Bitte benutzen Sie diese Kennung, um auf die Ressource zu verweisen: http://dx.doi.org/10.18419/opus-11049
Autor(en): Pestalozzi, Samuel Fadri
Titel: Selektive Elektrodynamische Fragmentierung : Zerkleinerungsmechanismen und Einsatzmöglichkeiten zur Rückgewinnung von Wertstoffen
Erscheinungsdatum: 2020
Dokumentart: Dissertation
Seiten: xxiv, 298
URI: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:93-opus-ds-110660
http://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/11066
http://dx.doi.org/10.18419/opus-11049
Zusammenfassung: Aufschluss und Sortierung sind zentrale Schritte moderner Recyclingtechnologien. Eine treibende Kraft für die Suche nach neuen Aufbereitungsverfahren ist die Zusammensetzung moderner Produkte, welche eine zunehmende Stoffvielfalt aufweisen, was für herkömmliche Recyclingtechnologien eine erhebliche Schwierigkeit darstellt. Parallel dazu steigen auch die Anforderungen an Aufbereitungsverfahren durch steigende Verwertungsquoten. Bei der im Feststoff-Recycling bisher weit verbreiteten mechanischen Zerkleinerung wird zwar die Korngröße des Aufgabegutes verringert, die einzelnen Körner bestehen dann aber teilweise noch immer aus einem Konglomerat verschiedener Stoffe. Als alternatives Verfahren zu mechanischen Zerkleinerungstechnologien wird in dieser Arbeit die Fragmentierung mittels Hochspannungsentladungen (HSE) in Wasser untersucht. Bei der elektrodynamischen Fragmentierung (EDF, SelFrag Lab S2.1) werden mittels hoher Spannungen (90-200 kV) bei kurzer Pulsanstiegszeit (150-200 ns) Feststoffdurchschläge ermöglicht. Im Gegensatz dazu erreichen die Entladungen bei der elektrohydraulischen Fragmentierung (EHF, ImpulsTec EHF-100) geringere Spannungswerte (30-50 kV) bei längerer Pulsanstiegszeit (500-2 000 ns), was zu Durchschlägen im Arbeitsmedium führt. Die thermische Expansion im Entladungskanal (bis 10^4 K) führt in beiden Fällen zu Druckschwankungen (bis 10^10 Pa), welche die erwünschte Fragmentierung verursachen. Bei Feststoffdurchschlägen werden die Druckschwankungen innerhalb des Materials ausgelöst (Zugkräfte). Bei Entladungen im Arbeitsmedium propagieren die Druckschwankungen durch das Medium und treffen von außen auf die Probenoberfläche (Druckkräfte). Elektropulsverfahren werden für die Auftrennung von Mineralien zwar seit Jahren eingesetzt, ihre Anwendung im Recyclingbereich ist jedoch bisher wenig wissenschaftlich untersucht worden. Ein wesentlicher Vorteil beim Einsatz von HSE gegenüber mechanischer Zerkleinerung ist die verbesserte Selektivität beim Feststoff-Aufschluss. Dies birgt somit das Potential, den nachgeschalteten Trennprozess effizienter zu gestalten. Ziel dieser Arbeit ist ein grundlegendes Prozessverständnis der Fragmentierung von Verbundmaterialien mittels HSE. Die Erforschung von Zerkleinerungsmechanismen bildet dabei den ersten Schritt in der Entwicklung eines Verfahrens zur Kreislaufführung von Verbundmaterialien durch HSE. Als Forschungs- und Entwicklungslücke hinsichtlich ausgewählter sekundärer Stoffströme wurde die Anwendung zur Aufbereitung von Dünnschicht-Photovoltaik-Modulen identifiziert und durch die vorliegende Arbeit geschlossen. Die Beiträge zum theoretischen Prozessverständnis umfassten