – stick to political interests. In the course of a further institutionalization, differentiation and professionalization of youth work, a de-idealization of youth work has taken place since the 80s with socio-spatial, subject-oriented and life-world-oriented theory approaches, which brings the interests of the girls and boys again into the center of youth work. After this "trace-finding approach", the concept of an interest-oriented youth work is outlined against the background of life-world orientation, since the concept of life-world orientation comprehensively involves the subject-oriented and socio-spatial dimensions and since the interests of girls and boys can most notably be found in its structure maxims. The central concept components of an interest-oriented youth work can be summarized as follows: The total youth population as the target group, the youth’s interests as the central issue, participation and involvement of the youth in politics as the comprehensive operating principle as well as cooperation and networking for a youth-friendly community as the principal objective. These concept components are examined in more detail on the practical example of youth promotion in Ludwigsburg with respect to the conflict between demand and reality in everyday life. In the second part, after a short presentation of the city as well as its adult and youth population, the concept development in the 90s is more closely considered, since this seems to be relevant for the further understanding of the current practice. Furthermore, the structural practice with its facilities and resources as well as its setting in the local administrative structures are outlined. The third part focuses on the practice in real life based on what experts report on the implementation of the concept components of an interest-oriented youth work in everyday life. Following a description of the research concept, the introduction is made by two former teenage beneficiaries of the Ludwigsburg youth promotion program. They give their longitudinal recollection and insight into the diverse practice and the individual meanings and effects. Furthermore, the experts illustrate a detailed cross-section of the facets of an interest-oriented youth work in its diverse definitions along with any hidden "stumbling blocks." In the concluding forth part a summary starting from the justification of an interest-oriented youth work over the central concept components to the implementation in practical youth promotion in Ludwigsburg is presented. At the end of the thesis, two annotations on the professionalism of an interest-oriented youth work are indicated.

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