Abbruchgründe und Risikofaktoren für Therapieabbrüche nach § 64 Strafgesetzbuch (StGB)
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Zusammenfassung
Seit Jahren wächst die Zahl der Untergebrachten nach § 64 StGB in deutschen Entziehungsanstalten aufgrund steigender Zuweisungszahlen stetig an. Ungeachtet der gesetzlich eingeforderten positiven Behandlungsprognose bleibt dabei der Anteil an Patienten, deren Therapie wegen Aussichtslosigkeit vorzeitig beendet wird, unverändert hoch. Durch intensive aber isolierte Suche nach zuverlässigen patientenbezogenen Erfolgsprädiktoren wurde bislang versucht, diesem Problem zu begegnen. Die Ergebnisse dieses Forschungsansatzes blieben hinter den Erwartungen zurück.
Die vorliegende kumulative Dissertation, die vier empirische Einzelarbeiten umfasst, beschäftigt sich letztendlich auch mit der Frage nach einer besseren Prognostizierbarkeit des Erfolgs einer Behandlung nach § 64 StGB, zielt aber vor allem auf eine Verschiebung des bisherigen Fokus: Durch systematische Untersuchungen von Gründen für Therapieabbrüche und durch eine Ausweitung des untersuchten Feldes möglicher Erfolgsprädiktoren soll ein besseres Verständnis dafür geschaffen werden, wie es zu Therapieabbrüchen nach § 64 StGB kommt, was diesen vorausgeht und anhand welcher Kriterien diese gegebenenfalls besser vorhergesagt werden können.
Im Einzelnen wurden folgende vier Arbeiten integriert: In der Artikel A zugrunde liegenden Arbeit schätzten Therapeuten auf Grundlage ihrer klinischen Erfahrung Prädiktoren der Behandelbarkeit nach § 64 StGB, die aus der Prognoseforschung bekannt sind, auf ihre Prognosetauglichkeit ein. Dabei zeigte sich eine deutliche Heterogenität der Einschätzungen, auch wenn sich einige gesicherte empirische Befunde in den Antworten widerspiegelten. Aus der klinischen Erfahrung der Therapeuten wurden darüber hinaus nur wenige weitere Erfolgsprädiktoren genannt.
In der Studie, die in Artikel B berichtet wird, wurden Therapeuten zu ihren subjektiven Konzepten über Patienten mit Therapieabbruch befragt und es wurde untersucht, welche Gründe zur Erledigung der Unterbringung bei eigenen Patienten führten. Eine Bewertung der Relevanz und Häufigkeit der genannten Abbruchgründe wurde erfragt. Dabei zeigte sich eine große Bandbreite an Abbruchgründen und vielfältige Konzepte der Therapeuten zu „typischen“ Abbruchpatienten. Auf die Frage ob und gegebenenfalls inwiefern die Therapeuten von der Effektivität der Behandlung überzeugt waren, zeigte sich eine relativ positive Einschätzung der Therapieeffekte auch in Bezug auf Patienten mit späterem Therapieabbruch.
Artikel C beschreibt eine Studie, in der anhand einer Analyse von Stellungnahmen an die vollzugsüberwachende Behörde, in denen ein Therapieabbruch angeregt wurde, Abbruchgründe inhaltsanalytisch ermittelt und inferenzstatistisch bzw. clusteranalytisch ausgewertet wurden. Vermutet wurden Unterschiede in den Begründungsmustern in Abhängigkeit von Deliktstruktur und Hauptdiagnose, was jedoch nur teilweise belegt werden konnte. Dagegen ergab die Clusteranalyse nach den Abbruchbegründungen drei ziemlich klar abgrenzbare Patientengruppen, die sich in anderen Merkmalen nicht konstruktionsbedingt ebenfalls unterschieden.
In jener Studie, die Artikel D zugrunde liegt, wurden anhand biografischer, klinischer und juristischer Eckdaten von 777 Patienten, die nach § 64 StGB untergebracht und mit Bewährungsentlassung oder Therapieabbruch entlassen wurden, die Prädiktionskraft von patientenbezogenen, Setting- und Verlaufsvariablen untersucht und ein integratives Regressionsmodell erstellt. Die Ergebnisse zeigten, dass Settingvariablen, wie die behandelnde Klinik, das einweisende Gericht und die überwachende Behörde Zusammenhänge mit der Entlassart aufweisen. Das unter Einbeziehung dieser Settingvariablen resultierende Prognosemodell wies bessere Werte auf als ein rein patientenbezogenes.
Aus den Ergebnissen der Einzelstudien wird geschlussfolgert, dass der Behandlungserfolg einer Unterbringung nach § 64 StGB auf komplexe Art und Weise multifaktoriell bedingt ist, dass einem Therapieabbruch individuell unterschiedliche Behandlungsdynamiken vorausgehen, dass es aber dennoch so etwas wie „typische“ Risikopatienten zu geben scheint, dass sich zudem gewisse Patienteneigenschaften auf die Wahrscheinlichkeit des Auftretens „typischer“ Behandlungsdynamiken auszuwirken scheinen und schließlich, dass die juristische Entlassart als alleiniges Therapieerfolgskriterium das tatsächliche Outcome einer Therapie nach § 64 StGB nur ungenügend erfasst.
Auf Grundlage dieser Befunde werden praktische Hinweise an Forschung, Behandler, Gutachter und Justiz formuliert. Abschließend wird als Ausblick auf weitere mögliche Studien ein hypothetisches Bedingungsmodell der Zusammenhänge zwischen Therapieerfolg und Risikofaktoren erstellt.
