Trauma als Erzählstrategie

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Datum
2005
Autor:innen
Freißmann, Stephan
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Open Access-Veröffentlichung
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Forschungsvorhaben
Organisationseinheiten
Zeitschriftenheft
Publikationstyp
Masterarbeit/Diplomarbeit
Publikationsstatus
Published
Erschienen in
Zusammenfassung

Die vorliegende Magisterarbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie ein Trauma narrativ dargestellt werden kann. Der Arbeit liegt die These zugrunde, dass das Trauma sich auf die Struktur des Erzähltextes auswirkt, also implizit, qua narrativ-ästhetischer Darstellungsformen verhandelt wird. Ziel der Arbeit war es, narratologische Strukturmerkmale für die Verarbeitung von Traumata in der Erzählstrategie eines Textes herauszuarbeiten. Als traumatisch wird in der psychologischen Fachliteratur besonders die Konfrontation mit Ereignissen eingestuft, die die herkömmlichen Strategien im Umgang mit der Wirklichkeit zerstören und die gewohnten Erlebnisrahmen sprengen. Dies ist eine Situation, die im Zeitalter der industriell aufgerüsteten Totalitarismen des 20. Jahrhunderts in besonderem Maße auftreten kann. Die klinischen Merkmale von traumatischen Störungen, wie beispielsweise der Posttraumatischen Belastungsstörung, legen nahe, dass der Umgang von Traumapatienten mit den traumatischen Erinnerungen von der Dialektik von Vermeiden und Konfrontieren geprägt ist. Daraus ergeben sich die drei strukturellen Merkmale Unsagbarkeit, Fragmentierung und Repetition, die in einem Traumatext im oben skizzierten Sinn zu erwarten sind. Um herauszufinden, wie Autoren diese Strukturmerkmale bei der Verarbeitung eines Traumas einsetzen, wurden fünf exemplarische Texte der englisch- und französischsprachigen Erzählliteratur aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vergleichend untersucht.
Kurt Vonneguts Slaughterhouse Five (1969) verarbeitet das Trauma eines amerikanischen Soldaten, der die Bombardierung von Dresden im Februar 1945 als deutscher Kriegsgefangener miterlebt hat. Entscheidende Merkmale der Traumaerzählung sind in diesem Fall die Übertragung autobiographischer Ereignisse auf einen fiktiven Protagonisten als Vermeidungsstrategie, der Zerfall des Raum-Zeit-Kontinuums, in dem dieser Protagonist lebt, und die Inszenierung von Fluchten in eine fiktive Gegenwelt auf den Planeten Tralfamadore.
In Jorge Semprúns autobiographischem Text L écriture ou la vie (1994) resultiert das Trauma des Autors aus seiner Gefangenschaft im Konzentrationslager Buchenwald. In der damit verbundenen persönlichen Entwurzelung konstruiert der Autor, der als Ich-Erzähler gleichzeitig Protagonist des Textes ist, seine Identität durch die Lektüre von Büchern. Repetitive Tendenzen sind auch in diesem Text zu erkennen, denn beispielsweise bricht der Moment der Ankunft der Deportierten im Konzentrationslager Buchenwald immer wieder unwillkürlich in die aktuelle Lebenswirklichkeit des Ich-Erzählers ein.
Das zweisprachige Buch The Voice in the Closet / La voix dans le cabinet de débarras von Raymond Federman (1989) thematisiert ebenfalls das persönliche Trauma seines Autors, der aus einem Versteck in einem Wandschrank heraus miterleben musste, wie seine Familie von nationalsozialistischen Soldaten deportiert wurde. Federman ist sicherlich der Autor unter den hier besprochenen, der das Trauma am radikalsten auf die Textstruktur übertragen hat. Waren in den beiden vorangehend besprochenen Texten Fragmentierungstendenzen zu spüren, so werden sie hier radikal umgesetzt, denn es gibt nicht einmal eine Narration im herkömmlichen Sinne der Kontinuität; vielmehr stehen einzelne Worte unverbunden nebeneinander.
Ein weiteres historisches Feld, in dem Weltbilder mit Totalitätsanspruch unversöhnlich aufeinander trafen, war der Kolonialismus. Als erstes Beispiel der postkolonialen Literatur behandelte die Arbeit Toni Morrisons Jazz (1992), ein Buch, das sich mit dem kollektiven Trauma der Afro-Amerikaner, der Sklaverei, beschäftigt. Die Folge davon ist nicht nur die Zerstörung einer Kultur, sondern auch die von Genealogien, die die Stabilität persönlicher Identität gewährleisten könnten. Morrison inszeniert diese Tatbestände in Anlehnung an die ästhetischen Strategien des musikalischen Erbes der Schwarzen, des Jazz, indem der Text beständig um bestimmte Leitmotive kreist, diese improvisatorisch verfremdet und assoziativ zwischen den Erzählsträngen überleitet.
Schließlich wurde Rachid Boudjedras La répudiation (1969), das am Übergang Algeriens von der französischen Kolonialherrschaft in die Unabhängigkeit angesiedelt ist, als zweites Beispiel postkolonialer Literatur besprochen. Die Merkmale traumatischen Erzählens dominieren auch hier die Struktur des Textes: Der Ich-Erzähler kreist immer wieder um bestimmte Ereignisse wie seine alptraumhafte Kindheit im Algier des islamischen Patriarchats oder seine Inhaftierung nach der Unabhängigkeit des Landes, die mit Staatsterror erkauft wurde.
Abschließend versuchte die Arbeit, das traumatische Erzählen von allgemein fragmentarischen Erzählpraktiken abzugrenzen, wie sie seit dem Modernismus und in jüngerer Zeit vor allem in postmoderner Literatur auftreten. Allerdings lässt sich diese Trennlinie ohne den Rückgriff auf die Inhaltsebene der Texte und die damit verbundene ethische Dimension kaum trennscharf ziehen.

