RHETORISCHER SPAGAT – (Selbst-) Inszenierungen englischer Autorinnen in der frühen Neuzeit

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-58219
http://hdl.handle.net/10900/46915
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2011
Sprache: Deutsch
Fakultät: 5 Philosophische Fakultät
Fachbereich: Anglistik, Amerikanistik
Gutachter: Hotz-Davies, Ingrid (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2011-01-14
DDC-Klassifikation: 820 - Englische Literatur
Schlagworte: Autorschaft , Bourdieu, Pierre , Greenblatt, Stephen , Weiblichkeit
Freie Schlagwörter:
Authorship , Bourdieu , Greenblatt , Femininity
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Die frühe Neuzeit ist eine Zeit des (Self-) Fashioning. Huldigungstexte, die einerseits fiktionalen Charakter haben, sich auf der anderen Seite mit realen sozialen Abhängigkeitsverhältnissen und Restriktionen berühren, bilden verschiedene Arten von Grenzen ab: Sie zeigen Grenzen zwischen Fiktionalität und sozialen Gegebenheiten, sie markieren die Schwelle vom Autor zum Buch. Im Fall frühneuzeitlicher Texte, die weibliche Autorschaft bewerben, werden die Grenzen und Schlupflöcher der diskursiven Felder ausgelotet, an denen Frauen ihren Eintritt in den Diskurs argumentativ begründen bzw. dem Stigma ihres Frauseins entgegnen können. Da soziales Handeln auch das Produkt eines Profit- und Interessenstrebens ist, gilt es auch für frühneuzeitliche Autorinnen, bestimmte Arten von Kapital für sich in Anspruch zu nehmen. Da ihnen jedoch im Regelfall der Zugang zu bestimmten Kapitalarten wie zu ökonomischem Kapital und inkorporiertem Kulturkapital patriarchalgesellschaftlich verweigert wird, gilt es, sich zur Legitimation der Autorschaft bzw. zur Positionierung im sozialen Feld der Kulturproduktion, den Eintritt in die ihnen verwehrte Sphäre auf besonders originelle Weise zu verteidigen oder sich Zugang zu anderen Kapitalarten zu verschaffen. Eine Möglichkeit, das Schreiben trotz aller Barrieren zu verteidigen, besteht darin, dieselben Restriktionen positiv zu affirmieren, die die Person eigentlich an jeglicher öffentlicher Äußerung hindern sollten. Diese Option nutzen die Autorinnen der mütterlichen Ratgeberbücher, der Mother‘s Advice Books. Eine Kapitalart, deren Aneignung sich als äußerst produktiv und kaum antastbar erweist, ergänzt Bourdieus Kapitalarten für die frühe Neuzeit: das religiöse Kapital. Mit Frömmigkeit und Gottesnähe und dem Auftrag, in Gottes Namen zu sprechen, lässt sich Autorschaft besonders im Feld der religiösen Traktate verteidigen. Es gibt auch die Möglichkeit, das Stigma von Weiblichkeit und Autorschaft, an der eigenen Wurzel anzupacken und nach dem Grund und der Berechtigung der Restriktionen und der damit einhergehenden Stigmatisierung zu fragen. Diese Strategie wird in der Regel von den Autorinnen protofeministischer Polemiken verfolgt. Die ›Verbrecherinnen‹ erschüttern mit ihren Lebensweisen die Grenzen des Diskurses nicht nur an einer Stelle, sondern an mehreren gleichzeitig und stellen damit gesellschaftliche Normen und die soziale Stratifikation an sich infrage. Im Bereich der Dichtung wird rhetorisch geschicktes Lavieren und die Zurschaustellung von wit grundsätzlich gefordert. An diesen Stellen vexieren das Bild der Autorin und des zu bewerbenden Werks am meisten. Literarische Entwürfe eines Ichs (oder Dus) machen die Huldigungstexte noch mehr zu einer Kunst, die die Möglichkeit bietet, der Sphäre der sozialen Realität mit all ihren Normen und Restriktionen für kurze Momente enthoben sein zu können. Die Texte stellen einen doppelten Anspruch an die schreibenden Frauen, Eigenwerbung zu betreiben und ihre Unterwürfigkeit zu demonstrieren. Gemeinsam ist den Paratexten in dieser heterogenen Zusammenstellung die paradoxe (Selbst-) Inszenierung der Schriftstellerinnen zwischen einem Macht- und Selbstbehauptungsanspruch einerseits und der auch rhetorisch umspielten Machtlosigkeit im Feld der früh-neuzeitlichen Literaturproduktion andererseits. Egal in welchem diskursiven Feld sich die Autorinnen bewegen: Um sich zu äußern, ist es notwendig, findig und einfallsreich zu sein und soziale Barrieren durch geschickte Argumentation zu transgredieren, auszuhebeln oder darunter hindurch zu schlüpfen. Huldigungstexte bilden den idealen Schauplatz für die Verteidigung weiblicher Autorschaft. In ihnen leisten die Autorinnen den rhetorischen Spagat, gleichzeitig ihre Autorschaft und ihr Frausein zu behaupten.

Abstract:

The early modern period is a period of (Self-) fashioning. Texts of adoration are works of fiction - at the same time, their purpose is to represent ›real‹ social restrictions and relations of dependence. Thereby early modern texts of adoration highlight different borders: They show the border between fiction and social realities; they mark the threshold between an author and her book. Early modern texts aiming to promote female authorship test the limits and loopholes of the discursive fields, at which women have to justify their engaging in the discourse and counter their stigma of being a woman writer. As social action is always also the result of profit seeking and pursuing one’s own interests, early modern women writers also needed to avail themselves of certain forms of capital. By patriarchal power structures they were usually being denied the access to certain forms of capital such as economic capital and embodied cultural capital. Therefore they had to legitimize their authorship in a particularly original way and/or obtain access to other forms of capital. Early modern women writers made use of the following strategies: With the help of powerful and influential advocates, who are equipped with symbolic and social capital, the stigma of being a woman writer may be invalidated. One possibility to defend one’s writing in spite of all social barriers is to affirm – in writing – the same restrictions which should prevent the women from writing publicly. The authors of the Mother‘s Advice Books make use of this option. A form of capital whose appropriation proves to be highly productive, supplements Bourdieu’s forms of capital in the theoretical framework: the religious capital. Piety, the proximity to God, and being able to speak in the Lord’s name help to defend authorship particularly in the field of religious discourse. Another possibility is to tackle the root of the problem and to ask for the reasons and the legitimisation of the stigma attached to women authors. This strategy is effectively pursued by the authors of proto-feminist polemics. The ›rogues‹ and their ways of life stir up the limits of the discourse at several points simultaneously. Thereby they help to question social norms and stratifications. The field of poetry is used as a playground for rhetorical manoeuvring and the display of wit. Here the texts offer different and diverse images of the authors and their respective book. Here the texts of adoration offer possibilities to be temporarily exempt from the norms and restrictions the women authors are usually subject to. Early modern texts of adoration demand two things from their authoresses: to advertise themselves and at the same time to show themselves submissively. All of the paratexts in this diverse compilation have this aspect in common: the paradoxical (Self-) fashioning of the women authors between gestures of self-assertion on the one hand and the demonstration of their powerlessness in the field of early modern literature production on the other hand. Independent of the discursive field in which the early modern authoresses want to express themselves: in order to speak at all, they have to be resourceful and imaginative and they have to transgress, invalidate or slip through social barriers by clever lines of argument. Texts of adoration are ideal for defending female authorship. Within these texts, the authors balance between claiming their authorship and their womanhood at the same time.

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