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ISO 690
QUERENGÄSSER, Jan, 2014. Abbruchgründe und Risikofaktoren für Therapieabbrüche nach § 64 Strafgesetzbuch (StGB) [Dissertation]. Konstanz: University of KonstanzBibTex
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Ungeachtet der gesetzlich eingeforderten positiven Behandlungsprognose bleibt dabei der Anteil an Patienten, deren Therapie wegen Aussichtslosigkeit vorzeitig beendet wird, unverändert hoch. Durch intensive aber isolierte Suche nach zuverlässigen patientenbezogenen Erfolgsprädiktoren wurde bislang versucht, diesem Problem zu begegnen. Die Ergebnisse dieses Forschungsansatzes blieben hinter den Erwartungen zurück.<br />Die vorliegende kumulative Dissertation, die vier empirische Einzelarbeiten umfasst, beschäftigt sich letztendlich auch mit der Frage nach einer besseren Prognostizierbarkeit des Erfolgs einer Behandlung nach § 64 StGB, zielt aber vor allem auf eine Verschiebung des bisherigen Fokus: Durch systematische Untersuchungen von Gründen für Therapieabbrüche und durch eine Ausweitung des untersuchten Feldes möglicher Erfolgsprädiktoren soll ein besseres Verständnis dafür geschaffen werden, wie es zu Therapieabbrüchen nach § 64 StGB kommt, was diesen vorausgeht und anhand welcher Kriterien diese gegebenenfalls besser vorhergesagt werden können.<br />Im Einzelnen wurden folgende vier Arbeiten integriert: In der Artikel A zugrunde liegenden Arbeit schätzten Therapeuten auf Grundlage ihrer klinischen Erfahrung Prädiktoren der Behandelbarkeit nach § 64 StGB, die aus der Prognoseforschung bekannt sind, auf ihre Prognosetauglichkeit ein. Dabei zeigte sich eine deutliche Heterogenität der Einschätzungen, auch wenn sich einige gesicherte empirische Befunde in den Antworten widerspiegelten. Aus der klinischen Erfahrung der Therapeuten wurden darüber hinaus nur wenige weitere Erfolgsprädiktoren genannt.<br />In der Studie, die in Artikel B berichtet wird, wurden Therapeuten zu ihren subjektiven Konzepten über Patienten mit Therapieabbruch befragt und es wurde untersucht, welche Gründe zur Erledigung der Unterbringung bei eigenen Patienten führten. Eine Bewertung der Relevanz und Häufigkeit der genannten Abbruchgründe wurde erfragt. Dabei zeigte sich eine große Bandbreite an Abbruchgründen und vielfältige Konzepte der Therapeuten zu „typischen“ Abbruchpatienten. Auf die Frage ob und gegebenenfalls inwiefern die Therapeuten von der Effektivität der Behandlung überzeugt waren, zeigte sich eine relativ positive Einschätzung der Therapieeffekte auch in Bezug auf Patienten mit späterem Therapieabbruch.<br />Artikel C beschreibt eine Studie, in der anhand einer Analyse von Stellungnahmen an die vollzugsüberwachende Behörde, in denen ein Therapieabbruch angeregt wurde, Abbruchgründe inhaltsanalytisch ermittelt und inferenzstatistisch bzw. clusteranalytisch ausgewertet wurden. Vermutet wurden Unterschiede in den Begründungsmustern in Abhängigkeit von Deliktstruktur und Hauptdiagnose, was jedoch nur teilweise belegt werden konnte. Dagegen ergab die Clusteranalyse nach den Abbruchbegründungen drei ziemlich klar abgrenzbare Patientengruppen, die sich in anderen Merkmalen nicht konstruktionsbedingt ebenfalls unterschieden.<br />In jener Studie, die Artikel D zugrunde liegt, wurden anhand biografischer, klinischer und juristischer Eckdaten von 777 Patienten, die nach § 64 StGB untergebracht und mit Bewährungsentlassung oder Therapieabbruch entlassen wurden, die Prädiktionskraft von patientenbezogenen, Setting- und Verlaufsvariablen untersucht und ein integratives Regressionsmodell erstellt. Die Ergebnisse zeigten, dass Settingvariablen, wie die behandelnde Klinik, das einweisende Gericht und die überwachende Behörde Zusammenhänge mit der Entlassart aufweisen. Das unter Einbeziehung dieser Settingvariablen resultierende Prognosemodell wies bessere Werte auf als ein rein patientenbezogenes.<br />Aus den Ergebnissen der Einzelstudien wird geschlussfolgert, dass der Behandlungserfolg einer Unterbringung nach § 64 StGB auf komplexe Art und Weise multifaktoriell bedingt ist, dass einem Therapieabbruch individuell unterschiedliche Behandlungsdynamiken vorausgehen, dass es aber dennoch so etwas wie „typische“ Risikopatienten zu geben scheint, dass sich zudem gewisse Patienteneigenschaften auf die Wahrscheinlichkeit des Auftretens „typischer“ Behandlungsdynamiken auszuwirken scheinen und schließlich, dass die juristische Entlassart als alleiniges Therapieerfolgskriterium das tatsächliche Outcome einer Therapie nach § 64 StGB nur ungenügend erfasst.<br />Auf Grundlage dieser Befunde werden praktische Hinweise an Forschung, Behandler, Gutachter und Justiz formuliert. 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