Zusammenfassung in einer weiteren Sprache
Fachgebiet (DDC)
800 Literatur, Rhetorik, Literaturwissenschaft
Schlagwörter
Erzählliteratur des 20. Jahrhunderts, Traumatext, englisch- und französischsprachige Literatur, poetics of trauma
Konferenz
Rezension
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Zitieren
ISO 690FREISSMANN, Stephan, 2005. Trauma als Erzählstrategie [Master thesis]
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Die klinischen Merkmale von traumatischen Störungen, wie beispielsweise der Posttraumatischen Belastungsstörung, legen nahe, dass der Umgang von Traumapatienten mit den traumatischen Erinnerungen von der Dialektik von Vermeiden und Konfrontieren geprägt ist. Daraus ergeben sich die drei strukturellen Merkmale Unsagbarkeit, Fragmentierung und Repetition, die in einem  Traumatext  im oben skizzierten Sinn zu erwarten sind. Um herauszufinden, wie Autoren diese Strukturmerkmale bei der Verarbeitung eines Traumas einsetzen, wurden fünf exemplarische Texte der englisch- und französischsprachigen Erzählliteratur aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vergleichend untersucht.&lt;br /&gt;Kurt Vonneguts Slaughterhouse Five (1969) verarbeitet das Trauma eines amerikanischen Soldaten, der die Bombardierung von Dresden im Februar 1945 als deutscher Kriegsgefangener miterlebt hat. 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Waren in den beiden vorangehend besprochenen Texten Fragmentierungstendenzen zu spüren, so werden sie hier radikal umgesetzt, denn es gibt nicht einmal eine Narration im herkömmlichen Sinne der Kontinuität; vielmehr stehen einzelne Worte unverbunden nebeneinander.&lt;br /&gt;Ein weiteres historisches Feld, in dem Weltbilder mit Totalitätsanspruch unversöhnlich aufeinander trafen, war der Kolonialismus. Als erstes Beispiel der postkolonialen Literatur behandelte die Arbeit Toni Morrisons Jazz (1992), ein Buch, das sich mit dem kollektiven Trauma der Afro-Amerikaner, der Sklaverei, beschäftigt. Die Folge davon ist nicht nur die Zerstörung einer Kultur, sondern auch die von Genealogien, die die Stabilität persönlicher Identität gewährleisten könnten. Morrison inszeniert diese Tatbestände in Anlehnung an die ästhetischen Strategien des musikalischen Erbes der Schwarzen, des Jazz, indem der Text beständig um bestimmte Leitmotive kreist, diese improvisatorisch verfremdet und assoziativ zwischen den Erzählsträngen überleitet.&lt;br /&gt;Schließlich wurde Rachid Boudjedras La répudiation (1969), das am Übergang Algeriens von der französischen Kolonialherrschaft in die Unabhängigkeit angesiedelt ist, als zweites Beispiel postkolonialer Literatur besprochen. Die Merkmale traumatischen Erzählens dominieren auch hier die Struktur des Textes: Der Ich-Erzähler kreist immer wieder um bestimmte Ereignisse wie seine alptraumhafte Kindheit im Algier des islamischen Patriarchats oder seine Inhaftierung nach der Unabhängigkeit des Landes, die mit Staatsterror erkauft wurde.&lt;br /&gt;Abschließend versuchte die Arbeit, das traumatische Erzählen von allgemein fragmentarischen Erzählpraktiken abzugrenzen, wie sie seit dem Modernismus und in jüngerer Zeit vor allem in postmoderner Literatur auftreten. Allerdings lässt sich diese Trennlinie ohne den Rückgriff auf die Inhaltsebene der Texte und die damit verbundene ethische Dimension kaum trennscharf ziehen.</dcterms:abstract>
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