Grundlagenuntersuchungen zur Festlegung und Bestimmung von Kennwerten zum Aufbereitungserfolg, systematische Aufbereitungsuntersuchungen sowie Übertragbarkeitsuntersuchungen mit weiteren Werkstoffen. Dabei wurden drei Haupt-Kennwerte verwendet. Der Zerkleinerungsgrad (Z) beschreibt das Verhältnis der medianen Korngröße vor und nach einem Zerkleinerungsvorgang. Der Funkenwirkungsgrad (ηPF) beschreibt das Verhältnis von in der Anlage eingesetzter Pulsenergie zu im Prozessgefäß umgesetzter Funkenenergie. Der Liberationsgrad (L) quantifiziert den Aufbereitungserfolg durch einen Vergleich zwischen der Masse eines freigelegten Zielwerkstoffes und dessen gesamter Masse im Werkstoffverbund. Das Prozessverständnis wurde durch Versuche mit kugelförmigen Modell-Probenkörpern aus der Verfahrenstechnik (Bruchkugeln mit Durchmesser 16 mm) erweitert. Als Modellmaterialien wurden Kalk-Natron-Glas (Glas) und Aluminiumoxid (Keramik) verwendet. Zur Quantifizierung einzelner Zerkleinerungsmechanismen wurden neben Bruchkugeln aus Glas oder Keramik auch bruchfeste Kugeln aus Naturkautschuk verwendet. Auf Basis dieser Versuche wurde die Zerkleinerungswirkung des elektrodynamischen Effektes quantitativ mit einer Überlagerung aus elektrohydraulischem Effekt und autogenem Mahleffekt verglichen. Als Modellparameter wurde hierzu der jeweils erreichte Zerkleinerungsgrad (Z) der massenspezifisch umgesetzten Zerkleinerungsenergie (EZ) gegenübergestellt (dZ/dEZ). Zur getrennten Betrachtung des elektrodynamischen Zerkleinerungsmechanismus einerseits und einer Überlagerung aus Elektrohydraulik und autogener Mahlung andererseits wurde eine Positionierhilfe aus ABS verwendet. Für Versuche mit Glaskugeln stieg der elektrodynamische Anteil am Zerkleinerungserfolg von 53 % mit Positionierhilfe auf 67 % ohne Positionierhilfe an. Bei der Fragmentierung von Keramikkugeln wurde eine rein elektrodynamische Fragmentierung ohne messbaren Beitrag des elektrohydraulischen Effektes und des autogenen Mahleffektes nachgewiesen. Dieses Ergebnis wurde auch durch die Tatsache gestützt, dass nach Entnahme der Positionierhilfe der Wert für dZ/dEZ bei Glas um den Faktor 5,7 anstieg, wohingegen der Anstieg bei Keramik mit einem Faktor von 1,4 deutlich geringer ausfiel. Im Gegensatz zu einer mechanischen Zekleinerung mittels Prallmühlen wurden im Verlauf einer Fragmentierung mittels HSE zunächst sinkende Werte für dEZ/dD50 gemessen. Im weiteren Zerkleinerungsverlauf stiegen die dEZ/dD50-Werte bei HSE dann ähnlich wie bei einer mechanischen Zekleinerung fortlaufend an. Als mögliche Gründe für diesen atypischen Zerkleinerungsverlauf wurden neben der in der Literatur beschriebenen Vorschwächung aufgrund hoher induzierter Dehnraten die bei der EDF wirkenden Zugkräfte identifiziert. Ein Übergang von sinkenden zu steigenden dEZ/dD50-Werten könnte somit ein Hinweis auf eine vermehrte elektrohydraulische Fragmentierung sein, da diese wie bei mechanischer Aufbereitung auf Druckkräften beruht. Eine Hypothese aus der Literatur besagt, dass sich Werkstoffverbunde mit größerer interner Permittivitätsdifferenz mittels EDF besser auftrennen lassen als homogener aufgebaute Verbunde. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurden Anwendungsversuche mit Photovoltaik-Modulen (Typ CdTe und CIS), Glasfaserverbundwerkstoffen sowie Proben aus dem Elektrogerätebereich (Steckerverbindungen und Lautsprechermodule) mit unterschiedlicher interner Permittivitätsdifferenz durchgeführt. Die interne Permittivitätsdifferenz wurde über die Grenzflächenpolarisation (dε) nach Debye definiert. Aus der EDF dieser Proben ergab sich für eine Grenzflächenpolarisation über dε=100 ein Prozessfenster, in welchem eine Liberation von L > 80 % erreicht wurde. Dieses Modellvorgehen erlaubt somit die Einteilung noch unerforschter Werkstoffverbunde in zwei Gruppen zur Aufschlusszerkleinerung mittels entweder EDF oder EHF. Bei der Fragmentierung von Dünnschicht-Photovoltaik-Modulen (DPV) vom Typ CIS konnte festgestellt werden, dass die Liberation der enthaltenen Halbleitermetalle nicht vom Spannungsniveau, sondern lediglich von der total umgesetzten Pulsenergie abhängig war. Bei demselben Energieumsatz von 121-125 J/g erreichten sowohl die EHF als auch die EDF vergleichbare Liberationswerte über 80 %. Bei CIS-DPV wurde somit trotz eines hohen Wertes von dε=2900 entgegen der Hypothese aus der Literatur kein verbessertes Trennergebnis der EDF gegenüber der EHF beobachtet. Da für Pulse höherer Spannung ein anlagenspezifisch größerer Aufwand nötig ist, ist somit eine Fragmentierung von CIS-DPV bei tieferen Spannungen und somit die EHF der EDF vorzuziehen. Im Ergebnis zeigte diese Arbeit, dass ein Einsatz von HSE zur erhöhten Selektivität beim Feststoff-Aufschluss unter Berücksichtigung des Entladungstypus (EDF oder EHF) erfolgen muss. Mit Hilfe von Modellsubstanzen konnte der elektrodynamische Anteil einer Zerkleinerung stoffspezifisch auf 100 % (Keramik) resp. 53 bis 67 % (Glas) quantifiziert werden. Dies schließt ungeeignete Werkstoffe ohne elektrohydraulische Zerkleinerungswirkung wie etwa Keramik von einer EHF aus. Im Zusammenhang mit einer Fragmentierung durch HSE wurde in der Literatur nebem der Permittivität auch die akustische Impedanz als wichtige Einflussgröße genannt, welche sich somit als weiterer Modellierungsansatz anbietet. Im Rahmen dieser Promotion wurden neben Grundlagen- und Anwendungsuntersuchungen zusätzlich noch Ansätze zur Erweiterung des Prozessfensters der Fragmentierung mittels HSE aufgezeigt. Zur Spektroskopie während der EDF wurde eine Prozessgefäßmodifikation mit Sichtfenster umgesetzt und die Plasmatemperatur aus den aufgenommenen Emissionsspektren mit 6 800-7 700 K bestimmt. Mittels Kalibration der Spektrogramme durch Fragmentierung bekannter Reinststoffe könnte diese Modifikation in einem möglichen Folgevorhaben zur Elementidentifikation eingesetzt werden. Zur Fragmentierung in alternativen Prozessmedien wurde des Weiteren ein Autoklav entwickelt und ein erster Prototyp gefertigt, dessen Konstruktion derzeit zur Sicherstellung eines erfolgreichen Entladungsverlaufes überarbeitet wird.
Enthalten in den Sammlungen:04 Fakultät Energie-, Verfahrens- und Biotechnik

Dateien zu dieser Ressource:
Datei Beschreibung GrößeFormat 
20200507_Dissertation_Pestalozzi_Samuel_Fadri.pdf16,33 MBAdobe PDFÖffnen/Anzeigen


Alle Ressourcen in diesem Repositorium sind urheberrechtlich geschützt.